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Das Bürgertum stellte in seiner Hochblüte zwischen dem Ende des 18. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts eine Minderheit von im Schnitt 5 bis 15% dar, eine Minderheit allerdings, die mit Ihrer Mentalität und Ihren Werten eine unvergleichbare Ausstrahlungskraft besaß. Entstanden in scharfer Abgrenzung zum Adel und einzig im europäischen Kulturraum vorhanden, entwickelte diese kleine Klasse Tugenden und eine spezifische Kultur, die unsere westliche Welt bis heute fundamental prägt. Gunilla Budde analysiert die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wurzeln, um dann alle wichtigen Aspekte des Bürgertums in seiner Hochzeit zu beleuchten: von der bürgerliche Öffentlichkeit mit Vereinen, Festen und ihrer spezifischen Repräsentanz, über Moralvorstellungen bis zur ökonomischen und politische Gefährdung des Bürgertums. Am Ende stellt sich die Frage, ob das Bürgertum als Klasse unwiederbringlich untergegangen ist, oder doch eine Renaissance erlebt.
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Seitenzahl: 312
Veröffentlichungsjahr: 2012
Gunilla Budde
Blütezeit des Bürgertums
Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-534-15170-7
© 2009 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
Die Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.
Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim
Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach
eBook ISBN 978-3-534-71432-2 (epub)
Als epub veröffentlicht 2010.
www.wbg-wissenverbindet.de
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Inhaltsverzeichnis
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Impressum
Geschichte kompakt
Einführung: Soviel Bürgertum war nie
I. Genese des Bürgertums
1. Wurzeln und Entwicklungen: Ursprünge des Bürgertums
2. Zwei Segmente: Bildungsbürgertum und Wirtschaftsbürgertum
3. Einheit in der Vielfalt: Kultur als Klammer
II. Bürgerliche Öffentlichkeit
1. Öffnung der Gesellschaft: Entstehung bürgerlicher Öffentlichkeiten
2. Salons, Assoziationen, Vereine: Spielarten bürgerlicher Öffentlichkeiten
3. Grenzen der Öffentlichkeit: Exklusionen
III. Bürgerliche Familie
1. Liebe und Kalkül: Bürgerliche Familiengründungen
2. Die „bürgerliche Kinderstube“: Erziehung zur Bürgerlichkeit
3. Fremd, doch nah: Dienstmädchen in Bürgerfamilien
IV. Bürgertum und Politik
1. Die Herren der Städte: Bürger in der Kommunalpolitik
2. Revolution mit Regenschirm – Das Bürgertum 1848/49
3. Nationalismus, Liberalismus und „konservative Wende“: Richtungschwenks im Kaiserreich
V. Bürgertum und Kunst
1. Kunst im Bürgeralltag: Bürgerliche Dilettanten
2. Kunst und Kommerz: Bürgerliche Mäzene
3. Kunst und Politik: Bürgerliche Kunstkritik
VI. Bürgertum und Religion
1. Säkularisierungstendenzen? Die bürgerliche „Gretchenfrage“
2. Re-Konfessionalisierung: Protestantische, katholische und jüdische Bürger
3. Verlagerungen: Feminisierung und Familiarisierung der Religion
VII. Bürgerliche Selbstdarstellung: Konsum und Freizeit
1. Der angemessene Lebensstil: Bürgerliche Konsumpraxis
2. „Tages Arbeit, Abends Gäste!“ Bürgerliche Geselligkeit
3. Zelebrierte Bürgerlichkeit: Bürgerliche Feste
VIII. Bürgertum zwischen den Klassen
1. Zwischen Abschottung und „Feudalisierung“: Bürgertum und Adel
2. Zwischen Abwehr und Wohltätigkeit: Bürgertum und Arbeiter
3. Der „neue Mittelstand“: Bürgertum und Angestellte
IX. Bürgerliche Herausforderungen und Verwerfungen
1. Rebellische Töchter: Bürgerliche Frauenbewegung
2. Wandernde Söhne: Die bürgerliche Jugendbewegung
3. Verblendete Bürger: Bürgertum und Antisemitismus
X. Bürgertum international
1. Grenzenlose Bürgerkultur: Europäische Gemeinsamkeiten
2. Exkurs: Ein „Defizit an Bürgerlichkeit“? Die These vom „deutschen Sonderweg“
3. Welt-Bürger-Visionen: Phantasten und Imperialisten
Ausblick
Literatur
Personenregister
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für Jürgen Kocka
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In der Geschichte, wie auch sonst,
dürfen Ursachen nicht postuliert werden,
man muss sie suchen. (Marc Bloch)
Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden.
Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte.
Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden.
Kai Brodersen
Gabriele Haug-Moritz
Martin Kintzinger
Uwe Puschner
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Selbst das Dienstmädchen ist zurück. Soziologische Studien haben es unlängst gezeigt: In so manchem bürgerlichen Haushalt öffnen wieder junge, angestellte Frauen die Tür. Sie kommen zwar nicht mehr, wie im 19. Jahrhundert, aus der nahegelegenen ländlichen Region, sondern aus dem mehr oder weniger fernen Ausland. Doch ihre Arbeitsbedingungen erinnern sehr an die Zeit, in der die dienstbaren Geister als „Minimalbedingung eines wirklich bürgerlichen Haushalts“ (Jürgen Kocka) galten. Die Rückkehr des Dienstmädchens ist nur das I-Tüpfelchen; eine Renaissance des Bürgertums kündet sich allenthalben an. Hatte noch vor wenigen Jahren der Berliner Verleger Wolf Jobst Siedler die Krawattenträger auf dem Berliner Kurfürstendamm vermisst und ihr Fehlen als Ende der Bürgerlichkeit gedeutet, weisen aktuelle Stimmen in eine andere Richtung. In den neu aufflammenden Wertediskussionen der Feuilletons lebt die bürgerliche Wertewelt wieder auf. Beobachten lässt sich dies auch im Alltagsleben: In einem kaum überschaubaren Benimmbüchermarkt, im Comeback der Tanzstunde, in vollbesetzten Opernpremieren und gut besuchten Vernissagen, bei denen wieder das „kleine Schwarze“ mit Perlenkette gegenüber der Jeans triumphiert, in den tiefschwarzen Zahlen von Klavierbauern und Quotenrennern wie den diversen Fernsehshows, die „das perfekte Dinner“ als Höhepunkt gepflegter Gastlichkeit zelebrieren. Sonntags bricht man wieder zu einem der „Salons“ seiner Stadt auf, um gebildete Konversation zu pflegen und zur vorabendlichen Entspannung genießt man historische Dokusoaps, die in Herrenhäuser des 19. Jahrhunderts und „Bräuteschulen“ der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts entführen.
Auch auf gehobenem Niveau begegnen wir der Bürgerlichkeit neu. In den gesellschaftspolitischen Diskursen feiert, angestoßen von osteuropäischen Bürgerrechtlern der 1980er Jahre, die Zivilgesellschaft als dem 20. Jahrhundert adäquatere, da von einer reinen bürgerlichen Trägerschicht entkleidete Variante der bürgerlichen Gesellschaft, eine neue Blütezeit. Gleichsam allgegenwärtig im wissenschaftlichen, politischen und journalistischen Tagesgeschäft steht Zivilgesellschaft für die Anerkennung von Pluralität, die Toleranz gegenüber Anderen, ein vertrauensbasiertes Miteinander und nicht zuletzt für die Wiederbelebung bürgerlicher Eigen- und Gemeinschaftsverantwortung.
Den Wenigsten ist bewusst, auf welche Traditionen sie sich mit diesen Beschwörungen der Rückkehr der Bürgerlichkeit und der bürgerlichen Gesellschaft berufen. Vergessen scheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts die durchaus wechselvolle Geschichte der Erfinder und Architekten dieser Gesellschaft, die Geschichte des keineswegs immer positiv konnotierten Bürgertums und seiner Wertewelt. Doch nicht nur die Wahrnehmungen und Wertungen des Bürgertums schillerten. Mit seinem ständigen Changieren zwischen utopischen Versprechungen und exklusiver Realität, zwischen Aufgeschlossenheit und Engstirnigkeit, zwischen Selbstverliebtheit und Selbstzweifel, zwischen Weitherzigkeit und Vorurteil trug das Bürgertum immer einen Januskopf. Spätestens an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden diese Ambivalenzen aus den eigenen Reihen vor den Pranger geführt, wurden kritische Stimmen lauter, die mit dem Finger auf das Philisterhafte, Heuchlerische und Intolerante des Bürgertums wiesen. Damit begann die lange Karriere des negativ besetzten Bürgerbegriffs, das behäbige „Gut-Bürgerliche“, das belächelte „Kleinbürgerliche“, der verspottete „Spießbürger“ gewannen die Oberhand.
Dass die historische Forschung das Bürgertum erst in den 1980er Jahren entdeckte, hing einerseits durchaus mit diesem Nimbus zusammen. Andererseits war es auch die konsequente Folge des seit den 1970er Jahren intensivierten Historikerblicks ins „lange 19. Jahrhundert“. In dieser Zeit begonnene Entwicklungen, so die forschungsleitende Annahme, setzten sich fort und trugen Mit-Verantwortung für die Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Das Bürgertum als eine der prägenden Kräfte des 19. Jahrhunderts geriet ins Visier.
Dies geschah mit unterschiedlicher Akzentuierung. In den Zentren der Bürgertumsforschung, in Bad Homburg, Bielefeld, Frankfurt am Main und Berlin gingen die Vorstellungen von Genese und Entwicklung dieser sozialen Formation an entscheidenden Punkten auseinander:
Der Frankfurter Ansatz unter der Ägide von Lothar Gall betrachtete die Stadt als zentralen Handlungsraum des Bürgertums, der nach regional unterschiedlichen Stadttypen differierte und die ihnen entsprechenden Ausprägungen des Bürgertums hervorbrachte. Von Beginn an beherrschte in diesem Ansatz das Wirtschaftsbürgertum die Szenerie, das als mit dem Bildungsbürgertum im städtischen Raum eng verschränkt gesehen wurde. Das alte Stadtbürgertum und das moderne Bürgertum gingen hier eine enge Symbiose ein, wurden weniger trennscharf von einem „modernen“ Bürgertum betrachtet.
Der Bad Homburger und vor allem Bielefelder Ansatz (federführend hier vor allem Werner Conze, Rainer M. Lepsius, Jürgen Kocka, Hans-Ulrich Wehler, Reinhart Koselleck, Klaus Schreiner, Wolfgang Mager und Peter Lundgreen) betrachtete das Bürgertum als Träger einer bürgerlichen Gesellschaft, die mit dem Anspruch antrat, die ständische Gesellschaft abzulösen. Man konstatierte eine klare Trennung von Bildungs- und Besitzbürgertum, die sich an Einfluss und Macht im Laufe des 19. Jahrhunderts einander ablösten. Auch wenn durchaus in Teilbereichen Verbindungslinien zum alten Stadtbürgertum erkannt wurden, überwog die Auffassung, dass sich das neue Bürgertum primär außerhalb der traditionellen Städteordnung bewegte. Entsprechend stark wurde das Innovationspotenzial des „neuen“ Bürgertums als Protagonist der Modernisierung betont. Überdies wurde die Herausbildung eines solchen Bürgertums als europaweiter Prozess begriffen, der historische Vergleich, den der Bielefelder Ansatz einforderte, sollte nach Ähnlichkeiten und Unterschieden beim Weg in die Moderne fragen.
Diese unterschiedliche Akzentuierung beeinflusste auch die Vorstellungen von der Blütezeit des Bürgertums. Für die Frankfurter Forschergruppe lag die bürgerliche Hochphase in den ersten zwei Dritteln des 19. Jahrhunderts, während im Kaiserreich ein nicht aufzuhaltender Niedergang begann. Vom Bielefelder Projekt inspirierte Forschungen sahen dagegen keinen Machtverlust, sondern eher eine innerbürgerliche Machtverschiebung und das Kaiserreich durchaus als noch stark bürgerlich geprägt. Auch wenn lange der Konsens bestand und entsprechend die Forschungsrichtung leitete, dass mit dem Ersten Weltkrieg die Hochzeit des Bürgertums sich ihrem Ende zuneigte, sind in der letzten Zeit aus dieser Richtung durchaus, wenn auch noch wenig empirisch fundierte Überlegungen angestellt worden, die – gewandelte – Formen von Bürgerlichkeit auch im 20. Jahrhundert erkennen wollen.
Gemeinsam ist beiden Ansätzen die Vorstellung, dass das so heterogene Bürgertum in einer spezifischen bürgerlichen Kultur eine einigende Klammer fand. Im Zuge der Perspektiverweiterung auf kulturelle Aspekte untersuchte man jetzt die „Bürgerlichkeit“ und das bürgerliche „Lebensweltkonzept“ und meinte damit eine gemeinsame Referenzkategorie, die sich in gemeinbürgerlichen Praktiken, habituellen Dispositionen und wertgestützten Selbst- und Fremdkonzeptionen niederschlug. Doch auch hier gab es Unterschiede: Für die Bielefelder diente die bürgerliche Kultur als überspannendes Netz, dass regionale und zum Teil sogar nationale Bezüge überwölbte. Regionale Besonderheiten, auf die die Frankfurter Studien rekurrierten, gerieten damit in den Hintergrund.
Der Schwenk der Bürgertumshistoriographie zur Kultur war doppelt motiviert. Zum einen war er Resultat der Suche nach zusammenhaltstiftenden Elementen des nicht nur sozio-ökonomisch so wenig homogenen Bürgertums. Zum anderen erlaubten es Studien zum Bürgertum, die mit der Perspektive auf eine bürgerliche Kultur andere Handlungsräume und -bezüge in den Blick nahmen und nach Ausprägung und Bedeutung von Symbolen und symbolischen Akten, Aushandlungen und Aushandlungsstrategien, Erinnerungen und Erinnerungsorten, Festen und Festtagsritualen, Werten und Wertevermittlungen fragten, auch den weiblichen Part des Bürgertums in den Blick zu nehmen. Denn: Die bürgerliche Gesellschaft war, dem universalistischen Lippenbekenntnis zum Trotz, eine hochgradig geschlechtsdualistisch konzipierte Welt, die durch für Männer und Frauen unterschiedliche Normen und Rituale im Lot gehalten werden sollte. Männliche und weibliche Handlungs- und Wirkungssphären und eng damit verkoppelt männliche und weibliche Erfahrungen und Empfindungen wurden als „natürlich gegeben“ konstruiert und als strikt voneinander getrennt, doch sich gegenseitig harmonisch ergänzend konzipiert.
Bürgertum und Bürgerlichkeit, das macht der Blick in die internationale Forschungslandschaft deutlich, ist ein vor allem deutsches Thema. Erklären lässt sich dies zum einen mit der besonderen Rolle, die dem Bürgertum in der Geschichte des 19. Jahrhunderts zukam, und die ihm von Seiten eines negativ konnotierten „deutschen Sonderwegs“ zugeschrieben wurde. Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern wurde dem deutschen Bürgertum ein sich am Jahrhundertende abzeichnendes „Defizit an Bürgerlichkeit“ attestiert. Diese „Sonderweg-These“ provozierte und inspirierte in der Bürgertumsforschung dazu, mit der Methode des historischen Vergleichs systematisch nach Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen deutschen und anderen europäischen Entwicklungen zu suchen. Grundimpuls dieser komparativen Untersuchungen war es, Weggabelungen in der deutschen Geschichte zu identifizieren, an denen der westliche „Normalweg“ in die Moderne verlassen wurde.
Die Konzentration des vorliegenden Bandes auf das „lange 19. Jahrhundert“ ist weniger der Vorstellung geschuldet, das Bürgertum hätte sich mit dem Ersten Weltkrieg von der Geschichte verabschiedet. Vieles deutet in eine andere Richtung, ohne dass es in der Forschung schon empirisch belegt wurde. Doch eine, wenn vielleicht auch nicht die letzte Blütezeit erlebte das Bürgertum mit Sicherheit zwischen 1789 und 1914.
Das erste Kapitel (I) geht der Genese und Entwicklung des Bürgertums über einen langen Zeitraum nach, skizziert die Ausdifferenzierung in „Bildungsbürgertum“ und „Wirtschaftsbürgertum“ im 19. Jahrhundert und die Herausbildung einer kulturellen Klammer. Die Kapitel II und III begeben sich in die Vereine und Familien, und damit an mehr oder minder öffentliche Orte und Institutionen, an denen die bürgerliche Kultur geprägt und weitergegeben wurde. Bürgerlichkeit, so die These von Kapitel IV, bedeutete auch den Anspruch auf politische Partizipation. Wo, zu welchen Zeiten und in welcher Form dieser bürgerlichen Forderung stattgegeben wurde, wird mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltung, die „bürgerliche“ Revolution von 1848/49 und den Richtungsänderungen im Kaiserreich untersucht. Die Allgegenwart von Kunst im Bürgeralltag, bürgerliche Kunstförderung und Politik mit der Kunst verweisen, dies zeigt Kapitel V, auf den hohen Stellenwert, den Hochkultur für den bürgerlichen Lebensentwurf einnahm. Ob Kunst und Bildung als „Ersatzreligionen“ den Einfluss der Religion wirklich so schmälerten, wie lange in der Forschung behauptet, fragt das VI. Kapitel. Im ganzen 19. Jahrhundert war das sich neu etablierende Bürgertum auf Selbstsuche. Konsum und konsumtive Praktiken verhalfen dabei zur Selbstdarstellung und Fremdabgrenzung ebenso wie die bürgerliche Festkultur, wie im VII. Kapitel gezeigt wird. Dabei ging es, so argumentiert Kapitel VIII, auch immer um Abgrenzungen von anderen Klassen, vom Adel, der Arbeiterschaft und dann auch den Angestellten. Mit welchen Herausforderungen das Bürgertum am Jahrhundertende konfrontiert wurde, welche Irrwege und Verwerfungen sich innerhalb der eigenen Reihen abzeichneten, wird im IX. Kapitel vorgeführt. Kapitel X richtet die Aufmerksamkeit auf europäische Gemeinsamkeiten, aber auch auf Unterschiede, die nicht zuletzt die lange Forschungskontroverse um den „deutschen Sonderweg“ inspirierten. Das Buch schließt mit einem knappen Ausblick auf das Bürgertum und eine mögliche Bürgertumsforschung im 20. Jahrhundert.
Das Bürgertum und seine Wertewelt sind wieder in aller Munde – dies ist der Eindruck, unter dem dieses Buch entstand. Vergessen werden darf bei diesem Ruf nach Zurück zu mehr Bürgerlichkeit nicht, dass es neben den hellen auch dunkle Bürgerseiten gab. Das Bürgertum schillerte, war hochgradig ambivalent. Das macht seine Geschichte so spannend, das zwingt aber auch zu differenzierter Perspektive. Die Augen geöffnet dafür hat mir bereits in den 1980er Jahren Jürgen Kocka, ein wegweisender Pionier der Bürgertumsforschung. Ihm ist dieses Buch in Dankbarkeit gewidmet.
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Mächtige Minderheiten sind selten. Das Bürgertum, das je nach Schätzungen zwischen 5 und 15 Prozent der Bevölkerung ausmachte, gehört dazu. Die Ausstrahlungskraft seiner Lebensform und Wertewelt machte das 19. Jahrhundert, in dem es seine Blütezeit erlebte, zum „bürgerlichen Jahrhundert“.
Begriffsgeschichte
Die Wurzeln des europäischen Bürgerbegriffs reichen weit in die Geschichte zurück. Seiner sprachlichen Herkunft nach gehört „Bürger“ zu dem Wort „Burg“, das auch die Bezeichnung für „Stadt“ sein konnte. Schon im Althochdeutschen verstand man unter burgari, im Altenglischen burgware und im Mitteldeutschen burgaere die Bewohner einer Stadt. Für die deutsche Wortgeschichte blieb diese Ableitung bestimmend, während sich in den romanischen Ländern unter dem Einfluss der lateinischen Kultur und Sprache bereits im hohen Mittelalter zwei oder auch mehrere Bezeichnungen für „Bürger“ herausbildeten. So gesellte sich im Französischen im 11. und 12. Jahrhundert zu dem Wort bourgeois die Bezeichnung citoyen dazu, während der deutsche Sprachbereich bis heute nur das vieldeutig verwendete Wort „Bürger“ kennt. „Bürger“ meint im Deutschen sowohl den „Staatsbürger“ als auch den Angehörigen einer sozialen Formation.
Die sprachgeschichtliche Nähe des Begriffs zur Stadt, die den Bürgerbegriff im europäischen Kontext kennzeichnet, ergab sich aus seinem Ursprung im antiken Stadtstaat. Für Aristoteles bedeutete die polis die Vereinigung von Bürgern, die „bürgerliche Gesellschaft“. Doch nicht allein die Ansässigkeit in der Stadt, sondern auch die Teilhabe und Teilnahme an der dortigen Herrschaft machte den antiken Stadtbewohner zum Bürger. Eben dies unterschied ihn von den übrigen Einwohnern, den Sklaven, Bauern, Händlern und Tagelöhnern.
Unter dem Einfluss des Christentums erfuhr der Begriff „Bürger“ eine Ausweitung. Die im Neuen Testament verkündete Idee der Bürgerschaft aller Menschen im zukünftigen „Gottesstaat“, im Civitas Dei, fand, angestoßen von der gleichnamigen Schrift des frühchristlichen Kirchenlehrers Augustinus (354–430), weite Verbreitung. Neu war nun vor allem die Ankoppelung der „Arbeit“, der „geschäftige[n] Lebensführung“ an den Bürgerbegriff. Als Landbesitzer und Krieger hatten die antiken Bürger der Sphäre der Arbeit noch fremd, ja feindlich gegenübergestanden. Verächtlich schauten sie auf das Handwerk herab und überließen es Sklaven und anderen Unfreien. Dies sollte sich ändern: Die ausgewogene Balance zwischen Geschäftigkeit und Müßiggang wurde fortan ein wesentlicher Teil bürgerlicher Identität, wobei das Selbst als auch die Gemeinschaft gleichermaßen davon profitieren sollten.
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Ideal der Vereinbarkeit von Muße und Geschäftigkeit
aus: Augustinus: Vom Gottesstaat (um 410 n. Chr.), München 1977/1978, Bd. 2, 564f.
Was aber jene drei Arten der Lebensführung anlangt, die müßige, die geschäftige und die aus beiden zusammengesetzte, so kann man zwar unbeschadet des Glaubens auf jede dieser Weise sein Leben zubringen und den ewigen Lohn erlangen, doch muß jeder darauf achten, was er um der Liebe willen tun muß. Demnach darf niemand so müßig sein, daß er in seiner Muße das Wohl des Nächsten vergißt, aber auch nicht so geschäftig, daß er die geistliche Betrachtung versäumt. Bei der Muße soll nicht etwa träges Nichtstun locken, sondern das Erforschen und Auffinden der Wahrheit, und jeder darauf bedacht sein, in der Erkenntnis fortzuschreiten und, was er gefunden, auch dem Nächsten gönnen. Beim tätigen Leben aber ist nicht weltliche Ehre und Macht anzustreben – denn alles unter der Sonne ist eitel.
Herausbildung von Städten
Seit dem 11. Jahrhundert bildeten sich inmitten der grundherrlich-agrarisch geprägten Gesellschaft die Städte als genossenschaftliche Verbände „freier“ Bürger heraus. „Stadtluft macht frei“ – dieses geflügelte Wort erfanden rückblickende Historiker, um das vergleichsweise freiheitliche und selbstbestimmte Dasein städtischer Bürger vor dem Hintergrund einer in herrschaftlichen Zwängen befangenen Welt hervorleuchten zu lassen. Doch auch die Bürger mittelalterlicher Städte, wenngleich weitgehend unabhängig von adliger Herrschaft und Landbesitz, blieben Teil einer feudalen Welt und damit eingebunden in deren Regeln und Reglementierungen. Doch immerhin gehörte zu ihrem Selbstverständnis nun das Wissen um die Möglichkeiten politischer Teilhabe, das Gefühl, durch eine gemeinschaftlich beschlossene Rechtsordnung gegen Willkür geschützt zu sein, die Überzeugung, dass die Wahrnehmung verbriefter Rechte und Pflichten das Wohl der Gesamtheit gewährleistet. Überlieferungen zufolge haben Stadtbürger überall in Europa zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert ihr Zustimmungs- und Kontrollrecht dem Rat gegenüber immer wieder eingefordert und durchgesetzt. Nichts Geringeres als Mitsprache und Rechtssicherheit stand auf dem Spiel; Gewalt und Bedrückung durch diejenigen, die wirklich das Sagen hatten, galt es im Zaum zu halten und abzuwehren.
Abseits von politischen Belangen sorgten die Bürger der mittelalterlichen Städte vor allem als Kaufleute und Handwerker für ihren Lebensunterhalt. Gewerbe und Handel gerieten jetzt zum Kernstück des bürgerlichen Lebens. Dieser Typus des mittelalterlichen Stadtbürgers unterschied sich zunächst einmal rechtlich sowohl von allen ländlichen Schichten, die sich aus Adligen, Bauern, Kleinbauern, Landhandwerkern und Heimgewerbetreibenden zusammensetzten als auch von der großen Masse der in den Städten lebenden Unterschichten wie dem Gesinde, den Arbeitern, den Handwerksgesellen, den Betreibern „unehrenhafter“ Gewerbe und den Armen. Die zumeist männlichen Inhaber des Bürgerrechts durften innerhalb der Stadtmauern einem selbstständigen Erwerb nachgehen, eine Familie gründen und einem Haushalt vorstehen, Handel betreiben, Ständevertretungen, Zünften und Vereinen beitreten, hatten in begrenztem, doch wachsendem Umfang Teil an der städtischen Selbstverwaltung, durften Wälder und Wiesen der städtischen Allmende nutzen und konnten im Fall der Armut und Hilflosigkeit mit Fürsorge durch die Gemeinde rechnen. Im Gegenzug hatten sie Steuern zu entrichten und sich einer eigenen Gerichtsbarkeit zu unterstellen.
Das Bürgerrecht war ein exklusives Recht. Es wurde durch Geburt erworben und konnte auf Antrag auch an Bewerber verliehen werden, wenn sie ein bestimmtes Vermögen und gewisse Leistungen aufbrachten. Prinzipiell stand auch Frauen dieses Recht zu – doch nur in sehr beschränktem Umfang. Erst als Witwe durfte eine Frau einen ererbten Handwerks- oder Handelsbetrieb in eigener Regie mit allen daran geknüpften Rechten und Pflichten führen, als Ehefrau besaß sie diese Befugnis hingegen nur indirekt, über ihren Mann vermittelt. Außerdem war es ihr verwehrt, über die inneren Geschicke des Gemeinwesens mitzubestimmen. Weibliche Amtsträger, Frauen als Ratsmitglieder oder auch Wählerinnen sucht man im 18. Jahrhundert vergebens.
So war es in der Regel nur eine größere Minderheit zwischen 10 und 30 Prozent innerhalb der gesamten städtischen Bewohnerschaft, die das volle Bürgerrecht für sich in Anspruch nehmen konnte. Dazu gehörten selbstständige Handwerksmeister, wohlhabende Kaufleute, Ladenbesitzer und Gastwirte, in den größeren Städten vor allem seit dem 15. und 16. Jahrhundert dann auch Ärzte, Juristen und Angehörige der protestantischen Geistlichkeit. Ungeachtet der einigenden Sonderstellung durchzog auch die Bürgerschaft eine hierarchische Ordnung, die im städtischen Alltags- und Festtagsleben ihren Ausdruck fand: in den strengen Kleiderordnungen, in der festen Sitzordnung in der Kirche, in den mehr oder minder pompösen Hochzeitsfeiern oder in der Länge des Glockengeläuts beim letzten Geleit.
Darüber hinaus entwickelten sich unter diesem Stadtbürgertum des Ancien Régime bereits Ansätze einer eigenständigen Kultur mit besonderen Normen und Lebensformen. Man schätzte die Arbeit, strebte nach Besitz, zeigte sich religionsverhaftet, bemühte sich um Sparsamkeit und Rechtschaffenheit, beharrte auf einer gestuften Gesellschaftsordnung und beanspruchte begrenzte politische Mitsprache. Diese mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Traditionen und Ideen der europäischen Bürgerstadt bildeten später eine wesentliche Voraussetzung für den Aufstieg des modernen Bürgertums. Ungeachtet dieser Vorreiterrolle zeigten sich Teile dieses alten Stadtbürgertums gegenüber Herausforderungen, die am Ende des 18. Jahrhunderts auf der Tagesordnung standen, als traditionsverhaftet und neuerungsfeindlich, auf ihre Privilegien pochend und um sie fürchtend. Man hatte sich hinter seinen Stadtmauern eingerichtet, der Alltag war von Not frei, wohlgeordnet und risikolos. Dies galt es zu bewahren.
neues Bürgertum
Anders dachten und lebten zwei neu aufkommende Schichten, die schon die Zeitgenossen ebenfalls zum Bürgertum zählten: das Bildungsbürgertum und das Wirtschaftsbürgertum. In dem Maße, in dem sich die ständische Ordnung des Alten Reiches im Laufe des 18. Jahrhunderts verflüchtigte, drängte dieses Bürgertum das überkommende und eher rückwärtsgewandte Stadtbürgertum immer mehr an den Rand. Als fast kometenhaft emporgekommende Aufsteiger zeigte sich das neue Bürgertum höchst dynamisch, brennend vor Ehrgeiz und beflügelt von Selbstvertrauen. Zwar waren auch zuvor schon vereinzelte Vertreter dieser Schicht in Erscheinung getreten, doch erst im ausgehenden 18. Jahrhundert wuchs ihre Zahl und vor allen ihr Einfluss.
Woher kamen sie? Zum Teil entstammten sie durchaus dem alten Stadtbürgertum, vielfach waren sie mit ihm durch Heirat verflochten. Andere kamen von außerhalb. Alle waren sie die Nutznießer evolutionärer Prozesse der neuzeitlichen Gesellschaft und ihrer Institutionen. Sie waren die Gewinner des Aufschwungs und der Ausdehnung des kapitalistischen Wirtschaftsbereichs ebenso wie der sich durchsetzenden Bürokratisierung mit ihrer zunehmenden Betonung von wissenschaftlicher Ausbildung. Anfangs ergänzten, später verdrängten sie die alte Honoratiorenschicht.
Ungeachtet aller Unterschiede teilten das alte Stadtbürgertum und die Vertreter des neuen Wirtschafts- und Bildungsbürgertums zunächst ihre städtische Verortung und Orientierung, den gemeinsamen Status des „Dritten Standes“ oder auch „Mittelstandes“ im System der überlokalen, ständischen Repräsentation und, damit verbunden, ein Selbstbewusstsein, zu wem man nicht gehörte, nämlich zum Adel, zum katholischen Klerus, zu den Bauern und zu den Unterschichten.
Bildungsbürgertum
Nicht zuletzt aufgrund der zumindest im westeuropäischen Vergleich verzögerten Industrialisierung in Deutschland stand das Wirtschaftsbürgertum lange im Schatten des Bildungsbürgertums, das in den ersten Jahrzehnten des „bürgerlichen Jahrhunderts“ auf deutschsprachigem Territorium den Ton angab. Zum Bildungsbürgertum formierte sich eine Elite mit Universitätsabschluss, die sich aus Beamten und Professoren, Hauslehrern und Gymnasiallehrern, Anwälten und Notaren, Ärzten und Apothekern, Künstlern und Journalisten zusammensetzte. Diese akademisch Gebildeten und unter ihnen besonders die schnell wachsende Zahl der fürstlichen Diener und Staatsbeamten waren „eximiert“, das heißt durch landesherrliches oder staatliches Recht, dem sie direkt unterstanden, von den Gesetzen und Regeln der Städte ausgenommen.
Diese zunächst schmale Schicht der Bildungsbürger entwickelte sich zu einem langsam doch stetig wachsenden Verband, dessen Mitglieder alle ein hochspezialisiertes Leistungswissen mitbrachten. Auf dieser Basis beanspruchten sie die Kompetenz, den entstehenden Aufgaben einer komplexen Modernisierung Herr werden zu können. Schließlich stand eine Fülle von Aufgaben ins Haus: eine Neuordnung des Finanz- und Steuerwesens, die Administration des Heeres, die staatliche Rechtsprechung, die Verbesserung des Schulwesens. Spätestens am Ende des 18. Jahrhunderts beanspruchten Vertreter des Bildungsbürgertums, vor allem im deutschsprachigen Europa, ein zumindest gleichrangiges wenn nicht gar höheres Prestige als das alte Stadtbürgertum und das Wirtschaftsbürgertum. Anders als diese verfügten Angehörige des gebildeten Bürgertums als Teil der bürokratischen Machtelite über direkten politischen Einfluss, halfen mit, politische Entscheidungen vorzubereiten, durchzuführen oder auch zu verhindern. Ihre Karrieren machten sie zunächst in öffentlichen, landesherrlichen, städtischen, landständischen, kirchlichen oder grundherrlichen Diensten; als Staatsbürger kamen sie im Laufe des 19. Jahrhunderts in ein staatsunmittelbares Verhältnis. Sie bezogen relativ hohe Gehälter, genossen Privilegien im Gerichtswesen, im Militärdienst und im Steuerrecht. Als Gegenleistung zu diesen Vorrechten erwartete man von ihrer Seite eine besondere Loyalität, die „Beamtentreue“.
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Beamtentreue
aus: Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung, Nr. 124, 31. Mai 1863.
Unterthänigkeit, Treue und Gehorsam von Beamten ihrem Könige und Herrn eidlich gelobt, ist keine leere Phrase. Die Königlichen Diener haben, außer den jedem Unterthanen obliegenden Pflichten gegen den Landesvater, noch besondere Verpflichtungen gegen Se. Maj. den König freiwillig übernommen. … Auf Grund der versprochenen Treue wird ihnen das Ansehen und die Macht anvertraut, welche der König an der ihnen verliehenen Stelle in seinem Namen ausgeübt wissen will.
Namentlich in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts konzentrierte sich das Bildungsbürgertum auf die staatlich-öffentliche Laufbahn: in der Bürokratie, der Kirche, dem Medizinalwesen, den Universitäten und den höheren Schulen. Unter der Federführung hoher Beamter, allen voran dem Freiherrn vom und zum Stein (1757–1831) und dem Fürsten Hardenberg (1750–1822) wurden zwischen 1807 und 1820 umwälzende Reformen auf Agrar-, Gewerbe-, Bildungs-, Kommunal- und Heeressektor durchgesetzt, die einen wachsenden Beamtenstab notwendig machten.
Seit den 1840er Jahren kamen zu den bürokratischen auch die so genannten „freien“ akademischen Berufe zum Bildungsbürgertum hinzu. Ihren Vertretern und den sich schnell etablierenden Interessenverbänden ging es darum, sowohl verbindliche Richtlinien für die Berufsqualifikation zu verankern als auch den Arbeitsmarkt zu lenken und zu kontrollieren. Das beamtete Bildungsbürgertum schuf und beherrschte die Zugangsschleusen der Gymnasial- und Universitätsausbildung und bestimmte die Leistungskriterien der Universitätsprüfungen und späteren Examina. Es verwundert von daher kaum, dass sich der akademisch gebildete Nachwuchs vor allem aus den eigenen Reihen rekrutierte.
Dass dieses Bildungsbürgertum vor allem in Deutschland innerhalb des Bürgertums so lange die Vormachtstellung beanspruchen konnte, gründete nicht nur in der wirtschaftlichen Rückständigkeit, sondern auch in der herausragenden Bedeutung, die hier der Bildung zugemessen wurde. Dieser besonders erfolgreiche Siegeszug des Bildungsgedankens war auf Engste mit dem Neuhumanismus verknüpft, verbunden mit einer Aufwertung der Antike und der Hinwendung zu ihrer Kultur. Während im Zuge genereller Säkularisierungserscheinungen die Bedeutung von Religion zwar nicht gänzlich schwand, doch verblasste, übernahm Bildung für weite Teile des Bürgertums eine quasi-religiöse Ersatzfunktion.
Vorstellungen, wie diese Bildung hervorgebracht und weitergegeben werden sollte, wurden zum Kernthema der Diskurse der Zeit. Zum bildungsbürgerlichen Credo wurde die Einheit von wissenschaftlicher Forschung und Lehre, ja die gegenseitige Befruchtung und Bereicherung, die Wilhelm von Humboldt (1767–1835) im Rahmen seiner Vorschläge für die Gründung einer Berliner Universität zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschwor:
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Einheit von Forschung und Lehre
aus: Wilhelm von Humboldt: Ueber die innere und äußere Ordnung der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin, 1810.
Die Wissenschaften sind gewiss ebenso sehr und in Deutschland mehr durch die Universitätslehrer, als durch die Akademiker erweitert worden, und diese Männer sind gerade durch ihr Lehramt zu diesen Fortschritten in ihren Fächern gekommen. Denn der freie mündliche Vortrag vor Zuhörern, unter denen doch immer eine bedeutende Zahl selbst mitdenkender Köpfe ist, feuert denjenigen, der einmal an diese Art des Studiums gewöhnt ist, sicherlich ebenso sehr an, als die einsame Musse des Schriftstellerlebens oder die lose Verbindung einer akademischen Genossenschaft. Der Gang der Wissenschaft ist offenbar auf einer Universität, wo sie immerfort in einer grossen Menge und zwar kräftiger, rüstiger und jugendlicher Köpfe herumgewälzt wird, rascher und lebendiger. Ueberhaupt lässt sich die Wissenschaft als Wissenschaft nicht wahrhaft vortragen, ohne sie jedesmal wieder selbstthätig aufzufassen, und es wäre unbegreiflich, wenn man nicht hier, sogar oft, auf Entdeckungen stossen sollte.
Bildung geriet zum Kampfbegriff gegen die auf geburtsständische Privilegien pochende Aristokratie, wurde zum vollwertigen und zeitweilig gar höherwertigen Äquivalent zu Adelsprädikat und Kapitalvermögen.
Auf politischem Gebiet zeichnete sich europaweit die Tendenz einer stärkeren Zentralisierung ab. Durch bürokratische und parlamentarische Instanzen wurde Herrschaft zunehmend kontrolliert und damit weniger „absolut“. Das Ziel des Verfassungs- und Rechtsstaats rückte zum Teil sehr nah oder fand zumindest als anzustrebende Zukunftsvision wachsenden Zuspruch. Angestoßen wurden diese Wandlungen vornehmlich vom gebildeten Bürgertum – entweder im Verein mit dem Adel oder auch gegen ihn. Doch unabhängig davon, wie stark die Trägergruppe dieser Aufbruchsbewegung des 19. Jahrhunderts auch mit anderen sozialen Schichten durchsetzt war, trug sie überall eine unverkennbar bürgerliche Handschrift.
Im Laufe des Jahrhunderts nahm die Zahl der Bildungsbürger zwar immer weiter zu, der gesamtgesellschaftliche Einfluss jedoch ging zurück. Auch wenn das Bürgertum als Ganzes am zunehmenden Wohlstand der Gesellschaft des Kaiserreichs partizipierte, ging die innerbürgerliche Schere zwischen Wohlhabenheit und bloßer Saturiertheit immer weiter zuungunsten des Bildungsbürgertums auseinander. Doch auch dieses verlor nicht völlig seine Macht, sondern fächerte sich im Gefolge schnell vordringender und effektiver Professionalisierung weiter nach Berufsgruppen auf. Die staatliche Beamtenschaft gewann an Stärke und Zusammenhalt. Das Schulwesen wurde weiter reformiert und ausgebaut, Universitäten eröffneten einen immer wichtigeren Aufstiegsweg ins Bürgertum. Eben ihre Erziehung und Ausbildung führten Beamte und Akademiker ins Feld, um neue Ansprüche und Forderungen durchzusetzen.
Wirtschaftsbürgertum
Über sein Kapitalvermögen hingegen definierte sich das zweite Segment des Bürgertums, das Wirtschaftsbürgertum. Es umfasste zunächst die Besitzer und Direktoren großer Wirtschaftsunternehmen, der Verlage, Manufakturen und Bergwerke, der Groß- und Fernhandelshäuser, der Transport- und Bankunternehmen und der frühen Fabriken. Häufig waren sie, vor allem in Mitteleuropa besonders aber in Osteuropa, als Gründer oder Leiter der neuen Unternehmen durch Eingriffe der Regierung, durch fürstliches oder königliches Privileg von den Vorschriften der zünftig geregelten städtischen Wirtschaft ausgenommen. Zwar verdienten auch sie ihren Lebensunterhalt wie die Mehrheit des alten Stadtbürgertums durch Handel und Gewerbe, doch die Dimensionen ihrer Unternehmungen reichten weit über dessen Möglichkeiten und Vorhaben hinaus. Entsprechend aufwändiger zeigte sich ihr Lebensstil, entsprechend hochfliegender waren ihre Zukunftsträume. Wollten sie im Wirtschaftswettbewerb bestehen, mussten sie über den Tellerrand der städtischen Kleinwelt mit ihrem traditionellen Ordnungsdreieck von Zunft, Brauch und Moral hinausblicken.
Auch wenn dieses neue Wirtschaftsbürgertum europaweit in Erscheinung trat, zeigte es sich doch örtlich, je nach Stand und Fortschrittstempo der Industrialisierung, unterschiedlich stark verankert. Kreise dieser häufig auch als Bourgeoisie bezeichneten Schicht, die in London, Liverpool, Paris, Lyon, Bordeaux oder Amsterdam aufgrund der dort früher in Gang gekommenen Industrialisierung bereits im ausklingenden 18. Jahrhundert fest etabliert waren, ließen sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts nun auch in Hamburg, Leipzig, Breslau, Frankfurt, Danzig, Bremen oder Augsburg nieder, ohne dass sie dort vor der Jahrhundertmitte eine vergleichbare Macht beanspruchen konnten.
Doch im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts mit dem Durchbruch des industriellen Kapitalismus wendete sich das Blatt. Leistungsfähigkeit und Risikobereitschaft der Unternehmer trugen erheblich dazu bei, dass das Kaiserreich zur stärksten Industriemacht auf dem europäischen Kontinent werden konnte. Hinzu kam, dass diese erfolgreichen Unternehmer jetzt in der Regel ein höheres Bildungsniveau aufwiesen als ihre Kollegen noch einige Dekaden zuvor. Ein Großteil der Unternehmersöhne hatte das Gymnasium durchlaufen und viele noch dazu ein Hochschulstudium absolviert. Bildungsbürgerlicher Dünkel gegenüber den ungebildeten Parvenüs war nun häufig fehl am Platz.
Die Unternehmer in dieser Zeit waren jetzt nicht mehr Einzelkämpfer, sondern in weiten Teilen bereits international agierende networker, einige gar frühe global player. Häufig organisiert in einflussreichen Interessenverbänden übten sie zunehmend Einfluss auf Verwaltung und Politik. Einige, frisch nobilitiert, gingen sogar bei Hofe ein und aus, gehörten zum inneren Zirkel der obersten Macht im Kaiserreich.
Zwischen Bildungsbürgertum und Wirtschaftsbürgertum lässt sich demnach eine Bedeutungsverschiebung im Laufe des 19. Jahrhunderts beobachten: Zeigten sich zu Beginn eindeutig die Bildungsbürger federführend, verloren sie in der zweiten Jahrhunderthälfte nicht nur das Bildungsmonopol, sondern auch gesellschaftlichen und politischen Einfluss.
Idee der „Bürgerlichen Gesellschaft“
Gemeinsam verstanden sich Bildungs- und Wirtschaftsbürger als Trägerschichten der als Leistungsgesellschaft konzipierten „bürgerlichen Gesellschaft“. Mit gutem Grund: Schließlich waren sie es, die neben dem Prinzip der individuellen Leistung auch andere Vorstellungen dieses neuen, in den Studierstuben aufklärerisch gesinnter Meisterdenker erdachten Gesellschaftsmodells aufgriffen, für sich annahmen und verbreiteten. Ständische Ungleichheit und absolutistische Staatsgewalt waren die Hauptangriffspunkte. Vordenker war der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724–1804). Er forderte, ganz im Geiste der Urväter des Gedankens, eine Gemeinschaft freier und formal gleicher Bürger, denen der „Ausgang“ aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ gelungen war.
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Wahlspruch der Aufklärung
Aus: Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung, in: Berlinische Monatsschrift 1783, S. 481–494, S. 481 u. 484.
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. … Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen.
Vor allem die anti-adlige, anti-absolutistische Stoßrichtung, die hier mitschwang, stieß auf ein bürgerliches Echo, verkündete sie doch den Abschied von geburtsständischen Privilegien, obrigkeitsstaatlicher Gängelung und klerikalem Deutungsmonopol. Dagegen setzte das Bürgertum die Vision einer von Vernunft, Individualität und Humanität bestimmten Gesellschaftsordnung, in der die staatliche Macht im Sinne des liberalen Rechts- und Verfassungsstaats einerseits begrenzt und andererseits über Öffentlichkeit, Wahlen und Repräsentationsorgane den Einflüssen des mündigen Bürgers unterstand. Ein neues Verhältnis zum Gestern, Heute und Morgen setzte sich durch. Bislang bindende Traditionen wurden überdacht, gewendet, gebrochen und verworfen. Nicht mehr das „Schicksal“ bestimmte in den Augen des Bürgertums seine Gegenwart und Zukunft; allein persönliche Tatkraft machte den Bürger zum Herrn seiner selbst.
Und zum Herrn seiner Gesellschaft. 1851 schrieb der Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897) in seinem mehrfach aufgelegten Bestseller „Die bürgerliche Gesellschaft“: „Viele nehmen Bürgertum und moderne Gesellschaft für gleichbedeutend. Sie betrachten den Bürgerstand als die Regel, die anderen Stände nur noch als Ausnahmen, als Trümmer der alten Gesellschaft, die noch so beiläufig an der modernen hängen geblieben sind.“ Dieser Bürgerstolz beseelte viele seiner Zeitgenossen. Was in Augustinus Gottesstaat schon angeklungen war, sollte, so erwartete es auch der schottische Historiker Adam Ferguson (1723–1816), in der bürgerlichen Gesellschaft Vollendung finden.
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Bürgerliche Gesellschaft
aus: Adam Ferguson: Versuch über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft, hg. u. eingeleitet von Zwi Batscha u. Hans Medick, Frankfurt a. M. 1986, S. 172 (1. Aufl., Edinburgh 1767).
Der Mensch ist von Natur aus Glied einer Gemeinschaft. Betrachtet man das Individuum in dieser Eigenschaft, dann scheint es nicht mehr für sich selbst geschaffen zu sein. Es muß auf sein Glück und seine Freiheit verzichten, wo diese dem Wohl der Gesellschaft widersprechen. … Wenn also das öffentliche Wohl Hauptzweck der Individuen ist, so ist doch in gleicher Weise wahr, daß das Glück der einzelnen der große Endzweck der bürgerlichen Gesellschaft ist: denn in welchem Sinne kann eine Öffentlichkeit irgendein Gut genießen, wenn ihre Glieder, einzeln betrachtet, unglücklich sind? Allerdings sind die Interessen der Gesellschaft und die ihrer Glieder leicht zu versöhnen. Wenn das Individuum der Öffentlichkeit jede nur mögliche Rücksichtnahme schuldet, so wird es, indem es diese Rücksichtnahme erweist, auch des größten Glücks teilhaftig, dessen es seiner Natur nach fähig ist. Die größte Wohltat, welche die Öffentlichkeit ihrerseits ihren Mitgliedern erweisen kann, besteht darin, sie mit sich verbunden zu halten. Derjenige Staat ist der glücklichste, der von seinen Untertanen am meisten geliebt wird, und die glücklichsten Menschen sind die, deren Herzen sich für eine Gemeinschaft engagieren, in der sie jeden Antrieb zu Großmut und Eifer finden und einen Spielraum zur Betätigung jedes ihrer Talente und jeder ihrer tugendhaften Anlagen.
Großherzig und großspurig zugleich war die Vorstellung, dass der eigene Wertehimmel und Gesellschaftsentwurf über die Grenzen der eigenen sozialen Schicht ausstrahlen sollte, dass auf Dauer alle, unabhängig von Stand und Geschlecht, an den Wohltaten der „bürgerlichen Gesellschaft“ partizipieren sollten. Selbstbewusst verhehlten die bürgerlichen Architekten dieses Programms aber auch nicht, dass sie in dieser Gesellschaft die Führung beanspruchen.
Es war ein neues, weit weniger starres Weltbild als das des Ancien Régime, das diese Ideen überwölbte. Und es war ein durch und durch optimistisches Programm – mit zweifellos utopischem Anstrich. Dennoch drang der Kern des Ideals bis ins Alltagsleben des Bürgertums vor und geriet zur Klammer dieser in vielen Bereichen so zerfaserten Gesellschaftsformation. Es erwuchs daraus ein Ensemble von den Lebensstil prägenden und die Wirklichkeit deutenden Werten und Vorstellungen, mit anderen Worten: eine spezifische „bürgerliche Kultur“, die die Welt eines Hamburger Kaufmanns, eines Berliner Bankiers, eines Oldenburger Rechtsanwalts und eines Heidelberger Professors im Innersten zusammenhielt.
bürgerliche Kultur
Zu den Mosaiksteinen dieser „bürgerlichen Kultur“ gehörte eine positive Grundhaltung gegenüber selbstbestimmter, eigenverantwortlicher, regelmäßiger Arbeit und – damit eng verbunden – Tugenden wie Fleiß und Sorgfalt, die Pflichterfüllung im beruflichen und privaten Alltag, die Neigung zur durchdachten Lebensführung, zum Tagesrhythmus nach dem Stundenplan, die Betonung von Erziehung und Bildung, eine empathisch-emphatische Beziehung zur Welt der Kunst, Respekt vor der Wissenschaft und nicht zuletzt die Konzeption und weitgehende Realisation eines spezifischen Familienideals. Auf Neigung gegründet und durch Liebe verbunden, in Absetzung von Wirtschaft und Politik, sollte die Familie danach eine Gegen- und Komplementärwelt bilden, einen durch auskömmliches Einkommen des männlichen Familienoberhauptes und Dienstboten freigesetzten Raum der Muße für Frau und Kinder, einen Ruhehafen im rastlosen Getriebe der bürgerlichen Leistungsgesellschaft, die sie selbst durch die Erziehung der kleinen