Bluttrilogie - Jennifer Schreiner - E-Book

Bluttrilogie E-Book

Jennifer Schreiner

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Beschreibung

Zwillingsblut: Als Sofia in einem verschlossenen Sarg erwacht, wird ihr schnell klar, dass sie Mittelpunkt eines makaberen Spieles ist, welches ein Vampir für die attraktive junge Frau inszeniert hat. Hineingeboren in eine Vampirgesellschaft, in der die übermächtige Vampirkönigin andere weibliche Vampire verbietet und in der Männer unbegrenzte Macht über Frauen haben, wird Sofia rasch als Bedrohung betrachtet. Während die Königin Sofia von ihren "Schatten" durch die ganze Welt hetzen lässt, buhlen der gefährliche Callboy Xylos, der undurchsichtige Joel und der sinnliche Edward um die Gunst der Vampirin. Doch erst als die "Schatten" Sofia in die Enge getrieben haben, begreift sie den Plan ihres Schöpfers und muss sich entscheiden, welchem der drei Männer sie ihre Seele anvertraut. Honigblut: Eine schreckliche Prophezeiung ist Realität geworden und bedroht die Unsterblichkeit aller Vampire. Von der Königin ausgesandt, um der Vorhersehung Einhalt zu gebieten, gerät der Vampir Xylos nicht nur ins Visier der um den Thron kämpfenden Rebellen, sondern wird zum Spielball eines ebenso intriganten wie mächtigen Vampirs, derihm eine Frau zuspielt, der er nicht widerstehen kann. In einem Anflug aus Mitgefühl erschafft der skrupellose Xylos mit ihr eine Vampirin, die schon bald die Grundfeste seiner Existenz erschüttert. Doch ausgerechnet ihre Erschaffung stellte eine unkalkulierbare Gefahr für die Vampirgesellschaft dar. Venusblut: Nachdem die Unsterblichkeit der Vampire erloschen ist, liegt es an Joel der letzten Intrige des mächtigen Magnus auf die Spur zu kommen. Doch ausgerechnet Judith, die menschliche Tochter dieses unberechenbaren Vampirs erweist sich als ausgesprochen störrisch. Während der "Herr der Schatten" versucht, Judith das letzte Geheimnis ihres Vaters zu entlocken, kommen die Vampirkönigin und ihr treuster Feind Hasdrubal dem wahren Geheimnis der Unsterblichkeit auf die Spur. Aber die gefundenen Bruchstücken der Vergangenheit verändern alles.

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Seitenzahl: 1140

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Jennifer SchreinerZwillingsblutHonigblutVenusblut

- erotische Vampirromane -

ELYSION-BOOKS TASCHENBÜCHER

Gesamtausgabe: eBook November 2014

ORIGINALAUSGABE© 2006 Plaisir d’Amour© 2011 BY ELYSION BOOKS, LEIPZIGALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinertwww.dreamaddiction.deFOTOS: © FotoliaLAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwigwww.imaginary-world.de

ISBN 978-3-945163-66-5

Mehr himmlisch heißen Lesespaß finden Sie auf:www.Elysion-Books.com

Jennifer Schreiner:»Zwillingsblut«

Die Autorin:

Jennifer Schreiner wurde 1976 geboren und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Ruhrgebiet.

Seit 2002 ist sie Magister der Philologie. Bislang sind über 50 fantastische, erotische und gruselige Kurzgeschichten von ihr in verschiedenen Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht und teilweise prämiert (u.a. 3x im Literaturwettbewerb der Bayreuther Festspiel-nachrichten) worden.

Mit dem ursprünglich im Plaisir d’ Amour Verlag erschienen »Zwillingsblut« stand sie ein Jahr lang in den Top 100 der Amazon-Fantasy-Charts. Ansonsten hat Schreiner zwei Anthologien herausgegeben und ist Mitglied des VS und bei den Deutschen Liebesroman Autoren (DeLiA).

Mehr erfahren über die Autorin und zur Blut-Reihe erfahren Sie unter www.JenniferSchreiner.com

Jennifer Schreiner

Zwillingsblut

ELYSION-BOOKS E-BOOKSBAND 40252. überarbeitete Auflage: Februar 2011

VOLLSTÄNDIGE E-BOOKAUSGABEORIGINALAUSGABE© 2011 BY ELYSION BOOKS GMBH, GELSENKIRCHENALL RIGHTS RESERVED

Sämtliche Namen, Orte, Charaktere und Handlungen sind frei erfunden und reine Fiction der Autorin. Alle Ähnlichkeiten mit Personen, lebend oder tot, sind Zufall.

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinertwww.dreamaddiction.deFOTO: © istockphoto/ jentakespicturesLAYOUT &WERKSATZ: Hanspeter Ludwigwww.imaginary-world.de

ISBN 978-3-942602-91-4

Mehr himmlisch heißen Lesespaß finden Sie aufwww.Elysion-Books.com

Inhalt

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»Edwards Geschichte«

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Zwillingsblut2011

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1

Dunkelheit klopfte in Sofias Schläfen und hinterließ weiße Schlieren in ihren Gedanken. Für einen Moment glaubte sie zu schlafen und die Augen geschlossen zu haben. Orientierungslos setzte sie sich auf und prallte mit ungebremster Heftigkeit gegen einen Widerstand.

Gleißende Schmerzen schossen aus den Schlieren und explodierten in ihrer Nase und hinter ihrer Stirn.

Verwirrt vor Schmerzen und Orientierungslosigkeit wollte sie an ihre Nase greifen, um das Blut zu stoppen, das nach dem Stoß begonnen hatte zu fließen. Doch auch ihre Ellbogen und Hände wurden unsanft von einem Hindernis gestoppt.

Verwirrt kämpfte Sofia gegen die Enge an. Sie bekam jedoch ihre Hand nicht frei, sie nicht weit genug hoch. Sofia begriff, dass sie eingeschlossen war. Schlagartig setzte die Panik ein.

Sie schlug um sich, traf in jede Richtung Widerstände, knallte mit dem Kopf an ein Hindernis, mit den Füßen, oben unten rechts links, nur Enge und Finsternis, beides massiv und endgültig, ohne Ausweg.

Ihr Schrei gellte laut und fremd in ihren Ohren und für einen Augenblick glaubte sie, er käme von einer anderen Person.

Sofia stoppte zitternd vor Angst und Anstrengung ihre Bewegungen und horchte. Nichts, nur ihre Tränen und ihre laufende Nase. Ob es Blut oder Rotze war, konnte sie nicht feststellen, versuchte aber ihre Beherrschung wieder zu finden, ihr Weinen zu kontrollieren und ihre Atmung zu beruhigen.

Wenn sie doch nur die Hände zum Gesicht bekommen könnte!

Sie versuchte ihre Augen zur Funktion in der Dunkelheit zu zwingen, obwohl ihr Verstand ihr immer nur ein Wort zuflüsterte: Sarg.

Erneut schluchzte sie auf, konnte sich aber stoppen, bevor der Laut in Hysterie überging.

Sofia schloss die Augen und versuchte nachzudenken. Bin ich tot? Für einen verwirrenden Moment konnte sie keine Regung ihres Körpers spüren, keinen Herzschlag, nicht das Rauschen des Blutes in ihren Ohren und nicht das Pulsieren in ihren Adern.

Dann atmete sie erleichtert ein, als alles drei schlagartig zusammen mit dem Zwang zum Atmen einsetzte. Definitiv nicht!

Wo bin ich? Wie bin ich an diesen Ort gekommen? Und warum? Sie wusste es nicht, konnte sich nicht konzentrieren, zu viele Fragen prasselten auf einmal auf sie ein, zu oft wiederholte ihr Verstand das Wort: Sarg und zu sehr schmerzten ihre Glieder und Gelenke von dem Versuch sich zu befreien. Sie konnte förmlich spüren, wie das Blut blaue Flecke bildete und in den Stellen, wo sie sich gestoßen hatte, pulsierte.

Entschlossen verdrängte Sofia die Gedanken an Sarg und Blut und tastete langsam mit ihrer Hand nach oben. Und nach rechts und links.

Ihr Gefängnis musste tatsächlich ein Sarg sein, die Größe stimmte in etwa. Sofia gab einen frustrierten Laut von sich. Zumindest für sie, sie passte exakt hinein.

Wie lange wird die Luft reichen? Mühsam zwängte die junge Frau ihre Hand hoch, zu ihrem Gesicht und berührte die Nase. Die plötzlichen Schmerzen ließen sie das Bewusstsein verlieren.

Ihr eigener Schrei weckte sie aus dem kurzen, verworrenen Traum von Blut und Dunkelheit und Erregung und versetzte sie schlagartig in die Realität zurück. Ohne einen Übergang zwischen Schlafen und Wachen fiel ihr augenblicklich ein, wo sie sich befand.

Es war warm und stickig, Schweiß stand ihr auf der Stirn, sie bekam keine Luft durch ihre Nase. Wie lange bin ich ohnmächtig gewesen?

Sofia kämpfte die neuerlich aufkeimende Panik nieder. Die Luft war unerträglich abgestanden und ihre Lunge schmerzte bereits bei jedem Atemzug. Bald würde es vorbei sein!

Dieses Mal konnte Sofia die Tränen nicht zurückhalten, als es ihr abermals nicht gelang den Sargdeckel mit den Händen aufzustemmen.

Sie dachte an ihre Schwester Melanie. Beinahe konnte sie sie in ihrer zu weiten Bluejeans und ihrem rotem Lieblingsrollkragenpulli, die blonden langen Haare offen und vom Wind zerzaust, oben an einem Erdloch stehen sehen; sich selbst in dem geschlossenen Sarg, rufend und weinend. Doch niemand hörte sie, nur die Erde.

Sofia schüttelte den Kopf. Nein, nein und nochmals nein! So würde sie nicht enden, durfte sie nicht enden. Das war nicht fair und nicht vorgesehen!

Vorsichtig und langsam versuchte sie sich umzudrehen, ignorierte das sie sich bei der Bewegung Strähnen ihres langen Haares ausriss, rutschte Stückchen für Stückchen auf die Seite und quetschte sich auf den Bauch.

Dann schob sie ihre Oberschenkel unter sich und begann einen Katzenbuckel zu machen.

Nichts tat sich.

Sofia ließ sich zurücksinken. Die Luft im Sarginneren war zu verbraucht, sie bekam kaum noch genug Sauerstoff in ihren Körper obwohl ihr Herz wie rasend schlug. Sofia schloss die Augen. Das Blut hinter ihren Lidern klopfte regelmäßig und rothell. Der Rhythmus verlockte sie dazu aufzugeben.

Entschlossen drückte sie abermals mit ihrem ganzen Körper nach oben, benutzte ihren Rücken als Werkzeug und ignorierte die Schmerzen in ihren zitternden Armen.

Als sich der Sargdeckel mit einem steinernen Knirschen ein Stückchen hob und frische, kühle Luft in ihr Gefängnis strömte, mobilisierte Sofia unbekannte Ressourcen.

Unter Aufbietung all ihrer Kräfte gelang es ihr, den Deckel soweit zu verrutschen, dass es zum Hinausklettern reichen würde. Schwer atmend ließ sie sich zurück gleiten. Ihr Körper und ihre Muskeln zitterten unkontrollierbar und sie benötigte eine lange Zeit, bis sie in der Lage war, sich aufzusetzen.

Was sie in der Finsternis sehen konnte, zeigte ihr, dass sich ihre Situation nur geringfügig gebessert hatte. Erst als ihre Zähne zu klappern begannen, bemerkte sie, dass die unerträgliche Hitze und Beklemmung der eisigen Kälte gewichen war.

Das verdammte Schwein hatte sie ausgezogen! Hektisch kletterte sie aus ihrem engen, steinernen Gefängnis, glitt mehr, als zu steigen. Als sie mit beiden Füßen auf festem Boden stand, sackten ihre Beine weg. Mit einem erschrockenen Schrei fiel Sofia der Länge nach auf den kalten Steinboden.

Sie krümmte ihre Finger zu Krallen, als ihr Körper krampfte und versuchte die Flut der plötzlichen Erinnerungen niederzukämpfen, die drohte sie zu überrollen: Der abendliche Weg nach Hause, ihre unerklärliche Angst wie eine belastende Vorahnung.

Dann der Mann, der sie unter einen dunklen Torbogen zog. Der finstere Unbekannte den es nur in der Fantasie gab. An dessen Gesicht und Gestalt sie sich nur unbestimmt und verschwommen erinnerte und den sie niemals wieder erkennen würde. Der Fremde, der sie sanft verführte. Der unbekannte, unerkannte Mann, von dem fast jede Frau mindestens einmal in ihrem Leben träumte. Von seinen Berührungen, seiner Liebe und einer sexueller Erfüllung die alle Grenzen sprengte und süchtig nach mehr machte.

Die Träume hatte Sofia geliebt und genossen. – Selbst im Wachzustand.

Die Realität sah anders aus. Die junge Frau schüttelte verzweifelt den Kopf in der Leugnung der Vergangenheit und versuchte sich hinzusetzen. Sie kam sich schmutzig vor. Selbst die Berührungen ihres eigenen Haares auf ihrer bloßen Haut, auf ihren Schultern und ihrem Busen war befremdlich und erschreckend intensiv.

Sie erinnerte sich an den Sex, ihre Hemmungslosigkeit. Die Leidenschaft, mit dem sie ihn willkommen geheißen hatte. Es war gut gewesen, unglaublich toll, einzigartig und sinnlich.

Sofia fiel zurück, als ihr Körper sich verkrampfte und rollte auf die Seite. Jeder Muskel ihres Körpers kontraktierte und die plötzlichen Schmerzen ließen sie bittere Galle spuken. Sogar in der Dunkelheit sah sie, dass die Flüssigkeit rot war, blutrot.

Die Gruft begann sich vor ihren Augen zu drehen. Wieder glaubte sie den metallischen Blutgeschmack auf ihren Lippen zu fühlen und den beinahe hypnotischen Befehl des Fremden sein Blut zu trinken.

Nach einem sicheren Halt tastend, berührte ihre Hand kalten Stein. Verwirrt starrte die junge Frau das Kreuz in der Mitte des Raumes an. Unwillkürlich und wie in Trance erinnerte sie sich an mehr und flüsterte: »Das ist nicht möglich!« Sofia griff sich an den Hals.

Dort fühlte sie die Realität. Kein Traum! Kein Mann aus einer gelungenen Fantasie. Für Sekunden wollte sie leugnen, was sie an sich selber fühlte und welche Idee ihr gekommen waren. Doch die gesamte Szenerie und ihr Erwachen sprachen für ihre Gedanken.

Unbändige Wut stieg in ihr auf. Sie war dem Mann nicht freiwillig gefolgt, hatte sich nicht wirklich verführen lassen und auch ihre Hingabe kaum nicht von ungefähr. Der Biss eines Vampirs erklärte ihre Willigkeit und seine Sinnlichkeit ebenso wie ihre Schmerzen und das Verlustgefühl.

Vampire gibt es nicht! Für einen Moment begehrte ihr Verstand auf, redete von Normalität und davon was Mythos und was Realität war. Doch wieder verkrampfte sich ihr Körper. Dieses Mal erkannte Sofia die Schmerzen als Hunger.

Ihre Augen weiteten sich und nahmen mehr von ihrer Umgebung wahr. Wenn sie vorher gedacht hatte, sie hätte Angst, dann hatte sie jetzt absolute Panik. Wo ist er? Warum verführt mich ein Vampir nicht nur, sondern verwandelt mich auch noch, um mich dann allein zu lassen?

Sofia sprang auf und hastete die Stufen hinauf, den einzigen Ausweg aus dem kleinen Raum. Die schmiedeeiserne Tür am Ende stoppte sie.

Sie rüttelte und zog an ihr, versuchte sich unmenschliche Kräfte einzureden, aber es half nichts. Sie war eingesperrt. Allein in einer Gruft.

Sie schloss die Augen und rang um Kontrolle über sich und ihre Gefühle.

Hat der Fremde mich hier eingesperrt um mich verhungern zu lassen? Als Strafe für irgendetwas?

Wieder stieg unbändige Wut auf ihn in ihr hoch. Durch Manipulation hatte der Fremde sich genommen, was sie ihm nicht freiwillig gegeben hatte, hatte seinen unsterblichen Willen gegen ihren eingesetzt und ihre Fantasien gegen sie benutzt. Hass, so rein und lodernd, wie sie ihn noch nie verspürt hatte, flammte in ihr auf und fraß an ihren Empfindungen. Der Vampir hatte sie in etwas verwandelt, was sie nicht sein wollte, sich nie gewünscht hatte und sie dann ihrem Schicksal überlassen. – Sie wusste, dass er nicht zurückkommen würde. – Außerdem hasste sie Blut!

Ihre rationalen Gedanken setzten schlagartig wieder ein, wie sie es immer taten und riefen Sofia zur Ordnung. Von ihrer eigenen Logik bezwungen stieg sie zurück in den eigentlichen Raum der Gruft, um einen anderen Ausweg zu finden.

Am Fuße der Treppe blieb sie stehen und sah sich um: Eine Grabkammer, vom Gefühl her absolut unterirdisch, gemauerte und verputzte, mit sauberen Wänden, kreisrund und wahrscheinlich noch nie benutzt. Sie war leer bis auf das steinerne Kreuz in der Mitte und einem offenem, leeren Sarg gegenüber der Treppe.

Sofia schritt um das riesige Kreuz und beäugte die andere Seite. Die zwei Inschriften, die hineingemeißelt waren, wirkten neu:

Melanie Walker 21.07.05 – Des Lebens müde und zum Leben gezwungen

Sofia Walker 22.07.05 – Ein Opfer für das Leben der Leblosen

Sie las die Buchstaben und Zahlen dreimal, um sicherzugehen, dass sie richtig gelesen hatte. Dann schüttelte Sofia den Kopf. Melanie konnte nicht einen Tag vor ihr gestorben sein, sie hatte noch gelebt, als Sofia sich von ihr verabschiedet hatte. Wenige Straßen und Minuten später war sie selbst dem Vampir begegnet. Am 21. – Und sie selbst sollte heute sterben. Und…sie las die Anmerkungen noch einmal.

Dann kontrollierte sie den Sargdeckel, auf dem noch einmal: Sofia Walker 22.07.05 – Ein Opfer für das Leben der Leblosen stand.

Sie blinzelte, als erneutes Hungerkrampfen sie zu einer Erkenntnis führte: Melanie war am 21. zum Vampir geworden, fand sich in einer Gruft mit der Botschaft wieder und brachte ihre Schwester Sofia einen Tag später um.

Sie hustete und versuchte die Schmerzen in ihrem Magen zu ignorieren.

Aber warum? Es ergab keinen Sinn. – Nicht einmal, wenn man bedachte, dass der Vampir einen fatalen Fehler begangen hatte. Ihr hungriges Würgen ging in ein hysterisches Lachen über.

Also können selbst Unsterbliche Zwillinge nicht auseinander halten! Aber wieso soll Melanie mich töten? Melanie liebt mich und sie ist des Lebens überdrüssig. Nicht einmal ein Vampir kann daran etwas ändern. Um kein ewiges Leben der Welt würde Melanie mich umbringen!

Wieder spuckte Sofia Blut, zwang sich aber, stehen zu bleiben. Ihre Wut und ihr Hass auf den unbekannten, finsteren Mann, der plötzlich in ihr Leben gedrungen war, es mit einem Biss vernichtet und sich zum finstern Gott über ihre Entscheidungen aufgeschwungen hatte, halfen ihr dabei.

Mit zitternden Fingern nahm sie den Schlüssel von dem kleinen Haken in der Mitte des Kreuzes und las die Gravur. Dort stand noch einmal ihr Name und das Datum des heutigen Tages.

Eine Warnung? Eine Drohung? Oder eine Erinnerung an das, was ich – Melanie – tun soll, tun muss?

Sofia ballte die Hand um den Schlüssel, bis sie spüren konnte, wie sich das isen in ihre Haut bohrte und sich die Schmerzen ihres Körpers mit dem Hunger und ihrer Aggression verwob.

Leise schwor sie sich und ihrer Schwester, dass sie den Vampir finden würde. Finden und töten!

2

Der Schlüssel passte. Rasch und ohne Probleme ließ er sich drehen und öffnete die Tür in die Freiheit.

Sofia sondierte aufmerksam die Umgebung, bevor sie sich traute, die fragwürdige Sicherheit der Gruft zu verlassen. Niemand schien sich auf dem Friedhof zu befinden.

Sie stolperte beinahe über den Stoffhaufen, der vor der Tür lag. Ihre Kleidung. Eine Hose, Pulli und Jacke, Socken und Schuhe. Sogar ein baumwollener Slip und ein weißes Unterhemd, lagen für sie bereit. Nicht die Kleidung, die sie abends getragen hatte. Melanies Kleidung.

Das Schwein glaubte wirklich, ich bin Melanie! Krampfhaft unterdrückte Sofia ein hysterisches Lachen und nahm die Sachen mit in die Dunkelheit der Gruft.

Verdeckt von der Tür zog sie die bereitgelegten Sachen an. Sie passten perfekt, obwohl sie sich durch Neutralität auszeichneten. Melanies Geschmack war solide und altbacken. Ganz anders als ihrer. Hauptsache Kleidung!

Dann erinnerte sie sich und ihr Fluch hätte Tote aufwecken können. Der Fremde hatte nicht nur ihre eigene Kleidung entfernt und ihr Melanies gegeben. Sofia griff an ihre Ohren, wusste aber schon vorher, was sie vorfinden würde: Nichts.

Er hatte ihr alles genommen, was sie am Leib getragen, alles, was sie besessen hatte, sogar ihre Ohrringe.

»Oh Oma!«, flüsterte sie leise und ließ sich auf die Knie sinken. Dieser Verlust traf sie schwerer, als ihre Verwandlung in einen Vampir oder das makabere Todesspiel des Unsterblichen.

Für Sekunden schwappte eine Welle tiefster Verzweiflung über Sofia hinweg, die geballte Wucht der letzten Jahre und die Ungerechtigkeit, mit der ihr Leben beschlossen hatte, noch schlimmer zu werden, als es ohnehin schon war.

Dann ballte die junge Frau trotzig die Fäuste und stand auf. Entschlossen verließ sie ihre Gruft, zog die Tür hinter sich zu und schloss von Außen ab. Man kann ja nie wissen! Den Schlüssel steckte sie in ihre Hose.

Sofia entschied sich für eine Wegrichtung, der sie bis zur Friedhofsmauer folgte. Die junge Frau musste ein Stück an ihr entlanggehen, bis sie einen einladenden Baum mit niedrig hängenden Ästen fand, der es ihr ermöglichte, die Mauer zu überwinden.

Erleichtert stellte Sofia fest, dass sie sich für die richtige Richtung entschieden hatte. Ihre Entscheidung hatte sie näher zu ihrer eigenen Wohnung gebracht.

Hastig überquerte sie die erste Straße.

Das Licht eines näher kommenden Autos blendete sie und ließ sie orientierungslos blinzeln. Plötzlich schienen die Farben der Welt ein Eigenleben zu entwickeln und zu leuchten, sich ineinander zu drehen und zu vibrieren. Erst im letzten Augenblick schreckte sie das Hupen des Wagens lange genug auf, um von der Straße zu springen.

Verwirrt drehte sich Sofia einmal um die eigene Achse, ignorierte die argwöhnischen Blicke der Passanten und versuchte dem Rätsel der ungefilterten Eindrücke auf die Spur zu kommen.

Die Lautstärke der Autos, das ohrenbetäubende Flüstern der Fußgänger, das Drehen der Fahrradreifen, die Musik aus dem Straßencafe an der Ecke, dröhnten ohrenbetäubend laut. Sofia hielt sich die Ohren zu, um die Musik auszusperren, aber sie erklang weiterhin ungebremst und laut.

Die Gerüche nach Blut, Schweiß, Parfüm, Seife vermengten sich mit dem Geschmack auf ihrer Zunge, der Sofia an erlesene Winterluft erinnerte und einen Hauch Eis mit sich trug und bildete gemeinsam mit den intensiven, unnatürlichen Farben, dem klebrigen Licht der Straßenlaterne und dem Rot der Ampel ein Kaleidoskop unzähliger Eindrücke, die sie nicht verarbeiten konnte. Wimmernd ging Sofia in die Knie und schloss die Augen.

Hinter ihren Augen pulsierte die Welt weiter. Lebendig, im ewigen Kreislauf gefangen. Schwarz-weiß. Sie konnte die Passanten sehen, die Konsistenz ihrer Gedanken, den einzelnen Hund, der aufgeregt an einer Duftmarke roch, das schlafende Kind im Buggy und die Adern in jedem lebenden Geschöpf. Schlag, Schlag, Schlag…

»Mädchen?« Eine Hand legte sich schwer auf ihre Schulter. Sie vibrierte vor Leben und passte sich dem Weltenklang an. Schlag, Schlag, Schlag…

»Alles in Ordnung?« Die Stimme des Mannes klang aufrichtig besorgt. Was er sah, war eine junge Frau, die sich von Schmerzen geschüttelt auf den Bürgersteig kauerte.

Leere. Nichts. Kein Geräusch ihres eigenen Körpers. Sie war tot, begriff Sofia schlagartig.

Ihr Herz schlug nicht, kein Blut, keine Atmung, ihre Körperfunktionen hatte komplett gestoppt. Ein weiteres Wimmern verließ ihren Mund.

»Ich rufe einen Arzt!«, meinte der Mann und Sofia konnte mit geschlossenen Augen sehen, wie er sein Handy zückte.

»Nicht!«, bat sie leise.

Normalität! Ich bin normal! Alles ist in Ordnung! Ich bin gesund, mein Körper funktioniert, gehorcht mir. Alles läuft automatisch, wie früher! Ich bin Sofia, ich sehe keine komischen Dinge, höre nichts und fühle nichts was nicht normal ist.

Sofia öffnete ihre Augen und sah den Mann direkt an. Normal, ein Mann, keine pulsierende Lebensoase, keine Blutquelle mehr für eine Unsterbliche. Sie atmete erleichtert auf, als sie ihren eigenen Herzschlag hörte und ihr Körper seine Arbeit wieder aufnahm.

Mit ihrem ersten Atemzug sog sie gierig die Luft in sich ein, das lebendige Prickeln des Windes und den leichten Abgasgeruch der Straße.

»Danke!« Sie ließ sich von dem Mann auf die Beine helfen. »Ich habe einen niedrigen Blutdruck und wenn ich meine Medikamente vergesse …« Sie schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln. »Dann passiert so was.«

Argwöhnisch nickte der Mann, gab sich aber zu Sofias Überraschung mit dieser Erklärung zufrieden und verließ sie ohne ein Wort. Sofia betrachtete sein Gehen und ihre Umgebung. Die Normalität, das, was sie bisher gekannt hatte, hatte sich wieder eingestellt. Selbst ihr Körper erschien ihr wieder lebendig, obwohl sie es jetzt besser wusste. Sie war tatsächlich tot, was sie zurück zu ihrem Hauptproblem führte: Warum will ein Vampir irgendeine fremde, lebensmüde Person zur Ewigkeit verdammen und dafür Sorge tragen, dass sie ihre Schwester tötete?

Wieder stieg Wut in Sofia auf. Wut darüber, dass ihre Schwester Melanie – die Person, die Sofia am meisten liebte und die sie am wenigsten verstand – sie hatte töten sollen. Der Vampir kennt uns nicht, sonst hätte er uns nie verwechselt! – Und nie mit uns geplant! Sofia presste ihre Lippen aufeinander. Wenn jemand sie töten wollte, wollte sie es wenigstens verdient haben. Dann wollte sie, dass es persönlich war und nicht nur ein perfides Spiel eines gelangweilten Unsterblichen.

Als Sofia bemerkte, welchen Weg sie ohne nachzudenken eingeschlagen hatte, blieb sie stehen. Unmenschlicher Hunger und menschliche Logik stritten miteinander um die beste Lösung ihres Problems. Die Logik gewann. Melanie musste sofort gewarnt werden!

Nachdem Sofia diesen Entschluss getroffen hatte, ignorierte sie ihren Körper, den nagenden Schmerz, die neuen, verzerrten Eindrücke und hastete weiter zum Wohnheim ihrer Schwester. Ungehindert passierte sie die Absperrung und die Betreuer. Die Angestellten kannten sie seit Jahren und waren es gewohnt, Sofia auch zu ungewöhnlichen Uhrzeiten zu sehen.

Trotzdem atmete Sofia erleichtert auf, als sie mit der Plastikkarte, die sie in einer der Hosentaschen gefunden hatte, die letzte Sicherheitskontrolle passierte und kramte hastig in ihrer Jackentasche nach dem Türschlüssel zu Melanies Apartment.

Wieso sind die Karte und der Schlüssel in meinen Taschen? Und mein Handy? – Hat der Vampir einfach all meine Habseligkeiten in der anderen Kleidung verstaut? Warum fehlen dann die Ohrringe? – Oder hat der Unsterbliche uns doch nicht verwechselt?

Sofias rationalen Überlegungen gerieten ins Wanken, als unvermittelte Angst um ihre Zwillingsschwester in ihr aufwallte. Entschlossen öffnete Sofia die Tür.

Das Licht im Bad sorgte dafür, dass sie nicht nach dem Lichtschalter tasten musste. Sie trat ein und schloss die Eingangstür hinter sich.

»Mel?«, ihre Stimme war leise und fragend. Vorsichtig stupste sie die Badezimmertür offen.

Ihr erster Blick fiel auf das Blut. Der zweite auf ihre Schwester, die aus der Badewanne heraus verweint und benommen zu ihr aufsah.

»Großer Gott, Melanie!« Sofia war mit einem Schritt bei ihr, schob ihre Hände unter den roten Rollkragenpulli und hob ihre Schwester aus der Wanne.

In Sofias Armen brach ihre Melanie in Tränen aus und klammerte sich mit erstaunlicher Kraft an ihre Schwester. Kraft, die dem blassen, ausgemergeltem Körper nicht anzusehen war.

»Du bist wieder da!« Die Zufriedenheit in ihren Worten ließ Sofia erneut schaudern.

»Kann ich dich nicht einmal einige Stunden allein lassen?«, tadelte sie sanft und trat das stumpfe Besteckmesser zur Seite, mit denen ihre Schwester sich geschnitten hatte.

»Ich dachte …« Melanie sah Sofia an. Ihre Augen waren weit aufgerissen und glänzten fiebrig. »Sofia, ich bin so allein.« Melanie streckte ihre Hand nach Sofia aus und strich ihr sanft über die Wange. Eine erschreckend zärtliche und entsetzlich hilflose Geste. Als brauche sie den Körperkontakt, um sich daran zu erinnern, dass jemand bei ihr war.

Sofia trug ihre Zwillingsschwester in ihr kleines Wohnzimmer und ließ sich mit Mel in den Armen auf dem Sofa nieder. Mit gekonntem Blick inspizierte sie die nicht allzu tiefe Wunde, die sich ihre entschlossene Schwester an den Handgelenken zugefügt hatte und entschied, dass kein Verband nötig war.

»Lass mich nicht allein!«, bat Melanie und kuschelte sich in Sofias Arme. »Lass mich nie wieder allein!«

»Psst …«, Sofia strich ihr tröstend über die blonden Haare und versuchte den verlockenden Blutgeruch zu ignorieren, der von der Wunde hinauf in ihrer Nase prickelte. »Ich war doch nur einen Tag weg!«

Melanie setzte sich auf und starrte sie vorwurfsvoll an. »Zu lange!«

Sofia schwieg.

»Ich bringe mich um, wenn du mich allein lässt!«, beschloss Melanie wie ein trotziges Kind und rollte sich wieder in Sofias Schoß zusammen.

Bitterkeit brannte in Sofia auf und fraß sich in ihre Worte. »Das wäre dann der sechste Versuch?«

»Siebte«, korrigierte Melanie und hielt Sofia ihren Arm entgegen.

Sofia konnte das Blut hinter Melanies Haut pulsieren sehen, konnte spüren, wie die Flüssigkeit sich in den Zellen ausbreitete, sich austauschte und zirkulierte, um das unwillkommene Leben in Melanies Körper zu erhalten.

Sofias Magen krampfte und ihr Mund wurde trocken. »Soll ich das für dich übernehmen? Ich mache das mit Sicherheit richtig!« Sofia erschrak über ihre eigene Stimme. Die Stimme einer Fremden, einer gierigen, hungrigen Fremden.

Melanie sah ihre Schwester erstaunt an und ihre Blicke trafen sich. Der eine verzweifelt und verloren, der andere wütend und vor Hunger brennend.

»Was ist mit dir passiert?« Melanie setzte sich auf. Zum ersten Mal seit langer Zeit schien sie Interesse an einem Geschehnis außerhalb ihrer kleinen, selbsterschaffenen Welt zu haben.

Sofia las Angst in ihrem Blick. Aber nicht Angst vor ihr, sondern Angst um sie. Liebe zu ihrer Schwester wallte in Sofia, und mischte sich mit dem Hunger in ihrem Inneren, um ihn zu verstärken. Einmal waren sie ein Fleisch gewesen, ein Blut, und ihr unsterblicher Körper wollte, dass es wieder so wurde. Sofia versuchte, sich an ihrer Liebe festzuhalten, doch ihr Körper schrie nach Melanie, wollte sie sich einverleiben. Sofias Umwelt schien zu schrumpfen, bis nur noch Melanie existierte. Alles andere verschwand im Hintergrund, eine dumpfe Katatonie an verwischten Eindrücken. Ohnmächtige Wut auf den unbekannten Vampir wallte in der Vampirin auf und es gelang ihr, sich an ihrem Hass festzuhalten. Sie schob ihre Schwester von sich und stand auf.

Als sie an der Tür war, murmelte Melanie: »Vampir!«

Sofia verharrte reglos. Ihre Hand auf halbem Weg zur Klinke. Melanie stand auf und näherte sich ihr. Sofia konnte ihre Wärme und Menschlichkeit hinter sich fühlen.

»Ja!«, gestand sie und schloss die Augen. In Gedanken ging sie alle Möglichkeiten durch, die ihr blieben. Sie konnte ihre Schwester ebenfalls zu einem Vampir machen, sie konnte sie töten und alles hinter sich lassen oder sie konnte jetzt einfach gehen.

Melanie nahm ihr die Entscheidung ab, legte ihr ihre Hand auf die Schulter und drehte Sofia zu sich um. Sofia öffnete die Augen und sah gerade noch, wie Mel ihren Kopf schüttelte. Ohne es zu beabsichtigen, hatte Sofia ihren Gedankengang laut ausgesprochen.

»Das dritte ist keine Möglichkeit!«, erklärte Melanie. Ihre Augen waren so klar wie selten. »Ich kann ohne dich nicht leben, Sofia. Ich kann es einfach nicht! Ohne dich bin ich unvollständig. Wenn du gehst, wird die Welt mit einem Schlag leer und leblos. Ich fühle nicht bis zu dem Moment, an dem du wieder da bist. Und ich kann nicht ewig Leben, weil du nicht ewig bei mir sein kannst. Selbst ein einziges Menschenleben ist eine Qual für mich. – Ohne dich!« Melanie hatte ausgesprochen, was sie und Sofia schon lange gewusst aber nie ausgesprochen hatten. Tatsachen, nicht einfache Gefühle; etwas, was weit über bloße Empfindungen hinausging.

»Sofia!«, flehte Melanie. »Ich bitte dich, tue es!« Sie streckte Sofia ihren Unterarm entgegen. »Ich wünsche es mir!«

Sofia schluckte und versuchte das Blut ihrer Zwillingsschwester zu ignorieren, das nach ihr schrie. Warum nur hast du das nicht schon vorher geahnt? Eine kleine Stimme in Sofia weinte, weil sie es von Anfang an gewusst hatte und trotzdem zu ihrer Schwester gegangen war.

Mit einem dumpfen, Schicksalsergebenen Gefühl beugte sich Sofia vor und legte ihren Mund auf Melanies Wunde. Diese zuckte nicht einmal zusammen, als sich Sofias Eckzähne länger wurden und sich sanft aber bestimmt in den Schnitt bohrten.

Melanie schrie leise auf, als Sofia zu trinken begann. Aber es war ein Schrei der Erlösung, der Ekstase. So als hätte sie seit einer Ewigkeit auf diesen Augenblick gewartet, nur für ihn gelebt. Nicht ein einziges Mal versucht Melanie um ihr Leben zu kämpfen. Dankbar hieß sie ihren Tod willkommen und gab nach, als ihre Schwester instinktiv in ihre Gedanken eindrang, um ihr Opfer beruhigend und sanft zu geleiten. Für einen Augenblick fühlte Sofia Melanies Bewusstsein so deutlich, wie ihr eigenes, konnte ihre Empfindungen und Gedanken sehen und fühlen, dann stürzte Melanies Geist in Dunkelheit. Melanies mentaler Schrei um Halt ließ Sofias Bewusstsein erneut nach ihr greifen. Sie konnte spüren, wie Melanie für Sekunden mit ihr verschmolz, fühlte ihre Schwester sterben, doch gleichzeitig Melanies Bewusstsein in ihrem, Melanies Stimme in ihrem Kopf. Melanies Blut in ihren Adern, Melanies Leben, Melanies Seele. Zum ersten Mal fühlte Sofia Melanies Zufriedenheit und begriff, wie sehr ihre Schwester vorher gelitten hatte. Schlagartig erkannte sie, was vorgefallen war. Begriff die unauslöschliche Liebe zwischen ihnen und empfand nur noch eine seltsame, vage Trauer, als sie Melanies toten Körper zusammen mit dem Messer in der Badewanne platzierte und warmes Wasser anstellte.

3

Sofia ging durch die verlassenen Straßen der Nacht, huschte von Schatten zu Schatten, während der Schein der Straßenlaternen Lichtkleckse bildete, die den Raureif auf den Straßen weiß schimmern ließen. Die zerbrechliche Schönheit der kleinen Wasserkristalle hatte sich durch die einsetzende Nachtkälte auf den feuchten Straßen und Gehwegen gebildet und kündete vom nahen Winter, dem Stillstand des Lebens.

Die junge Frau lächelte über diese Metapher, weil sie sich in der nächtlichen Stadt wie ein Geist vorkam. Sekunden später verharrte sie mitten in der Bewegung, da ihr der Gedanke, der schon seit Minuten in ihrem Gehirn herumspukte, endlich in ihr Bewusstsein wagte. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gehen sollte.

Unwillkürlich sondierte ihr Körper und ein Teil ihres neuen Wesens die Umgebung. Die Straße des verschlafenen Vorortes war menschenleer, die Fenster der freundlichen Einfamilienhäuser dunkel. Genauso dunkel wie der sternenleere Nachthimmel. Selbst die Geräusche der Autos auf der nahen Schnellstraße waren nur mehr eine leise Hintergrundmusik, die sich in die Klänge der Nacht einfügte und Sofias Ohren schmeichelte. Sie schloss die Augen und genoss für einen Augenblick das Gefühl der dunklen Harmonie, das Prickeln der kalten Luft auf ihrem Gesicht, bevor der Gedanke sich wieder anmeldete. Fordernd. Er zwang sie dazu, sich endlich mit dem auseinander zu setzen, was geschehen war. Spulte wie im Schnelldurchlauf alles ab: Unbewusst hatte sie den Weg eingeschlagen, den sie jeden Tag gegangen war. Die übliche Route von Melanies Wohnheim zu ihrem Zuhause.

Doch jetzt war sie reglos erstarrt, stand auf dem Kopfsteinpflaster und wartete vor der Toreinfahrt, in der sie gestern Abend in die Falle gegangen war. Wieder konnte sie die Berührungen des Fremden auf ihrem Körper spüren, seine fordernden Finger, wie sie Knopf um Knopf ihrer Bluse gelöst hatten, um dann an über ihren Busen nach unten zu wandern. Sofia trat einen Schritt zurück. Es half nichts. Sein Atem blies wieder in ihr Gesicht, sie spürte seine kühle Haut an ihrer und selbst die Erinnerung an die Welle der Leidenschaft brachte ihren Körper zum Zittern. Welche Macht hatte er über sie gehabt? Mit welchem Recht hatte er ihre wolllüsternen Schreie getrunken, mit denen sie ihn eingeladen hatte, sich zu nehmen, was ihm nicht zustand?

Kämpferisch ballte sie ihre Hände zu Fäusten und betrat entschlossen die Dunkelheit der Einfahrt. Nichts. Es war einfach nur die Toreinfahrt zwischen zwei Häusern. Es gab keinen Hinweis darauf, was hier geschehen war. – Oder ob es überhaupt hier geschehen war und nicht nur ihrer Phantasie entsprang.

Was hast du erwartet? Einen Hinweis auf einen Vampir? Ein wichtiges Indiz, welches dich direkt zu deinem Schöpfer bringt? Sofia schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. – Und ihre Enttäuschung, die sie überraschte und schockierte.

»There’s no …«, klang es laut durch die Dunkelheit. Die plötzlichen Worte ließen Sofia beinahe erschrocken in eine Mülltonne springen. »… time for us …«, schallte es unbeirrt weiter, bis Sofia endlich den Ursprung des Lärms in ihrer Tasche gefunden hatte. Verwirrt betrachtete sie die Anzeige ihres Handys »Who Wants to Live Forever«, mit der es sie gutgelaunt daran erinnern wollte, dass es in einem anderen Leben Zeit gewesen wäre, aufzustehen.

»Verdammtes Lied!«, murmelte Sofia und schaltete ihr Handy auf lautlos, während sie wieder aus der Einfahrt trat und ihren Weg fortsetzte. Der Himmel zeugte nicht davon, dass ihr Handy Recht hatte, aber schon bald würde die Sonne die Dunkelheit und den Reif vertreiben und nichts außer Schatten und Feuchtigkeit würde zurückbleiben.

Sofia konnte sich ein trauriges Kichern nicht verkneifen. Anders als ihre Schwester war sie nie eine Nachteule gewesen, war um diese Jahreszeit dankbar für jede Minute Tageslicht, für jeden Sonnenstrahl. Und das sollte nun alles vorbei sein? Für immer und ewig Vergangenheit? Dieser trübsinnige Gedanke warf neue Fragen auf: Was nun? Wie willst du deinen Schöpfer finden? Wie dich rächen? Ihn töten? Und dann? Für Sekunden dachte Sofia nach, doch dann übernahm ihre pragmatische Seite die Überhand und sie ordnete die Fragen nach ihrer Dringlichkeit: Immer ein Problem nach dem anderen. Und ganz oben stand: Wo willst du schlafen? Wenn die Mythen und Legenden über Vampire Recht hatten, würde direkte Sonneneinstrahlung sie vernichten. Wo also war sie vor der Sonne sicher?

Hatte der Vampir sie deswegen in die Gruft gebracht? Damit sie einen sicheren Zufluchtsort hatte? Ein eiskaltes, dunkles Zuhause. Sofia schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall würde sie zurück auf den Friedhof gehen. Genau so gut konnte sie sich eine rote Serviette mit der Aufschrift »Blutbank« oder noch schlimmer und absolut doppeldeutig »Fickbar« umbinden. Außerdem hatte EINE Sargerfahrung ihr vollkommen gereicht.

Mit Nachdruck, um sich selbst aufzumuntern, wiederholte sie ihren Schwur: »Ich werde dich finden … und töten!«

Obwohl die Vampirin sich sicher war, dass der Vampir sie tatsächlich für Melanie gehalten hatte und sie sicher nicht in der Wohnung ihrer toten Schwester Sofia vermuten würde, horchte Sofia beim Eintreten aufmerksam auf Geräusche.

Erst, als sie sich völlig sicher war, dass kein Vampir auf sie lauerte, zog sie die Vorhänge vor den Fenstern zu und betrachtete das Ergebnis. War sie durch ihre luftig-hellen Vorhänge genügend geschützt? Für Sekunden spielte sie mit dem Gedanken, in den Keller zu gehen. Aber der Gedanke an die modrige, spinnenbewohnte Dunkelheit gefiel ihr ebenso wenig wie die Idee, durch einen dummen Zufall von einem Nachbarn gefunden zu werden.

Die Erinnerung an Melanies Geschmack überfiel Sofia ohne Vorwarnung: Metallisch und genauso, wie sie Blut aus ihrer Kindheit in Erinnerung hatte. Aus einer Zeit, in der man kaum soziale Hemmungen hatte und seine frischen Wunden noch ableckte.

Doch es war nicht einfach Blut gewesen, es war mehr, viel mehr. Ein Tabu, sympathetische Magie, die sie – einen Vampir – am Leben erhielt. Der Kloß in ihrem Hals ließ Sofia würgen. Sie zwang sich, sich wieder den vornehmlichstem Problem zu widmen: Würde sie überhaupt wie tot schlafen? Frustriert setzte sich auf ihr Bett. Sauerei! Endlich habe ich eine Wohnung mit einem Garten und einem herrlichen, großen Balkon zur Südseite und jetzt das!

Missmutig starrte sie in den Spiegel, bis ihr auffiel, was sie an ihrem Anblick störte: Keine Ohrringe. Sofia nahm das Paar zur Hand, das gerade auf ihrer Nachtkonsole lag. Und ließ es augenblicklich fallen. Und starrte auf ihre verbrannte Haut. Silber! Erst dann fiel ihr auf, was sie wirklich gestört hatte. Vampire haben gar kein Spiegelbild, oder? Nachdenklich trat sie an den Spiegel und öffnete ihren Mund. Nichts. Keine langen Eckzähne, kein spitzes Gebiss, nur normale, menschliche Zähne. Doch sie hatte die langen Zähne gehabt! Wo sind sie jetzt?

Sie konzentrierte sich auf den Gedanken an Blut, weil sie es einfach nicht über sich brachte, mit ihren normalen, menschlichen Zähnen auf ihre Unterlippe zu beißen, bis sie blutete. Aber das war auch gar nicht notwendig. »Verflucht …«, zischte sie, als ein kurzer, intensiver Schmerz durch ihren Kiefer zog. »Ssscheiße tut das weh!«

Entgeistert starrte Sofia ihr Spiegelbild an und der Gedanke an Blut überfiel sie abermals mit einer Vehemenz, die sie schaudern ließ. Deutlich schmeckte sie wieder das Blut ihrer Schwester in ihrem Mund, seine Konsistenz, während sie trank, spürte, wie das Leben aus Melanie in ihren Körper floss, das kurze Verschmelzen ihrer Gedanken und Seelen, während Melanie starb und sie weiterlebte. Sie hatte keinen Herzschlag gehabt. In diesem Moment nicht. Sofia erinnerte sich an ihr Erlebnis auf der Straße. Auch dort war sie tot gewesen. Sofia schloss die Augen und konzentrierte sich. Schlag – Schlag – Schlag – – – Kein Herzschlag mehr. Trotzdem öffnete sie die Augen. Großartig! »Wahrscheinlich bin ich einfach nur zu dumm, um tot zu bleiben!«, murmelte sie, doch selbst ihr Zynismus konnte sie nicht aufheitern.

Zu bald schon würde der Anruf kommen, dass ihre Schwester tot war: Ein Selbstmord in der Badewanne. Sie würde – musste! – wach sein für diesen Anruf. Soviel schuldete sie ihrer Schwester! Sofia kämpfte ihr schlechtes Gewissen nieder. Der Tod war Melanies Wunsch gewesen, sie hatte es so gewollt. Schicksalsergeben nahm sie den Telefonhörer von der Station, zog die Tagesdecke auf der Fensterseite bis zum Boden und legte sich mit ihm in die nahezu vollkommene Dunkelheit unter ihrem Bett. Tot aber nicht lebensmüde!

Sofia starrte in die Finsternis und versuchte krampfhaft an etwas anderes zu denken, als an die Nacht mit dem Vampir oder an Melanies letzte Augenblicke, an den Geschmack des Blutes in ihrem Mund. Schließlich konnte sie nur noch mühsam ein Gähnen unterdrücken. Wurde sie müde, weil der Tag anbrach, oder weil sie schon lange wach war? Immerhin war sie gestorben, aus einem Sarg ausgebrochen, hatte ihre Schwester getötet und einige Vampir-Experimente angestellt. Nichts davon hatte gestern Abend auf ihrer To-Do-Liste gestanden.

Der erste Sonnenstrahl beantwortete Sofias Frage. Als er in ihr Zimmer fiel, konnte sie ihn durch die Dunkelheit hindurch spüren. Bleierne Müdigkeit überfiel die Vampirin und sie schloss ihre Augen. Der Gedanke an Melanie ließ sie sie wieder öffnen. Was war mit der Beerdigung? Sie konnte unmöglich zulassen, dass nur Melanies Betreuer da waren!

Sofia streckte ihre rechte Hand Richtung Bettdecke, überlegte es sich aber anders. Sicherheitshalber konzentrierte sie sich auf ihr Herz: Schlag – Schlag – Schlag, sie konnte unmöglich tot sein und unmöglich verbrennen. Trotzdem dachte sie darüber nach, welchen Teil ihres Körpers sie für den Rest der Ewigkeit am ehesten entbehren konnte – nur für den Fall, dass es schief ging. Dinge, die ich nicht wissen wollte, aber gezwungen war zu erfahren, dachte sie, murmelte ein Stoßgebet gen Himmel und streckte langsam den abgespreizten kleinen Finger der linken Hand in die Sonne. Nichts geschah. Erleichterung durchflutete Sofia und sie robbte rücklings aus ihrem dunklen Versteck, hielt sich aber außerhalb der Sonneneinstrahlung. Wenn ich jetzt doch zu Staub zerfalle, werde ich aber echt sauer!, dachte sie und betrat das Sonnenlicht. Die Müdigkeit war schlagartig und lähmend. Es gelang ihr nur noch, sich Richtung Bett zu drehen, bevor sie einschlief.

4

Edward näherte sich dem Gebäude und versuchte seine innere Stimme zu ignorieren. Selten genug kam es vor, dass er trotz seiner zweitausend Jahre sein Gewissen bemerkte. Und gerade ein schlechtes konnte er sich nicht erlauben. Nicht hier und nicht jetzt.

Der Vampir betrat den steinernen Moloch und dachte wieder daran, wie sehr er das Gebäude verabscheute. Von außen sah es aus wie ein zeitloses Herrenhaus, grau und unwirtlich und von Innen war es nicht anders. Es war zu groß, zu leer und zu kalt. Die Königin hatte sich nie die Mühe gemacht, diesen Ort zu einer modernen Heimat werden zu lassen, es gab keine Technik, keine Elektrizität, nicht einmal Toiletten – wozu auch, wenn niemand der Bewohner mehr menschliche Bedürfnisse hatte?

Trotzdem brodelte der Palast vor Leben. Vor Tot, korrigierte sich Edward. Er konnte die anderen spüren und verachtete sie, weil sie ihr After-Life liebten. Nein, er war keiner dieser Vampire, die dauernd lamentierten, aber er war auch niemand, der sein komplettes Leben geändert hatte. Er hatte immer noch dieselben Prioritäten und war stolz darauf. Jederzeit konnte er als Mensch durchgehen. Die meisten anderen Vampire waren Ignoranten, die nichts von der Zeit wusste, in der sie lebten, nichts von den Menschen und nichts von den Vampiren. Sie wussten nicht einmal, wer Edward war oder welches Amt er bekleidete. – Und sie würden ihn erst erkennen, wenn es für sie zu spät war. – Solange ignorierte Edward sie.

»Halt!«, die Stimme hinter ihm klang überheblich und schlecht gelaunt. Edward machte sie nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen.

»Halt, habe ich gesagt!« Der Besitzer der Stimme bewegte sich so schnell es ihm seine vampirischen Fähigkeiten erlaubten – Edward sah ihn trotzdem – und versperrte ihm den Weg. »Wohin so eilig?«

Edward musterte den jungen Vampir. In den letzten zehn Jahren schien es einiges an Zuwachs gegeben zu haben, er kannte nicht einmal den Schöpfer seines Gegenübers. Doch der Jungspund hatte sich vor ihm aufgebaut und musterte ihn.

»Du bist nicht von hier, oder?« Die ersten Zweifel schienen in dem Frischling aufzukeimen, denn sein Blick wanderte hilfesuchend an Edward vorüber. Doch Edward wusste, dass niemand hinter ihm stand.

»Du hast mir Antwort zu geben, Neuling!«, behauptete der Vampir, der wohl in seinen späten Vierzigern das Zeitliche gesegnet hatte. Edward schenkte ihm ein müdes Lächeln. Selbst die meisten Menschen hatten mehr Verstand als dieser Vampir und hielten Abstand zu Edward.

Mühelos drang er in den Geist des jungen Vampirs ein benutzte ihn. »627 Tage, Jon! Kein gutes Alter, um mich herauszufordern!« Edward schob sein Gegenüber einfach zur Seite, als bedeute er nichts. Bevor der andere begriffen hatte, was geschehen war, war der Magistrat der Königin bereits um die Ecke verschwunden.

Hier traf ihn die Anwesenheit eines Sterblichen in den Gemächern der Königin. Der jugendlich-frischer Geruch des Mannes lag in der Luft, wabberte in Schwaden von Blutversprechungen, Sex und Körpersäften durch den Flur und war beinahe sichtbar.

Ekel stieg in Edward auf und obwohl er wusste – hören konnte – was hinter den Türen des Königinnengemach vor sich ging, wünschte er sich, dass dieser Kelch an ihm vorüberginge.

Joel blickte auf, als Edward um die letzte Ecke bog. Er hatte den Magistraten gehört, seit er das Gebäude betreten hatte. Wie immer gab sich Edward keine Mühe vampirisch leise zu sein oder seine Macht zu demonstrieren. Er war einzig der Hexe verpflichtet – und das auch nur aus einem Grund. Der ihn auch heute hierher befahl.

Joel nickte und es schmeichelte ihm, dass sich Edwards Gesichtsausdruck entspannte und das wilde, ungezähmte Funkeln in seinen braunen Augen kurze Freude widerspiegelte.

Edward musterte Joel. Wie immer war er ganz in schwarz gekleidet. Er hatte Joel nie in einer anderen Farbe gesehen und würde es wohl auch nie, denn Schwarz war die Farbe der Schatten. Joel als ihr Anführer spiegelt den Dunklen Aspekt der Königin auf jeder Ebene wider. Alles an ihm war dunkel, seine Haare, seine Augen und sein Charakter. Für ein Wesen wie ihn war Schwarz erst erfunden worden. Selbst das Lächeln, mit dem er Edward gegrüßt hatte, schien finsterer zu sein als ein normales Lächeln.

»Gut siehst du aus!«, meinte Edward.

Joel deutete eine spielerische Verbeugung an. »Von dir ist das Feststellen dieser Tatsache ein Höchstmaß an Freundlichkeit!«

Die beiden Männer musterten sich und das Schweigen wurde prüfend.

»Was machen die Schatten?«, erkundigte sich Edward schließlich und begab sich auf ungefährliches Territorium.

»Das Übliche!«, entgegnete Joel und zuckte mit den Schultern. Erst durch diese einfache Geste konnte man erkennen, wie lang seine Haare waren, denn für einen kurzen Moment brachte sie das Licht zum Funkeln. Doch dann war der Eindruck verflogen und Joel wirkte wieder wie die leibhaftige Finsternis, ohne einen Funken Licht und ohne Lebensfreude.

Seit zweihundert Jahren entgegnete Joel auf Edwards Frage dasselbe. Seid die Königin in einer einzigen Nacht all ihre Gegner von ihrer dunklen Leibwache hatte beseitigen lassen. Joel war einer der drei Männer die wussten, dass keiner der Rebellen die Nacht überlebt hatte.

»Kann ich dir immer noch meinen Rücken anvertrauen?«, fragte Edward und in seiner Frage schwang dieselbe Frage mit, die er seit Jahrhunderten stellte.

»Kann ich dir immer noch meinen anvertrauen?«, antwortete Joel dem gemeinsamen Ritus entsprechend. Wieder musterten sich die beiden mit einer Mischung aus Respekt, Kalkül und Nachdenklichkeit, bevor Edward nickte.

»Ich werde dir immer meinen Rücken anvertrauen.«

Überraschte sah Joel sein Gegenüber an und verpasste beinahe die Chance sich ihm in den Weg zu stellen, als Edward die Tür zum Raum der Königin öffnen wollte.

»Entschuldigung!«, bat Joel und deutete auf eine imaginäre Armbanduhr. Edward nickte, er war zu früh.

»Gibt es sonst etwas Neues?«, erkundigte sich der Magistrat bei Joel, um zumindest dem Mindestmaß an Höflichkeit zu entsprechen.

»Nichts, was wichtig wäre, mein Freund!«, entgegnete Joel. »Und bei dir?«

Edward schüttelte stumm den Kopf. Welch tragisches Schicksal: Jahrhunderte alt und seit Jahrhunderten nichts Neues zu erzählen. Wäre es nicht sein eigenes, depremierendes Leben, hätte er gelacht.

»Falls du nicht auf der Suche nach einer Frau bist, kann ich dir nichts Neues erzählen!«

Edward starrte sein Gegenüber ungläubig an und unwillkürlich wanderte sein Blick zu Joels Kette. Die tropfenförmigen Perlenanhänger schimmerten weiß und jungfräulich rein. Verwirrt sah er Joel an.

»Nicht ich, Xylos!«

»Ah, Xylos!« Edward gab sich keine Mühe, die Abscheu aus seiner Stimme zu verbannen.

»Er hat mir vorhin ein Schmuckstück angeboten.«

»Und du hast abgelehnt?« Edward hätte mit nichts anderem gerechnet. Eine Frau, die zuvor durch Xylos Händen gegangen war, war praktisch wertlos. Nicht unbedingt körperlich, aber auf jeden Falle geistig.

»Natürlich. Wer will eine Sklavin?!« Joel machte eine Frage aus seiner Antwort.

Edward wusste nur zu gut, dass Joel niemandem traute und keinen Sinn in körperlichen Freuden sah, die auf Lügen basierten. Keine der Frauen, mit denen Joel das Bett geteilt hatte, hatte ihm etwas bedeutet. Nicht einmal genug, um sie als Sklavin zu halten. Er war neben Edward der einzige Vampir, dessen Frauenkette stets leer war und es wahrscheinlich auf Ewig bleiben würde.

»Jeder außer uns, mein Freund, jeder außer uns!« Edward war erstaunt darüber, wie bitter sein Lachen klang, mit dem er sich auf gefährliches Gesprächsgebiet wagte.

»Du glaubst nicht an die Liebe, oder?«, erkundigte sich Joel.

»Nein, du doch auch nicht.«

»Ich hoffe, mein Freund, ich hoffe …«

Hoffnung, ein schönes Wort für etwas, was ein Traum ist, den Narren einem versprechen!

»Nach zweitausend Jahren hört man damit auf!«, versprach Edward und ignorierte den düsteren Blick, den einer seiner wenigen Freunde ihm zuwarf.

»Selbst die Königin hofft!«, meinte Joel und Edward schauderte beim Klang der Worte. Sicher, dass Joel etwas anderes meinte, als Edward hineininterpretierte und vor seinem geistigen Auge sah: Die Szene, die sich hinter der Tür abspielte.

»Wenn das Hoffnung ist, mein Freund möchte ich in diesem Leben lieber nie hoffen oder Jemandes Hoffnung sein«, lachte Edward. Es klang wie die Geräusche eines zufallenden Sargdeckels.

»Oh, ich weiß nicht, ich habe die Hoffnung auf wirklich guten Sex noch nicht aufgegeben!«, kam eine Stimme von der Tür, die sich nahezu geräuschlos geöffnet hatte. Beim Klang der Stimme verschlechterte sich Edwards Laune schlagartig.

»Hoffnung und Betrug, Sex und Liebe sind aber verschiedene Dinge!«, stellte Edward klar.

Xylos schnaubte höhnisch. »Sophistik für Anfänger von Mr. Gefühlskalt.«

Edward drehte sich zu Xylos um. Er war der einzige Vampir, der in einem Raum mit der Königin sein und dabei selbstzufrieden wirken konnte. – Der einzige, dem Maeves Spiele gefielen.

Kurz glitt Edwards Aufmerksamkeit über ihn, nahm die wie immer vollständig gefüllte Kette wahr, die Portraits der Frauen, die für jeden gut sichtbar auf seinem nackten Oberkörper prangten. Xylos hatte keine besonderen Präferenzen. Nie. Wenn ihm eine Frau gefiel, war sie sein. – Solange, bis ihm eine Neue gefiel.

»Oh, willst du eine von ihnen kaufen?«, lachte Xylos, dem Edwards Aufmerksamkeit nicht entgangen war. »Ich will mich gerade von diesem Schmuckstück trennen.« Er deutete herablassend auf eine Schönheit mit aristokratischen Gesichtszügen und tiefgründigen braunen Augen. Ihre Haut war makellos und nougatfarben, ebenso wie ihre Haare.

Edward hob eine Augenbraue. Es sah Xylos ähnlich, selbst aus seinen abgelegten Liebschaften Profit zu schlagen. Als hätten die Frauen nicht bereits genug gezahlt. – Meistens hatten sie das sogar wortwörtlich, wenn man den Gerüchten um Xylos neuesten Job Glauben schenken konnte.

»Seit ich arbeite, ist die Auswahl noch besser und exquisiter geworden«, erklärte Xylos und ließ in einem Jahrelang perfektioniertem Grinsen seine makellosen weißen Zähne hinter seinen sinnlichen Lippen aufblitzen. »Und ich werde sogar dafür bezahlt.« Er lachte, als amüsiere ihn die Dummheit der Frauen, die sich ihm anboten.

»Wenn der Preis stimmt, kannst du auch jede andere der Schönheiten erwerben«, pries Xylos seine Sklavinnen an und hob die Kette etwas an, um Edward einen besseren Blick auf die Frauen zu gestatten, die er gesammelt und in das magische Schmuckstück gesperrt hatte.

»Danke, kein Interesse!« Edward blieb höflich. Xylos war der Liebling der Königin und Ab-und-zu-Geliebter der Hexe. Edward traute ihm nicht einmal so weit, wie er seine Asche würde werfen können.

»Hätte mich auch gewundert!«, schnaubte Xylos und sah zu Joel. »Du immer noch nicht, oder?«

Joel schüttelte den Kopf und wieder bewegten sich seine Haare. Joel der Dunkle mit seiner Hoffnung und Xylos der Helle mit der finsteren Seele. Edward unterdrückte eine abfällige Bemerkung.

Gleichgültig mit den Schultern zuckend verschwand Xylos wieder in den Gemächern der Königin. Da er die Tür offen gelassen hatte, folgte Edward der Einladung, bevor Joel wieder seinen Wachposten einnahm.

Seine Miene blieb unbewegt, als er den Raum betrat. – Nicht nur, weil Xylos seine Reaktion beobachtete. Die Gerüche und Geräusche hatten ihn darauf vorbereitet, was er sehen würde.

Zwar war es lange her, seit er das letzte Mal die Gunst genossen hatte, die Königin bei einem intimen Akt zu sehen, doch manche Dinge brannten sich ins Gedächtnis ein.

Der Sterbliche thronte über Maeve. Nackt in der Kälte des kahlen Raumes, seine Knie und Unterschenkel vom Boden aufgeraut und blutig. Aber er ignorierte alles, außer der sich windenden Königin unter ihm.

Edward wusste, was der Junge sah. Eine fleischgewordene Göttin, die ihren weißen Alabasterleib unter seinem wandte, die seinen Penis mit ihrer Enge umschloss und ihn immer wieder in sich empfing und deren verlockende Seufzer wie Musik klangen.

Maeves Augen waren genießerisch geschlossen, doch die Königin empfing jeden der pumpenden Stöße des jungen Mannes mit einer Hingabe, die Edward überraschte und die beinahe ehrlich erschien.

Doch der junge Mann sah aus wie alle jungen Männer, die die Königin erwählte, um Körper und Lust zu ihrem Recht zu verhelfen. Eine Serienkillerin mit einem bestimmten Opfertypus: Makellose Jünglinge kurz davor, erwachsen zu werden, bei ihrem ersten Erlebnis mit einer Frau. Die goldenen Haare und seine gebräunte Haut ließ den Mann fast aussehen, wie Xylos.

Beinahe hätte Edward laut gelacht, als ihm zum ersten Mal die Ähnlichkeit zwischen den sterblichen Opfern und dem Frauenhändler auffiel. Wahrscheinlich war das einer der Gründe, warum die Königin ausgerechnet Xylos bevorzugte.

Ein lautes Stöhnen lenkte Edwards Aufmerksamkeit zurück auf den jungen Mann. Wahrscheinlich wähnte er sich im Paradies. Erwählt von einer Göttin, die ihm Unsterblichkeit versprach und den Himmel auf Erden. Maeves rote Haare, die ihr bis zu den Hüften fielen, glitzerten wie geronnenes Blut auf der gebräunten Haut des Sterblichen, als sie die Stellung wechselte und sich auf ihn rollte.

Widerwillig musste Edward gestehen, dass der Anblick erotisch war, gab sich aber Mühe, sein Gesicht emotionslos zu halten.

Mit einem Keuchen nahm Maeve den Jungen tief in sich auf, bewegte sich im vollkommenen Einklang mit ihm. Edward konnte sehen, dass sie noch nicht gespeist hatte und ihr Leib weiß war. Doch ihre Wangen hatten sich vor Lust verfärbt und ließen ihre makellose Haut strahlen, während sie auf ihren Höhepunkt zuritt. Ihre sanft gerundeten Brüste wippten im Takt, während ihre rosigen Brustwarzen wie kleine Nippel keck nach oben standen und der Schwerkraft trotzten, als sie ihr Tempo erhöhte.

Der Junge versuchte die Kontrolle über ihren wilden Ritt zurückzuerlangen und Maeves Hüften mit seinen Händen ruhiger zu halten, doch die Königin schob sie weg. Sie ignorierte sein leises Stöhnen, als sie zu feste zugriff, um ihre Befriedigung auszukosten. Erleichtert sank sie nach vorne.

Das Geräusch reißender Haut übertöne in Edwards Ohren selbst den überraschten Schmerzensschrei des Jungen. Maeve rollte von ihm und blieb zitternd auf allen Vieren neben ihm knien. Sie schien jeden Moment seinen rhythmischen Ausblutens zu genießen, den Schmerz und das Begreifen in den Augen des Jünglings, der vor Sekunden noch sein ganzes Leben vor sich gehabt hatte und sah zu, wie sich das Blut auf dem Boden ergoss, einen Fleck bildete der rasch anwuchs und schließlich ihre Hand erreichte.

Das Geräusch, welches die Königin von sich gab, als seine Augen endlich brachen, schwang zwischen Triumph und Wahnsinn, bevor sie lachend auf dem Boden zusammensank und wie ein wildes Tier leckend und genießend in dem Blut suhlte. Schließlich stoppten ihre abgehackten Bewegungen und sie verharrte regungslos. Ihre Persönlichkeit schien zurückzukehren, sich um sie zu sammeln, bis sie sich erinnerte. Langsam schien Wissen in ihren Augen zurückzukehren und den Wahnsinn zu vertreiben.

Immer noch leicht benommen, trunken von dem Blut und dem berauschenden Sex, stand Maeve auf. Das Blut auf ihrer ansonsten makellosen Haut unterstrich die Weiße und betonte ihren Alabasterleib ebenso wie ihre Haare, die nahezu in einem identischen Farbton funkelten. Erst das Blut des Jungen schien sie zu vervollkommnen. Die heidnische Göttin der Todeslust.

Schon früh war den Menschen klar gewesen, dass Geburt und Tod, Lust und Vernichtung Hand in Hand gingen. Ob Maeve so alt war wie die Legenden und Sagen um die großen Göttinnen der Liebe und des Todes vermochte Edward nicht zu schätzen, wusste aber, dass die Vampirkönigin ihnen in nichts nachstand.

Mit einer Bewegung ihrer Hand scheuchte die Königin Xylos dazu, die Leiche wegzuschaffen. Achtlos warf sich der Vampir die leere Hülle des Sterblichen über die Schulter, beachtete nicht, wie ähnliche der Tote ihm sah: Der eine tot, der andere ein Gott unter den Frauen. Anmutig trotz seiner Last verließ Xylos unter den Blicken der Königin den Raum. Erst dann wandte sich Maeve ihrem Gast zu.

»Du schon wieder?!« Sie maß Edward von oben bis unten, bevor sie eine ihrer perfekten, rötlichen Augenbrauen hob. »Sind die 10 Jahre schon wieder um?«

Sie schlenderte betont gelangweilt um ihn herum und Edward widerstand dem Drang der Königin mit dem Blick zu folgen. Ihre tänzelnden Schritte hatten schon viele Unsterbliche um den Verstand gebracht, ebenso der Schwung ihrer Hüfte, die Betonung ihres weiblichen Pos und ihre Leidenschaft.

Doch er roch den Sterblichen an ihr, aus jeder Pore ihres Körpers strömten sein Duft, seine Lust, seine Liebe und sein Tod. Erbärmlich! Er bedurfte keiner weiteren Erinnerung an den Einsatz in diesem Spiel.

»Die zehn Jahre sind in der Tat um!« entgegnete er und ließ sie durch seine Betonung und seinen Blick wissen, dass der Ablauf der Frist der einzige Grund war, warum er sie aufsuchte.

»Die Umwandlung?«

»Bereits geschehen.«

»Ahhh!« Ihre kleine rosige Zunge befeuchtete anmutig langsam ihre Lippen, die einladend glänzten. Eine sinnliche Geste, die an ihn verschwendet war. Trotzdem lachte sie leise, als könne sie seinen Widerwillen spüren. Sie liebte es zu spielen – und dieses Spiel besonders.

Darin stand sie ihrer Schwester in nichts nach.

»Hat meine Schwester die Sterbliche kontrolliert?«, erkundigte sie sich und nur jemand, der sie so lange kannte wie Edward, konnte erkennen, dass die Königin besorgt war. – Wie alle zehn Jahre für kurze Zeit.

»Sie ist dabei gewesen«, bestätigte Edward mit einem gleichmütigen Nicken.

»Ja!«, bestätigte auch die Stimme Mornas. Edward gab sich Mühe, seine Überraschung nicht zu zeigen. Die wenigsten Unsterblichen konnten ihn überraschen. Dass es der Hexe trotz seiner Wachsamkeit gelungen war, erstaunte ihn.

Morna kicherte leise. Objektiv ein vergnügtes, auf vielen Ebenen erfreutes Geräusch. Oder eine Herausforderung. Edward widerstand nur mühsam dem spontanen Drang, ihr den Hals umzudrehen.

»Ach Edward, mein schöner, verärgerter Liebling!«, gurrte die Hexe beim Näherkommen. »Du bist immer noch böse auf mich?« Sie machte eine Frage aus ihrer Feststellung und warf ihre langen, roten Haare nach hinten. Sie waren ebenso seidig, wie die ihrer Zwillingsschwester. Ihre hohen Wangenknochen und die leicht schräg stehenden, grünen Augen betonten ein herzförmiges, makelloses Gesicht und ließen Morna jung und unschuldig aussehen.

»Dabei könntest du alles haben!«, flüsterte sie, als verrate sie ihm ein verbotenes Geheimnis. »Immer noch, Edward… Immer noch …« Sie ließ ihre Stimme effektvoll verklingen und schenkte ihm ein verlockendes Lächeln, das mehr als den Himmel versprach.

Stumm verfluchte Edward den Tag, an dem ihre Aufmerksamkeit auf ihn gefallen war. An dem letzten Tag, an dem er noch Hoffnung gehabt hatte.

Als Morna ihre Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, bewegte er sich schnell. Nicht schnell genug, denn mit einer spielerischen Bewegung strich sie seinen bloßen Unterarm entlang und hatte ihre Finger in Sicherheit gebracht, bevor er sie wegschlagen konnte. Dieses Mal klang ihr Lachen hochmütig und triumphierend.

»Ach, Edward! Es ist immer wieder eine Freude, dich bei mir zu haben!«, behauptete sie. »Du bist immer noch ebenso schön wie früher, wenn du wütend bist. Weißt du noch damals…?« Ihr Lachen entblößte ihre ebenmäßigen Zähne. Die Zähne einer unsterblichen Sterblichen.

»Ich bin nicht wütend. Ich empfinde Ekel!« Edward zwang ein Lächeln auf sein Gesicht. »Genau, wie damals …«

Das Lachen auf Mornas Gesicht erlosch schlagartig, machte für Sekunden wütendem Hass Platz, um sich in Überheblichkeit zu verwandeln. »Lügner!«, behauptete die Hexe.

Edward erwiderte ihren Blick ungerührt und wünschte sich, sie so verletzen zu können, wie sie es bei ihm getan hatte – und immer noch tat. Sie mochte eine Schönheit sein mit dem Gesicht und dem Körper eines Engels, doch ihre Seele war die eines Dämons aus der untersten Hölle.

Und vielleicht hast du sie dazu gemacht, kamen ihm die Worte des Magnus wieder in den Sinn und er war der erste, der den Blick Richtung Tür abwandte.

Gerade, als Xylos den Raum wieder betrat. Er war so schnell gewesen, dass Edward annahm, er habe einen anderen Vampir mit der Entsorgung der Leiche betraut. – Xylos hatte noch nie einen Hehl aus seiner besonderen Stellung gemacht.

Morna trat mit drei langen Schritten an Xylos heran und schmiegte sich in seine Arme, während ihr Blick weiterhin herausfordernd auf Edward ruhte. Xylos kommentierte ihre Geste mit einem sinnlichen Lächeln, obwohl er wusste, dass Edward der Favorit der Hexe war.

»Man sollte meinen, nach all den Jahrhunderten hättest du gelernt, dass deine Tricks bei mir nicht funktionieren«, murmelte Edward. Unbändiger Hass tobte in ihm, während er gezwungen war, freundlich zu sein und Morna nur mit Worten zu verletzen.

Ihr Lächeln wurde großzügig. »Oh, ich finde, sie funktionieren immer hervorragend.« Mit einem langen Schlecken über seine Halsschlagader gab sie Xylos frei und schlenderte in einem Sinnbild der Verführung auf Edward zu. Äußerlich blieb er weiter gelassen, verfluchte innerlich aber den Tag, an dem er sie zu spät abgelehnt hatte.

»Die Sterbliche, so jung und doch so Lebensüberdrüssig!«, lachte Morna »Ich habe sogar Melanie Sawyers Krankenakte gelesen!«, gab sie bei ihrer Umrundung Edwards preis, bevor sie vor ihm stehen blieb. »Hast du sie gelesen, Geliebter?« Sie lächelte zu ihm hoch. »Du hättest sie sicher nicht ausgesucht, wenn du das gewusst hättest!«, behauptete sie und hauchte ihm einen Kuss gegen die Lippen.

»Weißt du, wie oft sie es bereits versucht hat? Armes kleines Mädchen!«, keck grinsend trat sie zurück.

»Naja, in spätestens zehn Jahren werden wir es ihr abnehmen, nicht wahr?« Morna richtete ihre Frage an Xylos, der nickte.

»Gut abgerichteter Vampir, sehr brav!«, kommentierte Edward und fing sich einen spöttischen Blick von Morna und Maeve ein. Xylos Blick hingegen versprach Revanche und beunruhigte Edward gegen seinen Willen.

»Bis dahin ist sie mein!«, stellte Edward deswegen klar.

»Jaja!« bestätigte die Hexe scheinbar abgelenkt. Sie fuhr mit der Hand über Xylos nackten Oberkörper und schien die Textur seiner Haut zu genießen. »Aber sie war ganz ansehnlich …«, murmelte Morna.

»Wie ansehnlich?«, erkundigte sich Xylos rachsüchtig.

»Sehr!« Die Hexe lächelte ihn an und warf einen schnellen Blick in Edwards Richtung. »Ich wollte, dass er sie fickt!« Ihre Hände wanderten nach unten. »Du hättest sehen sollen, wie er sie manipuliert hat!« Langsam glitten ihre Finger unter den Saum der Jeanshose und wanderten mehr Richtung Leibesmitte. »Dafür, dass unser Freund seit er Vampir ist einen Widerwillen gegen Sex entwickelt hat, hat er sich wirklich abscheulich viel Zeit mit der kleinen Maus gelassen.«

Mornas Finger öffneten langsam einen Knopf nach dem anderen. Die Wölbung in Xylos Hose zeigte, wie sehr ihm dieses Spielchen vor Edwards Augen anmachte. Maeve starrte die beiden wie gebannt an. Seit Xylos zurückgekehrt war, hatte er ihre volle Aufmerksamkeit.

»Und dafür, dass sie in der nassen Gosse kniete, schien es ihr ebenfalls zu gefallen.« Die Hexe streifte langsam Xylos Jeans nach unten, bis zu seinen Knöchel.

Die Königin schüttelte den Kopf und es gelang ihr, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. »Das war nicht abgesprochen!«

Morna zog eine Schnute, die bei jeder anderen weiblichen Person niedlich gewirkt hätte. »Ich wollte nur sicher gehen, dass er es nicht verlernt!«, behauptete sie. »Außerdem war schon sein Widerwillen und sein Anblick den Aufwand wehrt!«

»Auch, dass du dadurch die Wut seiner Auserwählten auf ihn geschürt hast?«

Edward war erstaunt darüber, wie logisch Maeve denken konnte, wenn sie für eine Weile ihren Wahnsinn ablegte.

»Sie ist nur eine kleine unbedeutende Spielfigur«, stellte Morna klar. »Den Fluch zu brechen hat nie geklappt und wird nie klappen!«

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