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Tief verborgen in den Weiten Tibets existiert eine spirituelle Tradition, die älter ist als der Buddhismus – der Bön-Schamanismus. Geprägt von Mythen, rituellen Praktiken und einer tiefen Verbindung zur Natur, birgt diese uralte Lehre ein verborgenes Wissen über Geisterwelten, kosmische Harmonie und magische Zeremonien. Dieses Buch nimmt dich mit auf eine Reise zu den Wurzeln des Bön und enthüllt die geheimnisvollen Rituale der tibetischen Schamanen. Wie kommunizieren sie mit Schutzgeistern? Welche Rolle spielen die Elemente in ihren Zeremonien? Und wie wirkt die schamanische Magie auf das tägliche Leben der Menschen? Erfahre, wie der Bön-Schamanismus die spirituelle Landschaft Tibets prägte, trotz der Jahrhunderte alten Einflüsse des Buddhismus überlebte und heute noch lebendig ist. Ein faszinierender Einblick in eine Welt voller Mysterien, Heilkunst und ritueller Kraft.
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Seitenzahl: 222
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Bön – Das uralte Wissen Tibets
Schamanismus, Geister und Rituale in Tibet
Ngawang Dawa
Einführung in die Bön-Tradition: Geschichte und Ursprung
Die Tradition des Bön, die bis heute in Tibet und angrenzenden Regionen lebendig geblieben ist, wirft einen faszinierenden Blick auf die spirituellen Praktiken, die die Region bereits prägten, bevor der Buddhismus seine Wurzeln schlug. Der Ursprung des Bön ist in Mythen und Geschichten gehüllt, die sowohl von historischer Bedeutung als auch von kulturellem Reichtum zeugen. Um das Wesen der Bön-Tradition zu verstehen, ist es unerlässlich, ihre Anfänge, ihre Entwicklung und ihre Anpassungsfähigkeit im Laufe der Jahrhunderte zu beleuchten.
Die Legenden der Bön-Gründung
Den Legenden zufolge wurde die Bön-Tradition von Shenrab Miwo gegründet, einer göttlichen Gestalt, die in Olmo Lungring, einem heiligen Land, geboren wurde. Diese Region ist Teil des imaginierten Landes Tazik, welches außerhalb von Tibet liegen soll. Shenrab Miwo wird als ein erleuchtetes Wesen beschrieben, das die Menschen in der Kunst des Bön unterrichtete und ihnen Wissen brachte, das sowohl magisch als auch spirituell war. Diese Geschichten, die mündlich und später schriftlich überliefert wurden, spielen eine zentrale Rolle im Selbstverständnis der Bön-Gemeinschaft. Sie sind nicht nur religiöse Erzählungen, sondern dienen auch zur Legitimation und zum Schutz der Tradition gegen die Übermacht buddhistischer Lehren.
Der historische Kontext des altertümlichen Bön
Der historische Hintergrund des Bön ist eng mit der Kultur und Gesellschaft im vorbuddhistischen Tibet verbunden. Wissenschaftliche Forschungen deuten darauf hin, dass im alten Tibet zahlreiche ausdrucksstarke Kulte existierten, die sich mit der Verehrung von Naturgöttern, Ahnen und verschiedenen schamanistischen Praktiken beschäftigten. Der Bön erwuchs aus dieser reichen Kulisse religiöser Vorstellungen und Riten. Er war anfangs stark in schamanistischen Praktiken verwurzelt und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer Struktur mit hochkomplexen religiösen und philosophischen Systemen.
Verschmelzung und Wandel: Der Einfluss anderer Kulturen
Der Bön zeigt auch Einflüsse zentralasiatischer Kulturen, wie die Quellen belegen, die auf Verbindungen zu Kulturen westlich von Tibet hinweisen, möglicherweise den iranischen oder turanischen Stämmen. Diese Interaktionen führten zu einer gegenseitigen Bereicherung der religiösen Vorstellungen und Riten. Diese kulturellen Fusionen sind Belege für die Fähigkeit der Bön-Tradition, sich anzupassen und weiterzuentwickeln, indem sie Elemente anderer Kulturen in ihre eigene Praxis integrierte.
Destruktive und transformative Ereignisse
Das Eindringen des Buddhismus in Tibet zunächst aus Indien und später aus China stellte die Bön-Tradition vor bedeutende Herausforderungen. Historiker sind der Meinung, dass zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert, während der Regierungszeit des Königs Trisong Detsen, der Buddhismus allmählich institutionalisiert wurde. Dieses Aufeinanderprallen religiöser Vorstellungen führte zu einer intensiven Auseinandersetzung zwischen den beiden Traditionen. Während dieser Zeit geriet der Bön oft in die Defensive, was jedoch auch zur Formung eines festeren und klareren Identitätsgefühls innerhalb der Tradition führte. Obgleich er teils verdrängt wurde, überlebte der Bön durch Anpassung und Konsolidierung, indem er viele buddhistische Elemente in seine Rituale und Praktiken einbaute.
Die strukturelle Evolution des Bön
Im Verlauf der Jahrhunderte transformierte sich der Bön von einer vorwiegend schamanistischen zu einer religionsphilosophischen Tradition. Diese Entwicklung manifestierte sich in der Sammlung und Verschriftlichung heiliger Texte, bekannt als die Bön-Kanjur (übersetzt als "Lehre des Bön") und Bön-Tanjur. Diese Schriften beinhalten Riten, liturgische Texte und philosophische Abhandlungen, die systematisiert wurden, um eine formale Grundlage für die Bön-Tradition zu schaffen. Diese Texte sind ein lebendiges Zeugnis der Wandlungsfähigkeit und des tiefgehenden Wissens der Bön-Anhänger.
Durch umfassende anthropologische und historische Forschungen erhalten wir einen wertvollen Einblick in die Ursprünge und Entwicklungen des Bön. Trotz der Umwälzungen und Herausforderungen, mit denen die Tradition im Laufe der Jahrtausende konfrontiert war, hat sie ihre Wurzeln bis in die heutige Zeit bewahrt und bietet uns somit ein Fenster in die Geisteswelten Tibets vor dem Aufstieg des Buddhismus.
Der Bön-Schamanismus, eine der ältesten spirituellen Traditionen Tibets, hat über Jahrtausende eine tiefgreifende gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung bewahrt. Seine Wurzeln reichen weit in die vorbuddhistische Geschichte Tibets zurück und bieten Einblicke in das Denken und die Lebensweise der frühen tibetischen Gesellschaft. Als integraler Bestandteil der Gemeinschaft war der Bön-Schamanismus nicht nur ein religiöses System, sondern auch eine zentrale Kraft, die soziale Strukturen prägte, kulturelle Rituale definierte und den alltäglichen Lebensrhythmus der Menschen beeinflusste.
In der vorbuddhistischen tibetischen Gesellschaft war der Bön-Schamanismus tief in das soziale Gefüge eingebettet. Er fungierte als Brücke zwischen der physischen Welt und der geistigen Sphäre, indem er die Menschen mit dem Göttlichen und dem Natürlichen verband. Schamanen, die als spirituelle Führer, Heiler und Vermittler fungierten, spielten eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung der Harmonie zwischen der Gemeinschaft und den übernatürlichen Kräften. Laut Smith (2000) „diente der Schamane als Kanal für die Heilung und das spirituelle Wohlergehen der Gesellschaft“.
Die kulturelle Bedeutung des Bön-Schamanismus offenbart sich insbesondere in seinen reichhaltigen Ritualen und Zeremonien, die dazu beitrugen, Gemeinschaftssinn und kollektive Identität zu fördern. Diese Rituale umfassten jahreszeitliche Feste, Initiationsriten und Zeremonien zur Sicherung einer guten Ernte oder zur Abwehr von Naturkatastrophen. Jede Praktik war sorgfältig strukturiert, um die Zyklen der Natur zu ehren und die Teilnahme der gesamten Gemeinschaft zu ermöglichen. „Der Bön-Schamanismus half, die kulturellen und sozialen Bindungen zu stärken, indem er kollektive Erfahrungen und gemeinschaftliche Verantwortung förderte“, erläutert Berhtold (1995, S. 211).
Darüber hinaus war der Bön-Schamanismus ein wesentlicher Träger tradierter Wissenstraditionen. Schamanen bewahrten und übermittelten mündlich eine Vielzahl von Mythen, Legenden und Geschichten, die die kosmologischen Ansichten und die spirituellen Vorstellungen der tibetischen Kultur reflektieren. Diese Erzählungen vermittelten nicht nur spirituelles Wissen, sondern auch moralische Lehren und gesellschaftliche Werte. Nach Anderson (2012) ist „die mündliche Überlieferung ein Schlüsselmerkmal des Bön-Schamanismus, das es der Gemeinschaft erlaubt, ihre Identität und ihr kulturelles Erbe zu bewahren“.
Der Einfluss des Bön-Schamanismus erstreckte sich auch auf die Kunst und Architektur der Region. Symbolträchtige Darstellungen und Bauwerke, die den schamanistischen Glaubensvorstellungen gewidmet sind, erzählen von der tiefen spirituellen Verehrung der Natur und ihrer Elemente. Diese Symbole fanden Ausdruck in kunstvollen Masken, Ritualgewändern und Tempelarchitektur, die oft mit Abbildungen von Geistern und Gottheiten verziert sind. „Die visuelle Kultur des Bön-Schamanismus zeugt von einer reichen Tradition der spirituellen Imagination“, schreibt Howard (2008, S. 189).
Insgesamt lässt sich die Bedeutung des Bön-Schamanismus nicht nur auf seine religiöse Funktion beschränken. Vielmehr ist er als ein vielschichtiges kulturelles und soziales Phänomen zu verstehen, das das tägliche Leben, die Werte und die Traditionen der tibetischen Gesellschaft geprägt hat. Die Integration von spirituellen, kulturellen und gesellschaftlichen Aspekten macht den Bön-Schamanismus zu einem einzigartigen Erbe, dessen Einfluss bis in die moderne tibetische Identität reicht.
Abschließend lässt sich feststellen, dass die gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung des Bön-Schamanismus weit über seine spirituelle Dimension hinausgeht. Seine transformative Kraft und seine tiefen Wurzeln in der tibetischen Kultur machen ihn zu einem unverzichtbaren Bestandteil der historischen und zeitgenössischen Studien über die Region. Der Bön-Schamanismus ist Ausdruck einer reichen und lebendigen Tradition, die sowohl in der Vergangenheit als auch heute dazu beigetragen hat, die Verbindung zwischen Mensch, Kultur und Natur zu stärken.
Die vor-buddhistische tibetische Gesellschaft basierte stark auf der Bön-Tradition, die eng mit schamanistischen Praktiken verknüpft war. Innerhalb dieser Gemeinschaften hatten Schamanen eine zentrale Rolle inne, sowohl im alltäglichen sozialen Gefüge als auch im spirituellen Leben der Menschen. Die Schamanen fungierten als Vermittler zwischen der materiellen Welt und der Geisterwelt, einer Sphäre voller Götter, Ahnengeister und Naturwesen, deren Wohlwollen von entscheidender Bedeutung für das Überleben und den Wohlstand der Gemeinschaft war.
Als Vermittler zwischen den Welten besaßen Schamanen spezielle Fähigkeiten und Wissen, das ihnen erlaubte, in tranceähnliche Zustände zu gelangen, um mit Geistern zu kommunizieren. Diese Trancezustände waren häufig das Herzstück von Ritualen, in denen die Schamanen die Geister um Hilfe baten, Krankheiten diagnostizierten und Heilrituale durchführten, die sowohl körperliche als auch psychische Leiden betrafen. Zur Durchführung dieser Rituale nutzten sie heilige Gegenstände, die als mächtig galten, um Geister zu besänftigen oder Dämonen abzuwehren.
Neben ihrer heilenden Funktion hatten Schamanen auch die Aufgabe, für das spirituelle Gleichgewicht in der Gemeinschaft zu sorgen. Um die Harmonie mit der Geisterwelt zu bewahren, führten sie Opfergaben und Rituale durch, die oft mit der Jahreszeitenzyklen und landwirtschaftlichen Erträgen korrespondierten. Der verstärkte Fokus auf Naturphänomene in diesen Ritualen spiegelt sich in der engen Beziehung wider, die das tibetische Volk mit der Natur pflegte, und unterstreicht die Rolle der Schamanen als Hüter dieser symbiotischen Verbindung.1
Besondere Beachtung fanden Schamanen in Zeiten gesellschaftlicher Ungewissheit, wie Naturkatastrophen oder kriegerischen Auseinandersetzungen. Ihre Fähigkeit, Vorzeichen zu deuten und zukünftige Ereignisse vorherzusagen, war entscheidend, um der Gemeinschaft Orientierung und Sicherheit zu geben. Die als heilig angesehenen Visionen der Schamanen halfen, Entscheidungen über Migration, Erntezyklen oder Konfliktbewältigung zu treffen.
Schamanen wurden häufig aus spirituellen Linien geboren, die spezielle Initiationsriten erforderten. Diese oft intensiven Einweihungsriten beinhalteten neben körperlichen Prüfungen auch psychische Herausforderungen, die der Eingeweihte bestehen musste, um sich als würdig für seine Aufgaben zu erweisen. Das Erlangen dieser Rolle erforderte tiefes Wissen und Verständnis sowohl der mythischen als auch der praktischen Elemente der Bön-Tradition.2
Die zentrale Rolle der Schamanen in der Gesellschaft wird auch in unterschiedlichen mythologischen Erzählungen verdeutlicht. Eine der bekanntesten Legenden erzählt vom großen Schamanen Shenrab Miwo, der als Gründer des Bön angesehen wird und als nahezu göttlicher Gestalt die Schamanen als spirituelle Führer und Beschützer etablierte. Diese Geschichten betonten die Rolle des Schamanen nicht nur als Heiler und Führer, sondern auch als moralisches und spirituelles Vorbild.3
Im Kontext der zum Bön rivalisierenden buddhistischen Tradition, die später in Tibet Einzug hielt, erhielten die Schamanen des Bön eine verstärkte Bedeutung als Bewahrer der kulturellen Identität. Während sich der Buddhismus auf breiter Ebene verbreitete, blieb der Einfluss der Schamanen innerhalb traditioneller Gemeinschaften stark. In gewisser Weise kann der Bön-Schamanismus als Ausgangspunkt für den Erhalt und die Adaptation lokaler Praktiken gesehen werden, die trotz der kulturellen Dominanz des Buddhismus überlebt haben.4
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schamanen der vor-buddhistischen tibetischen Gesellschaft essentielle Traditionsträger waren, deren Rituale und Weisheiten tiefe Einblicke in den Glauben und die Lebensweise dieser alten Kultur boten. Sie waren untrennbar mit der Identität und der spirituellen Praxis des Bön verbunden und wurden als unverzichtbarer Teil des sozialen und individuellen Lebens betrachtet.
1 Samuel, Geoffrey. "Civilized Shamans: Buddhism in Tibetan Societies." Smithsonian Institution Press, 1993.
2 Kværne, Per. "The Bon Religion of Tibet: The Iconography of a Living Tradition." Serindia Publications, 1996.
3 Bellezza, John V. "Spirit-mediums, Sacred Mountains, and Related Bon Textual Traditions in Upper Tibet." University of Copenhagen, 2005.
4 Snellgrove, David. "The Nine Ways of Bon: Excerpts from gZi-brjid." Serinda Himalaya Series, 1967.
Die Beziehung zwischen Bön und Buddhismus ist durch eine Jahrhunderte umfassende Geschichte von Rivalität und gegenseitiger Beeinflussung geprägt. Der Vergleich dieser beiden Traditionen bietet einen tiefen Einblick in die kulturelle und religiöse Entwicklung Tibets, das als Kreuzungspunkt vieler spiritueller Strömungen fungierte.
Die Bön-Tradition, die tief in den mystischen und schamanistischen Praktiken des alten Tibet verwurzelt ist, entstand lange vor der Einführung des Buddhismus aus Indien. Historiker wie Hoffmann (1956) beschreiben den Bön-Glauben als einen vielfältigen, sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelnden Komplex von Riten und Glaubensvorstellungen, die sowohl animistische als auch schamanistische Elemente umfassen.
Der Buddhismus hingegen wurde im 7. Jahrhundert unter der Herrschaft von König Songtsen Gampo eingeführt, was schließlich zu Spannungen zwischen den beiden Traditionen führte. Der Einfluss der Kaiserdynastien auf die Verbreitung des Buddhismus spielte eine wesentliche Rolle, indem sie ihn als bevorzugte Religion des Staates förderten. Einer der Hauptunterschiede zwischen Bön und Buddhismus liegt in ihrer Sichtweise auf die Natur der Existenz und die Erlösung. Während der Buddhismus die Erleuchtung als den ultimativen Zustand der Befreiung von weltlichem Leiden anstrebt, liegt im Bön der Schwerpunkt auf Harmonie mit der Natur und den Geistern sowie der Sicherstellung eines ausgewogenen Lebens.
Trotz der anfänglichen Konflikte kam es im Laufe der Zeit zu einer wechselseitigen Beeinflussung der beiden Traditionen. Thomas (1951) weist darauf hin, dass viele Bön-Praktiken, insbesondere schamanistische Rituale und kosmologische Vorstellungen, in den tibetischen Buddhismus integriert wurden. Im Gegenzug nahm der Bön Elemente der buddhistischen Philosophie und Ethik an, einschließlich der Achtsamkeitspraktiken und der Meditationsmethoden.
Die Rivalitäten zwischen diesen beiden Traditionen wurden oft durch politische Faktoren verstärkt. Es ist bekannt, dass verschiedene tibetische Monarchen je nach Machtverhältnissen entweder den Bön- oder den buddhistischen Kult begünstigten. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die religiöse Reform des tibetischen Königs Langdarma im 9. Jahrhundert, die vorübergehend die Wiederbelebung des Bön förderte, bevor der Buddhismus erneut dominierte.
Moderne Studien, wie jene von Karmay (1998), betonen, dass diese historischen Rivalitäten nicht nur Konflikte darstellten, sondern auch zur kulturellen Bereicherung Tibets beitrugen. Beide Traditionen tauschten symbolische Bedeutungen, liturgische Elemente und rituelle Praktiken aus, was zu einer faszinierenden Synkretisierung führte, die das spirituelle Leben bis in die heutige Zeit beeinflusst.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bön und Buddhismus trotz ihrer konkurrierenden Ursprünge und philosophischen Unterschiede durch ein komplexes Netz von Wechselwirkungen und gegenseitiger Anpassung geprägt sind. Diese Beziehung verdeutlicht die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des geistigen Erbes Tibets, das inmitten von Rivalität und Einflüssen dennoch eine einzigartige kulturelle Identität bewahrte.
Der Bön-Schamanismus, in tiefer Verwurzelung der Kulturen Tibets, weist eine reiche, wenngleich oft übersehene historische und archäologische Dimension auf. Es ist von entscheidender Bedeutung, die existierenden Belege zu erkunden, um ein umfassenderes Verständnis dieser facettenreichen Tradition zu gewinnen, die sich vor der Ankunft des Buddhismus etablierte. Traditionell wird Bön als die ursprüngliche Religion Tibets angesehen und genoss eine zentrale Bedeutung, bevor es mit dem Eindringen des Buddhismus in den Hintergrund gedrängt wurde.
Archäologische Nachforschungen in der Region demonstrieren eine Fülle von Artefakten, die auf prähistorische Ritualhandlungen und Überzeugungen hindeuten, welche typisch für schamanistische Praktiken sind. Diese Funde umfassen Waffen, Kultgegenstände und monumentale Strukturen, die wohl zu Zeremonien oder als heilige Plätze gedient haben. Besonders herausragend sind Felszeichnungen und Petroglyphen, die Szenen darstellen, welche als schamanistische Riten interpretiert werden können. In Studien, wie sie etwa von Hansen und Heller (2017) durchgeführt wurden, wird darauf hingewiesen, dass diese Symbolik von einer regen Interaktion mit der Natur und den Geisterwelten zeugt, was ein fundamentaler Bestandteil des Bön-Schamanismus ist.
Zusätzlich zu archäologischen Befunden trumpfen schriftliche historische Aufzeichnungen mit faszinierenden Einblicken auf. Die früheste Bezugnahme auf den Bön-Schamanismus in tibetischen Aufzeichnungen findet sich vermutlich in Texten wie dem Chronik der Könige von Yar-lung, die auf das 7. und 9. Jahrhundert zurückgehen. Diese vorbuddhistischen Manuskripte beschreiben zeremonielle Praktiken und unterstreichen die Autorität der Schamanen innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie Tibets. Diese Schamanen, auch als pen bekannt, galten als Vermittler zwischen der menschlichen und der spirituellen Welt und ihre Riten umfassten sowohl Heilungspraktiken als auch Opferzeremonien zur Besänftigung der Naturgeister und Ahnen (Jackson, 2010).
Ein weiteres bemerkenswertes geschichtliches Zeugnis bietet die Gesamtsammlung von Samten Ling, die reichhaltige Informationen zum Bön-Schamanismus liefert. In diesen Texten wird ausführlich die Rolle der Schamanen beschrieben, die oft als spirituelle Berater und Gurus der Gemeinde respektiert wurden. Trotz der Dominanz des Buddhismus, Anfang des 8. Jahrhunderts, hielt sich der Einfluss der schamanistischen Tradition tief in den ländlichen Regionen, wobei mündliche Überlieferungsketten das Wissen und die Praktiken aufrechterhielten.
Methodisch sind besonders die Begräbniskomplexe von herausragender Bedeutung für Historiker und Archäologen. Diese Gräber, die regelmäßig durchgehend schamanistische Symbole und Artefakte aufweisen, offenbaren viel über den Glauben an ein Leben nach dem Tod und die Rituale, die zur Vorbereitung der Verstorbenen auf diese Reise durchgeführt wurden. Analysen solcher Komplexe, wie sie etwa von Martin et al. (2019) unternommen wurden, offenbaren eine tiefe kulturelle Symbolik und die Vorstellung einer zyklischen Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten.
Die Rekonstruktion der genauen Natur und Entwicklung des Bön-Schamanismus aus diesen Fragmenten bleibt eine Herausforderung. Jedoch liefern die gesammelten Daten wichtige Anhaltspunkte, ein lebhaftes Bild eines einst florierenden Glaubenssystems zu zeichnen, das in seiner Vielschichtigkeit und Dynamik eine wesentliche Ergänzung zum Verständnis der spirituellen Landschaft des alten Tibets bietet. In einer gewissen Hinsicht repräsentiert der Bön-Schamanismus eine Bühne vor dem Vorhang der buddhistischen Philosophie und Praxis, die später nahezu alle religiösen und kulturellen Aspekte Tibets beeinflusste.
Zusammenfassend bieten sowohl die materiellen Funde als auch die schriftlichen Dokumente eine wertvolle Grundlage, um die reiche Tradition des Bön-Schamanismus zu kontextualisieren und zu würdigen. Die Kombination dieser beiden Quellen ist entscheidend, um die schamanistischen Praktiken im alten Tibet besser zu verstehen und ihre unverwechselbare Rolle in der Entwicklung der spirituellen und kulturellen Identität dieser Region anzuerkennen.
Die Tradition des Bön ist tief in den mystischen Mythen und fesselnden Legenden Tibets verwurzelt und strahlt eine Faszination aus, die in der Lage ist, den Schleier der Zeit zu durchdringen. Diese Mythen und Legenden sind nicht nur Erzählungen aus einer fernen Vergangenheit, sondern fungieren als Schlüssel zur Entschlüsselung der Weltanschauung und der spirituellen Praktiken der Bön-Anhänger vor dem Einzug des Buddhismus. Diese Geschichten bieten einen Einblick in die vergangenen Zeiten, und durch ihre Auslegung können wir den vielschichtigen Glauben und die symbolische Bedeutung erkennen, die den Bön-Schamanismus untermauern.
In der Welt der Bön-Mythen spielt der mythische König Shenrab Miwo eine zentrale Rolle. Er wird als ein erleuchteter Meister dargestellt, der die lehren und Weisheiten des Bön vom legendären Land Zhang Zhung nach Tibet brachte. Nach traditionellen Erzählungen war Shenrab Miwo nicht nur ein weltlicher Herrscher, sondern auch ein spiritueller Heiler und Magier, der sowohl über profane als auch über heilige Kräfte verfügte. Er wurde ausgesandt, um die Lehren des Bön unter den Menschen zu verbreiten und die Erkenntnis über die Geheimnisse der Natur und des Geistes zu bringen („Martin, 1996“).
Eine weitere zentrale Figur in den Mythen ist die Gottheit der Erde, Tönpa Shenrab, die oft in Ritualen angerufen wird, um die Harmonie zwischen den Menschen und der natürlichen Welt zu sichern. Diese Figuren und Geschichten zeigen, wie tief die Natur in der Bön-Tradition verankert ist und wie sie nicht nur eine passive Kulisse für menschliches Handeln darstellt, sondern ein aktives, resonierendes Wesen, das mit dem täglichen Leben fest verwoben ist.
Eine wesentliche Eigenschaft vieler dieser Legenden ist die Verbindung zwischen Geburt und Tod, sowie die Vorstellung vom Kreislauf des Lebens. Diese Themen spiegeln sich in Geschichten wider, die von den Reisen der Seele nach dem Tod erzählen, ein Konzept, welches im Bön-Schamanismus von entscheidender Bedeutung ist. Die Bön-Mythen beschreiben oft Reisen zu anderen Ebenen der Existenz, die nur mit Hilfe spiritueller Führer, der Schamanen, betreten werden können. So wird der Schamane als Vermittler zwischen den Welten gesehen, ein Titel, der ihm sowohl Macht als auch Verantwortung verleiht. Dies zeigt deutlich die tiefe symbolische Bedeutung der Schamanen im Bön („Snellgrove, 1987“).
Ein faszinierender Aspekt ist die Ansicht des Bön über die Natur und ihre Geister, die oft mit den Menschen in einen Dialog treten. Die Geschichten beschreiben zum Beispiel Berggeister, die launenhaft sein können, Wächter der Seen und Flüsse, die es zu besänftigen gilt, und Tiere, die sich durch schamanistische Rituale zu hilfreichen Verbündeten wandeln können. Diese Erzählungen verdeutlichen eine komplexe Weltsicht, in der jedes Element der Natur beseelt ist und in Beziehung zum Menschen steht.
Neben diesen kosmischen und metaphysischen Erzählungen gibt es auch zahlreiche lokale Legenden, die von den Alltagskonflikten und Herausforderungen erzählen, denen das einfache Volk gegenüberstand. Eine solche Erzählung könnte von einem Helden handeln, der sich mit einem mächtigen Naturgeist anfreundet, um die einheimische Bevölkerung vor einer drohenden Katastrophe zu retten. Diese Geschichten sind nicht nur unterhaltsam, sondern dienen auch als moralische Lehrstücke und spirituelle Unterweisungen, die den Zuhörern die Werte und Überzeugungen der Bön-Tradition vermitteln. Sie untermalen die Rolle von Mythen als Handwerkszeug zur Weitergabe von Wissen und gesellschaftlichen Normen.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Mythen und Legenden der Bön-Tradition als Spiegel des kollektiven Bewusstseins der alten tibetischen Gesellschaft dienen. Sie sind nicht nur ein bewahrtes Erbe der Vorfahren, sondern auch lebendige Erzählstränge, die das spirituelle Geflecht der Gegenwart beeinflussen. Während diese Geschichten schon oft am Lagerfeuer erzählt wurden, reichen ihre schöpferischen Kräfte weit in unser Heute und regen die erneute Auseinandersetzung mit einer tief spirituellen Weltsicht an, die den modernen Menschen noch immer anzieht und inspiriert („Kvaerne, 1995“).
Die Bön-Tradition, eine der ältesten spirituellen Traditionen Tibets, hat ihre Wurzeln tief in der Verehrung der Natur und der Geisterwelt. Diese Verbindung zur Natur ist nicht nur kulturell und geschichtlich bedeutend, sondern bildet auch die Grundlage für viele Praktiken und Überzeugungen, die im Laufe der Jahrhunderte überliefert wurden. Das Verständnis und die Interaktion mit der natürlichen Welt sind zentrale Elemente des Bön-Schamanismus, die das spirituelle Gefüge der Tradition gestalten.
Im Bön-Schamanismus wird die Natur als lebendig und beseelt betrachtet. Jeder natürliche Aspekt, sei es ein gewaltiger Berg, ein rauschender Fluss oder ein stiller Wald, wird als Sitz von Geistern und übernatürlichen Wesen angesehen. Diese Geister sind integraler Bestandteil der Weltanschauung und des täglichen Lebens eines Bön-Praktizierenden. Das Bestreben, in Harmonie mit diesen Geistern zu leben, ist von zentraler Bedeutung. Die Geisterwelt umfasst eine weite Palette von Wesen, von wohlwollenden Naturgeistern bis hin zu bösartigen Dämonen, die Unheil bringen können, wenn sie nicht respektiert oder besänftigt werden.
Der natürliche Kosmos der Bön-Tradition ist von einem tiefen Sinn für Balance und Harmonie geprägt. Die Schamanen der Bön-Tradition, auch als „Bönpos“ bekannt, fungieren als Vermittler zwischen der menschlichen Gemeinschaft und der Geisterwelt. Sie sind zuständig für die Durchführung ritueller Zeremonien, deren Zweck es ist, die Gunst der Naturgeister zu erlangen oder ihre Missgunst zu besänftigen. Diese Zeremonien variieren stark, können jedoch von rituellen Tänzen, Gesängen und der Darbringung von Opfergaben geprägt sein. Ein berühmtes Beispiel ist das Meza-Ritual, bei dem durch Feuer, Erde, Wasser und Luft der Einklang zwischen Mensch und Natur beschworen wird.
Ein bemerkenswerter Aspekt der Naturverehrung im Bön-Schamanismus ist der Glaube an die „Lu“, schlangenähnliche Wassergeister, die mit Quellen und Flüssen in Verbindung gebracht werden. Der Respekt vor den Lu-Geistern ist so groß, dass das Ungleichgewicht oder die Verschmutzung eines Gewässers als potenzielles Risiko gesehen wird, diese Geister zu erzürnen, was zu Krankheit oder Unfruchtbarkeit führen kann. Umgekehrt verspricht den Geistern Wohlwollen, falls sie angemessen verehrt und mit regelmäßigen Ritualen geehrt werden.
Der Einfluss von Himmelskörpern wie Sonne, Mond und Sterne ist ein weiteres Element, welches im Bön eng mit der Natur und den Geistern verwoben ist. Diese Himmelsphänomene werden als mächtige Naturgeister betrachtet. Vollmond- und Neumond-Zyklen sind bedeutend und beeinflussen den Zeitpunkt von Ritualen. In manchen Traditionen des Bön ist der Vollmond ein Symbol der Erleuchtung und Vollkommenheit, während der Neumond den Neuanfang und die Phase der inneren Einkehr repräsentiert.
Der interkulturelle Dialog mit benachbarten Traditionen, wie der schamanistischen Praktiken der mongolischen Steppe und den animistischen Überzeugungen Sibiriens, hat im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls zur Ausprägung der Bön-Praxis beigetragen. Doch trotz dieser Einflüsse blieb die Bön-Tradition in ihrer Verehrung der Naturgeister einzigartig und eng mit der tibetischen Landschaft verwachsen. Wie eine tibetische Weisheit besagt: „In der Erde spricht der Geist der Ahnen, im Wasser flüstert das Lied der Lüfte.“ Diese tiefe Verbindung zur Natur und Geisterwelt macht die Bön-Tradition zu einem lebendigen Zeugnis der spirituellen Kultur Tibets vor dem Aufstieg des Buddhismus.
In der Moderne mag der materielle Einfluss des Bön-Schamanismus auf den täglichen Lebenswandel abgenommen haben, jedoch bleibt die spirituelle und kulturelle Relevanz für viele Anhänger bestehen. Die Natur wird weiterhin als Lehrer und spirituelle Ressource betrachtet, in der sich die alten Mythen mit der natürlichen Gegenwart verbinden und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen. Diese fortwährende Bedeutung zeugt von einer reichen und vielschichtigen Tradition, die im Einklang mit den normativen Vorstellungen von Respekt, Friedlichkeit und Heilung steht.
Die heiligen Texte und Überlieferungen der Bön-Tradition sind von außerordentlicher Bedeutung für das Verständnis dieser alten spirituellen Praxis, die als Vorläufer des tibetischen Buddhismus betrachtet wird. Diese Texte bieten einen tiefen Einblick in die theologische und philosophische Grundlage der Bön-Tradition, die lange vor der Ankunft des Buddhismus in Tibet existierte und weiterhin lebendig bleibt. Ihre Überlieferung ist bewusst auf die Bewahrung des alten Wissens ausgelegt und spiegelt eine komplexe Verbindung von Mythologie, Ethnologie und Spiritualität wider, die für Interessierte an esoterischen Traditionen von großem Interesse ist.
Die Bön-Texte werden als kanonische Schriften bezeichnet und bestehen aus einer großen Sammlung von Texten, die in elf Kategorien unterteilt sind, bekannt als die "dreizehn großen Texte" oder "ka gyur". Diese Kategorien enthalten eine Mischung aus Geschichten, Hymnen, liturgischen Schriften, magischen Formeln und philosophischen Abhandlungen. Die Texte dokumentieren sowohl die theologisch fundierten Lehren der Bön-Religion als auch die praktischen Anweisungen für Ritualpraktiken und meditative Techniken. Es ist bemerkenswert, dass viele der in diesen Texten enthaltenen Konzepte und Praktiken auch später im tibetischen Buddhismus in abgewandelter Form Eingang gefunden haben.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Schriften ist ihre Fokussierung auf die Bedeutung von Mythen und Legenden, die als symbolische Darstellungen der Bön-Glaubensinhalte dienen. Besonders die "khalung", die tibetische Weltanschauung, wird durch diese Erzählungen hervorragend illustriert. Diese Mythen sind eng verbunden mit der Naturverehrung und der Götterwelt der Bön-Tradition und bieten einen einzigartigen Blick auf die Weltanschauung der tibetischen Bevölkerung der damaligen Zeit. Sie heben heraus, wie eng verwoben die spirituelle und alltägliche Realität des alten Tibet miteinander verbunden waren.
Ebenso entscheidend sind die sogenannten „Terma“-Texte, die von Bön-Schamanen und Lamas im Laufe der Jahrhunderte wiederentdeckt wurden. Diese Texte sollen ursprünglich von Tönpa Shenrab Miwoche, dem mythischen Begründer der Bön-Religion, verfasst oder inspiriert worden sein. Die Terma dienen als spirituelle Schatzkammern und werden unter besonderer Verehrung aufbewahrt. Sie sollen göttliches Wissen und Weisheit direkt aus der Geisterwelt enthalten und sind oft nur einem erlesenen Publikum zugänglich, welches die notwendigen Initiationen und Einweihungen durchlaufen hat.
Während der Verbreitung des Buddhismus kam es zu einer Repressalienphase gegen die Bön-Tradition, wobei viele Texte verloren gingen oder versteckt werden mussten. Ein beachtlicher Teil der Wiederentdeckung und Erhaltes dieser Texte ist den Bemühungen von Bön-Mönchen zu verdanken, die im Geheimen arbeiteten, um die Integrität ihrer Lehren zu bewahren und zu verbreiten. Die Überlieferung der Bön-Literatur ist somit ein Zeugnis von Hingabe und Resistenz gegen kulturelle und religiöse Hegemonie.
Die Bön-Texte sind ebenfalls von unschätzbarem Wert für die Erforschung der Ursprungsgeschichte der tibetischen Kultur. Sie enthalten Hinweise zu den sozialen und politischen Gegebenheiten der damaligen Zeit und bieten die Möglichkeit, die Entwicklung der tibetischen Sprache und Schrift zu verfolgen. Durch das Studium dieser alten Schriften wird deutlich, wie sich Glaubensvorstellungen und soziale Strukturen im Laufe der Jahrhunderte transformierten und an neue kulturelle und religiöse Einflüsse anpassten.
In der heutigen Zeit erlebt die Bön-Tradition eine Renaissance, und die heiligen Texte werden als grundlegende Quellen betrachtet, um sowohl die spirituelle Praktik als auch die historische Identität der Anhänger zu bewahren. Sie dienen als Instrumente der interkulturellen Verständigung und als Brücke zu einer reichen spirituellen Vergangenheit, die noch immer lebendig ist und fortbesteht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die heiligen Texte und Überlieferungen der Bön-Tradition essentielle Bestandteile für das tiefere Verständnis dieser alten Religion sind. Sie sind nicht nur historische Dokumente, sondern lebendige Zeugen einer spirituellen Praxis, die die Zeiten überdauert und weiterhin Einfluss auf die spirituelle Landkarte Tibets und darüber hinaus hat. Für Menschen, die sich für die Geheimnisse des Bön-Schamanismus interessieren, sind diese Texte unerlässliche Ressourcen, die sowohl intellektuellen Reichtum als auch spirituelle Einsichten bieten.
Die historische Entwicklung der Bön-Tradition ist untrennbar mit den zahlreichen kulturellen Einflüssen verwoben, die aus den zentralasiatischen Regionen nach Tibet strömten. Der Einfluss dieser Kulturen auf die Bön-Tradition Tibets entfaltet eine faszinierende und vielschichtige Geschichte, die durch archäologische Funde und historische Texte teilweise rekonstruiert werden kann. Zentralasien, als geographische und kulturelle Drehscheibe zwischen Ost und West, bot einen einzigartigen Nährboden für den kulturellen Austausch. Dieser Austausch spiegelt sich in den religiösen und schamanistischen Praktiken der Bön-Tradition wider. Die nomadischen Völker Zentralasiens, bekannt für ihre unterschiedlichen religiösen Glaubensrichtungen und Rituale, trugen wesentlich zur Entwicklung und Transformation der schamanistischen Rituale des Bön bei. Diese nomadischen Gruppen, darunter die Skythen, Yuezhi und andere Viehzüchter, hatten seit Jahrtausenden Kontakt mit Tibet, und ihre religiösen Überzeugungen und Praktiken fanden Eingang in die religiöse Landschaft Tibets.
Ein signifikanter Aspekt, der von den zentralasiatischen Kulturen in den Bön-Schamanismus überging, ist die Verehrung von Naturgeistern und die Komplexität der Geisterwelt, die in den Bön-Praktiken eine besondere Rolle spielt. Diese Praktiken spiegeln sich in den rituellen Tänzen und Opfergaben wider, die sowohl in den zentralasiatischen als auch in den tibetischen Traditionen zu finden sind. Eine weitere bemerkenswerte Ähnlichkeit findet sich in der kosmischen Konzeption des Weltbildes. In vielen zentralasiatischen schamanistischen Kulturen existiert ein trilokales Verständnis der Welt, das von einer dreiteiligen Kosmologie ausgeht: die Oberwelt der Götter, die Erdenwelt der Menschen und die Unterwelt der Geister und Ahnen. Diese Sichtweise lässt sich innerhalb der Bön-Tradition in ähnlicher Form wiederfinden, was auf einen intensiven Glaubensaustausch hindeutet.
Eine weitere kulturelle Parallele ist die Verwendung von Trommeln und anderen Musikinstrumenten, die sowohl im zentralasiatischen Schamanismus als auch im Bön von zentraler ritueller Bedeutung sind. Diese Instrumente werden verwendet, um die Schamanen in einen Trancezustand zu versetzen und den Kontakt mit den Geistersphären herzustellen. Die Gemeinsamkeiten in der Instrumentierung und der rhythmischen Strukturen deuten auf eine historisch tief verwurzelte und kontinuierliche kulturelle Verflechtung hin. Es ist plausibel anzunehmen, dass der Austausch zentralasiatischer Ideen und Riten mit den lokalen tibetischen Traditionen zur bereichernden Vielfalt der Praktiken und Überzeugungen im Bön geführt hat. Es ist dokumentiert, dass mit dem Aufkommen des Buddhismus in Tibet viele Elemente des Bön-Schamanismus als häretisch abgelehnt wurden. Dennoch sind Einflüsse wie die Verehrung der Berggottheiten, die in der Steppe Zentralasiens ein bedeutender Ritus war, in den angeblich "neuen" buddhistischen Praktiken verschmolzen worden.
Die linguistischen und textuellen Analysen der heiligen Bön-Texte offenbaren zudem lexikalische Spuren der zentralasiatischen Sprachen, die Hinweise auf den kulturellen Dialog zwischen Bön-Priestern und den benachbarten Kulturen geben. Die Texte zeigen eine Synthese von Ritualen und Mythen, die nicht ausschließlich tibetischen Ursprungs sind, sondern wichtige kulturelle Übertragungen und Integration von Schlüsselaspekten aus verschiedenen Kulturen der Steppe beinhalten.