Brandung hinter Tahiti - Hans Leip - E-Book

Brandung hinter Tahiti E-Book

Hans Leip

0,0

Beschreibung

Der Band versammelt drei Erzählungen Leips um Schifffahrt und Matrosenleben – das große Thema des aus Hamburg gebürtigen Autors. "Der Untergang der Juno" erzählt von Steuermann William Mackay, der mit dem Erlangen des Kapitänspatents zugleich seine große Liebe verliert. "Die Bergung" handelt vom schweren Leben auf dem Hochseeschlepper "Tiger", das für den Kapitän auch eine starke Belastung seiner jungen Ehe bedeutet, und "Die Brandung hinter Tahiti" berichtet davon, wie der Pariser Arzt Dr. Glenn und die bezaubernde junge Lanette dem Südseezauber erliegen – aber auch der Liebe ... Hier ist Leip ganz in seinem Element und das spürt der Leser auf jeder Seite!-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 438

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hans Leip

Brandung hinter Tahiti

Drei Erzählungen

Saga

I. Untergang der Juno

Eine Geschichte aus der Zeit der Ostindischen Compagnie unter Einbeziehung eines Berichtes des britischen Schiffsoffiziers William Mackay

Vorbemerkung

Seit Kindheit ist meine Phantasie mit allem, was Seefahrt heißt, beschäftigt gewesen. Ich bin aufgewachsen in Hamburg, früh vom Allerzonenduft des Hafens gelockt, wo mein Vater tätig war. Mein Ohr war den Reden der Jantjes zugewandt, und mein Herz gehört in seinen geheimsten Augenblicken immer noch dem Meere und seinen Abenteuern. Das Sinnbild des Ewigen, die Brücke zwischen dem Sichtbaren und seiner Deutung, die wandelbare Grenze zwischen Freude und Leid, Liebe und Selbstsucht, Mut und Angst, Vertrauen und Gottverlassenheit, das Ungeheuerliche irdischer, himmelsüberwölbter Landschaft und die Sonderbarkeit jener Kapsel Mensch, die in sich ein Gehirn und ein Herz trägt, das alles ist für mich ohne den Untergrund der großen Gewässer auf dieser schwebenden Kugel weniger reizvoll. Unsere technischen Fortschritte tragen dazu bei, die Welt nahe zusammenzurücken. Die Fremde ist nicht mehr so fremd und das Reisen wer weiß wohin nicht unbedingt ein langer Abschied. Die Raschheit der Verkehrsentwicklung hat viele von uns zu Snobs gemacht, denen jeder Schauer vor Entfernungen fehlt, denen die Unendlichkeit der Meere durchaus weder unendlich noch wunderbar ist.

Das Technische, das vielen das Gemüt verdunkelt, werden wir womöglich verdauen, und der ungelösten Fragen und Abenteuerlichkeiten wird es auch dann noch genug geben, die, nahe besehen, doch nur die alten sind. Denn der Mensch wird sich in seinen innersten Möglichkeiten und Bedürfnissen kaum ändern. Als mir im Britischen Museum ein schmaler Prosaband in die Hand fiel, der übersetzt den Titel hat: »Geschichte vom Schiffbruch der Juno an der Küste von Arracan in Ostindien und wundersame Erhaltung von vierzehn Personen auf dem Wrack ohne Lebensmittel während dreiundzwanzig Tagen, nebst deren schließlicher Rettung, von William Mackay, Leutnant des Schiffes, in einem Schreiben an seinen Vater zu London, 1798«, da fand ich in diesem kleinen, erschütternden Bericht Gesagtes bestätigt. Mich beschäftigte der Vorgang, ich begann, ihn in mir zu verknüpfen mit anderen aus derselben Zeit, die mir bekannt geworden waren, zumal der englische Herausgeber in seinem Vorwort bemerkt, Herr Mackay habe nach jenem Unfall von Kalkutta aus auf einem anderen Schiffe der Ostindischen Compagnie nach Europa angemustert, von wo es mit Truppen nach Westindien ging. Und als ich aufzuschreiben begann, was mich drängte, sah ich vieles sich verdeutlichen, was vorher nur dem, der sich mit jenen verklungenen Tagen beschäftigt hat, zwischen den Zeilen bildhaft werden konnte. Somit wage ich zu hoffen, es möge lesbar geworden sein auch für den Menschen von heute, der ja dem von damals in seinem ungewissen Schweben zwischen Zeit und Überzeitlichkeit, also im Grunde seiner eigenen See und Seele gleich geblieben ist.

H. L.

Die Juno, die Weltlage und ein Truppentransport

Fernes Land, Wunderland,

fremdes süßes Unbekannt ...

Laßt uns wie die Knaben träumen

von den Mammutzauberbäumen!

Die Juno, die neue Juno, um es vorweg zu sagen, war eine schmucke schlanke Bark, dreimastig, Rahsegel vorn und mitten, achtern mit Gaffelsegel. Vor knapp einem Jahr war sie in Kalkutta erbaut worden. Nur die Galionsfigur war von der alten Juno gerettet worden, eine rosa und golden gestrichene Meerjungfrau, und prangte nun am Bug der neuen Juno und war mit ihr auf glücklicher Fahrt frisch von Bengalen um Afrika herum, Biskaya, Kanal und Nordsee durch und elbauf nach Hamburg gelangt, hatte im Jonashafen ihre Ladung aus Teakholz, Seidenschals und Baumwolle gelöscht (dazu eine kleine Kassette Rohdiamanten) und war dann ein wenig stromab unter dem hohen Ufer bei Nienstedten vor Anker gegangen; und das in Charter der großen Überseefirma John Parish. Es war September, und man schrieb das Jahr 1796.

Auch einen Passagier hatte die Juno gehabt, ein deutsches Hausfräulein namens Emma Sanders, das von London, wo es in Stellung gewesen, einem Aufruf der Times gefolgt war und gedacht hatte, sich in Rangun zu verheiraten. Es war mißlungen. Die junge Dame hatte danach den schrecklichen Schiffbruch der alten Juno miterlebt wie Mackay und der Schiffsjunge Jacky Hont (nunmehr Leichtmatrose). Wie diese beiden hatte sie alle Leiden bewundernswert überstanden und war zu ihrem Onkel nach Hamburg zurückgekehrt. William Mackay war jetzt Erster Steuermann auf der neuen Juno. Auf der alten war er noch Zweiter gewesen.

Unweit der Juno ankerten vier weitere Rahsegler, teils unter dänischer, teils unter Hamburger Flagge, ebenfalls von Parish gechartert, alle für englische Rechnung. Der hansische Agent hatte den Käpitänen mitgeteilt, die Fracht werde diesmal in Menschen bestehen, Kurs Westindien.

Denn in Westindien, die Inseln Über und Unter dem Winde auf und ab, war der Teufel los. Frankreich hatte die Trikolore auf Haiti gehißt. Und auf all den angeblich paradiesischen Eilanden brüllten die Farbigen Aufstand und Mord. Das Ziel dort war, Englands Vormundschaft in der fetten Tropenpfründe des Zuckers und Kaffees zu vernichten. Aber Old England ließ sich nicht bange machen. Krieg mit Frankreich, mit Holland, mit Spanien, es war ein Abwaschen und Aufräumen. Noch war die Gelegenheit günstig, noch hatten die jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika genug mit sich selber zu tun. Und was je die in Vergangenheit groß gewesenen Seemächte Europas an Kolonien zusammengebracht, jetzt war Gelegenheit für Großbritannien, reinen Tisch zu machen auf der Karte der Welt und sie gründlich zuzudecken mit der viermal blutdurchstrichenen Flagge. In Ostinden war es schon gelungen, auch Ceylon, Malakka, die Molukken und die neuerforschte Südsee waren so gut wie Englands; das Kap der Guten Hoffnung ging wie ein Symbol den Holländern verloren, Gibraltar lag fest in britischer Faust, einen Finger schon legte es auf Malta. Wohl hatte General Napoleon gewagt, Genua, Neapel und Livorno den englischen Kauffahrern und Fregatten zu verschließen. Aber vor Livorno lauerte Kapitän Nelson und sann schon über die Schlachtpläne nach, die später bei Abukir und Trafalgar den letzten Traum einer England ebenbürtigen europäischen Seemacht für lange Zeit vernichten sollten.

In Westindien jedoch stand es wackelig. Barbados, Puertorico, Jamaika, Tabago, Martinique, Essequebo, Demerary, Curaçao, Surinam: kostbare Begriffe des Handels, der Schönheit und der Strategie. Auch Trinidad war da vielleicht zu erben und womöglich das ertragssichere Kuba!

England warb Truppen zusammen aus aller Welt, charterte Schiffe für den Transport unter jeglichem Wimpel, unter dem man Lust hatte, Pfunde zu verdienen.

Und auch im derzeit englischen Lande Hannover erging Marschbefehl an alles, was an Besatzung trotz drohender französischer Verletzung der norddeutschen Neutralität entbehrlich war. Somit rückte eines heiteren Spätsommermorgens auch das Regiment Löwenstein aus, marschierte unter Trommelschlag und Hörnerklang nach Harburg, bootete sich dort in Gemüseewer ein, trieb mit der Ebbe die Süderelbe hinunter, kam hinterm Neßhaken um Finkenwärder herum in die Strombreite und strebte, eine gemächliche, ausgedehnte Flottille unter niedrigen braunen Luggerlappen bei flauem Winde dem holsteinischen Ufer und den wartenden Überseeschiffen zu. Die roten Uniformen leuchteten in der milden Sonne wie reife Kantäpfel.

Finkenwärder Fischer, Bauern vom Alten Lande, ja auch Leute aus Harburg, Hamburg und Altona umkränzten den in dieser Gegend ungewöhnlichen Aufzug mit unterschiedlichen Kähnen.

»England wird sie alle fressen, die armen Luder!« sagte ein Baas vom Grasbrook, dem die Briten eine Tjalk vor Neuwerk gekapert hatten, weil er einen Stoß nagelneuer Lafettenräder nach Scheveningen zu liefern gedacht.

Der Erste Steuermann auf der Juno, William Mackay, ließ den Blauen Peter ins Schau steigen, die Signalflagge zur Abfahrt. Die Kapitäne der fünf Transporter saßen nämlich noch alle oben an Land auf der Uferböschung in dem hübschen Wirtshaus von Jakob, kauderwelschten englisch, plattdeutsch und dänisch durcheinander und prosteten oft und gern auf eine gesegnete Reise. Reeder Parish hatte sie zu einem Abschiedsfrühstück eingeladen. War ihre Fracht erst an Bord, dann würde keine Zeit mehr sein, dann sollte es möglichst gleich losgehen. Sie kannten das größtenteils von einem bißchen Sklavenhandel längs der Elfenbeinküste und auch von Westindien selber her. Herr Parish brauchte gar nicht erst längliche Orders anzuweisen. Aber der Reeder erhob sich dennoch, breit ragend und schon etwas kurzluftig. Er sprach auf englisch, in seiner eigentlichen Muttersprache, und er sprach vom Geschäft. Und es würde ein guter Teil Kapplaken, also Sonderprozente, für seine lieben Kapitäne dabei übrig sein. Die großbritannische Krone lasse sich so wenig lumpen wie er. Und er brachte einen kräftigen Toast und Bumper aus auf die dienliche Angelegenheit.

Der britische Regierungsvertreter namens Popham, in der Uniform eines Fregattenkapitäns, Erfinder übrigens des Signalkodes für die Marine, lächelte unverbindlich in die Beifall lärmende Runde. Er war gleich den andern höflicherweise aufgestanden und nahm einen gelassenen Schluck.

Nur einer am Tisch blieb ingrimmig sitzen, der Quartiermeister des Regiments Löwenstein, Oberstleutnant von Platow. Er war schon in aller Frühe mit zwei Schreibern auf einem Moorburger Kutter eingetroffen und durchaus nicht zufrieden.

Frachtraum und Soldatenehre

Dreimal hipp das schöne Landserleben

und die königliche Compagnie,

die vor keinem Freund und Feind erbeben

tut, drum aufgespielt, ihr Musici!

Draußen krachte ein Böllerschuß, gefolgt von vier anderen. Die Transportschiffe begrüßten ihre nahende Fracht. Man sprang ans Fenster. »Sie kommen! Sie kommen!« Man hob die Gläser in die Weite, die nach herbstlich lauen Wiesen roch. Dort in der glitzernden Elbbreite hinter den Fetzen des Pulverdampfes und den erschreckten Möwen, drüben unter den bräunlichen Strichen der Inseln und Vorländer, unter den dünnblauen Zügen der Heidehügel, dort tauchten sie fern auf wie ein Schub Stockenten.

Prosit! Prosit allzumal! Auf ein glückliches Indien!

Dünn erschollen von weit her die Hörner. Nicht lauter als der Klang der Wirtshausgläser.

Der Transportagent, ein kleiner, lebhafter Makler, mit dem Hause befreundet, tupfte sich den Rotspon von den Lippen, seine Hand zitterte. Er drückte sich hinaus, ahnte Unheil von dem kriegerischen, langen und hübschen hannöverschen Offizier. Und der war auch schon hinter ihm her, tippte ihm energisch auf den Kragen seines mausgrauen Fracks.

»Wo bleiben die anderen Schiffe, Herr Agent?« schrie er ihn an. »Diese fünf reichen für die Katz!«

»Wir haben nicht mehr!« wand sich der Makler mit aufgehobenen Handflächen. »Däs Regiment Löwenstein is mech lieb wie ä eigenes Kind! Esu, es gibt kein Schiff in der ganzen graußen Welt nich’ aufzutreiben, glauben Herr Oberstleutnant mech, ich schwöre!«

Herr Parish, geborener Schotte, vormals Schiffsjunge, nun längst Großkaufmann und Schiffsreeder zu Hamburg, trat dazwischen, ruhig, elegant, in der würdigen Fülle seines Alters und des in seinem Leben Erreichten. Er lächelte dem Offizier in die Augen und sagte dabei: »Wir sind den netten und ordentlichen militärischen Ton gar nicht gewohnt in Hamburg, wie Herr Baron belieben tun! Unser Agent hat ja so recht, Schiffsraum ist knapper als bar Geld heutzutage. Und irgendwo müssen wir ja auch die vielen teuren Lebensmittel hinstauen, die Sie mitkriegen. Denn: Was wird bewilligt, was gebilligt, was ist die Möglichkeit? Nehmen Sie, mein Herr von Platow, doch meinswegen die ganze Juno für Ihren geliebten Stab. Denn müssen die anderen eben ein büschen zusammenrücken.«

Das Gesicht des Offiziers lief fast so scharlachrot an wie sein Waffenrock. Doch beherrschte er sich und sagte gedämpft: »Zusammenrücken? Zwölfhundert Mann? Ich bitte zu erinnern, daß – es ist hier doch von Geschäft die Rede – anno einundachtzig die Kosten gerade durch schlechte Unterbringung sich unmaßlich erhöhten.«

»Für die Regierung, nicht für den Reeder, sehr wohl!« lächelte der große Handelsherr. O ja, er vermochte sich auf deutsch auszudrücken, wenn auch nicht ohne Schnitzer, und sprach es in dem breit singenden Tonfall seiner Heimat, der dem der Hamburger Wasserkante sich zwanglos einfügte.

Die Stimme von Platows wurde nun doch erregt: »Ich stehe hier für mein Regiment! Hannöversche Soldaten wurden damals wie Heringe verfrachtet. Krankheit brach aus, schon in der Nordsee. Man müßte Portsmouth anlaufen. Dreihundert blieben im Lazarett. Ein Drittel davon starb. Ein weiteres Drittel kam auf dem Wege um, ohne einen Hauch von Indien gespürt zu haben. Ein Vetter von mir war darunter.«

»Gott hab ihn selig, oder wie sagt man auf deutsch?« lächelte Herr Parish. Ein trübes Gefühl von Mitleid dämpfend, wandte er sich den anderen Herren zu: »Es war nach Ostindien, glattes Geschäft der Compagnie selber, nicht meins. Wir gehen nur zu die West, das geht schneller und hat weniger Risiko.«

Der Agent wagte hier zu bemerken, geschützt durch den breiten Rücken des Reeders, die Soldaten kämen doch bald in ein wärmeres Klima, laut der Geographie, und dürften dann wohl froh sein, an Deck zu kampieren.

Der Offizier, ihn nicht beachtend, blitzte Herrn Parish an, als habe der die Frechheit gestottert. Parish war es selber peinlich, aber peinlicher war ihm dieses redende »Frachtstück«, so gutmütig und selbsterzogen es auch sein mochte. Rang und Anblick des Soldatischen machten wenig Eindruck auf ihn, dazu war er zu sehr Hamburger geworden. »Mein Himmel«, sagte er einlenkend munter, »Herr Oberstleutnant wollen mich doch wohl nicht fordern? Ich hab’ weder gedient noch studiert, bin auch nicht adlig, sondern bloß ein ehrbarer Kaufmann. Ich kenne meine Schiffe. Bei Stade liegen an vierzig weitere, aber alles kleines Zeugs für die anderen Regimenter, die dort einbooten. Diese Riesen hier unten, die allerbesten, die ich habe, sind extra für die Löwensteiner. Und da tut der Herr noch quesen?«

Er wandte sich zur Tür, winkte in dem lärmenden Abschiedsraum Herrn Popham zu und rief munter: »Kommen Sie doch mal, Sir, Ihre Meinung bitte!« Popham hatte sich sowieso schon erhoben und trat lässig heran.

Freiherr von Platow hatte es nun satt. Er meinte, Spott aus aller Mienen zu lesen. »Ich verbitte mir! Ich verlange –!« brauste er auf. Sein Degengehenk, seine Sporen klirrten. Puder stäubte von seiner untadeligen Perücke.

»Bitte!« sagte Herr Parish ungerührt. »Ihr direkter Vorgesetzter via King George dem Dritten ist der Herr da.«

Er wies verbindlich auf Popham, der gelangweilt wegsah, da er kein Deutsch verstand. John Parish setzte ihm nun in geläufigem Englisch die Wünsche des Hannoveraners auseinander.

Popham zuckte die Achseln. Seine betreßten Schulterstücke glichen geschüttelten Staubwedeln, als er breitkauend bemerkte, es handle sich doch nur um zusammengeklaubte, erschacherte, hergelaufene Dutzendware, aus aller Herren Deutschgauen fragwürdige Subjekte, die den Namen Soldat erst zu verdienen hätten. Und er berief sich herablassend auf das längst unterfertigte Einvernehmen zwischen London und dem hannöverschen Hauptquartier. Die Sprachkenntnis des Quartiermeisters reichte hin, den gröblichen Sinn des Gesagten zu erfassen. Seine Haltung straffte sich: »Verflucht! Das gibt Tumult, Sir!« knirschte er in bestem Schulenglisch. »Unser Hauptquartier hat Ihrer Umsicht vertraut. Es ahnte nichts von der Beschränktheit Ihres – zur Verfügung gestellten Transportraumes.«

Popham maß ihn kalt erstaunt. Er schien Widersprüche nicht gewohnt und schon gar nicht von fremden Militärs. Er grüßte kurz und wortlos und verließ das Wirtshaus, gefolgt von Parish und dem Agenten, indes schon neue Gäste ins Lokal drängten und zu den Fenstern eilten. Man hörte aufgeregte Rufe: Sie kommen! Sie sind da! Die Kapitäne stürzten ein letztes Glas hinunter, trampelten an dem finster verharrenden Offizier vorbei und hinaus.

Als Steuermann Mackay heraufkam, um den hannöverschen Quartiermeister an Bord zu holen, fand er den Freiherrn vor einem der weinbefleckten Tische heftig seinen beiden Schreibern diktierend. Er wartete respektvoll, aber von Platow faßte sich alsbald, zerknüllte den Rapport, darin er seinen Unmut gelüftet, und zerpreßte einen Seufzer ohnmächtigen Ärgers. Er blickte an dem Seemann vorbei, doch dann sagte er wie zu einem jüngeren Kameraden: »Man ist Soldat, obwohl kein Springinsfeld mehr, und muß gehorchen. Meinetwegen könnte sich jetzt schon das ganze Westindien zum Teufel scheren. Kennen Sie die Gegend?«

»Wohl!« antwortete Mackay.

»Ist die Reise hübsch?«

»Sie würden dahin bequemer reiten, wenn es ginge«, lachte Mackay, indem sein Blick das weiße Pferd auf der Kokarde des hannöverschen Hutes streifte.

»Dachte ich mir!« Der von Platow versuchte, in das leichte Lachen einzustimmen. »Bin geradezu neugierig auf Poseidons Wogenrösser. Soll übrigens dort drüben hübsche Frauen geben. Oder sind die ebenso knapp wie euer Schiffsraum?«

»Keine Ahnung, Herr General«, erwiderte Mackay etwas verlegen. »Weiß nur, daß Marinekapitän Nelson dort geheiratet hat; kenne Ostindien besser.«

»Besser, Herr Seefahrer, mir wäre besser, wenn hier alles gut wäre!«

»Gut ist letzten Endes, wenn man davonkommt«, erwiderte Mackay schlicht, »und das sei Ihnen und Ihren Leuten gewünscht!«

»Danke! Gegen die Romantik des Abenteuers sind Sie wohl längst abgebrüht oder vielmehr abgesalzen.«

»Bin ich, Sir, und es reicht auch ohne Romantik.«

»Woher können Sie so gut deutsch, Herr ...«

»Mackay. Eine deutsche Passagierin brachte mir’s bei.«

Die beiden Herren gingen den schräg sich windenden Hohlweg zum Strand hinab. Das Buschwerk an seinen Hängen glühte herbstlich. Welke Blätter raschelten unter ihren Stiefeln. Wir werden lange keine Bäume seh’n – und keine Frauen, dachte der Hannoveraner.

Tumult im Strom

Zur rechten Zeit in Schwall und Schwarm,

zur rechten Zeit allein gehaust,

zur rechten Zeit ein Liebesarm,

zur rechten Zeit die Faust.

Vom Orchester in Parishs Park erscholl jetzt der stolze »Einzugsmarsch in den Palast des Paschas«.

Die rot überfüllten Harburger Ewer querten die Buge der Transportschiffe, schwenkten regellos ein und legten sich an die runden Bäuche. Freiherr von Platow angelte mit Mühe das Stabsboot aus dem Knäuel und leitete es zur . Seine beiden Schreiber turnten wie Meerkatzen von Bord zu Bord, mit heiserem Geschrei nach den Compagnien suchend und die Quartierzettel schwingend, die am Vormittag unter Vorbehalt fertig gemacht worden waren. Die Fallreepe verschwanden allerorts unter hochkletternden Rotröcken. Die Feldwebel ließen in den Mitteldecks antreten. Aber bei der ungewohnten Raumenge war keine rechte Ordnung zu halten. Die Schlafstellen wurden gruppenweise zugeteilt. Es erwies sich bald, daß sie nicht reichten, oder vielmehr, daß nur mit Ablösung abteilungsweise geschlafen werden konnte. Und wo sollte man mit dem Gepäck bleiben? Das Bettzeug war dürftig, Geschirr und Einrichtung spärlicher als selbst in einem Kasemattenlager. Man verlangte nach Verpflegung – Marsch und Wasserfahrt hatten Magen und Kehle begehrlich gemacht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!