Breeds - Dawns Erwachen - Lora Leigh - E-Book

Breeds - Dawns Erwachen E-Book

Lora Leigh

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Beschreibung

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Dawn Daniels erhält den Auftrag, den Mann zu schützen, der dazu bestimmt war, ihr Seelengefährte zu sein. Zehn Jahre zuvor hat Seth Lawrence die Puma-Breed zu ihrem eigenen Schutz verlassen - und ihr das Herz gebrochen. Jetzt hat sich der erfolgreiche Unternehmer ein neues Leben aufgebaut, will heiraten. Doch als einer der größten Unterstützer der Breeds kommt es immer wieder zu Anschlägen auf sein Leben. Daher muss Dawn jetzt nicht nur um sein Leben, sondern auch um ihre Liebe kämpfen!

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Inhalt

TitelZu diesem Buch VorwortProlog1234567891011121314151617181920212223242526EpilogDie AutorinDie Romane von Lora Leigh bei LYXImpressum

LORA LEIGH

Breeds

Dawns Erwachen

Roman

Ins Deutsche übertragen von Silvia Gleißner

Zu diesem Buch

Nach Jahren der Folter und Misshandlung ist es Dawn Daniels gelungen, aus dem Breeds-Labor zu entkommen. Jetzt hat sie ihr Leben im Griff – bis sie den Auftrag erhält, den Mann zu schützen, der dazu bestimmt war, ihr Seelengefährte zu sein. Der sie vor zehn Jahren verlassen hat und nun eine andere heiraten will. Seth Lawrence ist ein erfolgreicher Unternehmer und einer der größten Unterstützer der Breeds. Als Dawn und Seth sich wiedersehen, flammen die alten Gefühle erneut auf und die beiden sind machtlos gegen die Leidenschaft, die noch immer zwischen ihnen lodert. Doch bevor sie an eine gemeinsame Zukunft denken können, müssen sie die Vergangenheit hinter sich lassen und den Attentäter fassen, der es nicht nur auf Seth abgesehen zu haben scheint …

Vorwort

Sie wurden nicht geboren, sondern erschaffen.

Sie wurden nicht aufgezogen, sondern gedrillt.

Man brachte ihnen bei, wie man tötet, und nun werden sie ihre Ausbildung dazu nutzen, ihre Freiheit zu sichern.

Sie sind Breeds. Genetisch verändert mit der DNA der Raubtiere der Erde: Wolf, Löwe, Puma, Tiger – die Killer in der Welt. Sie sollten die Armee einer fanatischen Gesellschaft werden, die sich ihre eigene persönliche Streitmacht aufbauen wollte.

Bis die Welt von ihrer Existenz erfuhr. Bis das Council die Kontrolle über seine Geschöpfe verlor und diese Geschöpfe begannen, die Welt zu verändern.

Jetzt sind sie frei. Sie schließen sich zusammen, schaffen sich eigene Gemeinden, ihre eigene Gesellschaft und ihre eigene Sicherheit. Und sie kämpfen darum, jenes Geheimnis zu bewahren, das sie vernichten könnte.

Das Geheimnis des Paarungsrausches. Die chemische, biologische und emotionale Reaktion eines bestimmten Breeds auf den Partner, der für sie oder ihn bestimmt ist. Eine Reaktion, die verbindet und mehr verändert als nur die körperlichen Reaktionen, die die Lust steigern. Mutter Natur hat den Paarungsrausch zur Achillesferse der Breeds gemacht. Er ist ihre Stärke und ihre Schwachstelle zugleich. Und Mutter Natur hat ihr Spiel noch nicht beendet.

Der Mensch hat versucht, ihre Schöpfungen zu manipulieren. Und nun wird sie der Menschheit ganz genau zeigen, wie sie sie läutern kann.

Ihre Männer sind stark. Sie krümmen sich, aber sie brechen niemals. Von Geburt an sind sie geschaffen, um zu kämpfen, zu überleben und zu beschützen.

Um ihre Frauen zu beschützen, seien sie Geliebte, Gefährtinnen oder Schwestern. Und ihre Schwestern sind es, die noch weit mehr gelitten haben als sie. Frauen, von Männern als Objekte erschaffen, kaum mehr wert als Werkzeuge, zum Töten und um deren eigene feigen und grausigen Lüste zu befriedigen. Diese Frauen sind es, die den dauerhaftesten Schmerz erdulden müssen. Diese Frauen, die sich nun, da sie frei sind, über diese Albträume erheben müssen, um zu Gefährtinnen zu werden.

Weniger wird Mutter Natur nicht akzeptieren. Denn durch die Herzen dieser Frauen fließt das Blut der größten Schöpfungen der Erde: Frau, Amazone, Löwin, Puma, Schenkerin von Leben, Bewahrerin, Jägerin. Diese Frauen sind es, die sich nun den Albträumen stellen müssen, den Ängsten und den brennenden Erinnerungen an den Schmerz, um das Leben zu finden, das Mutter Natur ihnen zugedacht hat.

Der Mensch hat sie erschaffen. Doch Gott hat sie als seine Kinder angenommen. Und nun wird Mutter Natur für ihr endgültiges Überleben sorgen.

Prolog

Breed Sanctuary

Buffalo Gap, Virginia

Zehn Jahre zuvor

Seth Lawrence betrat das Büro, in das der Breed Enforcer ihn eskortiert hatte, und musterte die dort versammelten Breeds. Er kannte sie nicht besonders gut, doch gut genug. Er unterstützte sie, seine Firmen förderten sie. Sein Vater hatte an ihnen allen Verrat begangen, wie auch an der Schwester, die nun unter ihnen lebte. Die Schwester, von deren Existenz Seth nie gewusst hatte, die er aber dennoch liebte.

Rudelführer Callan Lyons stand am Fenster, und das Sonnenlicht des späten Abends schien durch seine schwere Mähne, die ihm bis auf die Schultern fiel und seine Züge in Schatten tauchte.

Neben ihm stand Seths Schwager, Taber Williams, der ihn mit stillem Kummer musterte. Bei dem Ausdruck in seinen Augen spannte Seth sich an und machte sich auf das Schlimmste gefasst.

Kane Tyler, Schwager von Callan Lyons und Sanctuarys Sicherheitschef, sah resigniert und traurig aus. Und an einem mit Kratzern übersäten Tisch stand Jonas Wyatt, der arrogante, energische Enforcer, der beständig in den Rängen der Sicherheitskräfte aufgestiegen war.

»Ist sie okay?« Seth stellte die Frage mit schroffer Stimme und mit vor Furcht schwerem Herzen.

Sie war Dawn. Dawn Daniels, die zierliche Puma-Breed, die er nicht mehr vergessen konnte. Sie war verwundet worden, als Seths Chauffeur vor Monaten versucht hatte, ein Breed-Kind, Cassie Walker Sinclair, und Seths Halbschwester Roni zu entführen. Sie war zu zierlich, zu zart, um so verwegen und furchtlos im Kampf zu sein, wie sie es war. Oder so gequält zu wirken, wenn ein Mann sie berührte.

In den vergangenen Monaten hatte er nur wenige Blicke auf sie erhaschen können, und immer hatte sie gehetzt gewirkt. Seth wollte nichts mehr, als ihr diese dunklen Schatten unter den Augen wegwischen.

»Es geht ihr gut, Seth«, antwortete Kane nach einem Blick auf die anderen, und in seinen eisblauen Augen flackerte Unsicherheit.

»Wieso bin ich dann hier?« Er verschränkte die Arme und starrte sie unerbittlich an. Wenn sie ihn hierher zitiert hatten, um ihm zu sagen, dass er sich von Dawn fernhalten solle, dann verschwendeten sie nur ihre Zeit.

Nichts und niemand konnte den Weg ändern, den zu nehmen er sich entschieden hatte. Sein ganzes Leben lang hatte es niemanden gegeben, der zu ihm gehörte. Seit dem Tod seiner Mutter hatte er niemanden geliebt – bis auf Dawn.

»Ich mach’ da nicht mit«, sagte Taber plötzlich, straffte seine Schultern und schüttelte den Kopf.

Der Jaguar-Breed war groß, schlank, aber kräftig und offenkundig nicht einverstanden mit diesem Treffen.

»Taber.« Callans Stimme blieb ruhig. »Es gefällt keinem von uns, aber es muss getan werden.«

»Dann kommen wir endlich zum Punkt«, forderte Seth in scharfem Ton. »Ich nehme an, es geht um Dawn?«

Callan knurrte beinahe. Taber wandte ruckartig den Kopf zur Seite, und Kane rieb sich über den Nacken.

»Mr Lawrence, wir sind uns nur kurz begegnet.« Jonas Wyatt, der Mann mit den eigenartigen silbrigen Augen und den animalischen Zügen, trat vor und lehnte sich an die Kante des ramponierten Tisches, eine Fernbedienung in der Hand.

»Ich erinnere mich an Sie«, antwortete Seth knapp.

»Wir sind besorgt um Dawn«, sagte Wyatt in schroffem, überheblichem Ton. Er war die Sorte Mann, mit der andere Männer von Natur aus nicht auskamen. Sie mochten ihn respektieren, seine Kraft und seinen Verstand bewundern, aber er war niemand, in dessen Gegenwart sich andere Männer wohlfühlen konnten.

Seth kannte solche Typen. Er war genauso. Kontrolle und Macht paarten sich mit einer angeborenen Überheblichkeit, die naturgemäß nicht gut ankam, wenn es zum Kontakt mit ähnlichen Persönlichkeiten kam.

»Ich bin auch besorgt um Dawn, Mr Wyatt«, erklärte Seth. »Aus irgendeinem Grund hindert man mich daran, sie aufzusuchen, und niemand will mit mir über sie reden. Verdammt ungastlich, wenn Sie mich fragen. Wenn man bedenkt, wie viel Hilfe Lawrence Industries den Breeds bietet.«

»Dawn steht nicht zum Verkauf, Lawrence«, knurrte Callan.

»Ich wollte sie auch nicht kaufen.« Seth warf ihm ein kaltes Lächeln zu. »Ich glaube, ich habe Ihnen meine Absichten deutlich gemacht, Lyons.«

»Deshalb sind wir hier.« Auf eine Handbewegung hin zogen zwei schweigende Enforcer die schweren Vorhänge vor die Fenster und dunkelten den Raum ab.

Seth registrierte es, und ein Teil von ihm, ein Instinkt, warnte ihn, dass das, was jetzt kommen würde, etwas war, das er nicht erfahren wollte.

»Ich bin raus.« Tabers Knurren klang mehr nach Tier als nach Mensch und alles in Seth spannte sich an.

Seth hielt den Mann am Arm fest, als er vorbeiging, und ignorierte das Aufblitzen der gefährlich scharfen Reißzähne, als Taber sich zu ihm umdrehte.

»Was zum Henker geht hier vor?«

»Das erfährst du noch früh genug.« Taber riss sich los und ging zur Tür, zog sie auf und schlug sie hinter sich zu.

Callan wandte ihm den Rücken zu. Kane senkte kopfschüttelnd den Blick.

»Dawn ist wie eine Schwester für ihn«, sagte Jonas daraufhin. »Sie haben Ihre Absichten in Bezug auf Dawn deutlich gemacht. Wir werden Ihnen zeigen, Mr Lawrence, welche Schlacht Ihnen bevorsteht. Jeder Soldat sollte auf den Krieg, dem er sich stellen muss, vorbereitet sein. Würden Sie da nicht zustimmen?«

Er drückte auf die Fernbedienung, und der Bildschirm an der Wand hinter dem Tisch erwachte zum Leben. Jonas blieb mit dem Rücken zum Bildschirm stehen und beobachtete Seth.

Erklärungen waren nicht nötig. Er sah die Nummer, die auf dem Bildschirm aufblitzte, Datum, Zeit, Subjekt. Puma-Breed, weiblich, sechs Jahre alt. Listennummer 7036. Sie drückten das Kind auf einen kalten Metalltisch und brannten ihm die Nummer in die Hüfte.

Die Schreie, die den Raum erfüllten, ließen Seth zurückweichen; er ballte die Fäuste, rasender Zorn jagte durch seinen Kopf. Aber wenn das schon schwer mit anzusehen war, dann fügte das, was danach kam, seiner Seele Narben fürs Leben zu.

Er konnte sich nicht abwenden. Und er wollte es auch gar nicht. Sie hatte die Hölle durchgemacht, und er liebte sie bis zum letzten Atemzug. Sie hatte das alles überlebt, und er konnte nicht weniger tun.

Er liebte sie. Inzwischen war ihm klar, dass er sie liebte. Er sehnte sich nach ihr. Er würde für sie töten, und er hätte sein eigenes Leben gegeben, hätte er sie damit vor der finsteren Brutalität retten können, die diese Monster, die sie erschaffen hatten, hier auf Film gebannt hatten.

Nummer 7036. Alter sechs Jahre. Alter zehn Jahre. O Gott. O mein Gott. Alter dreizehn Jahre. So zart. So verdammt zart, dass sie wie eine Puppe aussah, als diese Bastarde sie vergewaltigten. Herr im Himmel, hab Erbarmen. Seine Eingeweide verkrampften sich vor Schmerz, und alles in ihm heulte vor Wut auf, während sich Hoffnungslosigkeit in ihm breitmachte.

Sie schnallten sie auf einen kalten Stahltisch. Metallfesseln an Hals, Armen, Oberschenkeln und Knöcheln. Sie wehrte sich, kämpfte gegen die Fesseln an, bis das Blut unter den Rändern hervor über ihre zerbrechlichen Glieder rann.

Sie schrie. Sie flehte zu Gott, und die lachten sie aus. Sie lachten sie aus und sagten ihr, dass Gott sich nicht um Breeds scherte, und dann stießen sie sich brutal in ihren hilflosen, zerbrechlichen Körper.

Es waren nur Minuten, in denen die Bilder diese ersten dreizehn Jahre ihres Lebens zeigten. Eine Collage brutaler, entsetzlicher Augenblicke des Missbrauchs, die sie hätten töten müssen. Zwanzig Minuten der grauenvollsten Albträume, die man dem weiblichen Körper zufügen kann. Einem Kind.

Niemand rührte sich, als es zu Ende war. Niemand sprach. Seth starrte weiter auf den nun dunklen Bildschirm und sah das Kind von einst in der Frau, die sie nun war. Die dunklen Augen, in denen die Albträume und der Schmerz aufblitzten, jedes Mal, wenn sie ihn ansah, jedes Mal, wenn ihr klar wurde, was er von ihr wollte – was er von ihr brauchte.

Er wollte schlucken, doch er konnte nicht. Er blinzelte die Feuchtigkeit weg. Verdammt, Tränen. Seit Jahren hatte er keine Träne mehr vergossen. Und er hasste seinen Vater mehr als je zuvor in seinem Leben.

Sein Vater und Lawrence Industries hatten diese Monster finanziell unterstützt, bevor Seth die Leitung übernommen hatte. Sie hatten die Brutalitäten an der Frau, die seine Seele besaß, mitfinanziert. An der Frau, die er niemals haben konnte.

Endlich sammelte Seth genug Speichel, um schlucken zu können und seine Stimmbänder zum Arbeiten zu zwingen. Callan drehte sich vom geschlossenen Fenster weg und sah Seth mit kummervoller Miene an. Und jetzt verstand Seth, warum Taber sich geweigert hatte, zu bleiben.

Noch nie hatte er so tiefen, so intensiven Schmerz gespürt wie jetzt. Eine Qual, die seine ganze Seele durchdrang, durch sein Herz, seinen Geist schnitt, wie ein gezackter Dolch, der sein Dasein in Stücke riss.

»Ich liebe sie«, flüsterte er.

»Und uns ist bewusst, dass eine Anomalie in der Physiologie der Breeds, genannt ›Paarungsrausch‹, sich in euch beiden bemerkbar gemacht hat. Dawns Blut weist bereits winzige Mengen des Hormons auf, das dabei ausgeschüttet wird. Es wirkt wie ein Aphrodisiakum, Mr Lawrence; es verursacht einen Zustand der Erregung, der so stark ist, dass das Paar sich ihr nicht verweigern kann. Es ist etwas, das wir unter allen Umständen geheim halten wollen, bis wir es verstehen können und einen Weg gefunden haben, es zu kontrollieren. In Dawn könnte es eine zerstörerische Wirkung haben, mental und emotional. Sie haben die Bilder gesehen. Sie haben gesehen, was die ihr angetan haben, mit und ohne Drogen. Im Augenblick glaubt niemand hier, dass sie das durchstehen kann. Hätten die Gräueltaten an dem Punkt aufgehört, hätte sie sich vielleicht davon erholen können. Vielleicht. Aber nachdem Callan das Rudel gerettet hatte, hat deren Bruder Dayan unbemerkt von ihm die Erinnerungen in ihr genährt wie eitrige Wunden, um sie unter Kontrolle zu halten. Sie wurde im Labor missbraucht und später noch einmal außerhalb. Sie hatte nicht einmal ein Jahr Zeit, um mit wahrer Freiheit klarzukommen, und sie macht unglaubliche Fortschritte. Niemand von uns will erleben, dass dieser Fortschritt einen Rückschlag erleidet. Das heißt, keiner von uns, der sie liebt.«

Seth starrte Jonas an und fühlte die eiskalte Gewissheit, dass das, was der Mann da sagte, nicht weniger als die Wahrheit war.

»Sollte Sanctuary irgendetwas von Lawrence Industries benötigen, müssen Sie nur meinen Assistenten kontaktieren.« Er ging zur Tür, öffnete sie und drehte sich zu den anderen um. »Sollte Dawn irgendetwas brauchen, erwarte ich, umgehend persönlich davon zu erfahren.«

Er verließ den Raum, schloss sorgfältig die Tür hinter sich – und blieb abrupt stehen. Das Kind, das vor ihm stand, war dasselbe, das vor Monaten so todesmutig aus dem Gutshaus gerannt war und sich auf den Rücksitz der Limo geworfen hatte, in der Seth hierher gefahren war. Die kleine Cassie Walker Sinclair mit dem dichten schwarzen Haar und dem viel zu ernsten Gesichtchen.

Sie hatte einen kleinen Schokoladenfleck am Mundwinkel, und ihre großen Augen sahen ihn traurig an. Sie war eben erst nach Sanctuary zurückgekehrt, vor ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, da die Entlassung ihrer Mutter aus dem Krankenhaus kurz bevorstand.

Er konnte nicht mit ihr reden, also ging er stattdessen an ihr vorbei.

»Seth.« Ihre Kleinmädchenstimme klang gespenstisch, voll Mitgefühl und so sanft, dass es einem das Herz brach.

Seth drehte sich zu ihr um, räusperte sich und wollte etwas sagen. Doch er konnte nicht.

»Sie wird zu dir kommen«, flüsterte Cassie da. »Wenn sie erwacht.«

Seth schüttelte den Kopf, musterte sie und sah das seltsame Schimmern, das in ihre unheimlichen Augen trat.

»Wer, Cassie?« Sie war ein merkwürdiges kleines Mädchen, aber liebenswert. Unschuldig.

»Dawn«, sagte sie sanft. »Lass sie erwachen, bevor du sie aufgibst.«

Ach du Schande. Er hatte Gerüchte gehört, Flüstern über die seltsamen Einsichten dieser Kleinen und ihre manchmal unheimlichen Ratschläge. Er schüttelte den Kopf. Jetzt glaubte er die Gerüchte.

»Sie wird zu dir kommen.« Ihr Lächeln war traurig. »Und ihr werdet beide Schmerz leiden. Denk daran, Seth. Ihr beide werdet Schmerz leiden. Aber danach ist sie wieder ganz.«

Damit drehte sie sich um und ging langsam über den Flur zu der geschwungenen Treppe und die Stufen hinunter. Seth fühlte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief, der ihn innerlich kalt werden ließ, in der Gewissheit, dass Dawn niemals zu ihm kommen würde.

Er wartete und folgte dann langsam. Er ging zum Marmorfoyer, drehte sich um und blickte zum Treppenaufgang, der zur Krankenstation führte. Dort, wo sich Dawn in der Obhut der Ärztin befand. Wo sie verletzt worden war. Wo sie allein lag, verwundet, ohne ihn.

Er hatte sich vorgestellt, etwas Zeit in Sanctuary zu verbringen. Um sie kennenzulernen, herauszufinden, wie er sie zum Lachen bringen konnte, um nur ein einziges Mal ein Lächeln in ihren Augen zu sehen, anstelle der tiefen Traurigkeit, die sie von Kopf bis Fuß zu durchdringen schien.

Er wollte mit ihr zum Picknick fahren. Durch ein Kaufhaus gehen. Er wollte mit ihr irgendwo parken und diese perfekten rosigen Lippen küssen, und er wollte sie in seinem Bett zu Hause haben und sie lieben, bis sie nach mehr schrie.

Doch dazu würde es nicht kommen.

Er hätte sich nie vorstellen können, das zu tun, was er nun tat. Er drehte sich um und verließ langsam Sanctuary und die Frau, die niemals zu ihm kommen würde.

Und ließ damit auch seine Seele zurück.

1

Es waren die Träume, die sie aus dem Schlaf rissen, schwitzend, knurrend, während Entsetzen und Wut durch ihren Leib krochen und kalte Schauer sie heftig zittern ließen.

Dawn schauderte, zuckte zusammen und spürte Gänsehaut bei dem Gefühl eisiger Hände, die über ihre Haut streiften, sie berührten, sie kniffen. Sie spannte die Schenkel an und wollte schreien, als sie die verhasste Berührung an dieser Stelle spürte; sie knurrte vor Wut über den Schmerz, von dem sie wusste, dass er kommen würde.

Sie betete. Gott war nicht ihr Freund. Sie war ihm egal. Er erhörte keine Breeds, doch immer noch betete sie. O Gott, mach, dass es aufhört.

Sie konnte das Gelächter in ihren Ohren hören, die Hände spüren, die an ihren Beinen zerrten und sie auseinanderzwangen, sie mit Metallfesseln fixierten, kalter Stahl, der sich in ihre Schenkel drückte, und warme Haut, die sich dazwischendrängte …

Ruckartig öffnete sie ihre Augen; wildes, unmenschliches Knurren drang immer noch aus ihrer heiser werdenden Kehle, die sich mit Tränen zuschnürte, die Dawn nicht vergießen konnte. Ihre Hände krallten sich in die Decken um sie, ihre Arme ausgestreckt an den Seiten, ihre Beine steif und die Muskeln verkrampft.

Sie fühlte sich wie festgeschnallt. Dawn starrte in die Dunkelheit und fühlte die Metallfesseln, die sich in ihre Haut schnitten und sie bluten ließen. Todesqual jagte durch ihre Schenkel, ihren Bauch, während dichter roter Nebel vor ihren Augen schwamm und der Schrei einer Raubkatze aus ihrer Kehle dringen wollte.

Abrupt setzte sie sich auf, blicklos, um Atem ringend und darum, zu sehen, was sie nicht sehen konnte, um Erinnerungen ringend, an die ihr Verstand sich nicht erinnern wollte. Luft holen. Hände, die sie umklammerten, Finger, die sich in ihre Muskeln gruben, und Gelächter, immer dieses Gelächter, das in ihrem Kopf widerhallte.

»Die Morgendämmerung kommt bald. Dann ist es nicht mehr dunkel.«

Die sanfte, wohlklingende Stimme flüsterte durchs Zimmer, und Dawn kam in einem Ausbruch gewaltiger Wut unter den Decken hervor, ging knurrend in Kampfstellung und spürte, wie ihre Lippen die Reißzähne entblößten, als sie sich zum Angriff bereit machte.

Der Feind saß eingerollt in einem Sessel gegenüber, die Gestalt verhüllt von einem langen Leinennachthemd. Lange, kohlschwarze Locken umrahmten ihr herzförmiges Gesicht, und ihre Augen waren gespenstische, strahlend blaue Leuchtpunkte im dunklen Zimmer.

Dawn brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass ihre Waffe, die nie weit von ihr lag, genau zwischen die Augen des Kindes zielte. Ihr Finger bebte am Abzug, Schweiß lief ihr über den Leib und tränkte ihre dünne Kleidung.

Die kühle Luft aus der Klimaanlage wehte über ihre Haut und ließ sie heftig schaudern, während Cassie Sinclair auf die Waffe starrte.

»Du solltest nicht allein in der Dunkelheit aufwachen müssen«, sagte Cassie sanft und streckte die Hand aus, um das Licht neben dem Sessel einzuschalten. Bei der Bewegung zuckte Dawn zusammen.

Knurren vibrierte in ihrer Kehle, und ein ferner Teil von ihr schrie vor Entsetzen auf über das Tier in ihr, das sich vorgedrängt hatte und das Kind mitleidlos und wild anstarrte.

Sie musste den Zorn niederkämpfen, die Erinnerungen, die keine Erinnerungen waren, die in ihrem Kopf schrien und sich nicht zeigen wollten. Die, mit denen das Tier, entschlossen zu überleben, die Frau nicht konfrontieren wollte.

»Dash.« Das Wort klang wild und kehlig. »Wo ist Dash?«

Cassies Vater hätte ihr nie erlauben dürfen, allein hier zu sein. Er sollte besser auf seine Tochter aufpassen, statt zuzulassen, dass sie in ein Zimmer schlüpfte, in dem sich eine Bestie aufhielt, die schon das Blut schmecken konnte.

Eine einzelne Träne lief über Cassies Wange, und ihre Lippen bebten. Aber nicht vor Furcht. Da war kein Geruch von Entsetzen, nur von Schmerz und Mitgefühl. Dawn hasste ihn.

Sie zwang sich, die Waffe zu senken, zwang sich, die Kampfhaltung aufzugeben, aber die Schreie in ihrem Kopf konnte sie nicht verdrängen. Die Schreie eines Kindes, eines Tieres, außer sich vor Schrecken und Schmerz.

»Dad schläft noch«, antwortete das Mädchen sanft und zeigte mit der Hand auf ein Tablett auf einem Tisch in der Nähe. Darauf standen eine dampfende Kanne und zwei Becher. »Ich dachte, wir trinken heiße Schokolade, bevor du dich fertig machen und deinen Tag beginnen musst, Dawn. Ich wollte nicht, dass du heute Morgen allein aufwachen musst.«

»Bist du verrückt geworden!« Dawn starrte das Mädchen an – nun ja, eigentlich die junge Frau. Cassie war kein frühreifes Kind mehr. Sie war achtzehn Jahre alt und immer noch verdammt unheimlich. »Weißt du es denn nicht besser, Cassie?« Sie knallte die Waffe auf den Nachttisch, ließ sich auf die Bettkante fallen und starrte sie entsetzt an. »Ich hätte dich umbringen können.«

Cassie zuckte mit den Schultern. »Der Tod ist nicht so furchterregend, Dawn. Und besser deine Kugel als der Zorn eines Kojoten, oder?«

Achtzehn. Cassie war verdammte achtzehn Jahre alt. Ein Baby. Unschuldig, behütet und beschützt, seit dem Augenblick vor zehn Jahren, in dem der Wolf-Breed Dash Sinclair sie und ihre Mutter mitten in einem verdammten Blizzard gefunden und vor den Monstern gerettet hatte, die sie verfolgten.

Sie war noch Jungfrau. Sie war nie verwundet worden, nie geschlagen, verprügelt oder vergewaltigt. Und sie sprach unbekümmerter über den Tod, als jeder im Labor aufgewachsene Breed es je tat.

Dawn hob ihr Shirt vom Boden auf, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und fuhr dann mit dem Stoff über das feuchte Haar und die Schultern. Sie brauchte einen Moment, nur einen Moment, um ihre Kontrolle wiederzuerlangen.

»Ich habe heiße Schokolade mitgebracht.« Cassie erhob sich langsam aus dem Sessel und bewegte sich wie ein Geist, wie die Geister, mit denen sie angeblich sprach, zu dem kleinen Tisch am Fenster.

Sie goss die süße, dicke Flüssigkeit in zwei Becher, drehte sich langsam um und stellte einen auf den Tisch neben Dawn. Dawns Hände zitterten so sehr von den Nachwirkungen des Albtraums, dass sie den Becher nicht hätte halten können, wenn sie gemusst hätte.

Cassie ging zurück zu ihrem Sessel, setzte sich und zog wieder die Beine unter ihren Körper. Sie war so klein, dachte Dawn. Kaum einen Meter sechzig, und so zierlich. Und um sie herum floss so viel Haar, dass Dawn sich manchmal fragte, wie sie den Kopf oben halten konnte.

Dawn fuhr sich mit den Fingern durch ihre eigenen kurzen Locken. Sie hielt ihr Haar kurz geschnitten. Wenn ihr Haar nicht lang war, dann gab es nichts, was der Feind packen konnte. Nichts, womit er sie zu Boden drücken konnte. Eine Frau mit langem Haar konnte doch gleich jedem Bastard da draußen, der sie verletzen wollte, eine Einladung schicken. Drück sie nieder. Zwing sie.

Übelkeit stieg ihr in die Kehle.

»Ein neuer Tag beginnt«, sagte Cassie und sah zum immer noch dunklen Fenster. »Heute beginnt ein neues Abenteuer.« Ein kleines, trauriges Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie sich wieder an Dawn wandte. »Aber jeder Tag ist ein Abenteuer, nicht wahr?«

»So nennst du es?«, schnaubte Dawn und warf ihr einen Blick zu, während sie langsam zu der Beherrschung zurückfand, um die sie über die Jahre so verzweifelt gekämpft hatte.

»Mom und Dad sehen mich auch immer so an, wenn ich ihnen das sage.« Cassies Lippen verzogen sich zu einem seltsamen wissenden Lächeln. »Und Kenton verdreht immer die Augen.« Kenton war ihr Bruder, kaum neun Jahre alt, doch er zeigte bereits die hochentwickelte Intelligenz und Stärke eines Breed-Kindes.

»Cassie, jetzt ist kein guter Zeitpunkt.« Dawn seufzte. »Ich muss duschen und ein paar Dinge erledigen.«

Cassie blickte auf ihren Becher, aus dem Dampf aufstieg, und sie machte einen traurigen, resignierten Eindruck. »Auch das höre ich häufiger.«

Dawn wusste das. Cassie war eine Anomalie unter den Breeds. Sie trug DNA von Wolf, Kojote und Mensch in sich. Sie war oft auf Misstrauen und Abweisung gestoßen, als sie älter wurde und ihre Augen dieses tiefe hypnotische Blau entwickelten. Jahrhunderte früher hätte man sie als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Aber Dawn mochte das Mädchen. Sie war über die Jahre ein regelmäßiger Gast in Sanctuary gewesen, zuerst als altkluges Kind und nun häufig als Schelm und nerviger Teenager.

»Es ist eine schlimme Zeit für mich«, stieß Dawn hervor. Sie wusste, dass Cassie manchmal Erklärungen brauchte, trotz der unheimlichen Aura des Wissens, die sie umgab.

»Deshalb bin ich hier.« Cassie lächelte plötzlich, als hätte Dawn sie zum Bleiben eingeladen, und dieses Lächeln ließ ihre Augen leuchten und noch strahlender schimmern. »Ich wusste, dass es schlimm sein würde. Und die Träume machen dich immer mürrisch. Heute musst du dich auf das Abenteuer freuen, Dawn. Deshalb bin ich gekommen, um dich aufzumuntern, bevor du anfangen kannst, dich mit Dingen zu stressen, an die du dich nicht erinnern kannst.«

Dawn schluckte schwer und konnte bei der Erwähnung von Dingen, an die sie sich nicht erinnerte, ein Zusammenzucken nicht unterdrücken.

»Cassie …«

»Dawn. Du hast geholfen, mich zu retten, als ich klein war. Du und Sherra habt euer Leben für mich riskiert. Du wurdest damals verletzt, so wie du in den Jahren, die du Sanctuary beschützt hast, immer wieder verletzt wurdest. Lass mich das tun.«

»Was denn tun?« Dawn schüttelte verwirrt den Kopf. »Was kannst du denn für mich tun, Cassie? Kannst du die Tränen wegwischen? Kannst du die Vergangenheit wegnehmen oder ändern? Wie in aller Welt denkst du denn, du könntest das bessern? Süße, wenn du helfen willst, dann geh und lass mich die Kontrolle über mich zurückbekommen.«

»So wie alle anderen es tun?« Cassie seufzte. »Alle gehen weg, damit du denken kannst, damit du arbeiten kannst, damit du schlafen kannst und damit du allein träumen kannst. Sogar Seth ist weggegangen, oder nicht?«

Dawn erstarrte. Sie fühlte, wie etwas in ihr, etwas, das sich entspannt hatte, zu Eis wurde. Sie wollte nichts von Seth hören, sie wollte nicht an Seth denken. Er war besser dran, wenn er sich fernhielt: von Sanctuary und von ihr.

»Was hat Seth denn mit irgendwas zu tun?«

Seth Lawrence von Lawrence Industries, einer der größten Fürsprecher und Unterstützer der Breeds, war der eine Mann, an den zu denken sie sich nicht erlauben konnte.

»Er war neulich hier und hat sich mit Jonas gestritten. Hast du davon gehört?« Cassie legte den Kopf schief. »Er mag Jonas nicht besonders, weißt du.«

»Niemand mag Jonas besonders.« Dawn atmete tief ein, und der irrationale Schrecken in ihr wurde langsam schwächer.

»Aber jeder mag Seth.« Cassie wackelte mit den Augenbrauen, rutschte vom Sessel und ging zum Bett.

Dawn sah zu, wie Cassie Sinclair sich auf das untere Ende des Bettes fallen ließ, die Beine übereinanderschlug und sich nach vorn beugte.

»Seth ist sexy«, meinte sie gedehnt.

Dawn zuckte zusammen. »Seth ist zu alt für dich, Cassie.« Sie zwang sich zu einem ruhigen, emotionslosen Tonfall. Was zur Hölle kümmerte es sie denn, wer Seth sexy fand? Das bedeutete ihr nichts. Sie würde nicht zulassen, dass es ihr etwas bedeutete.

»Er ist immer noch heiß.« Cassie zog die Nase kraus. »Für einen alten Mann.«

»Er ist kein alter Mann«, entfuhr es Dawn, und sie redete sich ein, dass sie die Worte gerade nicht von sich gegeben hatte.

»Gib es auf«, lachte Cassie. »Obwohl, das muss ich ihm lassen: Er sieht aus, als sei er in den letzten zehn Jahren nicht einen Tag gealtert. Du weißt doch, letzten Monat wurde er in so einer Show, die ich im Fernsehen gesehen habe, zu einem der begehrtesten Junggesellen der Welt gewählt.«

Dawn biss die Zähne zusammen. So etwas brauchte sie nicht zu wissen. Schon bei der bloßen Erwähnung von Seths Namen schien ihr ganzer Körper zu reagieren. Ihre Haut fühlte sich empfindsamer an, ihre Zunge juckte, und die winzigen Härchen an ihrem Körper stellten sich beinahe sinnlich auf.

Und Furcht verkrampfte ihre Eingeweide.

Sie wusste, was Seth Lawrence für sie und ihren Körper bedeutete. Und für ihren Verstand. Er konnte sie zerbrechen, mehr als alles, was je in der Vergangenheit geschehen war.

»Ich will nicht über Seth reden, Cassie.« Sie stand vom Bett auf, ging zum Schrank und nahm ihre Arbeitskleidung für heute heraus. Eng anliegende Uniformhosen und ein passendes Tanktop.

»Du willst nie über Seth reden«, meinte Cassie. »Aber er fragt immer wieder nach dir. Jedes Mal, wenn er mich sieht, fragt er, wie es dir geht.«

Dawn erstarrte. Cassie wusste immer mehr als andere. Sie sah oder fühlte Dinge, die kein anderer wahrnehmen konnte.

»Und was sagst du ihm dann?«, fragte sie fast furchtsam.

»Für gewöhnlich immer dasselbe. Dass du noch nicht erwacht bist.«

»Du erzählst ihm, dass ich schlafe?« Ungläubig drehte sie sich zu dem Mädchen um.

»Ich sage ihm, dass du noch nicht erwacht bist«, wiederholte sie, und ein geheimnisvolles Lächeln spielte um ihre Lippen. »Das ist ihm genug.«

»Und was hast du ihm dieses Mal gesagt?« Dawn legte den Kopf schief. Sie wusste nicht recht, wieso sie das fragte.

Cassie musterte sie ein paar Sekunden, bevor sie antwortete.

»Diesmal habe ich ihm gesagt, dass ich überzeugt bin, dass du bald erwachst.« Sie runzelte die Stirn und sah auf ihre heiße Schokolade hinab. »Aber manchmal spielt es keine Rolle, ob man aufwacht, richtig?«

Sie zuckte mit den schmalen Schultern, schüttelte dann den Kopf und nippte an ihrer Schokolade.

»Cassie, willst du mir damit irgendetwas sagen?« Manchmal sprach Cassie in Rätseln. Wenn sie das tat, musste man nachhaken, oder man hatte mit mehr Verwirrung zu tun, als man brauchte.

»Es ist Zeit, aufzuwachen«, sagte Cassie sanft und sah zum Fenster hinaus, wo eine schwache Andeutung der Morgendämmerung durch die Vorhänge schimmerte, bevor sie sich wieder Dawn zuwandte. »Die Albträume werden schlimmer, der Paarungsrausch auch.«

Dawn wandte sich ab und ging zu ihrer Kommode, wo sie aus einer Schublade ein zweckdienliches schwarzes Höschen und aus einer anderen einen passenden BH nahm. Nichts Ausgefallenes oder Verführerisches. Danach schwarze Socken, und wenn sie geduscht und sich angezogen hatte, würde sie schwarze Wanderstiefel anziehen. Sie war ein Breed Enforcer, und das durch und durch. Sie war stark und energisch. Sie führte an und gab Befehle. Sie wimmerte nicht länger oder versteckte sich vor dem Entsetzen oder was auch immer sie so unbedingt in ihrem eigenen Verstand verborgen halten wollte. Oder vor dem Mann, der sie verfolgte wie einer von Cassies Geistern.

»Ich rede nicht über Seth.« Und ganz bestimmt nicht über den Paarungsrausch.

»Schön.« Cassie zuckte mit den Schultern. »Reden wir über Styx. Oder über Stygian. Die sind auch total heiß. Aber ich muss vorsichtig sein, wenn Dad in der Nähe ist. Er wird ziemlich sauer, wenn Styx mit mir flirtet.«

Dawn wollte den Kopf schütteln über den abrupten Themenwechsel.

»Er würde nicht mit dir flirten, wenn du ihn nicht zwingen würdest, um die Schokolade zu betteln, die du bei dir hast.«

Cassies Lächeln daraufhin war ganz Frau. Ein Anflug von Mysterium und weiblicher Gewissheit. »Wenn er wollte, könnte er auch anderswo Schokolade bekommen.«

Der rothaarige, verwegene schottische Wolf-Breed war ein schamloser Flirter. Er war vor Monaten in das Büro für Breeds-Angelegenheiten eingeführt und erst vor einigen Wochen Dawns Team zugeteilt worden.

»Styx ist nicht der ernsthafte Typ, Cassie.«

»Ich bin achtzehn. Ich bin kein Kind mehr, Dawn«, gab Cassie zu bedenken.

»Erzähl das deinem Dad, nicht mir.« Dash Sinclair nahm den Schutz seiner Tochter sehr ernst. Sowohl was ihre körperliche Sicherheit als auch was ihr Herz anging.

»Als ob Dad zuhören würde.« Cassie zuckte mit den Schultern, stand dann vom Bett auf und sah noch einmal zum Fenster, bevor sie sich wieder zu Dawn drehte. »Das Erwachen steht bevor«, sagte sie wieder, und Dawn lief ein Schauer über den Rücken. »Bist du bereit dafür?«

Dawn fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, warf einen Blick zum Fenster und sah wieder Cassie an.

»Was wird geschehen, Cassie?«, fragte sie schließlich und fühlte instinktiv, dass das Mädchen so viel mehr wusste, als es sagte.

»Ein Abenteuer.« Cassie lächelte unvermittelt. »Komm schon, Dawn, es ist ein neuer Tag. Und wir werden eine Menge Spaß haben.«

Spaß. Dawn starrte das Mädchen an, als hätte es den Verstand verloren. »Cassie, ich muss arbeiten.«

»Vorerst.« Cassie warf den Kopf nach hinten, sodass die langen, offenen Locken über ihre Schultern fielen, und ging zur Tür. In ihrem langen Hemd wirkte sie wie eine Erscheinung, eine altkluge Fee. »Vorerst arbeitest du, Dawn. Aber …« Noch einmal sah Cassie zum Fenster und drehte sich zu ihr um. »Es ist Zeit, aufzuwachen.«

Mit diesen letzten Worten schlüpfte die unheimliche Cassandra Sinclair aus Dawns Zimmer, schloss die Tür hinter sich und ließ Dawn allein zurück.

So wie Seth sie allein zurückgelassen hatte.

Zeit, aufzuwachen, du liebe Güte. Tja, jetzt war sie auf jeden Fall hellwach und stinksauer. Männer. Sie hasste Männer. Männer waren eine Plage der weiblichen Spezies, und ihr arrogantes besserwisserisches Gehabe machte ihr den Job hinten und vorne nur schwerer. Und jetzt – um es noch schlimmer zu machen –, jetzt gesellte sich auch noch Callan, ihr eigener Bruder, dazu.

Dawn rannte in den Kommunikationsbunker, der in den Berg gebaut war, der sich über Sanctuary erhob, und schlug die schwere Metalltür hinter sich zu. Innen piepsten und blinkten Radar, Infrarot, elektronische Karten und Standortpunkte an den Wänden. Es gab eine Karte vom Berg, von der Stadt, vom Umland und sogar eine Darstellung des Höhlensystems in den Bergen um sie herum. Eines dieser Systeme war unvollständig, und dieser Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag.

»Micah, geh in Position.«

Dawn drehte abrupt den Kopf, als sie Callans Stimme hörte, überrascht, dass er offenbar eine Mission überwachte. Callan hatte nur selten Zeit, sich in die Missionen einzuschalten, für die die Breeds sich mittlerweile verdingten. Doch wie es aussah, hatte er sich für eine Zeit genommen.

Sie kam leise näher und starrte auf das Bild, das auf dem Bildschirm vor ihm zu sehen war.

Das Mädchen war im Mittleren Osten entführt worden, fiel ihr nun ein. Die Tochter eines Freundes des Tylerklans, der Familie von Callans Gefährtin und Ehefrau Merinus. Eine Einheit Breeds war geschickt worden, um das Mädchen zu befreien.

»Flint, du hast grünes Licht«, sprach Callan in den Kommunikator, ein schlankes Mikro, das sich um seine Wange schmiegte und mit dem Empfänger an seinem Ohr verbunden war.

»Ich habe Sichtkontakt.« Die Stimme des Breeds drang hohl aus dem Lautsprecher an der Seite des Bildschirms.

Ein weiteres Bild öffnete sich neben dem anderen. Es war verschwommen, aber sie konnten das Innere einer Zelle und die kleine zusammengekauerte Gestalt der jungen Frau sehen.

»Die Wachen sind ausgeschaltet«, meldete eine andere Stimme. »Ich bin an den Schlössern dran.«

Dawn sah zu, während das kleine Team koordiniert vorrückte. Langsam ging die Zellentür auf, und das verängstigte Wimmern der jungen Frau auf der schmutzigen Matratze war durch die Sprechanlage zu hören.

Es ließ Dawn zusammenzucken und hallte wie ein Echo in ihrem Kopf wider. Sie spürte, wie ihr schwer ums Herz wurde, als sie sich an das Gefühl aus ihren Träumen und an genau denselben Laut von ihren Lippen erinnerte.

»Sie sind in Sicherheit.« Flint McCain ging neben ihr in Position und überprüfte rasch die Umgebung und die junge Frau auf Sprengstoffe. »Alles sauber.«

Er drehte das Mädchen um und legte ihr den Finger auf die Lippen, bevor sie aufschreien konnte. »Ihr Vater hat uns geschickt. Können Sie laufen?«

Ihre Kleidung war zerrissen. Das T-Shirt war an einer Schulter heruntergerissen, und ihre Jeans waren voller Schmutz und an einer Seite durchtränkt mit etwas, das wie Blut aussah.

Sie nickte rasch. Ihr Gesicht war übersät mit übelsten Blutergüssen, ein Auge war fast zugeschwollen. Sie wollte eilig aufstehen.

Ein Bein knickte unter ihr weg. Bevor sie vor Schmerz aufschreien konnte, legte sich eine Hand mit schwarzem Handschuh über ihre Lippen, und der Breed zog sie an sich.

»Sie werden Sie auf meinen Rücken schnallen«, flüsterte er ihr ins Ohr, und die Worte drangen durch die Sprechanlage. »Dann können wir gehen, okay? Ihr Dad wartet in der Basis. Nur einmal kurz um den Block laufen, und dann springen wir in den tollen kleinen Jet, der auf uns wartet. Verschwinden wir von hier.«

Er redete weiter, während zwei andere Breeds sie zügig auf seinem Rücken festmachten. Danach schlichen sie aus dem Zellenblock und verschwanden in die Nacht.

Callan nahm das Headset ab, warf es auf den Tisch und drehte sich zu Kane Tyler um, seinem Schwager und Sicherheitschef von Sanctuary.

»Halt mich auf dem Laufenden«, bat er Kane leise. »Ich will informiert werden, sobald sie die Basis erreichen. Lass sie den Zwischenstopp stornieren und direkt hierher zurückkommen. Wir werden sie brauchen.«

Kane nickte und übernahm Callans Position. Mit eindringlicher Miene beobachtete er die Bilder, die in den kleinen Fenstern auf dem Bildschirm auftauchten.

»Du kommst mit mir«, befahl Callan, als er sich abwandte.

Er war wütend auf sie. Sie wusste immer, wann Callan wütend war. Früher hätte der Gedanke an seinen Zorn ihr Herz vor Angst schneller schlagen lassen. Jetzt presste sie nur frustriert die Lippen zusammen. Sie hatte keine Zeit, sich mit seinem Ärger herumzuschlagen.

»Was ist los, verdammt?«, zischte sie, als sie durch den langen unterirdischen Bunker aus Stahl und Beton gingen. »Ich war schon halb durch mit diesen Höhlen, als du mich abgezogen hast. Hast du eine Ahnung, wie lange wir gebraucht haben, um die Sprengstoffe da wegzuschaffen und die Sensoren anzubringen?«

»Ich weiß vor allem, dass ich dir vor einer Woche befohlen habe, dir ein anderes Projekt zu suchen«, knurrte er, während sie vom Hauptbunker abbogen und durch einen kurzen Korridor zu einem anderen großen Raum mit Karten und Bildschirmen gingen. »Denkst du, wir können es gebrauchen, sechs unserer Frauen, unsere Schwestern, an diese verdammten Sprengfallen zu verlieren, Dawn? Herrgott, was in aller Welt ist bloß in dich gefahren?«

»Du hast mich abgezogen, weil wir Frauen sind?« Zorn jagte ihr durch den Leib. »Das ist so was von scheinheilig, Callan.«

»Du hast verdammt recht, ich habe euch abgezogen, weil ihr Frauen seid. Die Tatsache, dass du nicht die Einzige bist, die leiden muss, falls du stirbst, ist dir nie in den Sinn gekommen, oder, Dawn?«, knurrte er. »Du steckst den Kopf in den Sand und tust so, als ginge es nur um dich. Was wird aus deinem Gefährten, wenn du stirbst?«

»Ich habe mich nicht gepaart.«

»Und ich will nicht hören, wie du dich selbst belügst«, fauchte er, als sie um eine weitere Ecke bogen.

Hier war die Missionszentrale. Sie war größer als der andere Raum. Stimmengemurmel – elektronisch, Breeds und Menschen – drang durch die Luft, als sie über den zentralen Laufgang liefen.

Sie unterdrückte die wütenden Worte, die ihr auf der Zunge lagen, und bemühte sich stattdessen, mit Logik vorzugehen. Er mochte Logik. Damit hatte sie ihn schon früher überreden können.

»Mein Team ist eigens ausgebildet für genau das, was es da tut«, zischte sie. »Das sind immer noch meine Leute, mein Team, Callan.«

»Ich brauche diese Frauen anderswo. Sie sollten für neue Missionen ausgebildet werden, und das weißt du«, knurrte er, während sie für einen schwarz gekleideten Techniker beiseitetraten, der daran arbeitete, einen der Bildschirme zum Laufen zu bringen.

»Das ist mein Team, damit warst du einverstanden. Und diese Höhlen waren mein Projekt.«

Sie gingen in einen weiteren Korridor, und Dawn wusste, sie steuerten den Kontrollraum für Top-Secret-Missionen an. Die Operationen, die hier durchgeführt wurden, waren in ihrer Natur keine Söldneraufträge, sondern drehten sich um nationale Sicherheit.

»Diese Frauen müssen lernen, mit den männlichen Mitgliedern dieser Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, und ich habe es satt, dich nett darum zu bitten, dass du diesen Anweisungen Folge leistest«, fauchte Callan und sah sie finster an. »Du triffst hier nicht die Entscheidungen, kleine Schwester. Sondern ich. Ich wollte, dass du ein neues Team ausbildest …«

»Aus Männern«, fiel sie ihm spöttisch ins Wort. »Komm schon, Callan, du weißt, dass das nicht funktionieren wird.«

»Ich weiß, dass du jetzt keine Wahl mehr hast.« Er blieb vor einer Metalltür stehen, zog die Sicherheitskarte durch den Sensor und trat ein, nachdem die Tür sich geöffnet hatte. »Ich habe zu wenige Teams, und wir haben einen Notfall. Das bedeutet, du bist dran. Und bei Gott, du solltest besser hoffen, dass du bereit bist, denn Versagen ist hier keine Option.«

Die Tür schloss sich mit einem Knall, und ein ganz bestimmter Duft drohte, Dawns Sinne zu überwältigen. Sie starrte in den Raum, unfähig, sich zu rühren, zu sprechen oder irgendetwas anderes zu tun, als die Hitze in sich einzusaugen, den Nektar seines Duftes und das Bedauern, das sie erfüllte.

»Hallo Dawn.« Seth Lawrence erhob sich von dem langen Tisch in der Mitte des Raumes. »Ist lange her.«

2

Das Erwachen steht bevor.

Dawn starrte Seth an und fühlte, wie die animalische Seite ihrer Natur sich im Geiste langsam und sinnlich räkelte. Ihr Körper spannte sich an, während ihre Muskeln sich lockern wollten. Sie drückte die Beine durch, die ihr weich zu werden drohten. Doch nichts konnte seinen Duft abwehren, der durch ihre Poren drang.

Er stand ihr gegenüber, elegant gekleidet, Seidenanzug, dunkel natürlich. Heute war es ein dunkles Grau, passend zu seinen Augen. Dichtes, dunkelbraunes Haar, konservativ kurz geschnitten. Er war sauber rasiert, und seine prägnanten Züge zeigten aristokratische Überheblichkeit: die scharf geschnittene Nase, das kräftige Kinn, der kantige Kiefer.

Unter der Seide verbarg sich ein kräftiger, sehniger Körper. Sie konnte es fühlen. Die Kraft, die er ausstrahlte, und das weibliche Tier in ihr reagierte darauf. Er war ein starker und fähiger Gefährte. Er wäre ein Beschützer und ein Partner. Er wäre ausdauernd. Er würde starke Kinder zeugen und sie durch den Sturm treiben, den der Paarungsrausch in ihrem Körper entfachte.

Ihre Atemzüge wurden kürzer, und ihr war, als könne sie gar nicht genug Luft in die Lungen ziehen. Sie konnte sich nicht konzentrieren, konnte nichts sehen als den Mann, der sie so ernst von der anderen Seite des dunklen Raumes aus musterte.

»Warum ist er hier?« Dawn war erstaunt, dass ihre Stimme so ruhig und selbstsicher klang, als Callan an ihr vorbeiging.

»Hättest du dich letzte Woche beim Haus aufgehalten, statt dich mir vorsätzlich zu widersetzen, dann wüsstest du es«, schnaubte er. »Komm her. Ich erkläre dir alles.«

Sie errötete bei dem leichten Anschiss, gehorchte aber. Manchmal ließ Callan sich reizen. Wenn es um Familie ging, besaß er ein unglaubliches Maß an Geduld. Doch ihr war klar, dass sie ihn nun weit genug herausgefordert hatte. Und ihr war klar, dass sie nicht hier wäre, wenn nicht Gefahr bestünde, dass etwas ganz gehörig schiefging.

Sie schritt durchs Zimmer und wählte den Platz, der am weitesten entfernt von Seth und dem Luftschacht am nächsten war, der Belüftung und Klimatisierung bot. Hier war sein Geruch nicht so stark; hier quälte sie der flüchtige Duft eines erregten Mannes, voller Kraft und in seinen sexuell besten Jahren, nicht so sehr wie weiter vorn am Tisch.

Es waren noch andere Personen im Raum; sie wusste, dass sie da waren, denn ihre Sinne nahmen sie wahr und identifizierten sie. Aber sie sah nur Seth; selbst als sie sich zwang, den Blick zu senken, behielt sie ihn aus dem Augenwinkel im Auge.

Jonas stand an einem kleineren Bildschirm weiter hinten und sprach in ein Headset. Mercury Warrant, Lawe Justice und Rule Breaker, seine persönlichen Sicherheitsleute, hielten sich schweigend in seiner Nähe auf.

Styx war hier. Stygian Black, der große, schwarze Wolf-Breed, stand neben ihm. Stygians Haut war dunkler als die der meisten Breeds, da seine DNA, wie es hieß, von einem gefährlichen schwarzen Wolf und möglicherweise einer Voodoo-Priesterin aus New Orleans stammte. Die Berichte, die in dem Labor gefunden wurden, das er beinahe mit bloßen Händen niedergerissen hatte, hatten eine breite Mischung an DNA in seinen Genen angedeutet.

Eine von Dawns Löwinnen, Moira Calhoun, war ebenfalls anwesend. Sie stammte aus Irland und war ein Teufelsbraten, wie er im Buche stand. Und der Tür am nächsten stand Noble Chavin, ein geheimnisvoller und alles andere als geselliger Jaguar.

»Das ist dein neues Team, Dawn.« Callan wies mit der Hand auf die Breeds, die ihre Sinne erfasst hatten.

Dawn warf einen Blick auf die vier und sah dann Callan an.

»Ich habe das Kommando?« Sie befehligte nur selten Männer. Die kamen kaum mit ihr aus, und sie todsicher nicht mit ihnen.

»Du hast das Kommando.« Er nickte, und das lange Haar, das ihm über die Schultern fiel, ähnelte mehr einer Löwenmähne als menschlichem Haar. Aber er war aus gutem Grund der Rudelführer.

»Und wieso sind wir hier?« Sie zwang ihren Ärger nieder und zollte ihm den Respekt, den er in Gegenwart anderer verdiente.

»Weil im Augenblick alle anderen Teams weltweit im Einsatz sind und sich den Arsch aufreißen, und wir hier eine größere Sache zu bewältigen haben.« Jonas trat vor, während die anderen Breeds am Tisch Platz nahmen.

Dawn nahm ihren elektronischen Organizer aus dem Schutzholster an der Seite, steckte ihn in die Verbindung am Tisch und wartete darauf, dass die Informationen zur Mission hochgeladen wurden.

Prüfend überflog sie die ankommenden Daten und bemühte sich dabei, nicht ständig zu Seth hinzusehen, der sie beobachtete. Sie spürte seinen Blick wie eine Liebkosung.

Doch dann sah sie die Informationen auf dem kleinen Bildschirm und erstarrte. Sie unterdrückte ein Knurren und die aufkommende animalische Wut.

Sie hob den Blick zu Seth, musterte ihn und vergewisserte sich, dass er unversehrt und nichts von dem Angriff auf ihn zu sehen war. Ihr Blick glitt über sein Gesicht, seine Schultern, und sie atmete sorgfältig ein, nun begierig, irgendwelche Anzeichen einer Verletzung zu entdecken.

»Wie du siehst, ist die Situation verdammt dringend«, sagte Jonas. »Letzte Woche gab es einen Angriffsversuch auf Mr Lawrence, und wir haben Geheiminformationen bekommen, dass wir einen weiteren zu erwarten haben.«

»Sag das Treffen ab.« Dawn sah niemand anderen an. Sie richtete ihre Forderung an Seth, und die Wut, die sich in ihr aufbaute, schwang in ihrer Stimme mit. »Das Risiko kannst du dir nicht leisten.«

»Wenn ich mich jetzt verstecke, dann kann ich mich auch gleich in einen Bunker einsperren und für den Rest meines Lebens darin verkriechen.« Seine sinnlichen, verführerischen Lippen verzogen sich angewidert. »Das Treffen steht.«

»Das sind zwei Wochen«, fauchte sie. »Wie kannst du von uns erwarten, dass wir dich während dieser Höllenparty in deinem Haus schützen, Seth?«

»Tue ich nicht, Dawn«, gab er offen zu. »Das Team ist die Idee von Jonas und Callan. Ich lasse mich nicht einschüchtern. Die Vorstandsmitglieder von Lawrence Industries treffen sich alle zwei Jahre, um die Strategien der Firma und andere aufkommende Themen zu diskutieren. Dieses Jahr haben mehrere der älteren Mitglieder einen Antrag auf Kündigung der Förderung von Sanctuary eingebracht. Wenn wir das Treffen absagen, könnt ihr darauf wetten, dass die Fördergelder bis zum nächsten Treffen auf Eis gelegt werden.«

Konnte Sanctuary ohne diese Gelder auskommen?

»Jonas, das können wir nicht absichern.« Sie warf dem Direktor des Büros für Breed-Angelegenheiten einen finsteren Blick zu. »Nicht mit einem Team allein und nicht bei dem zu schützenden Areal.« Sie deutete mit der Hand auf das Anwesen, das auf dem Bildschirm gegenüber zu sehen war.

»Lawrence Estate ist angemessen sicher …«

»Es ist ein sicherheitstechnischer Albtraum«, widersprach Dawn.

Seth verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln und legte anerkennend den Kopf zur Seite.

»Wie dem auch sei, wenn ich den Ort oder die derzeitigen Pläne ändere, ist das ein Zeichen von Schwäche. Wenn die Feinde der Breeds mich loswerden wollen, müssen sie zu mir kommen. Jonas’ Erkenntnisse legen nahe, dass sie in dieser Zeit einen Versuch unternehmen werden. Unsere beste Chance besteht darin, das Ergebnis zu kontrollieren und in Erfahrung zu bringen, wieso jemand entschieden hat, die Unterstützung der Breeds durch Lawrence Industries als Bedrohung anzusehen.«

»Es könnte auch jemand sein, der mit der Firma gar nichts zu tun hat und nur nicht will, dass du Sanctuary unterstützt«, argumentierte Dawn.

Seth schüttelte den Kopf. »Hier geht es um jemanden innerhalb von Lawrence Industries oder in der Nähe. Jemand, der glaubt, er könne die Kontrolle übernehmen, indem er mich tötet.«

»Und dem spielst du genau in die Hände«, fauchte sie.

»Genug.« Callans Stimme blieb ruhig, aber der warnende Unterton entging Dawn nicht. Er blieb nicht unbemerkt, doch er wurde ignoriert.

»Sag das Treffen ab, Seth.«

Er schürzte die Lippen, musterte sie einige Sekunden lang und klopfte mit seinen langen, kräftigen Fingern leise auf den Tisch, bevor er langsam den Kopf schüttelte. »Wenn ich das Treffen absage, gibt das meinen Angreifern nur die Gelegenheit, mich unvorbereitet zu erwischen. Wenn ich schon sterben soll, Dawn, dann will ich meinen Mördern ins Gesicht sehen.« Dann wandte er sich an Jonas. »Aber sie wird nicht an der Operation teilnehmen. Such jemand anderen aus, oder die Abmachung ist hinfällig.«

Er stand auf, als handle es sich um ein Vorstandstreffen seiner Firma. Als könnte er entscheiden, ob sie dabei war oder nicht.

»Such jemand anderen aus, und ich erschieße ihn höchstpersönlich«, knurrte Dawn, sprang auf, schlug mit der Faust auf den Tisch und sah Seth finster an. »Was ist falsch daran, dass ich die Operation leite?«

Er legte den Kopf schief und erwiderte ihren Blick, während er lässig und unbewusst anmutig sein Jackett zuknöpfte.

»Du bist eine Frau«, konstatierte er. »Das ist keine Mission, bei der ich eine Frau dabeihaben will.«

»Och, das ist aber zu schade für dich, Süßer.« Sie stemmte die Hände in die Hüften und musterte ihn täuschend zuckersüß, während sie frech die Nase rümpfte. »Wenn du irre genug bist, deine eigene Hinrichtung durchzuziehen, dann will ich wenigstens dabei zusehen. Ich habe schon lange keinen guten Comedystreifen mehr gesehen.«

Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

»Dawn, setz dich«, befahl Callan.

»Wenn er es tut.«

»Soweit es mich betrifft, ist dieses Treffen beendet.« Seth wandte sich an Jonas. »Lass es mich wissen, wenn du das passende Team zusammengestellt hast.«

»Callan, lass einen Enforcer meine Reisetasche holen. Ich gehe mit Mr Lawrence.«

Sie war völlig verrückt geworden, das war es. Wo zur Hölle kamen die Worte sonst her? Sie sprudelten aus ihrem Mund, als hätte sie die Situation unter Kontrolle.

Niemand sagte etwas. Dawn konnte die Spannung spüren, die sich im Raum aufbaute, als alle Augen sich auf sie und Seth richteten.

»Du wirst nicht …«

»… dich da allein rausgehen und einem Exekutionskommando in die Hände laufenlassen«, fauchte sie.

»Verdammt, Dawn, ich weiß, was ich tue«, fauchte er zurück.

»Ach, wirklich?«, meinte sie gedehnt. »Tja, Seth, wieso weist du dann nicht die kleine Dawn und ihr Team ein, während du es tust. Denn du tust es nicht allein – und du tust es nicht mit einem anderen Team.«

Sie wollte so viel Abstand zwischen ihm und sich wie nur möglich. Sich im selben Land wie er aufzuhalten war schon schlimm genug. Auf einer Insel festzusitzen, einer schwül-heißen Insel, würde die Hölle sein. Dawn konnte schon spüren, wie ihr der Schweiß über den Rücken lief, wie ihr die Furcht die Eingeweide verkrampfte und die Erregung tief in ihrem Unterleib pochte.

Und sie spürte Angst. Angst, dass irgendwas ihn aus dieser Welt reißen würde, und dann wäre sie wahrhaftig allein.

Er presste die Lippen zusammen, und Zorn spiegelte sich in seinen Augen, deren Grau sich verdunkelte wie ein gewaltiger Gewittersturm.

»Du hast mich gehört, Jonas«, beharrte er in gebieterischem Ton.

»Callan, hast du schon den Enforcer nach meiner Reisetasche geschickt?«, fragte sie.

Niemand sagte etwas, und sie riskierte es nicht, den Blick lange genug von Seth zu wenden, um zu sehen, wie sehr sie ihren Rudelführer verärgert hatte.

»Ich sage euch, was wir tun.« Callan stand langsam auf. »Wir lassen euch beide allein, um das kurz auszudiskutieren, bevor wir die Mission ausarbeiten.« Seine Stimme war sorgfältig ausdruckslos, und die anderen standen auf und gingen zur Tür.

Dawn spürte die Belustigung. Von den Männern natürlich, während sie Seth weiter anstarrte. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden, konnte sich nicht dazu durchringen, klein beizugeben.

Wie lange war es her, dass sie nahe genug war, um ihn tatsächlich zu wittern? So nahe, dass sie seinen Duft beinahe auf ihrer Zunge schmecken konnte.

Lange. Zu lange. Während seiner seltenen Besuche in Sanctuary war sie ihm aus dem Weg gegangen. Gelegentliche Missionen, bei denen sie irgendwie in seine Nähe gekommen wäre, hatte sie alle abgelehnt. Sie hatte gegen ihr Verlangen nach ihm angekämpft, gegen das Verlangen ihres Körpers und jedes wütende Begehren, sich an ihm zu reiben, ihn zu streicheln und den Hunger, der sie verzehrte, mit ihm zu teilen.

Sie hätte ihm weiter aus dem Weg gehen können, sagte sie sich. Das hier bedeutete nichts. Sie war nur um ihn besorgt. Er war der Bruder ihrer Schwägerin. Das war alles. An die Ausrede klammerte sie sich wie an einen Rettungsring. Seth gehörte zur Familie. Sie musste ihn schützen. Andernfalls würde sie sich das selbst nie verzeihen, und auch Roni würde ihr nie vergeben.

Seth musste am Leben bleiben. Der Gedanke an irgendetwas anderes ängstigte sie.

Als die Tür von außen geschlossen wurde und sie mit Seth allein zurückblieb, starrte sie ihm weiter in die Augen und weigerte sich, den Augenkontakt oder die Verbindung zu ihm, die sie in sich fühlen konnte, zu unterbrechen. Selbst in seinem Zorn über sie war er mit ihr verbunden. Wieso hatte sie das zuvor nicht gewusst? All die Jahre hatte sie ihn von ferne beobachtet und gehofft, einen kurzen Blick auf ihn zu erhaschen, noch während sie sich einredete, dass sie ihn weder wollte noch brauchte. Wieso hatte sie nicht gewusst, was sie fühlte, wenn sich ihre Blicke trafen, so wie jetzt?

Ihr Instinkt kämpfte erbittert gegen ihren Verstand, und Tier und Frau mühten sich, sich über ihre Bedürfnisse zu einigen, was sie haben konnten und was nicht. Sie konnte ihn nicht haben. Aber dieser instinktive Teil in ihr, das Tier, schrie nach dem Mann, den es als seinen Gefährten erkannte.

»Du bist sturer geworden«, sagte er leise und unterbrach diese Verbindung, woraufhin sie hörbar Luft holte.

Er schob die Hände in die Hosentaschen und musterte sie ernst. »Du weißt, dass das nicht funktionieren wird, Dawn.« Er schüttelte den Kopf, als würde er das bedauern. »Ich wäre viel zu sehr damit beschäftigt, dich zu beschützen und mich um dich zu sorgen. Ich könnte mich nicht konzentrieren.«

»Dann sterben wir gemeinsam.« Sie zuckte mit den Schultern, als spielte das keine Rolle.

Trotz seiner Ruhe konnte sie die Wogen des Zorns spüren, die von ihm ausgingen. Oh ja, Seth war beherrscht. Beinahe so sehr wie sie, vielleicht sogar mehr. Er war wie Stahl, innerlich und äußerlich, hart und stark, und manchmal, so dachte sie sich, unbesiegbar. Aber er war dennoch ein Mensch. Immer noch aus Fleisch und Blut. Und sterblich.

»Du sagst das so unbekümmert«, meinte er gedehnt. »Wir sterben gemeinsam. Verzeih, dass ich darüber spotte, Liebes, aber ich denke, du siehst zu viel fern.«

»Ich sehe überhaupt nicht fern.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich höre keine romantische Musik, und ich erzähle keine Gespenstergeschichten am Lagerfeuer. Was ich tue, und das gut, ist Schutz bieten. Du bist nicht der erste verzogene kleine reiche Junge, für den ich Babysitter spielen muss.«

Sie rechnete damit, dass er daraufhin explodieren würde.

»Und ich werde nicht derjenige sein, der dich das Leben kostet«, stellte er kalt fest. »Ich gebe Jonas Bescheid, dass die Mission abgeblasen ist.«

Sie starrte ihn wütend an, als er sich umdrehte und zur Tür ging, und die Gewissheit, dass es ihm ernst war, ließ etwas in ihr zerbrechen.

Ungeachtet aller Konsequenzen ging Dawn rasch um den Tisch herum und streckte die Hand nach ihm aus. Doch bevor sie ihn berührte, bevor sie die Wärme seiner Haut durch seine Kleidung spüren konnte, drehte er sich zu ihr um.

Dawn starrte ihm fasziniert ins Gesicht. Der Zorn, der seine Züge anspannte, die reine Wut, die seine Augen verdüsterte.

»Fass mich nicht an, Dawn.« Seine Augen waren kalt wie Eis. »Ich habe zehn Jahre damit verbracht, die Wirkung, die du auf mich hast, zu überwinden. Zehn Jahre, um mein eigenes Leben zurückzubekommen. Ich werde nicht zulassen, dass du die Fortschritte, die ich gemacht habe, zerstörst.«

Und da traf sie die Erkenntnis. Sie holte Luft, und ihre Lippen öffneten sich leicht, als ihr klar wurde: Seth befand sich nicht mehr im Paarungsrausch.

Dawn stolperte einen halben Schritt zurück, und die Luft brannte ihr unvermittelt in den Lungen, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn verloren hatte. Vollkommen verloren.

»Das ist nicht möglich«, flüsterte sie, urplötzlich entsetzt. »Der Paarungsrausch vergeht nicht so einfach.«

Er verzog spöttisch die Lippen. »Nicht, wenn Gefährten zusammen sind, vielleicht. Nicht, wenn sie sich berühren und sich lieben. Nicht, wenn es etwas gibt, das sie mehr aneinander bindet als die kurzen Kontakte, die wir hatten, Dawn.« Sein Blick schweifte über sie, und in seinem Zorn schimmerte Bedauern mit. »Es gab ja nicht einmal einen Kuss, um uns aneinander zu binden, nicht wahr, Liebes? Nur meine Entschlossenheit und Überheblichkeit. Damit kommt ein Mann nicht weit, oder?«

Aber sie war immer noch seine Gefährtin. Der Gedanke kam ihr sprunghaft und ohne jeden Zusammenhang, als ihr Blick über ihn glitt und ihre Sinne sich nach ihm ausstreckten. An ihm haftete keinerlei Duft von ihr, kein Anzeichen von Paarungsrausch oder Erregung. Sie war sich des wütenden Knurrens, das aus ihrer Kehle drang, kaum bewusst.

»Da hast du es. Noch ein Grund, warum du an dieser Operation nicht teilnehmen wirst. Weil ich verdammt sein will, wenn ich zulasse, dass mich deine Wirkung auf mich noch einmal zerstört. Tu uns beiden einen Gefallen, Agent Daniels: Halte dich fern von mir.«

Er schwang die Tür auf, ging hinaus und drängte sich an den anderen vorbei, während sie entsetzt seinem Rücken hinterherstarrte.

Er war nicht länger ihr Gefährte. Dawn spürte, wie sich ihre Fingernägel in ihre Handflächen gruben, als Jonas sich langsam zu ihr umdrehte und sie ansah.

»Zögere seine Abreise hinaus«, knurrte sie.

Um seine Augenwinkel zuckte es, als habe er gerade noch verhindern können, dass sich seine Augen weiteten.

»Wenn er sich weigert, Schutz anzunehmen, Dawn, dann können wir nichts tun«, erklärte er sachlich.

Aber Dawn wollte nichts Sachliches hören. Sie wollte keine Logik, und sie wollte keine Diskussion.

»Verzögere seine Abreise um eine Stunde. Lass ihn glauben, dass er gewonnen hat. Lüg ihn an, ist mir egal, darin bist du doch gut. Aber tu etwas.«

»Und wo bist du?«, fragte er.

»Ich muss mit Ely reden.« Sie musste aufhören zu zittern. Es war äußerlich nicht zu sehen, aber innerlich brach sie auseinander, und damit kam sie nicht klar. »Ich muss auf der Stelle mit ihr reden.«

Sie drängte sich durch die Gruppe und unterdrückte mit Mühe ein Zusammenzucken, jedes Mal, wenn ihre Haut mit den Körpern der anderen in Kontakt kam und sie daran erinnerte, dass Seth zwar über sie hinweggekommen sein mochte, sie selbst jedoch noch weit von einer Heilung entfernt war.

Sie war sich seines Blickes bewusst, als sie durch die Missionszentrale ging. Sie wusste ganz genau, wo er gerade stand und über einen der Satelliten sprach, den er den Breeds zur freien Verfügung überlassen hatte. Seine Stimme war leise, aber sie hörte ihn. Sie hörte ihn unter den anderen Stimmen heraus, die den riesigen Raum erfüllten, den sie eilig durchquerte.

Wann war das passiert? Wann hatte Seth aufgehört, auf den Paarungsrausch zu reagieren, der, wie man ihr klargemacht hatte, vor zehn Jahren in ihm begonnen hatte? Es musste erst kürzlich dazu gekommen sein. Wie Cassie festgestellt hatte, war er in zehn Jahren nicht einen Tag älter geworden. Der Paarungsrausch verlangsamte den Alterungsprozess erheblich. Er sah immer noch aus wie Anfang dreißig. Er war immer noch stark und kraftvoll – doch er trug nicht länger ihren Duft.

Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, aus dem Kommunikationsbunker hinaus zum Haus zu rennen. Als sie es erreichte, stürmte sie durch die Hintertür hinein und ignorierte die Frauen, die am Tisch saßen, und die Kinder, die lachten und spielten, während sie aßen.