Bud Spencer - In achtzig Jahren um die Welt - Bud Spencer - E-Book

Bud Spencer - In achtzig Jahren um die Welt E-Book

Bud Spencer

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Beschreibung

Dass nicht nur auf der Leinwand nichts und niemand diesen Mann aufhalten kann, sondern auch im wirklichen Leben, ist in Bud Spencers erstem Buch Mein Leben, meine Filme deutlich geworden, in dem er schon viele Details aus seinem ereignisreichen Leben verraten hat. Doch da der beliebte Schauspieler noch längst nicht alles erzählt hat, erscheint als Dankeschön an seine Fans nun sein zweites Buch In achtzig Jahren um die Welt, das ebenfalls wieder mit einem ausführlichen Bildteil ausgestattet ist. Darin versorgt Bud Spencer seine Leser mit weiteren humorvollen Anekdoten vom Set und entführt sie auf turbulente Ausflüge in seinem kleinen Privatflugzeug. Er gewährt seinen Fans noch tiefere Einblicke in sein Familienleben: Mit ergreifender Aufrichtigkeit beschreibt er seine Beziehung zu seiner Frau Maria, mit der er seit über 50 Jahren verheiratet ist, und zu seinen Kindern - einer Familie, die ihn immer in allen seinen Projekten unterstützt hat. Und da Bud Spencer weiß, dass es kein besseres Paar als ihn und Terence Hill gibt, schreibt der Schauspieler zum Abschluss einen offenen Brief an seine bessere Hälfte, mit der er sich nach wie vor regelmäßig zum Spaghetti-Essen trifft.

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Bud Spencer: In achtzig Jahren um die Welt

Der zweite Teil meiner Autobiografie

Mit Lorenzo De Luca

Aus dem Italienischen übersetzt von Marion Oechsler

INHALT

Lasst mich vorbei – ich bin auf der Durchreise! Ich durchquere mein langes, erfülltes und mit einer großen Portion Glück beschenktes Leben.

Ereignisse, Erinnerungen und Personen erscheinen vor meinem inneren Auge wie die ­Szenen eines Films, in dem ich mich nicht als Protagonist wiedererkenne und an dem ich schon nicht mehr teilhabe – denn ich stehe bereits mit einem Bein in einer Zukunft, die verspricht, das größte Abenteuer von allen zu werden.

Bud Spencer

»Das Alter ist, als ob man mit dem Flugzeug in einen Sturm gerät. Einmal an Bord, kann man nichts mehr daran ändern.«Golda Meir

Prolog

Schön, euch wiederzusehen! Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, hatte ich gerade meinen 81. Frühling erlebt, inzwischen sind es 82: nicht wenige, wenn man nach der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Menschen geht. Aber wenn man bedenkt, wie lange das Leben auf diesem kleinen blauen Planeten namens Erde schon existiert, schrumpft die Anzahl meiner Lebensjahre auf weniger als null zusammen.

Ich sage das, um zu verdeutlichen, wie relativ das Leben des Einzelnen ist, und um den vielen Jahren, die ich auf dem Buckel habe, das Gewicht zu nehmen.

Und wie ich euch das letzte Mal schon erzählt habe, wohnt in meinem über 80-jährigen Körper ein Geist, der sich benimmt wie der eines 28-Jährigen. Man kann sich vorstellen, was es für einen Schlamassel gibt, wenn Ersterer es sich in den Kopf setzt, noch immer das zu tun, was Letzterer ihm befiehlt.

Im Übrigen sagte auch schon Seneca: »Jede Lust spart sich ihre höchste Wonne bis zum Ende auf. Und so ist das Alter dann am angenehmsten, wenn es schon zur Neige geht, aber noch nicht jäh abstürzt.«

Klar, wenn das Schicksal oder die Götter des Olymps beschließen sollten, mich zu verabschieden, werde ich sie natürlich ignorieren. Aber ehrlich gesagt, mache ich mir darum gar keine Sorgen. Es gibt andere Sachen, um die ich mich kümmern muss.

Auf die Gefahr hin, dass ich mich wie ein Hochstapler an­höre, füge ich hinzu, dass mich der Tod an sich nicht schreckt – weder jetzt noch in jenen Situationen in der Vergangenheit, in denen er meinen Weg gekreuzt hat. Und wie ihr beim Lesen feststellen werdet, waren es nicht gerade wenige.

Zum Glück bringt jeder Morgen wieder neue Überraschungen, und die größte war der Erfolg meines ersten Buches, das letztes Jahr erschien! Ich hätte niemals erwartet, dass diese Sammlung persönlicher Erinnerungen so große Begeisterung auslösen würde. Mein langjähriger Kollege Lorenzo De Luca und ich hatten uns daher auch nichts weiter dabei gedacht, als wir beim Aufschreiben meiner Lebensgeschichte eine Menge lustige Anekdoten und einige halbwegs ernsthafte Gedanken wegließen.

Wir wussten, und das ist keine falsche Bescheidenheit, dass wir auf einen harten Kern von Bud-Fans zählen konnten, die gern alles lesen wollten, was ich zu erzählen hatte. Aber wirklich niemand hatte damit gerechnet, dass das Buch so viele ­Leser finden würde – und dass sie derart interessiert daran waren, noch mehr über mich zu erfahren. Doch dann trafen nach der Veröffentlichung plötzlich haufenweise Briefe bei mir ein: Die einen wollten mehr über meine Erlebnisse am Set wissen, andere baten um mehr Details über die Familie Bud Spencer, wieder andere hatten noch nicht genug von meinen Reisen. Da dachte ich mir: Warum auch nicht? Im letzten Buch haben wir uns auf den ersten Teil meines Lebens konzentriert, bevor ich auf die Leinwand kam, und alles andere nur angeschnitten, was es an meiner wunderlichen Existenz zu erwähnen gab. In diesem Buch werden wir nun genauer über meine Erlebnisse berichten.

Ein Buch zu schreiben ist so ähnlich, wie einen Film zu produzieren, nur mit umgekehrtem Zeit- und Kostenaufwand: Es ist zwar kostengünstiger, ein Buch zu schreiben, als einen Film auf die Leinwand zu bringen, aber dafür dauert der Prozess der Entstehung beim Buch meist viel länger. Ein Film ist vor allem für Schauspieler schon nach ein paar Wochen oder Monaten, in denen man konzentriert arbeitet, abgedreht, während Autoren für das Verfassen eines Buches Jahre brauchen können.

In meinem Fall könnte man großzügig behaupten, dass es achtzig Jahre gedauert hat – weil ich eben ein bisschen mehr zu erzählen habe. Ich wünsche mir, dass ihr euch mit diesem »autobiografischen Zweiteiler« ein dreidimensionales Bild (da 3-D zur Zeit voll im Trend ist!) von Bud Spencer machen könnt, einem Bud, der nicht nur Schlägereien und Fressgelage im Kopf hat.

Und nicht zuletzt schreibe ich dieses Buch auch, weil sich die Jungen nie vorstellen können, dass die Alten auch mal jung waren. Meine Enkel müssen manchmal lachen, wenn sie Aufnahmen von mir als Schwimmer sehen, auf denen ich noch ein junger Kerl bin: Sie glauben vermutlich, dass ich schon so groß, dick und bärtig auf die Welt gekommen bin, und denken gar nicht daran, dass wir Alten schon einiges geleistet haben (darunter tatsächlich die eine oder andere sinnvolle Sache). Unsere Erfahrungen bilden so etwas wie einen großen Tank, in dem unsere – nun ja, »Weisheit« wäre zu viel gesagt (in meinem Fall lässt sie noch auf sich warten) – Gedanken und Erinnerungen aufbewahrt werden, selbst wenn sie nur dazu da sind, um für Gelächter zu sorgen. Der Tank bekommt noch mal eine besondere Bedeutung, wenn man bedenkt, dass meine Generation in zwei verschiedenen Welten gelebt hat: in jener nach dem Krieg, in der es absolut nichts gab, und in der anderen heute, in der es alles im Überfluss gibt und man sich mit nur wenigen Maus­klicken unendlich viele Informationen besorgen kann.

Für viele von euch sind das olle Kamellen, denn ihr wurdet in ein ultratechnologisches Zeitalter mit Handys oder zumindest Farbfernsehern hineingeboren. Für mich hingegen ist es schon eine große Errungenschaft, dass ich den DVD-Player zum Laufen bringen kann, ohne ihm einen Fausthieb verpassen zu müssen. Und wenn ich mir die Zeit nehme, über diesen Sprung, diesen rasanten Fortschritt nachzudenken, bin ich nach wie vor überwältigt. Wenn ich früher etwas über die Vergangenheit wissen wollte, konnte ich nur den Erzählungen meiner Großmutter lauschen oder ein Geschichtsbuch aufschlagen – nicht dass ich Lust dazu gehabt hätte.

Ich habe miterlebt, wie das Radio entwickelt und das Fernsehen geboren wurde, wie sich das Faxgerät, der Computer und das Internet durchsetzten. Ich habe zuerst über Spazierfahrten im Automobil gestaunt und später über Raumsonden, die den Planeten Mars erforschen. Es gibt viele Menschen, die bereits gelebt haben, als der Mond noch ein unerreichbarer Himmelskörper war, der sich vor allem dafür eignete, Dichter und Werwölfe zu inspirieren. Und heute, da die Aufnahme des Menschen »dort oben« Schnee von gestern (oder sogar ein umstrittenes Beweisstück) ist, sind wir immer noch da. Doch unsere Legion von Zeitzeugen schrumpft mit jedem Jahr, dem unerbittlichen Gesetz der Natur folgend, weshalb ihr Jungen die Aufgabe habt, zu bleiben und zuzuhören, solange wir Alten noch am Leben sind.

Schon Platon hat sich darüber beklagt, dass die Jungen ihre Eltern und Lehrer nicht respektierten, dem möchte ich nur hinzufügen, dass der Respekt vor dem Alter natürlich nicht automatisch kommt, sondern dass man ihn sich verdienen muss.

Der Großteil der Omas und Opas – die Kategorie, zu der ich mich selbst zähle – hat noch sehr viel zu erzählen. Versteht diese »Bud Spencer Story – Die Fortsetzung« daher als ein Märchen, das euch ein leicht verrückter, aber gutmütiger Opa erzählt. Wer weiß, vielleicht liegt eine der Ursachen für die harte Krise, die die Gesellschaft gegenwärtig durchmacht, auch darin, dass wir denjenigen, die eine Geschichte erzählen wollen, nicht zuhören.

Daher bitte ich euch, einem Menschen Gehör zu schenken, der nur auf der Durchreise ist und dessen Existenz sich nicht aus Jahren, sondern aus Erfahrungen zusammensetzt. Ein Erlebnis von nur einer Minute Dauer kann einen Menschen für immer zeichnen, an anderen wiederum rauschen die Ereignisse Tag für Tag unbemerkt vorbei, wie Wasser einen Fluss hinunterfließt. Aus unerfindlichen Gründen gibt es Menschen, die in ein und demselben Moment geboren werden und sterben, und andere, deren Leben sich unerhört lange hinzieht.

Ich kann euch nur raten: Schaltet ab und zu den Computer aus und setzt euch mit euren Großeltern zusammen, wenn ihr noch welche habt, oder mit anderen, die viel älter sind als ihr. Ruft sie wenigstens einmal an und plaudert ein bisschen mit ihnen – ihr werdet überrascht sein, wie sehr ihre ewig zurückliegende Jugend eurer eigenen doch ähnelt.

Ich hatte in meinem langen Leben sehr viel Glück und habe die eine oder andere interessante Geschichte zu erzählen. Aber es wäre ein Fehler, wenn ihr dieses Buch nur deshalb lesen würdet, weil es von einer »berühmten Persönlichkeit« geschrieben wurde: Wer berühmt ist, hat das Glück, ein Publikum zu haben, aber mein größtes Glück wäre es, wenn ihr, nachdem ihr die letzte Seite dieses Buches gelesen habt, Lust bekommt, denjenigen zuzuhören, die euch viel näher sind als ich – und vielleicht nur eine Umarmung entfernt. Euer Opa mag vielleicht keine Vergangenheit als Schwimmer oder Schauspieler haben, kann aber deswegen trotzdem etwas Sensationelles erlebt haben – oder das Sensationelle an ihm besteht einfach nur darin, dass er ein besonderer Mensch ist, dem man gerne zuhört.

Und wenn ihr den Alten schon zugehört habt, dann tut es noch einmal und danach noch einmal.

Ein alter Mann ist ein Buch, das ohne Tinte geschrieben wurde. Zwei Ohren genügen zum »Lesen« dieses Buches – aber auch ein Gespür für Übertreibungen kann nicht schaden, denn so könnt ihr den alten Mann mit eurem Gelächter jederzeit von seinem hohen Ross herunterholen, wenn ihr merkt, dass er euch faustdicke Lügen auftischt.

Das ist ein bisschen wie mit dem alten Mechaniker, der in Zwei wie Pech und Schwefel mit mir zusammenarbeitet, erinnert ihr euch? In einer Szene behauptet er, früher einmal Chef einer Gangsterbande gewesen zu sein. Doch meine Skepsis holt ihn langsam auf den Boden der Tatsachen zurück und schließlich gesteht er mir, dass er nur der Koch der Bande war. Aber er ist ein guter Kerl, und es hat sich gelohnt, ihm zuzuhören.

Sollte euer alter Freund euch sein wahres Märchen aufrichtig vortragen, dann sind eure Aufmerksamkeit und Fragen an ihn das beste Benzin für seinen Motor, der sich Seele nennt. Aber verlangt von ihm nicht, ebenso wenig wie von mir, dass er jede Frage beantwortet: Es ist in Ordnung, nicht alle Geheimnisse zu lüften, so wie es in Ordnung ist, Fehler zu machen, weil sie nützlich und manchmal sogar schön sind: Seht euch nur mal den schiefen Turm von Pisa an!

Gute Reise!

Bud Spencer

1

Ein Mittdschungelnachtstraum

Brief des Emigranten Carlo Pedersoli an seine Verlobte Maria Amato

»Träume sind Illustrationen aus dem Buch, das deine Seele über dich schreibt.«Alan Drew

Caracas, den 23. August 1959

Liebe Maria,

Wie geht es Dir? Wie geht es Deiner Familie, Dr. Peppino und seiner Gattin und Deinen Schwestern? Ich hoffe, gut.

Ich kann mir vorstellen, dass Du ziemlich überrascht bist, meinen Brief zu bekommen, zumal ich kaum Zeit habe, mich hinzusetzen und Briefe zu schreiben. Um ehrlich zu sein, bin ich selbst überrascht; Du weißt ja, wie mein Leben hier in Venezuela ist. Normalerweise bekomme ich Briefe von Dir, weil Du mehr Zeit und vor allem mehr Geduld hast, während ich einfach nicht zum Schreiben tauge. (»Gebt dem Jungen was zu tun, damit er nicht denken muss«, hat meine Mutter immer gesagt.)

Doch letzte Nacht hatte ich einen so seltsamen Traum, dass ich ihn unbedingt mit jemandem teilen möchte; und wer, außer dieser unglaublich schönen, süßen Brünetten, die ich während meines letzten Aufenthalts in Rom kennengelernt habe, hätte die Gabe, mir zuzuhören? (Auch wenn in einem Monat, wenn der Brief bei Dir eintrifft, schon alles längst Vergangenheit sein wird.)

Tagsüber habe ich, wie immer, für die Firma geackert, in dieser erbarmungslosen Hitze und umgeben von Stechmücken und Revolutionen, die fast jeden Tag hier wüten und einen Höllen­lärm veranstalten. (Letztere machen es einem unmöglich, nachts auch nur das kleinste bisschen Schlaf zu finden. Wenn man die Kakofonie von Schüssen hört, könnte man meinen, der Lärm käme vom Feuerwerk des neapolitanischen Piedigrotta-Festes, aber in Wirklichkeit sind es Bomben und Schüsse!)

Nach der Arbeit habe ich zusammen mit meinen Kollegen zu Abend gegessen. Es gab Spaghetti, Steaks, Fisch, Salat, Obst … und ich muss zugeben, ich habe dreieinhalb Fischkuchen verschlungen. Es ist ja auch kein Wunder, schließlich schwitzt man hier tagsüber wie ein Esel im türkischen Bad. Wahrscheinlich lag es an der großen Menge Fischkuchen in meinem Magen, dass ich nicht sonderlich gut schlafen konnte, und wahrscheinlich rührt daher auch dieser seltsame Traum, der mich veranlasst, Dir zu schreiben. In diesem Traum war ich in Rom, er spielte vor einigen Jahren, zu der Zeit, als ich noch professioneller Schwimmer war und, allen Regeln der Selbstdisziplin zum Trotz, große Erfolge einheimste. (Wusstest Du, dass ich damals mit brennender Zigarette im Schwimmbad aufgetaucht bin?)

Aus welchem Grund auch immer habe ich mich spät abends ins Hallenbad begeben, in dem abgesehen von Carlo Pedersoli und seiner Prahlerei niemand war. Doch dann hörte ich plötzlich Schritte und sah eine Art bärtigen Schrank auf mich zukommen: groß, breit und dick. Er war schon recht alt, hinkte ein wenig und half sich mit einem Spazierstock.

Als er näherkam, bemerkte ich, dass er mir in gewisser Weise ähnelte – wobei ich, wie Du ja weißt, weder einen Bart trage, noch einen Bauch habe und, da Mutter Natur mich mit diesem athletischen Körper ausgestattet hat, auch nie haben werde. Stell Dir vor, ich würde irgendwann so aussehen wie dieser Riesenaffe!

Und doch war er mir ähnlich: Er hatte fast keine Augen, die gleiche laute Stimme, nur viel tiefer, und diesen neapolitanischen Akzent. Nachdem er sich neben mich gesetzt hatte, musterte er mich gründlich von Kopf bis Fuß, was bei meiner Statur kein Leichtes ist, doch der Mann schien nicht zu Scherzen aufgelegt zu sein.

Um es kurz zu machen: Der Alte behauptete steif und fest, er wäre … ich!

Du weißt ja, wie das mit Träumen und Albträumen ist: Jemand sagte einmal, sie wären die Exkremente des Bewusstseins, aber von diesen intellektuellen Gedanken habe ich nie etwas verstanden (in meinem Fall war es einfach der Fisch, der mir auf den Magen schlug). Der Alte sagte, er heiße Bud Spencer und sei ich in etwa sechzig Jahren. Er erklärte mir, er sei gekommen, weil ich ihn angerufen und mich mit ihm verabredet hätte. (Eine Verabredung, mit der er, wie er sagte, schon gerechnet habe, da dieser Tag, der 31. Oktober 2009, sein achtzigster Geburtstag sei … 2009! Weißt du, was das bedeutet? Ich kann mir das nicht einmal vorstellen, wahrscheinlich werden wir da schon in fliegenden Untertassen umherschweben.) Ich habe ihn erzählen lassen und das Spiel mitgespielt, um zu sehen, worauf er hinauswollte – mit dem Ergebnis, dass er mir mein ganzes zukünftiges Leben runtergeleiert hat. Ich weiß nun, was für ein Dasein mich (seiner Meinung nach) erwartet.

Ein mehr als lebhaftes Dasein: So wie er es sieht, folgen nach meiner Schwimmkarriere und Südamerika zunächst harte Zeiten – als wäre es jetzt das reine Vergnügen! – und dann kommt ganz plötzlich ein Riesenerfolg beim Film … als Schauspieler!

Ich und Schauspieler! Das passt überhaupt nicht zusammen. Ich habe ihn gefragt: »Bist du dir sicher, dass du richtig gesehen hast?« Denn Du stimmst mir doch sicher zu, Maria, dass dein Vater Peppino, der Filmproduzent, der Erste wäre, der unterschreiben würde, dass aus mir kein Schauspieler wird. Und ich wäre der Zweite.

Aber dieses sprechende Nilpferd beharrte darauf, dass ich (und jetzt halt dich fest, damit du nicht vom Stuhl fällst) mit Westernfilmen berühmt werden würde! Alles in Ordnung? Bist Du vom Stuhl gefallen?

Ich weiß, es klingt lächerlich; wer weiß, was in diesem Fischkuchen drin war, vielleicht war er auch verdorben: Italiener, die Westernfilme machen? Kannst Du Dir etwas Absurderes vorstellen?

Trotz allem war diese Vorhersage noch die am wenigsten sonderbare, denn kurz darauf offenbarte mir der Alte, dass Du und ich drei Kinder zusammen haben würden, einen Jungen und zwei Mädchen, und später mehrere Enkel. In ein paar Jahren würde ich der berühmteste italienische Schauspieler der Welt sein (lauf schnell zu Deinem Vater und sag ihm Bescheid, dass er mich sofort unter Vertrag nehmen muss, damit ich Südamerika hinter mir lassen und in Italien ein Star werden kann).

Der Alte hat außerdem gesagt, dass nicht alles eitel Sonnenschein sein wird (was dir längst klar ist!), weil ich als Unternehmer nichts tauge, aber nicht aufhören kann, einen Haufen verrückter Ideen in die Tat umzusetzen. Ich werde außerdem Pilot sein, kleine Privatflugzeuge haben und vor dem Abflug zu Dir sagen: »Warte nicht mit dem Essen auf mich!«, und dann direkt von Italien nach Amerika fliegen, während Du am Fenster stehst und winkst.

Es ist schon schlimm genug, dass ich einen Autoführerschein habe und mit dem Wagen hier regelmäßig auf Kosten der Firma Rallyes fahre. Und ich soll ein Flugzeug steuern?

Als ich aufwachte, hatte ich Bauchschmerzen, teils von den Fischkuchen und teils von den Lachanfällen, die mich mit der Erinnerung an diesen unsinnigen Traum überkamen. Aber ich glaube, das Beste kommt heute Nacht erst noch. Denn beim Abschied geschah etwas Seltsames: Mein Traum endete damit, dass mich der Dickhäuter herausforderte, mit ihm um die Wette zu schwimmen. Es war ein sehr langer und detaillierter Traum, und wenn Du willst, erzähle ich Dir ausführlicher davon, wenn ich wieder nach Rom komme. Jedenfalls bin auch ich ins Wasser gesprungen und habe ihn besiegt; doch als ich mich, am Beckenrand angekommen, nach ihm umdrehte, war er verschwunden! Ich hörte nur noch das Echo seines triumphierenden Schnaubens in der großen, leeren Halle.

An der Stelle, an der er gesessen hatte, lag ein vollgekritzelter Zettel – die Handschrift hätte einen ägyptischen Kalligrafen das Fürchten gelehrt, doch die Nachricht hat meine Neugier geweckt. Es sieht ganz so aus, als würde dieser Bud heute Nacht zurückkehren, um mir den Rest der Geschichte zu erzählen. Vielleicht arbeite ich zu viel, vielleicht hat auch die Sonne mein Gehirn weichgekocht. Ich fühle mich wie dieser Typ, der an einer gespaltenen Persönlichkeit leidet, Dr. Jekyll & Mr. Hyde.

Das Buch habe ich nie gelesen, aber ich erinnere mich an den Film mit Spencer Tracy, meinem Lieblingsschauspieler … übrigens ist er auch der Lieblingsschauspieler von diesem Fettwanst (er meinte sogar, Spencer Tracy hätte ihn zu seinem Künstler-Nachnamen inspiriert). Gleich nach dem Aufwachen, solange die Erinnerung noch klar und deutlich war, habe ich mir notiert, was auf dem Zettel stand. Seit dem Versprechen des Alten, mir meine Geschichte weiterzuerzählen, kann ich es kaum erwarten, mich wieder schlafen zu legen. Du hältst mich für einen Esel? Weißt Du, das Leben hier ist, wie es ist, ein ganz einfaches Leben ohne Zerstreuung; da freut man sich eben nach einem langen Arbeitstag darauf, sich ins Bett fallen zu lassen und wenigstens im Traum ein bisschen Spaß zu haben. Und jetzt zu der Nachricht auf dem Zettel. Sie lautete:

»Du hast noch viel zu lernen, Freundchen, aber ich komme noch einmal wieder, weil ich manches vergessen habe zu erzählen und manches, das ich schon erzählt habe, zu kurz gekommen ist. Es wird eine Reise werden, ich nenne sie: ›In achtzig Jahren um die Welt‹. Und wenn ich Phileas Fogg bin, bist Du mein Passepartout! Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass ich Dir mit meinen Ohrfeigen jemals dieses dämliche Grinsen austreiben kann, aber lass Dir eines gesagt sein: Du kannst so stark sein, wie du willst, aber früher oder später wirst Du auf jemanden treffen, der stärker ist als Du … und in Deinem Fall bin ich das!«

Bud Spencer

2

Meine Damen und Herren, es geht los!

»Camerado, ich reiche dir meine Hand!Ich reiche dir meine Liebe, kostbarer als Geld,Ich reiche dir mich selber, noch vor Predigt oder Gesetz;Willst du dich mir reichen? Willst du mit mir wandern?Sollen wir zusammenbleiben, solange wir leben?«Walt Whitman

Ein Italiener auf Reisen

Na gut: Mr. Phileas Fogg hat nur achtzig Tage gebraucht, um einmal um die Welt zu reisen, aber er hatte auch eine Menge Geld zur Verfügung und vor allem Unterstützung durch die kreative Feder Jules Vernes. Denn hier führte der Schriftsteller seinen Protagonisten und fand Lösungen und Auswege für ihn. Vernes Roman In 80 Tagen um die Welt, der 1873 erstmals erschien, kündigte das Zeitalter der Moderne an.

Ich habe ein paar Jahrzehnte länger für diese Reise gebraucht, die ich übrigens nicht nur einmal gemacht habe, aber dafür habe ich sie größtenteils alleine bewältigt, werdet also nicht sarkastisch, liebe Freunde. Außerdem war das einzige Motiv Foggs für die Reise eine Wette mit seinen Freunden aus dem Zirkel, allesamt reiche gelangweilte Männer auf der Suche nach einem Kick, es ging ihnen keineswegs um die Sicherung ihrer Existenz. Wie ihr bereits wisst, sah sich meine Familie nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen, unsere Heimat zu verlassen.

Ich wurde im Jahr 1929 geboren und nachdem unser Familien­unternehmen während der Bombardierung des Hafens von Neapel zerstört worden war, wanderte ich 1947 mit meinen Eltern und meiner Schwester nach Südamerika aus. Ich war erst 17, ein Alter, in dem man noch sehr stark von Erfahrungen und Begegnungen mit verschiedenen Kulturen geformt und geprägt wird.

Erst als Erwachsener konnte ich die Orte, die ich bereist habe – ob aus beruflichen Gründen oder aufs Geratewohl – aufmerksam und neugierig erkunden. Und es ehrt mich, dass ich als reisender Italiener nie mit den wenig ehrenwerten Klischees in Verbindung gebracht werde, die man unserer Nation im Ausland manchmal entgegenbringt. Gott – und Mama und Papa – sei Dank, wurde ich in einem Land geboren, das trotz all seiner Mängel demokratisch regiert wird und Teil der freien Welt ist; das außerdem vor Tausenden von Jahren die Wiege der antiken Kultur und der Wegweiser in die Zivilisation war. Darauf ist Bud stolz. Und Carlo auch.

Aber der Stolz ist unbedeutend, wenn er nicht von einer Kenntnis der Welt begleitet wird, die Reichtum bedeutet.

Ich will nicht den alten Weisen spielen, das kann ich mir nicht erlauben, aber ich habe fast jeden Ort auf dieser Welt besucht, zuerst als Schwimmer, dann als Emigrant und schließlich als Schauspieler, und ich bin dankbar, dass ich diese Chance hatte. Auf der anderen Seite bin ich so dermaßen viel gereist, dass ich mich nie von dem Gefühl, eine Art Sonderling zu sein – ein marziano (Marsmensch) –, lösen konnte. Ist das seltsam?

Kann sein.

H. G. Wells, ein großartiger Science-Fiction-Autor und der erste, der sich mit dem Thema Zeitreise auseinandersetzte (Die Zeitmaschine, 1895), hat uns gelehrt, die Welt stets mit den Augen eines Menschen und nicht aus der Perspektive einer Maschine zu betrachten, die nichts weiter ist als ein Instrument. Sein Zeitreisender landet in der Zukunft, nur um festzustellen, dass diese schlimmer ist als seine Gegenwart: eine ziemlich offensichtliche Metapher für die gescheiterte Utopie einer perfekten Welt, die es nicht gibt und nicht geben kann.

Ich für meinen bescheidenen Teil habe relativ spät erkannt – aber besser spät als nie –, dass im Grunde wir die Zeitmaschine sind: du und ich, jedes Wesen, das hier sein Leben von seinem Anfang bis zu seinem Ende lebt. Doch in der letzten Phase des Lebens, die wiederum der Beginn einer neuen Reise ist, erkennst du, dass es nur eine winzig kleine Portion Raum und Zeit war, die du mit anderen geteilt hast.

Manche lieben die Abreise, andere die Ankunft. Ich liebe das, was dazwischen liegt: die Reise an sich.

Den Sinn meiner Reise habe ich bis heute nicht erfasst, aber vielleicht gelingt es mir, etwas Neues daraus zu ziehen, wenn ich gemeinsam mit euch die Etappen, die wir letztes Mal nur vom Heißluftballon aus gesehen haben, von Nahem und ganz genau betrachte.

Herr Bud

Von all den Ländern, die ich bereist habe, ist kaum eines mit Deutschland vergleichbar, und das sage ich jetzt nicht, weil sie dort drüben … einen Tunnel nach mir benennen wollten. Aber eins nach dem anderen – bevor ich diese Geschichte weiter ausführe, müsst ihr euch noch ein paar Seiten gedulden.

In gewisser Hinsicht kenne ich Deutschland besser als Italien, weil ich dort, auch im Rahmen meiner sportlichen Karriere, mehr Orte zu sehen bekommen habe als in meinem Heimatland. Dabei durfte ich feststellen, dass die Deutschen eine überraschende Ähnlichkeit mit den Italienern haben: Auch sie sind Genießer – obwohl das Klischee vom kühlen, pedantischen, durch und durch organisierten Teutonen etwas anderes behauptet.

Eine meiner wichtigsten Etappen war Leipzig, eine Stadt, deren Namen ich häufig gehört habe, ohne zu wissen, was er bedeutet. »Leipzig« heißt so viel wie »Ort, an dem Linden wachsen«. Bis zu meinem ersten Besuch hatte ich keine Ahnung, was für eine wichtige Rolle die Stadt bei der deutschen Wiedervereinigung gespielt hat; in Leipzig gingen 300.000 Menschen auf die Straße, um friedlich für den Mauerfall zu demonstrieren. Wie bereits bekannt ist, war ich zu der Zeit, als die Mauer noch stand, als Sportler in Berlin. Diesen Besuch ordne ich jener Art von Erfahrung zu, an die man sich nicht gerne erinnert, die aber als Wasserscheide zwischen dem, was einmal war, und dem, was ist, unheimlich kostbar ist.

Als ich lange nach der Glanzzeit meiner sportlichen Karriere wiederkam, war die Mauer schon seit zwei oder drei Jahren gefallen. Die Menschen waren zwar kaum an ihre neu gewonnene Freiheit gewöhnt, aber regelrecht verzaubert von der Tatsache, dass Bud Spencer sie besuchte. Es war überwältigend: Ihre hemmungslose, unschuldige Begeisterung nahm solche Ausmaße an, dass sie mir bei den stürmischen Umarmungen die Jacke vom Leib rissen, und ich in dem Trubel sogar meine Frau Maria verlor. Ich wäre sicherlich hingefallen, wenn meine Fans mich nicht von allen Seiten daran gehindert hätten, indem sie mich fast zerdrückten – ich bekam kaum noch Luft. Bodyguards hatte ich nie, denn ich hatte auch nie das Gefühl, so wichtig zu sein, dass ich welche brauchte. (Und außerdem – meint ihr nicht auch, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, einen zu finden, der mich bei meiner Statur wirkungsvoll abschirmen könnte?)

Die Deutschen wussten nicht nur alles, was es aus offizieller Quelle über mich zu wissen gab, sie kannten sogar alle meine Stuntmen mit Vor- und Nachnamen. Noch heute ist der Großteil der Briefe, die ich aus Deutschland bekomme, in Sachen Kenntnisreichtum überragend – auch im Vergleich zu denen, die mir meine italienischen Fans schreiben.

Wenn ich das Wort »Deutschland« höre, kommt mir als Erstes das Oktoberfest in den Sinn, eine Hymne an die Lebensfreude und die schönen Dinge des Lebens.

Dort gefiel es mir so gut, dass ich gleich drei Mal hingegangen bin. Ich hatte ja keine Ahnung, dass die Deutschen so … neapolitanisch sein konnten! Das muss ich ein wenig erklären: In die Tradition des Oktoberfestes hat mich Horst Wendlandt eingeführt, ein großer deutscher Produzent, mit dem Terence Hill und ich sehr gut zusammengearbeitet haben. Bei diesem Besuch habe ich mich auch von ihm dazu überreden lassen, die Oktoberfestband zu dirigieren, aber natürlich nur zum Spaß.

Ich hatte ein ganz gewöhnliches, eher ruhiges Fest erwartet, da ich dem Klischee vom beherrschten und korrekten Deutschen Glauben schenkte. Doch stattdessen war die Stimmung vergnügt und ausgelassen, die Gäste gaben sich ihrem »heiteren Rausch« hin. Ich fühlte mich augenblicklich in der Zeit und zu den neapolitanischen Festen zurückversetzt. Es schien mir, als wäre das Oktoberfest für die Deutschen so etwas wie eine kollektive Katharsis, die sie den harten und nüchternen Alltag für eine Weile vergessen ließ. Es floss zwar jede Menge Bier, doch es gab keine Exzesse, wie es manchmal bei solchen Festen der Fall ist. Die Veranstaltung war mir so vertraut wie die großen Volksfeste in Neapel, auch wenn die Sprache, in der kommuniziert und gesungen wurde, eine andere war. Das Sprichwort »Die Welt ist ein Dorf« traf hier absolut zu.

In den Neunzigerjahren kehrte ich noch einmal zurück und traf auch einige deutsche Politiker. Sie dankten mir für meine Filme, in denen sie gute Vorbilder für die Jugend sahen, weil wir darin die Schwachen beschützen und für Gerechtigkeit kämpfen. Das, was sie in Bud Spencer gesehen haben, hat mir gut gefallen: nicht einen Star, den man auf ein Podest stellt und verehrt, sondern einen Freund. Genau so wollte ich immer gesehen werden.

Der Südwesten Deutschlands ist zauberhaft. Ich erinnere mich an ein kleines Ereignis in Stuttgart, aus dem unerwartet eine Sensation wurde: Ich war zu Besuch bei Mercedes Benz, dem Unternehmen, für das ich früher einmal gearbeitet hatte und mit dem mich eine lange Geschichte verbindet. Ich kaufe seit Jahren Autos von Mercedes, 52 habe ich mittlerweile gefahren – die Motoren dieser Autos sind einfach ausgezeichnet. Jedenfalls traf ich in Stuttgart den Vorstandsvorsitzenden von Mercedes Benz und er schenkte mir … seinen Spitzer! Von dieser Begegnung und dem Geschenk war am nächsten Tag in allen Zeitungen die Rede. Ich halte es auch heute noch in Ehren und bewahre es zusammen mit meinen anderen Andenken in einem Schrein in meinem Büro auf.

Frankfurt war die erste deutsche Stadt, die ich gesehen habe, und ist bis heute die, die ich am häufigsten besucht habe. Ich muss zugeben, dass ich damals keine Ahnung von der Geschichte der Stadt hatte und dass sie ehemals eine römische Siedlung war. Ebenso wenig wusste ich, dass sie erstmals während der Herrschaft Karls des Großen schriftlich genannt worden war.

Ich war umgeben von Geschichte, ohne es zu merken, doch man nimmt so vieles nicht wahr, wenn man nicht selbst daran teilgenommen hat. Wenn ich an meine Frankfurt-Reisen denke, erinnere ich mich an eine Situation, die mich in Verlegenheit brachte und mir wieder einmal meine unverbesserliche Naivität vor Augen führte. Wir verließen Frankfurt mit dem Zug, um eine andere Stadt in Hessen zu besuchen, und bei unserer Ankunft spielte am Bahnsteig eine Kapelle. (Ich kann nicht genau sagen, um welche Art von Musik es sich handelte, aber es war ganz bestimmt keine Landeshymne oder so.)

»Was ist hier los?«, fragte ich meinen Begleiter. »War etwa der Bürgermeister an Bord, und keiner hat mir Bescheid gesagt? Jetzt wird er mich für einen Typen ohne Manieren halten, weil ich ihn nicht gegrüßt habe.«

»Sie spielen nicht für den Bürgermeister, sondern für dich«, antwortete mein Begleiter.

Ich schämte mich, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, womit ich solch eine Ehre verdient hatte. Ich zögerte einen Moment, bevor ich ausstieg, weil mir die Situation vor den anderen Fahrgästen peinlich war – was würden sie denken? Wahrscheinlich dachten sie, es sei eine berühmte deutsche Persönlichkeit an Bord; sie würden mit Sicherheit keinen Schauspieler erwarten (und schon gar keinen italienischen). Schließlich stieg ich aus, lächelte und bedankte mich, der Kapelle­ gab ich ein Zeichen, die Musik zu unterbrechen. Es kann gut sein, dass die Musiker bemerkt haben, wie ich hinter meinem Bart rot anlief. In Italien war mir so etwas noch nicht passiert, im Gegenteil: Anstatt für mich zu spielen, fordern sie mich eigentlich immer auf, selbst zu singen. Einmal stimmten sie die berühmte Chor-Melodie aus Zwei wie Pech und Schwefel an.

Seit ich diese Gesten der Liebe und Zuneigung erleben durfte, bin ich überzeugt, dass die Deutschen den Italienern im Grunde sehr ähnlich sind. Das gilt auch in gesellschaftlicher Hinsicht: In beiden Ländern nehmen sich die Bewohner im Norden und im Süden gern gegenseitig auf die Schippe. In Italien werden die Süditaliener gerne als »terroni«, die Norditaliener als »polentoni« beschimpft. Diese Feindschaft hat aber auch ein komisches Element, wenn man bedenkt, dass die Bewohner Norditaliens zu einem großen Teil Zugewanderte aus dem Süden sind. Es ist also wie beim Caffèllatte: Man kann unmöglich eine klare Grenze zwischen ihnen ziehen. Deutschland unterscheidet sich von Italien allerdings dadurch, dass dort Gewissenhaftigkeit, Disziplin und Gemeinschaftssinn in Nord und Süd gleichermaßen ausgeprägt sind. Arbeit und Disziplin bilden in Deutschland in gewisser Weise eine Lebensphilosophie.

Es sind nicht zuletzt die philosophischen Gedanken, die mich an Deutschland reizen. Wer mich schon im ersten Buch ein wenig kennengelernt hat, weiß, dass mir die existenzialistische Denkweise fern ist, ich mich aber doch gerne mit Philosophen beschäftige – einer von ihnen ist der deutsche Philosoph Martin Heidegger. Mich fasziniert vor allem Heideggers Ontologie, die Frage nach dem Sinn von Sein.

Es mag widersprüchlich erscheinen, dass ein Mensch wie ich, der sein Leben schon immer ohne Plan und Kalkül gelebt und sich mit der Begeisterung eines Kindes von einem Projekt ins nächste gestürzt hat, über Philosophie spricht: Aber als ich 1975 erfuhr, dass ich einen Tumor hatte, den ich zum Glück besiegen konnte, habe ich begonnen, über dieses kleine und gleichzeitig enorme Sein, das der Mensch ist, nachzudenken. Wenn wir mit dem Tod, der Endlichkeit unserer Existenz, konfrontiert werden, beginnen wir alle, uns Fragen zu stellen – selbst diejenigen, die wie ich die Dinge einfach so nehmen, wie sie kommen.

Es wäre gelogen zu behaupten, dass mir das Warten auf die Ergebnisse meiner Therapie gegen den Tumor schlaflose Nächte bereitet hätte, das habe ich bereits im ersten Buch angedeutet. Mein angeborener Fatalismus, meine »Scheiß drauf!«-Haltung waren einfach stärker. Aber in dem Moment, in dem ich darüber zu reflektieren begann, wer ich war und wer ich hätte sein können – auch wenn ich das niemandem, am wenigsten mir selbst, eingestehen wollte –, wuchs mein Interesse an der Philosophie. Meine Arbeitsroutine ließ mir meist nicht viel Zeit dafür, aber in stillen Augenblicken – und vor allem heute – beschäftigt sich auch Bud mit Gedanken, die über den Speiseplan fürs Abendessen hinausgehen.

Als ich die deutsche Mentalität noch nicht kannte, habe ich mich oft gefragt, woran es liegt, dass mein Charakter in diesem Land so beliebt ist, wahrscheinlich mehr noch als in Italien. Ich denke, meine Filme sind für die Deutschen, gerade weil sie so diszipliniert und präzise arbeiten, eine Art Katharsis, ein befreiender Kontrapunkt.

In gewisser Weise ist es mir gelungen, kulturelle und ethni­sche Barrieren zu überwinden, wie alle Filmstars, die mehr mit Mimik als mit Worten arbeiten und bei denen es stärker auf die Gestik und die Emotionen ankommt. Denn diese Sprache ist allen Menschen auf der Welt gemein. Dazu passt auch, dass ich im Ausland nicht immer als Italiener wahrgenommen wurde. (Und wie schon gesagt, wurde selbst in Italien jahrelang die Tatsache ignoriert, dass Terence Hill und ich Italiener sind.)

Bud ist in seinen Filmen kinderlieb, er verteidigt die Schwachen, geht respektvoll mit Frauen und alten Menschen um; er zieht die Natur der stickigen Stadt vor, begreift nicht alles auf Anhieb und wenn jemand übertreibt, verpasst er ihm einen Faustschlag, aber ohne ihn umzubringen. Und vor allem: ohne ihn zu hassen (er verabscheut ihn höchstens ein wenig). Im Großen und Ganzen ist der Zuschauer so wie ich, oder möchte jedenfalls so sein – nur dass er diejenigen, die ihn im Alltag, auf der Straße oder im Büro drangsalieren, nicht mit der Faust außer Gefecht setzen kann.

Kurz, wir haben alle gemeinsame Werte, die unabhängig von den einzelnen Kulturen gelten und die man eigentlich gar nicht ablehnen kann. Wo diese Werte fehlen, fehlt auch die Substanz für das Zusammenleben.

Sowohl in meinen Solofilmen als auch in den Filmen mit Terence werden diese Werte vermittelt, aber weniger gewollt als vielmehr spontan, ohne rhetorische Mittel, aber mit einem Vergnügen, das man sonst nur von Kindern kennt (ein Phänomen, das die Kritiker zu Zeiten unserer ersten großen Filmerfolge als »den Infantilismus des Moralkinos« bezeichneten – in meinen Ohren ein riesiges Kompliment).

Das Publikum konnte sich mit uns identifizieren, weil wir uns im Grunde alle danach sehnen, wieder Kinder zu sein. Doch wann und wie das gesamte deutsche Publikum Bud Spencer entdeckt und – zu meiner großen Freude – beschlossen hat, ihn zu lieben, kann ich nicht sagen. Ein Ereignis, das mich zu Tränen rührte, war der Fall der Mauer in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989. Ich saß mit meiner Frau zu Hause auf dem Sofa, überwältigt und sprachlos verfolgten wir das Geschehen im Fernsehen. Dieser Monolith, diese unverrückbare, unüberwindbare Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland fiel in nur einer Nacht. Für mich geschah es wie aus heiterem Himmel, denn über das politische Geschehen in Europa war ich nicht immer auf dem Laufenden.

Ich hielt Marias Hand ganz fest und fragte mich, ob wir nicht vielleicht gerade einen Science-Fiction-Film zu sehen bekamen. Die Szenen, die sich auf dem Bildschirm abspielten, schienen mir einfach zu schön, um wahr zu sein. Die Menschen schlugen mit Werkzeugen auf die Mauer ein und kletterten darauf herum, was noch kurze Zeit vorher völlig undenkbar gewesen war. Die Menschen waren in einem Freiheitsrausch, an dem die ganze Welt teilhatte. Natürlich war klar, dass der Mauerfall in ökonomischer und politischer Hinsicht auch Herausforderungen mit sich bringen würde. Doch für den Augenblick war alles, was zählte, der Triumph über das DDR-Regime. Für uns war es jedenfalls ein Happy End, besser als jeder noch so glückliche Ausgang meiner Filme. Zugleich war es ein Neuanfang, der in erster Linie Wiedervereinigung, Versöhnung und Freiheit bedeutete. Ich musste vor allem an die Familien denken, die auseinandergerissen worden waren und sich nun endlich wieder in den Arm nehmen konnten.

Am nächsten Tag ging ich schnurstracks zum Kiosk und kaufte ein Dutzend verschiedener Tageszeitungen, um mich zu vergewissern, dass es wirklich wahr war! Bildern kann ich einfach nicht so recht trauen, ich musste es schwarz auf weiß lesen.

Doch zurück zu meinen Deutschland-Besuchen. Ich erinnere mich noch, wie ich einmal am Münchener Flughafen, ich weiß nicht zum wievielten Male, in den Genuss einer außergewöhn­lichen Demonstration von Zuneigung kam und erneut rot anlief.

Ich saß in meinem kleinen Privatflugzeug und außer mir warteten noch weitere Flieger in der Schlange auf die Starterlaubnis, einer von Alitalia, zwei amerikanische und ein paar von Lufthansa. Alle anderen kamen von rechts, von der Bahn, die für Passagierflugzeuge reserviert war, ich kam von links, wo die Privatflugzeuge geparkt waren. Wir alle mussten uns auf die Startbahn begeben, um von dort, einer nach dem anderen, abzuheben. Doch mit einem Mal kam per Funk die krächzende Durchsage: »After Bud Spencer, Alitalia can go!«

Das hat mich ganz schön in Verlegenheit gebracht, und doch musste ich darüber lachen, dass das Flughafenpersonal in der Kommunikation mit den anderen Piloten meinen Künstlernamen nannte und nicht, wie eigentlich üblich, die Kennzeichnung des Flugzeugs. Ich will mir gar nicht vorstellen, was sich die Piloten der anderen, internationalen Maschinen gedacht haben.

Aber die lustigste Episode zum Thema Verlegenheit kommt erst noch, und sie hat sich genau zu der Zeit ereignet, als ich diese Passagen schrieb, die ihr gerade lest. Ich konnte nicht glauben, was da geschah!

Eines Abends, vor ein paar Monaten, schaltete ich zu Hause den Fernseher ein und beobachtete eine Art Aufruhr in Schwäbisch Gmünd, einem Ort in der Nähe von Stuttgart, an dem ich früher selbst einmal gewesen bin. »Ach du meine Güte«, dachte ich, »was ist dort nur passiert? Gab es einen Anschlag? Oder ist es eine Demonstration?« Doch dann entdeckte ich auf den Plakaten und T-Shirts der »Demonstranten« einen Namen und ein Gesicht, die mir sehr bekannt vorkamen – es ging um mich!

»Maria, komm schnell!«, rief ich meiner Frau zu. »Hat vielleicht jemand das Gerücht in die Welt gesetzt, dass ich gestorben wäre?« Es passiert nicht selten, dass Gerüchte über das Ableben dieses oder jenes Schauspielers auftauchen, nur um gleich darauf widerrufen zu werden. Eduardo De Filippo, Franco Nero und viele andere haben diese Erfahrung machen müssen.

Wäre ich tot, würde ich es also als Letzter erfahren.

Ich stellte den Fernseher lauter und erfuhr schließlich die Hinter­gründe des Sit-ins: In Schwäbisch Gmünd wurde ein Tunnel gebaut und als Vorschlag für die Benennung des Tunnels wurde unter anderen mein Name auf die Liste gesetzt!

Es handelte sich um eine spontane Gunstbezeigung, die im Internet entstanden ist, von der ich nichts wusste und die ich bis heute noch nicht ganz begreife: Ein Tunnel in Süddeutschland soll nach einem italienischen Schauspieler benannt werden? Das ist, als würde man eine chinesische Autobahn nach einem französischen Musiker benennen! Wenn ich versuche, mir diesen schmeichelhaften Akt der Liebe und Zuneigung zu erklären, geht es mir wie damals als Kind, wann immer ich mich angestrengt habe, meine grauen Zellen in Gang zu bringen: Ich fühle mich benommen.

In Italien gab es in Messina auf Sizilien eine Bar mit meinem Namen und in Neapel, habe ich gehört, wurde an meinem ­Geburtsort, in der Via Generale Orsini 40, ein Schild mit meinem Namen aufgestellt, aber ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt. Außerdem soll in einem Schwimmbad in Salsomaggiore­ Terme geschrieben stehen, dass Carlo Pedersoli dort 1950 als Erster die 100 Meter unter einer Minute geschwommen ist.

Aber an einen »Bud-Spencer-Tunnel« hätte ich nicht im Traum gedacht.

Schwäbisch Gmünd ist eine Kleinstadt mit rund 60.000 Einwohnern, und die Einweihung des Tunnels ist momentan, während ich dieses Buch schreibe, für Dezember 2011 vorgesehen. Die Bürger waren eingeladen worden, bis zum 25. Juli ihre eigenen Namensvorschläge für den Tunnel einzureichen. Unter anderem wurde vorgeschlagen, den Tunnel nach Joachim Löw, dem Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft, zu benennen.

Im Oktober hat der Gemeinderat schließlich für den Namen »Gmünder Einhorntunnel« gestimmt, der offensichtlicher, passender und vielleicht auch vernünftiger ist, da das Einhorn das Wappen der Stadt Schwäbisch Gmünd ist. Aber ich bin den beiden jungen Menschen, die Bud Spencer als Erste ins Spiel und damit die ganze Angelegenheit ins Rollen gebracht haben, sehr dankbar.

Die einzige Vorgabe für die Namenswahl lautete, dass ein besonderer Zusammenhang zwischen der Stadt und dem öffent­lichen Werk der Person, deren Namen der Tunnel tragen sollte, bestehen müsse. Der Chefredakteur der Lokalzeitung erklärte gegenüber dem Spiegel, dass der Name »Bud-Spencer-Tunnel« die Liste der Vorschläge über Tage angeführt habe. Auf Facebook setzte sich eine Gemeinde von 23.000 Fans aus ganz Deutschland dafür ein, dass der Tunnel meinen Namen trägt.

Die einzige schwache Verbindung zwischen mir und Schwäbisch Gmünd ist, wie auch die Tageszeitung Schwäbische Post berichtet, ein Schwimmwettkampf, an dem ich dort 1951 teilgenommen habe. Der Wettkampf fällt in jene Ära, in der ich einige Rekorde erzielte und zweimal an den Olympischen Spielen teilnahm. Aber wahrscheinlich hat meine lange zurückliegende Vergangenheit als Sportler in diesem Fall eher dazu gedient, den Namensvorschlag zu legitimieren, während die Begeisterung aber eigentlich dem Schauspieler Bud Spencer galt.

Ich habe damals, als ich unter eine Minute kam, im Länderkampf gegen die deutsche Mannschaft gewonnen, aber offensichtlich wurde mir das nicht übel genommen oder nachgetragen. Es war ein ziemlich harter Wettkampf, die Deutschen waren bestens vorbereitet (und im Unterschied zu uns fantastisch organisiert), aber ich hatte den nötigen Siegeswillen, wenn es mir auch an systematischem Training mangelte (ich habe nie zugunsten meiner sportlichen Leistung auf Zigaretten oder Sex verzichtet, noch nicht einmal am Vortag des Wettkampfes). Ich sage das nicht, um zu prahlen: Was ich gemacht habe, kann sich keiner erlauben, noch nicht einmal ein Weltmeister, der ich im Übrigen nie war – ich war Teil der Nationalmannschaft, die Weltmeister wurde. Wie sagt man so schön: »Den Mutigen hilft das Glück«.

All das, was ich gemacht und erreicht habe, trage ich mit mir herum, ohne jemals darüber nachzudenken oder mir etwas darauf einzubilden. Ich schaue immer nur nach vorn … und jetzt wäre ich in Deutschland auf Wunsch der Bevölkerung fast mit einem Tunnel bedacht worden: Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr bringt es mich durcheinander.

Ich weiß gar nicht, wie ich das erklären soll.

Es ist so, dass Bud durch die Beliebtheit meiner Filme weltweit berühmt geworden ist, und Carlo Pedersoli – sein Double – ist darüber noch immer zutiefst erstaunt und gerührt.

Die Wärme, die ich in Deutschland erfahren habe, ist einzigartig und schafft es wie nichts anderes, mich in den rauschhaften Zustand eines jungen Verliebten zu versetzen. Ich danke den 23.000 deutschen Freunden, die mir mit der bizarren Idee, mich als Kandidaten aufzustellen, ein riesiges Geschenk gemacht haben. Wenn einer von ihnen unter den Lesern dieses Buches ist, nun, dann soll er wissen, dass er mir einen Moment der Rührung geschenkt hat, der so wertvoll ist wie ein Oscar.

Budapest (Bud-A-Pest)

Ungarn hat eine bedeutende Geschichte, und die ungarische Bevölkerung war schon immer stolz auf ihre ungarischen Wurzeln, durch die sie sich von vielen anderen Europäern, deren ursprüngliche Sprache das Indogermanische ist, unterscheiden. Auch auf ihre Leistungsstärke im Schwimmen waren sie schon immer stolz: Die Goldmedaille war für sie Tradition.

Bis zu dem Tag, an dem ein junger italienischer Schwimmer mit der Wasserball-Nationalmannschaft zu einem Turnier zwischen Italien und Ungarn nach Budapest kam. Es fand mitten im Januar im Freibad statt und die Zuschauer saßen dick eingepackt auf der Tribüne, um der Kälte zu trotzen. Das Stadion lag auf der Margareteninsel, einer Insel in der Donau.

Aus den unterirdischen Quellen sprudelte heißes Wasser, wir sprangen nur in Badehosen und Badekappe hinein und tauchten an der eiskalten Luft wieder auf, die nach der Wärme, in die wir eingetaucht waren, ein Schock war. Bei dem Spiel habe ich Ungarn mit einem Elfmeter in letzter Minute besiegt. Noch heute erinnern sich Schwimmfans in Ungarn an dieses Ereignis, aber ganz ohne Groll.

Meine ungarischen Gegner waren sehr fair; ganz anders die russischen Schwimmer, auf die ich 1953 traf, und die links und rechts Hiebe austeilten (das ging sogar so weit, dass sich das Wasser im Becken rot färbte). In Holland wurde mir mit einem Ellbogenstoß eine Rippe gebrochen und ich beendete den Wettkampf mit einer Injektion Novocain, es war ein sehr unfaires Spiel. Ich schickte meinerseits einen Verteidiger, der seine Position ein bisschen zu ernst genommen und es mit regelwidrigen Stößen übertrieben hatte, geradewegs ins Krankenhaus, denn auch meine Toleranz hatte ihre Grenzen.

Von Budapest selbst habe ich wenig gesehen, aber ich weiß, dass sich die Metropole eigentlich aus zwei Städten zusammensetzt, Bud(a) und Pest, die durch die Donau getrennt sind (ähnlich wie der Tiber Rom teilt, das deswegen aber nicht aus den beiden Teilen Ro und Ma besteht). Ich war für den Wettkampf angereist, und daher blieb nicht viel Zeit für touristische Unternehmungen, allerdings erinnere ich mich noch, dass ich dort Gulasch gegessen habe, das köstliche ungarische National­gericht. Auch an die türkischen Bäder erinnere ich mich – das einzige Überbleibsel von der türkischen Fremdherrschaft, das die Ungarn zu schätzen wussten.

Budapest war und ist die schönste Stadt an der Donau, sie ist imposant, dicht besiedelt und hat bedeutende Museen. Aber man darf nicht vergessen, dass Europa in den Fünfzigerjahren noch in Ost und West unterteilt und der Osten kommunistisch regiert war. Fremden wie uns wurde nur ein sehr begrenzter Einblick gewährt, und das auch nur unter den strengen Blicken der örtlichen Behörden.

Wie ihr bereits wisst, war ich drei Jahre lang italienischer Meister im Brustschwimmen über 100 Meter, allerdings war ich damals minderjährig und ging noch zur Schule, ich war 17 Jahre alt.

Nachdem ich aus Brasilien zurückgekehrt war, brach ich trotz meiner dreijährigen Auszeit den Rekord im Freistil über 100 Meter, die ich in weniger als einer Minute zurücklegte. Mit diesem Erfolg verärgerte ich verständlicherweise viele erfahrene Meister, sie fühlten sich hereingelegt.

Ich weiß nicht, wie viele Schwimmbäder es in Ungarn gab, aber in Italien konnte man sie an einer Hand abzählen, daher fanden die Schwimm- und Wasserballturniere häufig im Meer statt. Umso mehr versetzte mich das Freibad in Budapest in Staunen, und ich musste unwillkürlich an einen Vorfall in Italien denken, wo alles immer ein bisschen improvisiert war und selbst die Zuschauertribünen nur behelfsmäßig errichtet wurden, so gut es eben ging.

Ihr glaubt mir nicht? Dann hört euch diese Geschichte an:

Einer meiner Wettkämpfe wurde im Meer vor Salerno abgehalten, als Zuschauertribüne war über dem Stückchen Meer, in dem wir schwimmen sollten, eine Holzkonstruktion auf den Felsen errichtet worden. Wenn ich während des Wettkampfs zwischen zwei Armzügen einatmete, sah ich das offene Meer vor mir. Von dem, was hinter mir auf den Klippen geschah, bekam ich nichts mit. Als ich am Ende meiner Strecke angelangte­ und wendete, um zurückzuschwimmen, bemerkte ich, dass die Tribüne verschwunden war – sie war eingestürzt!

Wir unterbrachen den Wettkampf auf der Stelle, um den Verletzten zu Hilfe zu eilen. Zum Glück waren nur wenige leicht verletzt worden, da sich das Gerüst ganz langsam geneigt und gegen die Klippen gelehnt hatte. Dadurch wurde die Tribüne gestützt und eine Katastrophe verhindert. Es war eine der klassischen Situationen, in denen es sich als äußerst nützlich erweist, groß und breit zu sein: Zurück an Land, konnte ich zwei Zuschauer auf einmal herausziehen; für den Transport habe ich mir je einen unter jeden Arm geklemmt. Am Ende taten mir die Arme weh, was auch kein Wunder war, denn ich hatte mit dieser Technik etwa zehn Leute befreit.

Die Letzte war ein ziemlich hübsches Mädchen und ich hatte den Eindruck, dass sie sich in meinen Armen ziemlich wohl fühlte; denn auch nachdem ich sie in Sicherheit gebracht hatte, wollte sie ihre Hände nicht von meinem Hals lösen. Als wir auf ihren relativ schmächtigen Freund trafen, der bereits auf sie wartete und mich mit einem unsicheren Blick ansah, tat sie plötzlich geziert, allerdings war sie eine miserable Schauspielerin.

»Sehen Sie, es ist alles bestens, Ihnen ist nichts passiert!«, sagte ich zu ihr, doch sie ließ mich noch immer nicht los. Als ich den leicht eifersüchtigen Blick ihres Freundes bemerkte, legte ich sie ihm schwungvoll in die Arme. Und er kippte mit seiner Freundin auf den Armen um.

Nach solchen Episoden waren Reisen in Länder wie Ungarn, wo richtige, stabile Gerüste aufgestellt und die Veranstaltungen gut organisiert wurden, für mich und mein Team, als würden wir den Garten Eden betreten.

Hätte sich ein Unfall wie der in Salerno im Budapest der Fünfzigerjahre ereignet, hätte uns das Militär sofort ins Hotel eskortiert und uns versichert, dass nichts passiert sei. Als wir einmal zur Zeit des Kalten Krieges zu einem Wettkampf nach Russland reisten, war das Einzige, was wir zu sehen bekamen, die Strecke vom Hotel zum Schwimmbad und zurück, und manchmal noch nicht einmal das, weil die Fenster im Bus winzig und häufig verschlossen waren.

Señor Bud

Über meine Zeit in Südamerika habe ich im ersten Buch bereits ausführlich geschrieben, aber da es der erste fremde Ort war, den ich als junger Mensch gesehen habe und an dem ich gut drei Jahre verbracht habe (meine Rückkehr dorthin für Dreharbeiten nicht mitgerechnet), komme ich auch an dieser Stelle nicht umhin, diese Station kurz zu erwähnen. Ich hätte sonst das Gefühl, dass mir etwas fehlt.