Buongiorno Gardasee - Heike Hagenmaier - E-Book

Buongiorno Gardasee E-Book

Heike Hagenmaier

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Beschreibung

Dies ist ein ganz persönliches Kultur- oder auch Reisejournal, aber kein klassischer Kunst- oder Reiseführer. Es sind Momentaufnahmen vom Gardassee und seiner Umgebung. Bis ins Etschtal hoch nach Bozen und Burg Runkelstein, in die Dolomiten hin zum Rosengarten führt der Weg. Heike Hagenmaier hat sich am Gardasee und Umgebung auf die Spurensuche der Kulturgeschichte begeben. Wenn man ihr zuhört, erzählen Berge, Burgen und alte Kirchen am Gardasee, im nahen Verona, im Valpolicella so manche Geschichte. Sie erzählt aber auch vom Ferienalltag, den sie mit ihrem Mann und der alten Hündin Chou-Chou am Gardasee verbringt. Die Autorin lässt Sie an ihrem ganz persönlichen Gardaseefeeling teilnehmen. Eine Lektüre, wie gemacht für Gardaseefans oder solche, die es noch werden wollen.

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Seitenzahl: 444

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Wie alles begann

Lacus Benacus-Lago di Garda gestern und heute

Lacus Benacus, Etschtal,Valpolicella, Verona

Ankommen am Gardasee

Gardasee im Norden Töpfe der Riesen

Die Römer, Herren am Gardasee

Segeln wie die Römer

Langobarden in Italien UNESCO Weltkulturerbe

Felsen, Burgen, Kirchen am Gardasee

Rocca di Malerba Langobardischer Widerstand

Valtenesi

Ein schöner Erfolg

Der Felsen von Manerba

Maderno Toskolanum Manerba. Romanische Kirche

Versunkene Städte, Benacus und Garda

Ein geheimnisvoller Ort La Castella

Malcesine. Castello Scaligero

Burg der Langobarden

Malcesine erleben

Als Spion in Malcesine

Castello Scaligereo; immer das gleiche Muster

Geburstag in Malcesine

Das Wetter so hinnehmen

Eis-gelato-Eis-Eiscreme in allen Varianten

A Tavola

Ein Picknick

Am Fuß vom Monte Baldo. Notizen

Monte Baldo Hortus Europae

Der wunderbare Strahl der Einsiedler

Cassone und der Fluss Aril

Die Mauer auf dem Wege nach Malcesine

Der Fluss Sarca, die Nymphe Garda, der Fluss Mincio

Saturn - Gott der Aussaat und des Ackerbaus

Punte San Vigilio

Rocca di Garda

Ein sagenumwobener Felsen

Königin Adelheid auf Burg Rocca di Garda

Adelheids Flucht

Lugano am südlichen Gardasee

Nationalkönige

Mittelalterliche Kriminalfälle

Rosamunde, die schöne Mörderin

Eine Trophäe, der Schädel als Trinkbecher

Der Tod des Langobardenkönigs

Rosamundes Leibkoch und das Kochbuch

Auf der Suche nach Theoderichs Palast

Castelle Ricetti. Zufluchts- und Schutzburgen

Papst Leo und Attila in Salionze

Castello Padenghe sul Garda. Castello di Moniga

Affi, was für ein komischer Name

Die Schlacht auf dem Lechfeld

Pizza oder Pasta. Mittelmeerkost

Limone sul Garda

Dolce far niente

Zitrusanbau war Müh' und Arbeit

Apo-A1 Milano. Länger leben in Limone sul Garda

Zitronentourismus.

Limocello, der italienische Zitronenlikör

Zitronengewächshäuser in Torre del Benaco

Torre del Benaco

Strudel di mele - Apfelstrudel

Berengar in Torre del Benaco

Benacus Söhne

Guten Morgen, liebe Sonne

Franz von Assisi Sonnengesang

Prähistorische Siedlungen. Römische Burgen und Kultstätten. Monte San Martino

Immer wieder Lazise und nicht nur am Sonntag

Madonna del Popolo. Die stillende Madonna auf dem Thron

So ein Käse

Die Hexen von Mondragon

Casteletto di Brenzone San Zeno am Friedhof. San Zeno de L'Oselet

San Zeno und immer wieder San Zeno

Verona. Spaziergang in die Vergangenheit

San Zeno in Verona. Langobardische Romanik

Dietrich von Bern, die wilde Jagd

Auf der Suche nach San Zeno in Bardolino

Mittags sind nur Esel und Touristen unterwegs

San Zeno in Bardolino Ende des Langobardenreiches

Kelten-Römer-Langobarden.Bric, Brixia, Brescia

Frauenkloster in Brescia Familiengeschichten

Pavia Langobardische Königsstadt

Ein König, der im Ticino ertrank

Basilika San Michele Maggiore

Bruschetta

Kurioses für Kulturfans. Mit Goethe am Gardasee

Authari und Theodolinda. Liebe auf den ersten Blick

Die Hexen vom Hexental und der verkohlte Baum

Der Domschatz von Monza

Ein boomender Markt

Was sind Arianer?

Die Hennengruppe

Ein Altar für die Eiserne Krone

Legenden und ihre Bedeutung

Kaiser Konstantin, Mutter Helena und der Nagel vom Kreuz Jesu.

Madonna del Carmine. San Felice del Benaco

Langobardisch-Karolingisch. Der Teufel ist die Frau

Das Fest der Agola

Die romanische Kirche San Severo

Ein ganz gewöhnlicher Wochentag

Interview

Eine langobardische Krypta

Das fand ich unter Gardasee vor Ort

Woher kamen die Langobarden

Langobarden in Italien. Die Birnenköpfe von der Elbe

Ursprungsmythen der Winneler

Wer war Paulus Diakonus

Die Kunst der Flechtbandornamentik

Fresken Die Bilderkirche San Severo

Wer waren die Langobarden?

Das Ende des Langobardenreiches, oder auch nicht

Grappa

Wer war Karl eigentlich

Wettis Sterbevision

Mittelalterliche Jenseitsvorstellungen

Fegefeuer - Höllenqualen

Frau vom Monsterwels gebissen

Seltsame Fische Monster im Gardasee

Santa Maria in Cisano

Zitronenbäume in der Kirche

Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn. Mignons Lied

Sirmione

Gaius Valerius Catullus

Sirmione, mehr als eine Fata Morgana

Grotte des Cartull

Sirmione, Halbinsel der Römer und Langobarden

Ein romantisches Wahrzeichen

Auf der Suche nach der Vergangenheit

Gotenkönig Theoderich

König Diedrich von Bern

Theoderichs Vulkansturz

Der Mund der Hölle

Die Sage von Dietrichs Ende und Höllenfahrt

Eine kuriose Merkliste

Unter Fischern und Fischen am Gardasee

Drei Farben der italienischen Flagge

Was ist dann aber Mozarella

Die Gardaseeforelle

Gott Saturn und die Forellen

Langobardische Kunst im Vallpolicella

Impressionen am Mittag

Kyrie Eleison

Das Ziborium in der Kirche San Giorgio

Ein starker oder heiliger Ort

Villaggio Arusnate

Ethnologisches Museum San Giorgio Ingannapoltron

Ferragosto, 15. August

Maria Himmelfahrt Schon wieder Ferragosto

Etschtal und Trento

Wer war Kaiser Augustus?

Das römische Tridentum, drei Zähne, drei Zacken.

Dos Trento

Besuch in Trient

Eine große Enttäuschung

Karersee und Rosengarten

Ladinisch

Fahrten durch die Sagenwelt

Was sind Fresken

Diedrich von Bern Fasold und der Flugdrache

Bozen. Besuch bei Ötzi

Das alte Bozen

Heldensagengestalten Burg Lichtenstein und Schloss Runkelstein

Heldendichtung und Heldengestalten

Nun sind wir auf Burg Runkelstein

Auf der Suche nach Laurins Rosengarten

Zwei Könige und ein Rosengarten

Nachwort

Literaturverzeichnis

Fotoverzeichnis

Anhang: Plakat der EKD Urlauberseelsorge am Gardasee Winde am Gardasee

-Buongiorno- liebe Leserinnen und Leser!

Aus den Notizen und Schreiben auf Reisen entstand so etwas wie ein persönliches Reisejournal. Das Buch ist kein Reiseführer und will ihn auch nicht ersetzen. Aber es führt Sie dennoch an den Gardasee und in seine nähere Umgebung. Die Römer nannten den Gardasee Lacus Benacus, die Italiener nennen ihren größten See Lago di Garda.

Mein Reisejournal erzählt auch von Mythen, Märchen und Sagen am Gardasee. Sie geben uns einen Einblick in die Welt von gestern, der Römer, Goten und Langobarden. Ganz normale Gardaseeurlauber, so wie Sie und ich, können gemeinsam ins Mittelalter abtauchen. Es geht um Macht, Verrat, Sex oder auch Mord. Geschichte und ihre Menschen werden wieder lebendig, dann wenn wir ihre Orte, Burgen, Heiligtümer und Kirchen einmal genauer anschauen.

Aber was genau ist denn das Thema, werden Sie vielleicht fragen. Es geht eigentlich um nichts Bestimmtes, sondern um den Gardasee, seine Umgebung, um Römer und Goten sowie die ersten wie auch letzten Langobarden und den Eroberer Frankenkönig Karl. In dieser etwas anderen Lektüre kommen aber auch alltägliche Fragen zum Urlaub und Tourismus am Gardasee zur Sprache. Ist es denn immer noch das Land, wo die Zitronen blühen, ein Traum vom Paradies? Nein, es ist die einzigartige Landschaft und ihre besondere Kultur, so wie ich sie erlebte. Daran möchte ich Sie gerne teilnehmen lassen.

Ich wünsche Ihnen viel Lesespaß.

Ihre Heike Hagenmaier

Wie alles begann...

Bei der Planung unserer ersten Reise fragte ich eine ältere Lehrerin, was man denn im Urlaub am Gardasee so machen kann. Ihre Antwort war: „Man kann gut essen und geht spazieren“. OK, dachte ich, was heißt gut essen - und wo geht man da spazieren? Das hörte sich doch eher wie eine Information vom örtlichen Tourismusbüro an. Herrliche Spaziergänge in unberührter Natur? In Restaurants gut essen, das kann vieles bedeuten. Ob es überhaupt eine typische Gardaseeküche gibt? Die Tourismusbranche macht so Werbung für Hotels, Pensionen und die zahlreichen Restaurants, das ist auch ihre ureigenste Aufgabe. Am Gardasee lebt fast jeder in der einen oder anderen Weise vom Tourismus.

Heute nach vielen Jahren, in denen mein Mann Martin zuerst in Malcesine und aktuell in Bardolino sowie Lazise im Auftrag der EKD als Urlauberseelsorger tätig war und ist, wollen wir uns aber nun nicht als Restauranttester betätigen. Das tun schon andere.

Spazieren gehen, na gut! Martin geht mit unserer alten Hündin Chou-Chou spazieren, allerdings nicht im traditionellen Sinne: Herrchen führt den Hund aus oder Hund den Herrn? Also der Gardaseeaufenthalt sollte doch nicht so etwas wie ein Kuraufenthalt werden! Spazierengehen als ärztlich oder selbstverordnete Bewegung? Na gut, das mag für Gestresste, Alte oder Kranke wirklich gesund sein. Deshalb hatte ich ja bei der Planung unserer ersten Reise gehofft, die reiseerfahrene Geschichtslehrerin könnte uns etwas Interessantes über den Gardasee und seine Umgebung erzählen. Vielleicht etwas über seine Kultur und die Geschichte? Wohin uns unsere Reise führen sollte, das war doch immerhin Italien und da musste es mehr geben. Deshalb war ich natürlich zunächst ratlos und fragte mich, was uns am Gardasee wohl wirklich erwarten würde.

Reiseprospekte zeigten Hotels in subtropischer Landschaft. Swimmingpools waren fast überall auch dabei. Bedeutete das, man kann im Gardasee überhaupt nicht baden? Alles lag direkt oder etwas weiter weg vom türkisblauen See. Natürlich wurde auch Wassersport, Segeln und Surfen auf dem Gardasee in wunderschönen Bildern angepriesen. Sonne und Wärme gab es offenbar reichlich. Es sah auf den ersten Blick alles sehr verlockend aus. Ein Gardaseeurlaub versprach zu einem Aufenthalt im Paradies zu werden.

Trotzdem war das Ergebnis meiner Suche ernüchternd. Es schien fast so, als ob sich im Sommer und besonders im August die Bewohner von ganz Süddeutschland auf den Weg an den Gardasee machten. Hinzu kamen dann noch Urlauber aus nördlicheren Gebieten und aus aller Welt. Ich musste bei meinen weiteren Recherchen aber auch feststellen, dass wir uns einen solchen Urlaub eigentlich gar nicht leisten konnten. Ich sah mit Schrecken, dass Hotels, Pensionen und Appartements sowie selbst die Campingplätze mit und ohne Zugang zum See nicht gerade preiswert zu mieten waren. Nun war es aber zu spät, wir konnten nicht mehr absagen.

Wir waren schon immer Campingfreunde, also musste ich einen preisgünstigen Campingplatz suchen. Deshalb besorgte ich mir also auch noch einen Campingplatz- und vorsichtshalber dazu auch noch ein paar Reiseführer. Damit war ich erst einmal beschäftigt. Die allermeisten Reiseführer schickte ich aber gleich wieder zurück, sie waren mir zu oberflächlich. Ich hatte bei einigen auch den Eindruck, dass einer vom anderen abgeschrieben hatte. Für den flüchtigen Überblick reichten die Beschreibungen, weckten auch mein Interesse am Gardasee, seiner Schönheit und an seiner Geschichte. Da musste es aber doch noch mehr zu sehen oder zu entdecken sein? Was war mit König Theoderich, auch aus den Sagen als Diedrich von Bern bekannt. Ich kannte sie aus dem Literatur- und Geschichtsstudium. Waren die Goten nicht auch am Gardasee gewesen und nachfolgend auch die Langobarden? Von den Ferienaufenthalten der Römer auf der Gardaseehalbinsel Sirmione wussten die Reiseinformationen zu berichten, aber hauptsächlich eigentlich nur von den Scalingerburgen rund um den Gardasee. Das war dann auch schon fast alles.

Aber zurück zu unserem bevorstehenden Aufenthalt mit der Aufgabe, die Urlauberseelsorge im Auftrag der EKD/* in Malcesine zu übernehmen. Am Gardasee waren auch die Campingplätze extrem teuer und viele sogar schon ausgebucht. Ich geriet geradezu in Panik. „Es gibt immer einen Campingplatz, das weißt Du doch“, versuchte mich Martin zu beruhigen. Ich sagte resigniert: „Na gut, dann fahren wir einfach los!“...

… und endlich ankommen am Gardasee!

Was interessierte uns also am Gardasee? Zunächst nicht viel, es war einfach eine Arbeitsstätte. Das änderte sich aber bald. Wir entdeckten, dass es hier nicht nur von Touristen überquellende Orte gab, sondern daneben auch noch so manches entdeckt werden konnte.

Die Jahre vergingen im Fluge, und wie so oft im Leben muss man auch einmal einen Rückblick wagen. Wie war es denn damals als wir das erste Mal am Gardasee waren? „Laut und teuer“, so lautet meine heutige Antwort. Der Campingplatz lag etwa 12 km entfernt direkt an der Straße nach Malcesine. Eigentlich waren wir froh gewesen, hier überhaupt noch ein Plätzchen gefunden zu haben. So standen wir schließlich direkt an der Straße, nur durch eine Hecke vom stetig brausenden Autoverkehr der Gardesana orientale entfernt. Nachts konnte man wirklich kein Auge zumachen. Ebbte der übliche Verkehr endlich ab, erwachten die Rennfahrer zum Leben und trugen mit Autos und Motorrädern ihre Wettrennen aus. Es war nicht nur der Lärm der Fahrzeugmotoren, sondern das Echo, was von den Felsen zurück schallte.

Wir waren mit unserem uralten Campingbus gefahren. Das ist eigentlich sehr bequem, so hatten wir unser Haus immer dabei. Aber das stellte sich schnell als äußerst unpraktisch heraus. Martin konnte ja nun nicht zu Fuß oder joggend vom Campingplatz nach Malcesine zur Kirche laufen. Und wenn er das vorgehabt hätte, wäre nur ein Weg über die Straße in Frage gekommen. Ein Spaziergang wäre das aber nicht gerade gewesen. Rechts die Felsen, links der See, und dann 12 km auf der engen Straße. Das konnten wir auch nicht wissen! Es gab da noch etwas, nämlich ein striktes Parkverbot für Wohnmobile.

Parkverbot für Wohnmobile

und das herrscht immer noch. Deshalb hatten wir uns in unserer Verzweiflung schließlich ganz einfach vor die große Kirche in Malcesine gestellt. Hier gab es kein Verbotsschild. Aber das konnte und wollte die Politesse nicht einsehen. Italiener habe ich eigentlich immer als sehr freundlich und hilfsbereit erlebt. Hier waren wir auf ein Exemplar gestoßen, die auf ihr Recht bestehen wollte, als Arm des Gesetzes selbst entscheiden zu wollen. Sofort verschwinden, so hieß es. Mir war sehr mulmig zu Mute, sollte ich wie dereinst Goethe in Gefahr laufen, in Malcesine möglicherweise inhaftiert zu werden? Mein Herz klopfte, aber ich blieb standhaft. Es war gut, dass ich nur wenig von dem verstand, was sie da zu schimpfen hatte. Schließlich verzog sie sich und ich blieb sitzen. Gegen Mittag kam Martin wieder zurück, und ich hatte den Eindruck, er war von meinem Parkplatzärger mit der Politesse nicht sonderlich überrascht. Er erzählte begeistert von der kleinen Kirche und den internationalen Gottesdienstbesuchern. Das war so ganz anders als in Frankreich oder Griechenland abgelaufen. Ein älteres Ehepaar stellte sich als Missionare für Osteuropa vor. Obwohl sie hier am Gardasee ihre Ferien verbrachten, hatten sie Schriften verteilt und dann auch den evangelischen Gottesdienst besucht. Ja, das war interessant. Aber ich habe eigentlich wenig gute Erinnerungen, neben Parkproblemen regnete es. Kein normaler Regen, sondern sintflutartige Wolkenbrüche. Wir hatten wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass wir an den Gardasee keinen Schirm oder Friesennerze mitnehmen müssten. Gut, wir kauften einen Schirm. Er war schlicht, kein Designerstück, aber vergleichbar teuer.

In Malcesine gab es aber trotz Regenwetter auch schöne Augenblicke. Das war, als wir endlich einen Parkplatz direkt am Ufer entdeckt hatten. Kein Halte- und Parkverbotsschild war weit und breit zu sehen! An Sonntagen wartete ich hier und konnte beobachten, wie die Fährschiffe anlegten und Touristenströme sich auf den Weg machten, Malcesine zu erobern. Der nördliche Gardasee lag in all seiner Schönheit vor mir. Ich konnte die gegenüberliegenden Berge sehen, da waren oben nur steile Felsen. Sie schienen in den See zu stürzen. Am schmalen Ufersaum klebten winzige Orte wie Schwalbennester.

Malcesine–Lazise–Bardolino-Pacengo

Warum mir das alles wieder einfällt? Unsere Enkelin Lena hatte Geburtstag und ihre Eltern meinten, Malcesine und die Besichtigung der Burg sei ein guter Ort, ihn dort zu feiern. Außerdem könnten sie dann auch mal sehen, wo sich in der Altstadt "Opa Martins Kirche" befindet. Auch alle weiteren Familienmitglieder könnten Malcesine per Schiff gut erreichen, statt mit dem Auto den weiten Weg von Tremosine zu uns nach Pacengo oder Lazise fahren zu müssen.

Malcesine war gestern, Lazise, Bardolino, Pacengo, das ist heute. Dazu gehört auch wieder die Urlauberseelsorge, für die Martin für einige Wochen in den Sommermonaten eingeteilt ist. In der alten Kirche in Bardolino und in der besonderen direkt am Hafen in Lazise, kommen nicht nur Urlauber aus Deutschland, sondern aus fast ganz Europa zusammen. Sie besuchen auch den evangelischen Gottesdienst in deutscher Sprache. Wenn wir wieder auf unserem „Stützpunkt“, dem Campingplatz in dem kleinen Fischerort Pacengo nahe von Lazise ankommen, ist es so, als wären wir nie weg gewesen. Wir sind beinahe am südlichen Gardasee. Es ist auch die subtropische Vegetation, das Klima, der Blick vom kleinen Hafen auf die Halbinsel Sirmione und den Felsen von Manerba, das uns eintauchen lässt in ein besonderes Gefühl. Die Zeit scheint stillzustehen. Am Ufer des Gardasees sind wir dann für ein paar Wochen wieder zu Hause.

Lacus Benacus - Lago di GardaGardasee

gestern und heute

Mythen, Märchen und Sagen sind wie Träume auf der Suche nach dem verlorenen Augenblick. Sie sind wie die Farben am Gardasee, wenn die Sonne am Morgen über dem Monte Baldo aufgeht und am Abend über dem Westufer wieder versinkt.

Wir vergessen es und erinnern uns doch gleichzeitig an das, was einmal war. Es liegt nur verborgen vor uns. Es sind die Geister, die wir wachrufen, die Gestalt und Namen annehmen, dann, wenn wir ihre längst vergessenen Wohnstätten, ihre Kultplätze, Tempel und Kirchen oder ihre Burgen besuchen.

Lacus Benacus oder Etschtal Valpolicella & Verona

Am Lacus Benacus, im Etschtal und auch im nahen Valpolicella, das heißt „Tal der vielen Keller“, da siedelten die Römer. Aber Trient und Verona waren immer auch Schauplätze einer bewegten Vergangenheit. Plätze und Orte berichten noch heute von ihrer Geschichte und diese Geschichten erzählen von Etruskern, Kelten, Römern, Goten, Langobarden, Karolingern, Ottonen und schließlich im Hochmittelalter auch von den Scaligern. Sie haben am Gardasee der Nachwelt ihre eindrucksvollen Burgen mit den hübsch anzusehenden Schwalbenschwanzzinnen hinterlassen.

Mit Beginn der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts kamen aber nicht nur die ersten Touristen wieder an den Gardasee, sondern auch Forscher. Archäologen brachten die stummen Zeugen der Vergangenheit wieder zum Reden. Da erzählen Ausgrabungen über das Leben in keltischer, römischer und gotischer wie langobardischer Zeit. Ihre Sagen oder Mythen erzählen uns auch etwas über die Wünsche und Ängste, von Machtvorstellungen der Menschen, über eine uns längst verloren geglaubte Zeit. Auch ich bin immer auf der Suche nach dem Geheimnis der verlorenen Träume. So bin auch ich wieder den Spuren der Vergangenheit gefolgt, und habe zugehört, was Sagen, Mythen und Legenden von versteckten geschichtlichen Ereignissen erzählen. Vielleicht ist es eine Geisterwelt, die ich rufe. Im heutigen Europa sind wir ja in einer ganz anderen Gesellschaft zu Hause. Da interessieren uns andere Ereignisse, und wir suchen immer noch nach Lösungen für die Konflikte unserer Welt.

Wir können den vergangenen Augenblick auch nicht wieder zurückholen, aber vielleicht verstehen lernen, was die Menschen fühlten, dachten und an was oder wen sie glaubten. Was bewegte sie, wenn sie religiöse Vorstellungen in Kunstwerken und Kloster- und Kirchenbauten umsetzten? Und was verstehen wir, die im Hier und Jetzt, in einer ganz neuartigen globalen Welt und Gesellschaft leben? Können wir uns überhaupt in ihre Mentalität hinein versetzen?

Nördlich der Alpen ist es selten so richtig heiß. Das weckt vielleicht die Sehnsucht nach dem sonnenverwöhnten Gardasee. Die Sonne strahlt meist vom blauen Himmel, idyllische Uferorte mit kleinen Fischerhäfen laden zum Verweilen und träumen ein. Aber auch mondäne Yachthäfen ziehen Touristen an. Vielleicht gibt man sich aber nur einer Illusion hin, träumt wohl vom Segeln wie die Römer.

Es gibt aber auch etwas, was die Römer nicht hatten. Das ist die Schnelligkeit unserer Zeit. Manch einer mag sich auf seinem superschnellen Motorboot einer Illusion hingeben und sich auf Verfolgungsjagd fühlen. James Bond lässt grüßen! Das alles hat zwei Seiten. Motorboote verbreiten nicht nur Lärm, sondern verpesten Uferzonen mit ihrem aufdringlichen Gasen. Wie gesund ist das denn?

Alles das stört aber nicht. Wie ein Magnet zieht es seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, den inzwischen legendären Wirtschaftswunderjahren, deutsche Urlauber immer wieder und immer noch mehr an den Gardasee. Wer in letzter Zeit einmal in Limone sul Garda vorbeigeschaut hat, ist verwundert. Aus dem kleinen beschaulichen Küstenort ist ein supermodernes Touristenzentrum entstanden. Das machte die Entdeckung des „Apo-A1 Milano“ im Jahr 1979/80 möglich. Es ging mit der Schlagzeile „Langes Leben in Limone“ um die Welt. Auch das Angebot an Souvenirs kann kaum noch gesteigert werden. Wir sind dort hingefahren, wo einst noch die Zitronen blühten. Hier ist die Illusion perfekt kommerzialisiert und zum Greifen und Kaufen nahe.

Ankommen am Gardasee

Der Gardasee ist eingebettet in eine beeindruckende Landschaft. Am Nord- oder Südufer ankommen, das ist als ob wir in ein anderes Land fahren. Wenn unser Weg von Trient an den nördlichen Gardasee führt. liegt er wie ins Gebirge eingeschnitten vor uns. Verlassen wir die Autobahnausfahrt in Affi und kommen in Peschiera am südlichen Gardasee an, dann scheint es ein ganz anderer See zu sein. Hier am südlichen Gardasee ist es flach. Nach Westen hin wird die hügelige Moränenlandschaft von Obst- und Weingärten wie auch Olivenhainen geprägt.

Im Juni und Juli blüht der Oleander überall am See in allen erdenklichen Farben, um Ende August langsam wieder zu verblassen. Feigenbäume gedeihen überall, aber leider sind sie erst im September so richtig reif. Ab und zu leuchtet ein Zitronenbaum mit seinen reifen Früchten aus Privatgärten auf. Aber die Zypressenalleen bestimmen das Landschaftsbild überall und natürlich zu allen Jahreszeiten. Wir, das sind mein Mann Martin und unsere alte Hündin Chou-Chou und ich. Manchmal kommen auch noch unsere Kinder Sarah mit Dennis, David mit Anna sowie unsere Enkelkinder Janna, Jacob und Lena, Piet und Clara vorbei und verbringen mit ihren Eltern ihre Ferien am Gardasee.

An den Gardasee fahren, das ist für eine Gruppe schick und total In. Für uns bedeutete es aber zunächst einmal so etwas wie „Arbeit“. Wie die Römer verbringen wir hier nicht die Ferien. Auch nicht wie Künstler, Philosophen und Dichter. Sie kamen im 18. sowie Anfang und Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts an den Gardasee und wohnten zumeist in Riva oder Torbole.

Zwei Kriege unterbrachen zunächst das Interesse am Gardasee, seiner Umgebung und der Kultur. Aber es erwachte erneut zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Dann lebte auch die Forschung der mittelalterlichen Sagenwelt und ihrer Literatur endlich wieder auf. Um die besondere Kunst der Flechtbandornamentik, die einzigartige Ausdrucksformen der Langobarden weiter zu erforschen, reisten noch kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges führende Forscher wieder an den Gardasee. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nahmen dann nicht nur die Sagenforscher ihre wissenschaftliche Arbeit wieder auf, sondern durch den nun beginnenden Gardaseetourismus kamen jetzt auch wieder viele Deutsche an diesen zauberhaften See.

Der Gardasee im Norden

Töpfe der Riesen

Lacus benacus ist tatsächlich ein Alpensee mit 370 qm Gesamtoberfläche, 51,6 km Länge und 17,2 km Breite und einem Gesamtumfang von 158,4 km.

Zwei große Vergletscherungen schoben Felsen, Kies und Sand vor sich her. Das Abschmelzen der Gletscher bildete schließlich den heutigen Gardasee. Eine Besonderheit sind im Norden die Gletschermühlen und Riesentöpfe oder Töpfe der Riesen sowie die voreiszeitliche Vegetation auf dem Monte Baldo.

Bei den Gletschermühlen, den Marmitte dei Giganti, das heißt Riesen-Töpfe, endet die Strecke, wenn wir von der Autobahn in Trient abfahren. Die Riesen-Töpfe befinden sich in der Nähe der Panoramastraße. Wie auf einem Balkon liegt ein kleiner Parkplatz auf dem Felsvorsprung. Er ist leider fast immer überfüllt. Abzuwarten bis ein Parkplatz frei wird, das lohnt sich aber allemal. Der Blick auf den See ist so beeindruckend, dass man ihn wohl nicht vergessen wird. Von hier oder von Torbole aus kann man die Gletschermühlen über einen Fußweg erreichen. Das hatten wir aber immer wieder verschoben. Ja, ich wollte die Riesentöpfe mit eigenen Augen anschauen. Also machten wir uns endlich auf den Weg.

In Torbole hatte ich beim Vorbeifahren zufällig ein Hinweisschild gesehen. "Marmitte del Gigante" stand da zu lesen. Also ein Weg für Fußgänger? Das wird wohl ein kurzer und wenig steiler Weg sein, dachte ich. Aber weit gefehlt. Den kleinen Weg, der weiter zu den Gletschermühlen führen sollte, hatten wir schnell gefunden. Dann kam die Suche nach einem Parkplatz, den wir nicht fanden und uns dann schließlich irgendwo unerlaubter Weise hinstellten. Martin machte sich erst einmal auf, um die Lage näher zu erkundigen. Mein rechter Fuß machte mir nämlich bei Steigungen Probleme. Um es gleich vorweg zu sagen. Der etwa 1 km lange Weg wäre ja eigentlich nicht das Problem gewesen. Aber es ging steil hinauf auf glattgeschliffenen Felsen. Das berichtete Martin als er endlich schweißgebadet nach einer Stunde zurückkam. Er hatte jede Menge Fotos gemacht, das war sehr gut! Aber ich hatte die Gletschermühlen immer noch nicht mit eigenen Augen gesehen, deshalb fuhren wir wieder nach oben.

Die Gletschermühlen kann man vom Parkplatz aus erreichen. Zunächst geht man einige Meter die Straße abwärts entlang. Dann ist da ein Hinweis für Fußgänger und von hier geht es ungefähr einhundert Meter steil abwärts. Die Gletschertöpfe liegen nun vor dem Betrachter. Obwohl man sich ihre Entstehung erklären kann, bleibt die Welt der Berge voller Mythen. Riesen und Zwerge, Nymphen bevölkerten auch den Monte Baldo. In der Vorzeit wohnten in den Alpen Riesen, so erzählen uns Sagen.

Was bedeuten nun aber die Marmitte dei Giganti, die Riesen-Töpfe? Haben sie etwas mit den Riesen zu tun? Natürlich nicht, ihre Entstehungsgeschichte kann man ganz einfach nachvollziehen:

…und so entstanden die Töpfe der Riesen

Das Schmelzwasser der Gletscher löste beim Fall durch die Felsspalten einen wirbelnden „Tanz“ der Steine aus und die „Gletschermühle“ taten automatisch ihre Arbeit. Sie mahlte und höhlte dabei allmählich den Fels aus. Pfeilspitzen und Scherben von Keramik wurden hier gefunden. Das deutet darauf hin, dieser Platz mit den Riesen-Töpfe war in vorgeschichtlicher Zeit vielleicht bewohnt Aber Riesen wohnten hier wohl nicht! Trotzdem ist es hier unten unheimlich, und ganz schnell verlassen wir diesen Ort wieder.

Die Römer

Herren am Lacus Benacus

Weil es nördlich der Alpen selten so heiß ist, zieht es so manchen an den Gardasee. Die Bayern – und allen voran die Münchner - fahren am Wochenende oder in den Ferien gern an ihren „Haussee“. Auch die Italiener lassen sich an Sonn- und Ferientagen mit ihren Familien am Ufer nieder. Meistens mit vielen Kindern, einschließlich Oma und Opa, Tanten wie auch anderem Anhang. In aller Frühe haben sie an die schmalen Fels- und Kiesstrände Liegen, Tische und Stühle gebracht. Für das Grillen wird schon alles vorbereitet. Das Gebiet am Lacus Benacus war während der Römerzeit ein Feriengebiet für Vermögende aus Verona oder Brescia. Die Ausgrabungen von römischen Villen, beispielsweise der von der Familie Arrii in Tosculanum sowie die Legende von der Stadt Benacus berichtet darüber. Römische Familien wurden auch durch Handel reich, und in Benacus soll eine römische Familie mitsamt Villa beim Erdbeben in den See gerissen worden sein. Der traumhaft schöne See, der Lacus Benacus der Römer, war weit in unsere Zeit hinein aber auch eine Wasserstraße, der als Verkehrsweg genutzt wurde. Der See verband den Norden mit dem Landweg nach Trient und den Süden des Sees mit Land- und Wasserwegen bis an die Adria.

Wie es so mancher Tourist unserer Tage aus dem Regen und der Kälte Germaniens an den Gardasee zieht, flohen die Bewohner von Verona oder Brescia aus der Hitze der Städte an den Gardasee. Wer es sich leisten konnte, zog sich im Sommer in seine schattige Villa zurück. Die Ausgrabungen von prunkvoll ausgestatteten römischen Villen rund um den Gardasee zeigen ja, welche Anziehungskraft der See auf wohlhabende römische Bürger hatte. Das trifft besonders auf die am südlichen Ufer des Gardasees gelegene Halbinsel Sirmione zu. Hier befindet sich die wohl berühmteste Ruine einer römischen Villa mit dem seltsamen Namen Grotte des Catull. Archäologen legten eine Anlage von unvorstellbarer Größe frei und niemand kann bis heute sagen, wer in dieser Villa eigentlich gelebt hat. Sie erweckt aber nicht nur die Fantasie von Altsprachlern, sondern lässt auch ganz normale Mitmenschen von einem Leben in Luxus und ewigem Sommern in einer Villa am Gardasee träumen.

Das bevorzugte Siedlungsgebiet der Römer lag an den Ufern des Gardasees. Im fruchtbaren Hinterland wurde verdienten Kriegern Land überlassen. Wenn wir die Olivenhaine als typisch für die Landschaft am Gardasee hinnehmen, so haben wir sie diesen römischen Landbesitzen zu verdanken. Von der Olivenreviera hinein ins Land wird bis heute ein einzigartiges Olivenöl gewonnen. Die Römer kultivierten auch verschiedene Rebsorten und so manchen Wein, den wir hier trinken, soll schon Julius Caesar bei seinen Aufenthalten in Verona erfreut haben. Auf der Halbinsel Sirmione war noch bis zum Ende der Langobardenzeit Oliven- wie Weinanbau auch im landwirtschaftlichen Betrieb des Klosters San Salvatore und auf anderen Großgrundbesitzungen üblich.

Segeln wie die Römer

In Riva del Garda am nördlichen Ufer des Gardasees sieht man im Westen den 1.575 m hohen Monte Rocchetta. Im Osten erhebt sich der 376 m hohe Monte Brione. Das ist im Vergleich mit den anderen Bergen rund um den Gardasee nicht besonders hoch. Aber wie eine schräge Steinplatte ragt der dreieckige Berg in das nördliche Gardaseeufer hinein. Die steil abfallende Ostflanke bildet eine mehrere hundert Meter hohe Felswand. Das ist vom östlichen Ufer des Gardasees betrachtet eine wirklich beeindruckende Kulisse. Man meint, an einem Fjord zu sein oder vielleicht auch bei einer Oper von Richard Wagner? Auf dem Spielplan steht gerade „Tristan und Isolde".

Seit Römerzeit war Riva unter dem Namen Ripa als eine Hafen- und Handelstadt bekannt. Die täglichen Fallwinde bei Riva del Garda entstehen durch die Temperaturunterschiede zwischen Wasser und Land. Die Gardaseewinde sind gefürchtet, aber bei Surfern auch beliebt. Schon die Römer mussten lernen mit den widrigen Winden am Gardasee umzugehen. Am Nordende des Gardasees in Riva del Garda hatten sie eine Segelschule. Wenn man den besonderen Winden am Gardasee gefahrlos trotzen will, muss man auch heute genauso wie gestern erst einmal "richtig" Segeln lernen. Dazu bieten heutzutage Segelschulen rund um den See ihre Dienste an, denn so mancher betätigt sich gern als Freizeitkapitän. Aber auch nationale und internationale Regatten wie die bekannte Centomiglia von Bogliaco werden jeden Sommer auf dem Gardasee ausgetragen.

Langobarden in Italien

UNESCO Weltkulturerbe

Die Langobarden wurden im Jahr 2011 ins UNESCO Weltkulturerbe unter folgendem Begriff aufgenommen:

„Die Langobarden in Italien, Orte der Macht

(568 – 774 n. Chr.)“.

Das interessierte mich ganz besonders. Darin waren die Orte angegeben, von denen wir die meisten in den letzten Jahren schon besucht hatten, wie das langobardische Herzogtum in Brescia oder Cividale del Friuli und auch Spoleto.

Aber andere Orte am Gardasee oder im Etschtal wie hat es auch gegeben. Bedeutet das, sie gehören nicht zu den Orten der Macht, nur weil von ihnen nicht viel mehr als eine ferne Erinnerung geblieben ist?

Die Langobarden am Gardasee, auf Sirmione, in Bardolino, in Trient im Etschtal und in Verona oder Valpolicella sind offenbar aus dem Blick geraten. Sind diese und andere Orte deshalb unbedeutend geworden? Ich glaube nicht.

Was ist mit Verona? Auf dem Palast hoch über der Etsch hat nicht nur der Gotenkönig Theoderich, der Diedrich von Bern aus den Heldensagen, sondern auch der legendäre erste Langobardenkönig Alboin mit seiner Frau Rosamunde residiert. In der näheren Umgebung, nämlich in Brescia, erinnert nicht nur die beeindruckende Ausstellung über die Langobarden, sondern auch an die letzte Langobardenkönigin Ansa. Sie ist in dem von ihr gegründeten Kloster San Salvatore bestattet. Königin Ansa und König Desiderius sind auch als Gründer des gleichnamigen Klosters auf Sirmione bekannt und waren bis zum Ende der Langobardenherrschaft eng mit Sirmione verbunden. Etwas weiter in Monza bestaunen wir die Eiserne Langobardenkrone. Sie wurde möglicherweise schon von Kaiser Konstantin getragen. Wir werden in der von Langobardenkönigin Theodolinda gegründeten Kirche in Monza mit einer Bilderwand von unvorstellbarer spätmittelalterlicher Pracht überrascht. Hier wird an das Leben am langobardischen Hof und an die Hochzeiten erinnert. Königin Theodolinda war eine bayrische Prinzessin, die mit dem noch heidnischen Langobardenkönig Autharie in erster Ehe verheiratet war. Nach seinem Tode heiratete sie erneut. Es war der Langobardenherzog aus Brescia, der neben Theodolinda als König Agiluf in die Geschichte einging.

Eine Reise in die weiter entfernte Stadt Pavia am Fluss Ticino, ist auch heute noch ein wenig anstrengend. Die Straßen sind im schlechten Zustand, sie liegt abseits von den sonst überall in Italien so zahlreich vorhandenen Autobahnen. Ich frage mich, wie Reisende des Mittelalters die Wege in so kurzer Zeit bewältigten konnten. Die Straßen der Lombardei waren damals bestimmt nicht besser als heute.

Aber Pavia, die Haupt- und Krönungsstadt der Langobarden, war auch unser Ziel. Die Eiserne Krone konnten wir in Monza bewundern. In Pavia setzten sich auch Frankenkönig Karl, der spätere Kaiser Karl, die Eiserne Krone der Langobarden aufs Haupt. Aber war die Langobardenherrschaft damit am Ende? Nein, noch lange nicht. Ich habe versucht, sie und ihr Erbe an den genannten Orten aufzuspüren.

Felsen, Burgen, Kirchen

AM GARDASEE

Burgen sind heute Touristenmagneten. Die Burgen, Kirchen und steile Felsen rund um den Gardasee sind aber nicht nur eine romantische Kulisse, sondern sie erzählen den Besuchern auch abenteuerliche Geschichten. Sagen berichten über Könige und Königinnen, Mythen über Drachen, Riesen, Zwerge und Feen. Die Etrusker, Kelten, Römer, Ostgoten und Langobarden hinterließen ihre Spuren nicht nur am Gardasee, sondern in ganz Norditalien. Von Verona hinauf bis ins Etschtal und den Brenner kann man sie verfolgen. Karolinger, Ottonen und schließlich auch Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, sein Enkel Friedrich II., alle waren auch in Verona und am Gardasee. Aber sie haben hier natürlich keine Ferien gemacht. Theoderich der Große, bekannt als Dietrich von Bern der Sage, und auch die Langobarden ließen sich auf den Kultplätzen der Kelten und Burgen der Römer nieder.

Auf den steilen Felsen in Malcesine und Manerba, auf dem Rocca del Garda oder in Torre del Benaco, auf der Halbinsel Sirmione, überall kann man sie mit ein wenig Fantasie noch antreffen. Auf Rocca del Garda spielt die abenteuerliche Geschichte von Königin Adelheid. Die spätere Frau von König Otto I. wurde hier von BerengarII. festgehalten. Ihre Flucht von der Burg Rocca del Garda und weiter per Schiff über den Gardasee nach Lugana, weiter nach Mantua und nach Canossa, gelang mit Hilfe des Mönchs Martino.

Die letzten italienischen Könige - Berengar I. und Berengar II. - residierten hier in Torre del Benaco, Rocca del Garda und Verona. Die Enkel von Desiderius, dem letzten Langobardenkönig, leisteten auf der Burg in Manerba im Valtenesi im Tal der Athener noch zwei Jahre Widerstand. Dann wurden auch sie von den Truppen des Frankenkönigs Karl besiegt. Der Eroberer, Frankenkönig Karl, der spätere Kaiser Karl (genannt der Große), verteilte Kirchen und Klöster sowie andere Besitztümer der Langobarden als Lehen vor allen an das Kloster San Zeno in Verona. Aber auch ins Frankenreich vergab er die Halbinsel Sirmione mit samt Kloster und Burgen. Die Mönche von San Martin in Tours waren von da an die glücklichen Besitzer. Aber im Valpolicella, im Tal der vielen Keller, blieb eine Art religiös-kirchliches Zentrum auch nach dem Ende der langobardischen Herrschaft offensichtlich weiter bestehen. Viele weitere Geschichten und Geschichte von der Antike bis ins Früh- und Hochmittelalter sind mit den Burgen, Kirchen und den hohen Bergen, dem Etschtal von Verona hinauf bis nach Bozen verbunden.

Rocca di Manerba

und der langobardische Widerstand

Wo wir uns wohl fühlen, das ist Pacengo, ein Campingplatz an einem kleinen Hafen am Gardasee. Wenn langsam der neue Tag erwacht und die kleinen Segler wie Fischerboote noch im sanften Morgenlicht schaukeln, träumen sie vielleicht noch oder scheinen zu rufen: Komm mit hinaus ins Reich der Wellen und Winde!

Von unserem Platz in Pacengo können wir am gegenüberliegenden Ufer nicht nur die Halbinsel Sirmione, sondern auch einen Felsen besonders deutlich sehen. Er ragt weit in den See hinein und wir wissen, da liegt Rocca di Manerba! In meiner Fantasie habe ich die beiden Enkel vom letzten Langobardenkönig Desiderius vor Augen. Wie sie schon zwei Jahre warten, immer wieder unruhig den Gardasee beobachten, Rocca di Garda im Blick und auch Sirmione. Dort steht das von Königin Ansa gegründete Kloster San Salvatore nun schon fast zwei Jahre unter der Herrschaft von Frankenkönig Karl. Ach, Karl, sie waren nicht gut auf ihn zu sprechen!

Dann lockt uns der Rocca di Manerba auch wieder einmal auf die westliche Gardaseeseite. Man sagt, hier siedelten bereits Menschen in der Mittelsteinzeit, also ca. 10.000 v. Christus. Wie prähistorische Zeugnisse beweisen, ist das Gebiet um Manerba schon um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. bewohnt worden.

Wir wissen es schon, der Gardasee und seine Umgebung sind voller Mythen und Sagen. Aber für den Rocca di Manerba wird eine besonders geheimnisvolle Geschichte überliefert. Sie hat mit dem seltsamen Namen Manerba zu tun. Zu Ehren der Göttin Minerva befand sich vermutlich ein Heiligtum oder ein Tempel auf dem Felsen. Gelehrte leiten den Namen Manerba von „vicus Minervae“ ab. Minerva war die griechische Göttin der Weisheit und des Ölbaums. Die Sage erzählt, dass sich die Göttin Minerva in der Gegend vom Gardasee zusammen mit anderen Göttern niederließ. Diese hatten sich in Tiere verwandelt, um vor dem Riesen Tifone zu flüchten. Im Zentrum der sog. „Valle degli Ateniesi – Tal der Athener (Valtenesi)“ widmete sich die Göttin dann den Lehren des Olivenbaums und „vielen anderen Künsten“.

Aber auch die griechisch-römische Göttin Minerva, Schutzgöttin für allerlei Handwerk und meist kriegerischen Künsten, kann es gewesen sein, für die die Römer auf dem Felsen Rocca di Manerba einen Tempel errichten ließen. Vielleicht geschah es sogar im Auftrag von Kaiser Augustus (geb. 63 v. Chr., gest. 14 n. Chr., Kaiser von 31 v. Chr. bis zu seinem Tode). Der Kaiser hing bekanntlich dem Kult der Göttin Minerva an. Das erinnert mich an ein Erlebnis. In einem Museum an der Adria hatten wir versucht, Fotos von einem Relief der Minerva zu machen. Das heißt, wir hatten in einem noch nicht fürs Publikum freigegebenen neuen Raum Minerva entdeckt. Das begeisterte aber nur mich, und sie musste unbedingt fotografiert werden. Martin war in den Raum „eingedrungen“. Eine ältliche Museumsangestellte fand das aber überhaupt nicht witzig. Ehrlich gesagt, ich weiß bis heute eigentlich nicht, warum sie schimpfte und uns aus dem Raum drängte. Na gut, Minerva haben wir trotzdem fotografiert.

Aber zurück auf den Berg. Ein Tempel für den Kult der Göttin Minerva, kann das sein? Reste sind nicht mehr vorhanden, eben nur die ferne Erinnerung. Aber was wir wissen und auch beweisen können, ist, dass als nächstes die Römer einen Wachturm errichteten.

Es ist ein heißer Sommertag, kein Lüftchen weht. Wir haben es geschafft, das Auto geparkt und nun nur noch den Berg hinauf. Es ist alles für die Touristen vorbereitet. An einer Informationssäule können wir über den Standort und die Ausgrabungen noch Einiges erfahren.

Die Abbildungen können wir uns in aller Ruhe ansehen und fotografieren.

Damit aber nicht genug. Unabhängig von den Eindrücken, wie unsere Vorfahren ihren Alltag hier gestalteten, wann sie hier lebten, werfen wir noch einen Blick in den Way-of-Life unserer Tage. Eine nicht mehr ganz so junge Frau trainiert auf dem Felsaufgang. Sie ist mit allen erdenklichen Messgeräten ausgestattet. Sie läuft den ersten Abschnitt der Holztreppe mehrmals hinauf und wieder hinab, um dann die Messergebnisse irgendwohin zu versenden. Sie wirkt leicht genervt, denn einige Touristen wollen nun endlich auch hinaufsteigen auf diesen Felsen, der so schräg in den Gardasee hineinragt. Schließlich gibt sie die Treppe frei, und auch wir machen uns nun auf den Weg nach ganz oben.

Valtenesi

Wie viele Geschichte zeigen, hatten schon die Römer mit Eindringlingen reichlich Bekanntschaft gemacht. Auch die Valtenesi hatten im Laufe der Zeit schon reichlich Erfahrung mit Überfällen sammeln können. Da mussten Schutzburgen angelegt werden, um die Hunnenüberfälle zu überstehen und immer wieder war auch Leib und Gut in Gefahr.

Eigentlich war es über einen längeren Zeitraum ruhig geblieben, und der große Überfall auf ihr Gebiet im Jahr 776 kam für alle ganz unvorbereitet und vor allem leise daher. Kein Kriegsgetümmel, keine Überfälle, alles geschah fast lautlos. es war unheimlich. Sie wurden überrascht von Frankenkönig Karls Truppen. Der langobardische Widerstand auf der Burg in Manerba war einfach wie ein Kartenhaus zusammengefallen.

Zwei Jahre hatten die beiden Enkel von König Desiderius und Königin Ansa mit ihren Wachen ausgeharrt. Die Namen der beiden Enkel sind uns leider nicht überliefert. Auch steht nicht fest, ob sie sich erst nach der Niederlage im Jahr 774 auf die Burg Manerba am Westufer des Gardasees zurückgezogen oder ob sie dort bereits residiert hatten. Zwei Jahre lang harrten sie aber aus, und haben offensichtlich vergeblich versucht, auch den letzten Widerstand zu leisten.

Überfälle kamen in der Regel bei Nacht und Nebel. Fast alle Burgen am Gardasee waren darauf vorbereitet. Auch Desiderius Enkel glaubten wohl, der Überfall würde vom See her geschehen, und sie hätten von der Landseite nichts zu befürchten. Die Burg thronte hoch auf dem Felsen, sie schien so uneinnehmbar wie die Burg auf Rocca del Garda zu sein. Auch sie hatten wohl keine oder wenig Vorsorge getroffen. Es blieb ja auch zwei Jahre lang alles ruhig. Eine trügerische Ruhe, wie sich herausstellen sollte. Ob sie und ihre Wachen nach so langer Zeit immer noch den See beobachteten, das war ganz unwichtig geworden. Denn nun rückten die Angreifer von der Landseite heran.

Eine schöne Erfolgsgeschichte

November 268

Die Schlacht zwischen Alamannen und Römern am Gardasee! An den Ufern des Gardasees ging es nicht immer so friedlich zu wie heute. Ein alamannisches Heer mit 100.000 Kriegern kam über den Brenner und drang unaufhaltsam auf römisches Gebiet vor. Sie konnten rasch große Teile Norditaliens besetzen, denn das römische Heer war durch innere Unruhen geschwächt. Aber auch die Invasion der Goten und die Schlacht bei Naissus waren wohl auch ein Grund. Kaiser Gothicus versuchte es zuerst mit Verhandlungen. Er wollte den Abzug der Alamannen erreichen, aber der Versuch scheiterte. Schließlich musste es im November 268 an den Ufern des Gardasees doch zum Kampf kommen. Kaiser Claudius Gothicus (um 214 geboren und 270 an der Pest gestorben) stand nun mit nur 35.000 Soldaten 100.000 alamannischen Kriegern gegenüber. Angeblich wurden über 50.000 der gegnerischen Alamannen getötet oder kamen in Gefangenschaft. Die nach der Schlacht noch verbleibenden Alamannen flüchteten zurück über die Alpen. Claudius Gothicus war von 268 bis 270 Kaiser. Hier am Gardasee gelang ihm trotz der Unterzahl an Soldaten ein triumphaler Sieg. Wie aber allgemein in Kriegen üblich, ist das wohl eine Übertreibung der römischen Geschichtsschreiber. In der wirklich angespannten Situation des römischen Reiches musste der Sieg über 100.000 Alamannen aber dafür herhalten, ihn möglichst glanzvoll erscheinen zu lassen.

Quellen: Aurelius Victor: Epitome c. 34.2 Literatur zum Nachlesen: Karlheinz Fuchs, Martin Kempa, Rainer Redies (Redaktion) in Ausstellungskatalog Die Alamannen, Theiss Verlag 2001.

Wikipedia.org/wiki/Schlacht_am_Lacus_Benacus

Überfälle und Vertreibungen hatten eine lange Tradition, wie man sehen kann. Auch die Kelten waren auf dem Burgfelsen und der weiteren Umgebung von Manerba zuhause gewesen. Sie waren von den Römern besiegt und vertrieben worden. Aber als im Jahr 776 ein fränkisches Heer anrückte, waren die Valtenesi nur noch schockiert. Hier hatte man wohl wenig vom Ende des Langobardenreiches mitbekommen. Alles schien in Ordnung zu sein. Auf der Burg wachte man, sorgte für Sicherheit, alles war so, wie es immer gewesen war. Alle Franken und besonders auch König Karl hatten eigentlich immer ein gutes Verhältnis zu den Langobarden gehabt. Sie entstammten nicht nur verwandten germanischen Stämmen, sondern hatten sich in so manchen kriegerischen Konflikten oder Eroberungszügen beigestanden. So hatte beispielsweise König Luitprand zusammen mit Karl Martell, dem Großvater von König Karl, die Araber bei Tours und Poitier vertrieben.

Aber seitdem der Enkel von Karl Martell nach nur zwei Jahren Ehe seine Frau verstoßen hatte, war alles anders geworden. Die schöne langobardische Prinzessin war König Desiderius und Ansas Tochter. Sie war also eine enge Verwandte von den beiden, die da auf der Burg ausharrten. Man fragt sich, welche Idee steckte eigentlich hinter dem Widerstand? Hatten die beiden gehofft, die Situation doch noch ändern zu können?

Vielleicht wollten sie abwarten, um dann mit einem kleinen Heer zuzuschlagen. Wollten sie vielleicht sogar das Langobardenreich zurückerobern? Möglich ist das, denn ihre persönlichen Empfindungen, die Schmach, dass Karl seinen Schwiegervater König Desiderius in Haft genommen und nach Frankreich ins Kloster Corbie verbannt hatte, spielten bestimmt eine Rolle. Aber nun war alles Ausharren vergeblich gewesen. König Karls Soldaten erschienen überfallartig. Die Burg auf dem Felsen in Manerba wurde eingenommen und sollten Desiderius Enkel Rache- oder Rückeroberungspläne gehabt haben, so waren sie nun wie Seifenblasen zerplatzt.

Rocca di Manerba. Was war geschehen?

Frankenkönig Karl hatte die Königsstadt Pavia von September 773 an belagert. Langobardenkönig Desiderius hatte noch bis Juni 774 Widerstand geleistet, dann gab er auf. Karl ließ sich in Pavia zum König krönen und war nun König der Franken und Langobarden. Die Enkel des letzten Langobardenkönigs Desiderius und seiner Frau Ansa gaben die Burg in Manerba nach zweijährigem Widerstand im Jahr 776 auf. Es war das letzte Aufbegehren gegen Frankenkönig Karl.

Der Felsen von Manerba

Hier in Manerba kann man noch Reste der Burgfestung auf dem Rocca di Manerba sehen. Leider sind nur noch einige wenige Ruinen vorhanden, denn die Langobardenburg wurde schon vor langer Zeit zerstört. Der Grund waren die Räuberbanden, die sich dort niedergelassen hatten und mit ihren Raubzügen Schrecken unter der Bevölkerung verbreiteten. Die Burg wurde deshalb wohl von den Venezianern zerstört. Heute ist sie nur noch eine Ruine, aber sie wurde nicht, wie so viele Burgen am Gardasee oder in der Umgebung, wieder aufgebaut. Schade, finde ich.

Aber die Scalinger hatten ganz offensichtlich auch kein Interesse und bauten lieber andere bestehende Burgen am Gardasee aus. Strategisch lag die Langobardenburg auf dem Felsen in Malcesine am nördlichen Ufer eigentlich günstig. Aber weitere Burgen am Ostufer wie Torre di Benaco, Lazise und natürlich auf der Halbinsel Sirmione im Süden des Sees waren offenbar mehr von strategischem Interesse. Von diesen Punkten aus konnte der Gardasee beobachtet und optimal kontrolliert werden.

Meine Gedanken kreisten um das, was ich hier sehen wollte. Es war die Burg, auf der die Langobarden ausgeharrten, aber schließlich doch von den Truppen König Karls besiegt wurden. Das war im Jahr 776 und das ist wirklich lange her. Ich frage mich, wie sie es ohne heutige Waffentechnik und Helikopter schafften. Aber vielleicht haben die beiden Langobarden auch einfach nur kapituliert? Wer kann es ihnen verdenken, denn die Truppen waren nicht gerade zimperlich, wenn es darum ging, die Befehle König Karls auszuführen. Sachsenkriege und die damit verbundenen Massaker fallen mir ein. Genaueres bleibt aber heute nur der Fantasie überlassen.

Aber nun nehmen andere Gedanken oder Gefühle erst einmal von mir Besitz. Ich wünschte, ich wäre so fit wie diese Frau, denn schon bald musste ich schnaufen. Ein mehrfach gewundener Aufgang in Form einer Holztreppe führt auf den steilen Felsen von Manerba hinauf. Dann muss man auf eigene Gefahr bis zum Gipfel hochgehen. Das haben wir auch gemacht und wurden mit einem grandiosen Blick über den See nach Garda und Sirmione sowie auf die Bucht von Salò hin nach Maderno belohnt.

Maderno - Toscolano - Manerbaund eine romanische Kirche

Was hat Maderno und Toscolano mit Manerba und den Enkeln des letzten Langobardenkönigs Desiderius zu tun? Nach dem Niedergang des römischen Reiches um 476 siedelten bekanntlich zunächst die Goten und bald darauf die Langobarden auch rund um den Gardasee. Ob sich die Langobarden erst im 8. Jahrhundert auf der Burg in Manerba niederließen, ist unwahrscheinlich. Vermutlich bestand ihre Burg schon länger, denn nicht allzu weit entfernt liegt der Ort Maderno mit der romanischen Kirche Sant Andrea.

Sie steht nämlich auf einem langobardischen Vorgängerbau. Die Langobarden wiederum erbauten ihre Kirche auf den römischen Grundmauern, genauso wie sie es in anderen Orten machten. Maderno war der Hauptort des Westufers und seit römischer Zeit ein bedeutender Handelsort. Auch die Langobarden setzten diese Tradition fort. Der Grund war ganz einfach, Maderno lag günstig auf dem Seeweg am Gardasee und auf dem Landweg von Brescia nach Sirmione und Verona. Maderno war aber nicht nur in langobardischer Zeit ein bedeutender Ort. Das setzte sich auch nach den Karolingern weiter fort. Im Jahr 969 erhielt Maderno Privilegien von Kaiser Otto I., und bei Kaiser Barbarossa war der Ort auch nicht vergessen worden.

Wenn wir einen Sprung ins Hoch- und Spätmittelalter wagen, machten es Papiermühlen im Valle delle Cartiere -Tal der Papiermühlen- am Toscolanobach schließlich ab 1381 auch möglich, hier Papier aus Lumpen herzustellen. Mit diesem exklusiven Papier wurde beispielsweise Venedig beliefert.

Es folgte die Erfindung der Druckmaschine und so musste ab 1456 die katholische lateinische Bibel Vulgata nicht mehr handschriftlich vervielfältigt werden. Sie wurde hier auch gedruckt. Ob die katholische Bibel, die Martin Luther schließlich ins Deutsche übersetzte, auch auf dem Papier aus dem Tal der Papiermühlen gedruckt wurde, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. ... und dann sind wir wieder in Maderno. Wie immer, es ist nicht unser erster Besuch. Der kleine Platz vor der Kirche Sant Andrea an der Bucht mit dem Blick auf den Felsen von Manerba liegt noch still in der Mittagssonne.

Nur wenige Touristen scheinen sich für diese Kirche zu interessieren. Sie wird gern als ländlich dargestellt, so wird sie zumindest in einem Führer beschrieben. Vielleicht deshalb, weil Sant Andrea in den Jahren von 1130 bis 50 erbaut wurde und heute abseits der Touristenströme liegt.

Andere Orte wie Torbole und Riva, die Burgen in Malcesine oder auf der Halbinsel Sirmione verlocken mit schönen Bildern und laden zum Besuch ein. Dort muss der Tourist gewesen sein, und dann hat er zu Hause auch viel zu erzählen. Aber Sant Andrea? Nein, die Kirche hat nichts Sensationelles anzubieten. Aber bei näherer Betrachtung ist sie aber weit mehr als eine „ländliche“ Kirche, nämlich eine Meisterarbeit der langobardischen Romanik.

Auch in dem Café oder Schnellrestaurant, was auch immer es ist, lässt sich niemand blicken. Aber wir setzen uns einfach einmal an einen Tisch. Das ist wie für mich gemacht. Ich sitze nämlich genau neben dieser romanischen Kirche Sant Andrea und kann sie in aller Ruhe betrachten. Alte Damen gehen hinein, rechts von der Kirche ist ein Brunnen, ein Vater wäscht dort sein kleines Kind und nebenan im Hof mit den römischen Sarkrophagen und allerlei ausgestellten Säulenresten findet ein Wohltätigkeitssammlung statt. Auch hier gehen Frauen mit Taschen und Tüten bepackt hinein.

Wir sitzen eine Weile, Chou-Chou hat sich unter den Tisch gelegt und döst ein wenig. Ja, es ist heiß und Ruhe kann man ganz gut gebrauchen. Schließlich begreifen wir, dass uns hier keine aufdringliche Bedienung entweder zum Verlassen oder zu irgendeiner Bestellung auffordern wird. An der Hausfassade hängt eine Art Speisekarte. Nein, da ist nichts für mich dabei. Dann steht da aber auch noch eine große Gefriertruhe neben der Tür, Eis wird zum Verkauf angeboten. Tüteneis oder lieber ein Rieseneisbecher, wie wäre es denn damit?

OK - gedacht, gesagt und Martin versucht in der winzigen Bar die Bestellung aufzugeben. Etwas später steht ein großer Erdbeereisbecher vor mir auf dem Tisch. Ich könnte stundenlang weiter auf Sant Andrea oder auch auf den Gardasee schauen. Diese Kirche hat im Gegensatz zu der in Cisano am Ostufer eine Fassade aus grauem, weißem und rosa Marmor. Auch die Wandgliederung wird noch mittels Blendbögen, Friesen und Halbsäulen erreicht. Das ganz besondere an Sant Andrea ist aber, dass die Fassade oben mit Randbögen abschließt, auf der zahlreiche, auf menschliche Köpfe skulpierte Konsolsteinen, aufliegen. Was das zu bedeuten hat, was sie darstellen, bleibt mir vorerst im Dunklen. Eigentlich waren wir nur nochmals nach Maderno gefahren, um uns die Krypta einmal genauer anzuschauen. Es soll sich hier auch um eine besondere Krypta, eine Bühnenkrypta, handeln. Wir konnten aber nichts Außergewöhnliches erkennen. Wie in einer alten katholischen Kirche üblich stand in der Krypta von Sant Andrea ein Sarg aus Stein, wohl das Grab eines lokalen Heiligen.

Ob hier im langobardischen Vorgängerbau auch eine Krypta ähnlich wie in Bardolino gewesen ist, hätte mich wirklich interessiert. Aber Informationen über die Baugeschichte konnte ich leider bis jetzt nirgendwo finden. Warum soll es hier anders als in Bardolino oder in anderen langobardischen Kirchen in Norditalien gewesen sein? Das ist eher unwahrscheinlich. Enttäuscht bin ich aber trotzdem.

Versunkene Städte

Benacus und Garda

Die älteren Bewohner der Gardaseegegend erzählen immer wieder von versunkenen antiken Städten wie Benacus und Garda. Die eine lag am Westufer, die andere am Ostufer des Gardasees. In der Nähe der heutigen Stadt Toscolano lag die große Stadt Benacus, die wohl von Etruskern gegründet worden war. Römer zogen ein, trieben bald Handel und wurden reich. Gleich nebenan in Maderno haben wir ja die Kirche Sant Andrea gesehen, sie ist auf einem römischen Tempel gegründet. Auch in dem nahegelegenen Benacus, dem heutigen Toscolano entstanden prunkvolle Gebäude, Denkmäler, Tempel und Burgen, so sagt man.

Sie prägten das Stadtbild bis auf den Tag, als durch ein gewaltiges Erdbeben Wasser und Geröll alles zu Tal riss und die Stadt verschüttete. So erzählt es die Volkssage.

Das ist durchaus glaubwürdig, denn auch die Gegend um den Gardasee ist im Laufe der Jahrhunderte immer wieder von schweren Erdbeben erschüttert worden. Um das Jahr 1117 zerstörte und beschädigte es viele kleinere oder auch große Kirchen am Ostufer und in der weiteren Umgebung. So zum Beispiel auch die Klosterkirche von San Zeno in Verona. Aber auch in der jüngsten Vergangenheit am 30. Oktober 1901 wurden Städte am Westufer durch Erdbeben erschüttert. Es wurde Gebäude beschädigt und Salò gar in einen Trümmerhaufen verwandelt. Gegenwärtig traf es 2014 und 2015 wieder einmal die Ostküste. Ein gewaltiges Grollen und Rumpsen erschütterte zuerst den Nordgardasee und schreckte die Bewohner und Touristen auf. Ein Jahr später war der Süden dran. Sogar in Peschiera wurden Häuser beschädigt. Aber bei keinem der Beben wurden Menschen verletzt oder gar getötet.

Anders zur Römerzeit in Toscolano. Eine Felsspalte brach auf. Eine reiche römische Familie wurde samt Haus in die Tiefe mitgerissen. Und wenn dereinst ein Fährmann langsam am Ufer von Toscolano vorbeifuhr, wies er in Erinnerung an diese ferne Katastrophe auf die Umrisse der umgekehrten und zertrümmerten Bauten, Türme und Tempel auf dem Grund des Sees hin. Ja, nicht nur er meinte, sie tatsächlich noch zu sehen. Die Sage von der versunkenen Stadt Benacus wird bis zum heutigen Tage nicht nur von Fischern oder Fährmännern erzählt. Unterwasserarchäologen, aber auch Hobbytaucher haben im wahrsten Sinne des Wortes schon versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Bis jetzt konnten sie hier aber noch keine Ruinen von Tempeln oder Häusern finden. Ist das vielleicht doch nur reine Fantasie?