CANYON - Tom Abrahams - E-Book + Hörbuch

CANYON E-Book und Hörbuch

Tom Abrahams

4,0

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Beschreibung

Er ist heimatlos. Er ist auf der Flucht. Und er will Rache. Marcus Battle musste Haus und Hof zurücklassen. Nun ist er auf der Suche nach einem vermissten Kind – eine scheinbar unlösbare Mission, denn was ihn wirklich antreibt, ist der Wunsch nach Rache. Rache an jenen Männern, die sein Leben zerstörten. Die Welt, durch die ihn seine Reise führt, ist nicht mehr so, wie er sie in Erinnerung hatte, bevor eine Seuche zwei Drittel der Weltbevölkerung dahinraffte. Sie ist zu einem gesetzlosen, verdorbenen Ort verkommen, der weitaus tödlicher ist als die Seuche, die sie schuf. Battle gab das Versprechen, dieses Kind zu finden und zu retten. Ein Versprechen, welches er mit jedem weiteren Schritt auf seiner Reise mehr bereut, denn nun ist er nicht länger nur Jäger, sondern auch Gejagter. Die actiongeladene Fortsetzung des Bestseller-Romans "Die Farm".

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Seitenzahl: 365

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Zeit:8 Std. 40 min

Sprecher:Martin Valdeig

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CANYON

Traveler Serie – Band 2

Tom Abrahams

übersetzt von Andreas Schiffmann

Copyright © 2015 by Tom Abrahams

All rights reserved. No part of this book may be used, reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage or retrieval system, without the written permission of the publisher, except where permitted by law, or in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.

Wem Böses (an)getan wird, der vergelte mit Bösem.

W. H. Auden

Für Courtney, Samantha und Luke, meine hell strahlenden Lichter

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: CANYON Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Andreas Schiffmann Lektorat: Astrid Pfister

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-365-7

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

CANYON
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Über den Autor

Kapitel 1

3. Januar 2020, 14:31 Uhr – Jahr zwölf, Monat neun vor dem Ausbruch – Aleppo, Syrien

Als der improvisierte Sprengsatz ohne Vorwarnung zündete, wurden drei der sechs Soldaten, die in der Nähe der Abdul-Wahab-Agha-Klinik am Westrand der Stadt patrouilliert hatten, von Rohrstücken, Glasscherben, Metallkugeln, roten Fellfetzen und Holzschrauben getroffen.

Die Explosion riss Captain Marcus Battle den Boden unter den Füßen weg, sodass er mit dem Hinterkopf – er trug zum Glück seinen Helm – auf das von Kratern durchzogene Pflaster der Avenue Sultan Suleimans des Prächtigen schlug. Er war kurz benommen und in seinen Ohren klingelte es so laut, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

Während er in den hellblauen, wolkenlosen Himmel starrte, bildete er sich fast ein, gerade in Kileen zu sein und mit Sylvia im Gras zu liegen. Diese seltsame Vorstellung verschwand allerdings fast so schnell wieder, wie sie gekommen war. Durch den schrillen Ton in seinen Ohren drangen jetzt langsam auch dumpfe Kreischlaute und qualvolle Schreie.

Er wälzte sich auf die Seite und schaute in die Richtung, wo die verschlissene Plüschfigur Elmo aus der Sesamstraße, in die Luft geflogen war. Zwei seiner Kameraden standen noch und schauten gerade nach dem, was von den anderen drei übrig geblieben war. Plötzlich zuckte der eine krampfartig, warf seinen Kopf in den Nacken, und brach in einem roten Sprühnebel zusammen. Der andere ließ sich daraufhin sofort auf den Bauch fallen und eröffnete augenblicklich das Feuer mit seinem HK416-Gewehr. Er schoss auf mehrere Ziele, während er noch nach dem gegnerischen Schützen suchte, wurde dabei aber zweimal ins linke Bein getroffen.

Battle, der immer noch nicht ganz klar im Kopf war, drehte sich wieder um und fand sein eigenes HK416. Es lag genau neben ihm, also zog er es näher heran, erhob sich auf ein Knie und fing ebenfalls an zu feuern.

Er hörte nichts, konnte kaum fokussieren und war sich gar nicht sicher, ob er überhaupt noch lebte oder schon tot war, aber er stand auf und machte sich auf den Weg in die Richtung, aus der die Schüsse kamen. Ein Schuss traf ihn an der Seite seiner Panzerweste, sodass er kurz zurückzuckte und sich vorkam, als habe er einen kräftigen Schlag in die Magengrube abbekommen. Dennoch stieß er vollkommen ungeschützt weiter vor, bis er die dreißig Patronen im Magazin aufgebraucht hatte, und ging dann hinter der Karosserie eines umgekippten und ausgebrannten Pick-ups in Deckung.

»Battle!«, rief der verwundete Soldat nun, als vorübergehend mal nicht geschossen wurde. Er war hinter einer Leitplanke aus Beton geschützt, wo er sich auf seinem unversehrten Bein hingeschleppt hatte, relativ gut geschützt. »Ich sitze fest und die anderen sind tot! Hau ab und versuche, Hilfe zu holen!«

Aber Battle verstand ihn nicht, das hochfrequente Klingeln in seinen Ohren dauerte noch an, doch wenigstens sah er allmählich wieder besser. Er wechselte das Magazin und schaute dann vorsichtig durch die Löcher in der Karosserie. Hinter ihm stand ein dreistöckiges Gebäude. Die Fenster waren teilweise oder vollkommen zerbrochen, doch er konnte nicht erkennen, aus welchem davon der Scharfschütze feuerte. Er drehte sich wieder nach seinem Patrouillen-Partner um. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis dieser erschossen werden würde. Er konnte ihn doch nicht einfach so im Stich lassen.

Während Battle seinen Rücken gegen die Unterseite des Fahrzeugs drückte, sprach er ein kurzes Gebet, dann vollzog er eine Drehung ins Freie, zielte auf das Gebäude und drückte ab. Die kurze Salve sollte ihn schützen, solange er den kurzen Weg zur Eingangstür zurücklegte, der voller Trümmer war. Nachdem er hindurchgelaufen war, fand er sich irgendwann in einem engen Treppenhaus aus Beton wieder, wo es penetrant nach Urin stank.

Während Battle die erste Stufe hinaufrannte, spürte er, dass das Geländer bebte, und schlussfolgerte deshalb, dass die Schüsse aus einem der oberen Stockwerke kamen. Weil sein Kopf extrem wehtat, kniff er die Augen zusammen und biss die Zähne zusammen. Nachdem er die nächsten Stufen genommen hatte, blieb er kurz stehen, um die Vibration zu erforschen, konnte aber dennoch nicht bestimmen, aus welcher Richtung sie kam.

In dem Moment, als er ins zweite Obergeschoss steigen wollte, konnte er trotz seiner klingelnden Ohren die kehligen Stimmen von zwei Männern hören, die für ihn unverständlich miteinander diskutierten. Kein Zweifel, sie befanden sich auf dieser Etage.

Battle presste sich mit dem Rücken an die Wand links neben der Tür und streckte vorsichtig die linke Hand nach dem Griff aus, um sie ganz zu öffnen. In seinem Magazin steckten noch etwa fünfundzwanzig Patronen, schätzte er. Nachdem er tief Luft geholt hatte, drehte er den Knauf, öffnete die Tür, und trat mit auf was auch immer gerichteter Waffe in den Türrahmen.

Zunächst sah er niemanden. Es war nur ein leerer Flur, dunkel bis auf eine Stelle am anderen Ende des Ganges. In dem Licht am Rande seines Sichtfeldes nahm er allerdings Bewegungen wahr. Es handelte sich dabei um eine offene Tür, die garantiert zu den beiden Männern führte, die auf seinen Kameraden geschossen hatten.

Sie luden gerade nach – Kalaschnikows vom Typ AK-104, so wie es aussah. Einer von ihnen ging mit einem Feldstecher hin und her. Er zeigte hektisch in irgendeine Richtung und herrschte dabei seinen Gefährten an, der einzelne Patronen in ein Stangenmagazin schob. Dies erklärte die langen Pausen zwischen den Salven. Das Fenster hinter ihnen besaß kein Glas mehr und davor stand ein Kleiderschrank, den sie als Deckung benutzten.

Battle witterte seine Chance.

Er atmete noch einmal tief ein und sprintete dann los. Im vollen Lauf brüllte er, so laut er konnte, und feuerte dabei.

Wumm! Wumm! Wumm! Wumm!

Kaum, dass sich der Schussbeobachter zu ihm umdrehte, schlugen Kugeln in dessen Brust ein. Er ließ den Feldstecher fallen und taumelte rückwärts. Battle feuerte weiter, als er die offene Tür erreichte.

Wumm! Wumm! Wumm! Wumm!

Die zweite Salve traf den Hals des Mannes und warf ihn mit Wucht in die Ecke des Zimmers. Battle stürzte hinein, drehte sich im Laufen um und rutschte dann auf den Toten zu. Rechts von ihm kniete noch der Schütze und versuchte gerade hektisch, das Magazin in sein Gewehr zu stecken. Er schaffte es allerdings nicht. Battle hielt den Abzug seines HKs weiterhin gedrückt.

Wumm! Wumm! Wumm! Wumm! Wumm! Wumm! Wumm! Wumm!

Die Kugeln gingen glatt durch den Körper seines Gegners hindurch, der nun erschauderte und schließlich rücklings umfiel. Battle nahm die Waffe herunter, um direkt auf den Kopf des Syrers zu zielen, und feuerte sicherheitshalber noch ein paar Mal.

Wumm! Wumm! Wumm! Wumm!

Nun vergewisserte er sich, dass sonst niemand mehr in dem Raum war, der seines Erachtens nach der Schlafsaal einer Ärzteschule oder einer nahegelegenen Universität war. Auf dem Boden lag eine Matratze, an einer Seite stand ein Tisch. Der von Schüssen durchlöcherte Kleiderschrank verdeckte weiterhin die untere Hälfte des zerbrochenen Fensters. Er schaute nach rechts, dort hatte jemand etwas auf Arabisch an die Wand gesprüht, wo Einschusslöcher vermuten ließen, dass jemand von draußen das Feuer erwidert hatte.

Battle drückte seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger zusammen, dann öffnete er den Riemen seines Helmes und das Klingeln ließ langsam nach. Nun hörte er Gegröle von der anderen Straßenseite, widerstand aber dem Impuls, ans Fenster zu treten. Gut möglich, dass dann einer seiner Kameraden versehentlich auf ihn schoss.

Er fasste sich ins Genick und tastete dort nach seinem Ohrknopf. Als er ihn fand, steckte er ihn ins rechte Ohr und drückte die Sprechtaste seines Funkgeräts. Es funktionierte nicht mehr, also brüllte er einfach hinaus und hoffte dabei, dass seine Stimme weit genug trug.

»Ich bin's, Battle! Alles sauber! Bedrohung neutralisiert!«

»Battle, Buck hier. Ich bin verletzt, brauche Hilfe.«

Buck. Rufus Buck. Er war der andere Überlebende. Die Männer mochten ihn, denn er war ein geborener Anführer. Er stammte aus Texas, genauso wie Battle, der ihn allerdings nicht zu seinen liebsten Soldaten zählte. Buck hielt sich im Gegensatz zu den anderen nicht immer an die Einsatzregeln, sondern legte sie gern mal zu seinen eigenen Gunsten aus. Nichtsdestotrotz war er Amerikaner, ein Kamerad und gerade hilfsbedürftig.

»Ich bin schon unterwegs!« Nachdem sich Battle vergewissert hatte, dass keine Gefahr mehr von dem Zimmer ausging, kehrte er ins Treppenhaus zurück und schlug sich durch die qualmenden Trümmer zurück nach unten.

Während er die bröckelige Asphaltstraße überquerte, sah er zum ersten Mal das volle Ausmaß der Zerstörung, die der Sprengsatz in der Plüschfigur angerichtet hatte. Ihm kam unweigerlich die Galle hoch. Er konnte weder Arme von Beinen, geschweige denn die einzelnen Leichen voneinander unterscheiden. Einzig anhand der Namen auf den blutigen Fetzen ihrer Tarnuniformen ließen sie sich noch identifizieren.

»Sind Sie es?«, fragte Battle nun Buck, einen Sergeant First Class. Er hatte die Unteroffizierslaufbahn eingeschlagen, war NCO der Soldstufe E-7, und tanzte nicht immer nach der Pfeife seiner Vorgesetzten, da diese seiner Meinung nach oft überstürzt handelten.

»Ich bin's.« Buck lehnte sich an die Leitplanke. »Ich weiß bloß nicht, wie lange noch.«

Als Battle hinter die Betonkonstruktion trat, sah er, wie schwer der Sergeant tatsächlich verletzt war. Er hatte sich ein Bein direkt über dem Knie abgebunden und alles darunter schien ein einziger blutiger Brei zu sein. Der Fuß stand schief und war unnatürlich verdreht.

»Sie müssen mir wohl helfen.« Buck war blass und seine Augen wirkten so, als wenn sie sich in den Schädel zurückgezogen hätten. Battle ahnte, dass Buck viel Blut verloren hatte. »Ich wollte Unterstützung rufen, aber es wird wohl niemand kommen, denn unsere Funkverbindung ist abgebrochen.«

»Ich weiß. Können Sie gehen?«

»Was glauben Sie denn?«

»Entschuldigung, das musste ich einfach fragen.« Battle ließ seinen Blick über das Trümmerfeld schweifen. »Ich werde Sie tragen.«

»Sie werden was?«

»Wir haben leider keine andere Wahl. Ich werde Sie auf dem Rücken zurück zum Checkpoint tragen. Von dort aus können wir dann Hilfe anfordern.«

»Der dürfte aber gut und gern eine Stunde entfernt sein.«

»Mindestens.«

»Das schaffen Sie niemals. Bis dahin bin ich verblutet.«

»Dann schlagen Sie doch etwas Besseres vor.«

»Sie gehen allein und suchen Hilfe, dann kommen Sie mich holen.«

»Das wird zu lange dauern«, hielt Battle dagegen, »und die Gruppe, von der wir annahmen, sie habe diesen Stadtteil unter Kontrolle, hat es offensichtlich nicht. Sie sind tot, lange bevor ich zurückkehre.«

Buck streckte einen blutverschmierten Zeigefinger an Battle vorbei aus. »Und wie wäre es damit?«

Der Captain drehte sich um und entdeckte eine kleine Schubkarre. Sie lag auf der Seite und ihre Ladung Reis befand sich verstreut daneben. Er lief hinüber, stellte sie auf, um zu prüfen, wie stabil das lockere Rad war – es eierte – und fuhr sie dann zu Buck.

»Einen Moment noch«, sagte er und ging zu den Leichenteilen der Gefallenen hinüber. Nachdem er allen die Hundemarken vom Hals gezogen hatte, legte er ihnen vorsichtig eine der Marken in den Mund und steckte die andere ein.

»Versuchen wir es«, sagte er nach dieser makabren, aber notwendigen Pflicht. Er hob Buck in die Schubkarre und dieser ließ sein verletztes Bein seitlich heraushängen.

Der Sergeant löste nun den Riemen seines Helms und warf ihn achtlos auf den Boden. »Also gut.« Er verzog sein Gesicht. »Dann mal los.«

Kapitel 2

15. Oktober 2037, 04:48 Uhr – Jahr fünf nach dem Ausbruch – Abilene, Texas

»Lassen wir die Leichen einfach hier?«, fragte Lola.

Battle begutachte seine Arbeit, während er die Hände in die Hüften stemmte. »Ja. Wir haben leider keine Zeit, um sie nach draußen zu schleppen und anständig zu begraben.«

Es waren vier Tote, ausnahmslos unbedeutende Mitglieder, die sich überschätzt hatten. Battle hatte seine 9mm-Sig-Sauer auf denjenigen mit dem Namen McDunnough leer geschossen. Die Männer waren überhaupt nicht dazu gekommen, sich zu wehren. Ihr rangniederes Dasein in der Hierarchie des Kartells hatte ein jähes und grausames Ende gefunden.

Als Battle in die glasigen und ausdruckslosen Augen eines anderen schaute – Hedgepath, ein Trickbetrüger – fiel ihm ein, dass er vor dem Schießen gar nicht gebetet hatte. Dazu war heute keine Zeit gewesen.

Nun trat er über den Toten hinweg und kniete nieder. Er nahm seinen Cowboyhut vom Kopf und hielt ihn sich an die Brust.

»So fern der Osten ist vom Westen«, flüsterte er, »hat er von uns entfernt unsere Vergehen.« Diesen kurzen Sinnspruch wiederholte er auch vor den drei übrigen Leichen.

»Du betest für sie?«, rief Lola. »Ernsthaft?«

Sie stand unten in der Arena zwischen dem Kartentisch und der Parkfläche.

»Ich habe für mich selbst gebetet«, antwortete er. »Für sie käme sowieso jedes Gebet zu spät.« Nachdem er seinen Hut wieder aufgesetzt hatte, hob er die Waffen auf, die keiner der Männer mehr brauchen würde.

Lola schaute an ihm vorbei auf die Leichen, bevor sie ihren Blick wieder auf ihn richtete. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und rieb sich die Oberarme.

»Ist dir kalt?« Battle nahm die Waffen des letzten Mannes und ging an ihr vorbei, um das Zeug hinten auf den Hummer zu legen.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich frage mich bloß …«

»Was?« Als sie den Wagen erreichte, wuchtete er die Waffen gerade hinein und schlug die Fahrertür wieder zu.

»Wie konntest du das nur tun?«

»Was?«

Sie starrte ihn fassungslos an, während sie ihre Arme ausbreitete, um auf das Blutbad in der Arena zu verweisen. »Das! Wie hast du es geschafft, vier Männer zu töten, als sei es ein Kinderspiel? Wie ist dir das alles gelungen, was du bei dir zu Hause gemacht hast?«

»Keine Ahnung.« Er zog seine Schultern hoch. »Ich habe einfach nicht großartig darüber nachgedacht.«

»Ich habe schon viel krassen Scheiß erlebt«, fuhr sie leiser fort, »und bin einer Menge schlechter Menschen begegnet. Die hatten wirklich grauenvolle Dinge getan und waren von der übelsten Sorte, doch keiner von denen hätte es mit dir aufnehmen können.«

»Ich war in der Army«, erklärte Battle. »Ich war …«

Salomon Pico kam nun durch die breite Einfahrt auf der anderen Seite der Arena hinter dem Parkplatz. »Das da hinten ist die Liefereinfahrt«, erklärte er. »Wir kommen ziemlich schnell hier raus. Holen wir unsere Taschen von den Pferden und tun das, woran kein Weg vorbeiführt.«

»Gut«, erwiderte Battle. »Gehen wir.«

»Warum nehmen wir denn den da?«, fragte Pico, »und nicht den Kastenwagen? Da passt doch mehr rein und ich könnte mich mit Lola darin verstecken.«

Battle verdrehte die Augen. »Das hier ist keine Demokratie. Wir nehmen den Hummer, weil wir ihn eben nehmen.«

Pico runzelte die Stirn. »Man wird ja wohl noch fragen dürfen. Ich dachte, der Kastenwagen sei …«

Battle brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen. »Der Hummer ist gepanzert, der Kastenwagen nicht. Der Hummer hat 'ne Viergangautomatik, der Kastenwagen eine Handschaltung. Der Hummer ist fürs Gelände vorgesehen und hat dementsprechende Reifen. Falls wir einen Platten haben, können wir damit noch dreißig Meilen weiterfahren. Der Kastenwagen hat keine solchen Reifen und kann das nicht.«

Pico hob resignierend die Hände. »Okay, in Ordnung, verstanden«, murrte er. »Der Hummer ist besser. Ich hab's kapiert.«

»Lola, steig ein«, verlangte Battle jetzt. »Pico, du zeigst mir, wie wir hier rauskommen. Ich fahre. Wenn wir das Gebäude hinter uns gelassen und die Pferde erreicht haben, übernimmst du das Steuer, während ich mich nach hinten setze. Klar?« Battle nahm hinter dem Lenkrad Platz, und Lola schnallte sich auf der Beifahrerseite des sandgelben Geländewagens an.

Dieses Modell – auf Englisch kurz HMMWV für »Allzweckradfahrzeug mit hoher Mobilität« und in der Aussprache zu »Humvee« verschmolzen, war das Schlachtross der Army in Syrien. Knapp fünfzig Jahre lang hatten die Militärs der Vereinigten Staaten und einiger ihrer Verbündeten diese Wagen an den gefährlichsten Orten der Welt eingesetzt. Hätte Battle auszurechnen versucht, wie viel Zeit er in ihnen verbracht hatte, wäre er vermutlich auf mehr Stunden als in jedem seiner eigenen Autos gekommen. Es gab keine sichereren Personentransporter, ihre Ausstattung ließ sich den Bedürfnissen der jeweiligen Mission gemäß anpassen, und für Drei- bis Viertonner legten sie ein ordentliches Tempo vor. Die offizielle Höchstgeschwindigkeit betrug siebzig Meilen pro Stunde, doch Battle wusste, dass sie unter günstigen Bedingungen auch noch schneller fahren konnten. Er hoffte allerdings, in allzu naher Zeit nicht auf solche Bedingungen angewiesen zu sein.

Er langte jetzt mit links nach dem Armaturenbrett, wo sich der Drehanlasser befand. Nachdem er sich die drei Positionen des Schalters angesehen hatte, stellte er ihn auf »Ein«. Daraufhin ging ein Standby-Lämpchen darüber aus und Battle drehte auf »Start«. Als er den Anlasser losließ, schnellte er automatisch auf »Ein« zurück. Nach kurzem Warten, bis die Zündkerzen beheizt waren, sprang der Sechseinhalbliter-Achtzylinder-Turbomotor an.

Battle drehte sich zu Lola um. »Bereit?«

»Bereiter geht’s gar nicht.«

Er stellte jetzt auf Dauerbetrieb und ließ den Wagen auf Pico zurollen, der sich ebenfalls in Bewegung setzte, um zur Einfahrt zurückzukehren.

Als Nutzfahrzeug bot der Hummer nur wenig Komfort. Trotz des geräumigen Führerhauses fand Battle keine bequemere Sitzhaltung als auf dem schlechtesten Platz in der zweiten Klasse eines Flugzeugs im Pendlerverkehr.

Er ließ die Bremse schleifen, während er Pico langsam durch die Einfahrt folgte und dann eine leichte Steigung hinunter auf eine Betonrampe zufuhr. Vor einem breiten, verzinkten Rolltor hob Pico seine Arme in die Höhe, um den Wagen anzuhalten. Dann zog er an einer Kette neben dem Tor, das sich nun öffnete, als sie hinaufglitt.

Als es ganz geöffnet war, winkte er den Hummer hindurch. Battle nahm den Fuß vom Bremspedal und gab Gas. Nachdem er die Arena verlassen hatte, fuhr er hinauf und gelangte auf eine Schotterstraße, die an der Lieferseite des Gebäudes entlangführte.

»Es dauert noch ein paar Stunden, bis es hell wird«, sagte er und lenkte nach links. Er hielt sich an der Südseite des Komplexes, um dem Highway 36 nicht zu nahe zu kommen. »Wenn ich mich nicht irre, geht die Sonne um null-sieben-dreißig auf.«

»Also schlagen wir vor dem Sonnenaufgang zu?«, fragte Lola neugierig.

»Das ist mein Plan«, bestätigte Battle. »So haben wir einen Vorteil.«

»Wie denn das?«

»Sie werden uns so nicht kommen sehen. Es gibt nichts Besseres als eine Direktaktion im relativen Schutz der Dunkelheit.«

»Direktaktion?«

»Eine Schnelloperation in feindlichem Gebiet.«

»Es wird also schnell gehen? Haben wir Sawyer dann bald wieder?«

»Das kann ich dir nicht versprechen«, gestand ihr Battle. »Denn wir wissen ja nicht genau, ob sich dein Sohn auch tatsächlich in ihrer Gewalt befindet.«

Lola blinzelte gegen die Tränen an, wandte sich ab und starrte hinaus.

Der Hummer holperte nun mit ausgeschalteten Scheinwerfern über zwei schmale Straßen, die parallel nebeneinander verliefen, und kam wenige Fuß vor drei Pferden zum Stehen, die sie an dem Begrenzungszaun der Flughafenrollbahn angebunden hatten.

Die Tiere schnaubten und zerrten nervös an ihren Leinen, weil der Wagen so laut war. Durch ihre Unruhe strapazierten sie den ohnehin klapperigen Zaun noch zusätzlich. Battle stellte den Motor hastig ab, damit sie sich entspannten, und stieg aus.

Pico überquerte jetzt die Fahrbahnen und trottete auf die Pferde zu. »Sollen wir alles mitnehmen?«

»Jepp.« Battle entfernte die Satteltaschen von seinem Appaloosa. »Das ganze Zeug passt hintendrauf.«

Lola tat es den Männern gleich, indem sie auch ihre Taschen abnahm. »Und was tun wir mit den Pferden?«, wollte sie wissen. »Lassen wir sie einfach hier?«

Battle verneinte. Er fuhr mit einer Hand über die Mähne seines Tieres, das daraufhin leise wieherte. »Wir lassen sie laufen.«

»Was? Warum denn das?«

»Weil wir sie nicht mehr brauchen«, erklärte Battle, während er das dichte schwarze Fell des Pferdes kraulte. »Wir wissen schließlich nicht, wohin wir müssen und wie lange wir fort sein werden. Lassen wir sie angebunden hier stehen, sterben sie bestimmt.«

Pico ruderte mit den Armen. »Also lassen wir sie einfach laufen?«

Battle ließ von dem Appaloosa ab, fuhr herum und baute sich vor seinen Kritikern auf. »Muss ich mich von euch eigentlich ständig hinterfragen lassen?« Er zeigte auf Lola und von ihr aus langsam auf Pico. »Von euch beiden?«

Die zwei wechselten daraufhin Blicke, doch weder sie noch er gab ihm eine Antwort.

»Das werde ich mir nämlich nicht bieten lassen.« Battle stemmte die Hände wieder in die Hüften und ballte sie wiederholt zu Fäusten. »Salomon Pico, mir ist klar, dass du dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, indem du mit mir geritten bist. Das weiß ich wirklich zu schätzen, auch wenn dir im Grunde nichts anderes übrig geblieben ist. Und Lola, ich kann deine Verzweiflung durchaus nachvollziehen. Du willst deinen Sohn zurückhaben, das verstehe ich. Allerdings müsst ihr beide unbedingt begreifen, dass ihr mich braucht. Es ist garantiert nicht andersherum. Um hier draußen überleben zu können, bin ich auf niemanden von euch angewiesen.«

Er nahm die Satteltaschen von seinem Pferd herunter. Eine trug er zum Hummer und legte sie hinten auf die offene Ladefläche. »Das war also das letzte Mal, dass ich auf eure Einsprüche eingegangen bin. Ihr tut beide, was ich sage, spielt nach meinen Regeln und folgt meinem Plan, ansonsten müssen sich unsere Wege trennen.«

Lola schaute ihm verärgert hinterher, während er die zweite Tasche von seinem Pferd holte. Pico starrte vor sich hin murmelnd auf den Boden und trat nach Grasbüscheln.

Battle packte die Tasche und hievte sie auf eine seiner Schultern. »Sind wir uns einig?«

Lola nickte. Pico ebenfalls.

»Ich will hören, dass ihr einverstanden seid«, beharrte Battle. »Ja oder nein?«

Pico tat gleichgültig. »Ja?«

»Sollte das eine Frage sein, Salomon Pico?«

»Nein«, antwortete er. »Es war eine Bestätigung. Ja.«

»Alles klar«, entgegnete Battle. »Wir laden jetzt fertig auf und lassen anschließend die Pferde frei. Danach fahren wir zum Hauptquartier zurück, denn uns läuft langsam die Zeit davon.«

Kapitel 3

3. Januar 2020, 15:44 Uhr – Jahr zwölf, Monat neun vor dem Ausbruch – Aleppo, Syrien

Nicht weniger als zwanzig verschiedene Parteien teilten sich die Macht über die einzelnen Bezirke von Aleppo, der gefährlichsten Stadt in Syrien, falls nicht sogar des gesamten Mittleren Ostens.

Die hundertfünfzig amerikanischen Soldaten im Kriegseinsatz, zu denen Marineinfanteristen und andere Angehörige der Navy zählten, wusste niemals genau, wer auf ihrer Seite war und wer nicht. Dies schien sich irgendwie von Woche zu Woche zu ändern.

Eine der Gruppen, die Dschabhat al-Asala wa-'t-Tanmiya, kontrollierte Berichten zufolge den Westen Aleppos in der Nähe der Universität und des Krankenhauses. Dies war eines der größten Stadtgebiete, in dem eine einzelne Vereinigung den Ton angab. Sie erbat sich nun Hilfe beim Patrouillieren einer Zone zwischen dem Checkpoint der Armee und dem der Syrischen Islamischen Front, einer fundamentalistischen Koalition kleinerer Parteien, die sich fortwährend gleichgesinnte Gruppen einverleibte, um ihre Reichweite und Macht auszubauen.

Battle und seine Männer bildeten das letzte von drei Teams mit der Aufgabe, die Grenzen des Sektors ganztags in drei Schichten auf Schwachstellen hin zu überprüfen. Eine hatten sie versehentlich entdeckt, als die Sprengfalle praktisch unter ihren Füßen explodiert war.

Jetzt mühte sich Battle damit ab, den einzigen anderen Überlebenden der Patrouille über vier Meilen hinweg zum Checkpoint ihrer Verbündeten zu schleppen. Die Schubkarre hatte genau sieben Minuten gehalten, bevor der vordere Bügel und die Achse gebrochen waren und das Rad abfiel. Bis dahin hatte sie aber zumindest ihren Zweck erfüllt.

Buck war beileibe kein schmächtiger Kerl, Battle aber auch nicht. Er trug ihn wie ein Feuerwehrmann auf den Schultern, indem er einen Arm um die Oberschenkel und den Rücken des Verletzten geschlungen hatte. So kam Battle allerdings nur sehr langsam voran, zumal er alle zehn Minuten, leidlich gut geschützt hinter stehengelassenen Pkws oder Gebäuderuinen, eine Pause einlegte.

»Wir sind zu leicht angreifbar«, sagte Buck zwischen zwei Schlucken aus Battles Feldflasche. »Wenn wir auf Widerstand stoßen, können wir abdanken. Jedes Mal, wenn ich eine Burka oder ein Kind mit Rucksack sehe, bekomme ich Schiss.«

Battle rückte eine behelfsmäßige Schiene zurecht, die Bucks linkes Wadenbein vom Knöchel an aufwärts versteifte. Er schaute dem Sergeant in die Augen. »Wie schlimm sind die Schmerzen momentan?«

»Fürchterlich. Ich könnte glatt kotzen.«

»Mehr Morphium darf ich Ihnen leider nicht geben. Phenergan hätte ich aber auch noch. Das hilft vielleicht ein bisschen gegen die Übelkeit und verstärkt die Wirkung des Morphiums.«

»Woher haben Sie das?« Buck ließ sich von ihm eine runde orangefarbene Tablette auf die Zunge legen, nahm sie in den Mund und würgte sie mit einem weiteren Schluck Wasser hinunter. »In dem Erste-Hilfe-Beutel war nichts mehr.«

»Ich habe einen eigenen kleinen Vorrat«, erwiderte Battle. »Denn ich spiele immer gern vorausschauend.«

Daraufhin lachte Buck, musste aber sofort husten. »Spielen nennen Sie das?«

»Auf die eine oder andere Art ist doch alles ein Spiel, Sergeant.« Battle stand auf und schaute sich in der Umgebung um. »Ich lasse Sie mal eine Minute allein und sehe nach, ob unser weiterer Weg frei ist.«

Nachdem er sein HK aufgehoben hatte, trat er über ein rostendes Radgestell und ging nach Norden. Es war mittlerweile später Nachmittag, er schwitzte stark, und sie hatten erst ungefähr die Hälfte der Strecke bis zum Checkpoint zurückgelegt. Er nahm ein portables Navigationsgerät heraus, um sich zu orientieren. In Aleppo ging die Sonne immer früh unter; ihm blieben also noch allerhöchstens vierzig Minuten Helligkeit.

Bis zur Kreuzung der Straßen Handaseh und Kher Eddin Al Asadi, war es nicht weit. Hinter Battle standen die Reste des Universitätsgebäudes der Fakultät für Ingenieurwissenschaften. Den nächsten Block in Richtung Norden nahmen eine Bank und das Al-Rasi-Hospital ein.

Er wusste, dass sich die Klinik am Rand des Einzugsbereichs der Dschabhat al-Asala wa-'t-Tanmiya befand. Battles letzte Informationen waren allerdings schon einen Monat alt. Jemand anderes könnte es also nun in seiner Gewalt haben. Er durfte es nicht darauf ankommen lassen, dass man ihn, wenn er dort um Hilfe bat, ungefragt niederschoss oder schlimmer noch – gefangen nahm.

Der Checkpoint lag zwischen dem alten Bahnhof von Aleppo und dem Aziziyah-Plaza am Ostufer des schmalen Flusses Quwaiq in der Nähe des Vergnügungsparks. Die Entfernung betrug ungefähr zweieinhalb Kilometer. Unter idealen Umständen bräuchte er zu Fuß fünfundzwanzig bis dreißig Minuten. Jetzt hatte er zwei Möglichkeiten: Er konnte weiter nach Norden und um einen öffentlichen Park herumgehen, was zwar schneller war, ihm aber bis zum Checkpoint keinerlei Deckung gewährte.

Folglich war er also besser damit beraten, auf geradem Weg durch die Al Bohtory Street nach Osten zu laufen und dann am Platz Sa'd Allah al-Dschabiri in Richtung Norden abzubiegen. Falls er angegriffen wurde, gab es auf dieser Strecke mehrere Stellen, wo er Unterschlupf finden konnte. So oder so war es vermutlich reine Glückssache.

Battle drehte sich nach Süden zu Buck um, als es von den Bahnschienen in der Nähe vertraut knatterte … Schüsse aus einem Halbautomatikgewehr.

Tack! Tack! Tack! Tack! Tack!

Zwei Schüsse verfehlten seinen Kopf nur knapp, woraufhin er sofort hinter die Ecke eines Gebäudes stürzte, um sich zu schützen.

»Buck, ich werde beschossen! Alles okay bei Ihnen?«

Tack! Tack! Tack! Tack! Tack!

»Alles okay!«

Tack! Tack! Tack! Tack! Tack!

Battle packte sein Gewehr fester. Er ging in die Hocke, sodass sein Hintern seine Fersen berührte und sein Gewicht auf den Fußballen lag, während er sich gegen eine Mauer in einer schmalen Gasse presste, die auf die Hauptstraße führte. Er konnte nicht erkennen, woher das Gewehrfeuer kam. Eine weitere Salve pfiff vorüber, wobei zwei Kugeln nur dreißig Zentimeter über seinem Kopf einschlugen, sodass Lehm abplatzte.

Tack! Tack! Tack! Tack! Tack! Tack! Tack! Tack! Tack! Tack!

Battle wich weiter in die Gasse zurück. Ihm war bewusst, dass ihn jemand beobachte und dem Schützen mitteilte, wie er sich verhielt. Die Schüsse waren nämlich viel zu akkurat für einen jener blinden Heckenschützen, von denen man normalerweise in dieser Stadt angegriffen wurde.

Battle hielt sich weiterhin geduckt, während er zu Buck zurückkehrte. Sobald er die Gasse verlassen hatte, hörten die Schüsse auf.

»Sitzen wir jetzt hier fest?«, fragte der Verletzte, der ganz blass geworden war. Seine Haut wirkte beinahe durchsichtig.

Der Captain nickte. »Ja, und wir verlieren immer mehr Tageslicht. Ich muss einen anderen Weg für uns suchen.«

Kapitel 4

15. Oktober 2037, 05:09 Uhr – Jahr fünf nach dem Ausbruch – Abilene, Texas

Cyrus Skinner blinzelte mehrmals, bis er die Augen ganz öffnete. Eines seiner Beine hing über die Bettkante, weshalb seine Zehen froren. Die Nachttischlampe, die sich dem Bett am nächsten befand, brannte nicht mehr, das hieß, dass der Strom schon wieder ausgefallen war.

Skinner zog seinen Fuß zurück unter die Decke und drehte sich auf den Rücken. Er starrte im Dunkeln an die Zimmerdecke und seufzte leise, bevor er sich wieder auf den Bauch legte. Seit er Queho in den Südosten geschickt hatte, um mit dem Rancher aufzuräumen, den sie Mad Max nannten, waren über fünfundzwanzig Stunden vergangen.

Grunzend streckte sich Skinner nach dem Nachttisch aus, um sein Feuerzeug und die Zigaretten an sich zu nehmen, dann wälzte er sich erneut auf den Rücken und setzte sich aufrecht hin, indem er sich auf die Ellbogen aufstützte. Mit dem halbleeren Federkissen im Rücken schüttelte er das Päckchen, bis eine Zigarette herausglitt, steckte sie in seinen Mund und entzündete den Tabak, wobei er mehrmals schmauchte. Schließlich inhalierte er tief und hielt die Luft an. Das vertraute Hochgefühl setzte sofort ein, als das Nikotin in seinen Kreislauf gelangte. Nachdem er durch die Nase ausgeatmet hatte, umwehte ihn der Qualm. Er zog noch einmal am Filter, sodass die glühende Spitze der Kippe zwischen seinen Lippen noch heller glimmte. Es war das einzige Licht im Raum.

Skinner rieb sich den Dreitagebart am Kinn. Er musste nun eine Entscheidung treffen.

Keine Frage, Mad Max und die Frau, die er ihnen vorenthielt, stellten ein größeres Problem dar, als er erwartet hatte.

Skinner war Gebietskapitän, bekleidete also ein Amt, das gewisse Sonderrechte, aber auch Pflichten mit sich brachte. Es bedeutete, dass alle Bosse in seinem Bereich, der sich vom Osten Abilenes nach Midland im Westen und dann Richtung Lubbock sowie Amarillo im Norden erstreckte, ihm Bericht erstatten mussten. Dieses Gebiet lag in einem Dreieck, wo es genauso viele Vögel wie Menschen gab, und war zur Erhaltung der Macht des Kartells strategisch wichtig.

In den Monaten nach dem Ausbruch der Seuche hatten verfeindete Verbrecherorganisationen einen gegenseitigen Nutzen darin erkannt, ihre Kräfte zu vereinen, und dies auch getan. Das amerikanische Militär, das glimpflich ausgedrückt nicht sonderlich inspiriert gewesen war, hatte ihretwegen schwere Verluste erlitten.

Statt in einer Zeit, wo man des Todes sowieso überdrüssig war, einen blutigen Krieg gegen die eigenen Bürger zu führen, waren die Reste der US Army und Grenzbehörden gewichen. Sie hatten die Aufsicht über die koalierenden Banden, Drogenhändler und Ex-Sträflinge aufgegeben, und folglich auch ihren Anspruch auf ungefähr zweihundertsiebzigtausend Meilen Land zwischen Louisiana, Oklahoma und New Mexico. Das Kartell hatte nicht lange gebraucht, um weite Kreise zu ziehen, und eine paramilitärische Hierarchie gegründet, um die Menschen, die in der von ihnen annektierten Region lebten, zu kontrollieren und zu unterdrücken.

Die Führungsebene des Kartells, auf der man sich General schimpfte, wählte die allerschwersten Jungs zur Leitung von vier Schlüsselgebieten aus. Sie erhielten den Titel Captain und suchten sich wiederum Bosse aus. Die Bosse rekrutierten die Schergen, die Schergen belästigten, beraubten, prügelten, folterten, vergewaltigten oder töteten anschließend alle, die sich ihrem Willen nicht beugten. Bisweilen taten sie es aber auch einfach so.

Unter einer Menge übler Captains war Skinner allerdings der Übelste. Keiner hatte eine niedrigere Toleranzschwelle als er, wenn jemand Spielchen mit ihm spielen wollte. Demnach eignete er sich hervorragend zum Bändigen dessen, was seine Vorgesetzten den Wilden Westen nannten. Solange er die Bosse nach seiner Pfeife tanzen ließ, das Volk klein hielt und dafür sorgte, dass die Beute zu den Generälen in Dallas und Houston gelangte, ließ ihn die Obrigkeit komplett in Ruhe.

Wegen des unberechenbaren Killers in der Region, der sich seiner Macht entzog, fand Skinner allerdings keine Ruhe. Er setzte sich auf die Bettkante und stellte seine nackten Füße auf den kalten Holzboden des Schlafzimmers, während die Nachttischlampe aufflackerte. Nachdem er die Zigarette in einem vollen Aschenbecher ausgedrückt hatte, zog er eine neue aus der Packung.

Er steckte sie an – das Papier knisterte – und nahm einen langen Zug, dann reckte er sich und ging durch den Raum zu einem breiten Monitor an der Wand gegenüber vom Bett, dort räusperte er sich. »Computer ein«, sagte er. Der Bildschirm sprang sofort an und das Betriebssystem lud hoch. Er kniff seine Augen zusammen, um sich an die Helligkeit des Geräts zu gewöhnen.

»Computer, E-Mails öffnen.«

Auf dem Startbildschirm ging nun das Hauptfenster der Mailsoftware auf. Internet war zwar nicht überall im Gebiet des Kartells vorhanden und die Datenübertragung war sehr langsam, doch damit ließ sich trotzdem arbeiten. Aufgrund der eingesetzten Filter konnte kaum jemand mehr abrufen, als die Generäle erlaubten, wohingegen die Kapitäne allerdings uneingeschränkten Zugang genossen.

»Neue Nachricht«, fuhr Skinner fort. »Empfänger: die Generäle. Der Betreff lautet …« Er hielt kurz inne. Wie er die E-Mail nennen sollte, wusste er beim besten Willen nicht. Eigentlich wollte er sie aber auch gar nicht versenden.

»Betreff: Wilder Westen«, beschloss er dann. Der Computer setzte die Adressen der Generäle ein, füllte die Betreffzeile aus und ließ den Cursor dann in der ersten Zeile des leeren Textkästchens blinken.

Skinner zog noch einmal an seiner Kippe, dann packte er sie mit zwei Fingern und nahm sie aus dem Mund. »Generäle«, begann er. »Ich habe hier im Wilden Westen Schwierigkeiten. Kurzgefasst ist eine entlaufene Diebin auf irgendwelche Ländereien gestoßen, die wir nicht gesichert haben. Wir haben sie dorthin verfolgt, konnten sie aber nicht schnappen. Der Besitzer des Grundstücks tötete daraufhin mehrere unserer Männer und half ihr bei der Flucht.«

Er schaute sich an, was er bis jetzt diktiert hatte. Es gefiel ihm nicht, also versuchte er etwas anderes.

»Computer, Live-Chat öffnen«, befahl er. »Generäle anrufen.«

Das Mail-Fenster ging zu und ein neues Programm startete. Vier Kästchen erschienen jetzt auf dem Desktop. Unten rechts sah Skinner sich selbst mit verzögerten, abgehackten Bewegungen, wobei Qualm von der Zigarette zwischen seinen Lippen aufstieg.

In den anderen Fenstern leuchtete nun das Wort »Verbinde« auf, als der Computer drei der Generäle zu kontaktieren versuchte. Der Erste, der antwortete, war der von Houston. Sein Kopf erschien in dem Kästchen oben rechts.

»Skinner?«, fragte er und fuhr sich mit beiden Händen über die Glatze. »Was wollen Sie?«

Der zweite General meldete sich aus Dallas. Sein digital verzerrtes Gesicht füllte das Kästchen links oben aus. »Skinner? Warum wecken Sie mich?«

»Ich habe hier ein Problem, das aus der Welt geschafft werden muss«, antwortete der Captain den beiden. Der Verbindungsversuch mit dem dritten General dauerte noch an. Dieser Mann schien offenbar nicht erreichbar zu sein.

»Und das können Sie nicht allein?«, empörte sich der Kahlköpfige. »Sie meinen nicht zufällig die Zwischenfälle oben in Amarillo, oder? Die Leute dort machen mich rasend.«

»Nein«, erwiderte Skinner. »Keine Probleme in Amarillo und keine Probleme mit dem Palo Duo Canyon.«

»Das ist ja mal was Neues«, warf der zweite General ein. Die Auflösung seiner Videoübertragung besserte sich, sodass man die ledrige Haut seines Gesichts und Halses sehen konnte. Er trug kein Hemd. »Um welches Problem handelt es sich dann?«

Skinner saugte abermals an seiner Zigarette und strich die Glut in einen Aschenbecher neben dem Monitor ab. »Ich versuche, es möglichst kurz zu halten.«

»Bitte«, entgegnete der Glatzköpfige. »Denn sonst klinke ich mich aus und schlafe weiter.«

»Wir hatten zwei Diebe hier in Abilene, eine Frau und ihren Sohn, die ursprünglich für uns gearbeitet haben«, erzählte Skinner. »Sie sind allerdings getürmt. Den Jungen fanden wir wieder, doch die Frau schaffte es auf ein Stück Land, das wir noch nicht abgesucht hatten.«

»Wir wissen von dem Jungen«, sagte der Glatzköpfige daraufhin. »General Roof hat uns von Ihrem Plan erzählt, ihn nach Lubbock zu schicken. Von der Frau hören wir jetzt allerdings zum ersten Mal. Sie haben Sie immer noch nicht geschnappt?«

»Nein«, bestätigte Skinner. »Noch nicht. Ich rufe aber an, weil …«

»Moment mal«, unterbrach ihn der General mit der wettergegerbten Haut, während er sich an seinem unrasierten Kinn kratzte. »Warum gibt es überhaupt noch Land, das Sie nicht in Ihrer Gewalt haben? Sind Ihre Bosse nicht schon seit Monaten mit der Sicherung der Region fertig? Ich dachte, sie hätten uns das gemeldet.«

»Genau«, pflichtete ihm der Kahle bei. »Das hat er. Skinner, Sie haben behauptet, das gesamte noch ausstehende Land in Ihrem Dreieck sei gesichert.«

»Das dachte ich auch«, erwiderte Skinner. Er schob die Zigarette in den Aschenbecher und drückte sie aus. »Da war aber dieses eine Grundstück, so vierzig, fünfzig Morgen nahe Rising Star, das wir offenbar übersehen haben.«

Lederhaut kratzte sich nun am Kopf. »Also, worin besteht denn Ihr Problem? Brechen Sie auf und bringen Sie das Land unter Ihre Kontrolle, und die Frau auch.«

»Das ist eben das Problem.« Skinner schaute auf sein Videobild. Er zog die Schultern zurück und hob sein Kinn an. »Wir waren schon dort. Ich habe eine Truppe dorthin geschickt, um die Frau zurückzuholen und den Mann zu töten, dem das Land gehört, aber er hat meine Männer getötet.«

»Dann schicken Sie eben noch mehr Männer hin«, legte ihm der Kahle nahe und kratzte sich ebenfalls am Kopf.

»Auch das habe ich schon getan.«

Ledergesicht fummelte nun an seinen Schneidezähnen herum und schob einen Finger in die Lücke dazwischen.

»Und?«

»Das gleiche Spiel – alle wurden getötet«, erzählte Skinner weiter. »Na ja, jedenfalls vermute ich das. Darum gab ich einem meiner Bosse persönlich den Auftrag, den Kerl auf links zu bügeln. Er nahm etwas mehr als eine Handvoll Männer mit. Sie sind seit gestern unterwegs und ich habe noch nichts von ihnen gehört. Deshalb befürchte ich, dass der Typ sie ebenfalls umgebracht hat.«

Der Glatzköpfige beugte sich zu seiner Kamera und starrte in das Objektiv. »Ein einziger Mann?«

Skinner nickte.

»War das eine Antwort, Skinner?«, fragte er. »Die Übertragung wird ständig unterbrochen. Haben Sie mir eine Antwort gegeben?«

Lederhaut lachte auf. »Ja, das hat er.«

Der Kahle klopfte gegen seinen Monitor. »Wer ist dieser Mann?«

Skinner räusperte sich nervös. »Wir nennen ihn Mad Max.«

»Mad Max?«

»Wie aus den Filmen.«

»Ich weiß, woher der Name stammt.« Der Glatzköpfige wurde nun laut. »Er ist dämlich und Sie sind dämlich. Sie haben wer weiß wie viele Männer wegen einer dahergelaufenen Diebin geopfert und dann rufen Sie uns in aller Herrgottsfrühe an, um sich Rat zu holen.«

»Ich bitte nicht um Rat.« Skinner schob sein Kinn vor und behielt seinen unerschrockenen Blick bei. »Den brauche ich nicht. Vielmehr wollte ich Sie auf den neuesten Stand der Entwicklungen bringen.«

Der Kahle verzog sein Gesicht. »Für mich hört sich das aber so an, als ob Sie Rat bräuchten«, grunzte er. »Sie schaffen es nicht, einen einzigen Mann zu beseitigen? Skinner, Sie enttäuschen mich.«

»Ich kann auch nicht gerade behaupten, erbaut darüber zu sein«, fügte Lederhaut kopfschüttelnd hinzu, dessen Gesicht grobkörnig aussah. »Am besten wetzen Sie diese Scharte schleunigst aus … und sehen Sie zu, dass Sie an diesem Mad Max ein Exempel statuieren.«

»Verstanden. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald es erledigt ist.« Skinner warf einen Blick auf das leere Kästchen auf dem Desktop. »Geben Sie alles an General Roof weiter?«

»Wir werden ihm erzählen, wie inkompetent sie mittlerweile sind, falls Sie das meinen«, antwortete der Glatzköpfige, bevor er die Verbindung trennte.

»Er ist momentan unterwegs nach Lubbock«, ergänzte Lederhaut. »Er sagte, Sie hätten schon alle nötigen Vorkehrungen getroffen.«

»Das stimmt«, bestätigte Skinner. »Er musste sowieso dorthin, wie ich mir sagen ließ … zur Bestandsaufnahme. Ich dachte, wir könnten eine klare Ansage machen, wenn wir den Jungen dahaben, und alle wissen lassen …«

Lederhaut legte seine Stirn in Falten und verließ die Unterhaltung ebenfalls, ohne sich noch einmal zu äußern.

»Computer aus«, sprach Skinner. Dann zog er eine Jeans, Stiefel und ein Langarmshirt an. Nachdem er seinen Hut aufgesetzt hatte, nahm er die Zigaretten und das Feuerzeug vom Nachttisch. Anschließend ging er in die Küche. Noch war der Horizont nicht hellrosa. Draußen vor dem Fenster war alles dunkel. Skinner ahnte, dass ihm ein langer Tag bevorstehen würde. Er brauchte also dringend Kaffee und noch eine Fluppe.

Kapitel 5

3. Januar 2020, 16:27 Uhr – Jahr zwölf, Monat neun vor dem Ausbruch – Aleppo, Syrien

Es war dunkel, was Battle vor Buck allerdings relativieren wollte. Deshalb konnten sie ihre Angreifer nur schwer sehen, doch dies beruhte zumindest auf Gegenseitigkeit.

Nachdem die Schüsse zuerst mit Unterbrechungen gefallen waren, knallte und ratterte es jetzt fast durchgängig. In der Ferne konnte Battle Mündungsfeuer erkennen und der Lärm hallte zwischen den dicht an dicht stehenden Gebäuden wider.

»Wir sind am Arsch!«, sagte Buck. Er lallte und tat sich schwer, die Augen aufzuhalten. »Ich bin vollkommen hinüber. Mir kommt es so vor, als würde das Leben meinen Körper langsam verlassen.«

»Das liegt nur an dem Betäubungsmittel«, erklärte ihm Battle. »Sie werden es überleben.«

»Falls das stimmt«, erwiderte Buck, »werde ich austreten. Mir reicht es endgültig, meinen Kopf für andere hinzuhalten. Ich habe meine eigenen Kämpfe auszutragen.«

Battle konsultierte das Navigationsgerät in der Hoffnung, eine alternative Strecke zu finden, die ihm bei seinen fünfzehn vorangegangenen Blicken auf den Bildschirm nicht aufgefallen war. »Ihre eigenen Kämpfe? Was soll denn das heißen?«

»Ich kenne Leute und die kennen wiederum andere Leute. Wenn ich nach Hause komme, nehme ich, was mir zusteht, mehr will ich damit nicht sagen.«

»Sie reden wirres Zeug«, entgegnete Battle. »Seien Sie endlich still, damit ich überlegen kann, wie wir hier rauskommen können.«

Die beiden versteckten sich in einer engen Gasse nahe der Ofra Avenue. Trotz des Navigationsgeräts war Battle schon viel zu weit nach Norden gegangen. Womöglich mussten sie jetzt einen offenen Rangierbahnhof im Eiltempo überqueren, um auf direktem Weg nach Osten zum Checkpoint gelangen zu können.

In der Gasse war es dunkel. Hier fand sie niemand. Sobald sie den Schutz der hohen Mauern der angrenzenden Gebäude verließen, würde das orangefarbene Licht der Bahnhofslampen allerdings direkt auf sie fallen, und das machte sie zur Zielscheibe für jeden Gegner, der auf dieser oder jener Seite der Schiene lauerte.

»Kennen Sie die Handelsspanne für mexikanisches Crystal Meth?«, fragte Buck nun. »Und für Black-Tar-Heroin? Spottbilliges Zeug. Ich werde meine Abfindung von Vater Staat einstreichen und mir eine Bar kaufen.« So wie es sich anhörte, hatte Buck bereits Wahnvorstellungen. »Ich kaufe eine Bar. Das sind wahre Goldminen. Dort Geld zu waschen ist kinderleicht.«

»Mann.« Battle hielt sich einen Zeigefinger vor den Mund. »Schnauze jetzt. Ich will nichts mehr davon hören.«