Celesta: Asche und Staub (Band 1) - Diana Dettmann - E-Book
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Celesta: Asche und Staub (Band 1) E-Book

Diana Dettmann

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Beschreibung

Die ganz neue Reihe von der »Elementar«-Autorin Diana Dettmann! **Die Dunkelheit ist in dir...** Emma war noch ein kleines Mädchen, als ihre Mutter verschwand und ein Leben voller Risse zurückließ, die niemand jemals zu flicken vermochte. Mit kaum mehr als einem kläglichen Schulabschluss in der Tasche, fristet sie Jahrzehnte später ihre Abende hinter der Theke einer ranzigen Bar, teilt sich die Wohnung mit einem Mann, den sie nicht liebt, und träumt davon, eines Tages all das hinter sich zu lassen. Bis ihr eines Morgens auf dem Weg nach Hause eine furchteinflößende Kreatur begegnet, die ihrem Leben fast ein Ende setzt. War es der unvermittelt im Nebel auftauchende Fremde, der sie gerettet hat, oder das Feuer, das plötzlich aus ihren Handflächen schoss? Die bittere Wahrheit gibt Emmas Dasein eine jähe Kehrtwendung. Denn von einem Tag auf den anderen wird sie zur Gejagten, mit dem Schicksal ihrer Mutter im Nacken. Doch sie ist nicht allein… //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der düsteren Fantasy-Serie:   -- Celesta: Asche und Staub (Band 1)  -- Celesta: Staub und Schatten (Band 2) -- Celesta: Schatten und Glut (Band 3) -- Celesta: Glut und Asche (Band 4)//

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Diana Dettmann

Celesta: Asche und Staub

Emma war noch ein kleines Mädchen, als ihre Mutter verschwand und ein Leben voller Risse zurückließ, die niemand jemals zu flicken vermochte. Mit kaum mehr als einem kläglichen Schulabschluss in der Tasche, fristet sie Jahrzehnte später ihre Abende hinter der Theke einer ranzigen Bar, teilt sich die Wohnung mit einem Mann, den sie nicht liebt, und träumt davon, eines Tages all das hinter sich zu lassen. Bis ihr eines Morgens auf dem Weg nach Hause eine furchteinflößende Kreatur begegnet, die ihrem Leben fast ein Ende setzt. War es der unvermittelt im Nebel auftauchende Fremde, der sie gerettet hat, oder das Feuer, das plötzlich aus ihren Handflächen schoss? Die bittere Wahrheit gibt Emmas Dasein eine jähe Kehrtwendung. Denn Von einem Tag auf den anderen wird sie zur Gejagten, mit dem Schicksal ihrer Mutter im Nacken. Doch sie ist nicht allein …

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Vita

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© privat

Diana Dettmann ist geboren und aufgewachsen im häufig recht nasskalten Norden von Deutschland. Und weil die Welten und Abenteuer in den Büchern meistens viel interessanter waren als der Blick aus dem Fenster, verbrachte sie oft Stunden damit, sich in eben diesen Welten zu tummeln, mit tapferen Helden Schlachten auszufechten oder mit edlen Ladys in mittelalterlichen Settings durch wildromantische Wälder zu fliehen. Seit 2012 veröffentlicht sie selbst Fantasyromane für Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene, die den Spaß an romantisch-abenteuerlichen Geschichten nicht verloren haben.

Prolog

Als es an der Tür klingelt, zucke ich so heftig zusammen, dass die Seite des Buches, das ich gerade in den Händen halte, einen Riss bekommt. Mums Lieblingsbuch. Mit eingezogenem Kopf schiele ich zu Dad hinüber, doch der ist so in die Nachrichten vertieft, dass er weder das Klingeln noch das Reißen der Buchseite gehört hat.

Ich lege es zur Seite, hopse vom Sessel und tapse barfuß zur Tür. Vor dem milchigen Glas der Haustür erkenne ich zwei große Schatten. Es klingelt erneut und dieses Mal reagiert Dad. Er poltert an mir vorbei und schubst mich beiseite, sodass ich mit der Schulter gegen das Treppengeländer stoße. Es fällt ihm nicht einmal auf.

Atemlos reißt er die Tür auf. Während ich die schmerzende Stelle an meiner Schulter knete, bewege ich mich langsam auf ihn zu, bis ich neben ihm stehe und in die Gesichter von zwei Fremden starre. Schon wieder Polizisten.

Seit Mums Verschwinden sehe ich häufiger welche. Beinahe jeden Tag. Heute ist allerdings das erste Mal eine Frau dabei. Sie senkt kurz den Kopf und lächelt mich an. Die Miene des Mannes bleibt hingegen ernst.

Mein Rücken kribbelt ein wenig und ich warte darauf, dass einer von ihnen was sagt. Oder dass Mum aus dem Auto aussteigt. Oder wir einsteigen und zu ihr fahren. Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals, als einfach nur nichts passiert.

Ich schiebe meine Hand in die von Dad und flehe innerlich, dass einer von ihnen endlich etwas sagt. Er muss doch fragen! Doch er steht da, blinzelt und bleibt stumm.

»Habt ihr meine Mum gefunden?«

Dad lässt meine Hand los, legt seine stattdessen auf meine Schulter und drückt sie etwas zu fest. Eine Geste, die der Polizistin nicht entgeht. Sie hockt sich hin und lächelt freundlich.

»Möchtest du mir vielleicht dabei helfen, ein schönes Foto deiner Mum herauszusuchen? Wir brauchen noch eines, weißt du?«

Ich nicke. Ich kann helfen. In der Schuhkiste unter meinem Bett sind unendlich viele Fotos von ihr.

»Dein Name ist Emma, richtig? Ich bin Polli.«

Sie streckt mir ihre Hand entgegen, ich schüttle sie freundlich und ziehe sie dann, mit schnellen Schritten, in mein Kinderzimmer.

Sie setzt sich auf den für sie viel zu kleinen Stuhl, nimmt mir die Box mit den Fotos ab und öffnet sie. Schon beim ersten Bild huscht ein kleines Lächeln über ihr Gesicht.

Sie werden sie finden, denke ich.Sie brauchen ein Foto, damit sie wissen, wie sie aussieht, und besser nach ihr suchen können. Mein Herz klopft wild in meiner Brust herum, als ich die Fotos hastig ausbreite, um ihr mein Lieblingsbild zu zeigen. Doch Moment – das ist nicht hier, sondern in der Wohnstube. Ich hatte es vorhin bei mir.

Ohne ein Wort stürme ich aus dem Kinderzimmer, hinaus auf den Flur. Meine blanken Füße patschen über den Boden und ich stürze beinahe. Atemlos erreiche ich die Tür, die zur Stube führt und der Ruf nach meinem Dad liegt mir schon auf den Lippen, als ich die Stimme des Polizisten höre:

»Es gibt absolut keine Spur von Ihrer Frau, Mister Parker. Niemand hat sie gesehen.«

Dad fällt förmlich in den Sessel, während ich wie festgenagelt im Türrahmen stehen bleibe.

»Wir haben keine Hinweise gefunden, kein Anzeichen für eine Auseinandersetzung oder dafür, dass sie Probleme hatte. Sie hat laut Ihrer Aussage keine nennenswerte Summe Bargeld dabeigehabt und es erfolgte nach ihrem Verschwinden kein Zugriff auf ihr Konto. Unseren Ermittlungen zufolge hat sie auch nicht versucht, einen Bekannten zu erreichen.«

Dad starrt ins Leere und nickt, obwohl keine Frage im Raum steht. Der Polizist seufzt leise und setzt sich ihm gegenüber auf die Kante der Couch.

»Alle Befragten haben uns bestätigt, dass sie immer einen glücklichen Eindruck gemacht hat, aber das allein heißt meist nicht viel. Niemand weiß, wie es wirklich in einem Menschen aussieht, wissen Sie? Aber in diesem Fall … ich meine … niemand hat sie nach ihrem Verschwinden gesehen und es sind auch keine Lösegeldforderungen eingegangen. Ich will ganz ehrlich sein, Mister Parker, ein solcher Fall ist mir noch nicht untergekommen. Wir suchen natürlich weiter, aber …«

Eine warme Hand legt sich auf meine Schulter, während ein Beben meinen Körper durchläuft – zusammen mit dem drückenden Gefühl, dass nichts je wieder so sein wird, wie es einmal war.

Eins

Zwanzig Jahre später

Meine Augen brennen von der rauchgeschwängerten Luft, als ich die letzten Gläser von den Tischen sammle, klebrige Bierreste entferne und die aufgeschwemmten Dielen von Zigarettenstummeln und Dreck befreie.

Seit nunmehr vier Jahren ist Jimmys Bar mein zweites Zuhause. Zu etwas Besserem hab ich es nicht gebracht. Kein toller Abschluss, mit dem ich hätte etwas aus meinem Leben machen können. Die Schule habe ich nur mit Ach und Krach beendet. Mein Zeugnis taugt gerade mal als Kaminfutter. Ich glaube, es ist sogar auf genau diese Art und Weise aus meinem Besitz verschwunden. In einem Anflug von Wut und einer Prise Selbsthass – und mit der Unterstützung von reichlich Alkohol.

Das Brennen in meinen Augen lässt erst nach, als ich die Tür zuziehe, abschließe und kühle, frische Nachtluft meine Lunge füllt. Ein wenig fröstelnd schiebe ich die Hände in die Taschen und hebe den Blick zum Himmel hinauf. Es ist mittlerweile deutlich heller geworden und die Sterne verblassen zusehends.

Schnaufend mache ich mich auf den Heimweg, der, wie immer um diese Zeit, ruhig und einsam ist. Schließlich kann ich ganz am Ende der vor mir liegenden Straße das Haus mit der dunkelgrauen Fassade erkennen, in dem ich wohne. Von so weit weg sieht es gar nicht mal übel aus. Die vielen Stellen, an denen der Putz bröckelt, und das zugenagelte Fenster im zweiten Stock sind nicht zu sehen. Fast könnte man meinen, es sei nicht die heruntergekommene Bruchbude, die es nun einmal ist.

Es gibt nicht viel, das ich vorweisen kann. Ein mieser Job, eine miese Bude und Matt – ein Typ, der irgendwann bei mir eingezogen und seitdem nicht mehr gegangen ist. Jemand, der mich ›Baby‹ nennt, obwohl ich es hasse. Genau genommen mag ich ihn nicht einmal besonders. Das war mal anders, ist aber verdammt lange her. Mittlerweile ist er einfach nur noch jemand, der quasi zum Inventar gehört und den ich nicht rausschmeißen kann, weil er – im Gegensatz zu mir – niemand ist, der allein klarkäme. Ich will nicht behaupten, ich hätte ein zu gutes Herz, um ihn rauszuschmeißen, denn das habe ich nicht. Vielmehr ist es so, dass ich hin und wieder glaube, er könnte tatsächlich das einzig Normale in meiner Wohnung sein. Vielleicht bin ich nur seinetwegen noch nicht zu einer merkwürdigen Tante geworden, deren Haare wild zu Berge stehen, die fünfzig Katzen hat und niemals vor die Tür geht. Vielleicht.

Ich ziehe leicht fröstelnd die Jacke etwas fester um meine Schultern und wende den Blick nach Osten. Über den Häuserzeilen meiner Heimatstadt Thiernan, zwischen denen der zarte Dunst des Morgens hängt, kündigt die Sonne in pastelligen Tönen einen grandiosen Auftritt an. Der Himmel ist klar und bietet die perfekte Bühne für ein paar angeberische Minuten. Zumindest für diejenigen, die den Sinn dafür noch nicht verloren haben. Direkt vor mir ragt eine kleine Brücke auf, die mit ihrem barocken Geländer und dem kunstvoll gesetzten Granitpflaster über dem gemächlich plätschernden Fluss thront, dessen Namen ich mir auch nach all den Jahren partout nicht merken kann. Ich überlege für einen kleinen Moment, stehen zu bleiben und zuzusehen, mir ein paar Minuten lang einzureden, alles wäre gut und ich glücklich. Ich könnte so tun, als sei heute der Tag, an dem sich alles ändert. Nur für einen Moment.

Doch gerade, als ich mich dafür entscheide, erlöschen in einem Radius von mehreren Metern um mich herum sämtliche Lichter. In der Ferne glimmt es noch, weshalb ein Stromausfall wohl kaum der Grund sein wird. Ich bleibe mehr oder weniger verwundert stehen und schaue mich um. Ein Prickeln in meinem Nacken, wie eine Vorahnung oder ein ungutes Gefühl, überläuft mich und die Härchen an meinen Armen stellen sich auf. Die Geräusche in meiner Umgebung verstummen urplötzlich und die Temperatur ist fühlbar um einige Grad abgesackt. Mein Atem bildet weiße Wölkchen vor meinem Gesicht und ich schwöre, das hat er vor ein paar Sekunden noch nicht getan. Ich atme tief ein und puste noch einmal warme Luft in die Nacht, beobachte wie hypnotisiert den Schleier, der beinahe unwirklich dicht und fast pulsierend vor mir herumwabert, strecke die Hand danach aus – und stolpere entsetzt zurück, als mir aus genau diesem unschuldigen Nebel eine grässliche Fratze entgegenspringt.

Kälte dringt schlagartig in meine Glieder und unterdrückt den spitzen Schrei, der in meiner Kehle festhängt. Ich bekomme keine Luft, gerate ins Straucheln, falle auf den Hintern und schlage in wilder Panik um mich. Doch da ist absolut nichts, gegen das ich kämpfen könnte. Keine Fratze mehr, nur noch der Nebel, der jedem meiner Schläge wabernd ausweicht.

Japsend versuche ich verzweifelt, Luft in meine Lunge zu zwingen, reiße am Kragen meiner Jacke, will aufstehen und um Hilfe rufen, doch meine Gliedmaßen gehorchen mir nicht mehr und Punkte tanzen vor meinen Augen.

Ich sterbe. Dieser Gedanke schießt wie ein glühender Pfeil durch meine Eingeweide, während ein rasender Schmerz meine Brust erfasst und mir Tränen in die Augen treibt. Meine Fingerspitzen prickeln und nur einen Augenblick später weitet sich das Gefühl auf meine Handflächen aus. Eine Reaktion auf den Sauerstoffmangel? Ist das normal? Was zur Hölle wäre wohl gerade noch normal? Ich brauche Hilfe! Doch das Prickeln wird intensiver, schlägt um in ein Brennen – so schmerzhaft, als würden meine Hände schmelzen. Ich kippe zur Seite, kämpfe um jeden Fetzen Luft und hebe die Handflächen zitternd in mein Blickfeld. Tatsächlich besiegt für einen Moment die Überraschung meine Angst, denn meine Hände brennen. Nicht sprichwörtlich. Wörtlich! Lichterloh. Ich sollte mich darüber wohl wundern. Nein, ich sollte verdammte Angst haben! Habe ich aber nicht. Im Gegenteil. Erleichterung durchströmt mich, als ob eine Last von mir genommen wurde. Instinktiv strecke ich meine flammenden Hände dem Nebel entgegen. Keine Ahnung, warum. Vielleicht einfach, weil das Feuer die einzige Waffe ist, die ich gerade besitze. Selbst wenn ich es bin, die brennt.

Abermals bricht die furchtbare Fratze aus dem Nebel heraus, weicht zurück und kreischt laut auf. Ein zutiefst unmenschliches Geräusch, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellen und mich das beinahe unbezwingbare Verlangen überkommt, meine brennenden Hände auf die Ohren zu pressen. Stattdessen brülle ich zurück, halte meine Flammen wie ein Schutzschild vor mich und hoffe, dass ich stark genug bin, das hier zu überstehen.

Als der Schrei endlich verklingt, bin ich schlagartig frei. Ich sauge rasselnd und hustend Luft in meine Lunge, sinke flach auf den Boden und krieche etliche Meter rückwärts – Hauptsache weg von diesem … diesem … Monster.

Noch immer in Todesangst sehe ich mich um, versuche auszumachen, von wo der nächste Angriff erfolgen wird. Doch die Nacht um mich herum ist friedlich und nichts erinnert auch nur entfernt an das, was eben geschehen ist. Kein Nebel mehr. Ich komme auf die Beine, sehe mich blinzelnd um und starre schließlich keuchend und verwirrt auf meine Hände, drehe und wende sie. Doch da ist nichts. Weniger als nichts. Keine Flammen. Kein Glühen.

Langsam und äußerst träge nehme ich meine Umwelt wieder wahr, entdecke links von mir die Brücke und rechts von mir die kleine Bank und den Park dahinter, halb verborgen in den dunklen Schemen der Nacht. Gerade, als ich mich abwenden will, zerfetzt der wohlbekannte Schrei abermals die Stille und ich werde steif vor Angst.

Dort hinten, in den dunklen Schatten im Park, erkenne ich die dicken, weißen Nebelschwaden. Meine Handflächen sind feucht und ich gerate ins Straucheln. Angst schnürt mir abermals die Kehle zu und jede Faser meines Körpers schreit mich an, zu fliehen. Auf der Stelle! Doch dieses Mal bin nicht ich sein Ziel.

Eine Gestalt, augenscheinlich ein Mann, steht ihm gegenüber. Ich entdecke einen schwach glimmenden Gegenstand in seiner Hand, kann aber nicht genau erkennen, was es ist.

»Lauf!«, brülle ich, trotz meiner rasenden Angst, will zu ihm laufen, stoppe aber nach wenigen Schritten, weil mich der Mut verlässt. Beide wenden sich gleichzeitig zu mir um und ich erkenne, dass ich einen Fehler gemacht habe.

Während der Nebel sofort wieder auf mich zuschießt, macht der Mann etwas, mit dem ich nicht gerechnet habe. Er stellt sich diesem Ding in den Weg. Mehr noch, er greift es an. Nobel, denke ich.Und ein wenig lebensmüde. Oder einfach nur dumm. Doch schon im nächsten Augenblick ändere ich meine Meinung, denn sein Einsatz zeigt Erfolg. Mitten im Kampf dreht er sich zu mir um und ich erhasche für einen kurzen Moment einen Blick auf sein Gesicht, doch diese wenigen Sekunden reichen kaum, um mir Details einzuprägen.

»Verschwinde!«, brüllt er wütend und dann gilt seine ganze Aufmerksamkeit wieder dem Kampf. Er hindert dieses Wesen daran, zu mir zu gelangen, und auch wenn es feige ist, lasse ich mich nicht zweimal bitten, drehe mich um und laufe, als sei der Teufel höchstpersönlich hinter mir her. Ich laufe, bis das Licht der Straßenlampen mich wieder umschließt, und erst hier wage ich einen kurzen Blick zurück.

Die Brücke ruht friedlich im sanften Schein der Laternen wie eh und je. Kein Nebel, keine defekte Beleuchtung und auch kein mysteriöser Retter. Meine Gedanken überschlagen sich, mein Atem rasselt noch immer ein wenig. Ich weiß, was ich gesehen habe! Ich weiß, was ich gespürt habe!

»Miss … alles in Ordnung?« Eine Frau, die gerade die Tür direkt neben mir verlässt, erkundigt sich besorgt nach meinem Befinden, doch mein Adrenalinspiegel ist noch immer so hoch, dass ich mit einem leichten Aufschrei zurückweiche.

Ihren verwirrten Blick ignorierend drehe ich mich um und renne die letzten Meter bis zum Haus. Mit zittrigen Fingern fummle ich die Schlüssel heraus, reiße die Tür auf und sprinte in den Flur. Ohne an Tempo zu verlieren, nehme ich zwei Treppenstufen auf einmal und falle beinahe in meine Wohnung. Ich werfe Jacke und Tasche beiseite, verrammle alle Fenster und erst jetzt halte ich inne, lasse mich gegen die Wand sinken, atme tief durch und versuche rational zu denken. Es ist nichts passiert – rein gar nichts! Das war alles Einbildung. Überarbeitung. Keine Ahnung.

Vielleicht hat mir einer der Gäste was in meine Wasserflasche getan. Das könnte eine Erklärung sein. Ja, ganz sicher war es etwas in der Art gewesen. Oder einer dieser dämlichen Streiche, mit denen sich ein paar Idioten im Internet rühmen. Eine Nebelmaschine, irgendeine Art Projektor und ein vollkommen übermüdetes Opfer. Fertig war das nächste Kracher-Video, das sich wie ein Lauffeuer auf den sozialen Plattformen verbreiten würde.

Ganz langsam beruhigt sich mein Puls und mein gesunder Menschenverstand gewinnt die Oberhand. Alles harmlos. Ich meine, was denn sonst? Monster? Nebelwesen? Es gibt sicher eine ganz einfache Erklärung.

Trotzdem geben meine Knie nach und ich sinke auf die Couch, lasse mich in die weichen Kissen fallen und ignoriere das noch immer anhaltende Zittern meiner Finger. Ebenso wie den sehr realen Duft nach Schwefel.

Zwei

Die Bar ist ausnahmsweise mal ganz gut besucht. Es ist Monatsanfang und Freitag. Für ein paar Stammgäste augenscheinlich ein guter Grund, den Start ins Wochenende feuchtfröhlich zu begießen.

Viele der Gesichter kenne ich inzwischen recht gut. Ich weiß, wo sie arbeiten, kenne die Namen ihrer Kinder, Frauen und Geliebten. Ich lache über ihre Witze, lasse mir Spitznamen wie Häschen, Täubchen und Schätzchen gefallen und werfe den einsamen Herren hin und wieder ein nettes Lächeln zu. Das alles für einen Umsatz, den Jimmy bei jeder sich bietenden Gelegenheit beweint. Als könnte ich was dafür.

Diese Bar hat schlicht und ergreifend nichts, das Kundschaft anlocken, geschweige denn halten könnte. Ich habe keine Ahnung, warum die, die sich aktuell um die Tische drängeln, überhaupt hier sind. Das Bier ist schlecht und die Preise überteuert. Anfänglich habe ich versucht, mit Jimmy zu reden, eigene Ideen einzubringen, aber er ist absolut resistent, was das betrifft, und setzt lieber auf seine eigenen glorreichen Ideen.

Er versucht es mit Flyern und Events, wie er es so schön nennt. Ein Event ist bei ihm allerdings ein drittklassiger Stand-up-Comedian, eine vollkommen unbekannte Band oder, oder, oder. Er hat schon alles Erdenkliche ausprobiert. Alles, außer der unglaublich naheliegenden Möglichkeit, anständig zu putzen und zu renovieren.

Und obwohl ich Jimmy an manchen Tagen einfach nur ins Gesicht schreien möchte, dass er seinen Scheiß doch allein machen soll … dieser Job hält mich über Wasser und sind wir ehrlich: Was Besseres erwartet mich in der großen, weiten Welt einfach nicht. Also stehe ich Samstagabend hinter dem Tresen, spüle Gläser, lächle freundlich, zapfe Bier und mixe mittelmäßige Drinks.

***

Der Schreck vom gestrigen Abend ist beinahe vergessen. Zumal selbst Matt mich in meiner Vermutung bestätigt hat, es sei sicher nur ein Dummer-Jungen-Scherz gewesen. Seine Bestätigung tat gut und er schien beinahe richtig … besorgt um mich zu sein. Einer der wenigen Momente, in denen er mich daran erinnerte, warum genau er noch bei mir wohnen darf.

***

Es ist kurz nach zwei und Rauchschwaden wabern durch den nur spärlich beleuchteten Raum. Der Andrang hat nachgelassen, sodass ich Zeit habe, bereits mit dem Aufräumen anzufangen. Ich wische die Tische ab, rücke Stühle zurecht, räume leere Gläser weg und ersetze sie bei Bedarf.

Nur eine Handvoll Gäste sind noch übrig. Eine Gruppe von sechs Männern, unter ihnen Jimmys Bruder Taylor, drängt sich laut lachend um einen kleinen Tisch in der hinteren Ecke, während sie abwechselnd von den jeweils überlebten Heldentaten berichten. Glauben darf man davon nicht einmal die Hälfte. Wenn man beim Flunkern leuchten würde … da hinten wäre die Sonne.

Lächelnd schüttle ich den Kopf und lege meine Hand vorsichtig auf die eingesunkene Schulter eines älteren Herrn.

»Na, Mitch, noch eins?«, raune ich leise, um ihn nicht zu erschrecken. Mitch kommt jede Woche her, trinkt immer nur ein einziges Bier, sitzt da, lächelt in sich hinein und genießt es, nicht allein zu sein. Auch heute schüttelt er auf meine Frage erwartungsgemäß den Kopf, räuspert sich und schiebt den Stuhl zurück. Als er sicher steht, greift er in seine Hosentasche und drückt mir einen zerknautschten Zehner in die Hand.

»Ich bring dir gleich dein Wechselgeld, ja?«

»Behalt es«, murmelt er müde und tätschelt meine Hand.

»Komm schon, das ist viel zu viel.«

Doch er bleibt stur und schüttelt nachdrücklich den Kopf.

»Seit wann kann ein alter Mann«, er ächzt wie ein knorriger Ast im Wind, als er sich auf dem Tisch abstützt, »nicht einmal mehr selbst darüber entscheiden, wie viel Trinkgeld er der netten Kellnerin gibt, hmm?«

Er hustet und hält sich noch einen Moment an der Tischplatte fest, bis das Beben nachlässt. Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter und er tätschelt sie beruhigend. Beinahe jungenhaft zwinkert er mir zu.

»Kannst es doch gebrauchen, Kleine. Steck's schon ein.«

Ehe ich erneut protestieren kann, wendet er mir den Rücken zu und schleicht auf wackeligen Beinen hinüber zu der kleinen Garderobe neben der Tür, an der sein Mantel hängt. Bereits im nächsten Moment ist er in der Nacht verschwunden.

Mit einem leicht wehmütigen Lächeln auf den Lippen wende ich mich um, wische den Tisch ab und trage sein Glas zum Tresen. Doch erst, als ich es zum Trocknen aufstelle und noch einen Blick hinüber in die Ecke zu Taylor und den Jungs werfe, bemerke ich den Mann, der mir ganz plötzlich direkt gegenübersitzt. Nur mit Mühe unterdrücke ich einen Aufschrei und widerstehe dem Drang, zurückzuweichen. Gegen die Gänsehaut, die über meinen Rücken rieselt, kann ich allerdings nichts tun.

Wann zu Hölle ist der denn aufgetaucht? Und warum habe ich ihn nicht bemerkt? Ich bin doch die ganze Zeit in der Nähe gewesen und hatte die Tür im Blick. Ich hatte die ganze verdammte Bar im Blick.

Doch er ist definitiv da. Keine Einbildung, kein Hirngespinst. Die Kälte der Nacht klebt noch immer an ihm, ebenso wie ein merkwürdiger Geruch, den ich nicht einordnen kann. Seine dunkle, fast reglose Gestalt ist in eine dicke Jacke gehüllt und eine tief hängende, schwarze Kapuze verdeckt sein Gesicht. Wortlos sitzt er auf einem der wackeligen Barhocker vor mir, die Ellenbogen aufgestützt und den Blick auf den zerkratzten Lack der Theke geheftet. Seine Finger umschließen eine zerknautschte Zigarettenpackung und lassen sie hin und her wandern. Ich weiß nicht warum, aber es erscheint mir plötzlich um einiges kühler im Raum und ich fühle mich meinem Fluchtinstinkt ziemlich hilflos ausgeliefert. Kalter Schweiß steht auf meiner Stirn und ich kann nur mit Mühe das plötzliche Zittern meiner Finger vor ihm verbergen.

»Wir schließen gleich«, murmele ich, wobei ich einen höflichen, geschäftlichen Ton wahre und versuche, einen Blick in sein Gesicht zu erhaschen. Doch es gelingt mir nicht.

Wortlos wendet er sich der noch immer laut lachenden Männergruppe zu und ich schnaufe leise.

»Auch wieder richtig …« Danke, Jungs.»Also ein Bier?«, frage ich versöhnlich und versuche, dieses lächerliche Gefühl abzuschütteln, das sich noch immer in meiner Magengrube breitmacht. Immerhin kann der Typ ja nichts für meine recht paranoide Phase. Meine Finger zittern trotzdem ein wenig, als ich nach einem der sauberen Gläser greife und ein Lächeln auf meine Lippen zwinge.

»Ich bin ehrlich gesagt nicht davon ausgegangen, Sie heute Abend hier anzutreffen.« Seine Stimme ist tief, melodisch und gerade so laut, dass ich ihn verstehen kann, ohne mich vorzulehnen.

»Kennen wir uns denn?«

Langsam hebt er die Hand an seine Kapuze und zieht sie sich vom Kopf. Zum Vorschein kommt ein dunkelblonder, zerzauster Haarschopf und ein markantes, wenn auch müdes Gesicht, halb bedeckt von einem ordentlich gestutzten, nicht zu aufdringlichen Vollbart. Unter dichten, dunklen Augenbrauen erkenne ich im Halbschatten der miesen Beleuchtung zwei gefährlich glänzende blaue Augen.

Für einen Moment vergesse ich zu atmen und kralle die Finger zu fest in das betagte Spültuch, das unter dem Druck nachgibt und reißt. Das ist der Typ von gestern. Ich hätte ihn nicht beschreiben können, aber jetzt – mit ihm direkt vor der Nase – habe ich absolut keinen Zweifel.

»Geht's dir nicht gut?«, fragt er und ein Lächeln, das seine Augen nicht erreicht, verzerrt seine Züge.

»Wie schon gesagt, wir schließen bald. Gehen Sie bitte«, sage ich mit brüchiger Stimme und löse meine Finger aus ihrer Schockstarre. Kein Grund mehr, nett zu sein.

»Klang eben noch anders«, murmelt er und macht überhaupt nicht den Eindruck, meiner Bitte nachkommen zu wollen.

»Das Angebot gilt nicht für Freaks, die sich einen Spaß daraus machen, Fremde zu Tode zu erschrecken.«

»Zu Tode zu erschrecken?« Er lacht und lehnt sich ein Stück zur Seite. Mein Herz rast und ich überlege fieberhaft, wie ich Taylor und die anderen auf mich aufmerksam machen kann. Der Typ ist mir unheimlich. Nein, sogar mehr als das. Ich habe Angst. Und das passiert mir nicht oft.

»Ich denke, ich sollte Ihrer Erinnerung vielleicht etwas auf die Sprünge helfen.«

»Und ich denke, Sie sollten jetzt gehen«, sage ich laut und erreiche damit genau das, was ich erreichen wollte. Das Gelächter verstummt und die Aufmerksamkeit der Männer gilt nun mir und meinem ungebetenen Besucher.

»Alles in Ordnung, Emmi?«, fragt Taylor etwas lauter als nötig und erhebt sich betont langsam von seinem Platz. Taylor ist breit wie ein Schrank. Ein wahrer Hüne und sicherlich niemand, mit dem man sich anlegen möchte.

Der Fremde vor mir wirkt allerdings nicht im Mindesten eingeschüchtert, lässt sich aber trotzdem vom Barhocker gleiten, wobei er nicht ein einziges Mal den Blickkontakt zu mir unterbricht. Das Lächeln auf seinen Lippen ist wie festgefroren.

»Alles in Ordnung«, rufe ich hinüber und gönne ihm nicht den Triumph, jetzt wegzusehen. »Ich habe dem Herren nur gerade mitgeteilt, dass wir gleich schließen.«

Für einen Moment wird sein Lächeln noch breiter, bevor er endlich den Blick senkt, sich umdreht und die Hände schulterzuckend seitlich ausstreckt.

»Und er hat sich angemessen für die Gastfreundschaft bedankt!« Seine Stimme klingt fast ein wenig theatralisch, als er das sagt und den Männern dabei zuzwinkert.

»Komm schon, Junge, verzieh dich einfach, ja?«, ruft Taylor offensichtlich gelangweilt, betrachtet die Sache als erledigt und setzt sich wieder.

Der Fremde löst den Blick von der Männerrunde, steckt die Hände in die Jackentaschen und wendet sich zum Gehen. Erst im letzten Moment scheint er es sich anders zu überlegen und lehnt sich noch einmal in meine Richtung.

»Pass auf dich auf. Der Weg ist recht lang, nicht wahr?« Und mit diesen Worten dreht er sich um und geht. Ich kann mir nicht helfen, aber das klang verdammt nach einer Drohung.

***

Knapp eine Stunde später haben auch Taylor und seine Kumpel unter wilden und nicht jugendfreien Gesängen die Bar verlassen. Ich bin ganz allein. Wie Tausende Male zuvor. Tausende Male, in denen mir dieser Umstand rein gar nichts ausgemacht hat, ich ihn sogar genossen und herbeigesehnt habe. Doch als ich nun die Tür abschließe und beginne, die Lichter zu löschen, überkommt mich erneut diese bislang vollkommen ungewohnte Kälte, die ich bereits vorhin gespürt habe. Eine nicht erklärbare Angst kriecht meinen Nacken hinauf und lässt meine Finger zittern.

Ich wische mir mit dem Handrücken über die Stirn, wende mich um und rede mir ein, dass alles okay ist. Ist es ja auch. Nur weil so ein Freak Spaß daran hat, herumzulaufen und Frauen Angst einzujagen, lasse ich mich sicher nicht von meinem gewohnten Tagesablauf abbringen. Ich werde ihm zeigen, dass er sich die Falsche ausgesucht hat. Ich werde nicht mit dem Bus fahren, sondern den Heimweg genießen, so wie immer. Und gnade ihm Gott, sollte er es wagen, seine Show noch einmal abzuziehen.

Ich löse den Knoten der Schürze in meinem Rücken, knülle sie zusammen und bewege mich betont langsam zu meinen Sachen hinter dem Tresen, als mich ein Knall zusammenfahren lässt. Angesichts der ohnehin erdrückenden Anspannung, die sich in mir aufgestaut hat, entringt sich augenblicklich ein spitzer Schrei meiner Kehle und ich starre panisch in die Ecke, aus der das Geräusch kam. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt, doch ich entspanne mich sofort, als ich den Grund für das Geräusch erkenne. Ich lasse die hochgezogenen Schultern sinken und die angehaltene Luft entweicht aus meiner Lunge.

Einer der Stühle ist umgekippt. Daneben steht ein Mann und starrt das Möbelstück reglos an. Sicher gehört er zu Taylors lustigem Grüppchen und war nur auf der Toilette. Er wäre nicht der Erste, der nach einem kurzen Nickerchen den Anschluss verloren hat.

»Die anderen sind schon weg, Sir. Ich lasse Sie gleich raus«, erkläre ich nett lächelnd und die Erleichterung schwingt deutlich hörbar in meiner Stimme mit. Ich bin drauf und dran, mich zur Tür umzudrehen, um ihn rauszulassen, als ein markerschütterndes Knacken mich innehalten lässt.

Erneut überläuft mich eine Gänsehaut, während ich den Blick wie in Zeitlupe in die Richtung wende, aus der das Geräusch kam – und erstarre. Der Kopf des Mannes steht in einem merkwürdigen Winkel ab, tote Augen starren ins Nichts. Er macht einen Schritt auf mich zu, wobei seine Füße schwerfällig über den Boden schlurfen und die Arme leblos herabhängen und nur leicht hin und her baumeln. Ein Kloß hängt in meiner Kehle und wächst mit jedem Zentimeter, den ich zurückweiche. Einen Schritt nach dem anderen, bis ich die Tür in meinem Rücken spüre.

»Sir …« Meine Stimme klingt dünn, nicht wie eine höfliche Anrede, sondern wie ein Flehen – ein Flehen angesichts der Tatsache, dass das hier viel mehr ist als ein dummer Streich. Der Mann – oder was auch immer das da vor mir ist – bewegt sich langsam und atmet schwer. Das Geräusch gleicht eher einem Schnaufen, das sich ganz und gar nicht menschlich anhört. Ein weiteres Knacken durchläuft seinen Körper und lässt etliche Knochen hörbar zersplittern. Einige Schritte vor mir bricht er zusammen, krümmt sich und reißt sich die Kleider vom Leib, während ich einfach nur dastehe und die Szene beobachte. Steif, starr und vollständig gelähmt vor Angst. Was zur Hölle geht hier vor?

Ich schließe für einen winzigen Moment die Augen und hege die leise Hoffnung, das alles könnte nur Einbildung sein. Doch als ich sie wieder öffne, ist er noch immer da. Meine Hände tasten in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel. Was immer hier gerade passiert, was immer das zu meinen Füßen ist – Ich muss weg. Sofort!

Zitternd bekomme ich das feste Metall zu fassen und zerre es hervor, doch es entgleitet mir beinahe im selben Moment wieder und fällt zu Boden. Schluchzend presse mich gegen das Holz der Tür, rutsche mit dem Rücken daran herab und taste nach den Schlüsseln, ohne das röchelnde und sich aufbäumende Etwas vor mir aus den Augen zu lassen. Als ich sie habe, fummle ich den richtigen heraus, erhebe mich, schlucke schwer und wende ihm den Rücken zu. Panisch versuche ich, den Schlüssel ins Schloss zu schieben, doch ich verfehle es wieder und wieder und möchte schreien vor Angst, Verzweiflung und Anspannung. Endlich gleitet er hinein und ich mache mich bereit, zu fliehen. Doch stattdessen reißt mich irgendwas mit einer solchen Wucht zurück, dass ich den Boden unter den Füßen verliere.

Ich schlage hart mit dem Rücken auf den Dielen auf, schramme ein Stück über den aufgeschwemmten, unebenen Boden und stoße mit dem Kopf hart gegen den Tresen. Sofort schießen mir Tränen in die Augen und ich krümme mich zusammen, schreie und versuche fortzukriechen. Doch etwas packt mich am Fuß und zerrt mich zurück.

Durch die Tränen hindurch sehe ich zunächst nur verschwommene Umrisse, die allerdings mit jedem Blinzeln deutlicher werden. Das da hat keinerlei Ähnlichkeit mehr mit einem Menschen. Genau genommen hat es überhaupt keine Ähnlichkeit mit irgendetwas, das ich kenne.

Seine Haut ist grau, glänzend und sieht aus, als würde sie in Fetzen herabhängen, als sei sie zu eng gewesen und an mehreren Stellen aufgesprungen. Es ist kaum mehr als eine unförmige Masse aus Gliedmaßen. Seine Haltung ist gebeugt, wie die eines Wesens, das eigentlich auf vier Beinen läuft. Seine Augen nur leblose schwarze Punkte, die starr auf mich herabblicken.

»Bitte … bitte …«, flehe ich, doch ein dröhnender Schrei lässt mich verstummen. Ich kann nichts tun, als die Kreatur ihre Klauen nach mir ausstreckt, sie um meinen Hals schließt und mich hochhebt, als wäre ich ein Püppchen. Ich bekomme keine Luft, kralle die Finger in die matschige Haut meines Angreifers, strample und trete, erreiche jedoch rein gar nichts.

Ich verstumme schlagartig, als er mich abermals gegen eine der Wände schleudert. Als ich dieses Mal zu Boden gehe, ist die Welt um mich herum für einen Moment grau und tonlos. Nur mein eigener Atem dröhnt in meinen Ohren.

Ich weiß, dass er da ist, kann ihn fühlen, riechen, doch meine Glieder gehorchen mir nicht mehr. Ein Schatten fällt auf mich, etwas greift nach meinem Arm und ich will ihn zurückziehen, mich befreien, aber jeder Versuch endet auf die gleiche Weise: Ich versage. Mit aller Macht gelingt es mir, den Kopf zu drehen, und ich sehe die scharfe Klaue, die die Kreatur an der Innenseite meines Unterarmes ansetzt und bis hinunter zum Handgelenk durch meine Haut zieht. Rotes, dickes Blut quillt hervor und der Schmerz presst mir die Luft aus der Lunge. Ich kann nicht atmen! Nicht fliehen. Nicht schreien, nicht weinen, nicht jammern, nicht einmal wimmern.

Das widerliche Vieh beugt sich zu mir hinab und leckt gierig das austretende Blut ab, während ich einfach nur daliege und mein Herz in meiner Brust hämmert.

Ich will die Augen schließen, gegen das Dröhnen in meinem Kopf und gegen die Angst und den Schmerz, der in Wellen durch meinen Körper schießt, als die Kreatur plötzlich von mir ablässt und ihr Schrei abermals durch den Raum hallt. Dieses Mal jedoch klingt er anders. Ich zwinge mich dazu, die Augen offen zu halten, und entdecke sie ein ganzes Stück von mir entfernt. Kämpfend. Und zwar mit einem Mann. Nein, nicht mit irgendeinem, sondern mit dem Mann. Mit dem Fremden von vorhin. Ich erkenne die Waffe aus dem Park wieder. Und seine Augen.

Wenn ich sprechen könnte, würde ich diesen Spinner sogar warnen. Wie heldenhaft – und dumm – von ihm, sich einer solchen Bestie entgegenzustellen. Wahrscheinlich werden sie seine Überreste, ebenso wie meine, morgen vom Boden aufsammeln.

Aber vielleicht ist genau das meine Chance. Ich drehe den Kopf und starre auf die Wunde an meinem Arm, aus der sich bereits eine große Lache Blut auf den Boden ergossen hat. Mir ist kalt. Sehr, sehr kalt. Und ich versuche trotzdem, aufzustehen, wegzukriechen. Mich und mein lächerliches, verkorkstes Leben irgendwie zu retten. Doch ich schaffe es nicht einmal, auch nur einen Finger zu rühren. Ich fühle, wie ich den Halt verliere und mein Bewusstsein schwindet. Die Farben um mich herum verblassen, die Schreie werden leiser. Meine Muskeln hören auf zu zucken und die Kälte schlägt um in eine wohlige Wärme. Ich weiß, was das bedeutet und dass ich genau jetzt kämpfen müsste. Ich weiß nur nicht, ob ich das auch kann. Denn obwohl ich mich mehr als jemals zuvor anstrenge, kann ich die Augen unmöglich noch länger offen halten. Ich höre das Kreischen, das Poltern und hoffe, die Rückkehr dieses Ungeheuers nicht mehr zu erleben. Doch als ich seine Nähe tatsächlich spüre, habe ich wahnsinnige Angst und flehe, dass es schnell gehen möge.

»Emma, hörst du mich?« Moment, das kann unmöglich …

Jemand klopft mir auf die Wange und dieser Jemand hat Hände. Warme Hände. Keine Klauen. Ist es möglich, dass der Fremde …?

»Emma, ich weiß, es ist schwer, aber du musst mich ansehen. Hörst du? Mach die Augen auf.«

Ich versuche es, doch erfolglos. Er bittet mich noch einmal und seine Stimme ist warm und weich und leise. Ebenso wie das erneute Tätscheln meiner Wange. Als jedoch auch das keine Reaktion meinerseits hervorruft, wird sein Ton rauer und drängender. Er schüttelt mich und ich will ihn anschreien, damit aufzuhören. Ich versuche es doch, verflucht!

»Mach die Augen auf, verdammt!«, brüllt er schließlich viel zu laut und ich stemme mich mit aller Macht gegen die Dunkelheit, die mich einhüllt, und dann, für einen kurzen Moment, öffne ich die Augen und schaue mitten hinein in sein Gesicht.

»Hör zu, ich kann dir helfen. Aber du musst wach bleiben, okay? Du musst unbedingt wach bleiben!« Er ist ganz nah bei mir. Ich fühle seine Hände auf meiner Haut, seine Nähe, presse die Zähne aufeinander und nicke. Als er verschwindet, wächst meine Angst, allein zu sterben, ins Unendliche. Die Kälte ist sofort zurück und ohne mein Zutun beginne ich zu wimmern wie ein Kind.

»Ich bin hier. Ich bin da. Einen Augenblick noch.«

Und tatsächlich. Da ist er wieder. Er hebt meinen Arm leicht an und diese winzige Bewegung verstärkt den Schmerz so enorm, dass ich laut aufschreie. Er presst die Lippen zusammen, schraubt ein kleines Fläschchen auf und kippt den Inhalt kopfschüttelnd über die blutende Wunde. Noch ehe der gleißende Schmerz sich vollständig in meinem Körper ausbreiten kann, umfängt mich die Nacht.

Drei

Ich schlage die Augen auf und blinzle in grelles Sonnenlicht. Mein Kopf schmerzt furchtbar, sodass ich die Lider wieder schließe und mich auf die Seite drehe, um noch ein wenig zu schlafen. Doch ich bin weit genug aus der Dunkelheit emporgetaucht, um zumindest einige intakte Hirnzellen vorweisen zu können. Und genau die nehmen jetzt, träge und nicht besonders umfänglich, ihre Arbeit wieder auf. Der Großteil von dem, was gestern passiert ist, bleibt allerdings eine graue, trübe Masse. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist die Bar. Und… dieser Typ.

Ich setze mich auf, streiche mir die Haare aus der Stirn und mein Kopf dröhnt im Takt meines Herzens. Ich lege die Hände in den Nacken und stöhne leise, während ich die verspannten Muskeln massiere und krampfhaft versuche, mir ein paar Details der vergangenen Nacht ins Gedächtnis zu rufen. Was ist passiert? Wie bin ich nach Hause gekommen? Doch da ist und bleibt nichts, nur dieses… Gefühl, das ich nicht beschreiben kann.

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