CFS - Chronic Fatigue Syndrome - Joachim Strienz - E-Book

CFS - Chronic Fatigue Syndrome E-Book

Joachim Strienz

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Beschreibung

Unerklärliche starke Erschöpfung, Schwierigkeiten mit der Konzentration, diffuse Schmerzen und eine hohe Anfälligkeit für Infekte – zunächst scheinen diese Symptome nicht viel gemein zu haben. Doch hinter diesen Beschwerden kann sich das Chronic Fatigue Syndrome (CFS) verbergen. Das chronische Erschöpfungssyndrom ist eine Erkrankung, die zwar weltweit erforscht wird, jedoch immer noch viele Fragen aufwirft. Die genauen Ursachen konnten bislang nicht bestimmt werden. Man weiß jedoch, dass dieses Syndrom oft nach einer Vorerkrankung auftritt. Wie sich jetzt mehr und mehr herausstellt auch nach einer COVID-19 Infektion. In den letzten Jahrzehnten hat CFS wenig Beachtung gefunden und als Patient ist der Weg zur Diagnose lang und von vielen Rückschlägen begleitet. Ärzte nehmen diese Erkrankung oft nicht ernst und stufen die Hilfesuchenden als psychologische Fälle ein. Durch den Zusammenhang mit Corona ändert sich dies nun schlagartig. Die Krankheit bekommt sehr viel Aufmerksamkeit und wird dementsprechend intensiv erforscht. Fachärzte erwarten nun einen großen Sprung in der Zulassung und weiteren Entwicklung von Medikamenten. Denn obwohl CFS aktuell noch nicht heilbar ist, können die Beschwerden gelindert werden und sogar vollständig zurückgehen. Dieser Ratgeber begleitet Sie dabei Ihre Symptome in den Griff zu bekommen und wieder aktiv am Alltag teilzunehmen.

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CFS – CHRONIC FATIGUE SYNDROME

VERSTEHEN • URSACHEN BEHANDELN • BESCHWERDEFREI LEBEN

Dr. med. Joachim Strienz

Aktuelles

Leider konnte die neue Rituximab-Studie die Ergebnisse der ersten Vorstudien nicht betätigen. Die Meldung aus Norwegen war eine große Enttäuschung für alle Menschen, die an CFS erkrankt sind, für deren Familien, aber auch für alle Selbsthilfegruppen.

Sie erinnern sich vielleicht noch: In kleineren Studien hatten Forscher sensationelle Effekte mit dem Antikörper Rituximab erzielen können. Die norwegischen Forscher Dr. Øystein Fluge und Dr. Olav Mella aus Bergen hatten 2011 eine klinische Studie mit diesem Medikament zur Behandlung von ME (benigne myalgische Enzephalomyelitis) und CFS (chronic fatigue syndrome) publiziert, die viel Aufsehen erregt und große Hoffnungen geweckt hatte. Die randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie, an der insgesamt 30 Patienten teilgenommen hatten, war eine Sensation. 10 der 15 mit dem Medikament behandelten Patienten erlebten eine signifikante Verbesserung ihres Zustands, und 2 davon erholten sich sogar vollständig und sind bis heute symptomfrei.

Gründe, warum sich die vielversprechenden Ergebnisse zu Rituximab nicht wiederholen ließen, sind derzeit noch nicht klar. Es kann sein, dass es Unterschiede zwischen den Patienten gibt, die in verschiedenen Stadien untersucht wurden. Es kann sein, dass nur eine kleine Anzahl von Patienten, vielleicht eine Untergruppe, positiv auf Rituximab reagiert. Dies muss weiter geklärt werden.

Aus diesem Grund wurde das Kapitel „Rituximab bei CFS“ in der neuen Auflage weggelassen.

Was bleibt, ist die steigende Zahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die mithelfen möchten, eines der ganz großen Geheimnisse in der Medizin zu entschlüsseln, nämlich die Ursache und die Heilung von CFS. Zudem hat das norwegische Team keineswegs das Interesse an einer Fortsetzung ihrer Forschung verloren. Größtes Hindernis bei der Entschlüsselung von CFS ist bis heute, dass diese Krankheit weltweit stark unterfinanziert ist, sowohl in der Forschung, aber auch in der Patientenversorgung und in der Ausbildung der Ärzte.

Während die Rituximab-Studie ihr Hauptziel verfehlt hat, nämlich ein erstes Medikament für die Behandlung von CFS-Patienten zur Verfügung stellen zu können, bleibt festzuhalten, dass die Auswirkungen weltweit enorm waren. Das kleine Land Norwegen hat gezeigt, dass es auch große Themen weiterentwickeln kann. In diesem Zusammenhang darf auch das Versagen in Deutschland nicht unerwähnt bleiben, das weltweit bei CFS als Schlusslicht in der Förderung, Erforschung und Versorgung gilt. Diese Erkrankung wird immer noch von den staatlichen Stellen komplett ignoriert.

Mein größter Wunsch ist, dass dieses Buch mithilft, diese schwere Erkrankung in Deutschland bekannter zu machen, und dass es dazu beiträgt, den betroffenen Menschen eine Hilfe anzubieten, um die dramatischen Einschränkungen des täglichen Lebens besser bewältigen zu können.

Ich bedanke mich sehr beim Verleger des Zuckschwerdt-Verlags, Herrn Dr. Jörg Meidenbauer, für sein Interesse an der Fortführung und an der weiteren Verbesserung dieses Buches.

Dr. med. Joachim Strienz

INHALT

Aktuelles

KAPITEL 1

Einleitung

Was bedeutet chronisches Erschöpfungssyndrom?

Wie wird die Diagnose gestellt?

Wie wird die Krankheit behandelt?

Die Lebenssituation der Erkrankten

Wie häufig kommt CFS vor?

Welche Schweregrade gibt es bei CFS?

Ist CFS eine psychische Erkrankung?

KAPITEL 2

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei CFS

Warum sind Frauen anfälliger für CFS?

KAPITEL 3

Eine Patientin berichtet

Gabriele H., eine Patientin mit CFS, berichtet über ihre Erkrankung

KAPITEL 4

Woher kommt der Name CFS? Ein historischer Überblick

KAPITEL 5

„Fukuda-Definitionen“

Empfehlungen für die Untersuchung von Patienten mit Verdacht auf CFS

KAPITEL 6

Tipps zum Leben mit CFS

Wie lange werde ich krank sein?

Wie sieht die Behandlung aus?

Coping? Pacing?

Wer soll mich ärztlich betreuen?

Was ist wichtig beim Arztbesuch?

Ist CFS ansteckend?

Darf ich Blut spenden?

Wer erkrankt an CFS?

Wie häufig ist CFS in Deutschland?

Familie und Partnerschaft

Kann ich weiter meinen Beruf ausüben?

Soll ich meine Diagnose CFS meinen Freunden mitteilen, wie verhalte ich mich am Arbeitsplatz?

Was ist sonst noch wichtig?

KAPITEL 7

Situation von CFS-Patienten in Deutschland

KAPITEL 8

Tipps zum Leben mit CFS

KAPITEL 9

Symptome von CFS

KAPITEL 10

Basisuntersuchungen

Anamnese

Körperliche Untersuchung

Laboruntersuchungen

Ausgewählte weitere Untersuchungen

Psychologische Untersuchung

Der objektive Belastungstest

KAPITEL 11

Entstehung von CFS

KAPITEL 12

Messung des ATP-Gehalts der Zelle

KAPITEL 13

Ergänzende Untersuchungen zum Nachweis einer Mitochondropathie

Parameter, die eine erhöhte Produktion von NO anzeigen

Parameter, die eine Schädigung der Hirnzellen anzeigen

Parameter, die eine Störung der Mitochondrienfunktion anzeigen

Parameter zur Beurteilung der Stoffwechselsituation

KAPITEL 14

Neurostress

Akuter Stress

Dauerstress

KAPITEL 15

Diagnostik zur Abklärung von Neurostress

Kortisol im Speichel

Die Bestimmung der Neurotransmitter im zweiten Morgenurin

KAPITEL 16

Therapie der Neurotransmitterstörung

Der Schlaf

Die „Triade „Hormonsystem – Immunsystem – Nervensystem“

Das Mikrobiom

KAPITEL 17

Anamnese als Grundlage für Therapieentscheidungen

Herzklopfen, erhöhter Ruhepuls, Druck über der Herzregion

Starke Erschöpfung, die psychophysische Belastbarkeit ist gering

Der Schmerz steht im Vordergrund. Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen

Unterzuckerung, Hungergefühl, Esszwang, Müdigkeit nach dem Essen

Vegetarische Kost

Sodbrennen

Muskelzuckungen, Restless-Legs-Syndrom

Migräne

Histaminintoleranz mit Hautausschlägen

KAPITEL 18

CFS und Kryptopyrrolurie (KPU)

Was bedeutet KPU?

Woher kommt das Pyrrol?

Was passiert bei der Ausscheidung über die Nieren?

Wie häufig kommt diese Krankheit vor?

Ist diese Krankheit erblich?

Ist diese Krankheit ansteckend?

Wie wird KPU im Labor festgestellt?

Welche Symptome sprechen für KPU?

Ist KPU heilbar?

Fazit

KAPITEL 19

Basistherapie, Stabilisierungsphase, der erste Schritt

Medikamente zur Linderung der Beschwerden

Energiemanagement

KAPITEL 20

Therapie der Mitochondropathie, der zweite Schritt

Spurenelemente

Vitamine

Vitamin B12

Schwefelverbindungen

Carnitin

Die Stabilisierung der Mitochondrienmembran durch Omega-3-Fettsäuren

Die Therapie mit Coenzym Q10

KAPITEL 21

Therapie der Hormonstörungen

Störungen der Schilddrüsenhormone

Störung der Hormone der Nebennierenrinde

Ausgleich des Vitamin-D-Mangels

Störung der Sexualhormone

KAPITEL 22

Ketogene Ernährung

Wie sieht diese Ernährung in der Praxis aus?

Gibt es Risikogruppen, die diese Diät nicht machen sollten?

Warum ist überall Zucker drin?

Grundpfeiler der ketogenen Ernährung

KAPITEL 23

Sport

KAPITEL 24

Low-Dose-Naltrexon (LDN)

Opioide und Opioid-Antagonisten

Wirkung von Naltrexon

KAPITEL 25

Zytokine und CFS

KAPITEL 26

Das Gehirn wieder neu programmieren

Betrifft dies auch das Immunsystem?

Können wir das Gehirn neu starten?

Aber wie funktioniert das Gehirn?

Und warum das jetzt?

KAPITEL 27

CFS und Borreliose

KAPITEL 28

CFS ist keine psychische Erkrankung

Depressionen

Angsterkrankungen

Trauerreaktionen

KAPITEL 29

Kinder mit CFS

KAPITEL 30

Fibromyalgie-Syndrom (FMS)

KAPITEL 31

Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS)

Das Modell der neurogenen Entzündung und die zentrale Rolle des NMDA-Rezeptors

Das Phänomen der positiven Rückkopplung

Erweiterte Diagnostik bei MCS

Therapie von MCS

KAPITEL 32

Long-COVID-Syndrom

Wer ist besonders betroffen und wer hat das größte Risiko, an Long-COVID zu erkranken?

Gibt es Behandlungsmöglichkeiten? Kann man diesen Menschen eine Therapie anbieten?

Könnte eine Impfung gegen COVID-19 helfen?

Wie lange dauern die Beschwerden an?

Wer soll Long-COVID-Patienten betreuen?

Was passiert in einer Long-COVID-Ambulanz?

Worauf sollen die Betroffenen achten?

Welche Verbindung besteht zwischen Long-COVID und CFS?

KAPITEL 33

Soziale Aspekte von CFS

Der Umgang mit Behörden

Vorbereitung auf ein Gutachten

Beim Gutachter

Der Umgang mit dem Arzt

KAPITEL 34

CFS-Checkliste Diagnostik

KAPITEL 35

CFS-Checkliste Therapie

ANHANG

Die Mitochondrien und die Atmungskette

Der Citratzyklus, die Drehscheibe des Stoffwechsels

Die Störung der Mitochondrienfunktion

Stoffwechselwege der Neurotransmitter

Literatur und weitere Informationen

Bücher zum Thema

Selbsthilfeorganisation

Labore

Websites

KAPITEL 1

Einleitung

Was bedeutet chronisches Erschöpfungssyndrom?

Zu CFS gehören auch Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, druckempfindliche Lymphknoten, ein nicht erholsamer Schlaf, eine anhaltende Verschlechterung des Zustandes und eine verminderte Leistungsfähigkeit nach körperlichen Anstrengungen.

© Claudia Hautumm/PIXELIO

CFS-Kranke können außerdem zusätzlich an Nervenschmerzen, Zuckungen und Kribbeln am Körper, Allergien, Depressionen, Ohrgeräuschen, Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen, Fieber bzw. Fiebergefühl, wiederkehrenden Infekten, Magen-/Darmbeschwerden und anderen Symptomen leiden. Als verwandte Erkrankungen gelten das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) und die multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS).

Der Beginn der Erkrankung ist unterschiedlich. Bei der Mehrzahl der Betroffenen beginnt es schlagartig, andere berichten von einer schleichenden Verschlechterung ihres Befindens. Die Beschwerden können jahrelang anhalten.

Über die Ursachen und Krankheitsmechanismen des CFS liegen erste Forschungsergebnisse vor. Alles deutet darauf hin, dass als Auslöser der Erkrankung eine Störung der Mitochondrienfunktion vorliegt. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Zellen genügend Energie bekommen, denn ohne Energie kann eine Zelle nicht richtig funktionieren.

Wie wird die Diagnose gestellt?

CFS ist eine Erkrankung, die Ärzten und auch Betroffenen oft nicht bekannt ist. Es gibt für CFS bislang keine Labortests, die die Krankheit nachweisen können. So führte bisher der Weg zur Diagnose über eine gründliche Anamnese, eine eingehende körperliche Untersuchung und den Ausschluss anderer Erkrankungen, die ebenfalls eine andauernde Erschöpfung verursachen können.

Wie wird die Krankheit behandelt?

Eine allgemeine Therapieempfehlung gibt es bisher nicht. Es muss individuell ausgetestet werden, welche Medikamente das Krankheitsbild bessern können. Je nachdem, wie sich die Krankheit bei dem jeweiligen Patienten zeigt, können der Ausgleich von Mangelzuständen, die Behandlung chronischer Infektionen, eine Ernährungsumstellung, eine Behandlung mit Mikronährstoffen und auch psychotherapeutische Unterstützung hilfreich sein.

Die Lebenssituation der Erkrankten

CFS-Kranke leiden nicht nur unter ihrer Krankheit, sondern auch unter den sozialen, psychischen und materiellen Folgen ihrer Erkrankung.

Sie stoßen mit ihrer nicht sichtbaren Behinderung in einer unzureichend informierten Gesellschaft häufig auf Unverständnis. Leider werden sie auch oft von Ärzten nicht ernst genommen. Sie werden häufig vorschnell als psychisch labil angesehen. Manche Patienten verheimlichen ihre Symptome und versuchen mit letzter Kraft, ihre Einschränkungen, z. B. am Arbeitsplatz, zu kompensieren. Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor andauernder Arbeitsunfähigkeit und Scham über das reduzierte Leistungsvermögen können eine zusätzliche Belastung sein. Auseinandersetzungen mit Krankenkassen und anderen Leistungsträgern zu Diagnostik, Therapie, Rehabilitation oder Berentung verschlimmern in vielen Fällen die Situation der Erkrankten.

Wie häufig kommt CFS vor?

Über die Verbreitung von CFS gibt es für Deutschland keine gesicherten Angaben. Nach neuesten Untersuchungen liegt die Häufigkeit in der Bevölkerung zwischen 0,24 % und 0,42 %. Das bedeutet, dass in Deutschland etwa 200 000 bis 300 000 Menschen mit CFS leben. In den USA wird CFS als schwerwiegende Krankheit angesehen. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) hat CFS in die Liste der Krankheiten mit höchster Priorität für die weitere Erforschung aufgenommen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet CFS in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) unter dem Diagnoseschlüssel G 93.3.

CFS kommt bei Frauen häufiger als bei Männern vor. Auch Kinder und Jugendliche können von CFS betroffen sein. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass diese meist einen günstigen Verlauf aufweisen.

Welche Schweregrade gibt es bei CFS?

Die Schwere der Erkrankung und die Ausprägung der Symptome können bei CFS sehr unterschiedlich sein. CFS wird in vier Schweregrade eingeteilt:

1.Leicht: Der Patient ist mobil und kann selbst für sich sorgen. In der Regel ist er noch arbeitsfähig. Soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten sind auf ein Minimum reduziert. Um durchzuhalten müssen immer wieder freie Tage genommen werden. Das Wochenende wird benötigt, um die Woche zu überstehen.

2.Mäßig: Die Mobilität ist bereits eingeschränkt, alle Aktivitäten des Alltags sind begrenzt. Die Arbeit musste aufgegeben werden. Nachmittags sind ein bis zwei Stunden Schlaf nötig. Der Nachtschlaf ist schlecht.

3.Schwer: Der Patient kann nur noch wenige ganz einfache Tätigkeiten, wie etwa Zähne putzen, ausführen. Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme sind ausgeprägt. Zeitweise ist ein Rollstuhl nötig. Nach Belastungen verschlimmern sich die Symptome.

4.Sehr schwer: Der Patient ist bettlägerig und pflegebedürftig. Lärm und Licht werden schlecht vertragen.

Ist CFS eine psychische Erkrankung?

CFS ist keine psychische Erkrankung. Die Ursache von CFS ist eine gestörte Funktion der Mitochondrien in den Zellen, wodurch ein Energiemangel entsteht. Psychische Veränderungen entstehen als Reaktion auf die Erkrankung. Psychotherapie und Psychopharmaka führen nicht zur Heilung. Psychotherapie kann jedoch dabei helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen. Oft verschlimmern Psychopharmaka die Beschwerden.

KAPITEL 2

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei CFS

Frauen erkranken häufiger an CFS als Männer; und sie haben eine helle Hautfarbe. Diese Aussage war das Ergebnis früherer Studien. Statistisch gesehen kam auf drei erkrankte Frauen ein Mann. Kinder waren seltener betroffen. Am häufigsten erkrankten Menschen im Alter zwischen 30 und 45 Jahren.

Grundsätzlich können aber Menschen aller Altersgruppen betroffen sein. Alle sozioökonomischen Schichten einer Bevölkerung können an CFS erkranken. Möglicherweise hatten aber die farbige Bevölkerung und Randgruppen weniger Möglichkeiten, einen Arzt aufzusuchen, sodass in dieser Bevölkerungsgruppe die Erkrankung seltener diagnostiziert wurde. Dies ist auch der Grund, weshalb die Häufigkeit der Erkrankung bisher unterschätzt wurde. Wurde bisher von einer Zahl von etwa 250 Erwachsenen mit CFS unter 100 000 Menschen ausgegangen, erhöhte sich die Zahl auf über 400 von 100 000, wenn auch Untersuchungen in sozialen Randgebieten von Städten mit medizinischer Unterversorgung durchgeführt werden.

In Gemeinden mit einem hohen Anteil an Migranten betrug die Erkrankungsrate sogar über 700 von 100 000. Neuere Studien zeigen, dass zunehmend auch farbige Menschen an CFS erkranken und der Frauenanteil nur noch etwa 2 zu 1 beträgt. Statistisch gesehen tritt CFS 10-mal häufiger auf als Lungenkrebs oder Brustkrebs. CFS ist bei Frauen 40-mal häufiger als AIDS. CFS ist somit eine der bedeutendsten Erkrankungen bei Frauen. Auch die Altersstruktur hat sich in den neueren Studien etwas verschoben. Dort war die Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen am stärksten vertreten.

Warum sind Frauen anfälliger für CFS?

Um das herauszufinden, wurden die Hormone überprüft, die Botenstoffe (Neurotransmitter) des Gehirns untersucht, das Immunsystem abgeklärt und genetische Untersuchungen durchgeführt. Oder sind auch traditionelle Geschlechterrollen mitbeteiligt?

Die Hormone als Erstes zu untersuchen macht Sinn. Die Basishormone Östrogen und Testosteron beeinflussen das zentrale Nervensystem und die Schmerzverarbeitung. Testosteron, also das männliche Hormon, hat protektive Eigenschaften auf die Muskulatur und verzögert die Ermüdung der Muskulatur. Frauen verfügen über weniger Testosteron und sind deshalb anfälliger dafür.

Frauen haben auch weniger Kortisol, das klassische Stresshormon, zur Verfügung. Stressbelastungen werden deshalb von Frauen weniger gut toleriert; eingeschlossen sind Krankheiten, Überanstrengungen oder das morgendliche Aufstehen. Auch ein Progesteronmangel bei Frauen verstärkt die Krankheitserscheinungen, denn der Körper wandelt Progesteron in Kortisol um. Eine interessante Beobachtung dazu ist, dass Frauen, die in ihrer Partnerschaft unzufrieden sind, durchschnittlich niedrigere Kortisolspiegel im Blut haben. Bei Männern findet man keine Unterschiede. Dieses Beispiel soll zeigen, dass Frauen durch bestimmte Lebensbedingungen stärker mit Veränderungen ihrer Hormonlage reagieren als Männer.

Zwischen Frauen und Männern gibt es auch Unterschiede bei den Neurotransmittern, den Botenstoffen im Gehirn. Einer dieser Botenstoffe, nämlich das Serotonin, ist bei Frauen im Durchschnitt niedriger als bei Männern. Dieser Botenstoff hat zu tun mit Schmerzverarbeitung, Schlaf, Ängstlichkeit und Depression. Ein Anstieg des Serotonins verbessert zumindest bei leichteren Krankheitserscheinungen das Befinden. Diese Beobachtung gilt aber nicht für Medikamente aus der Gruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI). Ein zu niedriger Serotoninspiegel scheint bei Frauen mehr Probleme zu machen als bei Männern.

Beim Immunsystem wird angenommen, dass Frauen häufiger an einem überaktiven Immunsystem leiden als Männer. Chronische Infekte z. B. mit Viren könnten dabei eine Rolle spielen. Frauen haben häufiger Autoimmunkrankheiten als Männer. Entzündungsfördernde Substanzen, die vom Immunsystem gebildet werden, erzeugen Muskel- und Gelenkschmerzen. Zahlreiche genetische Auffälligkeiten sind inzwischen ebenfalls bekannt. Sie betreffen die Stoffwechselfunktionen des Serotonins, der Katecholamine und des Kortisols. Möglicherweise verursachen dann diese Stoffwechselstörungen unterschiedliche Reaktionen bei Männern und Frauen.

Männer reden normalerweise weniger über ihre Beschwerden als Frauen. Sie gehen seltener zum Arzt, um sich untersuchen zu lassen. Krank zu sein, bedeutet Schwäche. Diese Tatsache kann eine Rolle spielen, warum Frauen statistisch gesehen häufiger an CFS erkranken als Männer.

KAPITEL 3

Eine Patientin berichtet

Gabriele H., eine Patientin mit CFS, berichtet über ihre Erkrankung

„Ich bin eine Frau von Mitte 40, 165 cm groß, wiege 50 kg, habe drei Kinder im Alter zwischen 18 und 22 Jahren sowie einen liebevollen, verständnisvollen, intelligenten Mann und zwei adoptierte Hunde. Ich denke, ich bin eine typische Stier-Geborene mit den typischen Eigenschaften: sehr diszipliniert, zielorientiert, ehrgeizig, zeitweilig sehr dickköpfig und stur sowie ausgestattet mit einem Hang zum Perfektionismus. Meine Hobbys waren neben dem extrem starken Wunsch, aus meinen Kindern wertvolle und zufriedene Erwachsene zu machen, Balletttraining, regelmäßiges kurzes Joggen, Tiefseetauchen, Fallschirmspringen und Spaziergänge in der Natur, oft auch alleine im Dunkeln am Waldrand. Ich hatte selten mit Ängsten oder Phobien zu kämpfen, ganz im Gegenteil. Es ist mir wichtig, dies extra zu erwähnen. Als ich mich hingesetzt habe, diese Zeilen zu schreiben, fiel mir im Nachhinein auf, dass ich schon viele Jahre vor Ausbruch der Krankheit mit ständigem Frieren zu kämpfen hatte und mich seltsamerweise oft nicht alleine wieder aufwärmen konnte. Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich nach zwei bis drei Monaten extremer Ansprüche an mich hin und wieder so erschöpft war, dass ich zwei Tage im Bett bleiben musste und fast die ganze Zeit geschlafen habe. Glücklicherweise kam dies erst zu einer Zeit, als meine Kinder bereits alt genug waren, auf sich selbst aufzupassen.

Im Mai 2003 hatte ich eine schwere Virusgrippe mit sehr hohem, lang anhaltendem Fieber, was ja an sich ein gutes Zeichen ist. Als aber die Grippe nach zwei Wochen am Abklingen war, bin ich erschrocken, dass ich ein anderer Mensch geworden war. Ich war immer ein schnell denkender Mensch und so war ich total geschockt von dem, was ich nun erleben musste. Ich hatte große Schwierigkeiten, Sätze zu bilden, mir fielen plötzlich Namen und Geschehnisse nicht mehr ein; ich musste mich regelrecht plagen, um sinnvolle Sätze zu bilden. Meine Sinneswahrnehmungen hatten sich irgendwie verändert, denn ich habe jedes Geräusch viel lauter, fast schmerzhaft wahrgenommen. Dazu kam, dass ich total verängstigt war; ich kann heute nicht mehr sagen, wovor ich Angst hatte. Auf körperlicher Ebene war ich total geschwächt, sodass ich meistens gar nicht mehr aufstehen konnte. Ich habe gezittert und wenn ich nur eine kleine Anstrengung, wie Autofahrten oder einen Besuch beim Arzt, unternommen habe, war ich total geschafft und meine Knie haben gezittert. Dazu kam, dass ich ständig Durchfälle hatte, verbunden mit ständiger furchtbarer Übelkeit. Ich war gezwungen, alle zwei Stunden zu essen, damit ich mein Gewicht wenigstens einigermaßen halten konnte und damit ich wenigstens etwas Energie hatte. Übrigens habe ich, seit ich 12 Jahre alt bin, schwerste Verstopfungen. Schon als Kind wurden mir oft Abführmittel verschrieben. Dazu kamen ständig Halsschmerzen, schlimme Muskelschmerzen und Muskelschwächen. Und ich konnte plötzlich nicht mehr schlafen und habe angstvoll in den Nächten gewacht.

Ich war bis dahin immer ein Do-it-yourself-Mensch, habe aber gespürt, dass ich dies nicht alleine in den Griff bekommen könnte. So habe ich den ersten Arzt aufgesucht, der auch ganz positiv war und meinte, dies schnell in den Griff zu bekommen. Er wollte ein Blutbild machen. Seiner Ansicht nach war meine „Kortison-Achse“ gestört. Das Blutbild kam zurück und war zu seinem Erstaunen aber weitgehend normal. Ich war dann noch vier weitere Male in meiner Hilflosigkeit bei ihm, um irgendeine Antwort zu erhalten. Als er mich aber bei meinem letzten Besuch gefragt hat, ob ich bereits Stimmen hören würde, wusste ich, dass ich hier nicht richtig war.

Dieses „Spielchen“ habe ich noch mit drei bis vier weiteren Ärzten gespielt, bis ich dann ganz verzweifelt war. Ich wusste genau, dass ich keine Depressionen hatte; ich wusste genau, dass irgendetwas in meinem Körper ganz falsch lief und ich habe versucht, den Ärzten zu vermitteln, dass ich vor dieser Grippe ein sehr glücklicher Mensch war. Mein Mann und ich haben endlich Reisen unternommen, die Kinder waren fast erzogen und bereit, auf die Uni zu gehen. Ich hatte einen Job, den ich wirklich gemocht hatte und in dem ich gefordert war, und ich hatte nette Freunde.

Immer wieder habe ich versucht, in die Köpfe der mich behandelnden Ärzte vorzudringen und zu erzählen, dass mir Ängste bis jetzt fremd waren und dass ich noch nie in meinem Leben mit Durchfällen zu kämpfen hatte usw. Und zum Schluss hatte ich das Gefühl, dass der jeweilige Arzt mich eigentlich als Patient nicht mehr haben wollte, da ich nicht ins Schema F gepasst habe. Ich habe mich dann von einem Arzt tatsächlich überreden lassen, zu einem Psychotherapeuten zu gehen.

Wir hatten ein gutes Gespräch; zum Schluss hatte ich soviel über den Therapeuten herausgefunden wie er über mich und ich wurde mit den Worten entlassen, dass ich einfach in die „Wechseljahre“ käme und da ist es eben so. Ich müsste einfach lernen, dass dies mein neues Leben wäre. Wenn ich wollte, könnte ich Antidepressiva einnehmen und die Welt wäre viel schöner um mich herum. Ich kann gar nicht beschreiben, was ich bei diesen Worten empfunden habe: Wut, Erschöpfung.

Ich habe für mich einen Strich unter alle Ärzte gemacht. Ich hatte es ehrlich probiert und ich glaube, die verschiedenen Ärzte haben auch gesehen, dass ich eigentlich kein depressiver, von Psychosen zerfressener Patient war. Da ich zu schwach zum Arbeiten war, habe ich angefangen, das Internet „auf und ab zu jagen“. Ich habe mir alle Krankheiten, die nur im Entferntesten passen konnten, angesehen und nach ein paar Jahren war ich kompetent genug, um mich mit den Ärzten auseinanderzusetzen. Dies hat den meisten Ärzten ganz und gar nicht gefallen und oftmals hatte ich den Eindruck, dass manche Ärzte keinen aufgeklärten Patienten wollen. Wahrscheinlich habe ich sie ganz unbewusst in eine Position manövriert, in der sie vor sich selbst zugeben mussten, dass ihre Kompetenz und ihr Wille zur Forschung einfach nicht reichten. Wir alle werden in unserem Berufsleben einmal oder öfters mit unserer eigenen Inkompetenz konfrontiert und müssen dies schlucken, auch wenn’s wehtut. Aber Ärzte sehen dies offenbar als Ehrenschuld an.

Als ich bereits aufgegeben hatte, bekam ich die Adresse eines berühmten Privatarztes und mit Entsetzen bin ich die Strecke von Stuttgart nach München von meinem Mann gefahren worden. Ich habe ja immer so furchtbar gezittert und war für Stunden ganz aufgeregt. Dieser Arzt hat dann zum ersten Mal herausgefunden, dass meine Schilddrüse eine Unterfunktion aufwies und die Hormonachse sehr verschoben war. Er hat alles ganz sanft korrigiert und langsam, langsam ging es mir besser. Und plötzlich konnten auch andere Mediziner herausfinden, dass ich autoimmune Prozesse in meinem Körper hatte, in diesem Fall Hashimoto-Thyreoiditis.

Gegen Ende des Jahres 2003 habe ich wieder mit dem Arbeiten begonnen, manche der Symptome waren weg oder gemildert, andere habe ich einfach versucht zu ignorieren. Dies ging mehr oder weniger gut. In dieser Zeit habe ich zuerst von acht Stunden auf sechs Stunden gewechselt; dies ging wieder eine Weile und nach einigen Monaten musste ich meinem Chef gestehen, dass ich immer noch nicht klarkam. So habe ich zum Ende teilweise nur noch 25 % gearbeitet und gedacht, damit müsste mein Körper doch nun klarkommen. Fakt war, dass ich körperlich so schwach wurde, dass ich an den Tagen, an denen ich gearbeitet habe, bis eine Stunde vorher im Bett war und nur geatmet habe und versucht habe, mit Meditation und Autosuggestion auf die Beine zu kommen. Ich habe dann eine kalte Dusche genommen und mehr schlecht als recht die vier Stunden Arbeit abgeleistet. Nach drei Stunden voller Konzentration hatte ich meist so schlimme Kopfschmerzen, dass ich fast nichts mehr sah, und ich musste mich zusammennehmen, dass ich keinen Fehler gemacht habe. Immer wieder habe ich einen Arzt konsultiert, aber ohne richtige Diagnose bis auf die Hashimoto-Thyreoiditis und evtl. andere autoimmune Prozesse wie Lupus erythematodes.

Gegen Mitte bis Ende des Jahres hatte die Müdigkeit und die Schmerzen in meinen Muskeln mich so im Griff, dass ich oft zu schwach war, nach dem Dienst nach Hause zu fahren, und Angst hatte, einen Unfall zu verursachen. All diese Jahre habe ich versucht, meine Krankheit und meine furchtbaren Symptome für mich zu behalten, aus lauter Angst, dass ich als verrückt eingestuft werden könnte. Dann bin ich einmal in der Arbeit zusammengebrochen und mein wirklich liebenswerter Chef aus Frankfurt hat mir damals geraten, eine lange Auszeit zu nehmen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch eine Gesprächstherapie gemacht und wir sind bis in meine Kindheit zurückgegangen, ohne eigentlich etwas Nennenswertes zu finden. Ich bin trotzdem weiterhin hingegangen, da ich die Therapeutin ins Herz geschlossen hatte und sie die Einzige war, die gesehen hat, wie müde und erschöpft ich eigentlich zu diesem Zeitpunkt bereits war. Sie hat mich weinen lassen, ohne mir Selbstmitleid vorzuwerfen.

Mein Chef hat mir geraten, nochmals einen Anlauf zu unternehmen, einen Arzt aufzusuchen, der mir weiterhelfen könnte. Eigentlich habe ich nicht erwartet, dass er die Ursache meiner Probleme findet. Nach vielen Untersuchungen und Beobachtungen war er der Meinung, ich hätte CFS.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits schwerste Symptome wie ständigen Drehschwindel und Durchfall, Schmerzen in meinen Gelenken und Muskeln, die nicht mehr auszuhalten waren, ständige Unterzuckerung und das Gefühl, jetzt entweder jeden Moment umzufallen oder einen Krampfanfall vor lauter Schwäche zu haben. Ich hatte einmal einen solchen Krampfanfall nach extremer Überlastung. Außerdem ständige Halsschmerzen, das Gefühl krank zu sein, geschwollene Lymphknoten und ständig Entzündungen, in meinem Fall Blasenentzündungen.