Ich stand am Fenster - Joachim Strienz - E-Book

Ich stand am Fenster E-Book

Joachim Strienz

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Beschreibung

Paul hatte Glück gehabt. Seine Therapeuten hatten ihn aus dem Burnout geholt. Er hatte mit seinen beiden Partnern eine medizinische Entdeckung gemacht und sie gewinnbringend ver-kauft. Aber das alles hatte ihn den letzten Nerv gekostet. Er hatte jetzt plötzlich viel Zeit und stand oft am Fenster. Dabei beobachtet er, wie eine junge Frau in die freistehende Wohnung gegenüber von ihm einzog. Er verliebte sich in diese Frau. Wie würde er Anna kennenlernen? Was verband die beiden? Am Ende war die Überraschung perfekt. Eine Liebesgeschichte.

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Ich stand am Fenster und schaute hinaus. Unter mir war die Straße. Ich stand jetzt schon eine Weile so da. Schon sieben Tage war ich jetzt zu Hause. Ich wartete…

Worauf wartete ich eigentlich?

Wo war eigentlich die ganze Zeit geblieben?

In der Eintönigkeit und in der Langeweile, so kam es mir vor!

Auf diese Weise konnte man es sich vielleicht erklären.

Ich war ja in einer Klinik gewesen. Es ging nämlich nicht mehr anders!

Das Leben hatte einfach nicht mehr funktioniert. Ich war ein anderer Mensch geworden. Ich konnte nicht mehr reden. Entweder sagte ich zu viel oder gar nichts mehr. Es stimmte nichts. Dann wiederholte ich mich immer wieder. Aber es bedeutete nichts. Es war sinnlos. Es war wie die Musik auf einer Toilette oder in der Sauna. Nach einer bestimmten Zeit fing alles wieder von vorne an. Aber es hatte keine Bedeutung und führte auch zu nichts. Eine Klangwelle war es. Sie transportierte aber nichts mehr. Es kam jedenfalls nichts mehr am anderen Ende an.

Es hätte auch alles misslingen können. Aber ich hatte trotzdem jetzt keine Dankbarkeit. Es war ja weiterhin alles beliebig. Wenn ich nicht mehr da gewesen wäre, dann hätte jemand anderes eben die Lücke geschlossen. Alles, was ich besaß, hätte halt den Besitzer gewechselt. Entweder es war dann für ihn brauchbar gewesen oder er hätte eben dann alles verschenkt oder in einen Container gegeben und alles wäre dann entsorgt worden. So wäre ich dann vielleicht auch ganz verschwunden. Auch entsorgt worden! Wohin auch immer. Keiner hätte sich an meinen Namen mehr erinnert.

Die Zeit wäre natürlich für die anderen weitergegangen. Niemand hätte sich deswegen überhaupt einen Gedanken gemacht.

Es war schon immer so. Der Eine ging, der Andere kam. Darüber regte sich wirklich niemand auf. Das musste ich so akzeptieren. Und das tat ich ja auch.

Ich fühlte mich ziemlich einsam. Aber ich beachtete es nicht. Es war für mich jetzt ganz normal. Der Tag verging und der nächste kam. Heute war der siebte Tag nach meiner Entlassung aus der Klinik. Ich blickte zurück. Und wieder auf die Straße. Es regnete, wie so oft in den letzten Tagen. Das Wasser lief an den Bordsteinen entlang und die zu kleinen Reihen aufgeschobenen Blätter sammelten sich an den Abflüssen. Der Regen war stark. Er reinigte aber alles.

Es war noch früh am Morgen, und ich sah viele Menschen rasch die Straße entlanggehen, um dann direkt unter meinem Fenster nach links zur S-Bahn-Haltestelle abzubiegen. Ja, so war es auch bei mir immer gewesen. Immer in Eile war ich gewesen. Keine Verschnaufpause. Keine Zeit durfte ich verlieren! Jetzt hatte ich viel zu viel davon. Auf einmal.

In der Klinik hatten sie mir die Diagnose Burnout gegeben. Mein Tischnachbar grinste mich damals, als wir beim Mittagessen darüber sprachen, an und sagte:

„Jetzt hast du auch diese Modediagnose, Glückwunsch!“

Ich war ratlos damals und wusste keine Antwort darauf. Was sollte ich sagen? Man hatte mir gesagt, das sei eine sehr alte Krankheit. Die hatte es schon immer gegeben, lediglich die Bezeichnungen waren aber jeweils anders gewesen. Schon im Alten Testament sei diese Krankheit beschrieben worden, nämlich schon bei Moses. Der hatte nämlich auch schon Burnout gehabt. Ich war damals erstaunt gewesen. Moses hatte Burnout? Das hatte ich nicht gewusst. Aber denkbar war das schon! Der hatte ja auch ziemlich viel Stress gehabt.

Auch der große Schriftsteller Thomas Mann hatte bei Thomas Buddenbrook diese Krankheit erkannt. Von Shakespeare kam dann das Wort „to burn out“, also ausbrennen. Das war für mich neu, das wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht. Warum war ich eigentlich ausgebrannt? Was waren die Gründe?

„Ja, Herr Kollege, das werden wir schon wieder hinbekommen. Schon andere haben diese Krankheit vor Ihnen überwunden. Ärzte gehören nun mal zur Spitzengruppe der Burnout-Patienten. Wahrscheinlich bekämen über 20% der Ärzte hierzulande diese Diagnose, wenn sie sich behandeln ließen. Man müsste nur genauer hinschauen. Der Job ist mörderisch. Ich sage nichts mehr dazu. Aber da wird sich in den nächsten Jahren viel ändern müssen. Das wird so nicht mehr weitergehen!“

Er klärte mich weiter auf:

„Im ICD10, also der Internationalen Klassifizierungen von Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Burnout keine Krankheitsdiagnose, sondern wird als „Restkategorie Z73, Probleme verbunden mit der Lebensführung“ aufgeführt. Im „Diagnostischen Manual“ der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung gibt es den Begriff Burnout überhaupt nicht.“

Das überraschte mich allerdings.

Später erfuhr ich:

„Aufgrund fehlender Diagnosekriterien sind weder genaue Aussagen über die Häufigkeit noch über die Kostenrelevanz von Burnout möglich. Burnout wird zudem als Ausweichdiagnose für andere psychische Störungen wie Depression, Angst- oder Abhängigkeitserkrankungen verwendet und verhindert so eine adäquate, leitliniengerechte Behandlung.“

Auf solch dünnem Eis bewegte ich mich also. Aber was sollte ich tun? Wie ging es mit mir überhaupt weiter? Wer konnte mir denn helfen?

Ich schaute meinen Therapeuten an. Er sagte zunächst nichts. Sicherlich konnte er mir helfen. Ich war ja nicht sein erster Patient!

×

Natürlich war es schwer, sich an diese Ruhe zu gewöhnen. Ich stand stundenlang am Fenster und sah den Nachbarn gegenüber der Straße beim Leben zu. Ich war auch neidisch auf sie, weil sie alle irgendwelche Aufgaben zu erledigen hatten. Sie gingen zur Arbeit, ließen eine Untersuchung bei ihrem Arzt durchführen, brachten das Auto zur Inspektion oder ließen die Winterreifen aufziehen. Oder sie brachten das geliebte Haustier zum Tierarzt oder gingen Einkaufen, damit das Mittagessen pünktlich fertig wurde. Ich aber hatte jetzt nichts mehr zu tun! Wie sollte das eigentlich mit mir weitergehen? Würde ich jemals wieder ein normales Leben führen können?

Ich wartete also….

Worauf eigentlich?

Irgendwann würde das Signal zum Aufbruch kommen. Ich würde dann doch wieder gebraucht! Ich hoffte es zumindest.

Aber, was war denn eigentlich mit mir passiert? Welche Beschwerden hatte ich denn eigentlich gehabt? Warum ging es damals nicht mehr weiter?

Man hatte mir gesagt, dass von den verschiedenen Autoren, die sich mit der Erkrankung Burnout bisher befasst hätten, mindestens 120 verschiedene Symptome dem Burnout zugeordnet worden seien.

Aber es gab trotzdem keine einheitliche Definition!

Einer der Therapeuten sprach hin und wieder von einem „Türöffner“.

„Wie? Was?“

„Ja, mit dem Begriff Burnout sei es jetzt endlich möglich, mit Ärzten und in der Öffentlichkeit über psychischen Probleme zu sprechen. Viele hätten sich das vorher einfach nicht getraut. Das ist jetzt eine große Erleichterung für diese Menschen.“ Er lächelte mich freundlich an.

Ich dachte darüber nach. Wahrscheinlich hatte er recht. Niemand wollte eine psychiatrische Diagnose haben. Die bekam man ja auch so schnell nicht wieder weg. Die wurde auch Kassen und Ämtern gemeldet. Das war schon ein Risiko. Psychiater waren mit psychiatrischen Diagnosen nicht zimperlich.

„Mit der Diagnose Burnout versucht man die Stigmatisierung psychischer Störungen zu umgehen“, sagte er gedankenversunken. Jetzt hatte er es also auf den Punkt gebracht.

Nach einer kurzen Pause sprach mein Arzt in der Klinik weiter:

„Es sind ja eigentlich gerade die Leistungsstarken, die ausgebrannt werden.“

Was hatte das aber mit mir zu tun? Ich war doch immer gesund gewesen!

Dann sprach er weiter:

„Die öffentliche Debatte um das Thema Burnout ist ja auch zu begrüßen. Sie hilft ja den Betroffenen. Außerdem sensibilisiert sie diese Leistungsgesellschaft für die Zusammenhänge von Lebensführung, psychosozialen Belastungen und psychischen Beschwerden.“

Das hörte sich alles schon ziemlich wissenschaftlich an. Fast schon ein Gespräch unter Kollegen. Aber ich war ja der Patient.

Ich hatte ja die Probleme!

Warum war ich eigentlich so erschöpft gewesen? Wie war es eigentlich überhaupt dazu gekommen?

Na gut, ich hatte mich ja so in die Arbeit „reingehängt“. Die Sache mit dem Vitamin D-Rezeptor.

Mit Ben und Davide zusammen. Aber, es war zunächst damals die Begeisterung für das Neue gewesen. Dadurch hatte ich ja alles um mich herum total vergessen. Es hatte ja zunächst auch so viel Spaß gemacht.

Wir hatten etwas Besonderes entdeckt und wir wollten es auch dann zu Ende bringen. Wir konnten nämlich den Vitamin D-Rezeptor der Zellen entschlüsseln. Wir hatten ihn entdeckt. Dort, wo das aktivierte Vitamin D an der Zelle andockte und seine hormonelle Wirkung entfaltete. Es war eine Sensation gewesen!

Und Ben konnte dann beschädigte Vitamin D-Rezeptoren sogar wieder reparieren!

Die Pharmaindustrie lief uns die „Bude“ ein. Es war unglaublich. Wir waren wirklich sehr erfolgreich gewesen. Wir konnten stolz sein.

Wir wollten es uns beweisen. Dabei war aber unser Einsatz viel zu hoch gewesen und wir vernachlässigten dann unsere eigenen Bedürfnisse.

Es gab nichts mehr daneben. Keinen Sport, keine Beziehungen mehr und keine Kultur. Ich war nicht einmal mehr in meinem Lieblingsjazzlokal aufgetaucht.

Später kamen Sinnlosigkeit und das zunehmende Desinteresse hinzu. Dann streikte der Körper plötzlich. Ich war damals ziemlich ratlos gewesen!

×

Ich stand noch immer am Fenster in meinem fünften Stock und schaute zum Haus gegenüber. Dort stand der vierte Stock schon wochenlang leer. Das fiel mir immer wieder auf. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich besonders gut in diese Wohnung hineinsehen konnte. Von allen Seiten schien das Licht dort hinein. Jetzt waren allerdings teilweise die Rollladen wieder heruntergelassen worden, so dass kaum noch etwas erkennbar war.

Schon vor meinem Klinikaufenthalt waren die Leute dort ausgezogen. Ein Paar mit einem Kleinkind hatte dort gewohnt. Ihnen war die Wohnung allerdings zu klein geworden, nachdem das Kind geboren worden war. Aus dem Arbeitszimmer des Vaters wurde zunächst das Kinderzimmer. Das ging auf Dauer nicht gut. Beide hatten sich einmal angeschrien und er hatte wild mit den Händen gestikuliert und immer auf die Wiege mit dem Baby gedeutet. Dann waren beide in verschiedenen Zimmern verschwunden und hatten in ihre Notebooks gestarrt. Irgendwann hatten sie sich dann doch wieder vertragen. Wahrscheinlich war damals die Entscheidung gefallen, nach einer größeren Wohnung zu suchen. Jetzt war die Wohnung noch immer nicht weitervermietet. Alles war dort dunkel.Warum zog dort eigentlich niemand ein? Bei den hohen Monatsmieten musste doch der Mietausfall richtig wehtun! Ich schüttelte nur den Kopf darüber.

Über dieser Wohnung lebte der Computerfreak. Er saß Tag und Nacht vor seinem Rechner und entwickelte Programme. Der Monitor leuchtete ständig blau auf. Selten kam seine Freundin vorbei und dann wurde es dort zwar etwas dunkler, aber der Monitor wurde trotzdem niemals abgeschaltet. Das Licht dort war dann immer noch etwas bläulich.

In der Mitte, also unter der jetzt unbewohnten Wohnung, lebten die Italiener. Vater, Mutter und zwei Kinder. Häufig kamen die Großeltern oder auch andere Verwandte vorbei. Das Essen dauerte Stunden. Immer wieder verschwand dann die Mutter in der Küche und danach ging das Essen wieder weiter. Oft wurde auch gestritten. Alle wedelten dann am Tisch wild mit ihren Händen. Ich hörte ihre Stimmen natürlich nicht. Es war, wie wenn die Lautstärke am Fernseher vollständig abgestellt worden wäre.

Ein Glück! Es wäre bestimmt nicht auszuhalten gewesen. Alle Klischees über Italiener trafen bei ihnen zu. Das machte sie aber schon wieder recht sympathisch. Aber heute waren sie noch nicht zurückgekehrt. Auch bei ihnen war jetzt gerade alles noch völlig dunkel.

Ich wandte mich ab. Dort hinüber zu schauen half mir nicht weiter. Ich musste mein Leben jetzt wieder selbst neu einrichten. Mit Maß und Ziel. Wie das gehen sollte, wusste ich noch nicht richtig. Ich hatte zwar viel in der Klinik gelernt, aber jetzt war ich wieder alleine auf mich selbst gestellt. Ich war immer noch verunsichert. Wie konnte ich eigentlich das rechte Maß finden? Ich hatte aber auch Angst vor der Langeweile in meinem Leben.

Immer wieder stand ich an meinem Fenster und schaute hinaus. Ich hatte noch keinen Boden unter den Füßen. Ich war unsicher. Ich brauchte jetzt den Kontakt zur Welt. Ich musste wieder mein Leben neu ausrichten. Das sagte ich mir immer wieder. Es wieder von vorne beginnen.

Das Telefon klingelte plötzlich. Das war ungewöhnlich, denn ich erwartete ja gar keine Anrufe. Ich ging ran. Jetzt würde vielleicht doch endlich etwas passieren!

Es war Davide!

„Hast du Lust, mit uns zum Italiener zu gehen? Ben und seine Freundin Jennifer gehen auch mit!“

Es entstand eine Pause. Warum eigentlich?

„Bella Italia! Dort am Beginn der Fußgängerzone! Das kennst du ja!“ Davide sprach weiter. Die meinten es wirklich gut mit mir.

Ich sollte jetzt nicht „Nein“ sagen. Sie wollten mich doch dabeihaben.

„Okay, ich bin in 20 Minuten dort!“ hörte ich mich jetzt sagen.

Eigentlich hatte ich ja gar keine Lust, dorthin zu gehen. Aber meine Therapeutin hatte mir eingeschärft, auf die Sozialkontakte besser zu achten. Die hatte ich ja leider so sehr vernachlässigt.

Ich war dann als erster dort!

Natürlich! Der Perfektionist! So war ich ja schon immer gewesen.

Der Wirt begrüßte mich wie einen alten Bekannten, aber ich war ja doch schon lange nicht mehr dort gewesen. Er sprach es aber nicht an. Er fragte mich nicht nach dem Grund, warum ich so lange nicht mehr im Restaurant war.

Ich nahm erst einmal einen Espresso. Dann kamen auch die anderen ins Restaurant.

Bens neue Freundin war reizend. Sie hieß Jennifer und sie flirtete ständig mit mir. Sie strich mir über die Unterarme und fuhr sich mit der linken Hand immer wieder durchs Haar. Aber sie war doch mit Ben hier, wollte sie etwa mit mir allein jetzt gleich nach Hause gehen?

Der arme Ben! Nein, ich sollte mit ihm kein Mitleid haben.

Wollte sie etwa vielleicht gleich bei mir einziehen? Wir lächelten uns an. Sie lehnte sich zurück und nahm den Oberkörper nach vorne. Wow! Diese Frau war Klasse! Aber es war Bens Freundin, so wurde mir gesagt. Immer wieder schaute ich sie an. Sie wendete kurz den Kopf auf die Seite und zeigte mir ihr Profil. Auch das sah gut aus.

Sollten wir beide jetzt doch gleich zusammen zu mir nach Hause gehen? Ich blieb aber noch sitzen. Das Gespräch ging ja auch noch weiter.

Sie schaltete sich auch immer wieder selbst ins Gespräch ein. Alle lachten. Davide saß etwas still daneben. Neben ihm saß seine Freundin Sophia. Auch sie eine Schönheit. Aber sie sprach wenig, beobachtete aber alles ganz genau. Das konnte ich sehen.

Die Reste der Vorspeise wurden abgeräumt, danach kam das Hauptgericht. Eine neue Weinflasche stand auch schon auf dem Tisch.

Jennifer lächelte mich weiter an. Sie hatte jetzt das blonde Haar ganz aufgelöst und schüttelte es nach hinten.

Würden wir beide jetzt doch gleich zusammen weggehen? Nein, wir blieben und beteiligten uns auch weiterhin brav am Gespräch.

Worüber wurde eigentlich gesprochen? Ich hatte die letzten Minuten gar nicht richtig zugehört.

Davide erzählte wieder von seinen Verhandlungen mit Novachemos. Dieser Pharmakonzern hatte uns ja die Patente für den Vitamin D-Rezeptor VDR abgekauft. Davide war dabei sehr erfolgreich gewesen und wir drei hatten dafür sehr viel Geld bekommen.

„Der VDR war einfach genial für uns. Lasst uns anstoßen!“ sagte er in die Runde.

Wir stießen alle mit den Spumante-Gläsern an.

Eigentlich war ich immer sehr schüchtern gewesen, was Frauen anging. Meist waren es die Frauen selbst, die schließlich dann doch die Initiative ergriffen.

Es war eine Art von Absicherung. Nicht zu weit zu gehen, um keine Enttäuschung erleben zu müssen. Also ein Selbstschutz!

Ich schaute Jennifer wieder an. Sie flüsterte Ben etwas ins Ohr und biss ihn dabei leicht ins Ohrläppchen. Ihre kleine Zunge berührte dabei leicht sein Ohr. Sein Blick ging nach oben und dann wandte er sich ihr wieder zu. Beide lächelten sich an. Nochmals sagte sie etwas zu ihm, denn ich sah es an der Bewegung ihrer Lippen.

Würden jetzt die beiden gleich gehen und mich und die anderen allein im Restaurant zurücklassen? Hatten es beide denn jetzt sogar sehr eilig, schnell nach Hause zu kommen. Irgendwie hatte ich so das Gefühl. Nein, Ben wollte doch noch nicht gehen. Sie blieben also noch da. Das Gespräch ging nun weiter.

Ich musste sie also irgendwie direkt ansprechen. Nur so konnte ich erreichen, dass die beiden noch weiter hierblieben.

Ich setzte ein möglichst entspanntes Gesicht auf und fragte:

„Jennifer, wo habt ihr euch denn eigentlich kennen gelernt?“

Sie lächelte mich an und ich schmolz dahin.

„Im Kino!“ sagte sie.

„Wirklich?“

„Ja, im Kino, aber den Film weiß ich nicht mehr. Ben hatte mich zu sehr vom Film abgelenkt.“

„Ich saß vor ihr“, bemerkte Ben, „und nach dem Film kamen wir plötzlich ganz leicht ins Gespräch, und so hatte alles angefangen.“

Weitere Einzelheiten wollte er wohl nicht preisgeben und so versackte dann das Gespräch auch bald wieder.

Ben war es wohl die ganze Zeit gut gegangen. Er musste nicht wegen eines Burnouts in die Klinik, so wie ich. Er hatte sogar Lust, sich auf eine neue Partnerin einzulassen.

Warum war das nur bei mir so schlimm gewesen? Warum war bei mir alles total zusammengebrochen? Nachdenklich saß ich da und überließ das Gespräch jetzt den anderen.

×

Irgendwann kam ich dann doch wieder zuhause an. Ich war leicht betrunken. Das musste ich zugeben. Der Wein war doch recht stark und ich war unvorsichtig beim Trinken gewesen. Alkohol war ich ja gar nicht mehr gewöhnt. Auch das hatte meine Therapeutin immer wieder angemahnt.

„Reduzieren Sie unbedingt Ihren Alkoholkonsum!“

Ja, sie hatte ja auch recht. Vor meiner Erkrankung hatte ich gerne abends noch ein bis zwei Gläser Rotwein vor dem Schlafengehen getrunken.

Ja, es stimmte! Der Alkohol machte ja überhaupt keinen Sinn. Aber, man konnte dabei so gut abschalten.

×

Am nächsten Tag stand ich wieder am Fenster und schaute hinüber. Etwas war heute anders als sonst, das fiel mir sofort auf. Aber was?

Genau! Es brannte jetzt tatsächlich Licht in der Wohnung im 4. Stock.

Jemand hatte jetzt auch die Rollladen ganz hochgezogen.

Jetzt konnte ich plötzlich vieles wiedererkennen. Den Parkettboden und die Einbauschränke, aber auch den vorderen Teil der Küche.

In der Küche brannte jetzt Licht und die Tür zum Badezimmer stand weit offen.

In der Wohnung bewegte sich etwas. Ich sah Personen durch die Wohnung gehen. Eine rothaarige dicke Frau ging in Begleitung einer anderen Person durch die Wohnung. Es war ebenfalls eine Frau. Schlank mit hohen Absätzen. Das konnte ich sehen.

Ihr Gesicht konnte ich allerdings nicht richtig erkennen. Sie gingen gemeinsam durch alle Räume, blieben hier und dort stehen und dann gingen sie weiter ins nächste Zimmer.

Dort zeigte die Rothaarige in eine Richtung und beide bewegten sich dann dorthin. Dann gingen sie wieder zurück.

Die Rothaarige war die Maklerin und bot der zukünftigen Mieterin gerade die Wohnung an.

Diese hatte allerdings Änderungswünsche. Eine Renovierung stand also bevor. Alles musste genau besprochen und geplant werden. Wahrscheinlich kamen nächste Woche dann die Handwerker. Bodenleger, Tapezierer, Maler und Sanitärleute.

Eine Frau würde also einziehen. Mit oder ohne Mann. Das war noch die Frage. Ich würde es dann schon noch sehen.

Ich stand da und schaute hinüber. Ich wollte jetzt alles genau sehen. Die neue Mieterin wollte ich mir ganz genau ansehen, aber ich sah nie richtig ihr Gesicht. Es war einfach noch zu dunkel dort, um alles genau zu erkennen.

Ich schaute und schaute, aber es gelang mir nicht, ihr Gesicht zu sehen. Sie schien allerdings sehr sportlich zu sein. Trotz ihrer hohen Absätze war sie sehr beweglich.

Alles schaute sie sich genau an. Alle Einbauschränke wurden geöffnet. Sie ging auch raus in die Loggia, den Küchenbalkon, und sie schaute über das Geländer in die Tiefe.

Einmal kniete sie sich nieder und prüfte den Boden. Sie fuhr mit der Hand über das Parkett. Die Maklerin stand neben ihr. Sie beugte sich auch etwas vor. Sie verhandelten jetzt beide. Dann stand sie wieder auf und die Besichtigung ging weiter.

Irgendwann hatte ich genug gesehen.

Ich ging ins Bad und rasierte mich. Als ich wieder zurückkam war alles aber wieder dunkel wie vorher.

Ich hatte sie verpasst. Ich hatte sie nicht gesehen, als sie das Haus verlassen hatte. Schade, gerne hätte ich noch einen Blick auf sie geworfen.

×

Heute hatte ich wieder einen Termin bei meiner Therapeutin.

Nach dem Klinikaufenthalt war festgelegt worden, dass zunächst einmal in der Woche, später dann alle zwei Wochen eine Sitzung am Wohnort stattfinden sollte. Und das war ja auch gut so. Es durfte keinen Rückfall mehr geben!

Meine Therapeutin hieß Sabine. Sie war etwa 40 Jahre alt, hatte brünettes Haar und einen Sohn, der demnächst Abitur machen sollte. Sie sprach wenig, forderte mich aber ständig auf, meine Lebenssituation zu schildern und wollte meine sozialen Kontakte weiter verbessern. Ich empfand sie als streng. Sie hatte eiserne Prinzipien. Aber vielleicht war das ja in meiner Situation jetzt gerade wichtig?

Ich berichtete von unserem Essen beim Italiener. Sie wollte ständig Informationen über Bens Begleiterin. Ich hielt mich zurück. Sie sollte nicht merken, wie scharf ich eigentlich auf sie war. Ich getraute mich auch nicht, ihr das zu sagen. Warum eigentlich nicht? Das wäre doch auch wichtig gewesen. Es hätte doch gezeigt, dass es mir inzwischen wieder deutlich besser ginge.

„Alkohol?“

„Ja, beim Italiener schon, aber sonst nicht!“

Ich hatte das Gefühl, als würde sie mir das nicht glauben.

„Arbeitspensum?“

„Nichts!“

Ich hatte ja im Moment auch wirklich nichts zu tun. Alles war geregelt. Die Patente waren verkauft. Die Arbeitsgruppe traf sich nur noch in der Freizeit. Eine Wiedereingliederung ins Berufsleben war noch nicht geplant. Die Tage plätscherten also dahin. Ich hatte wirklich gerade nichts zu tun.

„Wie geht es weiter?“

„Ich weiß es nicht! Vielleicht können Sie mir das ja sagen?“ Dann war das Gespräch zu Ende.

×

Tatsächlich rückten ein paar Tage später mehrere Handwerker an und brachten die Wohnung auf Hochglanz. Sie rissen die noch vorhandenen Teppichböden heraus und legten dafür neues Parkett in die Wohnung. Teile der Küche wurden ebenso erneuert und das Bad wurde neu gefliest. Es schimmerte jetzt blau. Das sah alles sehr gut aus. So chic war die Wohnung noch nie, seit ich vor ein paar Jahren auf der anderen Seite eingezogen war. So viel Geschmack! Wer war diese neue Mieterin? Ich wurde immer neugieriger auf sie. Das war alles sehr interessant!

Das Haus war eigentlich ein alter Klotz aus der Nachkriegszeit. Aber sie hatten ihn immer wieder modernisiert. Die Fenster wurden vergrößert und reichten jetzt sogar bis auf den Fußboden herab. Ein gläserner Aufzug war seitlich angebaut worden und im Hof hatten sie Abstellplätze für Autos eingerichtet. Das Haus wurde immer moderner. Außen gab es vor einem Jahr einen neuen Anstrich. Ich bewunderte die Verwandlung. Das alte Haus war im Laufe der Zeit immer interessanter und schöner geworden.

Immer wieder erschienen jetzt neue Handwerker. Sie arbeiteten oft bis tief in die Nacht hinein. Also musste es jetzt ganz schnell gehen. Die neue Mieterin wollte bald einziehen. Sie hatte es eilig. Immer wieder ging ich zum Fenster, um hinüber zu schauen. Ich wollte alles genau wissen. In meinem ruhigen Leben war es jetzt die einzige Aufregung.

Mir fielen wieder die Worte eines Therapeuten aus der Klinik ein, anlässlich einer Fortbildung für gefährdete Ärzte:

„Arbeitsüberforderung ist ein subjektiv erlebter psychischer Zustand, der durch ein das bisherige Leistungsprofil quantitativ und qualitativ übersteigendes aktuelles Tätigkeitsprofil bedingt sein kann. Es können vorübergehende Beschwerden auftreten, wie Erschöpfungsgefühl oder auch Depersonalisation, die sich dann oft in Zynismus äußern, und eine auffällige Leistungsminderung zur Folge haben.“

Ja, so war es!

„Diese Beschwerden klingen in der Regel zumindest anfänglich in arbeitsfreien Phasen wie z.B. an den Wochenenden wieder ab. Erst bei leistungsandauernden Beschwerden und Einschränkungen von mehreren Wochen bis Monaten, die durch Regeneration, wie z. B. durch Urlaubszeiten nicht mehr rückläufig sind, sollte dann der Begriff „Burnout“ verwendet werden. Dabei ist die Schwelle zur manifesten Erkrankung oft noch nicht überschritten, was dann durch die Konsultation eines Arztes abgeklärt werden sollte. Auch wenn noch keine Krankheit vorliegt, sollte der Arzt diesen Risikozustand erkennen und ihn dann als Z73 nach ICD-10 kodieren.“

Der Kollege machte damals eine Pause. Ich erinnerte mich noch genau daran. Er schien sich damals zu besinnen.

„Dieses Kapitel Z des ICD-10 nennt Faktoren, welche den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems führen, ohne dass bisher eine Krankheit vorlag. Burnout, respektive Z73, wird jedoch als Risikozustand verstanden. Im Besonderen stellt es ein Risiko für somatische und psychische Folgeerkrankungen wie hohen Blutdruck, Tinnitus oder Depressionen, Angsterkrankungen oder Medikamentenabhängigkeit dar. Die diagnostische Klärung dieser typischen Folgestörungen ist in jedem Fall unerlässlich. Falls eine Erkrankung infolge eines Burnouts eingetreten ist, sollte sie selbstverständlich ebenfalls kodiert werden und durch die Zusatzkodierung Z73 der Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung dokumentiert werden.“

Das war alles ziemlich kompliziert. Aber so war ja inzwischen auch unser Gesundheitssystem geworden. Die Bürokratie war überbordend. Zuerst gut dokumentiert! Die Behandlung des Patienten kam dann später. Irgendwie! Eben später!

Keine Frage, das war der Grund, warum so viele junge Ärzte in Scharen davonliefen und in andere Länder wechselten, wo sie gerne aufgenommen wurden.

Ja, ja, genau, das hatte ich damals gelernt, aber bei mir war es bereits zu spät gewesen. Ich hatte bereits damals schon ein Burnout!

Ein anderer Kollege meinte:

„Mit dem oft als weniger stigmatisierend empfundenen Label „Burnout“ besteht die Gefahr, dass eine Depression, die unter anderem auch Burnout ähnliche Beschwerden umfasst, verharmlost wird und die notwendigen Behandlungsmaßnahmen nicht eingeleitet werden. Damit steigt u.a. das Risiko einer Chronifizierung.“

Ach ja, aber hatte ich denn wirklich eine Depression?

Aber diese Frage spielte ja eigentlich überhaupt gar keine Rolle. Die Behandlung war ja nur rein symptomatisch. Sie behandelten ja nicht die eigentliche Ursache. Die Medikation verschlechterte ja sogar den Stoffwechsel, so dass der Patient nur schwer von den Medikamenten wieder loskam. Ein Absetzversuch scheiterte ja meist. Der Patient musste deshalb meist seine Medikation lebenslang einnehmen.

Nein, überhaupt nicht! Eine Depression hatte ich nicht. Das kannte ich überhaupt nicht. Das konnte ich ganz klar von mir weisen. Ich hatte keine Depression! Wir hatten ja doch so viel Erfolg gehabt. Die Stimmung war ja auch immer gut gewesen. Antidepressiva nahm ich deshalb auch nie ein.

Das hatte ich vor ein paar Tagen gelesen:

„Die öffentliche Burnout-Diskussion hat nun verstärkt auch die Politik und die sogenannten „Sozialpartner“ auf die Brisanz des Themas von psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt aufmerksam gemacht. So wurde neuerdings der Schutz der Gesundheit bei arbeitsbedingten psychischen Belastungen als eines von drei zentralen Zielen der „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie“ formuliert.“

Die Relevanz ergab sich aus den Entwicklungen der Daten zur Arbeitsunfähigkeit. Es gab neue Empfehlungen dazu.

Der Anteil der psychischen Erkrankungen an den Arbeitsunfähigkeitstagen lag im Jahr 2010 bei 9,3 % gegenüber 6,2 % im Jahr 2000 und das bei insgesamt sinkenden bzw. konstant bleibenden Häufigkeit von Krankmeldungen.

Noch stärker war diese Entwicklung der Statistik der deutschen Rentenversicherung im Bereich der Renten-Neuzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Waren Anfang der 90er Jahre noch die Gruppe der Krankheiten des Muskel- und Skelettapparates führend, sanken diese Berentungszahlen über die vergangenen zwanzig Jahre kontinuierlich ab, während die Frühberentungen aufgrund psychischer Erkrankungen stark zunahmen und inzwischen für knapp 40 Prozent aller Fälle von Frühberentung verantwortlich waren.

Es fand also jetzt eine Verlagerung von somatischen auf psychische Erkrankungen statt. Das war mir bewusst.

So, so! All das wurde damals mit mir auch besprochen.

Aber, was hatte das nun mit mir zu tun? Das interessierte mich ja eigentlich überhaupt nicht. Bei mir war ja alles ganz anders gewesen. Ich passte ja überhaupt nicht in die allgemeinen Schubladen!

Was sollte ich machen? Was konnte ich für mich an Informationen mitnehmen? Was für einen Gewinn hatte ich dadurch?

Ich dachte nach.

Ich musste vorsichtig sein. Denn in der Zwischenzeit hatte die Zunahme psychiatrischer Diagnosen inflationäre Dimensionen angenommen.

„Jeder, der Probleme bei der Bewältigung seiner Lebenssituation hat und deswegen einen Psychiater aufsucht, erhält dort dann auch eine psychiatrische Diagnose. Man muß es sich deshalb heutzutage gut überlegen, ob man überhaupt noch einen Psychiater aufsuchen kann.“

Das sagte mein Nachbar. Er hatte wohl schlechte Erfahrungen gemacht.

×

Ich war noch am Leben! Es ging mir wieder gut! Das Leben ging also weiter! Ich konnte aufatmen.

Heute wollte ich noch ins Kino gehen. Ich brauchte jetzt dringend eine Ablenkung.

Nein, ich entschied mich anders!

Ich wollte doch lieber stattdessen wieder einmal in meinen Jazzclub gehen. Dort war ich ja schon so lange nicht mehr gewesen. Ich hatte es mir plötzlich dann doch anders überlegt.

Contemporary Piano Jazz. Klavier, Bass und Schlagzeug. Ein modernes Klaviertrio also. Das Klavier dominierte und gab den Rhythmus vor. Das Schlagzeug kam hinzu und wurde vom Bass unterstützt. Im Wechsel bekam jeder ein Solo. Am Schluss trafen sich alle wieder. Das Publikum war begeistert. Die Band gab noch mehrere Zugaben. Ein toller Abend. Großartiger Jazz.

Ich ging beschwingt und begeistert wieder nach Hause. Es hatte sich heute wirklich gelohnt, in den Club zu gehen. Mein Kopf hatte alle Rhythmen gespeichert. Immer wieder summte ich die Melodie nach. Immer noch beschwingt ging ich der Straße entlang. Ich träumte vor mich hin. Dieser Jazzclub war großartig. Schade, dass ich in der letzten Zeit so selten dort war. Das musste sich wieder ändern! Es war einfach eine Bereicherung für unsere Stadt. Sie spielten professionell. Keiner machte es besser. Ich wollte es eigentlich nicht mehr missen. Schon bald wollte ich wieder in den Club gehen und mir wieder dort etwas Tolles anhören.

×

Es war wieder alles dunkel im Haus gegenüber als ich zurückkam. Keine Handwerker waren mehr da. Ich stand wieder am Fenster und schaute hinüber. Nichts bewegte sich dort, alles war ruhig. Die Rollladen waren nur teilweise unten. Oder träumte ich etwa?

Ich dachte nach.

Was kam als nächstes? Wer würde dort wohl einziehen? Eine Frau? Ein Mann? Ein Paar?

Jetzt sah ich es aber! Oder träumte ich doch etwa schon?

In der Wohnung brannte tatsächlich irgendwo noch ein schwaches Licht. Jemand hatte wahrscheinlich einen Schalter vergessen. Ich sah es jetzt mitten in der dunklen Nacht recht gut.

Nachdem sich meine Augen noch besser an das schwache Licht gewöhnt hatten, sah ich jetzt auch mehrere Taschen auf dem Flur stehen und auch in der Küche stand etwas Neues, vielleicht waren es ein paar Kartons.

Bald würde also doch jemand dort einziehen. Das hatte ich begriffen. Eine Frau etwa?

Ich wünschte mir moderne Möbel. Etwas, was gut in diese schöne Wohnung passte. Kein Sammelsurium an Möbeln. Etwas mit Stil. Das hatte ich mir in den letzten Tagen gewünscht.

Jemand mit ästhetischem Geschmack sollte dort einziehen. Niemand, der diese schöne Wohnung mit seinen Möbeln „versaute“.

Ich stand noch immer am Fenster.

Die Nacht zog auf. Das Licht wurde irgendwie dann doch wieder schwächer. Wer würde also einziehen? Ein junges Liebespaar? Ein lesbisches Paar? Ach, egal, ich würde sie dann von hier aus genau beobachten. Ich würde schauen und am Fenster stehen. Ich war voll neugierig. Das Leben spielte sich eigentlich gerade total außerhalb von mir ab.

Ich dachte kurz an Jennifer beim Italiener. War sie noch bei Ben? Vielleicht war sie ja schon wieder weg. Gar nicht mehr bei Ben. Vielleicht sollte ich mich bei ihr melden? Wir würden gut zueinander passen, oder? Sie war geistreich und charmant zugleich.

Ich setzte mich in meinen Sessel und nahm ein Buch zur Hand, aber ich konnte mich heute ganz schlecht konzentrieren. Zu viel war gerade in meinem Kopf.

Musik?