CHANGE-R - Dr. Heinrich Kraus - E-Book

CHANGE-R E-Book

Dr. Heinrich Kraus

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Beschreibung

Mit der wachsenden Bedeutung von Täterarbeit und als wesentliche Intervention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist der Bedarf an gewaltpräventiven Maßnahmen im psychosozialen Bereich stetig gestiegen. Gleichzeitig hat auch das Wissen über effektive Interventionen zugenommen. Das vorliegende Buch greift ein schottisches Programm zur Beendigung von Gewalt in Paarbeziehungen (CHANGE) von Wilson und Morran (1997) auf und passt es dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung an. So wird beispielsweise ein bio-psycho-soziales Modell der Entstehung/ Entwicklung häuslicher Gewalt in das einschlägige ökologische Modell der WHO integriert. Spezielle Übungen aus dem Bereich des mentalen Trainings werden erstmals systematisch in die Täterarbeit eingeführt. CHANGE-R ist für alle geschrieben, die mit Beziehungsgewalt zu tun haben. Zunächst einmal für die Praktiker/innen (Psychiater/innen, Psychologen/innen, Psychotherapeuten/innen, Sozialarbeiter/innen, Familienberater/innen etc…), die im Bereich von Beziehungsgewalt mit den Tätern arbeiten. Das Training ist in Modulen, in denen die zu vermittelnden Inhalte aufgegliedert sind, organisiert. Jedes Modul folgt einer festgelegten Struktur. Zunächst werden die Ziele des jeweiligen Moduls formuliert. Anschließend folgt in einem Kommentar eine genaue Anleitung zur Durchführung des jeweiligen Moduls. Aus didaktischen Gründen wurde die Vermittlung von Inhalten in Lectures umgesetzt. Zusammen genommen ergeben diese einen umfassenden Überblick über die Ursachen, die Formen, die Genese und unterschiedliche Dynamiken von Beziehungsgewalt. Dies macht das Buch zu einer aktuellen Informationsquelle, nicht nur für Betroffene im Training, sondern auch für Behörden, politische Entscheidungsträger und fachspezifische Einrichtungen. Audioanleitungen zum mentalen Training und eine genaue Auflistung aller Fragen der Reflexionsübungen zusammen mit den Lectures machen CHANGE-R auch als Selbsthilfemanual für Betroffene interessant.

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Seitenzahl: 737

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CHANGE-R

1. Auflage, erschienen 2-2022

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Heinrich Kraus

Layout: Heinrich Kraus

ISBN: 978-3-96229-732-9

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadenersatz.

Alle im Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse usw. wurden vom Autor nach bestem Gewissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages. Er übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Trainingsprogramm für Männer zur Beendigung von Gewalt in Paarbeziehungen

Ein Handbuch für die Gruppenarbeit

Original CHANGE

Monica Wilson und David Morran, Edinburgh, 1997

CHANGE-Revised

Heinrich Kraus, Wien, 2022

EINLEITUNG

Seit David Morran und Monika Wilson ihr Handbuch zur Gruppenarbeit veröffentlichten, ist fast ein viertel Jahrhundert vergangen. In diesen fünfundzwanzig Jahren hat sich nicht nur die generelle Arbeit im psychosozialen Bereich, sondern auch die Arbeit mit Männern, die gegenüber ihren Partnerinnen gewalttätig wurden, international, aber auch in Österreich weiterentwickelt und verändert. So lag beispielsweise der Fokus in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts ausschließlich auf der Gewalt gegenüber der Partnerin. Gewalt gegenüber Kindern blieb damals noch weitgehend unberücksichtigt. Kein Wunder also, dass das originale CHANGE-Programm mittlerweile durch ein Nachfolgeprogramm ersetzt wurde (das Caledonian System).

Als eine kleine motivierte Gruppe von Sozialarbeiter(n)/innen, Psychotherapeut(en)/-innen und Psycholog(en)/-innen 1999 in Wien mit der Arbeit begann, war das Curriculum eine großartige Leitlinie für uns, weil es ein deutlich beschriebenes und klar strukturiertes Vorgehen erlaubte. Wir merkten bald, was gut und was weniger gut funktionierte, und adaptierten unseren methodischen Ansatz im Laufe der zwanzig Jahre Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Thema häusliche Gewalt entsprechend.

Die hier vorliegende Revision des Handbuchs zum CHANGE-Programm ist die Frucht dieser Arbeit. Der Autor hatte Gelegenheit, sowohl David Morran im Rahmen des Europäischen Netzwerks zur Täterarbeit (WWW- EU) als auch Monika Wilson kennenzulernen und 2017 das Einverständnis zur Revision von David Morran einzuholen. Die grundlegende Modulstruktur und einige Teile der originalen Version wurden übernommen. Zusätzliche Module und neue Handwerkszeuge wurden im Laufe der Zeit eingeführt, um Theorie und Methodik dem State of the Art anzupassen.

Das Handbuch beschreibt ausschließlich die Gruppenarbeit der Abklärungsphase und der Trainingsphase. Eine Darstellung des diagnostischen Teils der Abklärungsphase, der Kooperation mit dem Unterstützungsprogramm und der Einbettung des Programms in die Interventionskette gegen häusliche Gewalt bleibt hier weitgehend unberücksichtigt. Alle drei hier nicht berücksichtigten Aspekte sollten aber als integrale Bestandteile des Programms verstanden werden.

INHALTSVERZEICHNIS

THEORETISCHE UND METHODISCHE GRUNDLAGEN

THEORETISCHE UND METHODISCHE POSITIONEN IM ORIGINALEN CHANGE- PROGRAMM

THEORETISCHE UND METHODISCHE ERWEITERUNGEN DES ORIGINALEN CHANGE-PROGRAMMS

THEORETISCHE UND METHODISCHE ERGÄNZUNGEN ZU DEN ERWEITERUNGEN IM CHANGE-R

STRUKTUR UND ABLAUF DER MODULE IM CHANGE-R

STRUKTUR UND ABLAUF EINES MODULS

STRUKTUR UND ABLAUF DES GESAMTEN PROGRAMMS

HERAUSFORDERUNGEN

HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE GRUPPENLEITUNG

HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE TEILNEHMER

DIE ZWEI ZENTRALEN HANDWERKSZEUGE DES TRAININGS

KONTRAINDIKATIONEN

MODULE UND SITZUNGEN DER CLEARINGPHASE

ÜBERBLICK ÜBER THEMEN UND ÜBUNGEN DER CLEARINGMODULE

CLEARING MODUL 1: URSACHEN UND FORMEN VON HÄUSLICHER GEWALT

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: INNERE HALTUNGEN, DIE ACHTSAMKEIT UND SELBSTMITGEFÜHL STÄRKEN

LECTURE: URSACHEN UND FORMEN VON HÄUSLICHER GEWALT

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: CLEARING MODUL 1

CLEARING MODUL 2: VERANTWORTUNGSÜBERNAHME

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: VERANTWORTUNGSÜBERNAHME

LECTURE: HINDERNISSE FÜR DIE ACHTSAMKEIT

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: CLEARING MODUL 2

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: ÜBUNGSBLATT ZU DEN VERMEIDUNGSSTRATEGIEN

CLEARING MODUL 3: VOR- UND NACHTEILE VON GEWALT UND MISSBRAUCH

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: ÜBUNGSSETTINGS

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: CLEARING MODUL 3

CLEARING MODUL 4: NEUROPHYSIOLOGISCHE UND PSYCHOLOGISCHE ASPEKTE VON GEWALT

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: NEUROPHYSIOLOGISCHE UND PSYCHOLOGISCHE ASPEKTE VON GEWALT

LECTURE: SCHMERZ, SELBSTMITGEFÜHL UND ACHTSAMKEIT

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: CLEARING MODUL 4

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: QUERSCHNITT DURCHS MENSCHLICHE GEHIRN

CLEARING MODUL 5: EINFÜHRUNG IN DAS ACHTSAMKEITS- UND SELBSTMITGEFÜHLSTRAINING

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: EINFÜHRUNG IN DIE ACHTSAMKEITS- UND SELBSTMITGEFÜHLSPRAXIS

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: CLEARING MODUL 5

BEGRIFFSLEXIKON

MODULE UND SITZUNGEN DER TRAININGSPHASE

ÜBERBLICK ÜBER THEMEN UND ÜBUNGEN DER TRAININGSMODULE

TRAININGSMODUL 1: DEFINITION VON GEWALT UND MISSBRAUCH

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE UND BRAINSTORMING: GEWALTFORMEN

LECTURE: GEDANKEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 1

TRAININGSMODUL 2: PARTNERSCHAFT IN BEZIEHUNGEN

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: SELBSTWERT – SELBSTKRITIK - SELBSTMITLEID UND SELBSTMITGEFÜHL

LECTURE: GESUNDE BEZIEHUNGEN UND IHRE BRÜCHE

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 2

TRAININGSMODUL 3: MÄNNLICHE SOZIALISATION/AUFWACHSEN ALS MANN

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

BRAINSTORMING: AUFWACHSEN ALS MANN

LECTURE: VERHALTEN IN NAHEN BEZIEHUNGEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 3

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: WIMP-TEST VON STOSNY

TRAININGSMODUL 4: GEFÜHLE ERKENNEN, AUSDRÜCKEN, REGULIEREN UND ÜBER SIE SPRECHEN

EINLEITUNG, ZIELE

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG A

KOMMENTAR – SITZUNG A

LECTURE: GEFÜHLE, IHRE FUNKTION, IHRE BEDEUTUNG UND IHRE NEURONALEN GRUNDLAGEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 4 – SITZUNG A

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG B

KOMMENTAR SITZUNG B

LECTURE: GEWALTZYKLUS UND „STATES OF MIND"

LECTURE: ACHTSAMER UMGANG MIT SCHWIERIGEN GEFÜHLEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 4 – SITZUNG B

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: WEITERFÜHRENDE FRAGEN AN DIE GRUPPENMITGLIEDER

TRAININGSMODUL 5: VERANTWORTUNGSÜBERNAHME

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: WICHTIGE RELAISSTATIONEN/KONVERGENZZONEN IM GEHIRN

LECTURE: VERANTWORTUNGSÜBERNAHME

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 5

TRAININGSPROTOKOLL ZUR ACHTSAMKEIT

TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: ÜBUNGSBLATT ZU DEN VERMEIDUNGSSTRATEGIEN

TRAININGSMODUL 6: STRESSMANAGEMENT

EINLEITUNG, ZIELE

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN - SITZUNG A

KOMMENTAR SITZUNG A

LECTURE: STRESS, STRESSREAKTION UND GEHIRN

LECTURE: DER PERSÖNLICHE SICHERHEITSPLAN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 6 – SITZUNG A

TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: BEISPIEL SICHERHEITSPLAN

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN - SITZUNG B

KOMMENTAR SITZUNG B

LECTURE: ÄRGERUNTERBRECHUNGSTECHNIKEN 1 – AUSZEIT

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 6 – SITZUNG B

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN - SITZUNG C

KOMMENTAR SITZUNG C

LECTURE: ÄRGERUNTERBRECHUNGSTECHNIKEN 2

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 6 – SITZUNG C

TRAINING: MODUL 7 – GEWALTTÄTIGSTER VORFALL

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR ZU ALLEN SITZUNGEN IM MODUL 7

LECTURE 1: BINDUNGSMUSTER

LECTURE 2: DIE VERMEIDENDE BINDUNG

LECTURE 3: DIE AMBIVALENTE BINDUNG

ZUSAMMENFASSUNG DER BINDUNGSMUSTER

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 7

TRAININGSMODUL 8: WIE FRAUEN GEWALT ERLEBEN

EINLEITUNG, ZIELE

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG A

KOMMENTAR SITZUNG A

LECTURE: DESORGANISIERTE BINDUNG UND TRAUMA

LECTURE: WIE FRAUEN GEWALT UND MISSBRAUCH ERLEBEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 8 – SITZUNG A

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG B

KOMMENTAR SITZUNG B

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 8 – SITZUNG B

TRAININGSMODUL 9: HERKUNFTSFAMILIE

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

ANFANGSRUNDE

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 9

TRAININGSMODUL 10: KINDER UND HÄUSLICHE GEWALT

EINLEITUNG, ZIELE

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG A

KOMMENTAR SITZUNG A

LECTURE: GEWALT GEGENÜBER KINDERN UND IHRE AUSWIRKUNGEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 10 – SITZUNG A

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG B

KOMMENTAR – SITZUNG B

LECTURE: KURZER ABRISS ZUR PSYCHOSOZIALEN ENTWICKLUNG VON KINDERN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 10 – SITZUNG B

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG C

KOMMENTAR – SITZUNG C

LECTURE: VERANTWORTLICHE ELTERNSCHAFT

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 10 – SITZUNG C

TRAININGSMODUL 11: INTEGRIERTE PARTNERSCHAFT

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: VON „INTERLOCKING STATES“ ZUR INTEGRIERTEN PARTNERSCHAFT

LECTURE: VERBALE/PSYCHISCHE GEWALT

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 11

TRAININGSMODUL 12: EIFERSUCHT UND KONTROLLE

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: EIFERSUCHT UND KONTROLLE

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 12

TRAININGSMODUL 13: MITGEFÜHL VERSUS EINSCHÜCHTERUNG

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: MITGEFÜHL VERSUS EINSCHÜCHTERUNG UND DROHUNG

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 13

TRAININGSMODUL 14: SEXUELLE GEWALT

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

FALLVIGNETTE: ROBERT UND SANDRA

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 14

TRAININGSMODUL 15: VOM STREIT ZUR INTEGRIERTEN KOMMUNIKATION

EINLEITUNG

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG A

KOMMENTAR SITZUNG A

LECTURE: ESKALATIONSFAKTOREN UND ACHTSAMER UMGANG MIT KONFLIKTEN

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: STREITGESPRÄCH CHRISTOPHER UND ANNEMARIE

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG B

KOMMENTAR SITZUNG B

LECTURE: PERSPEKTIVENWECHSEL TEIL 1: ICH-BOTSCHAFTEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 15 – SITZUNG B

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: ICH-BOTSCHAFTEN

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG C

KOMMENTAR SITZUNG C

LECTURE: PERSPEKTIVENWECHSEL TEIL 2: AKTIVES ZUHÖREN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 15 – SITZUNG C

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: AKTIVES ZUHÖREN

ZEITAUFWAND, MATERIALIEN – SITZUNG D

KOMMENTAR MODUL 15 SITZUNG D

LECTURE: AUF DEM WEG ZUR INTEGRIERTEN KOMMUNIKATION – DER PAARDIALOG

LECTURE: ÜBER DIE KUNST DES KOMPROMISSES UND DER REPARATUR VON BEZIEHUNGSBRÜCHEN

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 15 – SITZUNG D

TRAININGSMODUL 16: RÜCKFALL VERSUS RESILIENZ

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: RÜCKFALL VERSUS RESILIENZ

HANDOUTS FÜR TEILNEHMER: TRAININGSMODUL 16

TRAININGSMODUL 17: ABSCHLUSS-SITZUNG

EINLEITUNG, ZIELE, ZEITAUFWAND UND MATERIALIEN

KOMMENTAR

LECTURE: RÜCKBLICK AUF DIE WICHTIGSTEN TRAININGSINHALTE

KOMMENTAR ZUM TRAININGSENDE UND ABSCHLUSSÜBUNG: MITFÜHLENDES ATMEN

ZUSÄTZLICHES TRAININGSMATERIAL FÜR TRAINER/-INNEN: GRUPPENREFLEXION ZUM TRAININGSENDE

BEGRIFFSLEXIKON

ANHANG

ANLEITUNG ZU DEN FORMELLEN ACHTSAMKEITSÜBUNGEN

ATEMACHTSAMKEIT

KÖRPERACHTSAMKEIT

ACHTSAMKEIT AUF GERÄUSCHE

FREUNDSCHAFT SCHLIEßEN

BODYSCAN

ACHTSAMKEIT AUF GEDANKEN

ACHTSAMKEIT AUF GEFÜHLE

BENENNEN VON GEFÜHLEN

SCHWIERIGKEITEN ERFORSCHEN

RAD DES BEWUSSTSEINS

MITGEFÜHL FÜR DAS INNERE KIND

FREUNDSCHAFT SCHLIEßEN 2

FREUNDSCHAFT SCHLIEßEN 3

RAD DES BEWUSSTSEINS 2

MITFÜHLENDES ATMEN

RAD DES BEWUSSTSEINS 3

DREI MINUTEN ATEMRAUM

EINSCHÄTZUNGSBOGEN FÜR DIE TEILNEHMER IN DER CLEARINGPHASE

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

VERZEICHNIS DER REFLEXIONSÜBUNGEN

Einführung in Theorie, Methodik, Struktur und Ablauf von CHANGE-R

Theoretische und methodische Grundlagen

Das integrierte ökologische Modell, das dem methodischen Ansatz von CHANGE-R zugrunde liegt, speist sich aus zahlreichen überlappenden und evidenzbasierten theoretischen und methodischen Ansätzen. Im Folgenden wird die theoretische und methodische Positionierung des originalen CHANGE-Programms (Morran & Wilson, 1997) als Ausgangspunkt genommen, um die Grundlagen der Erweiterungen und Ergänzungen zu erläutern.

Theoretische und methodische Positionen im originalen CHANGEProgramm

In der ursprünglichen Fassung von CHANGE aus dem Jahre 1997 lassen sich drei theoretische bzw. methodische Ausrichtungen identifizieren. Dies sind seine profeministische Orientierung, sein Gebrauch von Methoden aus der kognitiven Verhaltenstherapie und seine Anlehnung an das Stufenmodell der Veränderung1 von Prochaska und Di Clemente (1982).

Stufenmodell der Veränderung: Das Stufenmodell der Veränderung beschreibt unterschiedliche Phasen, die durchlaufen werden müssen, um wichtige Verhaltensänderungen herbeizuführen. Jede Phase erfordert spezifische Interventionen, um die Motivation zur Verhaltensänderung zu fördern. Motivation zur Veränderung wird nicht als starr oder fix gesehen, sondern als dynamisch und flexibel. Die verschiedenen Phasen oder Stufen sind:

Absichtslosigkeit: Die Gefährder sind sich kaum der Problematik ihres Verhaltens bewusst. Die verschiedenen Täterstrategien, vor allem Schuldzuweisungen, dominieren. In dieser Phase müssen alle Interventionen darauf gerichtet sein, dem Mann die negativen Auswirkungen seines gewalttätigen Verhaltens vor Augen zu führen und dadurch Dissonanzen in ihm zu erzeugen.

Absichtsbildung: Dieses Stadium ist von Ambivalenzen/Dissonanzen geprägt. Die Vor- und Nachteile des gewalttätigen Verhaltens werden immer klarer. Die Vorteile mögen noch überwiegen, aber die Nachteile, die ja mittel- bis langfristig wirksam sind, werden bewusster. Die Interventionen in dieser Phase sind darauf gerichtet, die Ambivalenzen zu erforschen und die Vorteile einer Verhaltensänderung herauszustreichen.

Vorbereitung: Dies ist eine Phase der Entscheidungsfindung. Die Männer haben sich zwar für eine Veränderung entschieden, ohne dass diese Einstellung aber schon im Verhalten sichtbar wird. Das Zeitfenster dafür ist aber nicht unbegrenzt. Bleiben sie über die nächsten Wochen aktiv an einer Veränderung ihres Problemverhaltens interessiert, so wechseln sie ins nächste Stadium. Andernfalls fallen sie wieder ins Stadium der Absichtsbildung zurück. Aufgabe von Interventionen in dieser Phase ist es, die Veränderungsmotivation zu stärken und den Männern Mittel in die Hand zu geben und Wege aufzuzeigen, wie sie ihr gewalttätiges Verhalten ändern können.

Handlung: In diesem Stadium unternehmen die Männer konkrete Schritte, um ihr Verhalten zu ändern und neue Kompetenzen zu erwerben. Evidenzbasierte Interventionen für diese Phase finden sich im gesamten Curriculum.

Aufrechterhaltung: Diese Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass die Männer die angestrebte Veränderung zur Gewaltfreiheit in ihren Alltag integrieren und eine Zeit lang aufrechterhalten konnten. Sie wurde allerdings noch nicht in Hochrisikosituationen erprobt. Alle Interventionen in dieser Phase zielen darauf ab, Gewaltfreiheit zu stärken, Risikofaktoren und Situationen zu identifizieren und einen gewaltfreien Umgang mit ihnen festzulegen und zu erproben.

Dieses Stufenmodell der Veränderung hilft Trainer oder Trainerin, in ihren Interaktionen mit den Trainingsteilnehmern zu erkennen, in welcher Phase diese sich befinden. Damit können sie spezifische und phasenentsprechende Interventionen setzen und den Mann bezüglich seiner Motivation dort abholen, wo er sich gerade befindet.

Einsatz von Methoden aus der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT):

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT, Beck, 1976) zählt zu den am meisten verwendeten psychotherapeutischen Methoden in der Arbeit mit Gewalttätern. Sie bietet einen Bezugsrahmen, um zu verstehen, wie unsere zentralen Ängste und Selbstzweifel unser Denken, unser Fühlen und damit unser Verhalten beeinflusst werden. In der Arbeit mit Männern, die sich gewalttätig gegenüber ihren Partnerinnen verhalten haben, wird sie bevorzugt eingesetzt, um die gewohnten Denk- und Gefühlsmuster zu identifizieren und zu verändern, die hinter dem gewalttätigen Verhalten liegen.

Ein Kernelement der KVT ist die Annahme, dass unser Denken, Fühlen und Handeln nicht von den Ereignissen an sich, sondern von unserer Wahrnehmung derselben beeinflusst ist. Dies deckt sich mit den theoretischen Verortungen, die weiter unten folgen werden.

Ein weiteres zentrales Element der KVT liegt darin, dass die Klienten angehalten werden, Übungen zur Selbstregulation und zur Entwicklung sozialer Fertigkeiten durchzuführen. Dies ist auch ein Kernelement von CHANGE-R.

Profeministische Ausrichtung: Wilson und Morran beschreiben den Einsatz häuslicher Gewalt von Männern als Verletzung, Einschüchterung, Bestrafung oder Kontrolle der Partnerin. Diese soll mittels Gewalt gefügig gemacht werden und sich der männlichen Dominanz unterwerfen. Sie verorten Gewalt also als Macht- und Kontrollinstrument und sehen ihre Wurzeln im historischen und kulturellen Erbe des Patriarchats. Männer werden von Kindheit an angehalten, Verletzlichkeit und Nähe abzuwehren und stattdessen Härte, Dominanz und Unabhängigkeit in ihrem Verhalten zu zeigen. Gewalt ist also nur die Spitze des Eisbergs in der ungleichen Machtverteilung zwischen Männern und Frauen, die nach wie vor als strukturelle Gewalt in unserer Gesellschaft vorhanden ist.

Historisch gesehen wurde das originale CHANGE-Programm in einer Zeit entwickelt, in der das Umdenken der Gesellschaft und ihrer Institutionen in Großbritannien erst wenige Jahre zuvor begonnen hatte. Davor war der Umgang der Behörden mit häuslicher Gewalt von der Vorstellung geprägt, dass es sich dabei um eine Privatangelegenheit handle, die noch dazu nicht so schwerwiegend sei, um ein Eingreifen zu erfordern. Neue gesetzliche Handhaben und Aufgaben für die Polizei waren noch nicht lange rechtskräftig. Das originale CHANGE-Programm war ein Glied im Aufbau einer Interventionskette in Schottland. Es war für Männer konzipiert, die über das Justizsystem und die Bewährungshilfe zugewiesen wurden. Die Bewährungshilfe war gleichzeitig ein Bindeglied zu den Partnerinnen der Männer im Programm. Dieser Ansatz zeigt eine gewisse systemische Perspektive auf das Problem von häuslicher Gewalt, wenn auch noch nicht sehr differenziert formuliert. Das CHANGE-Programm war ein Teil von dem, was später als „coordinated community response“ bezeichnet wurde.

Theoretische und methodische Erweiterungen des originalen CHANGEProgramms

Alle oben erläuterten theoretischen und methodischen Positionen wurden übernommen und dem aktuellen Wissensstand angepasst. Alle Erweiterungen werden in der obigen Reihenfolge zur Darstellung gebracht.

Das Stufenmodell der Veränderung von Prohaska und Di Clementi (1982) wurde durch den Ansatz des Motivational Interviewing (MI) von Miller und Rollnick (2002) ergänzt.

Ziele des MI sind einerseits die Förderung von Veränderungsmotivation und andererseits die Festlegung von Ziel, Weg und konkretem Plan der Veränderung. Letzteres ist im Curriculum beschrieben.

Die Autor(en)/-innen, die auf dem Stufenmodell der Veränderung aufbauen, betonen, dass ihr Ansatz nicht allein in einer Ansammlung von Techniken und Methoden besteht. Von zentraler Bedeutung ist für sie die innere Haltung des/der Trainers/Trainerin dem Klienten gegenüber. Wie wichtig die Beziehung zwischen der Gruppenleitung und den Trainingsteilnehmern ist, zeigt nicht zuletzt die Wirksamkeitsforschung im Bereich der Psychotherapie. So weisen beispielsweise Asay und Lambert (2001) in ihrer Metaanalyse von über hundert Wirksamkeitsstudien 30 % des Therapieerfolges der therapeutischen Beziehung zu.

In einer unveröffentlichten Studie (Kraus, 2006) mit Männern im Wiener Anti-Gewalttraining (n=37) befanden sich zu Beginn 13 % von ihnen im Stadium der Absichtslosigkeit, 62 % auf der Stufe der Absichtsbildung und nur 25 % im Stadium der Vorbereitung oder Handlung. Diese Prozentsätze stimmen mit internationalen Studien überein, in denen gezeigt werden konnte, dass sich nur zwischen 21 % und 36 % der Trainingskandidaten zu Beginn des Trainings im Vorbereitungs- oder Handlungsstadium befinden (Levesque et al., 2001). Viele Männer befinden sich also am Anfang in einem Stadium, das von Ambivalenzen bestimmt wird. Die Auflösung dieser Ambivalenzen und die innere Haltung der Gruppenleitung, mit der diese erfolgt, sind also von zentraler Bedeutung.

Direkte Überzeugungsversuche zur Auflösung dieser Ambivalenzen sind bei einer forensischen Klientel nicht wirksam. Wie die klinisch-forensische Erfahrung zeigt, steigert dies nur die Abwehr. Viele Männer funktionieren nach dem Prinzip des Alten Testamentes. Gemeint ist damit der Leitspruch „Aug um Aug“ und „Zahn um Zahn". Reaktive Verhaltensmuster, die schließlich der Grund dafür sind, warum die Männer zugewiesen wurden, werden damit nur noch verstärkt.

Die therapeutische Beziehung gleicht im MI einer Partnerschaft, in der die Motivation zur Verhaltensänderung von den Männern ausgeht und ihnen nicht von außen auferlegt wird. Es ist ihre Aufgabe, die Ambivalenzen aufzulösen, nicht die der Gruppenleitung. Trainer oder Trainerin unterstützen diesen Prozess der Erforschung und Erkundung aber aktiv mit ihren Interventionen. Drei von vier Interventionsprinzipien des MI helfen dabei:

Empathie ausdrücken: Wie in den Trainingsmodulen noch genauer dargestellt werden wird, ist ein Kernelement von Partnerschaftlichkeit eine sichere Bindung. Letztere setzt aber voraus, dass ich mich in die/den anderen hineinversetzen und die Welt mit seinen/ihren Augen betrachten kann. Ich muss nicht mit ihm/ihr übereinstimmen, aber ich kann seine/ihre Perspektive nachempfinden und verstehen. Nur dann kann ich den Mann dort abholen, wo er steht. Dies setzt die Schaffung eines respektvollen Klimas voraus, in dem die Ambivalenzen und Konflikte offen exploriert werden können. Die Männer müssen also in ihren Gefühlen und Bedürfnissen angenommen und respektiert werden. Gleichzeitig erfolgt aber eine Distanzierung vom gewalttätigen Verhalten.

Diskrepanzen entwickeln: Keiner der über tausend Trainingskandidaten, mit denen der Autor im Laufe seiner Arbeit zu tun hatte, war stolz darauf, seine Partnerin körperlich attackiert zu haben. Motivation zur Veränderung entsteht dann, wenn die Männer eine Diskrepanz zwischen dem, wo sie stehen, und dem, wie sie sein wollen, wahrnehmen. Die Interventionen der Gruppenleitung zielen zu Beginn des Trainings deshalb darauf ab, im Gruppenteilnehmer ein Bewusstsein über die Diskrepanzen zwischen seinem gewalttätigen Verhalten und dem von ihm eigentlich gewünschten Zustand von Gewaltfreiheit zu entwickeln.

Widerstand umlenken: Jeder Widerstand, der als „Mauern“ oder Kritisieren auftauchen kann, wird als Ausdruck der Verletztheit der Trainingsteilnehmer gesehen; als ein Ausdruck für die Angst davor, Risiken einzugehen, die durch vorangegangene Erfahrungen nicht unterstützt werden. Insofern ist ihr Widerstand eine wichtige Form des Selbstschutzes. Ziel des MI ist es, Widerstand durch empathisches Spiegeln nicht zu verstärken (kein Argumentieren, Debattieren oder überzeugen Wollen). Tritt er als natürlicher Teil des Veränderungsprozesses trotzdem auf, wird er als ein Momentum begriffen, um die Sichtweise des Mannes genauer zu explorieren. Nur wenn die Gruppenleitung diese genau kennt und versteht, ist es ihr möglich, Informationen zu geben und an der Entwicklung von Diskrepanzen zu arbeiten, indem beispielsweise Ambivalenzen des Mannes gespiegelt werden. Die Gruppenleitung dient als Rollenmodell, die genau die Methoden anwendet, die die Trainingsteilnehmer im Laufe des Trainings zum Teil auch selbst lernen werden.

Theorie und Methodik der KVT wurden durch Kontemplationstechniken ergänzt, die auf eine Verbesserung der Selbstregulation und der sozialen Fertigkeiten abzielen. Techniken der Kontemplation haben unter dem Terminus technicus „Mentales Training“ Eingang in die konzeptionelle Welt der Medizin, der Psychologie, der Psychotherapie, der Pädagogik, der Neurowissenschaften und auch der Wirtschaftswissenschaften gefunden. Der Begriff Training bezieht sich auf den systematischen Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen, der sich von kurzen Zeiträumen über Monate und Jahre bis hin zum gesamten Leben erstrecken kann. Mental bedeutet, dass es sich beim Training inhaltlich um Gedanken, Fantasien, Erinnerungen, Gefühle etc. handelt.

Ursprünglich stammen alle im Curriculum eingesetzten Kontemplationstechniken aus der 2500 Jahre alten buddhistischen Vipassana-Meditation. Es war das Verdienst von Kabat-Zinn (2013), diese aus der religiösen Begrifflichkeit zu lösen und damit dem westlichen Menschen zugänglich zu machen. Sein Programm der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (Mindfulness Based Stress Reduction, MBSR), das er an der Universität in Massachusetts entwickelte, war das „Ursprungsprogramm,“ aus dem sich alle anderen Achtsamkeitskurse im Westen entwickelten.

MBSR geht wie die KVT davon aus, dass unsere Wahrnehmung einer Situation von unseren vergangenen Erfahrungen bestimmt wird. Wie wir also mit einem sozialen Stressor umgehen und ihn wahrnehmen, hängt auch von unserer Vergangenheit ab und bestimmt, welche kurzzeitigen oder länger anhaltenden Effekte der Stressor auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden hat. Alle achtsamkeitsbasierten Techniken aus dem MBSR (aber auch alle Reflexionsübungen), die im Training eingesetzt werden, zielen darauf ab, sich der automatischen/habituellen, d. h. unbewussten Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster sowohl in nahen Beziehungen als auch intrapersonal bewusster zu werden. Achtsamkeit wird trainiert, um in Situationen von akutem Beziehungsstress (Konfliktsituationen), in der die automatischen Reaktionsmuster hin zur Gewalt normalerweise ablaufen, auszusteigen und sich aus der Über-Identifikation mit dem momentanen Erleben zu lösen. Das große Ziel ist, die Trainingsteilnehmer in die Lage zu versetzen, sensibel alle Beziehungsbrüche in „statu nascendi“ wahrzunehmen und diese so kontingent wie möglich wieder zu reparieren.

Neff und Germer (2013), zwei Pionier(e)/-innen auf dem Gebiet des Mitgefühls, entwickelten ein Programm zur Entwicklung des Selbstmitgefühls, das sie Mindfulness Self Compassion (MSC) nannten. Einige Übungen und theoretische Konzepte aus dem MSC kommen auch in diesem Curriculum zur Anwendung. Sie werden eingesetzt, um den Männern einen konstruktiven Umgang mit den hinter dem Ärger liegenden Kernverletzungen zu vermitteln. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, wie die Zunahme von Selbstmitgefühl mit einer Verminderung von Selbstkritik, Grübeln, Gedankenunterdrückung und Ängsten verbunden ist.

Asay und Lambert (2001) ordnen 40 % der Wirksamkeit von Psychotherapie Faktoren zu, die außerhalb der Sitzungen liegen und sich im Alltag der Patienten ereignen. CHANGE-R geht davon aus, dass Verhaltensänderungen, die sich aus dem Lernprozess in den Sitzungen ergeben, auch in den Alltag integriert werden müssen. Die Bewährungsprobe liegt im täglichen Zusammenleben in der Familie. Diese wird als ein ebenso relevanter Ort des Lernens gesehen wie die einmal wöchentlich stattfindenden Gruppensitzungen und mit Reflexionen und anderen Achtsamkeitsübungen unterstützt.

Die pro-feministische Ausrichtung des originalen CHANGE-Programms wurde in die systemische Perspektive eingebettet.

Um ein so komplexes Phänomen wie Gewalt von Männern gegenüber ihren Partnerinnen oder ihren Kindern zu verstehen und zu beseitigen, ist ein Ansatz notwendig, der erklärt, wie unterschiedliche Faktoren auf verschiedenen Ebenen zusammenwirken. Bronfenbrenners ökologische Systemtheorie (Bronfenbrenner, 1986) bot dafür den idealen Rahmen. Alle Ansätze der Ursachenforschung für häusliche Gewalt beruhen auf seinen Erkenntnissen (Dutton, 1988; Edleson und Tolman, 1992; Hagemann-White, 2010; Center for Disease Control, 2018).

Das sozialökologische Modell unterscheidet grundsätzlich 4 Ebenen: die individuelle Ebene, die Beziehungsebene (Partnerin, Kinder, Eltern), die institutionelle Ebene und die gesellschaftliche Ebene. Es geht davon aus, dass kausale Faktoren für häusliche Gewalt auf allen vier Ebenen in Wechselwirkung miteinander stehen und sich zu gewalttätigen Episoden verdichten können. Faktoren auf der individuellen Ebene sind v. a. in den Einstellungen oder der Persönlichkeit der Trainingsteilnehmer, aber auch ihrer Opfer zu finden. Unerledigte Angelegenheiten mit den Eltern oder primären Bezugspersonen von Gefährder und Opfer spiegeln Faktoren auf der Beziehungsebene. Auf sie müssen wir später noch genauer eingehen. Auf der Ebene der Gemeinschaft (community) können die Faktoren in speziellen Erfahrungen am Arbeitsplatz, im Stammlokal, in der Schule oder mit anderen Institutionen liegen. Faktoren auf der gesellschaftlichen Ebene liegen in den kulturellen bzw. Gendernormen und Werten und ihrer politischen Beeinflussung. Wirksame Präventionsmaßnahmen müssen deshalb auf allen vier Ebenen ansetzen.

Im Gegensatz zur Zeit des originalen CHANGE-Programms ist Gewalt innerhalb von Beziehungen mittlerweile weltweit als gravierendes gesellschaftliches Problem erkannt und von UNO, WHO, EU und Europarat als Menschenrechtsverletzung anerkannt worden. In Österreich trat im Mai 1997 auf Anregung der Bundesregierung erstmals ein Maßnahmenpaket zum Schutz vor Gewalt in der Familie in Kraft, das die Befugnisse der Polizei (Wegweisung und Betretungsverbot) erweiterte und die Einrichtung von spezifischen Beratungsstellen zur Unterstützung der Opfer vorsah (Interventionsstellen und Gewaltschutzzentren). Im Herbst 1999 wurde eine Lücke in der Interventionskette durch die Aufnahme der Arbeit mit den gewalttätigen Männern geschlossen und das Wiener Anti-Gewalt-Programm ins Leben gerufen.

Letzteres bestand bis 2020 aus drei Teilen: der Arbeit mit den Männern (Trainingsprogramm der Männerberatung Wien), der Unterstützung der betroffenen Partnerinnen der Männer (Unterstützungsprogramm der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Wien) und der Kooperation der beiden Institutionen miteinander und mit den anderen Gliedern der Interventionskette (Bewährungshilfe, Amt für Jugend und Familie, Gerichte und anderen Institutionen).

Schließlich wurden 2016 nach deutschem Vorbild eine Bundesarbeitsgemeinschaft der opferschutzorientierten Täterarbeit (OTA) gegründet und Mindeststandards der Arbeit, die im gesamten Bundesgebiet umgesetzt werden sollen, beschlossen. Demnach soll opferschutzorientierte Täterarbeit nicht isoliert durchgeführt werden, sondern als Teil von anderen täterbezogenen Interventionen in ein abgestimmtes Interventionssystem eingebunden sein. Wichtige Ziele und Inhalte von OTA sind:

Schutz der Opfer: Im Zentrum jeder Täterarbeit sollten der Schutz und die Sicherheit der Opfer stehen. Wie internationale und nationale Erfahrungen zeigen, kann jeder Inhalt der Täterarbeit von den Trainingsteilnehmern auch als Abwehr eingesetzt und gegen die Partnerin verwendet werden. Entscheidend ist daher ein regelmäßiger Austausch von Informationen zwischen Täterarbeitseinrichtungen und Opferschutzeinrichtungen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Gewaltspirale nachhaltig unterbrochen wird. Zusätzlich erhält die Gruppenleitung Informationen aus der Opferperspektive, die helfen, gezielt und punktgenau zu intervenieren.

Nachhaltige Beendigung aller Formen von Gewalt: Diese ist Bedingung und Voraussetzung dafür, den Schutz und die Sicherheit der Opfer gewährleisten zu können. Alle Interventionen im CHANGE-R sind darauf abgestimmt.

Risikoeinschätzung und Sicherheitsplanung: Ein zentraler Bestandteil jeder OTA ist eine systematische und strukturierte Risikoeinschätzung. Risikofaktoren für häusliche Gewalt werden nicht kausal, sondern korrelativ gesehen. Trotzdem müssen sie adressiert werden, um die Sicherheit der Opfer optimal zu gewährleisten. Eine Kooperation mit zusätzlichen Akteuren im Interventionssystem, wie etwa dem Arbeitsmarktservice oder einem Psychiater, sollte daher angestrebt werden. Da das Risiko seiner Natur nach dynamisch ist, muss dessen Einschätzung fortlaufend erfolgen und sich sowohl auf den Gefährdungsgrad gegen andere als auch die eigene Person richten.

Verantwortungsübernahme: Wenn wir die Verantwortung für unser Verhalten nicht übernehmen, sondern es der Partnerin oder den Kindern in die Schuhe schieben, werden wir nicht in der Lage sein, es zu verändern. Verantwortungsübernahme ist deshalb eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung zur Veränderung. Alle Rechtfertigungsstrategien für Gewalt müssen deshalb immer dann adressiert werden, wenn sie auftreten.

Selbstwahrnehmung und Perspektivenwechsel: Selbstwahrnehmung, vor allem in Situationen von Stress, ist eine notwendige Bedingung, um aus habituellen Mustern auszusteigen. Viele Methoden im Programm (Ärgerjournal, Achtsamkeits- und Selbstmitgefühlsübungen) sind genau darauf ausgerichtet. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung gehen Hand in Hand. Nur wenn ich mitfühlend mit mir sein kann, bin ich auch in der Lage, die Perspektive zu wechseln und Mitgefühl für die von der Gewalt betroffene (Ex-)Partnerin und die Kinder zu entwickeln.

Männer- und Frauenbilder: Ein integraler Bestandteil jeder OTA ist eine kritische Auseinandersetzung mit patriarchalen Rollenbildern und die Reflexion über die eigene Konstruktion von Männlichkeit, Gewalt und Macht.

Partnerschaftliche Beziehungen: Partnerschaftlichkeit in Beziehungen wird im CHANGE-R als Basis einer gesunden Beziehung und sicheren Bindung verstanden. Diese beruhen u. a. auf Respekt und Gleichberechtigung.

Verantwortungsvolle Elternschaft: Das, was über die Beziehung zur (Ex-)Partnerin gesagt wurde, gilt im besonderen Maße auch gegenüber Kindern, sind diese doch immer von der Gewalt mitbetroffen.

Theoretische und methodische Ergänzungen zu den Erweiterungen im CHANGE-R

Die folgenden evidenzbasierten Ergänzungen zum originalen CHANGE-Programm wurden in die Neufassung aufgenommen. Sie beziehen sich fast alle auf eine weitere Ausdifferenzierung der Ziele und Inhalte von einzelnen OTA-Punkten.

Die Risk-Needs-Responsivity-Principles nach Andrews und Bonta (2010).

Diese beziehen sich auf die Risikoeinschätzung und Sicherheitsplanung. Nicht alle Männer, die Gewalt gegenüber ihren (Ex-)Partnerinnen oder den Kindern ausüben, haben ein gleich hohes Rückfallrisiko, und nicht jedes gewalttätige Verhalten ist gleich schwer. Die Prinzipien von Andrews und Bonta bringen evidenzbasierte Ordnung in diese Vielfalt.

Das Risikoprinzip besagt, dass die Häufigkeit und Intensität der Behandlung auf das Risiko der Männer abgestimmt werden muss. Solche mit einem hohen Rückfallrisiko brauchen intensivere Interventionen, Männer mit geringem Rückfallrisiko weniger intensive Interventionen. CHANGE-R ist für die breite Gruppe von Gefährdern konzipiert, denen ein mittleres Rückfallrisiko zugeschrieben wurde. Männer mit einem hohen Sicherheitsrisiko sollten niemals mit Männern, die ein geringes Rückfallrisiko haben, gemeinsam behandelt werden.

Das Bedürfnisprinzip bezieht sich auf die dynamischen Risikofaktoren (die kriminogenen Bedürfnisse) und unterscheidet zwischen solchen mit hoher und solchen mit schwacher Ausprägung. Das Bedürfnisprinzip besagt, welche der kriminogenen Bedürfnisse (dynamische Risikofaktoren von mittlerer bis hoher Ausprägung) vorrangig Ziel der Interventionen sein müssen, um das Rückfallrisiko zu senken.

Das Ansprechbarkeitsprinzip gibt uns Hinweise darauf, wie wir unsere Interventionen setzen müssen, d h. wie wir unsere kognitivverhaltenstherapeutischen Techniken noch gezielter auf die spezifischen Charakteristika der Trainingsteilnehmer abstimmen können. Es ergibt beispielsweise wenig Sinn, sich vorrangig um die Probleme zu kümmern, die durch eine Arbeitslosigkeit entstehen, wenn der Teilnehmer gleichzeitig suizidal ist. Alles, was weiter oben über Motivation geschrieben wurde, fällt unter das Ansprechbarkeitsprinzip. Weitere Charakteristika der Männer sind unterschiedliche kulturelle Hintergründe oder die intellektuelle Leistungsfähigkeit.

Die Bindungstheorie (BT)

Dieses Konzept bezieht sich auf den OTA-Punkt der Partnerschaftlichkeit bzw. auf die Paarebene im ökologischen Modell. Die Bindungstheorie (Bowlby, 1969; Crittenden, 2016) geht davon aus, dass sich Bindungsbeziehungen schon in den ersten Lebensmonaten formen. In Abhängigkeit von Einstimmung und Vorhersagbarkeit des elterlichen Pflegeverhaltens wird das Baby und später das Kleinkind fixe Erwartungen entwickeln, wie Beziehungen funktionieren. Diese Erwartungen beeinflussen in weiterer Folge das zukünftige Verhalten. Typische Reaktionsmuster in Beziehungen treten dann auch unter Stress im späteren Leben auf.

Ainsworth (1978) entwickelte das Konzept von Bowlby weiter, indem sie verschiedene Arten von Bindungsmustern postulierte und bei Kleinkindern bereits in einem Alter von 18 Monaten experimentell nachweisen konnte. Ist das elterliche Pflegeverhalten überwiegend eingestimmt und vorhersagbar, so entwickelt das Baby und später das Kleinkind eine sichere Bindung, die sich unter anderem in einem stabilen Selbstwert und einer ausgeprägten Mentalisierungsfähigkeit zeigt. Sowohl ein Mangel an eingestimmtem und kontingentem Pflegeverhalten als auch traumatische Kindheitserlebnisse führen zu unsicheren Bindungsformen, die Ainsworth als vermeidende, ambivalente und desorganisierte Bindung benannte. Wenn diese unsicheren Bindungsmuster bis in die Adoleszenz andauern, so führen sie zu Problemen mit der emotionalen Selbstregulation und Schwierigkeiten in Intimbeziehungen; u. a. deswegen, weil Mentalisierungsfähigkeit und reflexive Funktionen in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt sind.

Wir müssen davon ausgehen, dass ein nicht unbeträchtlicher Prozentsatz der Trainingsteilnehmer eine der unsicheren Bindungsformen aufweist. Die Bindungstheorie hilft uns dabei, Partnerschaftlichkeit in Beziehungen als Leitbild für eine sichere Bindung zu definieren und zu beschreiben. Nur wenn wir sicher gebunden sind, verfügen wir über die Fähigkeit, empathisch und verständnisvoll zu sein und Beziehungsbrüche in statu nascendi zu erkennen und zu beheben. Viele der Reflexionsübungen im Curriculum sind darauf ausgelegt, die eigenen Bindungserfahrungen zu reflektieren.

Es geht bei der sicheren/partnerschaftlichen Bindung also um ein grundlegendes Muster, das nicht nur gegenüber der Partnerin, sondern auch gegenüber den Kindern umgesetzt werden sollte. Insofern beschreibt es ein grundlegendes Konzept für alle Beziehungserfahrungen von Menschen. Indem wir über Bindung sprechen, adressieren wir gleichzeitig die Beziehung zur Partnerin, zu den Kindern und den Eltern der Trainingsteilnehmer.

Crittendens Beitrag zur Bindungstheorie bestand darin, den Fokus weg vom konkreten Verhalten und hin zur psychologischen Bedeutung oder Funktion dieses Verhaltens zu legen (Crittenden, 2016). Sie lieferte damit einen Beitrag zum Verständnis, warum Männer ihre nahen Beziehungen immer wieder sabotieren, indem sie sich gewalttätig verhalten.

Gewalt wird im obigen Sinne als Schutz vor den „Kernverletzungen“ konzipiert. Das Konzept der Kernverletzungen stammt von Steven Stosny (1995). Er meint damit einerseits Verletzungen der Bindung und andererseits Verletzungen des Selbst bzw. Selbstwerts. Sie sind nach traumatischen Erfahrungen die schwerste Form von psychischem Schmerz, weil sie mit alten Wunden aus der Vergangenheit zu tun haben.

Die IMAGO-Paartherapie

Harville Hendrix und Helen Hunt (2019) entwickelten 1988 ein Konzept der Paartherapie, das genau auf diese alten Wunden fokussiert. Als IMAGO bezeichnen sie das Bild der positiven und negativen Eigenschaften unserer primären Bezugspersonen, das wir unbewusst in den/die Partner/-in hineinprojizieren. Neben Liebe und Geborgenheit haben wir alle aber auch die Erfahrung gemacht, dass nicht all unsere Bedürfnisse erfüllt werden konnten und dass dies mit Enttäuschung und Schmerz, also Stosnys Kernverletzungen verbunden war. Gewalt in Paarbeziehungen ist im IMAGO-Modell nicht nur ein Schutz gegenüber den Kernverletzungen der Eltern, sondern auch der vergebliche Versuch, die Partnerin zur Erfüllung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu zwingen oder aber sie für deren Unterlassung zu bestrafen.

Sowohl die Bindungstheorie als auch die IMAGO-Paartherapie liefern ein Erklärungsmodell für die intergenerationelle Weitergabe von Gewalt und unsicheren Bindungsmustern, die es zu unterbrechen gilt. Einige Reflexionsübungen dienen dazu, eine Verbindung herzustellen zwischen den eigenen Kernverletzungen aus der Kindheit und denen, die sich gegenüber der Partnerin konstellieren.

Die interpersonelle Neurobiologie (IPNB)

Die interpersonelle Neurobiologie wurde von Daniel Siegel (2014) entwickelt. Sie ist kein eigener Wissenschaftszweig, sondern ein Rahmen, der versucht, durch Einbeziehung von möglichst vielen unterschiedlichen Einzelwissenschaften wie Kulturanthropologie, Soziologie, Psychologie, Mathematik oder Neurowissenschaften zu universalen Forschungsergebnissen zu kommen, die das Verständnis von Geist und Wohlbefinden erweitern.

Für uns von besonderer Bedeutung sind die Wege, wie unser Gehirn und unsere Beziehungen interagieren. Siegel (2012) sieht die Bindungsbeziehungen des Säuglings und Kleinkindes als wichtigsten Außenfaktor zur Gestaltung der Gehirnentwicklung. Sie sind deshalb so wichtig, weil sie die Erfahrungen mit den primären Bezugspersonen im sich entwickelnden Gehirn als neuronale Schaltkreise und Netzprofile abspeichern, um so zukünftige Situationen besser antizipieren zu können. Unser Ansatz kann deshalb auch als bio-psycho-sozial verstanden werden.

Siegel liefert für uns bedeutsame Erkenntnisse der Neurowissenschaften in Bezug auf das mentale Training. Durch regelmäßige Achtsamkeitspraxis kommt es zu einem neuronalen Wachstum in bestimmten Bereichen des präfrontalen Kortex. Die präfrontale Region verbindet als oberste Leitstelle den übrigen Kortex, das limbische System, den Hirnstamm und den Körper mit der sozialen Welt zu einem funktionalen Ganzen. Auch der Hippocampus im limbischen System und das Corpus callosum zeigen in Studien ein vermehrtes Wachstum. Durch das Mitgefühlstraining konnten sogar vermehrt funktionale Verbindungen zwischen dem Zentralnervensystem und dem Neuronennetzwerk, welches das Herz umhüllt, nachgewiesen werden.

Einige Begriffe aus der IPNB wie „Toleranzfenster, reaktives versus rezeptives Verhalten, unterer Weg“ oder die Definition einer „gesunden/integrierten Beziehung“ wurden im CHANGE-R übernommen. Einen Begriff, den Siegel in unterschiedlichen Kontexten immer wieder verwendet, ist der der „Integration.“ Da er im weiteren Text nicht detailliert ausgeführt wird, muss an dieser Stelle kurz auf ihn eingegangen werden.

Unter Integration verstehen wir nach Siegel den Prozess der Verbindung unterschiedlicher Teile zu einem funktionalen Ganzen (Siegel, 2012). Dies gilt sowohl für einfache als auch komplexe Systeme. Integration beruht auf zwei Komponenten: Differenzierung und Verbindung. Die Paarbeziehung besteht aus zwei verschiedenen Individuen, die in ihrem jeweiligen Leben eine Menge an unterschiedlichen Erfahrungen gemacht haben und die Welt aus ihrer jeweils eigenen Perspektive sehen. Beide haben sich zu unterschiedlichen Persönlichkeiten differenziert. Gehen beide eine Verbindung miteinander ein, so behalten sie zwar ihre spezifischen Eigenschaften, werden aber zugleich Teile eines größeren Ganzen, nämlich der Beziehung, indem sie in Resonanz miteinander treten können. Die Grundlage dafür bildet das Resonanzsystem der Spiegelneuronen. Resonanz beschreibt also die gegenseitige Beeinflussung beider Partner in einer Beziehung. Wir verwenden den Begriff Integration im Gegensatz zu Siegel deshalb fast ausschließlich intra- und interpersonal.

Aus der Perspektive der KVT meint intrapersonale Integration, dass eine Person alle relevanten Gedanken und Gefühle in einer Situation berücksichtigt und alle irrelevanten ausschließt. Wenn allerdings wichtige Informationen in einer Situation ausgelassen, vergessen, fragmentiert, falsch attribuiert, übertrieben, minimiert, verzerrt oder verleugnet werden, ist die Integration blockiert und emotionale bzw. Verhaltensprobleme sind die Folge. Gewalttätiges Verhalten demonstriert diese Blockade. Aus der Perspektive des MI meint Integration, von den Ambivalenzen ins Handeln zu kommen; aus der Perspektive der psychodynamischen Therapierichtungen, sich mit den eigenen Kernverletzungen auseinanderzusetzen und rezeptiv zu bleiben.

Ziel der interpersonalen Integration ist es, die Männer in die Lage zu versetzen, selbst in stressigen Situationen emotional mit ihrer Partnerin verbunden zu bleiben, dabei aber nicht ihr eigenes Selbstgefühl zu verlieren. Wenn die eigenen Interessen, Perspektiven, Bedürfnisse, Gefühle und Ziele mit denen der Partnerin so abgeglichen werden, dass dies zu einem liebevollen und kooperativen Verhalten führt, so ist dies interpersonale Integration. Die Subjektivität des/der jeweils anderen zu erkennen und anzunehmen, ist dabei ein wichtiger Teil der Differenzierung.

Siegel betont, dass Integration ein Prozess ist, bei dem der Weg das Ziel markiert. Je nach Ausgangslage werden sich die Gruppenteilnehmer auf unterschiedlichen Integrationsniveaus befinden. Allgemeines Ziel der Interventionen ist es, die Männer auf dem Weg zu einer sicheren Bindung/Partnerschaftlichkeit voranzubringen, indem sie an ihren Fehlanpassungen, ihrer Inflexibilität und ihren Beschränkungen arbeiten.

Die positive Psychologie

Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Curriculum den Anspruch hat, nicht nur an den Defiziten anzusetzen, sondern auch an den Stärken und Fähigkeiten der Männer. Gerade die positive Psychologie (Seligman et al., 2005) hat gezeigt, dass Interventionen, die sich an den Stärken und Fähigkeiten orientieren, zu positiven Veränderungen führen und vor destruktiven Verhaltensweisen schützen. Einige der vorgeschlagenen Übungen stammen deshalb aus der Tradition der humanistischen und der positiven Psychologie.

Schließlich darf nicht übersehen werden, dass CHANGE-R auch tiefenpsychologische und psychoedukative Elemente enthält.

Die hier im integrierten ökologischen Modell von häuslicher Gewalt vorgestellten theoretischen und methodischen Ansätze unterstützen, überlappen und ergänzen einander zu einem funktionalen Ganzen, können hier aber nur in ihren Kernaspekten und ihrer Relevanz zum Training dargestellt werden. Der/die interessierte Leser/-in sei an dieser Stelle auf die Literaturliste verwiesen, um den einen oder anderen Ansatz näher kennenzulernen.

Struktur und Ablauf der Module im CHANGE-R

Struktur und Ablauf beziehen sich sowohl auf die einzelnen Module als auch auf das gesamte Training. Sie werden deshalb im Folgenden getrennt behandelt.

Struktur und Ablauf eines Moduls

Das zentrale Kernelement jedes Moduls ist die Gruppensitzung. Während in den Clearingmodulen jedes einzelne Modul einer Gruppensitzung entspricht, setzen sich manche Module im Training aus mehreren Sitzungen zusammen oder können durch zusätzliche Sitzungen zum gleichen Thema ergänzt werden.

Jede Gruppensitzung hat einen festgelegten Ablauf, der detailliert beschrieben wird. Nach einer kurzen Einleitung erfolgt die Darstellung der Ziele und Lernergebnisse für die Trainingsteilnehmer wie im originalen CHANGE-Programm. Danach folgt eine Einschätzung sowohl des durchschnittlichen Zeitaufwandes der einzelnen Aktivitäten der Gruppensitzung als auch der Anzahl der Gruppensitzungen, die dieses Modul beansprucht. Alle Arbeitsmaterialien, die für den reibungslosen Ablauf jeder Gruppensitzung notwendig sind, werden angeführt.

Der Kommentar gibt der Gruppenleitung Hinweise darauf, wie und warum einzelne Interventionen, Techniken und Methoden in dieser Sitzung eingesetzt werden. Er richtet sich nach dem strukturellen Ablauf der Sitzung. Dieser beginnt mit der Anfangsrunde. Da sich diese über die Sitzungen kaum verändert, wird sie aus Redundanzgründen im Verlauf der Trainingssitzungen nicht mehr dargestellt. Anschließend erfolgt die Besprechung der täglichen Übungen. Sie nimmt im Verlauf des Trainings einen prominenten Teil jeder Gruppensitzung ein, weil sie eine Gelegenheit zur Einzelarbeit in der Gruppe bietet und neben ihrer integrativen Wirkung auch eine Einschätzung jedes einzelnen Gruppenteilnehmers erlaubt.

Ein mentales Training mittels formeller, angeleiteter Übungen zur Achtsamkeit oder zum Selbstmitgefühl folgt. In einer kurzen Runde wird das Feedback der Männer über ihre Erfahrungen besprochen. Anschließend folgt das Thema der jeweiligen Sitzung. Aus didaktischen Gründen wurden diese Themen weitgehend als Vorträge dargestellt. Der Autor ist aber für alle alternativen Formen/Methoden der Gruppenarbeit offen, solange sie die jeweiligen Inhalte vermitteln. Nach einer Möglichkeit für vertiefende Fragen werden die Übungen für die kommende Woche vorgestellt. Nach Beendigung der Gruppensitzung setzen sich Trainer und Trainerin noch zu einer gemeinsamen Nachbesprechung zusammen. Da diese im Laufe des Trainings inhaltlich unverändert bleibt, wird aus Gründen der Redundanz ebenfalls auf die Darstellung in allen Modulen verzichtet.

Die Trainingsmaterialien helfen sowohl der Gruppenleitung als auch den Teilnehmern, die Inhalte so mancher Sitzung weiter zu vertiefen.

Neu ist das Begriffslexikon im Anschluss an die Darstellung der einzelnen Sitzungen und Module der Clearings und der Trainingsphase. Es dient den Gruppenteilnehmern als kurzer, aber prägnanter Überblick über sämtliche im Training vermittelten Inhalte. Sie sollten immer wieder dazu angeregt werden, sich mit den Beschreibungen und Definitionen zu beschäftigen und diese auswendig zu können.

Formal gliedert sich die Struktur der Sitzung in einen allgemeinen Teil (Einleitung, Ziele, Zeitaufwand, Materialien, Kommentar), in dem der Ablauf der Sitzungen beschrieben wird, und einen speziellen Teil für alle Trainingsteilnehmer. In ihm werden die Lectures, die Reflexionsübungen, die zu übenden formellen und informellen Achtsamkeitsübungen und ein Achtsamkeitsprotokoll für diese Übungen zusammengefasst. Alle Männer werden angehalten, die Handouts auszufüllen und zur nächsten Sitzung mitzunehmen. Sie bilden die Grundlage für die Besprechung der täglichen Übungen, in der an der Integration jedes Mannes gearbeitet werden kann.

Audiodateien zur Achtsamkeit sollen die Männer in die Lage versetzen, die in der Sitzung angeleitete Übung selbstständig während der Woche zu praktizieren. Sie können diese mit Hilfe des am Ende des Anhangs befindlichen CR-Codes auf Ihr Handy herunterladen oder auf die Seite: https://kraus.romeon-verlag.de gehen, um die Audiodaten auf Ihrem Computer zu speichern.

Die Lecture erlaubt den Männern, die wichtigsten Inhalte der jeweiligen Sitzung nachzulesen. Zusammen mit dem Begriffslexikon, in dem die wichtigsten Termini erläutert werden, bilden die Lectures die Grundlage für den theoretischen Input des Trainings. Das Achtsamkeitsprotokoll dient den Teilnehmern zum Monitoring ihrer Bemühungen um Achtsamkeit und Selbstmitgefühl.

Das Ärgerjournal als ein zentrales Werkzeug im CHANGE-R beginnt mit den Gruppensitzungen der Clearingphase, erstreckt sich über das gesamte Programm und wird den jeweiligen Inhalten der Module angepasst. Es dient sowohl als Instrument der Bewusstmachung als auch zur Reflexion. Da es eines der beiden zentralen Werkzeuge des Programms ist, wird später noch differenzierter darauf eingegangen.

Das hier dargestellte Sitzungsformat ist trotz der Zeit von 120 Minuten so strukturiert und angefüllt mit wichtigen Informationen, dass die Gruppenleitung leicht den Blick auf den einzelnen Mann und seine Probleme verlieren kann. Wenn es zu neuerlicher Gewalt gegenüber der Partnerin und/oder den Kindern kommt, erfordert dies prioritär eine Fokusverschiebung der Gruppenleitung auf dieses Problem, sodass andere wichtige Inhalte der Sitzung zu kurz kommen können. Es gibt also zahlreiche Gründe, warum das vorgeschlagene Sitzungsformat nicht so wie vorgestellt eingehalten werden kann.

Sollte es aus unterschiedlichen Gründen dazu kommen, plädiere ich für eine Flexibilität der Gruppenleitung. Der strukturelle Ablauf jeder Gruppensitzung ist nicht in Stein gemeißelt, sondern sollte den Gruppenbedürfnissen angepasst werden. Manchmal entwickelt sich aus einer Übung oder einem Vortrag eine Gruppendiskussion, deren Dynamik sowohl dazu verwendet werden kann, wichtige Inhalte nochmals zu erläutern als auch den Status quo der Diskussionsteilnehmer einzuschätzen. Es obliegt der Gruppenleitung zu beurteilen, inwieweit dies der Fall ist oder nicht, und die Teilnehmer gegebenenfalls wieder zum Thema zurückzuführen. Die für die „sharing time“ aufgewendete Zeit kann auf zweierlei Weise wieder wettgemacht werden. Die restlichen Inhalte der jeweiligen Sitzung können zeitlich verkürzt behandelt werden oder die Gruppenleitung entscheidet sich dafür, eine zusätzliche Sitzung zum jeweiligen Modul anzubieten, in der die versäumten Inhalte nachgeholt werden. So eine Sitzung greift alle formellen und informellen Übungen der letzten Sitzung auf und ergänzt diese mit den versäumten oder zusätzlichen Inhalten. Deshalb wurden am Ende mancher Sitzungen zusätzliche Trainingsmaterialien angeführt, die dabei Verwendung finden können.

Struktur und Ablauf des gesamten Programms

Das Gruppenprogramm von CHANGE-R setzt sich aus 5 Modulen der Abklärungsphase (Clearingphase) und 17 Modulen der Trainingsphase zusammen. Ein genauerer Überblick über Themen, wichtige Aktivitäten und Anzahl der Sitzungen pro Modul ist vor der Darstellung der einzelnen Module für Clearing und Training zu finden und wird deshalb hier nur verkürzt wiedergegeben:

CLEARING-Module

•Ursachen und Formen von häuslicher Gewalt (eine Sitzung)

•Verantwortungsübernahme (eine Sitzung)

•Vor- und Nachteile von Gewalt und Missbrauch (eine Sitzung)

•Neurophysiologische und psychologische Aspekte von Gewalt (eine Sitzung)

•Einführung in die Achtsamkeits- und Selbstmitgefühlspraxis (eine Sitzung)

Die Sitzungen der Clearingphase sind als offene, strukturierte Gruppen konzipiert. Jederzeit kann ein neuer Mann nach seiner Diagnostik und Risikoeinschätzung zur Gruppe dazukommen. Die Teilnehmer der Clearinggruppe haben unterschiedlich viele Sitzungen bereits absolviert. Manche stehen unmittelbar vor dem Ausschluss oder aber einer Zuweisung zu einer der Trainingsgruppen. Manche bekommen eine zweite Chance (bei Fehlstunden), indem sie die fünf Sitzungen der Clearinggruppe von vorne beginnen.

Es empfiehlt sich, beim Lesen mit Modul 5 zu beginnen, weil in diesem die Grundlagen einer Achtsamkeits- und Selbstmitgefühlspraxis vermittelt werden, und anschließend mit Modul 1 fortzusetzen. Da durch die offene Struktur der Gruppe in jedem der 5 Module neue Trainingsanwärter anwesend sein können, sind Wiederholungen wichtiger Inhalte ein integraler Bestandteil jeder einzelnen Sitzung. Um Redundanzen in der Beschreibung der einzelnen Module zu verhindern (z. B. Beschreibung der Anfangsrunde, der Besprechung der täglichen Übungen oder der Nachbesprechung), wurden bestimmte, sich in jedem Modul wiederholende Aspekte genauer zur Darstellung gebracht, während sie in anderen Modulen an den entsprechenden Stellen nur erwähnt werden.

Für die Nachbesprechung wurde ein Einschätzbogen (im Anhang) entwickelt. Mithilfe seiner Items schätzen Trainer und Trainerin die „Performance“ jedes einzelnen Gruppenteilnehmers ein. Bei auseinandergehenden Beurteilungen sollten beide die Gründe ihrer Beurteilung äußern und möglichst zu einer Übereinstimmung kommen. Dies schärft den klinischen Blick. Pro Sitzung wird ein Kreuz unter der jeweiligen Operationalisierung der einzelnen Items gesetzt. Auf diese Weise wird deutlich, wo sich der Teilnehmer bewegt, ob eine Entwicklung sichtbar wird und welche Interventionen in der nächsten Sitzung angezeigt erscheinen. Der Einschätzbogen dient darüber hinaus als eine der Grundlagen, auf denen die Entscheidung über die Aufnahme ins Gruppentraining oder die Zuweisung in ein anderes Behandlungssetting aufbaut.

TRAINING: Module

•Definition von Gewalt und Missbrauch (eine Sitzung)

•Partnerschaft in Beziehungen (eine Sitzung)

•Männliche Sozialisation/Aufwachsen als Mann (eine Sitzung)

•Gefühle: erkennen, ausdrücken und über sie sprechen (zwei Sitzungen)

•Verantwortungsübernahme (eine Sitzung)

•Stressmanagement (drei Sitzungen)

•Gewalttätigster Vorfall (sechs bis acht Sitzungen)

•Wie Frauen Gewalt erleben (zwei Sitzungen)

•Herkunftsfamilie (eine Sitzung)

•Kinder und Gewalt (drei Sitzungen)

•Integrierte Partnerschaft (eine Sitzung)

•Eifersucht und Kontrolle (eine Sitzung)

•Mitgefühl versus Einschüchterung (eine Sitzung)

•Sexuelle Gewalt (eine Sitzung)

•Vom Streit zur integrierten Kommunikation (vier Sitzungen)

•Rückfall versus Resilienz (eine Sitzung)

•Das Training geht zu Ende – Abschlusssitzung (eine Sitzung)

Die Anzahl der Sitzungen im Training beträgt also mindestens 32. Es empfiehlt sich allerdings, noch einige Sitzungen dazuzurechnen, weil es im Laufe des Programms zu manchen zusätzlichen Sitzungen kommen wird (siehe oben).

Die Module der Trainingsphase lassen sich grob in fünf Abschnitte unterteilen.

In den ersten sechs Modulen geht es um die Grundlagen. Die Definition, die Formen von häuslicher Gewalt und die Arbeit an der Verantwortungsübernahme für das eigene Verhalten werden wiederholt. Die Auswirkung der männlichen Sozialisation auf die Gefühlswelt der Teilnehmer wird thematisiert und Charakteristika einer gesunden Beziehung mit solchen in Gewaltbeziehungen werden kontrastiert. Detailliert werden situative, körperliche, emotionale und gedankliche Frühwarnsignale erarbeitet, und konsequent wird ein konstruktiver Umgang mithilfe von achtsamkeitsbasierten Ärgerunterbrechungstechniken eingeübt.

Das Gemeinsame von Modul 7 bis 11 besteht in der Ein- und Rückbindung. Die Teilnehmer lernen, ihre eigenen Kernverletzungen mit dem Verhalten ihrer Eltern und dem der Partnerin oder der Kinder in Beziehung zu setzen. Achtsamkeits- und selbstmitgefühlsbasiertes Training dient in dieser Phase dazu, den Umgang mit den Kernverletzungen zu erweitern und zu vertiefen.

Modul 11 bis 14 fokussiert auf die nicht-körperlichen Gewaltformen, die nach zwei Evaluationen des Programms am resistentesten zu sein scheinen, nämlich verbale Gewalt, Kontrolle, Einschüchterung, Drohung und Formen sexueller Gewalt. Sie bereiten den Boden für Modul 15, das wegen seiner vier Sitzungen als eigener Abschnitt gelten kann. Achtsamkeits- und selbstmitgefühlsbasiertes Training in dieser Phase soll die Teilnehmer für kleinere Beziehungsbrüche sensibilisieren.

Im Modul 15 geht es zunächst um Konflikte. Ein achtsamer Umgang mit eskalierenden Faktoren wird vermittelt, und in einem zweifachen Perspektivenwechsel werden Kommunikationstechniken gelehrt. In einem ritualisierten Vorgehen wird ein struktureller Ablauf eines Paardialoges vorgestellt, der geeignet ist, an den Kernverletzungen zu arbeiten und als Paar gemeinsam zu wachsen.

Modul 16 und 17 dienen dem Abschluss des Trainings bzw. seiner Vorbereitung.

Im Gegensatz zu den Gruppensitzungen der Clearingphase sind die Sitzungen im Training für geschlossene Gruppen konzipiert. Dies macht Sinn. Während die Clearingsitzungen fünf unabhängige Themenbereiche behandeln, weisen die Sitzungen im Training einen Aufbau auf. Jedes Versäumnis bei der Vermittlung der Grundlagen rächt sich also in den späteren Phasen. Auch die achtsamkeitsbasierten Übungen bauen aufeinander auf. Kommt ein Gruppenmitglied nach der Mitte des Trainings neu dazu, so kann er eventuell einige informelle Übungen nicht praktizieren, weil er sie nie gelernt hat. All diese Faktoren dämpfen das Niveau der Trainingsgruppe, weil in Ermangelung von Grundlagen nicht tiefer gegangen werden kann. Es empfiehlt sich daher, die Trainingsgruppe mit 8 Teilnehmern zu starten und bis Modul 5 Abbrecher mit Neuzugängen zu ersetzen, ab Modul 6 aber möglichst konstant zu halten.

Herausforderungen

Mit der Einführung des integrierten ökologischen Modells und der damit verbundenen methodischen Erweiterung stellen sich sowohl dem Trainer und der Trainerin als auch den Gruppenteilnehmern neue Aufgaben und Herausforderungen. Die wichtigsten werden in weiterer Folge getrennt für beide Gruppen behandelt.

Herausforderungen für die Gruppenleitung

Die größte Herausforderung für Trainer und Trainerin scheint mir außerhalb der Sitzungen zu liegen und hat mit deren eigener Praxis zu tun. Ähnlich wie beim Thema Gewalt fungieren Trainer und Trainerin auch bei der Vermittlung von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl als Vorbild und Rollenmodell. So sollten sie Eigenschaften wie Freundlichkeit, Gleichmut, Akzeptanz, Mitgefühl oder Gelassenheit auch in schwierigen Situationen an den Tag legen können. Dies ist angesichts der Charakteristika vieler Männer (geringe Motivation, starke Abwehr, aggressive Ladung etc.) eine große Herausforderung. Gelingt es nämlich nicht, aus mancher Gegenübertragung auf die Teilnehmer, die sich unweigerlich entfalten wird, auszusteigen, so entsteht ein Problem der Glaubwürdigkeit. Alle Bemühungen müssen ins Leere gehen, weil die Männer vorgeführt bekommen, wie wenig Trainer und Trainerin die zu vermittelnden Techniken selbst beherrschen. Sie können ja nur das vermitteln, was sie selbst erfahren haben. Hier zeigt sich wieder die große Bedeutung von Beziehung.

Beide Gruppenleiter/-innen sollten sich daher auch mit ihrer eigenen Tendenz zum reaktiven Verhalten, ihren eigenen Kernverletzungen und den Konfliktthemen in ihren Beziehungen auseinandergesetzt haben (das Programm mit seinen Reflexionen selbst einmal durchgemacht haben). Nur dann können sie angesichts negativer/toxischer Übertragung präsent, empathisch und respektvoll bleiben (die negativen Affekte metabolisieren). Es geht darum, eine sichere Atmosphäre zu schaffen, in der die Männer ihre inneren Erfahrungen mit Vertrauen erforschen können. Nur die Art und Weise, wie wir uns auf die Gruppenteilnehmer beziehen, erlaubt ihnen, aus reaktiven Mustern auszusteigen. Ein/e gute/r Berater/-in oder Therapeut/in ist immer offen für ein Feedback über das eigene Verhalten oder darüber, wie die einzelnen Teilnehmer vorankommen.

Auch die eigene Achtsamkeits- und Selbstmitgefühlspraxis ist für die Gruppenleitung eine conditio sine qua non. Nach Ansicht von Wolf und Serpa (2016) sollten Achtsamkeitslehrer/-innen mehr als das praktizieren, was sie von den Schülern verlangen. Wenn die Männer also gebeten werden, täglich 15 Minuten zu üben, so sollte die Gruppenleitung täglich 20 bis 30 Minuten üben. Wenn sie spezielle Übungen für die kommende Woche vorschlägt, dann sollte sie diese ebenfalls praktizieren, selbst wenn sie andere Übungen vorziehen würde. Auf diese Weise machen sowohl die Leitung als auch die Gruppenteilnehmer alle formellen und informellen Übungen des Curriculums immer wieder und gleichzeitig durch und halten die Tiefe ihrer Auseinandersetzung damit lebendig.

Es empfiehlt sich daher, zunächst einmal das Manual durchzulesen, um dessen inneren Aufbau kennenzulernen. In einem zweiten Durchgang sollten anschließend alle formellen, informellen und Reflexionsübungen in Selbsterfahrung praktiziert bzw. durchgeführt werden. Optimal ist es, wenn die Gruppenleitung die wichtigsten theoretischen Inhalte spontan wiedergeben kann. Das Glossar im Anhang dient nicht nur zum Stellen von Fragen als Wissensquiz für die Gruppe, sondern sollte auch als eine selbstverordnete Wissensprüfung für die Gruppenleitung dienen. Sind Sie in der Lage, alle angeführten Begriffe in wenigen Worten zu erklären? Auch alle Achtsamkeitsübungen sollten nicht abgelesen, sondern aus der authentischen Erfahrung des Übens von Moment zu Moment angeleitet werden.

Herausforderungen für die Teilnehmer

Wie wir wissen, sind viele Männer, die zu uns kommen, „Control Freaks“, d. h. sie brauchen ein Monitoring ihrer Aktivitäten. Nicht umsonst haben wir uns der opferorientierten Täterarbeit verschrieben. Die täglichen Übungen der Achtsamkeitsund Selbstmitgefühlspraxis werden für sie also eine große Versuchung darstellen, so zu tun, als ob sie die an sie gestellten Aufgaben auch erfüllten. Die folgenden Gegenstrategien können helfen, dieses Vorhaben zu unterbinden:

•Schon beim Erstgespräch muss den Männern klar vermittelt werden, was diesbezüglich auf sie zukommt.

•Ein von den Teilnehmern zu unterschreibender Punkt auf dem Informationsblatt sollte eine Bereitschaft zu den täglichen Übungen enthalten.

•Klare Richtlinien, unter welchen Umständen und Bedingungen eine Aufnahme ins Training erfolgt, sollten den Männern beim Diagnostikgespräch und in den Gruppensitzungen vermittelt werden.

•Dies beinhaltet auch eine Überprüfung der Achtsamkeitsprotokolle und der Reflexionsübungen.

•Dem strikten Setting (Monitoring, klare Vermittlung von Erwartungen und Anforderungen, Opferorientierung) sollte ein möglichst wachstumsorientiertes Set gegenübergestellt werden, in dem die Prinzipien des Motivational Interviewing (Miller & Rollnick, 2002) eingesetzt werden, z. B. Arbeit mit den Ambivalenzen der Männer.

•Dazu zählt auch die Betonung der individuellen Freiheit, aber auch einer damit verbundenen Verantwortung für die eigenen Entscheidungen.

Mithilfe der Achtsamkeitsprotokolle und der Erfahrungsberichte zur formellen Praxis sollte die Gruppenleitung diejenigen Männer identifizieren können, die eine mangelhafte Übungspraxis aufweisen, um diese dann speziell zu adressieren. Zu diesem Zweck wurde ein Einschätzbogen (im Anhang) für die Abklärungsgruppe entwickelt, mithilfe dessen die Gruppenleitung das Verhalten der Teilnehmer in Hinblick auf eine Aufnahme ins Training zurate ziehen kann.

Die zwei zentralen Handwerkszeuge des Trainings

Zwei wichtige Handwerkszeuge helfen, das Bewusstsein so auf toxische Beziehungsbrüche wie gewalttätiges Verhalten einzustellen, dass dieses mit Klarheit gesehen, fokussiert und in die Tiefe gehend bearbeitet werden kann. Sie ziehen sich deshalb durchs gesamte Programm. Beide „Skills“ werden also systematisch entwickelt. Setzt das Ärgerjournal auf eine bewusste und kognitive Reflexion über die Vergangenheit, so lehren die Achtsamkeitsübungen, offen für den jeweils gegenwärtigen Moment zu sein.

Ärgerjournal: Dies ist eine altbekannte und bewährte Methode aus der KVT. Sie wurde schon von Sonkin und Durphy (1985) eingesetzt, findet sich ausschnittsweise aber auch im originalen CHANGE-Programm (1997) oder bei Iwi und Todd (2000).

Auch wir nehmen diese Methode wieder auf und passen deren Fragen an die theoretische Positionierung von CHANGE-R an.

Zunächst geht es um eine Beschreibung der ärgerlichen/gewalttätigen Situation mit der Partnerin. Männer, die in keiner aufrechten Beziehung leben, können vergangene Episoden oder Ärgersituationen mit Kindern oder Verwandten wählen. Es geht um eine möglichst objektive Beschreibung der Situation (als ob eine Videokamera das Geschehen aufnähme) in wenigen Sätzen. Die Gruppenleitung achtet auf jede Bewertung und hilft bei der Umformulierung.

Anschließend erfolgt eine Einschätzung der Intensität des Ärgers auf einer Skala von 1 bis 10. 1 bedeutet, der Ärger ist ganz leicht, bei 10 kann der Ärger kaum mehr gehalten werden und der Mann steht kurz davor, in körperlich gewalttätiges Verhalten abzugleiten. Die Benennung der einzelnen Intensitätsstufen sollte mit der Gruppe vorher erarbeitet werden.

Die nächsten Fragen beziehen sich auf die drei Komponenten der Erfahrung, nämlich Gedanken, Gefühle und die Körperwahrnehmung. Alle drei spiegeln je nach Ärgerintensität unterschiedliche „states“, die an ihren Frühwarnsignalen erkannt werden können. Es geht zunächst um eine differenzierte Zuordnung, sodass Gedanken nicht mit Gefühlen oder der Körperwahrnehmung verwechselt werden können. Die größten Schwierigkeiten bereitet erfahrungsgemäß die Benennung der Gefühlskomponente. Es geht dabei darum, die hinter dem Ärger liegenden Kernverletzungen zu identifizieren. Im Clearing nur bei sich selbst, im Training, dann aber auch bei der Partnerin.

Die nächsten beiden Fragen beziehen sich auf den Umgang mit dem Ärger. Sie helfen der Gruppenleitung bei der Einschätzung, inwieweit die Teilnehmer vom Programm bisher profitieren konnten, und geben Hinweise für das weitere Vorgehen. „Wie haben Sie auf Ihren Ärger reagiert?“ fragt danach, wieweit die Impulse gehalten werden konnten oder ausagiert werden mussten. Die zweite Frage bezieht sich auf eine Einschätzung, inwieweit die Männer in der Lage waren, achtsam mit ihrem Ärger umzugehen. Dies ist eine der zentralen sozialen Fähigkeiten, die im Programm vermittelt werden.

Ab Trainingsmodul drei (Männliche Sozialisation) kommt die Frage nach den Vorschriften hinzu. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass Gewalt als Ausübung von Macht und Kontrolle die Partnerin in ihre Schranken weisen soll (was sie zu unterlassen oder zu tun hat).

Ab Modul 4 (Gefühle) wird das Ärgerjournal um eine Frage ergänzt, die sich mit der Nachbearbeitung der Ärgersituation beschäftigt. In diesem Modul lernen die Männer nämlich eine Technik des Umgangs mit schwierigen Gefühlen, die sie als formelle Übung obligatorisch in ihre Reflexion einbauen sollen.

Ab der Mitte des Trainings verschiebt sich der Fokus weg von der körperlichen Gewalt und hin zu den nicht-körperlichen Gewaltformen. Das Ärgerjournal passt sich dieser Veränderung an, indem es neben dem Ärger auch die entsprechende Form von Gewalt, um die es gerade geht, ins Zentrum der Reflexion stellt.

Das Achtsamkeitstraining