Chi-Heilung – alles,was du wissen musst - Hartmut Lohmann - E-Book

Chi-Heilung – alles,was du wissen musst E-Book

Hartmut Lohmann

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Beschreibung

In diesem Kompendium fasst Hartmut Lohmann die Erkenntnisse seiner 10-jährigen Heilarbeit zusammen. Damit gibt er uns ein Werkzeug an die Hand, mit dem wir eigenständig unser Wohlbefi nden steigern können. Zahlreiche Abbildungen erklären die verschiedenen Energiesysteme des Menschen und die Zusammenhänge zwischen der Universalkraft Chi und unserem körperlichen und geistigen Befi nden. Der Autor zeigt, wie wir Blockaden im Energiefl uss lösen und dadurch Ängste überwinden oder stressbedingte Krankheiten wie beispielsweise Depressionen und Allergien ganzheitlich behandeln können.

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Die Ratschläge in diesem Buch sind sorgfältig erwogen und geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat, sondern dienen der Begleitung und der Anregung der Selbstheilungskräfte. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen daher ohne Gewährleistung oder Garantie seitens des Autors oder des Verlages. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Dieses Buch enthält Verweise zu Webseiten, auf deren Inhalte der Verlag keinen Einfluss hat. Für diese Inhalte wird seitens des Verlages keine Gewähr übernommen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich.

ISBN 978-3-8434-6409-3

Hartmut Lohmann:

CHI-Heilung – alles, was du wissen musst

Das Handbuch der feinstofflichen Kräfte

© 2019 Schirner Verlag, Darmstadt

Umschlag: Simone Fleck, Schirner,

unter Verwendung von #29055781 (©luceluce), www.shutterstock.com

Print-Layout: Simone Fleck, Schirner

Lektorat: Bastian Rittinghaus, Schirner

E-Book-Layout: Rudolf Scholz, Schirner

Gesetzt aus der Arimo (© Ascenderfonts.com)

unter der Apache-Lizenz 2.0: www.apache.org/licenses/LICENSE-2.0

E-Book-Erstellung: Datagrafix GSP GmbH, Berlin

www.schirner.com

1. E-Book-Auflage 2020

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten

Über den Autor

Hartmut Lohmann

entdeckte während seines Studiums der Psychologie in tiefen Meditationen seine Gaben des Heilens und des Sehens von Energien. Inzwischen sind seine Fähigkeiten so ausgereift, dass er binnen Sekunden die Gesundheit und Energie eines anderen Menschen erfasst. Er ist einer der erfolgreichsten Medien und Geistheiler Deutschlands, und seine Methode der Chi-Heilung erfreut sich einer stetig wachsenden Anhängerschaft. Er hat eine eigene Heilpraxis in Bochum.

www.chi-heilung.de

Inhalt

Über den Autor

Einleitung  |  Die gordischen Knoten der Seele

Teil 1  |  Gefühle – oft gefühlt, nie verstanden

Was ist Chi? – Die Energie deines Bewusstseins

Übung 1: Forme einen Chi-Ball

Übung 2: Mit Gefühlen strahlen

Übung 3: Meditation für das Herzchakra – der Garten deiner Seele

Heilen wir eine Blockade – aus Teufelskreis wird Gotteskreis

Das Chakra – der Raum deiner Gefühle

Übung 4: Heile dein Herzchakra

Die Ebenen deines Bewusstseins – die Ursache deiner Gefühle

Negative Gedanken

Übung 5: Aktives Zuhören

Übung 6: Dein Gefühl als ein Tier und Freund

Alltägliche Sorgen und Ängste

Die Todesangst

Die Urangst

Übung 7: Heilung der Urangst

Hass und Selbsthass – deine kostbarsten Gefühle

Übung 8: Betrachte deinen Selbsthass als Stein

Schuldgefühle – wer ist schuld daran, wie du dich fühlst?

Übung 9: Schuldgefühle transzendieren und integrieren

Die Scham – verstecken hilft nicht

Das Universalisierbarkeitsprinzip

Einsamkeit

Qualität und Quantität der Gefühle

Liste der wichtigsten negativen Gefühle und deren Verortung im Körper

Teil 2  |  Bedürfnisse – sie kennen uns besser als wir uns selbst

Die Grundbedürfnisse

Wem gehörst du?

Übung 10: Alte Bedürfnisse stillen – die Selbstversorgung heilen

Die Alleinherrschaft des Kopfes

Allzu offen ist nicht ganz dicht

Das Gesetz der Resonanz

Der Abwehrmechanismus

Deine Persönlichkeit – was du über dich wissen solltest

Übung 11: Heilung der Persönlichkeitsstruktur

Ich bin dann mal erleuchtet

Die Persönlichkeitsstörung – »Ich leide, also bin ich«

Übung 12: Heilung der narzisstischen Wunde

Die Mutter aller Gefühle – Urvertrauen versus Urmisstrauen

Übung 13: Versöhnung mit der Geborgenheit

Liste der wichtigsten Heilsätze aus der Chi-Heilung – Stützräder der Selbstheilung

Teil 3  |  Kränkungen – sie machen uns krank

Der Schmerz – eine Liebeserklärung

Der Selbstwert – du bist nicht genug

Übung 14: Heilung des Selbstwertes

Wertschätzung für alle

Das schlechte Gewissen – unser soziales Leistungsmodul

Übung 15: Versöhnung mit dem Gewissen

Der Körper erleidet, was die Seele nicht erträgt

Das sogenannte Böse

Die bösartige Wunde

Übung 16: Heilung der bösartigen Wunde

Das Trauma – die Sollbruchstelle der Seele

Übung 17: Heilung eines Traumas

Vererbte Erfahrung

Die Urwunde – Mutter aller Wunden

Krebs heilen

Übung 18: Krebs heilen

Chronische Schmerzen heilen

Übung 19: Selbstheilung bei chronischen Schmerzen

Die Krise als Chance

Teil 4  |  Chi-Heilung – Schritt für Schritt

Reihenfolge der Selbstheilung

Traumaanalyse

Vertrag zur Selbstermächtigung

Nachwort

Bildnachweis

Einleitung

Die gordischen Knoten der Seele

Die Finger um den Knoten gelegt, fragte ich mich mit klopfendem Herzen, wie lange es wohl dauern würde, zu ersticken. Es war ein gutes, festes Hanfseil, das ich gewählt hatte, mit einem Henkersknoten, den ich fünfmal neu begonnen hatte, bis er endlich gelang. Das Seil war sehr rau, die feinen Härchen rieben mir die Finger wund, und auf meiner Haut bildeten sich in Sekunden Hunderte kleiner feuerroter Pusteln, die höllisch brannten. Mit einem Schaudern nahm ich die dicke Schlinge vom Hals und legte sie vor mir ab. Das war ja Folter, wie mir der Strick die Haut wund rieb. Ich wollte meine Leiden doch beenden und mich nicht vom Balken hängend zu Tode strampeln. Mit trübem Blick nach oben überlegte ich, ob ich mich einnässen würde – oder Schlimmeres. Würde ich das letzte bisschen Würde verlieren, um sie endlich zurückzugewinnen?

Ich glaubte daran, dass uns der Tod die Würde zurückgibt und sie uns nicht nimmt. Sterben, stellte ich mir mit meinen sechzehn Jahren vor, sollte ganz sanft geschehen, wie ein Kuss und bei vollem Bewusstsein. Am liebsten wäre mir, der Tod würde sanft an meine Zimmertür klopfen und mit freundlicher Stimme fragen: »Darf ich?«

Und ich würde sagen: »Ja, komm nur herein, alter Freund! Ich erwarte dich bereits. Lass mich das nur kurz zu Ende schreiben, und dann können wir gehen …«

Und der Tod würde erwidern: »Gern. Die anderen warten schon auf dich.« Es gäbe ein großes Wiedersehen mit allen, die ich verloren hatte.

So viele Leben hatte ich gelebt, bewusste und unbewusste, erfüllte und unerfüllte, zauberhafte und solche, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Warum mir dieses eine Leben, hier und heute, als junger Mann so schwerfiel, wusste ich nicht zu sagen. Es war eine unerträgliche Schwere in mir, ein Ozean ungeweinter Tränen, der ruhelose Schmerz einer abgrundtiefen Einsamkeit.

Es fühlte sich so an, als hätte ich den einzigen Menschen verloren, den ich jemals aufrichtig geliebt hatte. Und wie ich heute weiß, war dieser jemand: ich selbst. Es gibt diese Sollbruchstelle in der Seele, die, wenn sie zerbrochen wird, gleich einem Knicklicht zu leuchten beginnt. Wir leuchten dann sehr hell und sehr klar – bis wir kurz und gleißend wie eine Sternschnuppe verbrennen. Die Haut meiner Seele war einfach zu dünn. Ich nahm alles persönlich, bezog es auf mich und hatte diesen unbändigen Drang, das Bild der Welt wieder gerade zu rücken. Alles hing schief: Wie Menschen miteinander umgingen, Tonfall, Gestik, Mimik, mir erschien alles zu grob, zu aggressiv, zu laut. Zugleich wusste ich, dass es an mir lag, dass etwas mit mir nicht stimmte. Die eine Hälfte der Menschen wirkte auf eine geradezu obszöne Weise mit sich selbst zufrieden. Sie schien mit sich und der Welt im Reinen, war im Frieden mit dieser viel zu lauten, viel zu kaputten, Gewalt liebenden und die Seele besudelnden Welt. Die andere Hälfte hatte – wie ich – irgendwie, irgendwo ihre Selbstachtung verloren. Die Liebe zu sich selbst als einem sensiblen, spirituellen Wesen. Mich begleitete Tag und Nacht das Gefühl, falsch zu sein, mich kaputtmachen zu müssen, um genauso kaputt zu sein wie die Welt. Ein quälender Selbsthass war die Folge, der meine Seele folterte und so tiefe Wurzeln in meinen Leib trieb, dass er mich nachts in Albträumen verfolgte.

Ja, ich darf damit prahlen, eine völlig verkorkste Kindheit gehabt zu haben. Meine eigene Geschichte hat mich so zu einem Experten für seelische Schmerzen ausgebildet. Mir ist kaum eine körperliche oder seelische Qual fremd, Selbsthass und -verachtung, Todesängste gepaart mit Todessehnsucht, auch Absurdes wie Schadenfreude, sobald mir selbst etwas Schlimmes widerfuhr: Egal, welche Kombination verdrehter Gefühle, ich kenne sie alle. Mit achtzehn Jahren brannte ich lichterloh – mit zwanzig brannte ich aus.

Meine Mutter war eine schwäbische Hausfrau, der es egal war, ob man alle Tassen im Schrank hatte, solange sie sauber poliert waren. Was die Nachbarn über sie dachten, war ihr wichtiger als, wie sie sich tatsächlich fühlte. Der Schein stand über dem Sein. Und sie verteidigte diesen schönen Schein mit allen Mitteln, bis hin zur Androhung eines Nervenkollapses.

Mein Vater war als Professor der Archäologie ein etwas weltfremder Sonderling, pausenlos mit sich und seiner Arbeit beschäftigt. Wobei er jede Reizung oder Störung persönlich nahm. Es blieb keine Zeit für uns. Kinder störten, Kinder waren überflüssig, Kinder waren erst etwas wert, wenn sie sich nützlich machen konnten.

Kurzum: Als junger Mann war ich zutiefst gespalten – wie Dr. Jekill und Mr. Hyde. Als hätte jemand einen unruhigen Geist in meinen Körper eingeschlossen, der an den Wänden der zu engen Innenhaut kratzte. Tags drückte dieser »Hyde« gegen die Gitterstäbe der Rippen, fraß gierig meine Liebe und Freude auf. Ließ mir nichts übrig. Nachts kam er umso stärker hervor, wie von Fesseln befreit, und rächte sich an mir, groß und gewaltig für meine niederträchtigen Versuche, ihn im Zaum zu halten. Dafür konnte er glühende Folterwerkzeuge benutzen, um mein Fleisch zu versengen. Von Albträumen geplagt, wälzte ich mich von einer Seite zur anderen, bis ich schweißnass erwachte. Selbst die kleinen Dinge im Leben machten mir bald keine Freude mehr. Die Dauerfolter zermürbte meine Kräfte und erschöpfte mich zutiefst. Migräne, Phantomschmerzen der Seele, unmögliche Gefühle in den unpassendsten Momenten, auch gewalttätige Impulse mir selbst und meinen Mitmenschen gegenüber, all das gehörte zu meinem Alltag. Mir war, als müsste ich mein Umfeld vor mir beschützen, aber niemand beschützte mich vor mir selbst. Selbstmord schien mir der einzige Ausweg zu sein, dieser Dauerfolter des Lebens zu entfliehen.

Alkohol, Schmerzmittel, Drogen – ich habe alles versucht. Wenn ich morgens aus unruhigen Träumen erwachte und mich erneut in ein mies gelauntes Scheusal verwandelt fand, entschied ich mich immer wieder: »Heute wird ein guter Tag!« Aber meine Schatten folgten mir, egal, wohin ich ging.

Einer dieser Schatten war besonders tief, besonders dunkel. Dieser Schatten erdrückte mein Leben, er eilte mir voraus, kam mir entgegen, er schwebte wie ein Damoklesschwert über mir. Was ich auch versuchte, es gelang mir nicht, ihn abzuschütteln. Dieser Schatten war die tiefe Überzeugung, ein schlechter Mensch, eine abscheuliche, minderwertige Kreatur zu sein. Rückblickend würde meine Diagnose aus Sicht der Chi-Heilung lauten: »Negatives Selbstbild mit Selbsthass und autoaggressiver Urangst.« Meine Seele war zutiefst gespalten in einen gutgläubigen, gutmütigen und einen zutiefst gekränkten, verletzten Teil, der wie ein Kesselflicker schimpfte, rauchte und soff. Und keine meiner Seelen hielt es mit der jeweils anderen aus.

Selbstliebe und Weltliebe sind von Natur aus eins. Ich erinnerte mich an diese strahlenden Momente als Kind, in denen die Sonne in meinem Herzen lachte und ich mich als Geschenk für die Welt empfand. Alles war wie in Watte gepackt und aus rosaroten Wolken gebaut. Was immer mich aus diesem kindlichen Gefühl gezerrt und die Wahrheit meiner Gefühle zerstört hatte: Es war sehr gründlich geschehen. Aber wie sollte ich mich auch selbst lieben, wo ich mich so abgrundtief ablehnte? Trost fand ich weder in den Büchern noch bei den Idolen der Wissenschaft. Viele helle Köpfe trugen anscheinend ein umdüstertes Herz in der Brust.

Es gibt diese Schlüsselmomente im Leben, wenn eine Tür aufgeht, weil man nicht länger versucht, aus dem Fenster zu springen.

Bei mir war dies die Meditation. Sie hat mein Leben verändert wie nichts davor und nichts danach. Meditation ist zu meinem Lebenssinn und -zweck geworden, und ich darf inzwischen behaupten, das Handwerk der Meditation so gut zu beherrschen, wie Picasso den Pinsel oder Pavarotti seine Stimme im Griff hatten. Die in der Meditation gelüfteten Geheimnisse, was wirklich heilt und hilft, sind der Inhalt dieses Buches.

Zu der Zeit meiner größten Depression studierte ich Psychologie in Maastricht, einem zauberhaften kleinen Städtchen in den Niederlanden, dessen Schönheit damals an mir vorbeirauschte wie ein Schnellzug. Meditation war nur ein Wort für mich, in etwa so bedeutsam wie »Paradies« oder »Seelenfrieden«: leere Wörter, wie eine Präsentbox ohne Geschenk darin. Aus purer Verzweiflung und, weil es den Druck im Kopf linderte, setzte ich mich dennoch jeden Morgen meinen Gefühlen aus.

Meditation bedeutete für mich zunächst, den eigenen Körper zu fühlen und zu füllen, ihn Stück für Stück zurückzuerobern. Bestimmte Empfindungen in meinem Körper zeigten sich immer wieder. So hatte ich damals pausenlos eine feste »Platte« auf der Brust. Diese war bei genauem Hinfühlen aus Angst gebaut. Je genauer ich den fühlbaren Raum in mir erforschte, desto klarer schälten sich Formen und langsam auch Farben aus dem Dunkel des Unbewussten hervor. Im Laufe der Jahre lernte ich verschiedene Facetten dieses inneren Bereiches kennen. So konnte ich inzwischen mit Sicherheit sagen, dass sich der Raum meiner Liebe in meinem Brustkorb befand, der Raum meiner Freude in meinem Oberbauch, und dass ich eine pausenlose, unbändige, gar nicht zu beruhigende Wut, ja, einen Hass in meinem Unterbauch verspürte, der durch starke Druckgefühle auf sich aufmerksam machte. Weisheiten, die der Volksmund bereithält, bekunden ja, dass die Wut im Bauch sitzt, dass wir vor Freude strahlen oder die Angst uns im Griff hat. Auch geht uns sprichwörtlich das Herz auf, wenn wir etwas lieben. All diese in der Kindheit verloren gegangenen Puzzlestücke meiner Seele setzten sich erst langsam, dann immer schneller zu einem Gesamtbild zusammen. Und das Bild meiner Innenwelt war kosmisch.

Wie eine Sonne leuchtete die Liebe in meinem Herzen, und wie helle oder dunkle Planeten bewegten sich unterschiedlich schnell andere Gefühle wie Trauer und Angst, aber auch Freude und Geborgenheit im Kreis darum. Je mehr ich meiner Wahrnehmung traute, desto besser konnte ich diese Objekte im Wortsinn »begreifen«, sie in die Hände nehmen, als wären sie reale Gegenstände in meinem Zimmer. Diese Gefühlsobjekte waren mal kalt, mal warm, mal rau, mal glatt, es gab sie in allen möglichen Formen und Farben. Und diese Farbenwelt meiner Seele fächerte sich vor meinem inneren Auge in einem Spektrum auf, das ich nie für möglich gehalten hatte.

Inzwischen konnte ich sicher sagen, dass bestimmte Temperaturen auch bestimmten Farben zugeordnet waren, die wiederum bestimmten Gefühlen entsprachen. Die Angst war kalt und blau und hatte meist eine raue Oberfläche. Die Wut hingegen war heiß, orange und glatt. Der Hass konnte brennen und schneiden wie glühende Dolche. Er war das Folterwerkzeug Nummer eins, mit dem ich mir selbst das Leben schwer machte. Also machte ich den Hass zu meinem allerbesten Freund. Er ist und bleibt therapeutisch gesehen eine der wichtigsten Kräfte, an denen wir leiden, krank werden und mit denen wir uns selbst zerstören.

Damals beschäftigte ich mich viel mit der Unendlichkeit. Dachte über die Anfänge der Zeit nach, die Entwicklung der ganzen Menschheit zu einem hyperintelligenten Superorganismus – bis mir dämmerte, dass Quanten nichts anderes als Informationen waren. Das gesamte Universum schien mir zunehmend ein digitales, ja, holografisches Multiversum zu sein, in dem jeder Zustand des einen die Zustände aller anderen beeinflusste. Alle Wesen zusammen bildeten das ganze Multiversum, ein riesiges Mandala, das sich wiederholte und so die Illusion von Raum und Zeit erschuf. Intellektuell leuchtete mir das ein, aber emotional warf mich das komplett aus meiner – ohnehin wackligen – Bahn. Das Problem mit der Unendlichkeit ist: Es gibt kein Entkommen. Es wird uns ewig geben! Egal, in welcher Form, und sei es als fortwährende Wiederholung des Augenblicks, da du diese Zeilen liest. Und auch, wenn die Hälfte der Menschheit ihren Frieden damit gemacht haben mag, zeigen die Entwicklung des Buddhismus und der Erfolg des Christentums ja deutlich, wonach sich die Seele des Menschen sehnt: Friede, Geborgenheit, Vertrauen, Heimat. Wo ist die Heimat der Seele auf ihrer ewigen Reise? Wenn sich alles ständig wandelt, werde ich in diesem Leben ein Mann sein, im nächsten eine Frau, vielleicht eine Kaulquappe, ein Gürteltier, gar eine Pflanze oder ein lebloses Objekt, das nur rudimentär Bewusstsein besitzt. Der Verstand zieht sich angstvoll zusammen bei diesen Gedanken. Was wäre fürchterlicher, als ohne Kontrolle durch ein gleichgültiges Weltall zu driften, taumelnd im Rad des Leids, von einer sinnlosen Existenz zur nächsten, ohne Hafen, ohne Halt? Wen wundert es, dass Buddha so bemüht war, einen Notausgang aus dem ewigen Karussell der Wiedergeburt zu finden? Alle Tränen und alles Blut unserer früheren Leben füllen Ozeane, ganze Planeten, ja, Universen aus. Aber auch alle Freudentränen, alle Säfte der Lust würden Meere und Himmelskörper füllen … Die Frage ist, wie wir uns selbst sehen und somit die ganze Welt.

Weltbild wird Selbstbild, das ist die Kulturgeschichte. Aber Selbstbild kann auch Weltbild werden, und das ist spirituell.

Die Frage lautet also gar nicht: Wie muss ich sein? Sondern: Wie möchte ich sein?

Bin ich voller Leid und Elend, projiziere ich Leid und Elend in meine Leben bis in alle Ewigkeit. Die Unendlichkeit scheint dann ein Folterkeller der Vorhölle zu sein. Bin ich voller Liebe und Freude, verlängert und vergrößert, ja, potenziert das Multiversum meine Glückseligkeit in alle Richtungen, als wäre sie ein Diamant, der schillert und glitzert und mich immer wieder aufs Neue erfreut.

Ich begriff: Negative Gefühle stören das kosmische Gleichgewicht. Wir können nicht mit ihnen, aber auch nicht ohne sie Frieden und Glück im Leben finden. Das war für mich die wichtigste Erkenntnis meines Lebens, sie durchbrach mein altes Schwarz-Weiß-Denken, in das ich alles, auch mich selbst, eingepfercht hatte. Gefühle waren weder gut noch schlecht, sondern immer beides. Meine Wertung entschied, ob sie angenehm waren oder nicht. Selbst Trauer und Wut waren sehr angenehme Gefühle, sobald ich mich nicht länger gegen sie wehrte.

Ich fragte mich: Wenn ich diesen Augenblick noch unendliche Male erleben müsste, was würde ich ändern? Die Antwort war: Ich konnte am physischen Drumherum kaum etwas korrigieren, ich konnte kaum ändern, wie ich aussah oder was die Menschen über mich sagten und dachten. Aber ich konnte in mir, in meinem Herzen so viel verändern, wie ich wollte. Wenn ich ein und dieselbe Situation, in der Zeitschleife gefangen, wieder und wieder erleben musste, würde ich es mir in der Unendlichkeit so gemütlich machen wollen wie möglich. Ich würde liebevoller werden, freudvoller, gütiger und sanfter. Ich würde aufhören, mich gegen irgendetwas zu wehren und so meinen Geist und mein Blut zu vergiften. Ich mochte völlig machtlos sein den physischen Bedingungen gegenüber, und dennoch war ich frei!

Mit dieser Absicht begann ich zu meditieren. Ich wollte nicht länger irgendwohin, ich wollte nichts erreichen. Ich wollte mich loslassen, die Puppe abstreifen, die Hülle. Ich dachte, wenn das »Nichts« mein Problem ist, musste ich auch »nichts« loslassen.

So in die Meditation versunken, strahlte über mir ein Licht auf, heller und weißer als je zuvor. Es leuchtete in reinem Weiß, aber schillerte in allen Farben wie ein Diamant, als würde es direkt dem Jenseits entströmen. Angezogen, fasziniert davon wie eine Motte, wollte ich diesem Licht unbedingt näher kommen. Dafür musste ich mich entspannen, meinen Körper loslassen, als wäre mein Geist eine Faust, die sich um ihn geballt hatte. Diesen Griff konnte ich zum ersten Mal seit unbekannten Zeiten bewusst lösen. Ja, ich öffnete meinen Geist wie eine Faust und legte das göttliche Licht meiner Seele, die darin verborgen lag, frei. Das Wort »Entspannung« bekam für den Rest meines Lebens eine neue Bedeutung. Mein Geist und mein Körper wurden immer weicher, bis sie eine ätherische Konsistenz annahmen. Mein Geist war das Licht und mein Körper die Form, die es füllte. Ich sehnte mich nach meiner Mitte, und ich wurde dieses Licht. Ich erkannte, dass ich es stets war und immer sein würde, egal, was geschah. Ich war unzerstörbar wie Licht, niemand konnte mich begrenzen, gefangen halten, schlagen oder missbrauchen. Mein Licht war unantastbar, jenseits aller Dinge und damit auch nie von dieser Welt und ihren Formen und Farben, nie von ihrer Gewalt berührt. Der fünfundzwanzigjährige Mann, der ich zu sein glaubte, hörte auf, sich die leidvolle Geschichte eines unglücklichen Menschen zu erzählen, und siehe: Die Erzählung hörte auf, zu sein, und das weiße Blatt einer ungeschriebenen Geschichte trat zum Vorschein.

Ein weißes, unbeschriebenes Blatt gleicht dem reinen, unkonditionierten Bewusstsein. Es gibt dir allen Freiraum zurück, zu sein, was du willst. Aber es überträgt dir auch wieder die volle Verantwortung des Schöpfers mit der großen Frage: Wie will ich sein? Das Ende eines Lebens ist der Anfang eines ganz neuen.

In der Stille sind alle Antworten enthalten, im weißen Licht schillern sämtliche Farben, das Ungeformte enthält jegliche Formen.

Es gibt für dich nichts zu tun, zu sagen, zu erfahren, was nicht bereits getan, gesagt, erfahren worden wäre und somit bereits Teil von dir ist. Raum und Zeit haben keine Bedeutung, wenn du nichts mehr zu erledigen hast. Raum brauchst du nur, um etwas hinter dir zu lassen. Doch siehe da: Es kommt von vorn wieder auf dich zu. Der Raum ist ein ewiger Kreis. Zeit brauchst du nur, wenn du etwas heilen, vergessen möchtest. Doch das ist eine Illusion. Die Zeit ist ein ewiger Kreis.

»Ich« – das Wort hatte seinen bitteren Geschmack verloren. Es schmeckte jetzt neutral, ein wenig wie der weiße Porzellanteller, auf dem die Speise liegt. »Ich« wurde zu einem blanken Spiegel. Und nicht länger von mir selbst abgelenkt, vermochte ich, tiefer in die Seele der Menschen zu blicken als jemals zuvor. Mein Ich war lange nicht satt geworden, hatte sich den Bauch mit sich selbst vollgeschlagen, gierig nach mehr. Das loszulassen, bedeutete, mir selbst als Gott neu zu vertrauen. Ich hatte gelernt, mich auf meinen Verstand zu verlassen und Misstrauen meinem Körper gegenüber zu empfinden. Ich hatte gelernt, mich als Person zu erleben, und fürchtete daher das nihilistische Vakuum des Todes, das in Wahrheit ein göttliches Füllhorn ist. Niemand nahm mir etwas weg. Der Verzicht auf mich selbst gab mir mich selbst zurück. Weniger »Ich« war mehr Welt, mehr Gefühl, mehr Freude, mehr Glück.

Das Wahre und Echte kann nicht sterben, und was nicht wahr und echt ist, ist es nicht wert, gelebt zu werden. Der Tod ist nur die Rückbesinnung des Bewusstseins auf sich selbst. Alles, was wir sind, findet ganz zu sich zurück.

Ich wurde von einem ganz besonderen Gefühl erfüllt: Ich fühlte mich lebendig, wie aus dem Innersten leuchtend und dadurch angeschlossen an eine neue Kraft. Ich fühlte mich als Teil alles Lebendigen, der Blumen, der Bäume und der Menschen: einer alles umfassenden, alles durchdringenden Kraft. War das eine Psychose oder Schizophrenie? Nein, ich fühlte mich friedlich und ausgeglichen, so eins mit mir selbst wie nie, als hätte ich mich zum ersten Mal ganz und gar in einem Gefühl erkannt statt in einem Gedanken.

Ich fühle mich. Dieses Gefühl für mich selbst ist zugleich das friedlichste und harmonischste Gefühl, das ich jemals erlebt habe, und lustvoll wie eine Art ruhende Ekstase. Ich finde keine besseren Worte dafür, es ist ein fließender Zustand, eine stehende Welle, eine Homöostase des Glücks.

Ich fühle diese große, letzte Wahrheit tief in meinem Herzen. Sie war schon immer da, hat auf mich gewartet, bis ich sie empfand, und sie würde auch immer dort sein, selbst wenn ich sie wieder verdrängen würde. Und das ist so schön, so wunderschön, dass ich weine. Doch es gibt keine Tränen für dieses Gefühl, es gibt keinen Laut, den ich ausrufen könnte. Es gibt kein Wort und kein Geräusch dafür. Es ist der süße Dreiklang der Stille, das liebevollste dreisame Alleinsein von Gott und Welt und mir.

Mir öffnen sich völlig neue Einsichten in das Gewebe der Zeiten. Der Vorhang aus Morgen und Gestern hebt sich, und mein Blick geht über viele, viele Leben hinaus. Wir müssen aufhören, in Schubladen zu denken wie Richtig und Falsch, Schwarz und Weiß. Die Welt ist unendlich, die Welt ist bunt. Es gibt keine Nationen, keine Länder, es gibt keine Amerikaner, Russen, Chinesen und Araber. Es gibt nur ein kosmisches Bewusstsein, das all diese Seelen vereint.

Das vom Kosmos getrennte Ich ist eine Fantasie, an die wir stärker glauben als an die Wahrheit der Einheit, solange wir leiden. Es ist ein Teufelskreis: Sobald wir leiden, nehmen wir das Leid persönlich, und je persönlicher wir es nehmen, desto stärker leiden wir. Jetzt wollen wir Vergeltung, Ausgleich, Entschädigung und Gerechtigkeit. Wir wollen unserem Leid durch das Streuen von Leid Sinn verleihen. Das ist das große, dunkle Rad des Leids, der Teufelskreis, der die Reinkarnation des Bösen intendiert. Stattdessen müssen wir einen Gotteskreis beginnen, worin wir unser Leid reduzieren, indem wir es lösen und somit immer weniger persönlich nehmen, wodurch wir immer weniger leiden. Dann schwingen wir uns aufwärts, dem Licht entgegen, statt düster im Schatten unseres eigenes Leids zu stehen.

Gotteskreise sind die Triebfedern der Schöpfung und Teufelskreise die Triebfedern der Evolution.

Gott entwickelt sich nicht, er bleibt, was er ist. Aber das Leben entwickelt sich, weil es leidet.

Die große Paradoxie der Erleuchtung lautet darum: Das Tor durchschreiten, ohne einen Schritt zu tun. Sich entwickeln, ohne eine Entwicklung zu durchlaufen. Sein, aber zugleich nicht sein. In der dunklen Welt bleiben, aber nicht aus dieser Welt stammen – ein Licht für sich selbst und damit für alle sein.

Es war Sommer in Maastricht, und in ausgedehnten Spaziergängen betrachtete ich die Schönheit der Blumen, die Weite der Wiesen und die Klarheit des Wassers mit neuen Augen. Entlang der Maas schlendernd, fragte ich mich, ob es tatsächlich so einfach sein könnte: Bewusstsein als Ursache aller Dinge. Ein Bewusstsein jenseits der Worte, jenseits von Raum und Zeit, aber auch jenseits des Menschen. Der Mensch war nur eine von vielen, ja, unendlichen Erscheinungsformen dieses Bewusstseins. Das machte mich zu Luft, einem Nichts. Doch als dieses ungreifbare Nichts war ich zugleich alles. Ich wandelte durch Maastricht wie durch ein Computerspiel, mein Ego musste die eine ultimative Wahrheit erkennen: Es geht in meinem Leben nicht um mich. Alles dreht sich um das eine göttliche Bewusstsein im Universum, das sich selbst unendlich oft enthält. Es hat sich einen Raum geöffnet, den wir »Weltraum« nennen. Es hat in diesem Bereich weitere Räume geformt, die wir »Körper« nennen, »Pflanzen«, »Tiere« und »Menschen«. Und in diesen Räumen formte es wieder weitere, die es mit Licht und mit Schatten füllen konnte, die wir »Chakras« nennen können, aber auch einen Raum der Gefühle, in dem die Gedanken wie Wolken ab und an vom Lichtstrahl einer Erkenntnis durchbrochen werden. Ein riesiges vierdimensionales Mandala, das aus seiner Mitte, unberührt von allem, die Energie für die Drehung der Zeit, die Krümmung der Räume und die Gedanken in meinem kleinen Kopf aussandte. Dieses göttliche Bewusstsein, diese Sonne, deren Schatten ich war, ist unendlich klein und unendlich groß. Es findet sich im Innersten eines Atoms und füllt zugleich das ganze Multiversum aus.

Als die Ängste, die Übelkeit und der Schwindel in meinem Kopf wichen, breitete sich ein großer Friede in mir aus. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, wie schön es war, zu sein. Einfach nur da zu sein und sich selbst zu genießen. Ich fühlte mich wohl mit mir und empfand mein göttliches Ich als magisch und schön.

Unendlich viel Zeit. Unendlich viel Raum. Unendlich viele Leben.

Ich existiere seit Ewigkeiten. Wozu also Stress und Hektik? Es gibt nichts für mich zu tun. Wenn es wichtig wäre für die Schöpfung, würde es geschehen, es würde getan werden, egal, ob von mir als kleinem »Ich« oder von jemand anderem im millionengroßen Chor. Vom Bewusstsein aus betrachtet, hatte ich mich nie bewegt, weder räumlich noch zeitlich, und erst recht nicht spirituell. Selbst Erleuchtung ist also ein Ziel, das zu einer Reise gehört, die nie stattgefunden hat. Die Reise zu mir selbst ist die größte Illusion von allen. Denn ich bin ich und würde auch nie aufhören, ich zu sein, egal, wie dunkel ich mir selbst erschien.

Mich erfüllte ein tiefer innerer Friede, ein Zustand der Zustandslosigkeit jenseits der Zeit, jenseits der Orte, ohne Willen oder Bedürfnis. Hier gab es keine Ursache und keine Wirkung. Solange es kein Ziel gab, war alles da, was ich brauchte, in Griffnähe meines Bewusstseins, bei mir. Alle Wünsche, Ziele und Bedürfnisse schmolzen wie Eiswürfel im warmen Wasser. Und ich ließ mich darin treiben, ohne Anfang und Ende. Ein wunderschönes Sein, worin jeder neue Augenblick makellos schillerte wie eine weitere Facette des einen großen Diamanten meines göttlichen Bewusstseins.

Selbstliebe, die mir so lange verschlossen gewesen war, wärmte mich. Selbstfreude erblühte in mir wie eine Knospe, die endlich aufsprang.

Mein Selbstvertrauen drang wie durch eine vernarbte Bewusstseinsschicht zu mir zurück. Die wundersame Welt der Gefühle erblühte als das wahre Paradies auf Erden – und ich genoss mich in vollen Zügen, wie noch nie zuvor.

Doch leider konnte ich diesen Zustand nicht halten. Der Schatten trat wieder hervor wie bei einem frischen Polaroidfoto, bei dem die Konturen und Schatten allmählich deutlicher werden. Als würde ich ausnüchtern, als würde die Droge ihre Wirkung verlieren, kehrte ich aus den lichten Gefilden zurück und fand mich so trostlos wie eh und je wieder.

Der Alltag machte es unendlich schwer, dieses schöne Gefühl des Einsseins zu halten. Menschen blafften mich an, Rechnungen mussten bezahlt, Abgabetermine eingehalten werden. Die Welt schien mir völlig verdunkelt, die Menschen glichen gepeinigten Affen, die sich gegenseitig das Leben schwer machten. Und mein Körper reagierte darauf mit Phantomschmerzen meiner Seele. Ich hatte alles so satt: das Leben, meinen Körper, die Schmerzen, das Suchen und Scheitern, das Wollen und Sehnen, die großen und kleinen Teufelskreise der Ewigkeit. Mitten in der Bewegung verharrte ich und verstand: Für das Unendliche in mir waren negative Gefühle, als würde ich Grimassen vor einem Spiegel schneiden. Witzig, albern, aber in jedem Falle ohne jede Bedeutung für das, was ich wahrhaftig bin: ein unendlicher Spiegel, der einfach alles reflektiert, was ich mir vorsetzen würde. Der Alltag war also mein Spiegel. Und egal, was ich fühlte, ich würde es unendlich oft erleben, unendlich oft wiederholt und im Außen bestätigt. In Wahrheit war es so: Auf jede Grimasse, die ich in der Welt gespiegelt bekam, reagierte ich mit größeren Grimassen, als wäre ich ins Recht gesetzt worden, erschrocken, wütend oder angewidert zu sein. Doch kaum begann ich zu lächeln, wiederholte sich auch dieses Lächeln in der Unendlichkeit, bekam mehr Strahlkraft, und ich fand Gründe, immer mehr Gründe, glücklich zu sein. Das, was ich jeden Tag tat, jeden Tag fühlte, war also wichtiger als das, was ich irgendwo, irgendwann einmal gefühlt haben mochte.

Das Umfeld ist der perfekte Spiegel für die Seele. Der Alltag ist spiritueller als jede andere Erkenntnis.

Leid entstand, sobald ich an etwas festhielt, mich dem Fluss des Lebens nicht hingab, sondern einen festen, unveränderlichen Wesenskern meines Selbstbildes schützen wollte, ihn umklammert hielt. Aber kaum, dass ich meine Faust öffnete, fand ich sie leer. Denn das Licht der Seele hat keinen Ort. Es hat keine Substanz. Und erst dadurch bin ich frei. Ich verstand: Je stärker ich mich mit mir selbst identifizierte, desto ängstlicher, wütender und empörter war ich, wenn es mir nicht gelang, »mich« zu besitzen. Und der Wunsch, dass mich niemand mehr verletzen würde, loderte in immer neuem Hass auf, der meinem ersehnten Ziel entgegenstand. Aber kaum sah ich in Ruhe in mich hinein, fühlte ich: Niemand hat mir je etwas von meiner Seele gestohlen. Sie ist unangreifbar, unantastbar. Allein der Schutzmantel, die Faust um meine Seele, ist fest und hart und kann die Angriffe von außen spüren. Die Seele selbst ist ein Licht, überall und nirgendwo, und darum gehört sie mir auch gar nicht allein.

Ich teile eine unendlich große, unendlich kleine Weltseele mit allen Tieren und Menschen.

Das Chi, die Lebensenergie in jedem Lebewesen, ist der göttliche Atem, der die Seele am Leben erhält. Es kreiste und floss fühlbar durch mich hindurch, und ich konnte es schon länger nach meinen Wünschen formen. Als ich endlich akzeptiert hatte, dass Chi eine reale Energie war, aus der meine Chakras und meine Blockaden geformt waren, konnte ich es in meinem Körper sehen. Die Notizbücher mit den Erfahrungen aus meinen Meditationen füllen zwei Meter Regalwand. Akribisch hielt ich fest, wo genau ich einen chronischen Schmerz oder Druck im Körper spürte und welche Form und Farbe die Blockade hatte. Bald zeigte sich, dass diese »Forschung« auch westlichen Kriterien der Wissenschaft standhielt. Es waren wiederkehrende Empfindungen möglich, wenn ich eine bestimmte Meditation exakt wiederholte. So färbte sich in meiner inneren Wahrnehmung alles grün, wenn ich die Aufmerksamkeit auf mein Herzchakra legte. Alles, was dunkel darin erschien, konnte ich als Druckgefühle auch in meinem Brustkorb wahrnehmen. Mein inneres Sehen und mein inneres Fühlen passten also zusammen. Senkte ich meine Aufmerksamkeit noch tiefer in den Unterbauch, das Vitalchakra, färbte sich alles orange und gelb, und wiederum waren die Druckgefühle in meinem Körper in meiner Wahrnehmung dunkel. Griff ich nach diesen Blockaden in mir, konnte ich sie sanft erfühlen und ertasten wie in einem echten, dreidimensionalen Raum. Löste ich die Blockaden auf, entspannte sich auch mein Körper an dieser Stelle. Endlich dauerte es keine Stunden mehr, ein Wohlgefühl in mir zu kreieren, sondern Minuten.

Ich probierte alles Mögliche, um die Wirkung des Chi zu prüfen: Meditieren bei Eiseskälte im Schnee, Zahlen sehen, an die meine Freundin dachte, oder Objekte erraten, die in einer Schachtel verborgen waren. Maastricht wurde mein Labor, und ich verbrachte die folgenden Jahre mit Meditation und der Vertiefung meiner energetischen Wahrnehmung. Es trieb mich an, mit wissenschaftlicher Präzision herauszufinden, wie ein Mensch seine Fähigkeiten systematisch ausweiten konnte. Über ein Jahr verbrachte ich damit, mein Chi auf physische Objekte außerhalb meines Körpers zu richten. Es brauchte eine Stunde oder länger, um genug Energie zu sammeln, aber irgendwann gelang es, und die Gegenstände bewegten sich kraft meines Chi. Mit der Telekinese hatte ich mir selbst den sichtbaren Beweis geliefert, dass mein Chi unabhängig von meiner subjektiven Realität existierte. Ich kann gar nicht stark genug betonen, wie wichtig es für einen westlich erzogenen Menschen ist, das Chi als eine reale Energie anzusehen. Wer tiefere Erfahrungen und Antworten in der Meditation sucht, kann nur so fündig werden.

Chi verändert seine Form, je nachdem, welche Funktion es erfüllen soll. Form und Funktion sind identisch. Ein Becher ist ein Gefäß für eine Flüssigkeit. Mit einem Henkel daran wird er zu einer Tasse für heiße Flüssigkeiten. Mit vielen Löchern darin wird die Tasse zu einer Art Gießkanne … Die Form enthält also die Funktion, und die Funktion gibt die Form vor, die ideal ist, sie zu erfüllen. Mit Chi erfühlen wir die Form und die Funktionen. Das universelle Bewusstsein, das wir sind, die Weltseele, schlüpft in die Handschuhe des Körpers, bewegt ihn, lässt ihn wachsen und sprechen. Die Form unseres Körpers spiegelt unsere Funktionen wider. Das macht den Körper zu einem Prisma des Bewusstseins, einem Filter. Denn nicht jede Funktion des Bewusstseins hat eine entsprechende Form in unserem Körper. Wir gehen gleichsam aus dem lichtvollen, unkonditionierten Raum des Bewusstseins in einen individuellen Körper hinein. Wir bewohnen ihn, werden zum Menschen, zum Tier, zur Pflanze, und je mehr wir uns mit diesem einen Körper identifizieren, desto ängstlicher sind wir, ihn zu verlieren. Zwei Wege führen dabei in die Irre: das Glück und das Leid. Ich kann Glück haben und besonders zufrieden sein mit meinem Körper, meinem Leben, meiner Existenz. Jetzt bange ich darum und habe Angst, all das zu verlieren, was mir so lieb und teuer ist. Daran kann ich leiden. Oder ich habe Pech und finde mich selbst hässlich, bin krank und arm und grolle mit meinem Schicksal und damit auch mit Gott. Mein Ärger verdunkelt wie eine Regenwolke die klare Sonne meines Bewusstseins. Ich erkenne mich nicht mehr darin wieder, denn ich bin dunkel und verbittert geworden. Jetzt kann ich mich selbst nicht mehr im Licht erkennen, es blendet und ärgert mich vielmehr, erinnert mich daran, was ich verloren habe.

Der Prozess der Erleuchtung erfolgt umgekehrt und ist dem Tod ähnlich: Wir lassen unseren Körper los, wir lassen unser altes Leben los, wir lassen jede fixe Idee davon los, wer wir sind und was wir wollen … und erkennen uns als reines, freies Licht im grenzenlosen Raum des Kosmos, den wir bevölkern zu unserer Freude, unserer Lust.

Je stärker und heller das Chi in uns leuchtet, desto größer sind unser Wohlbefinden und der Einfluss, den wir auf unsere physische Realität ausüben dürfen. Ein Gotteskreis entsteht, in dem gute Menschen gute Laune haben und wiederum eine gute Welt kreieren. Umgekehrt geht es leider auch, und es schließt sich ein Teufelskreis, wenn die üble Laune um sich greift und jeder Mensch gegen jeden Menschen vorgeht, als würde dieser ihm das Glück streitig machen.

Alles, was uns in die Fülle bringt, gemeinsam und miteinander, macht uns heller und stärkt das Wohlbefinden.

Alles, was aus Mangel, Konkurrenz und Manipulation entspringt, macht uns dunkler und senkt das Wohlgefühl. Leider bestätigt uns das schlechte Gefühl im empfundenen Mangel, und wir hören immer stärker auf den Schatten, der davon spricht, die Welt sei übel und alle Menschen seien Lügner und Betrüger. Diese Haltung legitimiert Gewalt, denn in einer schlechten Welt sind wir lieber der Böse als der Dumme. In einer guten Welt wird dem Bösen geholfen, in einer bösen Welt dem Guten geschadet. Im Zweifelsfall ist es also schlauer, der Böse zu sein als der Gute. Doch der egomanische Vorteil, den sich das Böse verschafft, führt uns kollektiv in die Katastrophe.

Darum brauchen wir eine starke Gemeinschaft, einen Sozialstaat und ein Belohnungssystem für das Gute im Menschen statt nur eines Bestrafungssystems für das Böse in uns. Gut zu sein, muss sich wieder lohnen – finanziell genauso wie sozial. Die Welt krankt daran, dass im Kapitalismus nur der Stärkere gewinnt, und das oft nur auf unmoralische, ja, kriminelle Art und Weise.

Kurz nachdem ich das Chi als reale Energie akzeptiert hatte, sah ich meine erste Aura.

Zu dieser Zeit studierte ich noch Psychologie, und während einer der Vorlesungen im Audimax leuchteten plötzlich die Gedanken, die Gefühle und physischen und psychischen Bewegungen des Professors auf. So klar und deutlich wie Seifenblasenschimmer war er in eine Korona gehüllt, und darin phosphoreszierten Schwaden bunter Energien. Der Anblick war mir seltsam vertraut, vielleicht, wie wenn man zum ersten Mal die Oberfläche der Sonne sieht. Auch die Körper meiner Kommilitonen waren in blasse Energien gehüllt, schillerten mal gelblich, mal orange in ihrem Saum aus Licht. Bei genauerem Hinsehen konnte ich winzige Lichtfäden sehen, die aus manchen hervorstrebten wie bewegliche Blitze oder energetische Adern. In Sorge um meine psychische Gesundheit ging ich nach Hause. Auch dort war alles in einen Lichtsaum gehüllt: Die Pflanzen, Bücher, Bilder, alles zeigte eine Regenbogenaura in verschieden starker Färbung und Form. Alles, was ich berührte, wurde in Sekunden von meiner Energie umflossen und färbte sich gleichsam mit meinen Gefühlen. Wie ein seelisches Hologramm umflimmerte und umflackerte meine Energie den Stuhl, den ich berührte, das Buch, den Apfel. Meine Gefühle färbten ab.

In den nächsten vier Tagen lernte ich mehr über meine Empfindungen und die Gefühlswelt der Menschen als in meinem ganzen Leben davor. Und für diese Einweihung musste ich weder Mystiker werden noch Priester oder die Absolution durch einen Guru erhalten. Es war die schlichte Eleganz des Kosmos, die sich meinen Augen offenbarte. Es galt, genau hinzusehen, ohne Bekanntes zu erwarten, ohne verstehen zu wollen, und schon lösten sich die bekannten Muster der Materie auf und öffnete sich die schillernde Realität einer energetischen Dimension. Stoff war nicht mehr Stoff, ein Ast nie wieder ein Ast. Energie schwebte zwischen den Menschen hin und her wie gläserne Nabelschnüre, die ferne Orte miteinander verbanden. Wie leuchtende Glasfaserkabel eines kosmischen Internets. Ich war auf eine elektrisierende Weise mit den Objekten um mich herum verbunden. Meine Energie trat aus Bauch und Herz und schmiegte sich an die Energien der Bäume, Tische und Tassen. Es berauschte mich, wie sich die beiden Stoffe, der Feinstoff und der Grobstoff, so unterschiedlich zwischen meinen Fingern anfühlten. Das Gezwitscher der Vögel bedeutete mir plötzlich so viel, als könnte ich es verstehen. Die Natur und ihre harmonische Ordnung, die nichts überwacht und trotzdem alles regelt, berührte mich zutiefst in meiner glühenden Seele. Ich fühlte mich wieder verbunden mit etwas, wofür es keine Worte gibt. Ich hatte die Sprache des Kosmos nie gelernt. »Das Fühlen ist meine Religion«, dachte ich, als ich das Glühen, Flimmern und Leuchten meiner Aura betrachtete. Mein Herz leuchtete bei diesem Gedanken auf, und ich verstand, wie einfach es sein könnte: Einfach nur noch denken, was das Herz zum Leuchten bringt. Einfach nur noch sprechen, was das Herz aus Licht sagen will. Einfach in meiner Mitte sein, diesem wunderschönen, seidenweichen Diamanten, der so wenig zerschlagen werden konnte wie Wasser, unzerstörbar in seiner Weichheit.

DIE ERSTE UND WICHTIGSTE ERKENNTNIS WAR:

Es gibt nicht unendlich viele Seelen, sondern nur ein einziges Bewusstsein, das sich wie ein WLAN im ganzen Multiversum findet und aus dem alle kleinen und großen Lebensformen ihr Individualbewusstsein beziehen. Der Körper ist ein Filter für dieses absolute oder kosmische Bewusstsein, genauso wie für die Erfahrungen, die sich in festen Denk- und Gefühlsmustern zeigen. Ein Eichhörnchen kann sich als kosmisches Bewusstsein empfinden, wird aber trotzdem alle Sinnesreize durch den biologischen Filter seines Körpers wahrnehmen und darauf eichhörnchentypisch reagieren. Kurzum:

Alle, die wir leben, sind die Dreifaltigkeit aus Körper, Geist und Seele, wobei die Seele dem kosmischen Bewusstsein entspricht.

Die farbigen Muster in der Aura waren die Gefühle der Personen, die vor mir standen. Schatten waren unterdrückte oder gar abgespaltene Gefühle, leuchtende Räume waren aktiv genutzte oder verstärkte Gefühle. Jedes Tier und jeder Mensch hat alle Gefühle, wobei die negativ gewerteten Gefühle von Natur aus klein sind und die positiv empfundenen Gefühle groß. Die persönlichen Erfahrungen mit diesen Gefühlen prägen den Raum dieses Gefühls und damit seine Energie, sein Chakra. Wenn ich von meinen Eltern nur halbherzig geliebt wurde, werde ich mich selbst und andere Menschen ebenfalls nur halbherzig lieben. Das für mich sichtbare Muster ist dann ein großer Schatten, der das Herzchakra halb verdeckt. Die bunten Farben und Formen um die Körper der Tiere und Menschen herum waren also das sichtbare Gefühlsleben. Die Abertausend Muster der Aura, die ich im Folgenden studierte, im Supermarkt, in der Uni, in der U-Bahn und im Flugzeug, zeigten mir Stück für Stück die Zusammenhänge auf, nach denen Menschen ihre Innenwelt sortierten.

DIES FÜHRTE ZUR ZWEITEN WICHTIGEN ERKENNTNIS:

Je mehr wir leiden, desto mehr Leid erzeugen wir. Nur befreit vom Leid können wir andere von ihrem Leid befreien.

Leid ist kein objektiver Zustand in der äußeren Welt, sondern eine innere, mentale Reaktion auf das, was (vermeintlich) im Außen geschieht. So wiederholen und verstärken wir pausenlos das Schlechte, das wir in der Welt zu finden glauben. Entweder, indem wir uns im Außen davor schützen wollen, oder, indem wir es bekämpfen, wodurch der Kampf im Inneren geradezu eskaliert.

DIE DRITTE ERKENNTNIS WAR:

Gefühle, Bedürfnisse und Kränkungen zeigen sich als dreidimensionale Formen und Farben im Raum.

Mit etwas Anleitung kann jeder diese Formen und Farben seiner Gefühle wahrnehmen.

Diese Erkenntnisse waren der Beginn einer neuen Therapieform, die als Chi-Heilung bekannt werden würde. Das Chi ist eng mit den körperlichen Empfindungen verbunden. Ich hatte Hunderttausende Male Angst oder Wut empfunden. Aber ich hatte nie darauf geachtet, wo in meinem Körper ich die Wut oder die Angst wahrnahm. Keines meiner Gefühle war mir je als Energie erklärt worden, die als Kraftpotenzial neutral ist, weder positiv noch negativ, da ich Gutes wie Schlechtes damit bewirken kann. Stattdessen hatte ich gelernt, Schuldzuweisungen zu machen und im Außen eine Lösung für meine inneren Probleme zu suchen. Bist du einsam? Geh aus. Bist du traurig? Trink einen. Bist du wütend? Dann such den Schuldigen, und schlag zu. Die sinnliche Wahrnehmung meiner Gefühle als Energien in meinem Raum, im Raum meines Körpers und damit dem Raum meiner Gefühle: Das war völlig neu. Und es war simpel.

Auch alle Unversöhnlichkeiten zwischen den Religionen beruhen für mich auf dem einen großen Irrtum, dass es ein »Ich« gebe, das vor der Geburt und somit nach dem Tod Bestand habe. Der Körper wandelt sich unentwegt, mit jeder Erfahrung, und unser Bewusstsein färbt jeden Augenblick, den wir erleben, um. Nichts hat von einem Moment zum nächsten Bestand außer unser Bewusstsein. Wer ich glaube, zu sein, und ob ich deswegen leide, wechselt unentwegt – aber das leidfreie Bewusstsein, das ich in Wirklichkeit bin, leuchtet ewig. Es hält mich ein Leben lang zusammen. Der Tod kann mir meinen Körper nehmen, aber nicht mein kosmisches Bewusstsein. Alle Geschichten, die ich mir von mir selbst erzählt habe, fallen wie lose Kleidungsstücke ab. Bis auf die Seele ausgezogen, glüht ein Licht in mir, stärker und länger als jedes Licht auf Erden. Meinen Körper habe ich von der Erde, in die Erde gebe ich ihn zurück. Aber mein Herz habe ich von Gott, in sein Licht gebe ich es zurück.

Das Leid, an dem ich ein Leben lang festhielt, war nur eine Geschichte. Ich habe sie mir so lange und so oft erzählt, dass ich sie glaubte. Die Illusion wurde Realität. Der Schatten wurde kräftiger, stärker als das Licht. Aber das Leid ist nur eine Geschichte. Seine Erzählungen beginnen immer mit Ich oder mit Du.

So spricht das Leid: »Ich sollte … Ich muss … Du solltest … Du musst …« – »Ich bin nicht du« ist die erste Geschichte des Leids, und sie endet im Mord. Sie ist die Geschichte der ersten fundamentalen Spaltung, die darin mündet, dass der eine glaubt, der andere hindere ihn an seinem Glück. Wenn »ich« etwas will, was »du« nicht möchtest, vergrößert das meinen empfundenen Schmerz. Bis zu dem Punkt, an dem es notwendig erscheint, den anderen zu töten, um endlich wieder frei, endlich wieder ich sein zu können.

Die Liebe heilt diese empfundene Trennung und versöhnt uns.

Das Leid drängt uns immer wieder in die Idee eines »Ichs« zurück. Ein gutes, ein besonderes, ein herausragendes »Ich«, das sich gegen die anderen bösen, minderwertigen oder gar feindseligen »Ichs« durchsetzen muss. Es wird zur heiligen Pflicht, das Gute, Wahre und Schöne mit dem Schwert zu verteidigen. Aber kaum, dass ich zur Waffe greife, um damit das Gute zu schützen, mache ich mich schuldig und handle böse. Eine Zwickmühle, eine Paradoxie, die nur durch Transformation gelöst werden kann.

Das Leid ist bis heute mein größter Meister. Früher hämmerte es an die Fenster und Türen meiner Seele, dass es mich halb in den Wahnsinn trieb. Heute klopft es sachte an und fragt höflich, ob es mich stören darf. Die wichtigste Erkenntnis meines Lebens war meine Selbsterkenntnis: Ich bin mein Schatten, ich bin mein Licht. Alles, woran ich leide, habe ich selbst erzeugt. Das »Wie« ist das Rätsel, der Knoten, den es zu lösen gilt. Auch kollektiv, auch als Menschheit, steht uns ein großer Wandel bevor. So mächtig ist der Mensch geworden, dass seine eigenen Schöpfungen ihn in seinem Fortbestand bedrohen. Wie Goethes Zauberlehrling wartet der Mensch gebannt auf den großen Meister und Erlöser, der den richtigen Spruch zu sagen weiß, um die drohende Vernichtung zu bannen. Aber das Leid ist der größte Meister – wir lernen, wir wachsen daran. Wir müssen das Leid transformieren.

Deine Selbstermächtigung, deiner inneren Wahrheit zu folgen, beginnt mit diesem Buch. Du lernst, die Gesundheit deines Körpers und die Heilung deiner Seele in die eigenen Hände zu nehmen. Mit dir fängt es an, und es breitet sich aus und heilt Aspekt für Aspekt, Blockade für Blockade erst deine ganze Innenwelt und dann die Außenwelt.

Die vier großen Abschnitte in diesem Buch führen dich Schritt für Schritt tiefer und lassen dich in vielen praktischen Übungen an der heilsamen Welt des Chi teilhaben.

ERSTENS: Gefühle – oft gefühlt, nie verstanden. Sobald du deine Gefühle als energetische Objekte im Raum deines Herzens ertastest, hast du sie wieder im Griff. »Begreife« deine Gefühle, statt dich von ihnen durchschütteln zu lassen.

ZWEITENS: Bedürfnisse – sie kennen uns besser als wir uns selbst. Die abwehrende Haltung den eigenen Bedürfnissen gegenüber ist eine sublime Selbstablehnung. Unbewusst sind viele gegen ihre eigenen Wünsche, ihre eigenen Träume und damit auch gegen die Liebe, gegen die Freude, ja, gegen die Lust eingestellt.

DRITTENS: Kränkungen – sie machen uns krank. Emotionale Wunden sind die Urform der Trennung unseres göttlichen Bewusstseins von sich selbst. Spalten wir uns in zwei Hälften, beginnt überhaupt erst der Kampf gegen uns selbst, und es beginnen Krankheit, Siechtum und Sterben.

VIERTENS: Selbstheilung – Schritt für Schritt. Alle wichtigen Erkenntnisse aus diesem Buch fließen am Ende in deiner Selbstanalyse zusammen. Die Fragebogen und Eintragungen helfen dir, systematisch vorzugehen, bis dein Körper, dein Geist und deine Seele dank der Chi-Heilung erblühen.

Danke für deinen Mut, dich deinem Schatten zu stellen! Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, dir dabei zu helfen. Es lohnt sich. Es wird wundervoll, denn der Kosmos ist an Schönheit nicht zu übertreffen.

Und der Kosmos – das sind wir alle. Gemeinsam.

Teil 1

Gefühle – oft gefühlt, nie verstanden

Was ist Chi? – Die Energie deines Bewusstseins

Im 18. Jahrhundert faszinierte ein neues Fluidum die Welt: die Elektrizität. Diese Energie war lange umstritten und galt als Humbug. Im 20. Jahrhundert waren es die Quanten, an die keiner so recht glauben wollte, bis ihre Existenz bewiesen wurde. Im 21. Jahrhundert wird es die Lebensenergie sein, die völlig neue Dimensionen eröffnet.

Chi ist die universelle Bewusstseinsenergie, die in jedem Menschen, jedem Tier und jeder Pflanze fließt. Es ist eine Energie, die wir fühlen können, aber auch die Energie unserer Gefühle. Es vereint als potenzielle Energie alle bekannten Energieformen in sich: Chi kann rauchen und züngeln wie Feuer, strömen wie Luft und Wasser, hat aber auch zwei klare Pole wie die elektromagnetische Kraft. Als Potenzial ist Chi unerschöpflich, da es einem raumlosen Raum und einer zeitlosen Zeit entströmt. Weil unser Multiversum ein offenes System ist und kein geschlossenes, ist der Energieerhaltungssatz falsch. Aber ich will nicht mit physikalischen Details langweilen.

Ein gutes Bild, um Chi als potenzielle Energie besser zu verstehen, sind biolumineszierende Algen unter Wasser. Bewegst du deine Hände in diesem Wasser, glüht das dunkle Meer auf, erleuchtet von Abermillionen Mikroorganismen, die dich umschwärmen. Wirbel bringen die Algen zum Leuchten, sodass sich eine Bewegung im Wasser unendlich oft wiederholt. Die leuchtenden Wirbel kreieren selbst neue leuchtende Wirbel. Die Welt, wie du sie kennst, ist wie das Wasser. Und die Bewegungen deines Bewusstseins bringen das Chi zum Leuchten, ohne es je zu erschöpfen. Darum kannst du gar nicht zu wenig Energie haben, höchstens falsch geleitete, unterdrückte oder von dir abgespaltene Energie. Diese Trennungen zu lösen, ist die Hauptarbeit der Chi-Heilung. Um energetisch arbeiten und heilen zu können, solltest du drei Dinge für dich überprüfen.

ERSTENS: Deine Gefühle zeigen sich dreidimensional in deinem Körper. Sie kommen hoch, drücken von vorn auf deinen Brustkorb oder von der Seite auf deine Rippen. Etwas kann dich sprichwörtlich bedrücken, auf deinen Schultern lasten oder dir wie eine Bürde auf dem Rücken liegen. Eine Angst kann dich packen oder dir gar die Luft abschnüren, und deine Wut schießt vielleicht heiß wie Lava aus dem Unterbauch empor.

ZWEITENS: Je genauer du in deinen Körper hineinfühlst, desto stärker unterscheidet sich die Form, die du fühlst, von der Form deines physischen Körpers. Zunächst ist der Raum, den du in dir fühlst, wenn du deine Aufmerksamkeit in deinen Brustkorb hinabsenkst, vielleicht dunkel und dumpf, wie betäubt. Du spürst nicht viel außer einem diffusen Druck, der dir womöglich vertraut ist, aber auch unangenehm, weshalb du es bislang vermieden hast, in deinen Brustkorb zu fühlen. Aber je länger du deine Aufmerksamkeit dort hältst, genau in der Mitte deines Körpers, desto klarer wird die Bühne deiner Gefühle, der Vorhang hebt sich, und du kannst besser spüren, wie klein oder wie groß der Raum deiner Liebe ist.

DRITTENS:Das Chi, die Lebensenergie, formt alle diese Räume in dir und auch außerhalb deines Körpers. Darum kannst du die Lebensenergie auch zwischen deinen physischen Händen fühlen. Erlaube, dass sich die Energie zwischen deinen Händen verdichtet, vielleicht wie ein Magnetfeld, das du spürst. Oder, als ob du die Luft zwischen deinen Händen komprimieren könntest und so ein Druckgefühl entsteht, das eine Form zwischen den Händen zeigt, eine Textur, eine Oberfläche und eine Temperatur. Der Chi-Ball kann klein sein oder groß, weich oder fest, rau oder glatt, warm oder kalt. Prüfe so viele Eigenschaften dieses Chi-Balls in deinen Händen, wie du kannst, und schreibe sie dir auf. Male ein Bild von dem, was deine Hände fühlen, auch wenn es vage ist. Innere Bilder und Skizzen auf einem Papier helfen, das undeutliche Ertasten und Fühlen der Energie mit Form und Farbe zu füllen. Die luftige Energie, diese zarte Haut aus Licht bekommt Fleisch, sie wird immer fester und klarer in ihren Konturen. Was du hier fühlst, ist magisch, denn du spürst die Energie deiner unsterblichen Seele. Du ertastest deinen Energie- oder Lichtkörper, du berührst dich mit der Haut aus Licht.

Chi ist das kosmische Blut, die leuchtende Information, die zwischen den einzelnen Zellen des Multiversums fließt. Wenn wir das gesamte Multiversum wie ein Gehirn betrachten wollen, ist jede Pflanze, jedes Tier und jeder Mensch eine Nervenzelle darin. Wir haben zwar ein eigenes kleines Bewusstsein – das ist jedoch sehr beschränkt. Erst wenn sich die einzelnen Nervenzellen untereinander vernetzen, entsteht eine kollektive Intelligenz, die zunehmend Signale empfangen kann, die aus dem großen, dem kosmischen, dem universellen Bewusstsein stammen. Spirituelle Entwicklung bedeutet für mich, immer sensitiver für diese Signale zu werden, die unentwegt im Multiversum gesendet und empfangen werden. Eine innere Evolution, eine intrinsische Intelligenz beginnt zu wirken, die sich selbst beschleunigt und voranschreitet. Erst im Einzelnen bis zur Erleuchtung und dann in uns allen, bis zur erleuchteten Gesellschaft, die sozialer, intelligenter und ökologischer handeln und leben wird, als wir uns das derzeit auch nur vorstellen können.

Übung 1: Forme einen Chi-Ball

Setze dich bequem hin, und atme ruhig in deinen Bauch. Sammle deine Aufmerksamkeit in deinem Herzen, und konzentriere dich auf den Raum zwischen deinen Händen. Du hältst deine Arme im 90-Grad-Winkel an der Körperseite, und die Handflächen zeigen zueinander. Erlaube dir ganz bewusst, die Energie stärker zu spüren, wie ein Magnetfeld, eine Kraft, die sich hier verdichtet und fühlbar wird. Sobald du Kontakt zur Energie hast, gestatte ihr, dass sie die Form einer Kugel annimmt, deren Oberfläche du ertastest und erspürst. Die Energie strömt aus deinen Händen und formt sich zu einer Kugel, deren Form du erfühlst. Je entspannter Körper und Geist dabei sind, desto leichter fällt es dir, diese Kraft zu fühlen. Sie ist wie ein Magnetfeld zwischen den Händen, in Form einer Kugel, die jedoch Eigenschaften zeigen wird, die dich überraschen. Das ist ein Zeichen dafür, dass du es richtig machst. Alles, was haptisch gefühlt dreidimensional ist, das ist auch energetisch. Diese Formen überraschen den Verstand, da er nicht beeinflussen kann, wo die Energie stark ist oder schwach. Die Stärken und Schwächen der Energie kommen nämlich nicht vom Geist, sondern vom Herzen, es sind Stärken und Schwächen der Gefühle, nicht der Gedanken. Somit fühlst du also in Formen, was du fühlst.

Merke: Die Chi-Heilung macht aus Gefühlen, Bedürfnissen und Kränkungen haptisch fühlbareFormen, die wir heilsam integrieren.

Die beiden Pole der Energie

So wie bei jeder anderen Energieform auch, tritt die Lebensenergie polar auf, in zwei gegensätzlichen Kräften. Bei Strom sind das Plus und Minus, bei Licht Welle und Teilchen, bei der Lebensenergie nennen wir die Pole Yin und Yang. Schließt sich der Kreis aus Yin und Yang, fließt die Energie harmonisch. Dies ist das universelle Prinzip der Heilung: Yin und Yang auszugleichen.

Yin ist dabei das weibliche Prinzip der Kooperation. Yang ist das männliche Prinzip der Konkurrenz.

Sobald du einen Chi-Ball formst, kann er stärker Yin- oder stärker Yangpolarisiert sein. Die Yang-Energie ist fest wie eine Kugel und leuchtet wie eine Sonne. Die Yin-Energie ist ganz weich, eher dunkel und formt saugende Löcher und trichterförmige Schnüre.