Chicagoland Vampires - Von Biss zu Biss - Chloe Neill - E-Book

Chicagoland Vampires - Von Biss zu Biss E-Book

Chloe Neill

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Beschreibung

Merit und Ethan brauchen dringend etwas Zweisamkeit - weitab von den Sorgen um Haus Cadogan wollen sie entspannen, doch der Ärger ist ihnen dicht auf den Fersen. Ein romantisches Stelldichein zwischen den beiden Verliebten wird abrupt gestört: Als eine befreundete Vampirin blutüberströmt in der Tür steht und behauptet, ihren Formwandler-Ehemann umgebracht zu haben, ist die leidenschaftliche Stimmung wie fortgeblasen. Schnell wird Merit und Ethan klar, dass der Ort, an dem sie dem Alltag entfliehen wollten, der Schauplatz eines Krieges zwischen Blutsaugern und Gestaltwandlern ist. Nun wurde frisches Blut vergossen, und die beiden müssen schnell herausfinden, wer für den Mord verantwortlich ist, ehe die Hölle losbricht ... (ca. 100 Seiten)

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Inhalt

Titel

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Zitat

1

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6

Die Autorin

Die Romane von Chloe Neill bei LYX

Impressum

CHLOE NEILL

Chicagoland Vampires

Von Biss zu Biss

Ins Deutsche übertragen

von Marcel Aubron-Bülles

Zu diesem Buch

Merit und Ethan brauchen dringend etwas Zweisamkeit – weitab von den Sorgen um Haus Cadogan wollen sie entspannen, doch der Ärger ist ihnen dicht auf den Fersen. Ein romantisches Stelldichein zwischen den beiden Verliebten wird abrupt gestört: Als eine befreundete Vampirin blutüberströmt in der Tür steht und behauptet, ihren Formwandler-Ehemann umgebracht zu haben, ist die leidenschaftliche Stimmung wie fortgeblasen. Schnell wird Merit und Ethan klar, dass der Ort, an dem sie dem Alltag entfliehen wollten, der Schauplatz eines Krieges zwischen Blutsaugern und Gestaltwandlern ist. Nun wurde frisches Blut vergossen, und die beiden müssen schnell herausfinden, wer für den Mord verantwortlich ist, ehe die Hölle losbricht …

»Liebe deine Feinde, denn sie sagen dir deine Fehler.«

Benjamin Franklin

1

Die Welt lag tief unter uns im Dunkeln. Städte hoben sich in leuchtenden Mustern von der Ebene ab wie elektrische Schaltkreise, die auf eine schwarze Leinwand gemalt worden waren.

»Wir leben in einer wunderschönen Welt, Hüterin.«

Ich richtete meinen Blick auf den Vampir, der sich die Kabine im Luxusjet unseres Hauses mit mir teilte. Groß gewachsen, schulterlanges goldenes Haar, Augen, die wie geschliffene Smaragde funkelten. Ethan Sullivan saß in einem elfenbeinfarbenen Ledersessel, ganz der Meister seines Hauses. Denn das war er, der Anführer des Hauses Cadogan in Chicago und Mitglied des zum allerersten Mal einberufenen Kongresses der amerikanischen Meister. Er hatte sich zwar eine andere Aufgabe erhofft, aber hier ging es immerhin um mehr Gleichberechtigung für Vampire in nächster Zukunft – er würde seine Energie einer demokratischen Zusammenkunft widmen, nicht seiner Krone als König der Vampire.

Wer König der Vampire werden wollte, musste sich geistigen und körperlichen Prüfungen unterwerfen, die einem alles abverlangten, und zur selben Zeit waren wir auch noch auf der Jagd nach einem Serienkiller gewesen. Ethan, ich und unsere Leute hatten all diese Katastrophen irgendwie überstanden, aber schließlich fanden wir den Zettel, der das Fass zum Überlaufen brachte: In Ethans Räumlichkeiten im Haus Cadogan hatte Balthasar, der Vampir, der Ethan erschaffen hatte, eine Nachricht hinterlassen. Eine Nachricht, die es gar nicht geben dürfte, denn Balthasar war angeblich schon vor langer Zeit verstorben. Seit wir diesen handschriftlichen Zettel entdeckt hatten, standen wir unter ständiger Hochspannung, auch wenn wir seitdem nichts mehr von Balthasar gehört hatten.

Und dabei waren das nur die letzten dramatischen Vorfälle eines langen, schwierigen Jahres gewesen. Wir brauchten dringend eine Atempause. Also hatten wir uns auf den Weg nach Elk Valley gemacht, einer kleinen Stadt in Colorado. Dort besaß ein alter Freund von Ethan ein Haus, das abgeschieden in den Rocky Mountains lag und in dem wir uns erholen wollten.

Wenn wir bisher zusammen eine Reise unternommen hatten, dann waren immer übernatürliche Katastrophen der Grund gewesen, und daher war ich sowohl begeistert als auch ein bisschen nervös. Aber nervös im besten Sinne.

»Es ist eine große Welt«, sagte ich. »Ich fliege gern, weil es mich daran erinnert, wie groß unser Planet ist und wie klein wir im Vergleich dazu sind. Ich mag diesen Gedanken – dass wir unbedeutend sind und unsere Sorgen und Ängste auch.«

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du wirst niemals unbedeutend sein, Merit.« Er blickte aus seinem Fenster und zog einen Fingerknöchel über das Glas. »Aber ich verstehe, was du meinst. Da wir in der Dunkelheit leben, ist unser Blick eingeschränkt und lässt die Welt kleiner wirken. Hier oben, in zehntausend Metern Höhe, wird einem wieder bewusst, wie groß sie wirklich ist.«

»Der Wein scheint deine poetische Ader zu wecken.«

Er bedachte mich mit einem selbstsicheren Blick, der meine Körpertemperatur spontan nach oben schießen ließ. »Wollen wir herausfinden, was der Wein noch in mir weckt?«

Die Tür zu unserer Kabine öffnete sich mit leisem Zischen, und eine zierliche Brünette im marineblauen Kostüm und mit gepflegter Frisur kam mit einem kleinen Tablett herein. »Darf ich Ihnen ein paar kleine Erfrischungen reichen? Madam?«

Ethan deutete mit einem breiten Grinsen auf mich. »Ist sie wach, hat sie Hunger.«

»Nein, danke, ich habe im Augenblick keinen Appetit«, sagte ich und hob kurz die Hand. Zu diesem Nein ließ ich mich nur aus Prinzip hinreißen, denn die Häppchen sahen absolut köstlich aus.

Die Flugbegleiterin nickte und richtete sich wieder auf. »Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie Ihre Meinung ändern. Ich hoffe, Sie hatten bisher einen angenehmen Urlaub?«

»Wir haben gerade erst damit angefangen«, sagte Ethan, »aber bisher gefällt er uns sehr gut.«

Sie lächelte, nickte freundlich und verschwand dann wieder im Servicebereich. Wir blieben in unserer Kabine zurück, die gut zehn Kilometer über der Erde schwebte, umgeben von teurem Leder und feinstem Maserholz.

Ethan lächelte mich an und winkte mich zu sich herüber.

»Ich werde deinem Wunsch ganz bestimmt nicht nachkommen«, sagte ich. »Wir sind hier ja schließlich nicht allein.«

Eine Augenbraue zuckte nach oben, Ethans ständiges Markenzeichen. »Ich glaube, ich bin durchaus in der Lage, dich einen Flug lang nicht von meinem Charme verzaubern zu lassen, Hüterin. Setz dich einfach zu mir.«

Es war nicht meine Art, mich auf irgendjemandes Schoß zu setzen, aber wir hatten so selten Zeit ganz für uns allein, dass ich aufstand, zu ihm hinüberging und mich in seine Arme sinken ließ.

Da wir offiziell im Urlaub waren, hatte ich mich gegen meine übliche Kombination aus Lederhose und Lederjacke entschieden, die ich als Hüterin des Hauses Cadogan praktisch immer trug. Jetzt hatte ich eine blassrosa Wickeljacke, Jeans und Schläppchen an, was mich eher wie eine Ballerina aussehen ließ als wie eine Vampirkriegerin. Doch auch eine Kriegerin brauchte eine Nacht ohne ihr Schwert, ohne die ständigen Kämpfe und politischen Intrigen, die uns wie Bluthunde zu verfolgen schienen.

»Meine Hüterin«, sagte Ethan, als er den Sessel nach hinten kippen ließ und das Licht dämpfte. Ineinander verschlungen betrachteten wir die unter uns dahinziehende Welt. »Wir haben einen harten Winter hinter uns. Lass uns den Frühling genießen.«

Ich schloss die Augen und genoss seinen Duft, der mich umgab, seine Männlichkeit. Er hatte ein frisches, kräftiges Parfüm aufgelegt, das sich mit dem Geruch von Seife vermischte sowie mit der rassigen Note, die ihn auszeichnete.

In seiner Umarmung lagen Vertrautheit und Wärme, und ich wunderte mich immer noch jeden Tag darüber, dass er ganz und gar mein war.

Ich lächelte, als er mich fester in seine Arme schloss. »Erzähl mir, was wir in Elk Valley, Colorado, machen werden.«

»Außer dem Nächstliegenden?«, fragte er und knabberte an meinem Ohrläppchen. »Lange Spaziergänge, atemberaubende Aussichten, plätschernde Gebirgsbäche, in die wir springen können, wenn es warm genug ist. Und wenn man deine besonderen Vorlieben in Betracht zieht, wird sicherlich auch das eine oder andere vorzügliche Abendessen infrage kommen.«

»Ich bin mehr als nur die Summe meiner kulinarischen Gelüste.«

Er lachte leise. »Das bezweifle ich nicht im Geringsten. Doch das Schönste ist, dass wir einfach wir selbst sein können, Merit. Ein Mann und eine Frau ohne Politik, ohne Chaos, nur wir beide.«

»Hört sich ziemlich gut an.«

»Das wird es auch sein. Ich habe vor, dich zu verwöhnen, Hüterin.«

»Das erzählst du mir schon die ganze Zeit.«

»Das tue ich. Lass uns doch herausfinden, wie gut ich mein Wort halten kann.«

»Was ist das?«, fragte ich eine Stunde später, als wir auf dem Rollfeld standen.

Es war ein Monstrum, kein Fahrzeug. Geländegängig, Kastenform. Riesige Reifen, extrem auffällige Bodenfreiheit. Die Karosserie war in einem so leuchtenden Orange gehalten, dass ich mich fast schon wunderte, dass sie nicht von selbst leuchtete.

»Das«, sagte Ethan und trat an meine Seite, »ist unser Gefährt.« Er hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und ein Alphatier-Funkeln in seinen Augen.

»Aus Angst vor der nahenden Zombieapokalypse? Weil wir darauf zählen, dass die Farbe sie alle abschreckt?«

»Weil wir den Allradantrieb brauchen. Auf unserem Weg werden wir nicht ewig auf befestigten Straßen fahren können.«

Mir gefiel die angedeutete Jagd durch die wilden Wälder Colorados nicht so recht. Ich fürchtete mich nicht davor, denn immerhin war ich hier das Raubtier. Selbst wenn es dort ziemlich finster war, konnte ich doch mühelos in der Dunkelheit sehen, und die Kreaturen, die dort lebten, würde ich im Notfall ohnehin mit Leichtigkeit besiegen. Die Nacht war nun mal unser Zuhause. Aber um dort hinzukommen, musste ich in diesem rollenden Orangenbonbon mitfahren.

»Ich werde es Orangenbonbon nennen«, teilte ich Ethan mit.

»Tu, was du nicht lassen kannst«, sagte er, half unserer Flugbegleiterin beim Einladen unseres Gepäcks und hielt mir dann die Tür auf. »Als dein Meister werde ich das tun, was ich nicht lassen kann.«

Eine Überraschung für niemanden.

Die Sonne mochte untergegangen sein, aber der Mond stand hoch am Himmel, eine leuchtend weiße Scheibe über uns. Wir fuhren durch schmale Täler mit waldbedeckten Hängen, dann in die Berge, wo wir auf kurvenreicher Strecke immer weiter nach oben kamen.

Ethan hatte die Fenster heruntergefahren, und das sanfte Plätschern eines Bachs zu unserer Rechten wurde zur musikalischen Untermalung unserer Reise. Ich sah zu den bewaldeten Hügeln hinauf und erinnerte mich an einen Familienausflug nach Aspen, als wir noch jung gewesen waren. Mein Bruder Robert, meine Schwester Charlotte und ich waren leidenschaftlich gern Ski gefahren, und das auf Abhängen, die ich eigentlich nicht hätte hinuntersausen sollen. Doch der Geschwindigkeitsrausch hatte mich so mitgerissen, dass ich am Ende einen gebrochenen Arm mit nach Hause brachte.

Doch das Skifahren war nicht der Grund, warum ich mich daran erinnerte … Es waren die Bäume.

»Das sind doch Espen, oder?« Nur mit Espenholzpflöcken konnte man Vampire töten.

»Das sind sie«, sagte Ethan, der das Lenkrad mit beiden Händen festhielt und konzentriert auf die Straße blickte. Mit seinem eigenen, eleganten Ferrari hätte er diese Kurven sicher besser im Griff gehabt.

Aber er musste sich ja für das Orangenbonbon entscheiden.

»Ist es nicht pure Ironie, dass du einen Urlaubsort aussuchst, der alles bietet, was man zur Vampirjagd braucht?«

Ich dachte daran, wie Espenholz ihn getötet und in Asche verwandelt hatte.

»Ist es«, stimmte er mir zu. »Aber diese Bäume sind nun mal typisch für Colorado oder zumindest für diese Gegend. Ich habe ohnehin nicht vor, mich während unseres Urlaubs pfählen zu lassen. Auch nicht danach.«

Ich zweifelte nicht, dass er das ernst meinte, aber ich klopfte trotzdem auf das Armaturenbrett, um uns gegen böse Geister zu schützen. Ich hatte in dem Jahr meines bisherigen Vampirdaseins einfach zu viel erlebt. Ich wusste, wie gefährlich sein Leben war – vor allem jetzt, wo er diese neue Aufgabe übernommen hatte –, und ich wusste auch, wie wichtig es war, Vorkehrungen zu treffen, selbst wenn es sich nur um Aberglauben handelte.

Ethan bog auf eine Nebenstraße ab, und der Asphalt verwandelte sich in knirschenden Kies auf Haarnadelkurven. Das Geräusch des Bachs wurde lauter, und man hörte, wie er über die Felsen strömte. Wir krochen an einer hohen Granitwand vorbei, und ich hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um den Fels oder das Wasser, das ihn hinablief, zu berühren.

Nach einer weiteren Kurve eröffnete sich uns der Blick auf ein weites Tal, das in espenbedeckte Hänge eingebettet unter uns lag. Auf einer großen Rasenfläche direkt vor uns befand sich ein großes Gebäude aus Steinen und Baumstämmen, wie ich es in der Wildnis Colorados erwartet hätte: riesige Stämme, große Felsbrocken und ein steiles Sägezahndach aus roten Metallblechen, die an ihren Übergangsstellen wie architektonisches Origami gefaltet waren. Das ganze Blockhaus war von einem goldenen Schimmer erfüllt, als ob in jedem Zimmer Kerzen angezündet worden wären.

Eine Veranda mit einem Geländer aus bearbeitetem Holz zog sich an der gesamten Hausvorderseite entlang. Zur Rechten war eine Steinterrasse zu sehen, auf der Möbelstücke aus massivem Holz verteilt waren, in deren Mitte ein in Stein eingefasster Whirlpool heißen Dampf in die frische Frühlingsluft steigen ließ.

»Und da sind wir«, sagte Ethan und brachte den Wagen auf der großen, gewundenen Auffahrt zum Stehen.

»Willkommen in Ravenswood!«

»Es ist wunderschön«, sagte ich, öffnete meine Tür und hüpfte hinaus auf einen Boden, den erst vor Kurzem geschmolzener Schnee weich gemacht hatte. Ich ging den gemusterten Steinpfad zur Veranda entlang.

Ein dickes Stück Holz, in das der Name »Ravenswood« eingebrannt worden war, hing an zwei Haken befestigt über der Tür. Der Umriss eines Raben, ebenso dunkel wie sein lebendiges Vorbild, hatte sich auf dem zweiten »o« niedergelassen. Als ich einen der Pfosten, die das breite Verandadach stützten, mit meiner Hand umfasste, spürte ich, dass das Holz kühl und glatt wie Plastik war. Mehrere Adirondack-Gartensessel standen in der Nähe, und eine Schaukel aus demselben massiven Holz befand sich am anderen Ende. Ich stellte mir vor, wie ich eine Nacht auf dieser Schaukel verbrachte, ein Buch in einer Hand und Ethan an meiner Seite.

Aber trotzdem. Der Stil dieses Hauses war nicht wirklich überraschend, seine Größe aber wohl. Ich sah zu Ethan hinüber. »Ich dachte, wir würden in einem Gästehaus untergebracht.«

Er grinste. »Das ist das Gästehaus.«

»Verdammt«, sagte ich. »Wie groß ist denn das Haupthaus?«

»Groß«, sagte er und zeigte auf einen Pfad, der den Hügel hinab in die Wälder führte. »Das Haus ist hinter diesem Wald, falls du es vor Neugier nicht mehr aushalten solltest«, fügte er mit einem weiteren Grinsen hinzu. Dann holte er unsere Taschen und unsere Katanas aus dem Wagen, klappte den Kofferraumdeckel zu, reichte mir die Katanas und zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche.

Als er die massive Holztür aufschloss, sagte er: »Willkommen in deinem Urlaub, Hüterin!«

Die Inneneinrichtung spiegelte das Äußere wider. Holzböden, Holzwände, die honigfarben schimmerten, und am Ende des langen Hauptraums ein riesiger offener Kamin, der sich über zwei Stockwerke bis zur gewölbten Decke erstreckte. Bei den überdimensionierten Möbeln überwog Leder als Material, und man hatte sie vor einer Fensterreihe aufgestellt, von der aus man das Tal überblicken konnte.

Eine Glastür führte auf eine Holzterrasse, die vor den Fenstern lag. Ich öffnete die Tür und ging hinaus. Der Ausblick verschlug mir den Atem. Das Tal erstreckte sich vor uns wie ein Geschenk: Zu beiden Seiten wuchsen die Berge gen Himmel, ein Bach schlängelte sich mittendurch, bis er in der Ferne den Blicken entschwand. Erste grüne Finger tasteten sich durch die Oberfläche der ersehnten Sonne entgegen, auch wenn vereinzelt noch Schnee lag, und die gesamte Szenerie funkelte silbern im Mondlicht.

Ethans Körper drängte sich an meinen, als er mich in seine Arme schloss, während ich den Anblick begeistert in mich aufsaugte. Ich versprach mir, mich an jeden Umriss, an jeden Fels, jede Klippe und jede Windung des plätschernden Bachs in alle Ewigkeit zu erinnern.

»Vielleicht ist unsere Welt doch nicht so klein«, sagte er.

Ich nickte und lächelte, als ein warmer Frühlingshauch durch meine langen dunklen Haare fuhr. »Vielleicht nicht.«

Schweigend standen wir da, genossen die Ruhe, bis sich unsere Augen an die Dunkelheit und unsere Ohren an die ungewöhnliche Stille gewöhnt hatten. In Chicago war es nie ruhig. Selbst in Hyde Park, Meilen entfernt von der Innenstadt, lebten wir mit einem Grundrauschen, das sich aus Straßenverkehr, Cafés, Fluglärm, Nachbarn, Hunden und Sirenen zusammensetzte.

Zuerst hörten wir nichts. Doch je mehr sich unsere Ohren an ihre Umgebung anpassten, umso mehr Geräusche nahmen wir wahr. Wasser, dass zwischen Steinen floss und über Stufen hinabstürzte. Wind, der durch das hohe Gras wehte. Frösche und Grillen, die sich zwischen den Halmen versteckten. Das Knarzen des Holzes, als ob sich das Haus auch an die Dunkelheit anpasste.

Das plötzliche Klingeln der Türglocke traf uns wie ein Peitschenschlag. Sie klingelte einmal, dann noch mal, in offensichtlicher Eile.

Ethan fluchte leise, ließ mich los und sah sich um.

Ich war sofort in höchster Alarmbereitschaft. »Wer weiß, dass wir hier sind?«

»Niemand im gesamten Staat, soweit ich weiß, abgesehen von Nessa und ihrem Ehemann.«

Nessa McKenzie war unsere Gastgeberin. Ihr gehörte Ravenswood und das Haupthaus, das einem Giganten gleich am Ende des Waldpfads lauern musste.

Ich begleitete Ethan zur Eingangstür, sah zu, wie er durch den Spion blickte und die Tür ohne weiteres Zögern öffnete.

Eine bezaubernde Vampirin stand vor uns.

Lange, wilde braune Locken hingen an einer Seite über ihre Schulter herab. Große braune Augen starrten uns an, und ihre Hände und ihr Kleid waren blutverschmiert.

»Nessa«, sagte Ethan offensichtlich überrascht und besorgt, als er sie mit einem raschen Blick musterte. »Was ist passiert?«

»Taran«, sagte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Er ist tot.«

2

»Komm herein«, sagte Ethan. Er nahm sie am Arm, zog sie vorsichtig in die Eingangshalle und schloss hinter ihr die Tür.

»Nessa, darf ich dir Merit vorstellen, meine Hüterin.« Taran ist – war – ihr Ehemann, fügte er wortlos über unsere telepathische Verbindung hinzu.

Ethan legte ihr beruhigend die Hand auf den Rücken, und auf seiner Stirn tauchte die vertraute Sorgenfalte auf.

Und obwohl er es nicht aussprach – ob nun stimmlich oder wortlos –, konnte ich mühelos seine Gedanken lesen: Was haben wir uns jetzt schon wieder eingebrockt?

»Komm«, sagte er, begleitete sie zum Sofa und brachte sie dazu, sich hinzusetzen. »Erzähl uns, was geschehen ist.«

Sie packte die Armlehne des Sofas und schüttelte den Kopf. »Ich kam nach Hause, und Taran lag auf dem Boden.« Sie sah nach unten, ihr Blick huschte hin und her, als ob sie ihn wieder vor Augen hätte. »Ich dachte, er wäre hingefallen. Gestolpert. Ich neckte ihn deswegen – ich sagte etwas wie, er solle doch besser aufstehen, der ungeschickte Kerl –, aber dann wurde mir klar … dass er tot war.«

Sie schluchzte und schlug die Hände vors Gesicht. Ethan rieb ihr tröstend über den Rücken.