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Isabel Wiedenroth gehört zu den wenigen Deutschen chinesischer Herkunft, die über drei Jahrzente Erfahrung im praktischen Chinageschäft verfügen. Mit ihrem Plädoyer für ein besseres Verständnis für die digitale Transformation in China zeigt sich auf, was zu tun ist, wenn deutsche Unternehmen weiterhin in China erfolgreich sein wollen. Es ist uns heute nicht mehr egal, wenn in China ein Sack Reis umfällt.
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Seitenzahl: 59
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Für Leonard und die Generation Z
Es gibt keine Alternative zur digitalen Transformation. Visionäre Unternehmen werden neue strategische Optionen für sich herausarbeiten. Diejenigen, die sich nicht anpassen, werden scheitern.
Jeff Bezos, Amazon
Vorwort
Digitale Transformation: Blick nach China
Made in China vs. Made in Germany
Autonomes Fahren: China geht voraus
Digital Silk Road Initiative: Chancen für europäische Firmen
E-Mobility China 2025: Deutsche Premiummarken im Trend
China Standards 2035: Globale Standards für die Zukunft
Chinesische Internetgiganten: Baidu, Alibaba, Tencent
US-China Tech-Krieg: Deutschlands Antwort
Als junge China-Managerin einer schwäbischen Firmengruppe kam ich 1994 nach Beijing, um an der ersten „Engine China Expo“ teilzunehmen. Unser 225 kVA Stromerzeuger mit Deutz-Diesel „Made in Germany“ war eines der Highlights der Messe. Dort konnten wir mit unserer kompakten Bauweise, überlegener Qualität und moderner Generatorentechnik die Chinesen begeistern. Mein Chef war überrascht, als ich auf der Messe dieses Power-Gerät für einen guten Preis von rund 80.000 Deutsche Mark an einen Händler in Hongkong verkaufen konnte. Damals verdiente ein Techniker in China ca. 200 Yuan pro Monat. Heute beträgt das Gehalt für gleichwertige Arbeit mindestens 3900 Yuan. Gegenwärtig gibt es in China eine Menge von Motorenwerken, die qualitativ ähnliche Stromerzeuger herstellen, aber zu günstigeren Preisen.
Im Jahr 1995 wurde ich von ZF Friedrichs-hafen, Deutschlands Hidden Champion im Bereich Getriebe- und Fahrwerktechnik, nach Liuzhou entsendet, um dort als Assistentin des Geschäftsführers beim Aufbau eines deutschchinesischen Joint Ventures mitzuwirken. Zum ersten Mal erlebte ich wie zäh, hartnäckig und unberechenbar die chinesischen Verhandlungspartner sein können. Auch wenn ich für diese Verhaltensweisen immer plausible Erklärungen finden konnte, hatten meine deutschen Kollegen dafür kein Verständnis. Die deutschen Ingenieure schauten von oben herab, sie waren die Lehrmeister, sie diktierten. Die deutschen Manager waren skeptisch, ob ihre chinesischen Arbeiter es jemals schaffen würden, ein Getriebe gemäß deutschem Standard herzustellen. Heute wird in dem modernen Joint Venture-Werk Liuzhou ein hoch innovatives Staplergetriebe von ZF produziert, nicht nur für den chinesischen Markt, sondern auch für den Export.
2007 ging ich für BWT AG nach Shanghai, Europas führendes Wassertechnologie-Unternehmen, um dort eine 100%ige Tochtergesellschaft ohne chinesische Beteiligung (WFOE) zu gründen. Aus strategischer Überlegung schlug ich vor, eine solche WFOE mit Produktionslizenz zu gründen, und zwar mit der Planung einer teilweisen Produktionsverlagerung von Deutschland nach China. Leider sah die deutsche Chefetage nur die Möglichkeit, „Produkte made in Germany“ über einen Distributor in China zu vermarkten. Sie konnte nicht nachvollziehen, dass die Errichtung einer eigenen Produktionslinie nach deutschen Qualitätsnormen für die nachhaltige Markterschließung in China wichtig sei. Erst 2019 hat BWT eine strategische Partnerschaft mit dem chinesischen Marktführer im Bereich Haushaltsgroßgeräte „Haier“ gestartet. Dadurch wollte BWT Haiers Netzwerk von 33.000 Shops nutzen, und die Produkte von Haier könnten durch die BWT-Technologien optimiert werden. Diese strategische Allianz wäre vor zwölf Jahren aufgegangen, aber ist sie heute immer noch ein Erfolgskonzept?
Im digitalen Zeitalter beherrschen Technologie-Konzerne, die sog. Internetgiganten wie Google, Apple, Facebook und Amazon, die globale Digitalökonomie. Sie drängen in immer mehr Branchen und Lebensbereiche. Durch ihren gigantischen Börsenwert von rund 5,3 Billionen US$ haben diese Internetgiganten enorme Ressourcen. Sie beschäftigen die besten Experten, haben die größten Forschungsbudgets und die größte Reichweite. Gleichzeitig besitzen sie unfassbar viele Daten und die neuesten KI-Technologien, um daraus relevante Rückschlüsse und Erkenntnisse ziehen zu können. Sie wissen, wer wir sind, was wir tun, mit wem wir kommunizieren, was wir mögen und was wir kaufen.
Viele von uns wissen nicht, dass die amerikanischen Internetgiganten wie Google, Facebook und Amazon bis heute keinen Zugang zum chinesischen Markt, dem größten E-Commerce-Markt der Welt haben. China ist seit 2013 der größte Online-Einzelhandelsmarkt der Welt. Im Jahr 2020 hat Chinas Online-Einzelhandel einen Umsatz von 11,76 Billionen RMB (1,51 Billionen EUR) erzielt. Die Zahl der Internetnutzer in China ist im Dezember 2020 auf 989 Millionen gestiegen.
WeChat – die chinesische Super-App, hat mittlerweile weltweit eine Milliarde Benutzer, ist bereits technologisch fortschrittlicher als sein Pendent WhatsApp aus den USA. Ohne WeChat zu verlassen, kann man auf eine Vielzahl anderer Dienste zugreifen (z.B. einkaufen, bezahlen, Taxi bestellen sowie Kurierdienst und Umzugsunternehmen beauftragen). Diese Dienste sind allesamt in einer einzigen Super-App untergebracht.
In diesem Buch möchte ich das Phänomen der digitalen Transformation in China darstellen. Sie besteht aus den großen Trends wie Autonomes Fahren, Elektromobilität, China Standards 2035 und der Digital Silk Road-Initiative. Besonders beschäftigt mich eine neue Form der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit nach dem Motto „Coopetition“. Es ist wichtig zu verstehen, warum viele der fundamentalen Regeln und Annahmen, die unsere China-Geschäfte in der vordigitalen Zeit bestimmt haben, heute nicht mehr gelten. Warum es für die Global Player heute nicht mehr aus reicht, sich innerhalb der amerikazentrierten Technosphäre zu bewegen. Warum unser Blick auf die schnell wachsende Techno-sphäre Chinas erweitert werden muss.
Provokativ gegen “America First” lautet Chinas Devise: China First. China hat sich von der verlängerten Werkbank hin zu Marktführerschaft in Bereichen wie der 5G-Technologie und der künstlichen Intelligenz verwandelt. Heute verdienen deutsche Automobilhersteller und Maschinenbauer immer noch viel Geld in China. Ob das langfristig so bleiben wird, ist fraglich. Ob sie weggefegt werden, wenn China endgültig zur Supermacht aufgestiegen ist, ist möglich. Dass deutsche Firmen ihre Lieferketten nach der Pandemie diversifizieren, um Abhängigkeit zu verringern, ist sinnvoll. Ganz von China abwenden wird sich aber niemand. Wo liegt die Kernkompetenzen Deutschlands im Zuge der Digitalen Transformation?
Ich hoffe, dass dieses Buch deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer anregt, ihre bisherige China-Strategie zu überdenken und sie gleichzeitig ermutigt, über den Tellerrand zu schauen, um Neues zu wagen. Denn bei der digitalen Transformation geht es nicht nur um Technologien wie KI, Big Data, Cloud Computing, sondern auch um neue Denkweisen und globale Strategie, insbesondere im Hinblick auf unsere China-Unternehmung.
Isabel Wiedenroth Nov. 2022
知
己
知
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百
戰
百
勝
Wer seine eigene Stärke und die des Feindes kennt, ist im Kampf unbesiegbar.
Abbildung 1: Handelspartner Deutschlands
Im Jahr 2021 wurden im Wert von 245 Mrd. Euro zwischen Deutschland und der Volkspublik China gehandelt. Damit war China im Jahr 2021 zum sechsten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner.
Bei der Digitalen Transformation geht es nicht nur um Technologien wie IT-Sicherheit, Big Data und Cloud Computing – sondern auch um globale Strategie und neue Denkweisen. Um sich für das digitale Zeitalter zu rüsten, müssten global agierende Unternehmen ihre strategische Einstellung viel stärker verändern als ihre IT-Infrastruktur. Die digitale Transformation erfordert eine ganzheitliche Sicht auf die Unternehmensstrategie, welche die Bereiche Kunden, Wettbewerb, Daten, Innovation und Wertschöpfung umfasst. Für die Global Player reicht es nicht mehr aus, diese fünf Domänen innerhalb der westlichen, amerikazentrierten Technosphäre zu betrachten. Der Blick sollte auf die schnell wachsende Technosphäre Chinas erweitert werden. Warum? Die Gründe liegen auf der Hand: