CLARIMONDE - Théophile Gautier - E-Book

CLARIMONDE E-Book

Théophile Gautier

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Beschreibung

Nach dem 1836 erschienenen Buch 'La Morte Amoureuse' (die liebende Untote) von Théophile Gautier. Lafcadio Hearn hat dieses Werk unter dem Titel 'CLARIMONDE' vom Französischen ins Englische übertragen und im Jahre 1908 erneut veröffentlicht. Letztere Version liegt der Übersetzung zugrunde. Der Vampir, ein ungeklärter Begriff aus dem slawischen Sprachraum, ist keine literarische Erfindung, sondern hat seinen Ursprung im Volksglauben in Sagen und Märchen unterschiedlicher Kulturkreise. Bereits aus der Antike sind blutsaugende Wesen in vielen Religionen bekannt. Die Vampirgeschichten der Neuzeit, in unseren Breiten vornehmlich ab dem 19. Jahrhundert entstanden, dienen dagegen häufig als Projektion für menschliche Urängste und für geheime und unterdrückte sexuelle Wünsche. Man findet starke erotische Elemente, welche die Reglementierung von Sexualität durch religiöse und gesellschaftliche Moralvorstellungen außer Kraft setzen und somit ein Ventil für sexuelle Fantasien darstellen. Unsere CLARIMONDE verführt einen Priester namens Romuald, das Buch reflektiert aber zugleich die allgemeinen sexuellen Zwänge. Sie war eine Vorläuferin der Carmilla von Sheridan Le Fanu, der im Jahre 1872 eine lesbische Vampirin schuf. Aus diesen und anderen blutsaugenden Verführerinnen des Grauens wurden Objekte der Begierde, die in der Literatur und im Kino nicht mehr wegzudenken sind.

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Seitenzahl: 64

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Das von Théophile Gautier verfasste Werk erschien erstmals im Jahre 1836 in französischer Sprache unter dem Titel 'La Morte Amoureuse' (die liebende Untote). Lafcadio Hearn hat das Buch unter dem Titel 'Clarimonde' ins Englische übertragen und im Jahre 1908 erneut veröffentlicht. Letztere Version liegt der Übersetzung zugrunde.

Mit Illustrationen aus den Werken und sonstige.

Bruder, du fragst mich, ob ich je geliebt habe. Ja, das habe ich. Meine Geschichte ist seltsam und schrecklich, und obwohl ich sechsundsechzig Jahre alt bin, wage ich es kaum, in der Asche dieser Erinnerung zu wühlen. Ich kann dir nichts abschlagen, und einem weniger erfahrenen Verstand würde ich eine solche Geschichte nicht erzählen. Die Umstände des Geschehens waren so merkwürdig, dass ich kaum glauben kann, jemals wirklich beteiligt gewesen zu sein.

Mehr als drei Jahre lang war ich das Opfer einer höchst seltsamen und teuflischen Illusion. Obwohl ich ein armer Landpfarrer war, lebte ich jede Nacht in einem Traum – ich wünschte, es wäre alles nur ein Traum gewesen – ein sehr weltliches Leben, ein verdammtes Leben, das Leben eines Sardanapalus. Ein einziger Blick, den ich allzu frei auf eine Frau warf, hätte mich fast um den Verstand gebracht; aber schließlich gelang es mir durch die Gnade Gottes und den Beistand meines Schutzpatrons, den bösen Geist zu vertreiben, der von mir Besitz ergriffen hatte.

Mein tägliches Leben war lange Zeit mit einem nächtlichen Leben ganz anderer Art verwoben. Tagsüber war ich ein Priester des Herrn, beschäftigt mit Gebeten und heiligen Dingen. Nachts, sobald ich die Augen schloss, wurde ich ein junger Edelmann, ein feiner Kenner von Frauen, Hunden und Pferden; ich spielte, trank und lästerte; und wenn ich bei Tagesanbruch erwachte, schien es mir umgekehrt zu sein, als hätte ich geschlafen und nur geträumt, ein Priester zu sein.

Von diesem schlafwandlerischen Leben sind mir nur die Erinnerung an bestimmte Szenen und Worte geblieben, die ich nicht aus meinem Gedächtnis verbannen kann. Obwohl ich die Mauern meines Pfarrhauses nie wirklich verlassen habe, könnte man, wenn man mich reden hört, meinen, ich sei ein Mann, der, aller weltlichen Freuden überdrüssig, Ordensmann geworden ist und ein stürmisches Leben durch Dienste an Gottes zu beenden sucht, und nicht ein bescheidener Seminarist, der in dieser dunklen, tief im Wald gelegenen, vom Leben des Jahrhunderts isolierten Kurie alt geworden ist. Ja, ich habe geliebt, wie niemand auf der Welt je geliebt hat – mit einer wahnsinnigen, wütenden Leidenschaft – so heftig, dass ich mich wundere, dass sie mir nicht mein Herz zerrissen hat. Ach, was für Nächte – was für Nächte!

Seit meiner frühesten Kindheit fühlte ich mich zum Priestertum berufen, und alle mein Streben war darauf ausgerichtet. Bis zu meinem vierundzwanzigsten Lebensjahr war mein Leben nur ein verlängertes Noviziat. Dann, nachdem ich mein Theologiestudium abgeschlossen hatte, empfing ich nacheinander alle niederen Weihen, und meine Oberen hielten mich trotz meiner Jugend für würdig, die letzte schreckliche Stufe zu bestehen.

Meine Priesterweihe war für die Osterwoche vorgesehen. Ich war nie in die Welt hinausgegangen. Meine Welt war durch die Mauern des Kollegs und des Seminars begrenzt. Ich wusste vage, dass es etwas gab, das man Frau nannte, aber ich erlaubte meinen Gedanken nie, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, und ich lebte in einem Zustand vollkommener Unschuld. Nur zweimal im Jahr sah ich meine kranke und alte Mutter, und diese Besuche waren meine einzigen Beziehungen zur Außenwelt.

Ich bedauerte nichts; ich fühlte nicht das geringste Zögern, den letzten unwiderruflichen Schritt zu tun; ich war von Freude und Ungeduld erfüllt. Niemals hatte ein Verliebter die langsamen vergehenden Stunden mit größerem und fieberhafterem Eifer gezählt. Ich schlief nur, um zu träumen, dass ich einmal die Messe halten würde; ich glaubte, es könne nichts Schöneres auf der Welt geben, als Priester zu sein; ich hätte es abgelehnt, lieber König oder Dichter zu sein. Mein Ehrgeiz konnte sich kein erhabeneres Ziel vorstellen. Ich erzähle dir das, um dir zu zeigen, dass das, was mir widerfahren ist, nicht im normalen Ablauf der Dinge geschehen konnte, und um dir die Möglichkeit zu geben, zu verstehen, dass ich das Opfer einer unerklärlichen Faszination war.

Endlich war der große Tag gekommen, und ich ging so leichten Schrittes zur Kirche, dass ich dachte, ich würde in der Luft schweben oder hätte Flügel auf meinen Schultern. Ich fühlte mich wie ein Engel und wunderte mich über die düsteren und nachdenklichen Gesichter meiner Begleiter, denn es gab mehrere von uns. Ich hatte die ganze Nacht im Gebet verbracht und befand mich in einem Zustand, der an Ekstase grenzte. Der Bischof, ein ehrwürdiger alter Mann, erschien mir als Gottvater, der sich über Seine Ewigkeit beugt, und durch das Gewölbe des Tempels erblickte ich den Himmel.

Du kennst die Einzelheiten dieser Zeremonie – den Segen, die Kommunion in beiderlei Formen, die Salbung der Handflächen mit dem Katechumenenöl und dann das gemeinsam mit dem Bischof dargebrachte heilige Opfer.

Ach, was hat Hiob gesagt, als er erklärte, dass ein unbesonnener Mensch einer ist, der keinen Bund mit seinen Augen geschlossen hat! – ' Ich habe einen Bund gemacht mit meinen Augen, dass ich nicht achtete auf eine Jungfrau'.

Ich hob unwillkürlich meinen Kopf, den ich bis dahin gesenkt hatte, und erblickte vor mir, so nahe, dass es schien, ich hätte sie berühren können, eine junge Frau von außerordentlicher Schönheit und in königlicher Pracht gekleidet. In Wirklichkeit befand sie sich jedoch in beträchtlicher Entfernung von mir und auf der anderen Seite der heiligen Balustrade.

Es war, als wäre es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich fühlte mich wie ein Blinder, der plötzlich wieder sehen kann.

Der eben noch so strahlende Bischof war plötzlich verschwunden, die Kerzen auf den goldenen Leuchtern verblassten wie Sterne in der Morgendämmerung, und eine große Dunkelheit schien die ganze Kirche zu erfüllen. In dieser Dunkelheit erschien das bezaubernde Geschöpf in hellem Licht wie eine engelsgleiche Offenbarung. Sie schien selbst zu strahlen und Licht auszusenden, anstatt es zu empfangen.

Ich senkte die Augenlider, fest entschlossen, sie nicht wieder zu öffnen, um mich nicht von äußeren Dingen beeinflussen zu lassen, denn die Geistesabwesenheit hatte sich allmählich meiner bemächtigt, bis ich kaum noch wusste, was ich tat.

Nach einer weiteren Minute öffnete ich die Augen wieder, denn durch meine Wimpern sah ich sie immer noch, in prismatischen Farben schimmernd und von einem Halbschatten umgeben, wie man ihn beim Blick auf die Sonne sieht.

Oh, wie schön war sie! Die größten Maler, die der idealen Schönheit bis in den Himmel selbst folgten und von dort das wahre Bildnis der Madonna auf die Erde zurückbrachten, haben in ihren Darstellungen nie auch nur annähernd die wilde Schönheit erreicht, die ich vor mir sah. Weder die Verse des Dichters noch die Palette des Künstlers könnten eine Vorstellung von ihr vermitteln.

Sie war ziemlich groß und hatte die Gestalt und Haltung einer Göttin. Ihr weiches blondes Haar war in der Mitte gescheitelt und floss in zwei goldenen Strömen über ihre Schläfen; sie erschien wie eine mit Diademen geschmückte Königin.

Ihre bläulich-weiß schimmernde Stirn erstreckte sich in ihrer ganzen Breite über die Bögen ihrer Augenbrauen, die durch eine seltsame Eigenart fast schwarz waren und die Wirkung der meergrünen Augen von unerschütterlicher Lebendigkeit und Leuchtkraft wunderbar unterstrichen.

Was für Augen! Mit einem einzigen kurzen Blick konnten sie über das Schicksal eines Menschen entscheiden. Sie hatten ein Leben, eine Klarheit, eine Glut, ein feuchtes Licht, wie ich es noch nie in menschlichen Augen gesehen hatte. Sie schossen Strahlen wie Pfeile heraus, die ich deutlich sehen