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Die neun Aktiven dieses Klimusicals inszenieren, dirigiert von Greta und Dok(tor Faust), das weniger lustige als heiße Thema mit scharfem Witz, akzentuiert durch sieben alte Songs (Calypso, Samba, La Bamba ...) mit jungen Texten rund um die Frage, ob die Menschheit fähig ist, die drohende Klimakatastrophe von ihrem einsamen Wohnort im Weltall abzuwenden. Klimephisto wettet dagegen ...
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Seitenzahl: 79
Veröffentlichungsjahr: 2020
Rollen:
Greta
Schülerin
w
Dok
Schüler
m
Klimephisto
Der stets das Böse will
m/(w?)
Rapha
Archangela (et cetera)
w
Gabri
Archangela (et cetera)
w
Micha
Archangela (et cetera)
w
Harry
Klimusiker
m
Rosa
Klimusiker/in
w/m
Ira
Klimusiker/in
w/m
Statt Apok Calypso?
Prelude auf der Erde Shto mne gore (Sinti-Roma/S.Pokrass)
Prolog im Himmel
Greta und der Doktor
Fahren Jamaica Farewell (Calypso/H.Belafonte)
Fliegen Day-O (Calypso/Harry Belafonte)
Essen Filosofia (Noel Rosa)
Gretchenfrage Der Singer fun Nojt (M.Gebirtig) It ain’t necessarily so (G./I.Gershwin)
Stämme statt Steaks!
Wetten? La Bamba (mexikanisches Tanzlied)
Schlussforum
Noten der sieben Songs
Ein Epilog muss noch
Literaturbasis
„You will die of old age. I will die of climate change.“
Diesen Spruch, auf Pappkarton hochgehalten von einem geschätzte 16 Jahre jungen Mädchen bei der Klimademo in Curitiba am 20.September 2019, empfand ich als Anklage. Aber wie mich verteidigen? Etwa wie folgt? „Olha, moça, mit 16 habe ich mein Pflichtreferat über Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“ gehalten. Das war 1969. Im Dezember 1980 wurde ich Mitglied der Grünen, und im Sommer 81 gab ich meinen wissbegierigen Fünftklässlern eine Biostunde über Schutz der Umwelt, besonders vor Treibhausgasen. Wegen diesen verkaufte ich im selben Jahr meinen Sportfallschirm (10 Liter Sprit pro Sprung), schenkte 1983 meinen von selbigen Fünftklässlern schön angemalten, 17 PS starken Citroen einer Bekannten, baute 1987 mit meinen Werkschülern ein von mir konstruiertes Solarmobilmodell, das die Schweizer Illustrierte „Blick“ später als „schönstes Spielzeug des Jahres“ lobte, installierte 1988-1990 zwei Solaranlagen (thermisch und photovoltaisch), investierte mein autofrei Erspartes 1996 in drei Windräder und war die ganzen Jahre zu Fuß, mit Fahrrad, Liegerad und öffentlichen Verkehrsmitteln ziemlich öko mobil. Leider auch mehrmals per Flugzeug, mit allerdings verzeihlichen Zielen, wie etwa Bau eines Kindergartens mit der Solidaritätsbrigade Bertolt Brecht in Nicaragua (1985), Feldforschung für mein pädagogisches mestrado und doutorado hier in Brasilien und den USA (1998-2000) sowie für ein Faltradreisebuch Jordan-Nil im Winter 2005. Mit meinem letzten Flug landete ich im Herbst 2011 (wieder mit Faltrad) in São Paulo, fuhr per Bus hierher in die „vegane Hauptstadt“ Brasiliens, half Emerson und Joselaine beim Aufbau ihres veganen Lanchonete – du kennst es sicher – und seit 2017 habe ich auf meiner kleinen agrofloresta fast 200 Bananeiras, Abacateiras und Goiabeiras gepflanzt. Du hast ja recht, was hilft das, wo gleichzeitig Amazonien abgebrannt wird, um Futter für Europas Rinder und Chinas Schweine anzubauen? Aber sag mir altem Mann was Besseres ...
Während in Brasilien unter einem ultrarechten Machisten der Regenwald noch schneller in Rauch aufgeht, scheint, von Europa ausgehend, die Jugend weltweit mit Erfolg eine radikale Kursänderung einzufordern, und die Reaktionen der reifegeprüften Erwachsenen erinnern an die Entscheidungsträger in Stanley Kubricks apokalyptischem „Doktor Seltsam“, auf Englisch „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“. Am Schluss, als durch männliche Borniertheit die Weltvernichtungsmaschine sich eingeschaltet und Strangelove den Herren erklärt hat, wie durch ein Bunker-Programm „Zehn Frauen pro Mann“ die Erde nachher neu bevölkert werden muss, kann der seltsame deutsche Doktor im Pentagon seinen Arm nicht mehr zurückhalten, der schnellt heraus zum Führergruß und die tragische Farce endet mit dem Song der alliierten Nazi-Gegner: „We‘ll meet again.“
Diese alliierten Soldaten hatten mit hohem Blutzoll ein Drittes Reich verkürzt, das eigentlich auf tausend Jahre angelegt war, wohl weil im Kapitel 20 der biblischen Apokalypse der Satan (Herr einer Synagoge im Vers 2:9) in Fesseln gelegt wird „für tausend Jahre“. Und dann fällt Feuer vom Himmel und die Bösen müssen in den Feuerpfuhl.
Die Erderhitzung wird, wenn wir weiterschlafen, mehr Opfer fordern als die Genozide an den Nichtariern des nicht ganz Tausendjährigen Reiches, an den Nichtweißen des entdeckten Amerikas und des versklavten Afrikas, also just den Gruppen von Untermenschen, die für Climapocalypso die Musik machten. Er wird mehr fordern, weil wir nach 2.500 Jahren noch immer unfähig sind, das Gebot gleicher Rechte – „Liebe den Andern wie dich selbst“ in Leviticus 19:18, bzw. „Behandle andere, wie du selbst behandelt werden möchtest“ zeitgleich im indischen Mahabharata – im Sinne der Nächsten (Generationen), der Kinder dieser Welt, politisch umzusetzen.
Und was soll da ein Stück Theater – wenn nicht aktivieren und statt primieren sensibilisieren? „We‘ll meet again“? Das wäre schön! Nicht erst dann, wenn klar werden sollte, dass der Mensch für diese sensible Planetin schlicht zu grobschlächtig war, sondern wenn schon durchscheint, dass unsere Spezies ihre Reifeprüfung bestehen wird?
Zum Welt-Autismus-Tag am 3.April 2019 brachte die Deutsche Welle eine Liste berühmter Beispiele, mit Einstein an erster, Mozart an dritter, und wer wohl an zweiter Stelle? Alle drei (und der „Autist“ Kubrick) sind für mich eher Introvertierte und HSPs, nämlich Highly Sensitive Personalities, gemäß der US-Psychologin Elaine Aron, die über solche Sensibelchen und sich selber schreibt: „Schließlich haben wir ein profundes Talent, das wahrzunehmen, was andere übersehen oder leugnen, und es ist Ignoranz, was den Schaden hervorruft, wieder und wieder.“ Schon 2001 war Aron sicher, „dass HSPs sich viel mehr Sorgen wegen Erderwärmung machen als Nicht-Hochsensible“. In „Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel?“ betont Andrea Brackmann die „ausgeprägte Empfindsamkeit“ und das „starke Gerechtigkeitsgefühl“ hochbegabter Kinder. „Sie machen sich überdurchschnittlich viele Sorgen um andere und denken schon früh über die Umwelt, soziale Probleme und den Tod nach“, sind „nicht nur auf geistiger Ebene hoch ansprechbar, sondern auch auf emotionaler und sensorischer Ebene hoch empfindsam. [...] Auffallend viele Hochbegabte ... sind strikte Vegetarier“.1 Marie-Louise von Franz erkennt in diesen Intuitiven ein Talent, „die Zukunft zu erriechen“, das „generell erst von späteren Generationen verstanden wird.“2 Zum Beispiel die Wissenschaftlerin, die 1856 als erste die erderwärmende Wirkung von Kohlendioxid erkannte? Ein männlicher Kollege musste es übernehmen, bei einem Kongress die wissenschaftliche Arbeit dieser Frauenrechtlerin Eunice Foote vorzustellen, die zusammen mit ihren zwei Töchtern, nämlich der frauenrechtlich/vegetarisch aktiven Mary und der Meeresbiologin Augusta, die von Jacques Derrida „carnophallogisch“ genannte Dominanz ganz gut bestätigen könnte: Voll anerkannt wirst du hier nur, wenn du Mann bist, Fleisch isst und das Wort hast.
Das Wort hat die Veganerin zwischen dem Geiger von Ulm und dem Zauberflötisten:
„Ich heiße Greta Thunberg, bin 15 Jahre alt und komme aus Schweden. Ich spreche jetzt über Klimagerechtigkeit.
Viele Leute sagen, Schweden sei nur ein kleines Land und was wir tun, habe keine Bedeutung. Aber ich habe gelernt, dass du nie zu klein bist, um etwas zu verändern. Und wenn ein paar Kinder weltweit Schlagzeilen machen, nur weil sie nicht zur Schule gehen, dann stellt euch vor, was wir zusammen erreichen könnten, wenn wir wirklich wollten! Aber um das zu erreichen, müssen wir Klartext reden, egal wie nervig das ist.
Ihr sprecht nur über ewiges grünes Wirtschaftswachstum, weil ihr Angst habt, unbeliebt zu sein. Ihr sprecht nur über Weitermachen mit denselben schlechten Ideen, die uns in diesen Schlamassel brachten, auch wenn das einzig Sinnvolle ist, die Notbremse zu ziehen.
Ihr seid nicht reif genug, zu sagen, was Sache ist. Auch diese Aufgabe überlasst ihr uns Kindern. Aber mir ist gleich, ob ich beliebt bin. Was mir nicht gleich ist, sind Klimagerechtigkeit und der lebende Planet.
Unsere Zivilisation wird geopfert für die Chance einer sehr kleinen Zahl von Menschen, weiter enorme Haufen Geld zu verdienen. Unsere Biosphäre wird geopfert, damit reiche Leute in Ländern wie dem meinen in Luxus leben können. Die Leiden der Vielen bezahlen den Luxus der Wenigen.
Im Jahr 2078 möchte ich meinen 75.Geburtstag feiern. Falls ich Kinder habe, werden sie vielleicht den Tag mit mir verbringen. Vielleicht werden sie mich über euch befragen. Vielleicht werden sie wissen wollen, warum ihr nichts getan habt, als noch Zeit war. Ihr sagt, ihr liebt eure Kinder über alles, und trotzdem stehlt ihr ihnen die Zukunft, vor ihren eigenen Augen ...“3
Enthält Thunbergs Statement etwas Religiöses, das den breiten Raum der Goetheschen „Gretchenfrage“ in diesem Klimusical rechtfertigen würde – abgesehen davon, dass angesichts klarer wissenschaftlicher Daten zu Not und Wendigkeit tatsächlich alles von Moral abhängt? Um „Klimagerechtigkeit und den lebenden Planeten“ geht es der jungen Aktivistin. „Gerechtigkeit, Gerechtigkeit sollst du suchen“ (sedek, sedek tirdof) und „Wähle das Leben, auf dass du und deine Kinder leben“ fordert das fünfte Buch Moses (16:20;30:19-20) in einem resoluten Entweder-Oder-Appell, „so dass ihr auf dieser Erde (adamá) lange wohnen bleibt“.
Ist da was Religiöses im spöttischen Vierzeiler des Mephisto?
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern
und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
so menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
Gott spricht menschlich mit dem Teufel: Woher hat der Goethe das? „Eines Tages kamen die Söhne Gottes (benei elohim), unter ihnen auch der Satan, um vor Jahwe hinzutreten, und Jahwe fragte Satan: Wo bist du gewesen?“ (Hiob 2:1). Sehr deutlich nimmt Goethe die Szene aus Hiobs Kapitel 2 als Modell seines zweiten Vorspiels, wo der Satan aus dem Kreis der drei „Göttersöhne“ Raphael, Gabriel und Michael heraustritt und vom Herrn nicht gefragt wird „Hast du meinen Diener Hiob bemerkt?“ sondern „Kennst du den Faust?“ Und dann übergibt der „Alte“ dem satanischen Wettpartner „den Faust ... meinen Knecht“ bzw. „meinen Knecht Hiob“ zum Resilienztest.
Den Goetheschen Zauberlehrling rettet der „alte Meister“ gerade noch rechtzeitig vor‘m Versaufen in den Wassermassen, die der durch Zauberspruch aktivierte Besenroboter mit deutschem Befehlsgehorsam