Coaching: Miteinander Ziele erreichen - Maren Fischer-Epe - E-Book

Coaching: Miteinander Ziele erreichen E-Book

Maren Fischer-Epe

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Beschreibung

Seit seinem Erscheinen 2002 hat sich das vorliegende Buch zu einem Standardwerk der Coaching-Literatur entwickelt. Es ist zu einem festen Begleiter in der Coaching- und Führungspraxis geworden und wird als Einführung und praxisnahe Orientierungshilfe in vielen Aus- und Weiterbildungen eingesetzt. Für diese Ausgabe ist der gesamte Text redaktionell überarbeitet worden und wiederkehrenden Leserwünschen wurde Rechnung getragen. Der Kern des Coachings ist jedoch über die Jahre hinweg derselbe geblieben: Ein gutes Coaching-Gespräch begleitet den Coachee bei der Suche nach stimmigen Zielen und Lösungen. Es fördert Kontextverständnis, Rollenklarheit, Selbstreflexion und Selbstverantwortung. Hier erfährt der Leser, was innerhalb eines Coachings geschieht, welche Strategien sich bewährt haben und wie man Coaching-Kompetenz erwirbt.

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Maren Fischer-Epe

Coaching: Miteinander Ziele erreichen

Eingeleitet von Friedemann Schulz von Thun

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Seit seinem Erscheinen 2002 hat sich das vorliegende Buch zu einem Standardwerk der Coaching-Literatur entwickelt. Es ist zu einem festen Begleiter in der Coaching- und Führungspraxis geworden und wird als Einführung und praxisnahe Orientierungshilfe in vielen Aus- und Weiterbildungen eingesetzt.

Über Maren Fischer-Epe

Maren Fischer-Epe ist Expertin für Lern- und Veränderungsprozesse. Sie arbeitet mit einem interdisziplinären Team in der Personal- und Organisationsentwicklung und leitet Ausbildungsprogramme zu Führungs- und Dialogkompetenz, Coaching und Persönlichkeitsentwicklung. Ihre Bücher über Coaching und Selbstcoaching sind Standardwerke in der Aus- und Weiterbildung von Beratern, Trainern und Führungskräften.

Inhaltsübersicht

EinführungVorbemerkung1. Coaching: Begriff und Verständnis1.1 Coaching-Begriff1.2 Mein Coaching-Verständnis1.3 Anlässe für Coaching-Anfragen1.4 Coaching aus drei Rollenperspektiven1.5 Der Ablauf eines Coaching-Prozesses1.6 Grundlagen und Grundannahmen2. Coaching: Werkzeugkoffer2.1. Zuhören und Stellung nehmen2.2 Den Überblick behalten2.3 Lösungsorientiert vorgehen2.4 Rollen und Aufgaben klären2.5 Kommunikation reflektieren2.6 Die psycho-logische Welt erklären2.7 Themenzentriert vertiefen3. Die Werkzeuge verantwortungsvoll einsetzen3.1 Die richtige Bearbeitungsebene finden3.2 Die Wirkung von Interventionen kennen3.3 Die Grenze zwischen Coaching und Therapie wahren4. Coaching praktisch: Das konkrete Vorgehen4.1 Aufträge klären4.2 Die Coaching-Gespräche führen4.3 Den Coaching-Prozess auswerten5. Coaching-Kompetenz in der Führungsrolle6. Der «ideale» Coach6.1 Coaching-Kompetenz entwickeln6.2 Coaching-Qualität sichernRegisterLiteratur

Einführung

von Friedemann Schulz von Thun

«Coaching»: zwar kein schönes Wort, ein hässlicher Klang. Haben wir nicht schon genug von all den Anglizismen, von jenen geistigen Fertigwaren, die bei uns als begriffliche Hoffnungsträger für Innovation und Modernisierung herhalten müssen? Und doch, unter diesem Begriff hat sich in den letzten dreißig Jahren eine besondere Qualität von Beratung und beruflicher Förderung herausgebildet, verbunden mit einer veränderten Rollendefinition (auch für Führungskräfte, Lehrer etc.), die tatsächlich eine Verheißung enthält: dass ich in Zeiten schwerwiegender und verunsichernder beruflicher Herausforderungen ganz individuell wirksame Hilfe bekommen kann. Um diese Qualität geht es hier, und Maren Fischer-Epe setzt anspruchsvolle Maßstäbe.

«Coaching»: Das klingt so ähnlich wie «Couch». Dieses Liegemöbel von Sigmund Freud ist im öffentlichen Bewusstsein noch immer mit dem Psychologen in unverwüstlicher Assoziation verbunden. Ob wir Lehrerkollegien oder politische Fraktionen beraten haben, immer stand hinterher in der Presse: «Lehrer auf der Couch!» oder (schlimmer noch) «X-Partei musste auf die Couch!» Ich hätte den Überschriftenredakteur würgen können! Nicht nur, dass um der Pointe willen ein falsches Bewusstsein vom Arbeits- und Rollenverständnis eines psychologischen Beraters aufgefrischt und verewigt wird. Viel schwerwiegender: Der Klient kommt in den Geruch, pathologisch zu sein, seine Neurosen erst bearbeiten zu müssen, bevor er wieder auf die Menschheit losgelassen werden kann.

«Coaching»: Wahrscheinlich kann dieser Begriff trotz klangtechnischer Ähnlichkeit wirkungsvoll helfen, endlich von der Couch loszukommen. Coaching klingt sportlich, nach Bundesliga, ein flinker Turnschuh, ein Hochleistungssportler erscheint auf der Spielfläche, der nicht nur gut trainiert, sondern auch «mental» optimal und mit allen Raffinessen der Kunst auf Sieg programmiert sein will. Nun gut, ein wenig von diesem sportlichen Hochleistungsimage kann wohl keinen großen Schaden anrichten, aber wenn wir nun Maren Fischer-Epes Buch lesen, merken wir bald, dass damit der Kern der Sache auch wieder nicht, oder jedenfalls längst nicht ausreichend, beschrieben ist. Und was ist der Kern der Sache?

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Leistungssportler im übertragenen Sinne, nämlich in Ihrem Beruf in verantwortlicher Position. Was Sie unternehmen, wie Sie entscheiden, wie Sie mit den Leuten umgehen – all dies hat Folgen, für Sie selbst, für die Menschen, für die Organisation. Und stellen Sie sich weiter vor: Die Herausforderungen, die auf Sie zukommen, sind nicht leicht zu meistern: Die strategische/ fachliche/ menschliche/ mikropolitische Komplexität setzt Ihnen zu und wächst Ihnen zuweilen über den Kopf. Wäre es da nicht gut, Sie müssten nicht alles alleine im stillen Kämmerlein ausbrüten und entscheiden, sondern Sie könnten sich darüber aussprechen und beraten mit einem klugen Menschen, der Ihnen wohl will und Ihnen hilft, die hundert Fäden zu entwirren, die in Ihrem Kopf zusammenlaufen und sich nicht selten verknäulen? Mit jemandem, der gut zuhören kann, aber im entscheidenden Moment auch etwas Kluges von sich gibt oder, oft noch wichtiger, die richtigen Fragen stellt? Mit jemandem, der mit geschultem Blick sieht, an welchen Stellen es hakt, sowohl in der Sache als auch menschlich, in Ihrem Team oder, noch menschlicher: bei Ihnen selbst? Mit jemandem, der Ihre Brille aufsetzt und alles mit Ihren Augen anschaut, aber dann plötzlich auch die Brille wechselt und ein ganz neues Bild wahrnimmt, das er Ihnen zeigt? Der Ihnen alle Wertschätzung und Respekt entgegenbringt, aber Sie doch auch mit Feedback konfrontiert, denn vielleicht haben Sie eine mächtige Position erreicht, und ehrliche Rückmeldungen von anderen sind in dieser Höhe zur Mangelware geworden? Was noch? Es dürfte kein arroganter Besserwisser sein, sondern eher jemand, der darauf vertraut, dass in einem kundig gestalteten Dialog «die Wahrheit zu zweit beginnt», dass die Frucht des Dialogs eine ist, die weder auf dem Baum des einen noch auf dem Baum des anderen hätte wachsen können. Dieser Dialog vollzieht sich nicht zwischen einem hilflosen, dummen Ratsuchenden und einem weisen, erfahrenen Ratgeber. Sondern zwischen zwei Experten, die unterschiedliche Qualifikationen mitbringen und im Zusammenbringen dieser Unterschiede auf Synergien hoffen können: Der eine, der Klient, bringt Sach-, Fach- und Feldkompetenz mit, denn er ist Profi in seinem angestammten Bereich; ferner kennt er sich selbst am besten, und das ist nicht minder wichtig. Der andere, der Coach (und dies kann und wird gerne eine Frau sein, obwohl es der Coach heißt), verfügt im günstigen Fall auch über Feldkompetenz, sodass ihm der Klient nicht alle Regeln, die auf seinem Schachbrett gelten, erst erklären muss. Vor allem aber liegt seine Fähigkeit darin, den dialogischen Prozess der Beratung, des Erarbeitens von Diagnosen, Interventionen und Lösungen nach den Regeln der Kunst zu gestalten. Und, vielleicht am allerwichtigsten: die Regeln der Kunst so zu variieren, dass sie für die Einmaligkeit des Augenblicks tauglich werden – für diesen Klienten, bei diesem Thema, in dieser Situation.

Es ist diese flexible Rollenvielfalt, die den Coach nach dem Verständnis von Maren Fischer-Epe auszeichnet: Je nach den Umständen ist er einfühlsamer Klärungshelfer, anschaulicher Lehrer, besonnener Berater, anteilnehmender und ehrlicher Mitmensch, effektiver Trainer, kurzum ein mutmachender Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe und immer ein verschwiegener Vertrauter.

Dazu kommt ein Arbeitsverständnis, das tiefschürfende Problemanalysen zwar nicht ausklammert, aber doch den Schwerpunkt mehr auf Ziele und Lösungen legt; das die Schwächen und Entwicklungsrückstände des Klienten zwar nicht tabuisiert, aber doch vor allem seine Stärken und Fähigkeiten betont und herausarbeitet; das die Belastungen und die manchmal schwere Not des Klienten zwar nicht verleugnet und schönredet, aber doch auch nach Perspektiven sucht, unter denen alles auch anders und positiv gesehen werden kann.

Wenn alles gut läuft, geht der Klient nicht nur gut beraten aus den Sitzungen hervor, sondern auch gestärkt und ermutigt, mit neu erworbenen Kompetenzen der Situationsdiagnose, der Selbstklärung und Selbstberatung, der Kontakt- und Problemlösefähigkeit. Aber der «Hochleistungssportler» soll nicht nur und nicht vor allem lernen, schneller, höher und weiter zu springen. Er soll auch die Ziele, die er sich setzt, auf Verträglichkeit überprüfen, das heißt in der Lebensbalance bleiben oder sie zurückgewinnen. Hier braucht der Coach jene Weisheit, die nicht jedes Ziel einfach zu erreichen hilft, sondern das Ziel selbst, von einer höheren Warte aus, in Frage zu stellen wagt.

Um ein solches Coaching leisten zu können, reicht es nicht, das Herz auf dem richtigen Fleck zu haben – obwohl auch dies eine wichtige und weithin unterschätzte Schlüsselqualifikation darstellt. Folglich öffnet Maren Fischer-Epe ihren reichhaltigen professionellen «Werkzeugkoffer». Hier hat es jedes Kapitel in sich, und wer Lust bekommt, diese Werkzeuge selber zu gebrauchen, hat noch – je nach Vorqualifikation – einiges vor sich, bis sie in seine Hand passen. Aber diese Lehrjahre dürfen mit höchstem Interesse genossen werden, da die hier vorgestellten Instrumente, Modelle, Sichtweisen und Methoden für die menschliche Entwicklung ganz allgemein wertvolle Anstöße geben.

Leser meiner Trilogie «Miteinander reden» finden hier, neben vielem anderen, auch «alte Bekannte» wieder: das Kommunikations- und das Wertequadrat, das Persönlichkeitsmodell von Riemann und Thomann, den Teufelskreis und das Modell vom Inneren Team, dargestellt im «Einsatzfeld Coaching». Dies ist insofern naheliegend, als ein Coaching dem Klienten u.a. dabei behilflich ist, mit sich selbst und mit anderen besser klarzukommen. Dieser kommunikationspsychologische Hintergrund verbindet sich bei Maren Fischer-Epe mit einer fundierten Kenntnis der Rollenanforderungen und Spielregeln im Management und ihrer langjährigen Erfahrung mit Veränderungsprozessen in der Unternehmenswelt.

1992 habe ich gemeinsam mit Maren Fischer-Epe den Seminarbaustein «Methoden der Einzelberatung und des Coachings» im Rahmen unserer Fortbildungsreihe für Berater und Trainer konzipiert und geleitet. Ich suchte und fand damals eine Spezialistin, die zweifach beheimatet war: in der Seele des Menschen ebenso wie im Feld der Hierarchien und Rollen, Strukturen und Organisationen. Diese zweifache Beheimatung ist das Besondere an dem hier vorgestellten Coaching-Verständnis. Es wird der Tatsache gerecht, dass der Klient zugleich Profi und Mensch ist. Der Profi will und muss sich auf dem Feld der Leistung bewähren, er sucht nach tauglichen Instrumenten und Vorgehensweisen, um seine Wirksamkeit und Perfektion zu steigern. Der Mensch sucht nach Sinn und Lebensbalance, nach Selbstverwirklichung in seiner einmaligen Existenz. Beide «Auftraggeber» sitzen auf dem Stuhl dem Coach gegenüber, und dieser darf keinen von beiden aus dem Auge verlieren. Nicht selten steht er vor der Aufgabe, sie wieder miteinander auszusöhnen, wenn der eine dem anderen und der andere dem einen zu schaffen macht.

Ich freue mich sehr, dass mit diesem Buch die Erkenntnisse vieler Jahre praktischer Coaching-Erfahrung für den Anwender anschaulich und präzise verdichtet vorliegen. Besonders gefällt mir, dass Maren Fischer-Epe ihre «Werkzeuge» zwar mit ansprechender Prägnanz vorstellt, dann aber auch den «verantwortlichen Einsatz» dieser Werkzeuge in Abhängigkeit von mancherlei Umständen demonstriert und reflektiert. Wohltuend und weise auch der wiederkehrende Absatz über «Chancen und Gefahren». Hier schreibt jemand, der über die erste Phase der Faszination und der damit einhergehenden Methodenverliebtheit schon lange hinausgewachsen ist.

Und sollte Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, der Mund ein wenig wässrig geworden sein, dann würde mich das ebenfalls freuen.

Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser,[*]

ich freue mich, dass dieses Buch seit seinem ersten Erscheinen 2002 zu einer großen Verbreitung gefunden hat und offensichtlich für viele Leser zu einem festen Begleiter in ihrer Coaching- und Führungspraxis geworden ist. Und besonders freut mich, dass es als Einführung und praxisnahe Orientierungshilfe in vielen Aus- und Weiterbildungen eingesetzt wird.

In der Zwischenzeit hat sich der sogenannte Coaching-Markt in alle Richtungen explosionsartig ausgeweitet, und der Begriff «Coaching» scheint beinahe schon so beliebig im Einsatz, dass man ihn manchmal gerne hinter sich lassen würde. Dennoch hat sich am Kern der Angelegenheit wenig geändert, die Basics sind dieselben geblieben: Ein gutes Gespräch bleibt ein gutes Gespräch. Und ein gutes Coaching-Gespräch begleitet den Coachee bei der Suche nach stimmigen Zielen und Lösungen: Es fördert Kontextverständnis, Rollenklarheit, Selbstreflexion und Selbstverantwortung. Coaching bietet damit – trotz manchem begrifflichen Missbrauch in den letzten Jahren – immer noch einen höchst wirkungsvollen Rahmen für Lernen und persönliche Entwicklung.

Für diese Neuausgabe habe ich den gesamten Text redaktionell überarbeitet und wiederkehrende Leserwünsche aufgegriffen:

Im ersten Kapitel beschreibe ich genauer, auf welchen Grundannahmen unser Coaching-Verständnis basiert. «Unser» Coaching-Verständnis, weil diese Gedanken im Laufe der Jahre natürlich nicht nur auf meinem Mist gewachsen, sondern im intensiven Dialog in unserem Beraterteam entstanden sind.

Im zweiten Kapitel habe ich im Besonderen den Abschnitt zum lösungsorientierten Vorgehen ergänzt und erweitert, und auch das fünfte Kapitel «Coaching-Kompetenz in der Führungsrolle» hat eine Rundumerneuerung erfahren.

Das sechste Kapitel habe ich um einige Feedbackbögen und Checklisten erweitert, um Ihnen die gezielte Reflexion und Entwicklung Ihrer Coaching-Kompetenz zu erleichtern.

Am Ende des Buches finden Sie ein neues Stichwortregister.

Außerdem habe ich im gesamten Buch den Begriff «Klient» durchgängig durch «Coachee» ersetzt – ein Wort, das beim Erscheinen der Erstausgabe 2002 in meinen Ohren noch recht sperrig klang, aber inzwischen selbstverständlich geworden ist und insofern besser passt, als es die Zielgruppe für Coaching offener und weiter fasst.

Wenn Sie Fragen haben oder mir/ uns ein Feedback geben möchten, schreiben Sie an [email protected].

 

Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen.

 

Maren Fischer-Epe

1.Coaching: Begriff und Verständnis

1.1Coaching-Begriff

Coaching ist ein schillernder Begriff, der in vielen Zusammenhängen ganz unterschiedlich benutzt wird. Um etwas mehr Klarheit über die Bedeutung des Coaching zu bekommen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Ursprünglich bedeutet Coach «Kutsche», das Wort ist in der englischen Sprache seit 1556 nachgewiesen und kommt aus dem Ungarischen. Das Bild der Kutsche vermittelt einen wesentlichen Kern von Coaching: Die Kutsche ist ein Hilfsmittel, ein Beförderungsmittel, um sich auf den Weg zu machen und ein Ziel zu erreichen.

Im Jahr 1848 taucht das Wort dann erstmalig in der Bedeutung eines privaten Tutors für Universitätsstudenten auf und wurde zunächst nur umgangssprachlich unter Studenten gebraucht. Im sportlichen Bereich wird seit 1885 in England und den USA von Coaching gesprochen. «Coaching» wird im Englischen inzwischen im allgemeinen Sinn des Unterweisens, Anleitens und Beratens verwendet.

In Deutschland kennen wir den Begriff Coaching hauptsächlich in drei Anwendungszusammenhängen:

als individuelle psychologische Betreuung im Spitzensport,

als Bezeichnung für einen entwicklungsorientierten Führungsstil

sowie als Bezeichnung für die individuelle Beratung von Führungskräften und Projektverantwortlichen.

Zunächst ist die Bedeutung des Coaching über den Leistungssport einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt worden. Im Sport steht Coaching für eine umfassende Betreuung von Spitzensportlern, die weit über ein reines Training der körperlichen Leistungsfähigkeit hinausgeht. Der Coach arbeitet mit psychologisch fundierten Trainingsmethoden:

Vielleicht haben Sie schon einmal im Fernsehen Bobfahrer vor einer Fahrt durch den Eiskanal beobachtet. Sie stehen in einer Reihe, haben die Augen geschlossen und schaukeln nach links, rechts, vor und zurück, als wären sie bereits im Rennen. Gedanklich sind sie das auch. Sie stellen sich mental und körperlich genau und konzentriert auf die Bewegungsabläufe ein. Dabei benutzen sie den Bewegungsrhythmus, der sich im Training als optimal herausgestellt hat. Sie versuchen also, sich auf Erfolg zu programmieren. Das ist ein Beispiel für ein mentales Training, wie es ein Coach im Sport anleiten könnte. Neben solchen psychologisch-fundierten Trainingsmethoden bietet der Coach im Sport aber noch mehr: Er hilft, Ängste zu überwinden, Blockaden abzubauen, persönliche Erfolgsstrategien zu entwickeln, Erfolge zu genießen und Misserfolge zu verkraften.

 

In amerikanischen Unternehmen bezeichnet Coaching seit den siebziger Jahren gleichzeitig auch einen personen- und entwicklungsorientierten Führungsstil, mit dem Mitarbeiter zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit und zur persönlichen Weiterentwicklung angeregt werden sollen.

Dieser Gedanke wurde in Deutschland seit Mitte der achtziger Jahre unter dem Begriff «Führungskraft als Coach» weiterentwickelt. Die Forderung, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter nicht nur fachlich anleiten, sondern auch entwicklungsunterstützend «coachen» sollen, hat sich zunächst besonders im Vertrieb etabliert und mittlerweile auf alle Führungsbereiche ausgeweitet. Da die Förderung und Entwicklung von Mitarbeitern ohnehin zur Führungsaufgabe gehört, ist die Idee der Führungskraft als Coach meiner Meinung nach sinnvoll und plausibel. Was damit konkret gemeint sein kann und wie sich der Coaching-Gedanke sinnvoll mit der Führungsrolle verbinden lässt, bleibt allerdings in manchen Unternehmen eher im Nebel diffuser Heilserwartungen. Wenn Sie als Leser mit dieser Frage befasst sind, finden Sie Anregungen dazu im Kapitel 5.

 

Parallel zur Idee der Führungskraft als Coach hat sich in Deutschland der Begriff Coaching seit Mitte der achtziger Jahre auch als Bezeichnung für eine professionelle, zunächst überwiegend externe Beratung für Führungskräfte durchgesetzt. Diese Form von Coaching schien in der Pionierphase nur Top-Führungskräften und wenigen Beratern vorbehalten und war zuweilen von einer Aura des Erlesen-Geheimnisvollen umweht. Damit sollte vermutlich kompensiert werden, dass Coaching vielfach mit Therapie assoziiert wurde. Führungskräfte, die sich beraten ließen, wurden schnell als hilfsbedürftig und damit unfähig eingestuft.

Heute ist Coaching in den meisten Unternehmen als selbstverständliche Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmen akzeptiert. Oft bedeutet es sogar eher einen Imagegewinn, wenn man sich coachen lässt. Dabei ist Coaching nicht mehr nur Führungskräften vorbehalten. Viele Unternehmen investieren Coaching-Maßnahmen inzwischen auch in Fachkräfte mit Projektverantwortung oder in Mitarbeiter und Prozesse, die sie fördern wollen.

Während es in der Pionierphase vor allem um die Weiterentwicklung sozialer Kompetenzen einzelner Führungskräfte ging, hat sich die Anwendungslandschaft von Coaching inzwischen deutlich erweitert: Im Rahmen von Umstrukturierungen, strategischer Neuausrichtung und Fusionen ist Coaching in vielen Unternehmen heute als Konzept für die systematische Entwicklung von Schlüsselpersonen und ganzen Führungsteams etabliert. Überall dort, wo sich Führungskräfte und Projektverantwortliche mit veränderten Rahmenbedingungen und Rollenanforderungen konfrontiert sehen, hat sich Coaching in der Personalentwicklung mittlerweile bewährt und ist nicht selten den klassischen Weiterbildungsinitiativen durch Trainings oder Seminare deutlich überlegen.

Der Coaching-Begriff steht heute zunehmend für Entwicklung und Leistungssteigerung und wird kaum noch mit Krankheit oder Schwäche assoziiert. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass er inzwischen für nahezu jegliche Form von Training und Beratung verwendet und vermarktet wird: Wenn das Verhalten vor der Fernsehkamera trainiert wird, wird es zum «TV-Coaching». Wenn man sich auf Konfliktgespräche vorbereitet, geht es um «Konflikt-Coaching». Teamentwicklung wird zum «Team-Coaching». Wenn ein Unternehmensberater mit einem Hierarchen spricht, hat er ihn «gecoacht» usw. Eine Freundin wurde bei der Krankengymnastik von dem behandelnden Physiotherapeuten damit überrascht, dass er sie gerne «ganzheitlich coachen» wollte. Paartherapie wird zum «Paar-Coaching», Erziehungsberatung zum «Erziehungs-Coaching». In Zeitschriftenannoncen findet man vielversprechende Angebote für «Life-balance-Coaching», «Power-Coaching» oder «Body-Coaching». Die kreative und manchmal effekthaschende Verwendung des Begriffs Coaching schafft für den Nutzer einige Verwirrung. Umso notwendiger scheint es, zu hinterfragen, was jeweils mit Coaching gemeint sein soll.

1.2Mein Coaching-Verständnis

Unter Coaching verstehe ich eine Kombination aus individueller Beratung, persönlichem Feedback und praxisorientiertem Training. Im Coaching werden Fragestellungen behandelt, die die berufliche Aufgabe und Rolle sowie die Persönlichkeit des Coachee betreffen. Dabei können die Themenfelder ganz unterschiedlich sein, zum Beispiel:

die Entwicklung geeigneter Führungs- und Problemlösungsstrategien,

die Rollenklärung und Positionsbestimmung in Konflikten und schwierigen Entscheidungssituationen,

die persönliche Arbeitsorganisation und das Selbstmanagement,

die persönliche Motivation und Entwicklung der beruflichen Karriere,

das Umgehen mit Macht und Einfluss,

Auftritt und Wirkung in der Kommunikation und Kooperation mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen,

die persönliche Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Work-Life-Balance.

Coaching als Beratung im Spannungsfeld von Rolle und Person

Bei der Bearbeitung dieser Themen im Coaching geht es immer gleichzeitig um zwei Perspektiven: Person und Rolle. Der Coach versucht, mit dem Coachee Lösungen zu finden, die den Rollenanforderungen gerecht werden und gleichzeitig zu seiner Person passen.

 

Klärungshilfe, Supervision und Coaching sind Formen von Prozessberatung, die helfen, Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen, ohne dass der Berater als Experte Lösungen vorgibt. Coaching ist in diesem Sinn eine professionelle Reflexions- und Entwicklungshilfe mit dem Ziel, Handlungsalternativen und eigenständige Lösungen zu entwickeln. Dabei bleibt die Selbstverantwortung des Coachee zu jedem Zeitpunkt gewahrt, der Coach leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Er begleitet den Coachee als Partner in einem Dialog unter Experten: Der Coachee ist Experte in seinem Arbeitsfeld, der Coach ist Experte für Gesprächs- und Beratungsmethoden und kennt sich in dem Themenfeld aus, das der Coachee bearbeiten möchte. Der Coach hilft bei der Suche nach stimmigen Zielen und angemessenen Lösungswegen, er fördert Zuversicht und persönliche Entwicklung. Der Coaching-Prozess ist zielorientiert und zeitlich befristet. Hier schließt sich der Kreis zur oben beschriebenen sprachlichen Wurzel des Coaching-Begriffs als sinnvolle Metapher: Eine Kutsche ist ein Hilfsmittel, ein Beförderungsmittel, um auf den Weg zu kommen und ein Ziel schneller und bequemer zu erreichen als zu Fuß. Der Insasse bedient sich dieses Hilfsmittels, entscheidet aber selbst über die Richtung bzw. das Reiseziel. Der Kutscher kennt die Wege, kann Entfernungen und Reisezeiten einschätzen, sorgt für die Qualität des Vorankommens und für angemessene Pausen.

1.3Anlässe für Coaching-Anfragen

Es sind oft äußere Anlässe, die zu einem Coaching führen. In den meisten Fällen steht eine Entscheidung an, oder es wird ein neues Rollenverhalten verlangt. Der Coachee hat in der Regel schon verschiedene andere Versuche unternommen, um seine Probleme zu lösen oder seine Fragen zu beantworten. Erst wenn diese Antworten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln wie Büchern, Selbstreflexionen, Gesprächen mit Freunden, Ehepartnern und Kollegen oder durch Seminarbesuche nicht gefunden werden und wenn der Handlungsdruck steigt, wächst auch die Bereitschaft, sich einen Berater zu suchen. Anlässe für Coaching-Anfragen lassen sich grob in drei Felder einteilen:

Veränderungen der Rahmenbedingungen und Rollenanforderungen

Hierzu gehören zum Beispiel:

Umstrukturierung, neue Rechtsform, Fusion, Verkauf des Unternehmens, Umorientierung zum Profit-Center,

neue Produktionsverfahren, neue Produkte, neue Technologien, veränderte Innenpolitik des Unternehmens,

Beförderung, neue Führungsaufgabe, Versetzung, Kündigung, Stellenwechsel.

Ein Beispiel für diesen Zugang zum Coaching: Herr A, 36, war bisher vor allem für anspruchsvolle IT-Projekte verantwortlich. Nun wird ihm im Rahmen der Fusion seiner Firma mit einem größeren Unternehmen die Position als Bereichsleiter in dem neu entstehenden übergeordneten IT-Bereich angeboten. Ein Karrieresprung über zwei Ebenen ist in der konservativ-hierarchisch orientierten Kultur beider Unternehmen bisher unüblich. Aufstiege erfolgen in geregelten Schritten und sind unumkehrbar. Wenn man in der Führungsposition scheitert, gibt es bisher keinen Weg zurück. Herr A ist sich nicht sicher, ob ein solcher Schritt nicht zu «anmaßend und zu gefährlich» ist. Im Coaching möchte er klären, wie er auf das Angebot reagieren will.

 

Kritische Situationen und Konflikte

Hierzu gehören zum Beispiel:

Kommunikations- und Kooperationsprobleme im Team oder mit einzelnen Mitarbeitern bzw. Kunden,

akute oder festgefahrene Konflikte zwischen Führungskräften oder ganzen Unternehmensbereichen,

Kommunikations- und Kooperationsprobleme mit dem eigenen Vorgesetzten oder mehreren Hierarchien.

Ein Beispiel für diesen Zugang zum Coaching: Der Leiter eines Produktionsbereichs in einem Elektronik-Konzern, Herr B, bekommt von seinem Chef den Hinweis, er würde sich gegenüber seinen Mitarbeitern und Führungskollegen zu wenig durchsetzen. Nachdem er zehn Jahre erfolgreich als Fabrikleiter im Ausland gearbeitet hat, ist er irritiert und verärgert über diese Rückmeldung. Sein Chef hat ihm empfohlen, doch mal in einem Coaching herauszufinden, wie er sein Verhalten verändern könne. Er spricht einen von ihm akzeptierten Personalentwickler des Unternehmens an und bittet um die Empfehlung eines Coach, ohne sein Anliegen zu konkretisieren.

 

Fragen der persönlichen Entwicklung

Hiermit sind alle Anliegen gemeint, in denen der Coachee von sich aus ein neues Verhalten lernen oder eine innere Einstellung verändern möchte. Auslöser können zwar auch hier veränderte Rahmenbedingungen oder Konflikte sein, der Fokus liegt aber von vornherein und bewusst stärker auf dem Wunsch nach persönlicher Entwicklung, zum Beispiel bei

komplexen Entscheidungsprozessen,

anstehenden Laufbahnentscheidungen, beruflicher Umorientierung oder Vorbereitung auf den Ruhestand,

seelischen oder körperlichen Symptomen von Überforderung, Überarbeitung, Sinn- und Motivationsverlust.

Auch hierzu ein Beispiel: Frau C, die Leiterin der Personal- und Organisationsentwicklungsabteilung eines männerdominierten Beratungsunternehmens, erlebt, dass ihre Arbeit zwar materiell großzügig unterstützt wird, ihre Projekte aber in Leitungsmeetings immer wieder unterschwellig entwertet und vom Top-Management inhaltlich nicht wirklich unterstützt werden. Während sie diese Situation einige Jahre lang «wegstecken konnte, weil die Resonanz von Kollegen und Mitarbeitern immer sehr positiv war», reagiert sie nun zunehmend «allergisch» und mit Motivationsverlust. Sie möchte herausfinden, ob es geeignetere Strategien im Umgang mit ihrem Top-Management gibt und wie sie sich wieder motivieren kann. Im Coaching merkt sie bald, dass es um die viel grundsätzlichere Frage geht, ob das Arrangement noch ihren Wünschen und Fähigkeiten entspricht, und dass sie neue Fähigkeiten und Einstellungen entwickeln muss, um ihre Leistungsmotivation dauerhaft wiederzugewinnen.

 

Die drei Beispiele zeigen, dass die Anliegen hinter den Coaching-Anfragen mehrere Aspekte gleichzeitig berühren können. Coaching kann häufig nur eine Ergänzung zu weiteren Personal- oder Organisationsentwicklungsaktivitäten sein und sollte mit ihnen Hand in Hand gehen.

1.4Coaching aus drei Rollenperspektiven

Wenn der Coachee alle Möglichkeiten im Vorfeld ausgeschöpft und sich nun entschieden hat, für seine Fragestellung nach professioneller Unterstützung zu suchen, hat er grundsätzlich drei Möglichkeiten: Er kann sich an den eigenen Vorgesetzten, an einen internen Coach oder an einen externen Berater wenden.

Ich möchte die Vor- und Nachteile dieser drei Varianten an den oben zitierten Beispielen veranschaulichen. Der Gruppenleiter Herr A und die Leiterin der Personalentwicklung Frau C suchen sich ein externes Coaching. Herr A befürchtet, dass sein Zögern und seine Zweifel ihm als Entscheidungsschwäche ausgelegt werden. Frau C möchte ihre Kritik am Top-Management nicht mit Kollegen austauschen, die sie gleichzeitig auch als interne Kunden betreut. Beide möchten sich zunächst in einem neutralen und diskreten Rahmen über ihre Ziele und Strategien klarwerden, bevor sie in ihrer Firma weitere Schritte unternehmen.

Im Unterschied dazu bekommt der Produktionsleiter Herr B eine kritische Rückmeldung von seinem Chef. Nun könnte der Chef theoretisch selbst als Coach tätig werden. Dann wären folgende Schritte notwendig: Er müsste mit Herrn B die kritischen Rückmeldungen vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfolgskriterien für Führung und Zusammenarbeit und seiner Erwartungen an Herrn B reflektieren. Angenommen Herr B fände diese Erwartungen und Maßstäbe nicht akzeptabel, dann müssten die Herren zunächst diesen Konflikt austragen. Wenn Herr B die Erfolgskriterien aber akzeptiert, jedoch an der Umsetzung scheitert, müsste der Chef in der Lage sein, ihn beraterisch zu begleiten. Vorausgesetzt, er traut Herrn B die erwartete Verhaltensänderung grundsätzlich zu, wäre dann das Thema der Gespräche: Wie kann Herr B ein neues Führungsverhalten lernen?

Diesen Lernprozess mit dem eigenen Vorgesetzten anzugehen hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Coaching-Gespräche lassen sich unauffällig und natürlich in den Arbeitsalltag einbetten. Da der Vorgesetzte die Zusammenhänge kennt, kann er gleichzeitig auch wichtiges Feedback geben und kleine Veränderungen wahrnehmen. Je stärker es im Coaching aber um Verhaltensänderung geht und je mehr der Vorgesetzte selbst in die Thematik verwickelt ist, desto eher gerät er in einen Interessenkonflikt. Für den Lern- und Entwicklungsprozess des Mitarbeiters ist es wichtig, ihn partnerschaftlich-wertschätzend zur Selbstorganisation anzuregen. Der Vorgesetzte steht aber vielleicht selbst unter Druck und braucht eine schnelle Verhaltensänderung des Mitarbeiters. Außerdem bewertet und beurteilt er am Ende auch dessen Leistungen und entscheidet über seine weiteren Karrieremöglichkeiten. Wenn diese doppelte Loyalität nicht transparent gemacht wird, droht ein «Beziehungsverrat».

Etwas leichter hätte es ein interner Berater, der in keinem hierarchischen Verhältnis zu Herrn B steht, zum Beispiel ein Personalentwickler mit Beratungskompetenz. Er könnte das Coaching von Herrn B in andere Personalentwicklungsmaßnahmen wie systematische Feedback-Prozesse oder Workshops zur Team- und Bereichsentwicklung einbetten. Oft bestehen aber auch hier Abhängigkeiten, die eine wirklich neutrale Gesprächshaltung erschweren.

Neben dem Thema der doppelten Loyalität ist es natürlich auch eine Frage der Gesprächsführungskompetenz, ob eine Führungskraft sich das Coaching zu einem Verhaltensthema zutraut. Im Fall von Herrn B hatte der Vorgesetzte entschieden, das sei «nicht sein Metier». Er wollte die Arbeit einem Verhaltensexperten überlassen. Die weitere Entwicklung dieser Coaching-Anfragen finden Sie in Kapitel 4.

Die folgende Abbildung zeigt noch einmal im Überblick die Vor- und Nachteile von Coaching aus den drei Rollenperspektiven.

Coaching aus drei Rollenperspektiven

1.5Der Ablauf eines Coaching-Prozesses

Der Coaching-Prozess lässt sich in drei Phasen gliedern: die Auftragsklärung im Vorfeld, die Coaching-Gespräche und im Anschluss daran die Auswertung des Prozesses.

Die Auftragsklärung im Vorfeld dient der ersten Überprüfung, ob die angestrebten Ziele im Rahmen eines Coaching angemessen erreicht werden können bzw. welche flankierenden Absprachen oder anderen Maßnahmen noch getroffen werden müssen. Dies gilt besonders, wenn das Coaching vom Unternehmen des Coachee finanziert wird und mit expliziten oder impliziten Aufträgen empfohlen oder verordnet wurde.

Nach der Auftragsklärung beginnen die eigentlichen Coaching-Gespräche. Der Coaching-Prozess ist immer zeitlich befristet und wird nach einer vereinbarten Frist ausgewertet. Grundsätzlich orientieren sich die Coaching-Gespräche an einem Ablauf in vier Phasen:

Kontakt finden und Orientierung schaffen

Situation und Ziele herausarbeiten

Lösungen entwickeln

Transfer sichern

Je nach Stadium im Coaching-Prozess sind die vier Phasen im Gesprächsablauf unterschiedlich gewichtet und betont.

Nachdem die Gespräche abgeschlossen sind, verabreden Coach und Coachee einen angemessenen Zeitraum, in dem die Erkenntnisse, Lösungsideen, Maßnahmen und Veränderungen im Arbeitsalltag umgesetzt und integriert werden können. Bei einer Auswertung des Coaching wird dann überprüft, inwieweit die angestrebten Ziele tatsächlich erreicht werden konnten, und der persönliche Lernprozess wird gewürdigt.

In Kapitel 4 finden Sie eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Phasen im Coaching.

1.6Grundlagen und Grundannahmen

In diesem Buch werden in erster Linie das konkrete Vorgehen im Coaching und das dafür erforderliche Handwerkszeug beschrieben. Vorgehensmodelle und Tools sind jedoch lediglich die sichtbare Oberfläche eines Coaching-Ansatzes. Darunter liegen Theorien und Grundannahmen. Sie sind die Basis für die ausgewählten Methoden und Modelle.

Wenn Sie zu einem Coach gehen, werden Sie schnell merken, wie Sie sich behandelt fühlen, ob der Coach Ihnen in einem partnerschaftlichen Dialog begegnet, ob Sie ehrliche Antworten bekommen, wenn Sie Fragen stellen, ob Sie sich in Ihrem persönlichen Entwicklungsprozess unterstützt fühlen, ob Sie Raum bekommen, sich mit Ihren noch ungeordneten Fragen und Gedanken auszubreiten. Nach einiger Zeit werden Sie vermutlich ebenfalls wissen, ob und in welcher Weise Ihr Coach Sie bei Ihrer Suche nach Lösungen unterstützt. Vielleicht erkennen Sie auch, welche Vorstellung Ihr Coach allgemein von Lernen und Veränderung hat, welche Bedeutung rationales Verstehen oder Emotionalität für ihn zu haben scheint. Irgendwann können Sie sogar etwas darüber sagen, welche Auffassung Ihr Coach über das Erkennen von Wahrheit oder Wirklichkeit hat.

All dies könnte man für persönliche Eigenschaften des Coach halten. Gleichwohl sind es die erlebbaren Auswirkungen von Modellen und Theorien, die seinem Coaching-Ansatz zugrunde liegen. Im Folgenden möchte ich Sie deshalb mit den basalen Annahmen und Theorien unseres Coaching-Verständnisses vertraut machen.

 

Unser Coaching-Verständnis …

… ist systemisch. Menschen, ihr Verhalten, ihr Erleben und ihre Ziele sind nur im Kontext ihrer sozialen Bezüge und Rollen, ihrer Kommunikation und Interaktion zu verstehen. Das Zusammenspiel von Menschen in Organisationen lässt sich erst vor dem Hintergrund bestehender Strukturen, Hierarchien, Aufgaben, Grenzen, Regeln begreifen. Im Coaching fördern wir daher eine mehrperspektivische Betrachtungsweise, um der Komplexität der Fragestellungen gerecht zu werden, um Interaktionen in ihren Wirkungen und Wechselwirkungen zu verstehen und angemessene Lösungen erarbeiten zu können.

 

… ist psychologisch. Wir gehen in unserem Beraterteam davon aus, dass das Erleben und Verhalten von Personen maßgeblich durch ihre Persönlichkeit und ihre individuelle Lern- und Entwicklungsgeschichte geprägt sind. Die systemische und die psychologische Perspektive haben in unserem Coaching-Verständnis den gleichen Stellenwert.

 

… ist konstruktivistisch. Wir sensibilisieren unsere Coachees dafür, dass ihre Sicht der Dinge weder objektiv noch im allgemeinen Sinne wahr sein kann. Dieselbe Situation wird von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen. Wahrnehmung ist mehr und etwas anderes als die bloße Aufnahme äußerer Geschehnisse. Wahrnehmung ist ein aktiver Konstruktionsprozess auf der Grundlage individueller Lebenserfahrung und gegenwärtiger Motivationslage.

 

… ist phänomenologisch. Wir ermutigen unsere Coachees, ihre subjektiven und sinnlichen Erfahrungen bewusst wahrzunehmen und für ihre Entscheidungen und Zielfindungen zu nutzen. Dazu hinterfragen wir voreilige Schlüsse, Verallgemeinerungen, Interpretationen, Glaubenssätze und Theorien.

 

… ist entwicklungsorientiert. Menschen sind von ihrem Wesen her kreativ, neugierig und auf der Suche nach für sie passenden Zielen, Lösungen und Verbesserungen. Wir sind überzeugt, dass Menschen sich lebenslang verändern können.

 

… basiert auf humanistischen Grundwerten wie Verantwortung, Freiheit, Achtsamkeit, Würde und Toleranz. Wir ermutigen unsere Coachees, Verantwortung für sich und ihr Lebensumfeld zu übernehmen, bewusste Entscheidungen zu treffen, die Konsequenzen zu bedenken und für eigene Entscheidungen und Handlungen einzustehen. Als Coach verpflichten wir uns, mit transparenten, nachvollziehbaren Methoden und Interventionen zu arbeiten, die für den Coachee zugleich nützlich und verständlich sind.

 

… ist dialogisch. Wir sind überzeugt, dass ein partnerschaftlicher, wertschätzender, im Idealfall intersubjektiver Dialog zwischen Coach und Coachee entwicklungsfördernd ist. Wir achten die Individualität des Coachee und respektieren, dass er sich in seiner Persönlichkeit, seinen Ansichten, Werten, Bedürfnissen und Zielen von anderen Menschen (auch vom Coach) unterscheidet.

 

… nutzt den aktuellen Stand der Neurowissenschaften. Die Neurowissenschaften liefern aus unserer Sicht fundierte und nachvollziehbare Erklärungsmodelle über Wahrnehmungen, Gefühle, Gedächtnis, Lernen sowie auch über bewusste und unbewusste Verhaltenssteuerung. Wir nutzen diese Erkenntnisse zur Förderung individueller Lernprozesse sowie zur Erklärung von Lernvorgängen und den damit verbundenen Herausforderungen.

 

… integriert Interventionstechniken aus unterschiedlichen Beratungs-Schulen, soweit diese in ihren erkenntnistheoretischen, anthropologischen und ethischen Grundannahmen miteinander vereinbar sind. Zum Beispiel nutzen wir Modelle und Methoden aus der systemisch-lösungsorientierten Beratung und der Kommunikationspsychologie, erlebnisaktivierende Methoden aus Rollenspiel, Psychodrama und Gestalttherapie (z.B. Spiegeln, Rollentausch, innerer Dialog, Arbeit mit kreativitätsfördernden Medien), Methoden des mentalen Trainings etc.

2.Coaching: Werkzeugkoffer

Vorbemerkung

Wann haben Sie sich das letzte Mal zu einer persönlichen Frage beraten lassen? Lassen Sie sich überhaupt beraten? Und wenn ja, gehen Sie dann eher zu Profis oder eher zu Freunden? Oder gehören Sie zu den Menschen, die sowieso alle Probleme selbst lösen?

Ich möchte Sie bitten, für einen Moment innezuhalten und eine kleine Gedankenreise zu unternehmen: Versuchen Sie sich an Situationen zu erinnern, in denen Sie Beratung hätten brauchen können oder in denen Sie sich wirklich Beratung oder Hilfe gesucht haben … Und jetzt erinnern Sie sich bitte an ein gutes Beratungsgespräch oder stellen es sich vor. Was war hilfreich für Sie? So wie Sie sich kennen, was brauchen Sie von einem Berater? Was tut Ihnen gut? Vielleicht erinnern Sie sich auch an schlechte Beratungsverläufe? Was hat Sie gestört oder Ihnen sogar geschadet? Wenn Sie ein Fazit ziehen: Was ist für Sie ganz persönlich das wichtigste Kriterium dafür, ob ein Beratungsgespräch hilfreich und nützlich wird?