Coaching zu Führungsthemen - Maren Fischer-Epe - E-Book

Coaching zu Führungsthemen E-Book

Maren Fischer-Epe

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Beschreibung

Anschaulich, praxisnah und systematisch – was hilft Führungskräften im Coaching? Wie kann ein Coach Führungskräfte sinnvoll bei der erfolgreichen Gestaltung ihrer Rolle unterstützen? Die Autoren widmen sich zentralen Fragen zum Thema Führung, stellen Vorgehensmodelle und Werkzeuge für das Coaching zur Verfügung und illustrieren sie mit Fallskizzen aus ihrer langjährigen Coachingpraxis. Die Ergänzung zum Bestseller «Coaching: Miteinander Ziele erreichen».

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Maren Fischer-Epe • Martin Reissmann

Coaching zu Führungsthemen

Modelle und Anregungen für die Praxis

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Anschaulich, praxisnah und systematisch – was hilft Führungskräften im Coaching?

Wie kann ein Coach Führungskräfte sinnvoll bei der erfolgreichen Gestaltung ihrer Rolle unterstützen? Die Autoren widmen sich zentralen Fragen zum Thema Führung, stellen Vorgehensmodelle und Werkzeuge für das Coaching zur Verfügung und illustrieren sie mit Fallskizzen aus ihrer langjährigen Coachingpraxis.

Über Maren Fischer-Epe • Martin Reissmann

Maren Fischer-Epe und Martin Reissmann verbindet eine langjährige Zusammenarbeit als Berater, Trainer und Coach in der Personal- und Organisationsentwicklung. Als Experten für Lern- und Veränderungsprozesse sind sie immer wieder begeistert, wenn sie mit vergleichsweise kleinen Impulsen zu nachhaltigen Veränderungen beitragen können – sowohl bei Einzelpersonen als auch bei Teams und Organisationen.

Martin Reissmann war viele Jahre selber Führungskraft in einem Konzern, kennt die beschriebenen Prozesse also auch aus der Innenperspektive. Die Bücher von Maren Fischer-Epe sind Standardwerke in der Aus- und Weiterbildung von Beratern, Trainern und Führungskräften. Gemeinsam leiten beide seit vielen Jahren auch Ausbildungsprogramme für Business-Coaching.

Inhaltsübersicht

VorbemerkungEinleitung: Herausforderungen an den Coach1. Rollen- und Führungsverständnis entwickeln1.1 Führungsanforderungen klären1.2 Führungssituation analysieren1.3 Wie passt die Rolle zur Person?2. Orientierung geben – strategische Ausrichtung schaffen2.1 Den Unternehmensrahmen klären2.2 Ein Zukunftsbild entwickeln2.3 Handlungsfelder definieren2.4 Maßnahmen ableiten3. Mitarbeiter fordern, fördern und coachen3.1 Mitarbeiter systematisch fördern3.2 Entwicklungsgespräche vorbereiten3.3 Das Gespräch führen3.4 Konstruktiv Feedback geben3.5 Führungskraft als Coach4. Teams erfolgreich führen4.1 Teamsituation analysieren4.2 Teamkooperation fördern5. Konflikte klären5.1 Konflikte analysieren und verstehen5.2 Konfliktgespräche vorbereiten5.3 Das Konfliktgespräch führenAnhang: Kurzversionen – Das Buch im Schnelldurchgang Rollen- und Führungsverständnis entwickelnOrientierung geben – strategische Ausrichtung schaffenMitarbeiter fordern, fördern, coachenTeams erfolgreich führenKonflikte klärenLiteratur

Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

in diesem Buch stellen wir Ihnen Überlegungen, Modelle und Werkzeuge vor, die sich in unseren Coachings mit Führungskräften bewährt haben. Vieles davon ist in ähnlicher Form auch Bestandteil unserer Arbeit als Personal- und Organisationsentwickler sowie in Führungs- und Kommunikationstrainings. Hier geht es uns aber um die Übersetzung ins Coaching und um die Verbindung der Experten – und Trainingsanteile mit der personenbezogenen Beratung.

Die beschriebenen Vorgehensmodelle möchten wir als Anregungen verstanden wissen und nicht als Rezepte oder starre Konzepte, denn Coach und Coachee müssen immer wieder austarieren, welche einzelnen Vorgehensschritte in der jeweiligen Situation angemessen sind und wie tief bzw. gründlich ein Schritt bearbeitet werden soll.

Die Kapitel sind unterschiedlichen Führungsanforderungen zugeordnet. Wenn Sie sich einen schnellen Überblick verschaffen wollen – beispielsweise bei der konkreten Vorbereitung einer Coaching-Sitzung –, finden Sie kurze Zusammenfassungen der wesentlichen Fragen und Vorgehensschritte im Anhang.

 

Dieses Buch ergänzt die rororo-Bände «Coaching: Miteinander Ziele erreichen» und «Selbstcoaching: Hintergrundwissen, Anregungen und Übungen zur persönlichen Entwicklung», die zum festen Bestandteil zahlreicher Aus- und Weiterbildungen geworden sind.

Grundsätzliche Haltungen, Modelle und Methoden der Gesprächsführung im Coaching und der Kommunikationspsychologie, die dort ausführlicher beschrieben sind, tauchen hier in ihrer praktischen Anwendung wieder auf.

Aus den Rückmeldungen unserer Leser wissen wir, dass beide Bücher vielfach als Vorbereitungshilfe vor konkreten Coaching-Herausforderungen genutzt werden. Wir würden uns wünschen, dass das auch mit diesem Buch gelingt.

 

Für zahlreiche Anregungen und ihre Ausdauer beim Korrekturlesen danken wir Claus Epe, Heidi Dokansky, Petra Speckmann und Nicolai Napp.

 

Wenn Sie Fragen haben, uns ein Feedback geben möchten oder an einer Weiterbildung zu Ihrer Coaching-Kompetenz interessiert sind, schreiben Sie an [email protected]

Einleitung: Herausforderungen an den Coach

Unter «Coaching» verstehen wir in unserem Beraterteam eine Kombination aus

individueller Beratung,

persönlichem Feedback und

praxisorientiertem Training

zu Themen und Fragestellungen, die sowohl die Rollenanforderungen als auch die Persönlichkeit des Coachees betreffen.

Den Begriff «Coaching» (von «to coach»: betreuen, trainieren) kennen wir in Deutschland seit den 1970er Jahren ursprünglich aus dem Spitzensport. Dort steht er für eine individuelle Betreuung von Profisportlern, die weit über ein reines Training der körperlichen Leistungsfähigkeit hinausgeht. Der Coach arbeitet mit psychologisch fundierten Beratungs- und Trainingsmethoden. Er hilft Ängste zu überwinden, Blockaden abzubauen, persönliche Erfolgsstrategien zu entwickeln, Erfolge zu genießen und Misserfolge zu verkraften.

Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich Coaching auch als Bezeichnung für die individuelle Beratung von Führungskräften durchgesetzt. In einem geschützten und diskreten Rahmen können Fragestellungen behandelt werden, die die Rolle und die Person des Coachees betreffen.

Im Unterschied etwa zum klassischen Unternehmensberater hilft der Coach Führungskräften als Sparringspartner, Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen, ohne dabei als Experte Lösungen vorzugeben. Coaching ist hier also eine professionell gesteuerte Reflexions- und Entwicklungshilfe durch einen neutralen Dritten. Der Coaching-Prozess ist zielorientiert und zeitlich befristet.

Coaching gilt heute in vielen Unternehmen als selbstverständliche Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmen und ist als Konzept für die systematische Entwicklung von Schlüsselpersonen und ganzen Führungsteams etabliert. Immer dann, wenn sich Führungskräfte und Projektverantwortliche mit herausfordernden Rahmenbedingungen und Rollenanforderungen konfrontiert sehen, z.B. bei der Übernahme neuer Führungsaufgaben, bei Konflikten oder schwierigen Entscheidungsprozessen, bei Umstrukturierungen, strategischer Neuausrichtung und Fusionen, hat sich der individuelle Zugang über ein Coaching bewährt: Im Einzelcoaching können Führungskräfte Schritt für Schritt persönlich stimmige Lösungen für aktuelle Problemstellungen entwickeln und mit dem Coach Umsetzung und Transfer begleitend reflektieren. Ein Coaching kann schnell, unkompliziert und punktgenau eingesetzt werden und ist damit nicht selten anderen Weiterbildungsinitiativen überlegen.

 

Was unterscheidet nun ein Coaching zu Führungsthemen von einem Coaching zu anderen Fragen, die nicht unbedingt mit einer Führungsrolle verknüpft sind, z.B. zu Auftritt und Wirkung, zur persönlichen Karriereplanung oder zur persönlichen Lebens- und Arbeitsorganisation? Zunächst einmal nichts, werden Sie vielleicht denken, denn die Grundhaltung und die Methoden der Gesprächsführung sind dieselben. Das ist im Prinzip auch richtig – und dennoch gibt es besondere Herausforderungen, die im Coaching zu Führungsthemen zu meistern sind.

Führungskräfte werden in der Regel eingesetzt, um mit ihren Mitarbeitern Unternehmensziele zu erreichen. Ihre Rollenanforderungen sind vielfältig. Sie sollen Orientierung geben, komplexe Prozesse managen und die Qualität und Effizienz von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen sicherstellen. Sie müssen Leistung fordern und gleichzeitig Mitarbeiter und Teams fördern. Sie müssen ein Klima schaffen, in dem Menschen im Sinne der Aufgabenstellung konstruktiv zusammenarbeiten können.

Führungskräfte bewegen sich also in einer höchst komplexen und anspruchsvollen Erwartungslandschaft. Ihr Handeln hat Auswirkungen auf viele andere Menschen, die mehr oder weniger davon abhängig sind, dass sie ihre Rollenverantwortung angemessen wahrnehmen. Im Coaching müssen oft widersprüchliche Rollenanforderungen austariert werden: Wie kann es gelingen, unternehmerisch klare Ziele zu setzen und Leistung zu fordern – und dabei gleichzeitig ein Team mitzunehmen und ehrliche Mitgestaltung anzubieten? Wie kann man eine ungeliebte Erwartung oder eine harte Kritik anbringen und den Mitarbeiter gleichzeitig wertschätzend bei seiner Entwicklung unterstützen? Wie soll man Menschen für Ziele motivieren, die einem selbst suspekt sind? Oder auf Ziele ausrichten, wenn dem Unternehmen eine Strategie fehlt? Wie viel Transparenz und Offenheit ist nötig, um das Vertrauen von Mitarbeitern in einer Krise nicht zu verlieren, und wie viel Zurückhaltung und Diskretion muss aus Loyalität zum Unternehmen gewahrt bleiben?

Wenn der Coach hier Sparringspartner sein will, braucht er auch Feldkompetenz: Er sollte sich in der Unternehmenswelt mit ihren Hierarchien und internen Mechanismen gut genug auskennen, um die Informationen einordnen und hinterfragen zu können und um dem Coachee auf Fragen zur Rollengestaltung auch angemessen antworten zu können.

Manche Beratungsschulen vermitteln die Vorstellung, alle Ressourcen seien im Klienten-System bereits vorhanden und müssten nur «geweckt» werden. Und tatsächlich ist ein tiefes inhaltliches Verständnis des Problems für die Lösungsfindung im Coaching generell nicht immer erforderlich. Manchmal ist es vielleicht sogar besser, wenn man gar nicht in die Gefahr kommt, sich inhaltlich einzumischen. Aber gerade im Dialog mit Führungskräften ist der Coach eben oft auch als Experte, Sparringspartner und Feedbackgeber gefragt.

Der Coach braucht also neben der Gesprächskompetenz und dem psychologischen Verständnis auch Unternehmenserfahrung und Feldkompetenz. Er sollte unterscheiden können, inwieweit bestehende Konflikte im Rollenkontext angelegt sind und inwieweit sie von der Persönlichkeit des Coachees mit beeinflusst werden. Psychologisch beseelte Coaches neigen vielleicht dazu, komplexe, im Machtgefüge und Rollenkontext angelegte Konflikte zu personalisieren und zu einseitig auf der Ebene persönlicher Entwicklungsthemen zu bearbeiten. Umgekehrt übergehen Coaches mit einseitiger Sach- und Ergebnisorientierung möglicherweise psychologische Hinweise und Auffälligkeiten, weil sie sich im Feld der sogenannten weichen Wirklichkeiten nicht beheimatet fühlen.

Der Coachee sollte sicher sein können, dass Organisations- und Sachprobleme nicht individualisiert und psychologisiert werden – und gleichzeitig vom Coach erfasst wird, wo es in der Interaktion menschelt oder wo tatsächlich persönliche Entwicklung hilfreich wäre.

Der Coach muss also eine gute Balance halten zwischen zwei Beraterrollen:

Einerseits leistet er eine psychologische Prozessberatung mit dem Fokus auf Hilfe zur Selbsthilfe, versucht die Person und ihre inneren Begründungszusammenhänge zu verstehen und passgenau bei ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen.

Andererseits bietet er aber auch eine leistungsbezogene Fachberatung mit dem Fokus auf Feedback, Stellungnahme und Training zu Führungsfragen.

Diese beiden Rollenaspekte abzubilden und immer wieder angemessen auszutarieren bleibt eine ständige Herausforderung im Coaching zu Führungsthemen.

1.Rollen- und Führungsverständnis entwickeln

1.1Führungsanforderungen klären

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Die Anforderungen und Erwartungen zu klären, die mit einer übernommenen Führungsverantwortung verbunden sind, ist zentraler Bestandteil beinahe jedes Coachings zu Führungsthemen.

Je besser Führungskräfte wissen – und kommunizieren können –, wofür sie da sind, wofür sie verantwortlich sind, welche Anforderungen sie erfüllen müssen und welche Einflussmöglichkeiten und Handlungsspielräume sie haben, desto besser gelingt die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten. Insofern sollte die Reflexion über die eigene Rolle grundsätzlich bei jedem Coaching zu Führungsthemen gefördert werden.

Besonders bei der Übernahme neuer Führungsrollen kann ein Coaching individuell und effektiv helfen, sich über die mit der neuen Rolle verbundenen Anforderungen klarzuwerden und ein eigenes Führungsverständnis zu entwickeln. Manche Coachees sind bereits durch interne Führungstrainings und Instrumente der Personalentwicklung gut auf die neuen Anforderungen vorbereitet oder kommen mit klaren Fragestellungen. Wenn der Coachee jedoch diffuse oder idealisierte Vorstellungen seiner Führungsrolle hat, ist der Coach zu Beginn stärker als Sparringspartner und Experte gefragt.

In unserer Coaching-Praxis haben sich dafür unterschiedliche methodische Schritte bewährt, wobei die Reihenfolge variabel sein kann und nicht immer alle Schritte notwendig sind:

ein Zielbild entwickeln,

Führungsvorbilder und -werte bewusst machen,

Führungsaufgaben und Rollenanforderungen verstehen,

die Rollen- und Erwartungslandschaft reflektieren,

eine Selbsteinschätzung vornehmen.

Im Folgenden stellen wir Ihnen unser Vorgehen vor und illustrieren es an drei Fallskizzen:

 

Frau Neumeier wird Abteilungsleiterin für ein 15-köpfiges Team, in dem sie bisher mit hoher Akzeptanz als Kollegin gearbeitet hat.

 

Frau Rechtling soll nach einer Fusion die fachlich stark verunsicherten Mitarbeiter eines großen HR-Bereichs führen.

 

Herr Scheumann kommt als Externer in ein Traditionsunternehmen und übernimmt mit der Leitung einer Versandabteilung mit 20 älteren «Haudegen» zum ersten Mal eine Führungsrolle.

Zielbild entwickeln

Zur Einstimmung möchten wir erfahren, welche Ideen und Zielvorstellungen der Coachee von seinem neuen Verantwortungsbereich, seinem Team und seiner neuen Rolle mitbringt. Hier geht es noch nicht um ausgearbeitete Visionen, Ziele und Strategien, die wir in Kapitel 2 behandeln, sondern um erste Gedanken und Bilder des Coachees. Wir starten also mit einem kleinen Zukunftsentwurf:

Wenn Sie sich vorstellen, es sind zwei Jahre vergangen und die Abteilung hat sich unter Ihrer Leitung prächtig entwickelt: Was haben Sie bis dahin erreicht? Wie steht Ihre Abteilung da? Was haben Sie gemeinsam fachlich erreicht? Wie arbeiten Sie im Team zusammen? Wie verhalten sich die Kollegen untereinander und Ihnen gegenüber? Wie funktioniert Führung und Zusammenarbeit?

Diese kurze Selbstbesinnung soll den Coachee in einen motivierenden Kontakt mit der neuen Führungsrolle bringen. Gleichzeitig erhält der Coach hier bereits erste Hinweise auf das Rollen- und Führungsverständnis des Coachees sowie auf die anstehenden Entwicklungsaufgaben:

 

Frau Neumeier stellt sich vor, dass das zurzeit stark demotivierte Team in zwei Jahren sehr harmonisch zusammenarbeitet, jeder jedem hilft, sie als Führungskraft im Team und im Kollegenkreis akzeptiert ist und sich beim Inhaber niemand mehr beschwert.

 

Im Zielbild von Frau Rechtling können und wollen die HR-Referenten auch komplexe Fälle selbst entscheiden und sind akzeptierte Gesprächspartner von allen Führungskräften. Sie selbst sieht sich als strategische Diskussionspartnerin der Geschäftsleitung, die ihrem Team Orientierung gibt und effiziente Prozesse in der Personalabteilung installiert hat.

 

Herr Scheumann sieht sich in zwei Jahren als akzeptierte Führungskraft, die den alten Logistik-Haudegen auch mal Paroli bieten und ihre Standpunkte auch dem Chef gegenüber selbstbewusst vertreten kann. Der Versand ist dann auf dem neuesten Stand der Technik und damit deutlich effizienter geworden. Die Mitarbeiter haben diese Veränderungen akzeptiert und sich entsprechend qualifiziert.

Führungsvorbilder und -werte bewusst machen

Im nächsten Schritt regen wir den Coachee an, sich über die eigenen Kriterien und Werte für erfolgreiche Führung klarzuwerden und eigene Erfahrungen mit positiv und negativ erlebten Vorgesetzten zu reflektieren. Wir stellen Fragen zur Selbstreflexion und visualisieren die Antworten auf dem Flipchart:

Wenn Sie zurückschauen auf die Vorgesetzten und Führungskräfte, die Sie selbst bisher erlebt haben oder an Menschen, bei denen Sie Führung erlebt haben (Eltern, Großeltern, Trainer, Lehrer …): Wo gab es da positive Erfahrungen/gelungene Führung?

Wer hat Sie besonders beeindruckt/gefordert/gefördert/begeistert?

Unter wessen Führung haben Sie besonders gern und motiviert gearbeitet?

Was hat Ihnen daran besonders gefallen/war Ihnen angenehm?

Und wo haben Sie Führung erlebt, von der Sie heute sagen würden: «Schlimmer geht’s nimmer»? Was haben Sie dort erlebt? Was haben Sie daraus gelernt?

Wenn Sie heute ein Fazit ziehen: Welche persönlichen Werte sollen Ihr Führungshandeln leiten? Wofür wollen Sie stehen?

Beim Abholen dieser sehr persönlichen Bilder und Ideen erhält man weitere Hinweise darauf, welche Rollenaspekte und -anforderungen vom Coachee gesehen werden und welche möglicherweise idealisiert oder auch ausgeblendet werden:

 

Frau Neumeier hat es immer sehr gutgetan, wenn Vorgesetzte ansprechbar waren, gut zuhören konnten und sie sich gefördert fühlte. Sie betont: Führungskräfte müssen sich für ihre Mitarbeiter einsetzen!

 

Frau Rechtling erinnert sich an Vorbilder, die genau wussten, was und wohin sie wollten. Bei Vorgesetzten mit tollen Ideen und großer Durchsetzungsstärke fühlte sie sich motiviert und hatte dann das Gefühl, an «etwas Großem» mitzuarbeiten.

 

Herr Scheumann hat bisher keine positiven Führungsvorbilder erlebt und berichtet, dass er sich gewünscht hätte, dass Vorgesetzte weniger aufbrausend und stattdessen besonnen und tolerant gewesen wären. Für ihn sollte das Sachlich-Fachliche im Vordergrund stehen und nicht so sehr persönliche Beziehungen und Sympathien.

Führungsaufgaben und Rollenanforderungen verstehen

Erst nach dieser persönlichen Einstimmung sprechen wir mit dem Coachee über den Sinn und die Kernaufgaben von Führung. Zunächst fragen wir danach, welche Vorgaben und Modelle er dazu aus dem Unternehmen bekommt und ergänzen vielleicht um weitere Punkte, die nach unserer Vorstellung dazugehören.

Führungskräfte werden in der Regel eingesetzt, um mit ihren Mitarbeitern Unternehmensziele zu erreichen. Entsprechend vielfältig sind die Rollenanforderungen. Sie sollen:

Mitarbeitern eine strategische Orientierung geben und die Verbindung zum Sinn und Zweck des Unternehmens lebendig halten,

komplexe Prozesse gestalten und steuern,

die Qualität und Effizienz von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen sicherstellen,

Mitarbeiter fordern und fördern und

ein Klima schaffen, in dem Menschen im Sinne der Aufgabenstellung konstruktiv zusammenarbeiten können.

Diese Anforderungen sind übergeordnet und gelten sowohl für die Führung in der Linie, im Projekt oder wenn lateral geführt wird. Sie sind also unabhängig davon, ob eine stark steuernde Führung erwartet wird oder eher eine unterstützende Führung, wie es z.B. bei agilen Teams der Fall ist.

Dann übersetzen wir diese Kernanforderungen in ein Rollenmodell. Das Modell vom «Inneren Führungsteam» bietet eine einfache Systematik zum besseren Verständnis der unterschiedlichen Rollen- und Führungsanforderungen und veranschaulicht die verschiedenen inneren «Teamspieler», die man in sich vereinen muss, wenn man als Führungskraft erfolgreich sein will. Die unterschiedlichen Rollenanforderungen werden als innere «Teil-Personen» dargestellt, die alle unter einen Hut zu bringen sind und wie ein Team geführt werden müssen (vgl. Fischer-Epe 2007/2010, in Anlehnung an Schulz von Thun 1998 und Redlich 2000).

Vier Anforderungen unter einen Hut bringen

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Während wir das Bild vom Inneren Führungsteam am Flipchart entstehen lassen, erklären wir dem Coachee:

 

Stellen Sie sich vor, dass Sie als Führungskraft diese Rollenanforderungen, die hier im Inneren der Führungskraft dargestellt sind, mit Leben füllen müssen:

Als Vertreter des Unternehmens müssen Sie den wirtschaftlichen Erfolg und die Interessen des Unternehmens im Blick behalten und Ihren Verantwortungsbereich so führen, dass die Mitarbeiter einen angemessenen Beitrag zu den strategischen Zielen des Gesamtunternehmens leisten können.

Als Experte sind Sie für die Gestaltung sinnvoller Arbeitsabläufe im Sinne der gestellten Aufgabe verantwortlich und müssen dafür sorgen, dass die Arbeiten in Ihrem Verantwortungsbereich qualifiziert und effizient ausgeführt werden.

Gleichzeitig sind Sie als Coach auch verantwortlich für die Zusammenarbeit und die gezielte Entwicklung von Mitarbeitern und Teams. In dieser Rolle müssen Sie dem Team und jedem einzelnen Mitarbeiter ein Umfeld schaffen, in dem man im Sinne der Aufgabe erfolgreich kooperieren und lernen kann.

Als selbst betroffener Mensch mit individuellen Wünschen, Werten und Interessen sind Sie auch sich selbst verpflichtet und müssen bereit sein, für das eigene Handeln einzustehen und Verantwortung zu übernehmen.

Nachdem das Modell vorgestellt ist, überprüfen wir mit dem Coachee, inwieweit seine bisherigen Vorstellungen sich bereits darin wiederfinden:

Was fällt Ihnen auf, wenn Sie dies Modell mit Ihren bisherigen Gedanken vergleichen?

Was würden Sie selbst sagen, welche Rollen Sie gut füllen, und wo sehen Sie Entwicklungsbedarf?

Frau Neumeier fällt sofort auf, dass sie Führung bisher fast ausschließlich aus der Perspektive des Coachs und selbst betroffener Menschen gesehen hat («das läuft bei mir immer auf Autopilot»). Die Rollen «Unternehmer» und «Experte» wird sie stärker mit Leben füllen müssen, als sie es sich bisher vorgestellt hat.

 

Frau Rechtling äußert freimütig, dass sie zur Coach-Rolle wenig Lust und insofern hier «vielleicht Nachholbedarf» hat. Sie findet, Mitarbeiter bekommen Geld und sollten daher von sich aus Leistungsbereitschaft und Entwicklungswille mitbringen. Schließlich seien sie alle erwachsen und müssten ein eigenes Interesse daran haben, sich immer weiterzuentwickeln, um up to date zu bleiben. Und für Kindergartenkonflikte habe sie kein Verständnis. Auch mit der Rolle des Experten, der im Detail fachlich und operativ tätig ist, kann sie sich nicht wirklich anfreunden. Die Seite des selbst betroffenen Menschen sei bei ihr mit der Unternehmerperspektive gleichzusetzen – so würde sie denken und handeln.

Der Coach könnte jetzt dieses Führungsverständnis hinterfragen oder Stellung nehmen und noch einmal betonen, dass die vier Aspekte des Inneren Führungsteams durchaus als Anforderungen zu verstehen sind, die in der Führungsrolle gleichermaßen erfüllt werden müssen. Er könnte aber auch abwarten, inwieweit Frau Rechtling nach dem nächsten Schritt selbst realisiert, wo ihre Entwicklungsthemen liegen.

 

Herr Scheumann reagiert eher selbstkritisch auf das Modell vom Inneren Führungsteam und zieht für sich das Fazit, dass bei ihm schnell die menschliche Betroffenheit überwiegt. Auch die Coach-Rolle habe Platz in seinem «Führungsbild». Die Unternehmerperspektive sei aber am wenigsten ausgeprägt und als Experte habe er zwar alle Kompetenzen, die seiner Meinung nach gebraucht würden, es fehle ihm aber noch an der nötigen Power, sich damit auch durchzusetzen.

Rollen- und Erwartungslandschaft reflektieren

Rollen- und Erwartungslandschaft

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Wenn die Kernanforderungen mit Hilfe des Modells vom Inneren Führungsteam zusammengefasst sind und der Coachee die «Lieblingsspieler» und «Stiefkinder» in seinem Inneren Führungsteam erkannt hat, öffnen wir den Blick auf die «Erwartungslandschaft»: Wer aus dem Unternehmensumfeld hat relevante Erwartungen an den Coachee als Führungskraft (z.B. der eigene Vorgesetzte, der Unternehmensvorstand, interne oder externe Kunden, Mitarbeiter, Kollegen, Betriebsrat, Schnittstellen)?

 

Dann lassen wir den Coachee die Erwartungen an seine Rolle aus den unterschiedlichen Perspektiven ausloten:

Welche aktuellen, konkreten Erwartungen hat Ihr Vorgesetzter/haben Ihre Mitarbeiter/Kunden, Kollegen an Sie als Vertreter des Unternehmens/als Experten/als Coach/als Mensch?

Wo sehen die Ihre Stärken und Entwicklungsfelder als Vertreter des Unternehmens/als Experte/als Coach/als Mensch?

Für diese Reflexion sollte man dem Coachee ausreichend Zeit lassen.

Selbsteinschätzung vornehmen

Selbsteinschätzung von Frau Neumeier

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Danach listen wir die wichtigsten Erwartungen zu den vier unterschiedlichen Rollenaspekten auf. Der Coachee bewertet sich selbst zu jeder Erwartung auf einer Skala von eins bis zehn und entwickelt so sein individuelles Anforderungsprofil.

Die dabei deutlich werdenden Defizite werden zu Entwicklungsthemen und -aufgaben umformuliert und konkretisiert:

Was müssten Sie konkret tun/lernen/unterlassen, um diese Erwartung besser erfüllen zu können, den Wert auf der Zehnerskala um einen oder zwei Punkte zu verbessern?

Beim Abgleich der Erwartungen sieht Frau Neumeier das größte Problem bei der Unternehmerrolle und beim Experten. Ihr wird klar, dass ihrem Team die strategisch-unternehmerische Orientierung und damit auch motivierende Ziele fehlen. Da das kleine mittelständische Unternehmen stark expandiert, hat sich der Inhaber aus der direkten Führung des Teams zurückgezogen. Früher war er selbst fast täglich vor Ort und in alle Prozesse involviert. Als charismatischer Unternehmer hatte er die Mitarbeiter dabei quasi automatisch motiviert und für die Unternehmensziele gewonnen. Jetzt wurde die Rolle der Teamleitung geschaffen, damit der Inhaber sich stärker auf die Unternehmensentwicklung konzentrieren kann. Im Team hat er damit eine echte Lücke hinterlassen. Frau Neumeier erkennt bei der Reflexion der unterschiedlichen Erwartungen, dass sie hier die Verbindung schaffen und die Abläufe und Prozesse stärker auf die veränderten Unternehmensziele ausrichten muss. Gleichzeitig fehlen im Team Fachkompetenzen für die veränderten Aufgaben – sie ist also auch als Expertin und Coach gefragt, wenn es darum geht, das Team breiter zu qualifizieren.

 

Für Frau Rechtling wird durch die Formulierung der unterschiedlichen Erwartungen deutlich, dass eine einseitige Konzentration auf die Unternehmerrolle viel Frustration auslösen und nicht zum gewünschten Ergebnis führen würde. Indem sie sich – im Rollentausch – in ihre Mitarbeiter einfühlt, versteht sie deren Verunsicherung, den Wunsch nach einer gründlichen Qualifizierung für die neuen Aufgaben und einer fairen Verteilung der Arbeit.

Sie muss ihren Schwerpunkt als Teamcoach setzen, fachliche Sicherheit als Expertin vermitteln und sich – mehr als bisher in der Stabsstelle gewohnt – auch persönlich zeigen und in Kontakt begeben, um alle Mitarbeiter mitzunehmen. Das ist allerdings zunächst eher eine intellektuelle Erkenntnis, und Frau Rechtling ist noch unsicher, ob sie diesen Teil der neuen Rolle überhaupt füllen will und kann.

 

Herr Scheumann resümiert, dass der selbst betroffene Mensch «mal in Urlaub geschickt werden sollte», um dafür den Unternehmer und den Experten deutlich zu stärken. Er möchte für sich klären, wie er als vorsichtiger und feinfühliger Mensch gegenüber den eher kantigen und lauten Kollegen in der Logistik Akzeptanz und Autorität gewinnen kann.

Diskussion

Durch die umfassende Erarbeitung der Rollenanforderungen und -erwartungen entsteht ein tieferes Verständnis der Führungsrolle. Gleichzeitig entwickelt der Coachee die Kriterien für eine differenzierte Selbsteinschätzung, welche Anforderungen er schon erfüllen kann und was er noch entwickeln müsste.

Wenn der Coachee eine neue Führungsrolle übernimmt, stellen sich weitere, ganz praktische Fragen, auf die er im Coaching Antworten sucht, z.B.: Wie finde ich einen guten Einstieg? Wie gehe ich mit der Vielzahl der zum Teil gegenläufigen Erwartungen um? Wo finde ich Schlüsselpersonen? Wer kann mich unterstützen? Welche Rolle spielt mein Vorgänger? Wie gehe ich mit enttäuschten Mitbewerbern um? Wie gewinne ich die Skeptiker für die anstehenden Veränderungen?