Cosimo - Das Ende des Winters - Sigrid Lenz - E-Book

Cosimo - Das Ende des Winters E-Book

Sigrid Lenz

3,0

Beschreibung

Nach dem Tod seiner Schwester ist Lou auf einmal für den Hengst Cosimo verantwortlich. Ein schwieriges Pferd, mit dem niemand richtig klarkommt. Doch bald bemerkt er, dass es eine Verbindung zwischen ihnen gibt. Denn Cosimo ist anders als andere Pferde. Eine alte Seele, ein Wandler …

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Sigrid Lenz

Cosimo - Das Ende des Winters

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2018

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Kseniya Abrammova – fotolia.de

© AS Inc – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-217-5

ISBN 978-3-96089-218-2 (epub)

Inhalt:

Kapitel 1

Trauer

Lous Hände waren blau gefroren. Er konnte sie kaum bewegen. In der Mähne des Pferdes schimmerten Eiskristalle, die so fest hafteten, dass er sie nicht hatte entfernen können. Er pustete in seine Finger, versuchte, deren Gelenkigkeit zurückzuerlangen.

Das Leder war hart, die Verschlüsse am Zaumzeug zu schließen, schien unmöglich. Doch er versuchte es weiter, verzweifelt, weil er sich einer Aufgabe stellen musste, die er nie hatte übernehmen wollen.

Cosimo war das Pferd seiner Schwester gewesen, und in den letzten Jahren hatte Lou wenig Interesse für sie und erst recht nicht für ihr Hobby aufgebracht. Oder ihre Bestimmung, wie sie es genannt hatte.

Er begriff auch jetzt nicht, wie sie derart viel Zeit in eine Beschäftigung hatte investieren können, die nichts zurückgab, die kein Ergebnis vorwies.

Cosimo war nie einfach gewesen. Lous Schwester die Einzige, die er in den letzten Jahren problemlos an sich herangelassen hatte. Jetzt war sie tot und als wäre alles andere nicht schwierig genug, konnte Lou sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Trakehner Trauer empfand. So wie er erst Lou ansah und dann in die Ferne blickte, immer wieder in die Richtung, aus der jeder sich dem Hof näherte, schien er tatsächlich auf sie zu warten.

Immer noch, auch nach Wochen.

Lou blies ohne Erfolg auf seine Finger. Der Nasenriemen war nun geschlossen, doch seine Hände schmerzten. Er brachte sie kaum wieder in die mitgebrachten Handschuhe, tätschelte mit diesen und ohne, dass sie seine Hände zu wärmen vermochten, Cosimos Hals.

Er hätte das Pferd gleich weggeben sollen. Tiere waren für ihn noch nie von großem Interesse gewesen. Dass seine Eltern ihn damals zu Reitstunden überredet hatten, damit er sich der großen Schwester gegenüber nicht zurückgesetzt fühlte, hatte eher einer Strafe geglichen als einer Belohnung. Er war nur allzu froh gewesen, als sie den fatalen Fehler eingesehen und ihn von der unangenehmen Pflicht entbunden hatten.

Doch Silke war vom ersten Tag an wie geblendet gewesen. Weder der Gestank noch die Arbeit im Stall hatten sie gestört. Auch nicht der Schmutz oder der Widerstand seitens der Pferde, für die sie ihr Herz entdeckt hatte und die sie in ihre Obhut nahm. Ausnahmslos Problemfälle – Schulpferde, die kurz davor standen, ausgesondert zu werden, weil sie für Reitschüler zu gefährlich wurden – stahlen ihr die Freizeit. Jede Minute, die sie sich nehmen konnte, verbrachte sie mit den Versuchen, herauszufinden, was es war, wogegen das Tier sich wehrte. Nicht immer mit Erfolg. Nicht immer ließen ihre Patienten, wie sie sie später nannte, es zu, dass sie sich ihnen näherte, sie führte, mit ihnen übte und ihnen vielleicht sogar noch ein paar Jahre auf dem Reiterhof schenkte.

Und weil Silke es nie fertiggebracht hätte, ein Pferd dem Schlachter zu überantworten, konnte auch Lou Cosimo nicht diesem Schicksal ausliefern.

Denn Elliot, der Besitzer des Stalles, hatte deutlich klargestellt, dass er das Pferd nicht gebrauchen konnte. Dass er auch niemanden kannte, der sich bereiterklären würde, mit dem launischen, häufig gefährlichen Hengst zu arbeiten.

Zuerst hatte Lou nicht geglaubt, dass während der letzten Monate Silke ihn als Einzige geritten und seine Unterbringung alleine finanziert hatte. Es war nicht so, als hätte sie als Krankenschwester sonderlich viel verdient.

Lou lehnte seinen Kopf an den Hals des Pferdes, als ihn die Erinnerung mit voller Wucht traf. Nicht nur Trauer, auch Schuld gesellte sich zu der Depression, die er durchlebte. Viel zu wenig hatte er von Silke gewusst, sich viel zu selten bei ihr gemeldet. Nach dem Tod ihrer Eltern waren ihre Wege rasch in verschiedene Richtungen abgedriftet. Und wie es so war, hatte er den größten Teil seines Lebens auch einen ausreichenden Groll gegen die Frau gehegt, die ihm bereits mit fünfzehn Jahren prophezeit hatte, dass er sein Leben verschwende. Ausreichend genug, um ihre Nähe zu meiden. Auch hatte er nie geglaubt, dass es ihr viel anders ginge. Er verstand auch jetzt nicht, was in ihr vorgegangen war. Er hatte sie nie gekannt, sich nie die Mühe gegeben, sie kennenzulernen, und das Wissen quälte ihn.

Unfair war es, in so vieler Hinsicht. Kein Mensch sollte mit Mitte vierzig sterben müssen, nicht wegen eines so leicht vermeidbaren Unfalls. Nicht während eines Zusammenstoßes zweier Fahrzeuge. Nur, weil der andere Fahrer betrunken war.

Lou bewegte seine Finger, massierte Cosimos Widerrist und registrierte nur am Rande, dass der Hengst stillstand. Dass er sich bereits seit geraumer Zeit ungewöhnlich ruhig verhielt. Kein Zeichen der sonst üblichen Nervosität, der deutlichen Äußerung von Unbehagen, die er mit dem Aufsatteln und Trensen zur Schau stellte. Als verstünde er den Moment der Trauer, den Lou erlebte, als teilte er dessen Gefühl.

Hätte Lou ihn nicht bereits vollkommen anders erlebt, ihn nicht dabei beobachtet, wie er seine Stellung in der Herde mit Hufen und Zähnen verteidigte, wie er beim Anblick eines Sattels gestiegen war und nach Elliot getreten hatte, er hätte nicht geglaubt, dass es sich um ein und dasselbe Pferd handelte.

Fast lächelte er bei der Vorstellung, dass Cosimo Silke in ihm erkennen könnte. Als begriffe der Trakehner instinktiv, warum Lou und seine Schwester zumindest durch Blut, wenngleich nicht durch Ansichten oder Vorstellungen verbunden waren. Natürlich war das Unsinn. Ein Pferd hatte andere Beweggründe dafür, sich zu verhalten, wie es sich verhielt.

Vielleicht, viel wahrscheinlicher sogar, war es die Konsequenz, mit der Lou Cosimo besuchte. Mit der er jeden Winkel in seiner Box untersucht und mit Notwendigem ausgestattet hatte. War er selbst schon nicht mehr der Jüngste, so kam ihm Cosimo mit seinem Alter in Pferdejahren nahe. Nur dass dessen Gelenke, Knochen und sein Rücken, bevor Silke ihn vor dem Schlachter bewahrt hatte, nicht gerade schonend behandelt worden waren.

Lous Hände wanderten durch das dunkle, kräftige Winterfell des Tieres. Er sah seinem Atem nach, der sich in einer weißen Wolke von ihm entfernte.

Wiedergutmachen konnte er nichts. Doch er konnte dem Tier das Geschenk geben, das er seiner Schwester vorenthalten hatte. Er konnte Cosimo Zeit schenken und die Aufmerksamkeit, die der benötigte. Und vielleicht begänne er eines Tages zu verstehen, was Silke in ihm gesehen hatte.

Das Tier sah Lou an und kaute. Seine Augen, groß und braun, blieben unverwandt auf ihn gerichtet. Die Ohren waren aufgestellt, aufmerksam und bereit, auf jedes seiner Worte, auf jede seiner Bewegungen zu reagieren. Lou begann, sich zunehmend unbehaglich zu fühlen. Cosimo beachtete ihn. Er duldete ihn nicht nur. Ohne es zu bemerken, war es Lou gelungen, in den Fokus des Pferdes vorzurücken.

*

Trotz seiner Vorsätze zögerte sich Lous nächster Besuch bei Cosimo unvermittelt hinaus. Etwas in ihm war anders geworden und er konnte es nicht greifen. Plötzlich konnte er sich nicht mehr überwinden. Als fürchtete er mit der Begegnung sowohl die Schmerzen der Erinnerung als auch die Konfrontation mit einem Wesen, mit dem er nicht recht umzugehen wusste. Das er dominieren sollte, leiten, führen, und das doch stärker war als er, willensstärker ohnehin. Auch wenn Cosimo sich inzwischen satteln, trensen und führen ließ, erinnerte Lou sich doch zu gut an dessen Widerstand.

Er wusste nicht genug über ihn. Dies wurde ihm wieder bewusst, als er sich dem Stall näherte. Nicht genug über Pferde im Allgemeinen.

Bei seiner Ankunft befand Cosimo sich nicht in seiner Box. Auch der angrenzende Offenstall mit den Ponys war leer. Lou erinnerte sich daran, was der Besitzer einst erwähnt hatte: dass er die Pferde einigermaßen regelmäßig auf die ein Stück entfernte Weide oder die daneben liegende Koppel brachte.

Lou sah in den Himmel. Die Luft war klar. Ein Wintertag wie so viele im Augenblick. Vielleicht hatte die Sonne ihn herausgeholt. Er hatte es nicht mehr ertragen, aus dem Fenster zu sehen und sich vor der Helligkeit zu verstecken.

Keine Wolke war zu erkennen und doch lag stellenweise Schnee. Hartnäckige, weiße Stellen bewiesen, dass das Jahr noch am Anfang stand, dass der Februar gerade erst begonnen hatte und der Winter sich nicht verjagen ließ. Weder von der Sonne, noch von einem blauen Himmel.

Lou atmete ein. Die Luft war anders als in der Stadt. Kein Staub, keine Abgase, kein Gift. Es roch nach Stall. Doch auch als er am Misthaufen vorbeiging, störte ihn der Geruch nicht.

Der Hund kläffte, kam aber nicht näher. Lou war oft genug hier gewesen, um zu wissen, dass der nur angab. Dass er sich von Stimmungen leiten ließ. Der klare, kalte Tag mochte es sein, der ihn aufgeschreckt und seine Lebensgeister geweckt hatte.

Lou ignorierte ihn, ging weiter und schließlich verstummte das Kläffen.

Das Gehen tat gut. Er hatte einen schweren Kopf vom Vorabend. Zu lange hatte der sich hingezogen, zu viele Drinks hatte Lou sich entgegen der Vorschriften und seiner Gewohnheit spendieren lassen. Und nun war der unvermeidliche Tag danach angebrochen. Der, an dem er bereute.

Lou rieb sich die schmerzenden Schläfen. Wie hatte der Mann geheißen, den er mit nach Hause genommen hatte? Der gleich danach verschwunden war? Er erinnerte sich nicht und letztendlich interessierte es ihn auch nicht mehr. Er hatte bekommen, was er gewollt hatte, nicht anders als der blonde Hüne. Auch wenn die Nacht verschwommen blieb, so erinnerte Lou sich doch noch an dessen Erscheinung. Eigentlich nicht sein Fall, zu deutlich der Stiernacken, zu ausgeprägt die Muskeln, aber mit ausreichend Alkohol im Blut wurde jeder zu seinem Typ. Eine Tatsache, über die er am Morgen danach nicht glücklich war und an der er doch nichts änderte. Beziehungen, Treue, damit konnte Lou nichts anfangen. Das hatte er sich bereits in jungen Jahren erklärt. Damals, als sein erster Freund von einem Tag auf den anderen Schluss gemacht hatte. Und nicht nur das. Lou hatte erfahren müssen, dass der ihn nicht nur betrogen, sondern auch über ihn hergezogen hatte. Damals hatte er gewusst, dass ihm das nicht noch einmal passieren würde. Die Welt war schlecht und es gab keinen Grund, jemandem zu vertrauen. Schon gar nicht jemandem, der vorgab, sich ernsthaft für ihn zu interessieren. Denn dass es daran ein Haken geben musste, lag auf der Hand.

Lou stöhnte in sich hinein und blieb stehen. Dort war sie, die Koppel. Natürlich waren die Pferde dort, er hätte es sich denken können. Die Wiese hätte wohl größer sein dürfen, aber letztendlich war sie besser als nichts. Definitiv besser, als einen ganzen Tag auf dem Paddock zu verbringen, oder gar in der Box. Und er wusste nicht, warum er auf einmal darüber nachdachte. Einfach lächerlich.

Auch hier lag vereinzelt noch Schnee und Lou sah genau, dass das eine oder andere Pferd sich darin gewälzt hatte. Er sah auch Cosimo. Der Hengst stand auf der kleinen Anhöhe inmitten der Koppel und sah ihn an. Seine Ohren aufgestellt, den Blick auf ihn gerichtet, blieb er still, und Lou fragte sich, was das Tier denken mochte. Sofern ein Pferd überhaupt dachte und ihn nicht nur auf Pferdeart beobachtete, wenn nicht gar offen bedrohte.

Lou schüttelte den Kopf über sich selbst, bereute die Bewegung sofort, als ihn neuer, stärkerer Schmerz durchzuckte. Doch Cosimo blieb still und nun gewann Lou den Eindruck, dass das Pferd an ihm vorbeistarrte. Abrupt drehte es den Kopf, sah zur Seite, hinaus in die Weite. Dorthin, wo sich eine Ebene erstreckte. Wo mehr Schnee zu sehen war, wo sich ein Feld, eine unbetretene Fläche, ausdehnte und darauf wartete, dass der Winter endete und neues Leben ausgesät wurde. Dorthin blickte Cosimo und Lou konnte nicht anders, als es ihm gleichzutun. Die Weite dehnte sich, je länger er seinen Blick schweifen ließ, als könnte er den Horizont erreichen und die Geheimnisse entschlüsseln, die sich dahinter verbargen.

Dieses Mal verlangte Lou nichts von Cosimo, sah ihm nur zu. Die Longe konnte warten, der langsame Muskelaufbau, bevor er ihn wieder an das Reiten gewöhnte, hatte Zeit. Hielt ihn Elliot doch für verrückt, es überhaupt zu versuchen.

*

Der Tierarzt bestätigte Cosimos Gesundheit und Reitfähigkeit und Lou folgte seiner Anweisung, während er die Muskulatur auf der schwächeren Seite fühlte.

„Er hat noch einige gute Jahre vor sich“, meinte der Tierarzt freundlich. „Die Probleme liegen in seiner Eigenwilligkeit. Um ehrlich zu sein, kenne ich das von einem Pferd wie ihm sonst nicht.“ Er blickte Lou an. „Aber mit Ihnen kann er. Da ist er wie bei Ihrer Schwester. Das freundlichste Pferd der Welt. Außer sie kam auf den Gedanken, jemand anderem zu erlauben, auf ihm zu sitzen, ihn zu führen oder zu trainieren. Es ist ein Segen, dass er Sie jetzt hat.“

Den Schlachter erwähnte er wohlweislich nicht. Lou nickte und seufzte. Einen Teil der Arbeit abzugeben, wäre ihm durchaus entgegengekommen. Aber inzwischen war er weit genug gekommen, um auch noch einen Schritt weiterzugehen.

*

Aufzusteigen sollte möglich sein, er hatte es schließlich schon einmal fertiggebracht. Und da Cosimo sich inzwischen vergleichsweise problemlos satteln ließ, sah Lou auch weniger Probleme, je länger er mit ihm zusammen war. Er beobachtete das Ohrenspiel, sah, wie aufmerksam das Pferd auf ihn lauschte, wie es auf jede seiner Bewegungen, auf jedes Geräusch, das er verursachte, achtete.

Der Einfall überkam ihn plötzlich, geboren aus Neugierde und vielleicht auch Trotz. Warum sollte er es nicht versuchen? Und vor allem wann, wenn nicht jetzt? In einem Moment, in dem seine Bedenken und Zweifel von der kalten Winterluft weggeblasen wurden.

Nein, die Zeit war gekommen. Er sprach beruhigend auf Cosimo ein, während er den Steigbügel geraderückte. Eine Weile hatte er ihn über die umliegenden Wege geführt, an Wiesen, Bäumen und Bächen vorbei. Hatte dabei zugesehen, wie das Pferd sich entspannte, wie es seiner Umgebung interessiert gegenübertrat. Wie es sich ihm gegenüber freier verhielt, seine Vorbehalte verlor.

Nun stand Lou auf den gefällten Baumstämmen, die eine perfekte Aufstiegshilfe boten, griff in Sattel und Mähne. „Guter Junge“, murmelte er. „Wir machen das schon.“ In diesem Augenblick war er sich sicher, es zu schaffen. Nicht nur, weil er wusste, dass Cosimo jede seiner Unsicherheiten in mehrfacher Verstärkung spürte und darauf reagierte, sondern auch, weil er es wollte und sich bereits auf dem Pferd visualisierte. Weil er bereits wusste, wie es sich anfühlte, wenn der warme, starke Körper unter ihm vibrierte, während er ihn schnell und sicher durch die Landschaft trug. Die Bewegungen kehrten zu ihm zurück, als hätte er sie während der letzten Jahre unablässig geübt. Als erinnerte er sich nicht daran, wie er sich in seiner Kindheit damit gequält hatte, auf ein Pony zu steigen, das ihn nicht interessierte. Doch das hier war anders. Er war erwachsen, wusste, was er tat, wusste, wozu und dass er nicht anders konnte. Cosimo brauchte das Training, um seine Existenzberechtigung an diesem Ort zu sichern. Lou konnte nicht zulassen, dass Cosimo zum Schlachter gebracht wurde, nur weil er es sich nicht leisten konnte, ein Pferd zu unterhalten, das nur für seinen eigenen Gebrauch im Stall stand. Das kein Geld einbrachte, wie Elliot es von ihm mehr oder minder vehement gefordert hatte.

Sich mit Cosimo anzufreunden, ihn mit Bodenarbeit vertraut zu machen, sich ein paar Übungen erklären zu lassen und auszuführen, war eine Sache gewesen. Doch dass er jetzt tatsächlich aufstieg, kam einer Offenbarung gleich. Und als er nun im Sattel saß, sein Körper sich diesem anpasste, er sicher inmitten des Leders einfach nur er selbst war, da glich es für einen Moment einem Sprung in die Kindheit. Lou erinnerte sich an die Momente, während derer er es tatsächlich genossen hatte, sich auf einem Pferderücken fortzubewegen. Momente, die er vergessen geglaubt hatte. Neben seiner Schwester zu reiten, erst geführt, dann frei, diesen Augenblicken hatte ein Zauber innegewohnt, den er niemals hatte leugnen können. Und nun, ehe er es wirklich begreifen konnte, saß er oben. Er war ein Anderer geworden. Erwachsen. Und Cosimo war ein großes Pferd. Ein Pferd, das ruhig stand, das sich ausbalancierte, als hätte es nie anderes getan oder gewollt. Ein Pferd, das geduldig wartete, bis Lou sich an das Gefühl gewöhnt, seine Atmung sich beruhigt hatte und sein Griff, der die Zügel hielt, fest und sicher blieb.

Lou testete die Länge der Steigbügel, doch sie stimmte. Ebenso wie er selbst für einen Moment den Eindruck hatte, er passte in diesen Sattel, auf dieses Pferd, als wäre er dafür geboren. Vorsichtig beugte er sich vor, ließ seine Hand über das warme Fell gleiten, kraulte vorsichtig den Hals, bevor er den Widerrist streichelte.