Court of Demons. Die Nachtläuferin - Isabel Clivia - E-Book
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Isabel Clivia

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Beschreibung

NIEDRIGER AKTIONSPREIS NUR FÜR KURZE ZEIT! **Bist du bereit für das Spiel des Dämons?** Kamilas Gabe ist Segen und Fluch zugleich. Als Nachtläuferin kann sie Dämonen bannen – aber die Menschen fürchten ihre dunklen Fähigkeiten. Da Dämonenjäger nicht selten sogar mit dem Tode bedroht werden, hat Kamila im Nachbarland Unterschlupf gefunden. Ein mysteriöser Auftrag führt sie nun ausgerechnet in ihre Heimat zurück: Getarnt als Adlige, soll sie den hoch angesehenen Fürsten Henryk von einem bösen Dämon befreien. Um zu ihm vorzudringen, gibt sie sich bei einem festlichen Empfang als Heiratsanwärterin aus. Ein Spiel mit dem Feuer, denn wenn Henryk Kamila durchschaut, wird sie das in den sicheren Tod führen. Doch obwohl sie sich eigentlich nichts aus Prunk und Glanz macht, fühlt sie sich bei Hofe bald unerwartet heimisch und kommt dem attraktiven Fürsten gefährlich nahe ... Liebe und Intrigen an einem von schwarzer Magie durchdrungenen Hofe Eine entschlossene Protagonistin mit einer geheimen Gabe gerät zwischen die Fronten eines undurchsichtigen Spiels von Macht und Verschwörungen – ein Muss für alle, die es gern düster und romantisch mögen. //»Court of Demons. Die Nachtläuferin« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Isabel Clivia

Court of Demons. Die Nachtläuferin

**Bist du bereit für das Spiel des Dämons?**Kamilas Gabe ist Segen und Fluch zugleich. Als Nachtläuferin kann sie Dämonen bannen – aber die Menschen fürchten ihre dunklen Fähigkeiten. Da Dämonenjäger nicht selten sogar mit dem Tode bedroht werden, hat Kamila im Nachbarland Unterschlupf gefunden. Ein mysteriöser Auftrag führt sie nun ausgerechnet in ihre Heimat zurück: Getarnt als Adlige, soll sie den hoch angesehenen Fürsten Henryk von einem bösen Dämon befreien. Um zu ihm vorzudringen, gibt sie sich bei einem festlichen Empfang als Heiratsanwärterin aus. Ein Spiel mit dem Feuer, denn wenn Henryk Kamila durchschaut, wird sie das in den sicheren Tod führen. Doch obwohl sie sich eigentlich nichts aus Prunk und Glanz macht, fühlt sie sich bei Hofe bald unerwartet heimisch und kommt dem attraktiven Fürsten gefährlich nahe  …

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Vita

Danksagung

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© privat

Als Kind hat Isabel Clivia den Duden gelesen, um so viele Wörter wie möglich zu kennen. Nach zwei Tagen und der Erkenntnis, dass Wörterbücher nicht ganz so spannend sind wie Romane, hat sie es jedoch aufgegeben. Was das Schreiben betrifft, ist ihre Ausdauer glücklicherweise etwas größer. Angeblich lassen sich ihre ersten Schreibversuche auf Fanfiction-Portalen finden, aber die Existenz solcher Geschichten wird sie für immer bestreiten.

Für Angela

Sei selbst das Licht, dann kann keine Dunkelheit der Welt dir etwas anhaben.

Kapitel 1

Einsätze und Spiele

In den Träumen anderer Menschen herumzuschleichen fühlt sich an, als sähe man sich in einem verbotenen Zimmer um. Wie ein Einbrecher, der nachts in die finsteren Ecken eines fremden Hauses lugt, obwohl sie nicht für seine Augen bestimmt sind. Von diesen Einbrechern gibt es zwei Sorten: Die guten, zu denen ich gehöre, und die schlechten – das sind die Dämonen. Wann immer einer von ihnen in einem Traum sein Unwesen treibt, spüre ich ein eisiges Prickeln unter der Haut, sobald ich die Tür zu diesem Traum geöffnet habe. So wie jetzt.

Ich schließe die Hand fester um meinen Bogen.

Sei wachsam, Kamila, hat Vater mich stets gewarnt. Für Nachtläufer ist die Leere ein gefährlicher Ort. Eine Unachtsamkeit reicht und du wirst ihrer kalten Umarmung nie wieder entkommen.

Vor mir ragen die schlanken Baumstämme eines Waldes in die Höhe, Giganten aus Holz, die sich nach einem feurigen Himmel recken. Ihre mächtigen Kronen sind von einem golden schimmernden Nebelschleier verhangen und das Herbstlaub verwandelt den Boden in ein blutrotes Meer. Unter meiner Leinenbluse bekomme ich eine Gänsehaut. Ich hasse die Leere. An diesem Ort, an den es jeden träumenden Menschen verschlägt, ist die Luft so kalt, dass sie in meinen Lungen brennt, obwohl die Strahlen der Sonne eine angenehme Wärme vorgaukeln. Nur eine Illusion.

»Wierny? Wo bist du hin?«

Die aus dem Wald dringende Mädchenstimme lässt mich aufhorchen. Zögerlich starre ich in die unheilvolle Dunkelheit hinein. Sie klang verzweifelt. Ob ich ihr folgen sollte? Es könnte eine Falle sein.

Das Grübeln hilft mir auch nicht weiter, also nehme ich einen tiefen Atemzug und folge dem schmalen Pfad vor mir, der durch das Laub nur schwer auszumachen ist. Bei jedem Schritt rascheln die Blätter unter meinen Stiefelsohlen. Zwischen den Bäumen fegt eine kühle Brise hindurch und bläst mir eine rote Locke ins Gesicht, die sich aus meinem Zopf gelöst hat. Ich streiche sie mir hinters Ohr. Das Heulen des Windes klingt hier wie eine Violine, auf der jemand ausschließlich schiefe Töne spielt. Ich umklammere meinen Bogen noch fester und nehme einen Pfeil aus dem Köcher auf meinem Rücken.

Der Pfad vor mir wird immer dunkler und verschlungener. Während ich mir meinen Weg durch das dichte Gehölz bahne, bringt mich jedes noch so kleine Geräusch dazu, einen Blick über die Schulter zu werfen, doch es ist immer nur der Wind, der die Blätter aufwirbelt. Ich lasse meinen Daumen unruhig über den Schaft des Pfeils kreisen. Die Atmosphäre in diesem Wald ist schwer und aufgeladen, wie bei einem bevorstehenden Sturm, der jeden Moment mit Blitz und Donner losbrechen könnte. Die Leere selbst fühlt sich immer gleich an – kalt, unheilvoll und beklemmend –, doch jeder Traum hält andere Szenarien und jeder Albtraum neue Gefahren für mich bereit.

»Wierny?«

Wieder hallt die Kinderstimme durch den Wald, dieses Mal lauter. Ich springe über Wurzeln und Äste hinweg, bleibe aber auf der Hut. In Träumen lauern überall Gefahren. Mir darf kein Fehler passieren.

»Komm zurück, Wierny!«

Ich folge der Stimme und gelange zu einer Weggabelung, an der ein kleines Mädchen einsam und verloren auf dem Waldpfad steht. Ihre spindeldürren Arme hat sie vor der Brust verschränkt. Immer wieder schaut sie von links nach rechts, wobei ihre blonden Zöpfe durch die Luft schwingen. Sie sieht aus wie Nela. Aber das bedeutet nicht, dass sie es auch ist.

Ihre Eltern haben sich an mich gewandt, weil sie sich seltsam verhält, seit sie vor zwei Wochen im Wald nahe dem Dorf verschwunden und verändert wieder nach Hause gekommen ist. Sie glauben, ihre Tochter könnte von einem Dämon besessen sein. Das hat sich inzwischen bestätigt. Sie ist besessen und der Dämon, der sie jede Nacht mit Albträumen quält, bis er ihren Körper übernehmen kann, versteckt sich hier irgendwo. Vielleicht befindet er sich auch direkt vor meiner Nase.

Ich stecke den Pfeil zurück in meinen Köcher und eile zu Nela. Mit ihren dunklen Augen verfolgt sie jede meiner Bewegungen. Sie wirkt verunsichert. Oder sie tut nur so als ob. Ich lächle sie an und suche gleichzeitig nach einem Hinweis darauf, dass dieses Mädchen kein Dämon ist, der die Gestalt seines Opfers angenommen hat.

»Hast du Wierny gesehen?«, fragt Nela mich.

Ich gehe vor ihr in die Hocke, bleibe jedoch wachsam. »Wer ist Wierny?«

»Mein Hund. Er ist in den Wald gelaufen und jetzt kann ich ihn nicht mehr finden.«

Als ich das Haus ihrer Familie betreten habe, hat ein Hund mit braunem Fell auf dem Teppich vor dem Kamin gelegen und vor sich hin gewinselt. Das kann kein Zufall sein. Dieser Dämon nutzt ihre Angst um den Hund, damit er leichteres Spiel bei ihr hat.

»Vorhin hab ich ihn noch gesehen, aber dann ist er weggerannt«, klagt sie. »Wieso läuft er vor mir weg? Er ist doch mein Hund! Er muss doch bei mir bleiben!«

Ich lasse die Schultern sacken. Das klingt nicht nach etwas, das ein Dämon von sich geben würde. Sie feilschen viel lieber um ihr Leben, versuchen mich mit unmoralischen Angeboten zu verführen, weil das ihrer perfiden Natur entspricht. Wie konnte ich dieses unschuldige Mädchen bloß für einen von denen halten?

»Mach dir keine Sorgen«, sage ich. »Ich finde ihn für dich.«

»Wirklich?« Als ich nicke, hebt sie ihre Brauen. »Aber du hast eine Waffe. Du wirst Wierny doch nicht etwa wehtun?«

»Nein, keine Angst. Ich bringe ihn zu dir zurück.«

Es fühlt sich nicht gut an, sie anzulügen, aber mir bleibt keine Wahl. Das, was sie für ihr kleines, süßes Haustier hält, ist mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit ein Dämon.

Sie mustert meinen Bogen. »Bist du eine Jägerin?«

»Könnte man so sagen.«

»Versprichst du es? Versprichst du, dass du Wierny zu mir zurückbringst?«

Ich halte ihr den kleinen Finger hin. »Hoch und heilig. Aber nur, wenn du mir dafür dein Wort gibst, hier auf mich zu warten.«

Sie runzelt die Stirn. Mit dieser skeptischen Miene erinnert sie mich so sehr an meine Schwester Karolina, dass es fast schon unheimlich ist. Karo hat auch diesen argwöhnischen Gesichtsausdruck, der nie verschwindet. Das letzte Mal haben wir uns vor drei Jahren gesehen, aber in diesem Moment habe ich sie so deutlich vor Augen, als wäre seit meiner Flucht aus Szerokien kein einziger Tag vergangen.

»In Ordnung«, meint Nela und hakt ihren Finger bei meinem unter. »Ich versprech’s.«

Ich schenke ihr ein Lächeln, bevor ich aufstehe und meine Jagd fortsetze. Aus einem Bauchgefühl heraus entscheide ich mich für den Pfad zu meiner Rechten, der mich tiefer in den gespenstischen Wald hineinführt. Inzwischen sinken meine Lederstiefel bei jedem Schritt mit einem Schmatzen im Erdboden ein, doch da ist noch ein anderes Geräusch, das sich von mir fortbewegt. Ein kaum vernehmliches Rascheln, als würde etwas durch das rote Blättermeer huschen. Sofort ziehe ich den Pfeil erneut aus meinem Köcher. Wo versteckt er sich bloß? Er weiß, dass ich hier bin. Sie wissen es immer.

Eine Weile folge ich dem Weg, bis ich eine heruntergekommene Holzhütte entdecke. Die Tür steht weit offen und ich spüre, dass irgendetwas da drin ist. Oder irgendwer. Ich spanne meinen Bogen und richte ihn nach vorn aus. Schwer zu sagen, was mich in dieser Hütte erwartet. Wäre nicht das erste Mal, dass ich meinem Vater oder Karo gegenüberstehe, weil ein Dämon ihre Gestalt angenommen hat.

Mit bedächtigen Schritten nähere ich mich der Tür. Im Inneren ist es finster, nur durch ein verstaubtes Fenster dringen einige Lichtstrahlen. Ich trete über die Schwelle. Auf einem alten Bett in der Ecke kauert ein Mädchen mit blonden Zöpfen, ihre dunklen Augen fixieren einen Punkt auf dem schmutzigen Holzboden.

Aber das kann nicht sein. Ich habe Nela doch da draußen gesehen, sie kann nicht auf diesem Bett sitzen!

Als ich näher komme, hebt sie den Kopf und schaut zu mir.

»Wer bist du?«, fragt sie mich mit brüchiger Stimme.

Das muss der Dämon sein. Es sähe ihm ähnlich, sich in dieser Hütte zu verstecken und mich zu verwirren. Ich richte meinen Bogen auf ihn, aber noch schieße ich nicht, weil es fatal wäre, den Träumer statt des Dämons zu erwischen.

»Hör auf mit den Spielchen«, fordere ich.

Er zieht die Beine enger an sich. »Welche Spielchen?«

»Das weißt du genau.«

»Ich spiele gar nicht. Wierny tut das. Er kommt her, aber er bleibt nie. Er lässt mich immer wieder allein. Ich hab solche Angst.«

Tränen glitzern auf seinen Wangen. Ich mache einen Schritt auf ihn zu, den Bogen weiterhin auf ihn gerichtet, aber die Zweifel in meinem Hinterkopf werden lauter. Was, wenn das hier gar nicht der Dämon ist?

»Wovor fürchtest du dich?«, will ich wissen.

»Davor, dass Wierny nie mehr zurückkommt. Ich verstehe nicht, warum er wegläuft. Er ist doch mein Freund!«

Genau dasselbe wie eben. Das macht mich noch wahnsinnig.

»Ich will mit dir handeln«, lüge ich, um den Dämon aus der Reserve zu locken.

»Handeln? Aber ich habe doch gar nichts.«

»Sicher? Ich wäre bereit zu verschwinden, wenn du mir etwas dafür gibst.«

Der Dämon schnieft. »Seit Wierny weggelaufen ist, fühlt sich alles sinnlos an. Er fehlt mir so. Ich will nicht handeln, ich will Wierny!«

Dämonen wollen immer handeln, hat Vater mir mal gesagt. Es gehört zu ihrem Spiel. Dein Einsatz interessiert sie und wenn er ihnen gefällt, bieten sie dir einen Tausch an. Wäre das hier also der Dämon, hätte er etwas anderes geantwortet.

»Mist«, murmele ich.

Es war tatsächlich eine Falle. Dieser verdammte Dämon hat mich an der Nase herumgeführt! Ohne weitere Zeit zu verschwenden, stürme ich aus der Hütte. Ich hetze durch den Wald, zurück zum Pfad, auf dem mir der Dämon zuletzt begegnet ist. Hätte ich bloß auf mein Bauchgefühl gehört!

Der Wind peitscht mir ins Gesicht und lässt meine Bluse flattern. Mein Arm wird schwer, aber die Waffe werde ich keine Sekunde aus der Hand legen.

Als ich mein Ziel erreiche, ist nichts mehr vom Dämon zu sehen. Ich suche zwischen den Bäumen nach einer Spur, einem Hinweis auf seinen Verbleib – ohne Erfolg.

Plötzlich trifft mich ein heftiger Stoß im Rücken und schleudert mich nach vorn. Nur mit Mühe kann ich meinen Bogen festhalten. Ich pralle gegen einen Baum, mein Kopf schlägt frontal gegen den rauen Stamm. Für einen Moment bin ich benommen und spüre, wie mir etwas Heißes aus der Nase rinnt.

Immer noch leicht desorientiert drehe ich mich um. Vor mir steht Nela, genauso klein und unschuldig wie eben, doch etwas hat sich verändert. Ihre Augen sind nicht länger braun, sondern leuchtend violett, unnatürlich und bedrohlich. Ein zarter Hauch von Finsternis umgibt ihren Körper.

»Hallo, Nachtläuferin«, grüßt der Dämon mich bester Laune.

»Du hinterhältiger …«

Das dumpfe Pochen hinter meiner Stirn wird stärker. Bevor es sich verschlimmert, spanne ich meinen Bogen und richte ihn auf den Dämon. Ich kneife die Augen zusammen, um den Schwindel zu kontrollieren. Meine Hände sind unruhig. Als der Dämon meine Gehemmtheit bemerkt, lächelt er.

»So leicht hinters Licht zu führen, diese Menschen.« Sein Lächeln wird breiter und verzerrt Nelas kindliche Miene zu einer diabolischen Fratze. »Du hast gezögert. Weil du Angst hast, einen weiteren Fehler zu machen. Wie damals.«

Ich schlucke. Dämonen sind sowieso unheimlich, aber es wird noch unerträglicher, wenn ihre giftigen Worte aus dem Mund eines unschuldigen Kindes strömen. Das Schlimmste daran ist, dass er recht hat. Dieser Parasit weiß alles über mich, er kennt meine Ängste und Sehnsüchte, denn sobald ich in seine Domäne eindringe, bin ich ein offenes Buch für ihn.

»Das reicht jetzt«, zische ich.

Ich mache mich bereit zum Schuss, doch schon als sich der Pfeil von der Bogensehne löst, weiß ich, dass er sein Ziel verfehlen wird. Er saust durch die Luft und bohrt sich in einen Baum direkt hinter dem Dämon. Ihm entfährt ein unmenschliches Lachen, wobei seine Augen noch stärker glühen. Ohne Vorwarnung löst er sich in eine schwarze Wolke auf. Ein eisiger Windhauch streift meinen Nacken und im nächsten Moment schließt sich eine genauso eisige Hand um meinen linken Unterarm.

»So schwach«, säuselt der Dämon dicht hinter mir. Sein Atem ist so kalt, dass sich jedes Härchen an meinem Körper aufrichtet. »Ich könnte dein Leben verschonen. Du musst mir nur das Mädchen überlassen.«

»Niemals!«

Ich entreiße ihm meinen Arm und fahre herum. Noch während ich damit beschäftigt bin, einen neuen Pfeil aus meinem Köcher zu ziehen, löst der Dämon sich wieder in Luft auf. Ich drehe mich im Kreis und suche mit den Augen die Umgebung nach ihm ab, doch er bleibt verschwunden.

»Warum willst du sie beschützen?« Die Stimme kommt von oben. Sofort richte ich mein Augenmerk auf die Baumkronen über mir und entdecke ihn tatsächlich auf einem dicken Ast sitzend, die dünnen Beine lässig überschlagen. »Sie ist doch nur ein Mädchen. Was kann sie dir schon bedeuten?«

Ich presse die Zähne aufeinander. Für seinesgleichen sind wir Menschen beliebig, wir sind bloß Körper, die ihnen Macht verleihen. Gefühle wie Nächstenliebe sind ihnen fremd.

»Sie ist nicht nur ein Mädchen«, erwidere ich. Mein Kopfschmerz wird immer schlimmer, ich muss das hier dringend beenden. »Sie heißt Nela und sie verdient es, ein glückliches Leben zu führen!«

Ich richte den Bogen auf ihn und schieße. Der Dämon macht eine Bewegung zur Seite, sodass der Pfeil vorbeifliegt.

»Wenn es dir um das Mädchen geht, könntest du mir auch dabei behilflich sein, einen anderen Körper zu finden«, schlägt er vor. »Du könntest entscheiden, wen es trifft. Nicht alle Menschen sind es wert zu leben, das wissen wir doch beide.«

Mir ist klar, worauf er hinauswill. Dämonen sind zwar nicht in der Lage, von Nachtläufern Besitz zu ergreifen, aber wir können ihnen als Zwischenwirt dienen und sie auf jeden beliebigen Menschen loslassen. Diesen Aspekt unserer Gabe fürchten alle, weil wir damit Gott spielen könnten. Ich könnte dem Dämon erlauben von jemandem Besitz zu ergreifen, der es verdient. Ein Ehemann, der seine Frau verprügelt. Eine Mutter, die ihre Kinder misshandelt. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, das nie in Erwägung gezogen zu haben. Lasse ich mich jedoch darauf ein, bin ich nicht besser als das Ungeheuer, für das man jeden Nachtläufer in meiner Heimat hält. Vater ist wegen diesem Vorurteil gestorben. Er hätte nie gewollt, dass ich meine Gabe so missbrauche.

»Das Einzige, was verwirkt ist, ist dein Leben!«, rufe ich und ziehe einen neuen Pfeil aus dem Köcher. Als ich auf ihn schieße, löst er sich wieder in Luft auf und verschwindet, bevor der Pfeil ihn treffen kann.

»Wierny!«

Nelas Stimme ertönt hinter mir. Ich schnappe mir noch einen Pfeil und drehe mich um, rechne damit, die violetten Augen des Dämons zu sehen, doch zu meinem Entsetzen finde ich etwas anderes. Nicht weit entfernt kniet Nela im Laub und lacht vor Freude, während ein kleiner Hund mit braunem Fell auf sie zuläuft. Er springt direkt in ihre Arme. Verdammt.

Kapitel 2

Glückloser Traum

Fluchend wische ich mir mit dem Handrücken das Blut von der Nase ab. Warum ist Nela hier? Ist sie mir etwa gefolgt? Dieser verflixte Dämon muss sie von dort oben gesehen haben!

Ich ziele auf seinen pelzigen Körper, traue mich jedoch nicht den Pfeil loszulassen. Was, wenn ich ihn nicht treffe und stattdessen sie verletze? Tötet ein Nachtläufer den Träumer, bringt ihn das nicht um, aber das wäre, als würde man einem Flüchtenden die Beine zertrümmern. Der Dämon würde sich auf diese Schwäche stürzen und ihren Widerstand binnen einer Nacht brechen. Dann gehört ihr Körper für immer ihm und Nela wäre unwiederbringlich tot. Das kann ich nicht riskieren. Wenn ich es jedoch nicht tue, könnte sie genauso sterben, weil ich nicht weiß, ob sie diesem Ungeheuer noch eine weitere Nacht standhält.

Mir läuft das Blut aus der Nase und dank dem Aufprall von vorhin wird auch meine Bindung zum Traum von Sekunde zu Sekunde schwächer. So war das nicht geplant. Je länger ich zögere, desto größer die Gefahr, aus der Leere herausgeschleudert zu werden. Ich muss etwas unternehmen. Irgendetwas.

Als sie mich mit der Waffe erblickt, springt Nela schreiend auf, die dünnen Arme fest um den Dämon geklammert. »Nein, nicht schießen!«

»Lass ihn los!«, rufe ich, doch sie schüttelt bloß den Kopf.

»Ich lasse bestimmt nicht zu, dass du Wierny wehtust!«

»Er ist derjenige, der dir wehtun wird!«

»Du lügst! Er ist mein Hund, er liebt mich!«

Wie gern ich ihr die Wahrheit sagen würde. Er liebt nur das, was du ihm geben kannst. Was er sich früher oder später von dir nehmen wird. Doch manche Wahrheiten glaubt leider niemand gern. Mit der Wahrheit gewinnt man selten. Man gewinnt mit Lügen, mit perfiden Spielchen und Finten, so wie dieser Dämon, der sicher geahnt hat, dass ich es nicht riskieren würde, Nela zu verletzen. Er durchschaut mich. Das heißt aber nicht, dass ich ihn nicht überraschen kann.

Ich verziehe meine Waffe und schieße. Der Pfeil landet vor Nelas Füßen, woraufhin sie vor Schreck einen Satz nach hinten macht und den Dämon loslässt. Durch den Schwindel kann ich mich kaum konzentrieren, meine Hand zittert und es rauscht in meinem Kopf, aber ich habe nur diesen einen Augenblick, also lege ich all meinen Willen in diesen Schuss und hoffe, dass er sein Ziel findet.

Als der Pfeil den Dämon durchbohrt, jubiliere ich innerlich. Dort, wo gerade noch flauschiges Fell gewesen ist, erscheint jetzt eine schwarze Wolke. Sie sieht aus wie ein sich windender Schatten. Ein sterbender Dämon in seiner reinsten Form. Nur Sekunden später verpufft er.

Nela rappelt sich auf und schaut sich verwirrt um. Sicher fragt sie sich, was sie eigentlich hier macht, jetzt, da der böse Zauber gebrochen ist.

Ich gehe zu ihr herüber. »Es ist vorbei.«

Sie legt den Kopf schief. »Heißt das, ich muss nie mehr dieses böse Versteckspiel spielen?«

Ich lächle. »Kein Versteckspiel mehr. Von jetzt an –«

Weitere Worte kommen mir nicht mehr über die Lippen, weil der Traum um mich herum zu flimmern beginnt. Ein Kribbeln breitet sich auf meiner Haut aus und eine unsichtbare Kraft zerrt an mir. Es fühlt sich an, als würde jemand meinen Arm packen und mich aus einem Raum ziehen, ohne dass ich mich dagegen wehren kann. Der Traum entgleitet mir.

***

Als ich hochschrecke, brummt mir der Schädel. Ich knie auf dem Boden vor Nelas Bett, meine Finger sind um ihr Handgelenk geschlossen. Vorsichtig lasse ich sie los. Obwohl ich einen Menschen berühren muss, um eine wirklich stabile Bindung zu seinen Träumen aufbauen zu können, tue ich das nie gern. Es kommt mir falsch vor, die Verletzlichkeit eines Schlafenden zu stören.

Etwas Warmes rinnt mir aus der Nase. Hastig wische ich es mit dem Ärmel meiner Bluse weg, was ich sofort bereue. Das kräftige Rot hebt sich unschön von dem weißen Stoff ab. Scheint, als hätte ich ein kleines Andenken mit in die wache Welt gebracht.

»So ein Mist«, fluche ich und stehe auf, bevor das Blut aufs Bett tropft. Die arme Nela würde den Schreck ihres Lebens bekommen.

Ihr Brustkorb hebt und senkt sich gleichmäßig. Sie wirkt friedlich, aber ihr Stirnrunzeln ist auch jetzt nicht verschwunden. An mich wird sie sich nicht mehr erinnern, wenn sie aufwacht, doch die Hoffnungslosigkeit zahlreicher Dämonenträume vergisst niemand so leicht.

Ich richte Bogen und Köcher auf meinem Rücken, bevor ich mir noch einmal die Nase abwische. Die Bluse ist ohnehin ruiniert. »Schlaf gut, Nela. Ab jetzt gehören deine Träume wieder dir.«

Auf Zehenspitzen schleiche ich aus dem Zimmer und ziehe die Tür behutsam hinter mir zu. Im angrenzenden Raum stehen Nelas Eltern wartend am Kaminfeuer, dort, wo auch Wierny auf seinem Teppich liegt. Der Raum lädt mit seinem wuchtigen Stoffsofa nahe der Feuerstelle und den vielen Kerzen, die überall auf den Tischen verteilt sind, zum Verweilen ein. Es duftet herrlich nach heißer Schokolade, was mich sofort an zu Hause erinnert. Die Gedanken an meine Heimat rücken jedoch schnell wieder in den Hintergrund, als die Mutter mir entgegenstürmt.

»Wie geht es ihr?«, fragt sie mich, wobei ihr besorgter Blick auf meinen blutverschmierten Ärmel fällt. Ihr blondes Haar wirkt ganz zerzaust. »Hat es funktioniert?«

Ich nicke. »Der Dämon ist Geschichte.«

Ein herzzerreißendes Schluchzen löst sich aus ihrer Brust. Sie breitet die Arme aus und fällt mir um den Hals, so gut die Waffen auf meinem Rücken es zulassen. Wierny jault und wedelt mit dem Schwanz, als wüsste er, dass es seiner Freundin jetzt besser geht. Renn bloß nicht mehr in den Wald, versuche ich ihm mit einem mahnenden Blick zu vermitteln. Er hechelt glücklich.

»Danke«, sagt Nelas Mutter mit erstickter Stimme und löst sich von mir.

Der Vater wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie dankbar wir Euch sind, Fräulein. Unsere Tochter bedeutet uns alles.«

Bei meiner Ankunft war sein freundliches Gesicht noch von Ratlosigkeit und Trauer gezeichnet. Jetzt strahlt er regelrecht, was mich an meinen eigenen Vater erinnert. Mit sechzehn habe ich das Leuchten seiner blauen Augen zum letzten Mal gesehen. Drei Jahre sind seitdem vergangen und noch immer fühlt sich der Gedanke an diesen Tag eiskalt an.

»Das habe ich gern getan.«

»Trotzdem soll es nicht umsonst gewesen sein.« Er zieht drei Silbermünzen hervor. »Hier ist Euer Lohn, wie vereinbart. Euch hat der Himmel zu uns geschickt.«

Ich nehme das Geld und stecke es in meine Hosentasche. »Danke. Ich bin froh nach Tevaric gekommen zu sein. Hier kann ich meine Gabe wenigstens für Gutes nutzen.«

Nelas Vater schüttelt den Kopf. »Unvorstellbar, dass man Euresgleichen in Szerokien hinrichten lässt. Da drüben hätten sie Nela gleich mit Euch zum Galgen geführt.«

Jetzt wird es ganz still im Raum. Nur das Kaminfeuer knistert leise vor sich hin und es strahlt mindestens dieselbe Hitze aus wie die Wut, die sich bei der Erinnerung an mein Heimatland in meinem Magen ausbreitet.

Wer von einem Dämon besessen ist, trägt selbst die Schuld daran, heißt es in Szerokien. Man hätte schließlich nicht dorthin gehen müssen, wo sie lauern.

Ich balle die Fäuste. Zu Hause macht man es sich leicht, weil man sich vor dem fürchtet, wozu wir Nachtläufer fähig sind, wenn wir unsere Gabe missbrauchen. Dass deshalb Unschuldige sterben müssen, spielt dort keine Rolle. Es hätte ja ein Schuldiger unter ihnen sein können.

»Wir haben Freunde nicht unweit der Grenze«, sagt Nelas Mutter zögerlich und spricht auf einmal beträchtlich leiser, als hätte sie Angst, die falsche Person könnte sie hören. »In Szerokien. Die Frau ist von einem Dämon besessen. Sie verbergen es vor der Öffentlichkeit, aber wenn niemand etwas tut, wird sie …« Sie stockt und wendet den Blick ab. »Denkt Ihr, Ihr könntet vielleicht …?«

Auch ich starre jetzt den dunklen Holzboden an. »Ich würde gern, aber das geht nicht. Wenn ich dabei erwischt werde, richtet man mich hin.«

Nelas Vater räuspert sich. »Wir verstehen natürlich, dass das Risiko groß ist. Unsere Freunde würden Euch natürlich angemessen bezahlen.«

Wenn ich seinen Tonfall richtig deute, meint er mit angemessen eine höhere Summe als üblich. So verlockend es auch erscheint, darauf darf ich mich nicht einlassen.

»Es ist keine Frage des Geldes, Herr, wirklich nicht. Ich kann das Risiko einfach nicht eingehen.«

Die Mutter packt meine Hände mit hartem Griff und blickt mich flehend an. »Unsere Freundin hat Kinder, die sie nicht allein lassen kann. Sie kann nicht weg. Bitte, niemand würde davon erfahren. Ihr habt Nela geholfen, wir würden nie etwas tun, das Euch gefährden könnte.«

Niemand wird davon erfahren.

Diese Worte habe ich schon einmal gehört, vor drei Jahren. Damals habe ich sie geglaubt und der Preis dafür war hoch. Auf solche Zusicherungen kann ich mich nicht mehr verlassen, egal wie gern ich diesen Leuten auch meine Hilfe anbieten würde.

»Es tut mir aufrichtig leid«, antworte ich und winde mich aus ihrem Griff. »Aber ich kann nicht.«

Die Enttäuschung in ihren Gesichtern zu sehen schmerzt, deshalb murmele ich hastig einen Abschiedsgruß und schleiche mit gesenktem Kopf zur Haustür. Das Silber wiegt jetzt deutlich schwerer in meiner Hose. Bevor ich mich von diesen netten Leuten zu etwas überreden lasse, das mir Probleme einbringt, verschwinde ich schnell durch die Haustür.

Draußen weht mir ein strammer Wind ins Gesicht. Ich schaue zum Himmelszelt, das heute Abend von zahlreichen Sternen geschmückt wird, doch dort finde ich leider nicht die Antwort auf meine Sorgen. Ich seufze leise. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, diese Leute zu unterstützen. Eine, die nicht so endet wie beim letzten Mal, als ich jemandem in Szerokien helfen wollte.

Ein melodisches Pfeifen schreckt mich auf. Ich lasse meine Augen über die dunkle Umgebung streifen, die nur durch eine einsame Straßenlaterne erhellt wird. Dusan lehnt an der Wand des dürftig verputzten Nachbarhauses und spielt mit seinem Schnurrbart, den er genauso königlich behandelt wie sein schwarz glänzendes Haar. Mit dieser Haltung wirkt er wie ein junger Dieb, der in den Schatten auf sein nächstes Opfer wartet. Sein feines, tintenblaues Seidenhemd, der farblich dazu passende Schal und der edle schwarze Mantel machen den Eindruck jedoch wieder zunichte.

»Dieser Gesichtsausdruck steht dir nicht«, meint er und schlendert zu mir herüber. »Wenn ich dich jetzt malen müsste, würde ich das Bild Glückloser Traum nennen.«

Mir gelingt nur ein flüchtiges Lächeln. »Wie gut, dass du für jeden meiner Gemütszustände einen passenden Titel hast.«

»Feuriges Haar, Augen wie Wasser, Haut wie Porzellan. Du bist wie geschaffen für ein Kunstwerk. Und jedes Kunstwerk verdient einen Namen.« Sein Blick bleibt an meiner Bluse hängen. »Nur das da passt nicht ins Bild.«

Ich seufze. »Mein Gesicht hat heute Bekanntschaft mit einem Baum gemacht. Das Kennenlernen war so innig, dass meine Nase sogar in der wachen Welt geblutet hat.«

»Für ein inniges Kennenlernen bin ich ja immer zu haben, aber das geht sogar mir zu weit«, meint er lachend. »War die Jagd wenigstens erfolgreich? Du machst ein ganz schönes Regenwetter-Gesicht.«

»Es lief gut, bis sie mich gefragt haben, ob ich noch jemand anderem helfen könnte. In Szerokien.«

Er fährt sich neugierig über sein Kinn. »Hast du abgelehnt?«

»Ungern, aber ja. Dabei kann zu viel schiefgehen.«

Dusan klopft mir aufmunternd auf die Schulter. »Manchmal wird Mut belohnt.«

»Mut ist die häufigste Todesursache auf der Welt«, erwidere ich zynisch. »Das nennt sich auch Grabessehnsucht.«

Er lacht. Seine gute Laune vertreibt meine Trübsal zumindest ein bisschen. Diese hoffnungslose Zuversicht schätze ich wirklich an ihm, selbst wenn er mir oft ein wenig zu optimistisch ist. Abgesehen von dem einen Mal, als ein Dämon von ihm Besitz ergriffen hat, ist Dusan noch nie in eine brenzlige Situation geraten, obwohl sein Lebensstil förmlich darum bettelt. Genau diese Besessenheit vor drei Jahren war der Beginn unserer Freundschaft. Einige Wochen nach meiner Flucht aus Szerokien bin ich ihm zufällig in einer Taverne begegnet. An jenem Abend war es brechend voll und er saß mutterseelenallein in einer Ecke und hat sinnloses Zeug vor sich hingekritzelt. Unter seinen sonst so strahlenden Bernsteinaugen hatten sich Schatten festgesetzt. Der arme Kerl hat ein so klägliches Bild abgegeben, dass ich mich einfach zu ihm gesellen musste und ihn gefragt habe, was mit ihm los sei.

Ach, ich fühle mich nicht besonders, seit ich in dieser Höhle Schutz vor einem Gewitter gesucht habe. Nicht mal eine ordentliche Zeichnung bekomme ich mehr zustande.

In derselben Nacht habe ich Dusan von seinem Dämon befreit. Seitdem sind wir unzertrennlich und reisen zusammen durch Tevaric. Während er die Herzen seiner zahlreichen Verehrer bricht, versohle ich Dämonenhintern, und ich habe mich noch immer nicht darauf festgelegt, wer von uns eigentlich das härtere Los gezogen hat. Tote Dämonen können einem wenigstens nicht mehr über den Weg laufen.

»Jemand hat nach dir gefragt«, meint er.

»Hm?«

»Eine junge Frau. Sie war sehr bestimmend.«

»Und was wollte sie?«

»Hat sie mir nicht verraten. Ich hab ihr gesagt, dass du heute beschäftigt bist.«

»Danke.« Wahrscheinlich braucht sie Hilfe mit einem Dämon, aber mehr als einen pro Tag würden sich nur Wahnsinnige zumuten. »Für heute reicht’s mir. Ich könnte jetzt einen Slivovice gegen die Kopfschmerzen vertragen.«

»Der bringt dir bloß welche ein.« Er rückt seinen Schal zurecht. Die Wolle kratzt offenbar ein wenig, aber er beklagt sich nicht, weil ich ihn gestrickt habe. »Da ich hier jedoch nicht die Stimme der Vernunft bin, habe ich nichts gegen deinen Vorschlag einzuwenden.«

»Genau das wollte ich hören.«

Ich hake mich bei ihm unter und gemeinsam schlendern wir Richtung Herberge, die seit einigen Wochen unser vorrübergehendes Zuhause ist. Bisher haben wir nie allzu lange an einem Ort verweilt, sondern ziehen wie Nomaden durchs Land und lassen uns immer woanders nieder. Nur die roten Dächer der Häuser bleiben in allen Dörfern und Städten gleich. Das Reisen ist aufregend, aber tief in meinem Herzen wünsche ich mir ein Zuhause, das vollkommen mir gehört und in dem ich mit Karo leben kann. In Sicherheit. Wenn ich genug Geld gespart habe, kaufe ich uns in Tevaric ein Haus, und sobald Karo ihr Philosophie-Studium in Szerokien beendet hat, sind wir endlich wieder vereint.

***

Als wir die Taverne der Herberge betreten, springt uns die stickige Luft geradezu ins Gesicht. Die meisten Plätze sind bereits belegt und die Schankmädchen versuchen sich mit mehreren Bierkrügen an jeder Hand durch die Menge zu manövrieren. Wir setzen uns an einen der wenigen freien Tische, wo wir etwas zu trinken bestellen. Ich stütze die Ellbogen auf das klebrige Holz und halte mir den sauberen Ärmel meiner Bluse vor die Nase.

»Hier drin wird man schon vom Atmen betrunken«, meine ich.

Dusan grinst. »Mehr atmen, weniger trinken. Klingt doch nach einer gesunden Devise.«

Ich lasse meinen Blick durch den Schankraum schweifen. Wegen der niedrigen Holzdecke wirkt er noch schmaler und voller, und die meisten Tische stehen so dicht beieinander, dass man theoretisch zwar jedes Wort des Nachbarn hören könnte, es aber nicht tut, weil alle viel zu laut sprechen und das Stimmengewirr einem die Sinne vernebelt.

Trotz des Trubels vermisse ich die ausgelassene Stimmung an diesem Ort. Zu Hause in Szerokien hatten die Leute immer so viel Spaß, sie haben getanzt, gemeinsam gesungen und die ganze Nacht gefeiert, während die meisten Menschen in Tevaric sich bloß lauthals über ihren Tag unterhalten oder darüber diskutieren, wer die nächste Runde ausgibt. Seltsam, wie sehr sich das unterscheidet, obwohl Szerokien und Tevaric direkte Nachbarländer sind. Vielleicht fallen mir diese Unterschiede aber auch nur auf, weil ich nicht hier aufgewachsen bin. Nach all der Zeit fühle ich mich immer noch wie ein Fremdkörper, der nicht hierher passt. Schon an meinem leichten Akzent erkennt jeder, dass ich anders bin, und anders mögen die wenigsten Menschen.

Mir fällt eine junge Frau mit kinnlangem dunklem Haar in der hintersten Ecke des Schankraumes auf. Ihre Augen haften an meinem Gesicht und selbst als ich ihren Blick erwidere, schaut sie nicht weg. Ich schätze, wir sind etwa im selben Alter. Ihre helle Hose und die nachtblaue Jacke mit den goldenen Knöpfen sehen förmlich aus, fast wie eine Uniform. In ihrer Hand balanciert sie ein Messer, das gefährlich im Feuerschein blitzt. Schnell sehe ich weg, weil ihr Starren mich nervös macht.

Zum Glück bringt uns die Bedienung in diesem Moment die Getränke. Dusan bezahlt die Runde, während ich den Slivovice in einem Zug herunterkippe.

»Langsam«, mahnt er und schüttelt den Kopf. »Da behauptet sie, dass Mut einen umbringt, aber trinkt den starken Obstbrand mit einem Schluck aus.«

»Den hab ich heute nötig.« Wieder huscht mein Blick zu der Frau in der Ecke. Sie starrt mich noch immer an. »Warum beobachtet diese Person mich?«

Dusan schiebt seine Brauen zusammen. »Wen meinst du?«

»Die junge Frau schräg hinter dir, direkt an der Wand.« Er dreht sich um. »Nein, nicht hinsehen!«

Zu meinem Leidwesen ist es schon zu spät. Er reckt seinen Hals wie ein Hahn und mustert sie unverhohlen. Spätestens jetzt dürfte ihr klar sein, dass wir über sie sprechen. Am liebsten würde ich im Boden versinken. Man sollte nie die Aufmerksamkeit von bewaffneten Leuten erregen, sonst kommen sie noch auf dumme Ideen.

»Die kenne ich«, sagt Dusan und dreht sich wieder zu mir. »Das ist die Frau, die heute nach dir gefragt hat.«

»Wirklich?«

Er nickt und wirft mir ein wissendes Grinsen zu. »So intensiv, wie sie dich anschaut, könnte man fast denken, sie wäre an dir interessiert.«

Ich verdrehe die Augen. »Sie schaut mich an, als wäre sie daran interessiert, mich zu töten. Was größtenteils daran liegt, dass sie gerade mit einem Messer spielt.«

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus, was ich ausnahmsweise nicht dem Slivovice zuschreibe. Ich habe mal von Nachtläufer-Jägern gehört, die nach meinesgleichen suchen, und ein hartnäckiges Gerücht besagt, dass sie auch abseits von Szerokien nach uns Ausschau halten. Was, wenn sie nach mir gefragt hat, um mich zu töten?

Bleib ruhig, rede ich mir ein. Sie wird dich schon nicht inmitten all dieser Leute abstechen.

Den Gedanken stelle ich allerdings wieder infrage, als sie aufsteht und zu uns herübermarschiert. Ohne um Erlaubnis zu bitten, lässt sie sich auf dem freien Stuhl an unserem Tisch nieder.

»Du bist Kamila Tessen, oder?«, fragt sie mich. »Die Nachtläuferin.«

Ich starre sie mit offenem Mund an. In ihren Worten schwingt kein Akzent mit, also stammt sie höchstwahrscheinlich aus Szerokien. Woher kennt sie meinen Namen? Die Leute im Dorf wissen, dass ich Kamila heiße, aber ich habe niemandem meinen Nachnamen verraten. Ich schlucke. Das Messer in ihrer Hand ist verschwunden. Hat sie es am Tisch zurückgelassen oder hat sie es eingesteckt?

Kapitel 3

Ein Angebot

Sofort drängt sich mir ein Fluchtimpuls auf, aber falls diese Person tatsächlich gefährlich ist, wäre es sinnvoller, in der Taverne zu bleiben, weil hier eine Menge Zeugen sitzen. Trotz ihrer Zierlichkeit verleiht ihr diese gerade Körperhaltung eine Entschlossenheit, die mich einschüchtert. Spitze Nase, hohe Wangenknochen, eckiges Kinn – überhaupt wirkt alles an dieser Person seltsam kantig.

»Und noch einmal Hallo«, grüßt Dusan sie beschwingt und nimmt ganz entspannt einen Schluck aus seinem Krug. Ihm scheint die Bedrohung, die von ihr ausgeht, gar nicht aufzufallen. »Mit wem haben wir das Vergnügen?«

»Izolda«, stellt sich die Fremde vor. »Ich will mit der Nachtläuferin sprechen. Allein.«

Dieses eine Wort, gesprochen wie ein Befehl, hätte jeden anderen dazu gebracht aufzustehen. Aber hier sitzt eben Dusan, dem nichts und niemand Angst einjagen kann. Eine eher ungesunde Eigenschaft, für die ich in diesem Augenblick allerdings dankbar bin, denn so muss ich dieser potenziell Verrückten nicht allein gegenübersitzen.

»Du kannst frei reden«, versichert er. »Kamila wird mir ohnehin alles erzählen. Wir sind Freunde.«

»Wie nett«, gibt Izolda unbeeindruckt zurück.

Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her. »Bist du eine Jägerin? Willst du mich umbringen?«

Sie hebt ihre schmalen Augenbrauen. »Wenn ich dich umbringen wollte, hätte ich dafür eine bessere Gelegenheit gefunden.«

Falls ich mal gefragt werden sollte, welcher Satz mich in meinem Leben am meisten beunruhigt hat, werde ich wohl diesen nennen.

»Und was willst du dann von mir?«

Izolda lehnt sich zurück und überschlägt die Beine. »Ich brauche deine Hilfe. Deshalb bin ich hier, um dir ein Angebot zu machen.«

»Du bist Szerokanerin«, stelle ich fest, weil ich die leise Ahnung habe, dass mir ihr sogenanntes Angebot nicht gefallen wird.

»Sieh an, da ist ja jemand blitzgescheit.«

Ich ignoriere ihre ironische Bemerkung. »Solltest du mich nicht für eine Dämonenkomplizin halten?«

»Nicht alle glauben diesen Schwachsinn. Unser Gesetz verbietet deine Gabe, aber wer Böses tun will, lässt sich nicht davon abhalten. Und die Guten? Die verstecken sich, so wie du.«

»Ich verstecke mich nicht.«

»Du kommst aus Szerokien und lebst in einer tevarischen Herberge. Noch Fragen?«

»Ich lebe nicht hier, ich bin auf der Durchreise«, widerspreche ich.

Bei ihrem zweifelnden Blick fühle ich mich ertappt. »Wie dem auch sei. Mein Fürst ist von einem Dämon besessen und ich will, dass du mich nach Alszak an seinen Hof begleitest, um ihn zu befreien.«

Für einen kurzen Moment starre ich sehnsüchtig auf mein Schnapsglas und verfluche mich dafür, dass ich es bereits bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken habe. »Das ist wohl kaum dein Ernst.«

»Sehe ich aus, als würde ich Scherze machen?«

»Nein. Tatsächlich siehst du aus, als hättest du noch nie im Leben über irgendetwas gelacht. Nicht mal allein im Keller, wo dich keiner beobachten kann.«

Ihre verständnislose Miene bestätigt meine Aussage ziemlich deutlich. Obwohl ich ihre Worte gern weiterhin für einen Witz halten würde, lasse ich sie mir für eine Weile durch den Kopf gehen. Das Fürstentum Alszak liegt im Südwesten von Szerokien, eine idyllische Region mit saftigen grünen Wiesen, romantischen Seen und Weinbergen, so weit das Auge reicht. Eigentlich ein nettes Reiseziel, allerdings herrscht dort Fürst Moscon. Er gehört zu denjenigen, die bei der letzten Fürstenzusammenkunft für die Fortführung des Verbots meiner Gabe gestimmt und damit alle Nachtläufer zu einem Leben voller Vorsicht und Lügen verdammt haben. Ich würde behaupten, es gibt sympathischere Dämonenopfer.

»Tut mir leid, aber ich lehne ab.«

Wäre es für mich eine Option, nach Szerokien zurückzukehren, hätte ich das eher für die Mutter mit Kindern getan, statt für einen Herrscher mit verstaubten Ansichten.

Izolda ballt eine Faust auf dem Tisch. »Falls sich keiner um den Dämon kümmert, wird mein Fürst an seiner Besessenheit sterben. Das lasse ich nicht zu.«

»Woher willst du überhaupt wissen, dass er besessen ist?«, hake ich nach. »Jemand wie der Fürst von Alszak wird dir wohl kaum anvertraut haben, dass ein Dämon in ihm steckt.«

Gewöhnlichen Leuten fällt eine Besessenheit selten auf. Die meisten bemerken es nicht einmal, wenn sie selbst besessen sind. Sie tun ihre Schlaflosigkeit mit Ausreden ab, um sich die Wahrheit nicht eingestehen zu müssen. Und sollten sie es doch akzeptieren, sprechen sie mit niemandem darüber. Vor allem nicht in Szerokien, denn dann könnten sie sich den Strick gleich selbst um den Hals legen.

»Ich bin seine Spionin«, erklärt Izolda. »Ich bin über alles informiert, was sich im Schloss zuträgt. Er ist besessen.«

Eine Spionin also. Das erklärt zwar nicht ganz, woher sie meinen Namen oder meinen Aufenthaltsort kennt, aber es liefert mir eine vage Vorstellung davon, wie sie vorgeht.

Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Dein Fürst hätte vor drei Jahren seine Stimme dafür nutzen können, die Jagd auf Nachtläufer zu beenden, was er aber leider nicht getan hat. Scheint, als hätte er sich damit sein eigenes Grab geschaufelt.«

Dieser Mann ist einer der Gründe, warum Menschen unnötig sterben müssen. Nicht nur Nachtläufer, sondern auch all jene, die von einem Dämon besessen sind. Man könnte ihnen helfen, aber das lassen diese konservativen, ängstlichen Idioten nicht zu.

Izoldas Miene gefriert zu Eis. »Das war nicht mein Fürst, sondern sein Vater.«

»Ist Tomasz Moscon etwa gestorben?«, fragt Dusan überrascht. »Ich war schon viel zu lange nicht mehr in der Heimat.«

Mir begegnet dieser Name zum ersten Mal, weil ich nicht aus Alszak stamme. Dusan dagegen ist bestens über den Adel informiert, immerhin stammt er selbst aus einer wohlhabenden Familie, die im Norden von Szerokien lebt. Da war es ihm allerdings zu kalt und zu konventionell.

»Vor fast zwei Jahren«, antwortet Izolda. »Seitdem herrscht sein Sohn Henryk.«

»Spielt das eine Rolle?«, erwidere ich. »Gleiches Blut, gleiche Überzeugungen.«

Könnten Blicke jemanden vergiften, läge ich jetzt röchelnd und mit Schaum vor dem Mund auf dem Boden des Schankraums.

»Er ist nicht wie sein Vater.«

Ich schürze die Lippen. »Bisher hat er nichts getan, um das zu beweisen. Verrate mir eins: Wie ist seine Meinung zu Nachtläufern?« Als sie nicht darauf antwortet, kann ich mir ein bitteres Lächeln nicht verkneifen. »Er weiß nicht, dass du hier bist, oder?«

»Es liegt am Dämon«, verteidigt sie ihn. »Mein Fürst ist nicht mehr er selbst.«

Ich winke ab. »Dämonen verändern ihre Opfer, aber sie sind nicht für ihren Glauben verantwortlich.«

Nur einen Wimpernschlag später versenkt Izolda das Messer im Tisch, so energisch, dass die Klinge im Holz stecken bleibt. Ich zucke zusammen. Wann hat sie das gezogen?

Sie funkelt mich böse an. »Er ist in dem Glauben aufgewachsen, dass Leute wie du gefährlich sind. Du könntest etwas daran ändern. Wenn du ihm hilfst, könntest du ihm zeigen, dass es auch gute Nachtläufer gibt. Vielleicht würde er dann bei der Fürstenzusammenkunft im nächsten Frühling dafür plädieren, das Gesetz zu ändern.«

Ich starre das Messer an. Will sie mich damit einschüchtern? Das wird mich nicht dazu bringen, ihr zu helfen, denn ich glaube ihr kein bisschen. Nicht nach allem, was ich in Szerokien erlebt habe, auch wenn mich nichts glücklicher stimmen würde, als diesem Gesetz endlich ein Ende zu machen.

»Dankbarkeit ist für die meisten ein Fremdwort. Wenn er herausfindet, was ich bin, wird er mich hängen lassen. Weil er glaubt, dass es richtig ist.«

Izolda zieht das Messer ganz langsam aus dem Tisch und lässt es wieder verschwinden. »Er muss die Wahrheit nie erfahren.«

»Und was, wenn er es doch tut?«

»Das wird er nicht. Ich schleuse dich ins Schloss, du erledigst deine Arbeit und dann verschwindest du wieder.«

So selbstbewusst, wie sie das sagt, klingt es ganz einfach, fast wie ein Sonntagsspaziergang. Dabei ist es alles andere als das.

»Tut mir leid, ich lehne immer noch ab.«

»Ich kann dich beschützen!«

Ein freudloses Lachen regt sich in meiner Kehle. Natürlich, sie strahlt etwas Gefährliches aus, aber was könnte sie schon ausrichten, wenn ihr Fürst mich zum Tode verurteilt? Zum Galgen hechten, mich losschneiden und mit mir davonreiten? Dafür ist sie in meinen Augen weder romantisch noch selbstlos genug.

»Das kannst du nicht versprechen.«

Izolda seufzt und löst einen schlichten Lederbeutel von ihrem Gürtel. »Hier. Ich zahle gut.«

Sie wirft ihn lässig auf den Tisch. Dem Geräusch nach zu urteilen stecken eine Menge Münzen darin. Vermutlich hofft sie meine Neugier damit wecken zu können. Zu ihrem Pech werde ich nicht gern manipuliert. Als ich den Beutel nach einigen Sekunde immer noch nicht angerührt habe, ergreift Dusan die Gelegenheit und späht hinein. Er pfeift durch die Zähne.

»Das ist ganz schön viel Gold«, murmelt er und legt den Beutel wieder auf den Tisch. »Besser, du versteckst es wieder, bevor jemand merkt, dass du mit einem halben Vermögen durch die Gegend läufst.«

Izolda zuckt mit den Schultern. »Mich raubt niemand aus. Zumindest nicht, ohne dabei die Finger zu verlieren.«

Ich starre den Beutel an. Mit so viel Geld könnte ich mir das Haus, von dem ich träume, sicher leisten. Meine Sorgen wären auf einen Schlag Geschichte. Aber was nützt mir das alles, wenn ich tot bin? So verlockend das Angebot auch erscheint, ich kann nicht zustimmen, egal wie gern ich glauben möchte, dass jemand wie der Fürst von Alszak seine Meinung über Nachtläufer ändern könnte.

»Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe. Das Risiko ist zu groß.« Ich schiebe meinen Stuhl zurück, stehe auf und schnappe mir meine Waffe. »Lass uns gehen, Dusan. Der Tag war lang genug.«

Dusan lächelt entschuldigend und erhebt sich ebenfalls.

»Warte!«, ruft Izolda.

Ich höre nicht mehr auf sie, denn was auch immer sie sonst noch anzubieten hat, nichts davon wird mich umstimmen. Sie hätte sich besser eine andere Nachtläuferin gesucht.

»Das war wirklich viel Gold«, raunt Dusan mir zu, nachdem wir den Schankraum verlassen haben. Gemeinsam erklimmen wir die knarrenden Stufen, die zu den Zimmern hinaufführen.

»Ich lasse mich nicht kaufen.«

»Jeder ist käuflich«, erwidert er gut gelaunt. »Es kommt nur auf den Preis an.«

»Nichts würde mich ins Schloss dieses Fürsten bringen.«

»Bist du sicher? Ich hab gehört, Fürst Moscons Sohn soll ziemlich attraktiv sein.«

Er zwinkert mir zu, was mich aufstöhnen lässt. Dusan will mich ständig zu romantischen Abenteuern überreden, wobei das hier sein bisher absurdester Versuch ist. Was nützt mir ein schöner Fürst, wenn er mich an den Galgen bringen könnte? So eine Romanze wäre mit einer ziemlich ungesunden Portion Nervenkitzel verbunden.

Ich seufze. »Vielleicht kann er den Dämon ja so sehr mit seiner Schönheit blenden, dass er seinen Körper von allein verlässt. Das wäre revolutionär.«

Früher wollte ich immer eine Reise nach Alszak unternehmen, weil die Landschaft dort wie gemalt sein soll. Jetzt würde mich nicht einmal eine Schubkarre voller Gold dorthin bringen. Wenn Vaters Tod mich eins gelehrt hat, dann dass man niemandem trauen darf, der behauptet, eine Angelegenheit würde geheim bleiben. Geteilte Geheimnisse enden immer tödlich, deshalb behält man sie lieber für sich.

Als wir oben ankommen, ertönt von unten ein Poltern. Irgendwer steigt sehr energisch die Treppen hoch.

»Wenn du ein Feigling sein willst, nur zu!«, ruft Izolda hinter uns. »Damit lasse ich dich bloß nicht davonkommen!«

Wir bleiben auf dem schmalen, schwach beleuchteten Gang stehen und drehen uns um.

»Und was willst du dagegen unternehmen?«, frage ich herausfordernd.

»Ich habe meine Wege.«

»Du wirst meine Meinung nicht ändern, egal was du mir bietest.«

Sie sieht aus wie eine Frau, die mir die Seele ihres Erstgeborenen versprechen würde, damit sie bekommt, was sie will. Als sie auf mich zustürmt, weiche ich sofort zurück, aber sie ist blitzschnell. Mit einer Hand packt sie mich am Kragen und hält mir im nächsten Moment das Messer von vorhin an die Kehle.

»He!«, ruft Dusan, aber ich hebe die Hand und bedeute ihm zurückzubleiben.

»Du wirst mich nicht töten«, sage ich zur Spionin, wobei ich selbstbewusster klinge, als ich mich in Anbetracht meiner Lage fühle.

Sie zieht einen Mundwinkel hoch. »Bist du sicher?«

Sicher kann man bei so einer Verrückten wie ihr nie sein. Das ist wie mit einer Wespe, von der die Leute behaupten, sie steche nur, wenn man sie provoziert. In der Theorie ist das einfach, aber manchmal passiert leider auch das Unwahrscheinliche. Trotzdem bleibe ich äußerlich ganz ruhig.

»Ja«, antworte ich. »Weil du verhungerst und ich weit und breit der einzige Apfel bin, der dich davor bewahren kann. Du würdest mich nicht achtlos in den Schmutz werfen, oder?«

Ihr schiefes Grinsen wirkt jetzt noch spöttischer. »Schlaues Mädchen. Du hast recht, ich will dich nicht töten. Ich will dich bloß wissen lassen, wie sich das hier anfühlt.«

Sie nimmt die Klinge nicht herunter, sondern drückt sie sogar ein wenig fester gegen meine Kehle. Definitiv verrückt. Und definitiv sagt sie nicht die ganze Wahrheit. Jemand mit einem so entschlossenen Blick hält mir kein Messer an den Hals, nur damit ich weiß, wie das ist.

»Was bezweckst du dann damit?«

Ihre Miene bleibt weiterhin hochmütig. »Ich wollte ein Bild in deinen Kopf pflanzen. Ein Gefühl. Wie würde wohl Karolina in deiner Situation reagieren? Wäre sie so ruhig wie du? So sicher, dass ich ihr Blut nicht vergieße?«

Ich sage nichts, schlucke nur einmal hart, wobei ich den Druck des kalten Eisens spüre. Die scharfe Kante, die mir ein tödliches Versprechen zuflüstert. Es fühlt sich an, als hätte die Spionin gerade einen Schnitt gesetzt, durch den sämtliches Leben in leuchtendem Purpur aus mir heraussickert.

»Ah, da ist sie ja«, raunt sie zufrieden. »Die Angst. Angst ändert alles.«

Kapitel 4

Träumerin im Wandel der Zeiten

»Jetzt schau doch nicht so.« Izolda nimmt das Messer runter, woraufhin ich einen Schritt rückwärts stolpere. »Hast du dich denn nicht gefragt, wie ich dich gefunden habe?«

Ich räuspere mich und fasse mir an den Hals. »Du bist eine Spionin.«

»Richtig.« Sie stemmt ihre Hände in die Hüften, als wollte sie sich auf diese Weise größer und furchteinflößender machen. Am besten sage ich ihr nicht, wie unnötig das wäre. »Zuerst habe ich mir die Namen einiger hingerichteter Nachtläufer besorgt, um herauszufinden, ob einer von ihnen Kinder hatte. Auf diese Weise habe ich von dir und deiner Schwester erfahren, aber ich konnte nur sie ausfindig machen. Glücklicherweise waren ihr jedoch Informationen über dich zu entlocken. Zum Beispiel, wo ich dich finde. Wirklich praktisch, dass du ihr regelmäßig Briefe schickst, in denen du schreibst, wohin es dich als Nächstes verschlägt.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Wie kann sie es wagen, meine Schwester zu belästigen und meine Briefe zu lesen? Die sind nur für Karo bestimmt gewesen! Freiwillig hat sie bestimmt keinen davon an eine szerokische Spionin ausgehändigt.

»Was hast du ihr angetan?«, knurre ich.

»Nichts. Bis jetzt.« Sie macht einen Schritt auf mich zu. »Allerdings könnte sich das jederzeit ändern. Abhängig davon, ob du kooperierst oder nicht.«

Mit Kooperation meint sie zweifellos, dass ich sie zum Schloss ihres Fürsten begleite und mein Leben für ihn riskiere. Mein Kopfschmerz macht sich jetzt wieder deutlicher bemerkbar. Es kommt mir vor, als wäre ich in einem weiteren dämonischen Albtraum gelandet, nur ist das Prickeln unter meiner Haut nicht kalt, sondern heiß.

»Ich kann deinem Fürsten nicht helfen. Das ist unmöglich.«

Sie legt den Kopf schief, wobei ihr eine dunkle Haarsträhne in die Stirn fällt. »Wirklich? Und wenn Karolinas Leben davon abhängt, ist es auch unmöglich?«

»Das würdest du nicht wagen.«

»Würde ich nicht?« Ihr Gesichtsausdruck bleibt todernst. »Ich werde tun, was auch immer nötig ist. Denkst du, ich komme den ganzen Weg hierher, um mit leeren Händen zurückzukehren? Ich wollte dir lediglich die Möglichkeit geben, aus freien Stücken zuzustimmen.«

Wie großzügig von ihr. Am liebsten würde ich mir einen Pfeil schnappen und dabei zusehen, wie diese unerträgliche Arroganz aus ihrer Miene verschwindet, aber solange ich nicht weiß, was sie mit Karo angestellt hat, sind mir die Hände gebunden.

»Geht es meiner Schwester gut?«

»Ich habe sie an einen geheimen Ort gebracht«, sagt sie mit Blick auf meinen Bogen, als ob sie ahnen würde, worüber ich gerade nachgedacht habe. »Nur für den Fall, dass du beabsichtigst mir etwas anzutun. Denn wenn du das tust, wirst du nie erfahren, wo sie ist.«

»Du hast sie entführt?«, frage ich fassungslos.

»Keine Sorge, es geht ihr blendend. Solange du tust, was ich von dir verlange, wird sich daran auch nichts ändern.«

»Und darauf soll ich mich verlassen?«

Ich merke, wie mein Puls sich von Sekunde zu Sekunde beschleunigt und mir immer heißer wird. Diese Person hat meine Schwester entführt und erpresst mich jetzt, damit ich mein Leben für ihren erhabenen Fürsten riskiere! Was stimmt mit der eigentlich nicht?

»Woher wissen wir überhaupt, ob das alles der Wahrheit entspricht?«, mischt sich Dusan ein und tritt neben mich. Sein herbes Parfüm, das nach Mandeln und Lavendel duftet, dringt mir in die Nase. Anders als sonst beruhigt mich der Geruch gerade kein bisschen. »Du könntest ja auch einfach nur behaupten, dass du Kamilas Schwester in deiner Gewalt hast, um sie dazu zu bringen, dir zu helfen. Auf mich wirkst du jedenfalls nicht wie eine Entführerin.«

»Auf mich schon«, murmele ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.

Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie all das ernst meint. Man kann es in ihrem zielgerichteten Blick erkennen, in ihrer Selbstsicherheit, mit der sie jeden Schritt tut und jedes Wort spricht.

Izolda taxiert Dusan. »Wer bist du überhaupt? Ihr Fürsprecher?«

Er macht einen Schritt nach vorn, als hätte er darauf gewartet, dass sie diese Frage endlich stellt, und deutet eine Verbeugung an. »Dusan Artevic, Maler und Abenteurer.«

Ihre dunklen Augen werden schmal. »Ein Künstler also. Das erklärt einiges.«

»Bitte? Was soll das denn heißen?«

»Man muss als Künstler schon sehr zuversichtlich sein, was wiederum zu deiner Theorie passt, ich würde irgendetwas vorgeben, das gar nicht stimmt.« Sie zieht etwas aus ihrer Hosentasche und lässt es in der Luft baumeln. »Erkennst du das wieder, Nachtläuferin? Ich habe mir sagen lassen, du trägst etwas Ähnliches.«

Ich schaue mir genauer an, was sie da vor sich hält. Eine Kette. Als ich sie erkenne, greife ich mir instinktiv an den Hals, wo in der Tat ein sehr ähnliches Stück hängt. Der silberne Anhänger stellt eine halbe Wolke dar, in der Mitte auseinandergerissen. Wenn man beide zusammenfügt, ergeben sie ein Ganzes. Eine davon habe ich Karo geschenkt, bevor ich nach Tevaric geflüchtet bin. Die hätte sie niemals freiwillig ausgehändigt.

»Gib mir die Kette!«

Izolda zuckt mit den Achseln. »Meinetwegen kannst du sie haben. Sie sollte dir lediglich zeigen, wie ernst ich es meine.«

Die Spionin wirft mir die Kette zu. Ich fange sie auf und lege sie mir sofort um den Hals. Mein Magen krampft sich zusammen, als ich das aufgewärmte Metall von Karos Schmuck auf meiner Haut spüre. Wo ist meine Schwester jetzt? Hockt sie verängstigt und allein an irgendeinem trostlosen Ort und fragt sich, warum es ausgerechnet sie getroffen hat? Verflucht sie mich für meine Gabe, die ihr bislang nur Kummer bereitet hat? Sie hat sich immer bereit erklärt, Vater und mich in ihre Träume zu lassen, damit er mich darin unterweisen konnte, meine Gabe richtig zu nutzen, hat sich der Gefahr ausgesetzt, dadurch einen Schaden davonzutragen, und jetzt wird sie auch noch entführt?

Ich unterdrücke einen frustrierten Aufschrei. Aufgrund dessen, was ich gesehen und gehört habe, kann ich es nicht riskieren, Izolda nicht zu glauben, und so blitzschnell, wie sie sich bewegt, würde ich bei einem Kampf auf diesem engen Raum den Kürzeren ziehen. Ich vergrabe die Nägel in meinen Handflächen. Obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, dieser Irren nach Szerokien zu folgen, werde ich meine Schwester nicht im Stich lassen.

»Ich nehme an, du hast deine Entscheidung überdacht?«, fragt Izolda mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck, der blanken Zorn in mir auslöst.

Dusan schnaubt entrüstet. »Kann man bei einer schamlosen Erpressung wirklich noch von Entscheidung sprechen?«

Sie streicht ungerührt die Haarsträhne aus ihrer Stirn. »Mir ist es gleich, wie ich mein Ja bekomme. Hauptsache, ich kriege es. Deine Freundin hätte auch sofort einwilligen können.«

Stimmt, ich hätte mich bereit erklären können mein Leben für Geld und eine vage Hoffnung zu riskieren. Jetzt riskiere ich es, um das Leben meiner Schwester zu retten. Letztendlich läuft es auf dasselbe hinaus, nur der Preis ist ein anderer.

Jeder ist käuflich.

Ich hätte nicht gedacht, dass Dusans Worte sich so schnell bewahrheiten würden.

»Und wie wirst du sicherstellen, dass ich nicht auffliege?«, will ich wissen. »Ich kann wohl kaum unbehelligt im Schloss deines Fürsten herumspazieren.«

»Nach allem, was du bisher von mir weißt, glaubst du wirklich, ich komme ohne einen Plan hierher?«

Nein, das glaube ich inzwischen nicht mehr. Diese Person wirkt, als wäre sie auf alles vorbereitet. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ihr Plan gut genug ist, damit ich heil aus dieser Sache herauskomme. Sie kann mir unmöglich versprechen, dass ich das überlebe. Allein deshalb nicht, weil auch der Traum ihres Fürsten mich töten könnte, je nachdem, wie gefährlich der Dämon darin ist.

»Was, wenn ich immer noch ablehne?«