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Im Büro ist Samantha verdammt vorlaut und testet ständig meine Geduld. Man kann sich meine Überraschung also vorstellen, als meine neue persönliche Assistentin plötzlich in meinen Club spaziert. Mit einer sehr speziellen Fantasie. Als der Typ, der Samantha begleitet, sich nicht an die Hausregeln hält, lasse ich ihn rauswerfen und nehme seinen Platz ein. Die Maske verbirgt meine wahre Identität, und schon bald beichtet mir die kleine Wildkatze aus dem Büro all ihre dunkelsten Fantasien und Sehnsüchte. Tagsüber macht sie mir die Hölle heiß, aber nachts verwandelt sie sich in mein verletzliches Kätzchen. Ich weiß, dass ich hier ein gefährliches Spiel spiele. Sie hat keine Ahnung, dass ich einer der Anführer der Cosa Nostra bin. Und sie weiß auch nicht, dass ihr Boss und ihr nächtlicher Besucher ein und dieselbe Person sind. Als meine Feinde angreifen und sie von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, fliegen all unsere Geheimnisse explosionsartig auf. Und drohen, mir Samantha für immer zu entreißen. Aber meine kleine Wildkatze hat noch ganz andere Probleme, wenn sie ernsthaft glaubt, dass ich sie jemals wieder gehen lassen werde.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Michelle Heard
Craving Danger
Kings of Mafia
(Band 2)
Übersetzt von Alexandra Gentara
CRAVING DANGER
(Band 2)
Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel
»Craving Danger (Kings Of Mafia)«
Copyright © 2023 CRAVING DANGER by M.A. HEARD.
All rights reserved.
The moral rights of the author have been asserted.
Published by Arrangement with PODIUM PUBLISHING SUBCO, LLC, EL SEGUNDO, CA 90245 USA
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe © 2025
Craving Danger
by VAJONA Verlag GmbH
Lektorat: Alexandra Gentara
Korrektorat: Anne Masur
Satz: VAJONA Verlag GmbH,
Umschlaggestaltung: Okay Creations
unter Verwendung von Canva
VAJONA Verlag GmbH
Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3
08606 Oelsnitz
An alle Leserinnen und Leser,
die eine kleine Realitätsflucht brauchen.
Dieser Roman ist für euch.
Franco Vitale aus dem Roman Brutalize Me ist nicht der Protagonist dieses Romans. Ich liebe diesen Namen einfach nur so sehr, deshalb habe ich ihn zweimal benutzt. Sorry, falls das für Verwirrung gesorgt hat.
Dieses Buch enthält Themen, auf die einige Leserinnen und Leser empfindlich reagieren könnten. Die Triggerwarnung gilt daher für folgende Inhalte:
psychischer und emotionaler Missbrauch, Vergewaltigung, versuchter Mord, Drogenmissbrauch, grafisch geschilderte Gewalt und Folter, durch Traumata ausgelöste Panikattacken.
Für Leserinnen und Leser über achtzehn Jahre.
Bitte lest verantwortungsbewusst.
»Die Realität beeindruckt mich nicht. Ich glaube nur an den Rausch, an Ekstase, und wenn mich das langweilige Alltagsleben ermüdet, dann entfliehe ich ihm auf die eine oder andere Weise. Ohne Grenzen.«
– Anaïs Nin
Unsteady – X Ambassadors, Erich Lee Going Down Fighting – Phlotilla, Andrea Wasse, Topher Mohr Shadow Preachers – Zella Day War Of Hearts – Ruelle The War – SYML Love In The Dark – Adele Breathing Underwater – Hot Milk Take Me To Church – MILCK I Won’t Let You Down – Erin McCarley Hero – Alan Walker, Sasha Alex Sloan Everything I Did To Get To You – Ben Platt
Samantha
Franco Vitale, 35. Samantha Blakely, 26.
Erst seit zwei Wochen bin ich Mr. Vitales persönliche Assistentin, und denke jetzt schon darüber nach, wieder zu kündigen.
Großer Gott, dieser Mann ist einfach unerträglich.
Verärgert stöhne ich auf und unterdrücke den Drang, gegen den Drucker zu treten. Das blöde Ding spuckt ständig irgendwelche Fehlermeldungen aus.
Ich bin am Verhungern und könnte gerade eine komplette Pizza alleine verschlingen.
Mein Tischtelefon klingelt zum gefühlt millionsten Mal heute. Am liebsten würde ich wie ein Welpe winseln, während ich zum Schreibtisch eile und den internen Anruf aus Mr. Vitales Büro entgegennehme.
»Ja, Sir?«
»Wo bleibt der Vertrag?«
Ich schließe die Augen und atme tief durch, bevor ich zum vierten Mal heute erkläre: »Der Drucker gibt leider immer noch Fehlermeldungen aus. Ich warte gerade auf Andy aus der IT-Abteilung, damit er das Problem behebt.«
»In diesem Gebäude gibt es Hunderte Drucker! Ich will den Vertrag in fünf Minuten auf meinem Schreibtisch haben!«, brüllt er und legt auf.
Ungeduldiges Arschloch.
Seit acht Monaten arbeite ich in der Verwaltung von Vitale Pharmaceuticals, und bis zu meiner Beförderung zur persönlichen Assistentin von Mr. Vitale habe ich meinen Job hier wirklich geliebt.
Es sind erst zwei Wochen vergangen. Gib der Sache mehr Zeit. Du musst dich nur noch daran gewöhnen, wie Mr. Vitale die Dinge erledigt haben möchte, dann wird es schon irgendwann besser.
Ich verdrehe die Augen, weil mein Bauchgefühl mir sagt, dass es ganz und gar nicht besser werden wird. Mr. Vitale gehört einfach zu diesen Menschen, die man niemals zufriedenstellen kann.
Alle Mitarbeiter im Gebäude ducken sich vor Angst, wenn er in der Nähe ist. Ich hätte bereits wissen müssen, dass ich in Schwierigkeiten stecke, als mich nach meiner Beförderung das gesamte Verwaltungsteam so mitleidig angesehen hat, als wäre ich auf dem direkten Weg in die Todeszelle.
Als ich noch in der dritten Etage gearbeitet habe, bin ich Mr. Vitale nicht besonders oft begegnet. Aber wenn sich unsere Wege mal kreuzten, sah er jedes Mal so aus, als würde er gleich jemandem den Hals umdrehen.
Die letzten zwei Wochen als seine persönliche Assistentin haben mir gezeigt, dass der Mann einfach immer schlecht gelaunt ist und vor allem blitzschnell die Beherrschung verliert. Er ist ausgesprochen unhöflich und es ist definitiv unmöglich, ihn zufriedenzustellen.
Rasch schicke ich den Vertrag per E-Mail an den Drucker in der Verwaltungsabteilung, der immer noch mit meinem Profil verknüpft ist, dann eile ich zu den Fahrstühlen.
Auf dem Weg nach unten in die dritte Etage wackle ich mit den Zehen in meinen High Heels. Das verschafft meinen schmerzenden Füßen etwas Erleichterung, bevor sich auch schon die Fahrstuhltür öffnet und ich zum Drucker haste. Ich verliere wertvolle Zeit, indem ich alle Seiten durchsehe und damit sicherstelle, dass ich den gesamten Vertrag ausgedruckt habe. Dann renne ich zurück zu den Aufzügen.
Wer braucht schon ein Fitnessstudio, wenn er für Franco Vitale arbeitet?
Im Fahrstuhl zupfe ich rasch meinen BH zurecht. Durch das viele Herumrennen in letzter Zeit habe ich ganz schön abgenommen und muss mir dringend neue Unterwäsche kaufen. Die Tür geht auf und ich schieße wie eine Pistolenkugel nach vorne, aber dann rutscht mir das Herz ins Höschen, als mein Schreibtisch in Sicht kommt.
Mist.
Mr. Vitale steht bereits in seiner ganzen Pracht von knapp zwei Metern neben dem Drucker, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, und sieht zu, wie das Gerät Seite für Seite ausspuckt.
Als ich ihn erreiche, halte ich ihm eilig die Papiere hin. »Hier ist der Vertrag, Sir.«
Seine dunkelbraunen Augen huschen zu mir, und ich spüre seinen intensiven Blick wie einen Fausthieb im Magen. Ich schwöre, jedes Mal, wenn dieser Mann mich so ansieht, fühle ich mich wie ein elender Wurm.
Ich habe schon mit anderen recht einschüchternden Menschen zusammengearbeitet, aber Mr. Vitale stellt einfach alle in den Schatten.
Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, verschlug es mir die Sprache, weil er so unglaublich attraktiv aussah. Aber die erste Anziehung verflog rasch wieder, nachdem ich zusehen musste, wie eine Assistentin nach der anderen das Gebäude unter Tränen verließ.
Als der Drucker die letzte Seite ausgespuckt hat, bleibt sein dunkler Blick fest auf mich gerichtet, während er langsam den Vertrag aus der verräterischen Maschine zieht.
Leise und unheilvoll murmelt er: »Wenn Sie nicht einmal etwas so Einfaches wie das Ausdrucken eines Dokuments hinkriegen, werden wir Probleme miteinander bekommen, Miss Blakely.«
Ich atme tief ein, während ich ihm dabei zusehe, wie er in sein Büro zurückstolziert. Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen ist, starre ich wütend den Drucker an. »Für ihn druckst du natürlich, du Verräter.«
»Was ist das Problem?«, fragt plötzlich Andy, einer der IT-Mitarbeiter, hinter mir.
Mit einem müden Seufzer lege ich die inzwischen überflüssige Kopie des Vertrags auf meinen Schreibtisch und deute auf das Gerät. »Er druckt nicht. Ich habe alles überprüft, aber es tauchen immer wieder Fehlermeldungen auf. Bei Mr. Vitale hat er aber einwandfrei funktioniert.«
»Ich schaue mal kurz nach.«
Andy setzt sich an meinen Schreibtisch, und nach weniger als einer Minute beginnt das blöde Gerät zu drucken.
»Ich habe den Drucker neu installiert, jetzt sollte es keine Probleme mehr geben.«
»Danke.« Ich nehme die überflüssige Kopie und schreddere sie, da sie ja nicht mehr benötigt wird.
»Gern geschehen.«
Als Andy weggeht, klingelt mein Telefon wieder und ich nehme hastig den Hörer ab. »Ja, Sir?«
»Verbinden Sie mich mit Mr. Castro«, schnauzt Mr. Vitale und legt direkt wieder auf.
Ich setze mich auf meinen Stuhl und wähle Mr. Castros Nummer. Der Anruf landet auf der Mailbox, und während ich eine kurze Nachricht hinterlasse, verstärkt sich der Schmerz in meinen Schultern durch die ganze Anspannung.
Als ich auf die Uhr schaue, stelle ich fest, dass es gerade fünf geworden ist.
Gott sei Dank.
Ich wähle die Durchwahl von Mr. Vitale.
»Hm«, brummt er.
»Mr. Castro war nicht erreichbar. Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen, dass er Sie zurückrufen soll.«
»Hm.« Die Leitung ist tot und ich atme tief ein.
Mein Chef hat absolut keine Manieren, und das regt mich maßlos auf.
Ich wähle erneut seine Durchwahl und warte, bis er mit seinem üblichen Grunzen antwortet. Dann sage ich: »Es ist fünf Uhr, Sir. Ich gehe jetzt nach Hause. Schönen Abend noch.« Bevor er noch einmal grunzen kann, lege ich wieder auf und verspüre einen kleinen Anflug von Triumph, weil ich es geschafft habe, zuerst aufzulegen. Ich schalte meinen Computer aus und hole meine Handtasche aus der unteren Schreibtischschublade. Doch als ich mich von meinem Stuhl erhebe, schwingt die Tür von Mr. Vitales Büro auf und er blafft: »In mein Büro. Sofort.«
O mein Gott. Was ist denn jetzt los?
Ich stelle meine Handtasche auf meinen Schreibtisch und gehe mit einem flauen Gefühl im Magen in das Büro, das ich gern als Kammer des Schreckens bezeichne.
Mr. Vitale steht vor den raumhohen Fenstern mit Blick auf Manhattan. Er sieht aus wie ein Gott, sein Oberhemd und seine Weste spannen über seinen breiten Schultern.
Zu den unpassendsten Zeiten überkommt mich der Gedanke, wie attraktiv dieser Mann ist, doch dann macht er den Mund auf und die unerwünschte Anziehung ist sofort wieder verschwunden.
Als er schweigt, frage ich leise: »Sir?«
Ohne sich zu mir umzudrehen, knurrt er: »Mrs. Ross hat mir versichert, dass Sie eine sehr fleißige Mitarbeiterin sind.«
Verwirrt runzle ich die Stirn.
Sollte ich dazu jetzt etwas sagen oder besser schweigen?
Er verschränkt die Arme vor der Brust, dreht sich um und sieht mich mit einem strengen Blick an, der mich sofort ängstlich und unruhig macht.
»Ich habe Ihnen jetzt zwei Wochen gegeben, um sich hier einzuarbeiten.« Er sieht mich mit verengten Augen an und ich fühle mich wie ein ungezogenes Kind, das gerade vom Schulleiter gemaßregelt wird. »Ich habe keine Zeit zu verschwenden. Wenn ich Sie also um etwas bitte, erwarte ich, dass der Befehl auch umgehend ausgeführt wird.«
»Andy musste den Drucker auf meinem Computer neu installieren«, erkläre ich angespannt.
»Ich dulde keine Ausreden«, schnauzt er. »Sie wurden als meine persönliche Assistentin angestellt, um mir das Leben zu erleichtern. Wenn ein Problem auftritt, erwarte ich, dass Sie es lösen.«
Ich unterdrücke den Drang, ebenfalls die Arme vor der Brust zu verschränken, balle stattdessen nur die Hände zu Fäusten und sage: »Ja, Mr. Vitale.« Dann ziehe ich eine Augenbraue hoch und sehe den unerträglichen Mann fest an. »Ist das alles, Sir?«
Er schüttelt den Kopf. »Sie haben keine geregelte Arbeitszeit von neun bis fünf.«
Wie bitte?
Er nickt in Richtung Tür, sein Ton ist schroff und macht deutlich, dass dieses Thema auch nicht zur Debatte steht, indem er murmelt: »Wenn Sie ein Problem damit haben, Überstunden zu machen, können Sie natürlich gern Ihre Kündigung einreichen.«
Wut steigt in mir auf, aber ich behalte meinen respektvollen Gesichtsausdruck bei und erwidere: »Ich habe kein Problem damit, länger zu arbeiten. Aber ich würde es sehr schätzen, wenn Sie mich morgens darüber benachrichtigen würden, damit ich alle Pläne, die ich für den Abend gemacht habe, noch rechtzeitig absagen kann.«
Pläne? Haha. Ich lebe wie ein verdammter Eremit.
Aber das muss er ja nicht unbedingt wissen. Ich möchte nur, dass er mir Respekt entgegenbringt und mich rechtzeitig informiert, damit ich gar nicht erst darauf hoffe, das Büro um fünf Uhr endlich verlassen zu können.
Mr. Vitales Gesichtszüge verziehen sich und es sieht so aus, als würde er jeden Moment die Beherrschung verlieren, doch dann nickt er mir nur knapp zu. »Bis auf Weiteres erwarte ich, dass Sie von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends im Büro sind.«
Zwölf Stunden? Der Mann ist wohl irre!
Er wendet seine Aufmerksamkeit den Stapeln von Ordnern und Papierkram auf seinem Schreibtisch zu und fügt noch hinzu: »Keine Sorge. Die zusätzliche Arbeitszeit wird natürlich entlohnt.«
Als ich höre, dass ich für die Überstunden bezahlt werde, lässt mein Ärger ein wenig nach. Ich könnte das zusätzliche Geld verwenden, um die Schulden auf meiner Kreditkarte abzubezahlen. Der gebrauchte Kühlschrank, den ich mir bei meinem Umzug nach New York gekauft hatte, hat am vergangenen Wochenende den Geist aufgegeben, und ich war gezwungen, mir auf Pump einen neuen zu kaufen.
»Soll ich also heute länger bleiben?«, frage ich.
Mr. Vitale seufzt ungeduldig und sieht mich an. »Ja. Machen Sie sich wieder an die Arbeit.«
Ich verlasse sein Büro und ziehe die Tür hinter mir zu. Mein Magen knurrt und erinnert mich daran, dass ich heute noch nichts gegessen habe.
Die zusätzliche Arbeitszeit wird natürlich entlohnt.
Ich setze mich wieder an meinen Schreibtisch und schalte meinen Computer ein. Als ich meinen E-Mail-Ordner öffne, sehe ich, dass Mr. Vitale bereits acht E-Mails gesendet hat. Also mache mich wieder an die Arbeit, wild entschlossen, ihm zu beweisen, dass ich sogar eine verdammt gute Assistentin bin.
Franco
Nachdem ich das Telefonat mit Salvador Castro, meinem Verantwortlichen für medizinische Hilfsgüter, beendet habe, stehe ich von meinem Schreibtisch auf. Während ich zur Tür gehe, greife ich nach meiner Jacke und ziehe sie mir über.
Als ich mein Büro verlasse, höre ich den Magen meiner Assistentin laut knurren.
»Sie können nach Hause gehen«, murmele ich und stapfe ohne ein weiteres Wort auf die Fahrstühle zu.
Sie murmelt etwas vor sich hin und ich bleibe wie angewurzelt stehen. Dann werfe ich einen Blick auf die Frau, die meine Geduld in den letzten zwei Wochen verdammt auf die Probe gestellt hat, und ziehe eine Augenbraue hoch.
»Möchten Sie mir noch etwas sagen, Miss Blakely?«
Sie greift nach ihrer Handtasche und kommt mit einem unglücklichen Gesichtsausdruck auf mich zu. »Wenn Sie das nächste Mal erwarten, dass ich bis neun Uhr abends arbeite, könnten Sie wenigstens für Essen sorgen.«
Mit verengten Augen sehe ich sie an und sage grimmig: »Mir war leider nicht bewusst, dass Sie nicht wissen, wie man Essen bestellt.«
Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen. »Natürlich weiß ich, wie man Essen bestellt.«
»Dann ist auch niemand Schuld daran, dass sie heute noch nichts gegessen haben. Abgesehen von Ihnen selbst.«
Herrgott, ich werde sie feuern. Warum zum Teufel ist es heutzutage so schwer, kompetente Mitarbeiter zu finden?Sie geht an mir vorbei und sagt: »Mir war nicht bewusst, dass ich an meinem Schreibtisch essen darf. Das vereinfacht die Sache in Zukunft natürlich. Schönen Abend noch, Mr. Vitale.«
Mit zusammengebissenen Zähnen folge ich ihr zu den Fahrstühlen.
Ich schwöre, diese Frau hat keine einzige Gehirnzelle in ihrem hübschen Köpfchen. Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, verschlug mir ihre auffällige Schönheit beinahe den Atem. Ihr blondes Haar ist immer zu sanften Locken gestylt, und ihre grünen Augen wirken im Kontrast zu ihrer hellen Haut beinahe dunkel. Die auf ihrer Nase verstreuten Sommersprossen betonen ihre Gesichtszüge vorteilhaft.
Ganz zu schweigen davon, dass die Frau rasante Kurven an genau den richtigen Stellen hat und einen Hintern, der meine Handfläche kribbeln lässt. Vor allem, wenn sie mal wieder Mist baut oder mich provoziert.
Aber in den letzten zwei Wochen ist die spontane Anziehung wieder verschwunden, weil sie seitdem nichts anderes getan hat, als mir tierisch auf die Nerven zu gehen.
Wir betreten gemeinsam den Fahrstuhl und ich nehme den zarten Vanilleduft ihres Parfums wahr, als sie neben mir steht. Ihr Kopf reicht knapp bis zu meinem Kinn, und ich schätze, ohne High Heels würde sie mir höchstens bis zur Schulter reichen.
Ständig verlagert sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, was mir den Eindruck vermittelt, dass ihre Schuhe unbequem sind.
Die Stille ist dicht und angespannt, während wir ins Erdgeschoss fahren.
Als die Tür aufgleitet und sie aus dem Aufzug eilt, sage ich: »Bringen Sie sich bequeme Schuhe mit, die Sie am Schreibtisch tragen können. Vielleicht sind Sie dann nicht mehr so schlecht gelaunt.«
Das Klacken der Absätze auf den Marmorfliesen verstummt und sie dreht sich mit kaum verhohlener Verachtung im Blick zu mir um. »Ich war immer nur respektvoll Ihnen gegenüber, Mr. Vitale. Vielleicht sollten Sie Ihren Vorschlag besser selbst befolgen und bequemere Schuhe tragen, da Sie hier der schlecht Gelaunte von uns beiden sind.«
Sie wirbelt wieder herum, ihr Haar flattert über ihre Schultern, und eilt mit durchgestreckter Wirbelsäule und hoch erhobenen Hauptes weiter zum Ausgang.
Wütend schaue ich der Frau nach, die offenbar mehr Mut als Verstand besitzt, wenn sie es wagt, so mit mir zu reden. Schließlich bin ich ihr Arbeitgeber.
Aber wenn sie wüsste, wer ich wirklich bin – nämlich einer der wichtigsten Anführer der Cosa Nostra –, dann wüsste sie erst recht, wie mutig beziehungsweise dämlich sie gerade war.
Meine Mitarbeiter leben in einer völlig anderen Welt, in der sie der Mafia höchstens begegnen, wenn sie mal Der Pate schauen.
Kopfschüttelnd gehe ich zum Ausgang, wo Lorenzo und Milo bereits auf mich warten. Sie sind meine Bodyguards und arbeiten im Überwachungsraum, wenn ich persönlich bei Vitale Health, meinem Unternehmen für medizinische Hilfsgüter, bin.
Die beiden Männer sind seit meinem achtzehnten Lebensjahr bei mir und längst zu meiner Familie geworden.
»Du kannst sie nicht feuern«, erinnert Milo mich. »Du hast dieses Jahr bereits vier Assistentinnen verschlissen, und eine fünfte würde ein verdammt schlechtes Licht auf dich werfen.«
Kopfschüttelnd murmele ich: »Wenn sie in den nächsten zwei Wochen ihren Scheiß nicht auf die Reihe kriegt, werde ich sie auf jeden Fall feuern. Dann kannst du gerne meine neue Assistentin werden.«
»Zur Hölle, nein.« Milo lacht. »Ich würde mich eher erschießen lassen, als mich dieser permanenten Art von Folter auszusetzen.«
Meine Stirn runzelt sich finster. »Willst du mir damit sagen, dass es ein Albtraum ist, für mich zu arbeiten?«
Wir treten aus dem klimatisierten Gebäude in die noch immer schwüle Abendluft.
Herrgott, ich kann den Winter kaum erwarten.
Milo öffnet die Hintertür des SUVs und grinst mich an. »Nur, wenn du im Büro bist.«
Ich werfe Lorenzo einen Blick zu, der bisher geschwiegen hat. »Bist du etwa auch dieser Meinung?«
Er hebt die Hände zum internationalen Zeichen für »Damit-will-ich-nichts- zu-tun-haben«.
»Ich bin die Schweiz.«
Ich steige in den gepanzerten Geländewagen und stöhne verärgert auf.
Ich weiß, dass ich nicht gerade der einfachste Mensch bin, wenn es um eine Zusammenarbeit geht. Und auch wenn ich versuche, es den Mitarbeitern erträglicher zu machen, scheint es unmöglich für mich zu sein. Jedes Mal, wenn ich versuche, etwas gelassener aufzutreten, baut irgendjemand Scheiße und ich raste aus. Es ist ein nervtötender Teufelskreis.
Nachdem er sich hinter das Lenkrad gesetzt hat, fragt Lorenzo: »Wohin?«
»Ins Paradiso.«
Während die anderen Capos Striptease-Clubs, Nachtclubs und Casinos besitzen, gehört mir das Paradiso, ein Tabu-Club für Erwachsene, in dem alles erlaubt ist, nachdem die Mitglieder eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnet haben.
Gegen eine exorbitante Gebühr stellt der Club den Mitgliedern Privaträume und jedes nur erdenkliche Sexspielzeug, das es auf dem Markt gibt, zur Verfügung.
Obwohl ich diesen Sexclub besitze, nutze ich ihn selbst nicht. Ich habe auf den Videos der Überwachungskameras, die dafür sorgen, dass in dem Etablissement niemand ums Leben kommt, schon mehr als nur merkwürdige Dinge gesehen, die Leute sich gegenseitig antun.
Milo fährt auf den abgesperrten Mitarbeiterparkplatz hinter dem Club, und nachdem ich aus dem Wagen gestiegen bin, betrete ich das Gebäude durch den Hintereingang, der von zwei Securitys bewacht wird.
In puncto Sicherheit mache ich keine halben Sachen und gebe ein kleines Vermögen aus, um sicherzustellen, dass alle meine Unternehmen optimal geschützt sind.
Ich gehe direkt in mein Büro und ziehe meinen Anzug aus. Alle Mitarbeiter tragen die gleiche schwarze Uniform, die aus einer Cargohose und einem langärmeligen Hemd besteht. Außerdem tragen auch alle eine Sturmhaube mit Totenkopfmotiv, um ihre Identität zu schützen.
Während auf den Hemden der Mitarbeiter das Wort Paradiso in silberner Schrift steht, ist es auf meinem in Gold gedruckt. Das ist das Einzige, was mich von allen anderen unterscheidet.
Nachdem ich mich umgezogen habe, ziehe ich die Sturmhaube über den Kopf und verlasse das Büro, um nach dem Personal zu sehen.
Nur wenige wissen, dass ich der Besitzer des Paradiso bin, und das soll auch so bleiben.
Auf dem Weg zum Überwachungsraum wandert mein Blick über die grauen Wände und die schwarzen Kacheln. Die düstere Einrichtung verleiht dem Club ein verbotenes und geheimnisvolles Flair.
Ich betrete den Raum, werfe einen Blick auf das Sicherheitsteam und wende mich dann den zahlreichen Monitoren zu.
»Läuft alles reibungslos?«, frage ich und sehe zu, wie Mrs. Gilbert einen Raum mit zwei Männern betritt, die gut und gerne halb so alt sind wie sie. Während ihr Ehemann
glaubt, dass sie mit ihren Freundinnen zum Bowlen geht, kommt sie hierher und lässt sich das Hirn rausvögeln.
Ich kenne so viele schmutzige Geheimnisse der sogenannten Elite von New York, dass ich sie alle mit Leichtigkeit unter die Erde bringen könnte.
»Jawohl, Sir«, antwortet Brian. Er steht von seinem Stuhl auf und kommt mit einem Tablet in der Hand näher. Dann hält er mir den Bildschirm hin und sagt: »Wir haben zwei neue Mitglieder. Sie wurden überprüft und sind heute Abend zum ersten Mal hier. Die Mitgliedschaft von Mr. Dugray wurde gekündigt, nachdem er versucht hatte, einen Streit mit Mr. Bishop anzufangen, weil Mr. Bishop sich weigerte, beim Sex gefesselt zu werden.« Mein Blick wandert wieder zu den Monitoren und bleibt an einem Bildschirm hängen, auf dem zwei Mitglieder zu sehen sind, die auf einem Bett kuscheln. Das ist etwas, das mir immer öfter auffällt. Manchmal wollen die Leute wohl einfach nur in den Arm genommen werden.
Ich nicke, während Brian mich weiter auf den neuesten Stand bringt, und als er fertig ist, verlasse ich den Sicherheitsraum, um mir den Rest des Clubs anzusehen.
Als ich das Paradiso eröffnet habe, ließ ich es mir nicht nehmen, alle Mitglieder selbst zu überprüfen. Aber im Laufe der Zeit habe ich diese Verantwortung an Brian abgegeben.
Ich gehe in den Hauptraum, wo sich die Mitglieder bei einem Drink unterhalten können. Der Bereich ist mit weichen Sofas, runden Tischen mit Hockern und Farnen dekoriert, um dem ansonsten sehr düsteren Dekor etwas Grün zu verleihen.
Zufrieden, weil auch dort alles in Ordnung ist, gehe ich zurück in mein Büro, um noch etwas zu arbeiten.
Vitale Health und das Paradiso sind meine einzigen legalen Unternehmen. Ich besitze noch eine Spedition, mit der ich für Renzo, meinen engsten Freund und einer der Capos, in Klimaanlagen versteckte Waffen transportiere. Dario, Angelo und Damiano, den anderen Oberhäuptern der Cosa Nostra, stehe ich auch recht nahe, aber Renzo ist wie ein Bruder für mich.
Obwohl meine Unternehmen mein Bankkonto bereits gut füllen, verdiene ich den Großteil meines Vermögens mit dem Drucken von Falschgeld für Salvator Castro und Lina Diaz, die mich wiederum mit medizinischen Hilfsgütern versorgen.
Es ist eine Menge Arbeit, die mich von früh bis spät auf Trab hält.
Ich nehme mir nur frei, um mit den anderen Köpfen der Cosa Nostra Poker zu spielen oder an einer Veranstaltung teilzunehmen, die einer von ihnen ausrichtet.
Die vielen Überstunden sind nur einer der Gründe, warum ich mit meinen fünfunddreißig Jahren immer noch Single bin. Das und die Tatsache, dass ich die meisten Frauen, denen ich begegne, nicht leiden kann.
Während ich an meinem Schreibtisch sitze, wandern meine Gedanken zu Miss Blakely. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich jemanden getroffen habe, der mich so sehr genervt hätte wie sie.
Ehrlich gesagt liegt es nicht allein daran, dass sie viel zu lange braucht, um einen meiner Aufträge auszuführen. Ich habe einfach das Gefühl, dass mit der Frau etwas nicht stimmt. Und wenn es eine Sache gibt, die ich wirklich hasse, dann ist es, wenn Menschen anderen etwas vorspielen.
Ich habe Milo gebeten, sie zu überprüfen, aber wir haben nichts gefunden. Miss Blakely führte ein ganz normales und sogar recht langweiliges Leben in Houston, bevor sie nach New York gezogen ist. Sie hat nicht einmal einen offenen Strafzettel auf dem Kerbholz.
Trotzdem sagt mir mein Bauchgefühl, dass sie etwas verheimlicht.
Verärgert darüber, dass ich überhaupt an die Frau denke, schüttle ich den Kopf und zwinge mich dazu, mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren.
Samantha
Ich nehme mein drittes Stück Pizza und beiße hinein, während ich auf meine Bankkonten schaue. Bei all den Überstunden, die ich wahrscheinlich bald machen muss, werde ich die Kreditkarte im Handumdrehen abbezahlt haben.
Ich hätte auch genug Geld für den Kühlschrank gehabt, wenn ich nicht den Mitgliedsbeitrag fürs Paradiso hätte bezahlen müssen. Einen geheimen Sexclub im Herzen von Manhattan.
Ich bin dem Club beigetreten, weil ich Zeit mit einem Mann in einer sicheren Umgebung verbringen möchte. Und ich hoffe, dass es mir dabei hilft, meine Probleme mit Männern zu verarbeiten.
Männer. Gott, mit dieser Spezies hatte ich bisher einfach kein Glück.
Ich vergesse die Pizza in meiner Hand, als meine Gedanken um das finstere Loch kreisen, das Todd Grant in mein Leben gerissen hat. Als wir anfingen, miteinander auszugehen, dachte ich wirklich, ich hätte einen Volltreffer gelandet. Der Neurochirurg war charmant und höflich und tat alles, damit ich mich besonders fühlte. Alle weiblichen Mitarbeiter im Krankenhaus beneideten mich.
Dann brach auf einmal alles um mich herum zusammen und ich war gezwungen, aus Houston zu fliehen. Ich habe nicht einmal das Haus verkauft, das ich mir von dem Erbe meiner Großmutter gekauft hatte. Ich habe einfach nur die Haustür hinter mir abgeschlossen und bin geflüchtet, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her.
Todd Grant.
Ich schließe die Augen. Obwohl es schon ein Jahr her ist, dass ich vor meinem Exfreund flüchten musste, ist das Trauma in meiner Erinnerung immer noch sehr frisch.
Ich habe es mit einer Therapie versucht, doch die hat nicht geholfen. Ich konnte mich nicht einmal dazu durchringen, über das, was mir passiert ist, zu sprechen. Ich habe es auch meiner Familie nicht erzählt, weil sie durchdrehen und verlangen würden, dass ich zur Polizei gehe.
Es war einfacher gewesen, unter dem Vorwand, nach der Trennung von Todd einen Neuanfang zu brauchen, nach New York zu fliehen.
Wenn ich nur auch vor den Erinnerungen davonlaufen könnte.
Ich kann keinen Muskel bewegen und höre, wie er näher kommt …
Ich springe von der Couch auf und lasse die Zeitschrift auf den Boden fallen. Um sicherzugehen, dass ich in Sicherheit bin, überprüfe ich alle Fenster und Türen.
Zuerst hatte ich Angst, dass Todd mir nach New York folgen würde, und obwohl das bisher nicht eingetreten ist, kann ich die Angst nicht abschütteln, dass er jeden Moment hier auftauchen könnte.
Anstatt mich von meiner Angst und den Erinnerungen überwältigen zu lassen, denke ich an die Arbeit und das mürrische Arschloch, das mein Chef ist.
Würde es den Mann etwa umbringen, seine Mitarbeiter mit mehr Respekt zu behandeln?
Ich schalte das Licht in der Küche und im Wohnzimmer aus, gehe in mein Schlafzimmer und lege mich ins Bett. Als ich nach Hause kam, war ich über alle Maßen erschöpft, aber jetzt, wo es Zeit zum Schlafen ist, bin ich hellwach.
Unglaublich, dass dieses Arschloch gesagt hat, ich wäre schlecht gelaunt. Ha!
Ich drehe mich auf die linke Seite, drücke mein Kissen und seufze.
Ich werde sehr hart arbeiten und ihm zeigen, wozu ich fähig bin. Ich werde die beste persönliche Assistentin sein, die dieser Mann jemals hatte.
Ich habe meinen Wecker auf fünf gestellt, damit ich pünktlich um sieben im Büro sein kann. Auch wenn Mr. Vitale mich damit verärgert hat, befolge ich den Rat des Mannes und habe bereits ein Paar bequeme Ballerinas eingepackt, die ich am Schreibtisch tragen kann. Und ein paar Snacks, damit ich zwischendurch wenigstens etwas zum Knabbern habe, falls ich das Mittag- oder Abendessen wieder ausfallen lassen muss.
Da ich nicht einschlafen kann, greife ich nach meinem Handy und entsperre den Bildschirm. Dann suche ich auf Google nach dem Drucker im Büro und lese mich in die Behebung der häufigsten Fehlermeldungen ein. Das klappt auch ganz wunderbar, denn mit jedem Satz, den ich lese, werden meine Augenlider schwerer, und ehe ich mich versehe, schlafe ich auch schon ein.
Ich habe die Ordner auf meinem Computer neu sortiert, damit ich sie schneller finde, und auch diesen Drucker habe ich endlich im Griff. Mit den Ballerinas an den Füßen bereite ich die Vorlagen für die Verträge und Dokumente vor, die Mr. Vitale besonders häufig verwendet.
Ich trage einen Hosenanzug und habe meine Haare hochgesteckt, damit sie mir nicht ins Gesicht fallen. Heute bin ich mehr als bereit für Mr. Vitale.
Mein Telefon klingelt, und als ich sehe, dass es Charlotte von der Rezeption ist, drücke ich schnell auf die Taste, um den Anruf anzunehmen. »Ist er da?«
»Ja. Er steht noch an den Aufzügen«, flüstert sie, als würden wir Staatsgeheimnisse austauschen.
Ich habe Charlotte gebeten, mich morgens vorzuwarnen, damit ich Mr. Vitale seinen Kaffee rechtzeitig servieren kann.
»Danke!« Ich beende das Gespräch und tausche rasch die flachen Ballerinas gegen meine High Heels aus. Mit dem kabellosen Bluetooth-Headset, das ich heute Morgen installiert habe, stehe ich von meinem Schreibtisch auf und eile zur Küchenzeile.
Ich schenke Mr. Vitale eine Tasse Kaffee ein und lege zwei Butterkekse auf die Untertasse. Dann bringe ich das Tablett in sein Büro, stelle es auf seinen Schreibtisch und eile rasch zur Tür. In dem Moment, als ich sein Büro wieder verlasse, stapft Mr. Vitale auch schon über den Flur.
Heute trägt er einen grauen Anzug, und ich muss leider zugeben, dass er höllisch heiß darin aussieht.
Mit Betonung auf »höllisch«.
Ich setze mein professionellstes Lächeln auf und sage: »Guten Morgen, Mr. Vitale.«
Sein Blick schweift über meinen Hosenanzug und meine High Heels, bevor er an dem drahtlosen Headset hängenbleibt, dann murmelt er: »Morgen.«
Ich warte, bis er in seinem Büro verschwunden ist, bevor ich mich an meinen Schreibtisch setze. Es ist noch nicht einmal eine Minute vergangen, da trudeln auch schon die ersten E-Mails ein.
Ich bin mit den E-Mails beinahe fertig, als eine weitere auftaucht, mit der Bitte, den neuesten Bericht der Verkaufsabteilung auszudrucken.
Ich führe die Anfrage aus und strahle über das ganze Gesicht, während ich die Papiere aus dem Drucker hole. Als ich mich wieder von der Maschine entfernen will, kommt ein Anruf herein, und ich drücke schnell auf die Taste am Headset. »Hier ist Samantha, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Drucken Sie den Bericht aus, den ich gerade per E-Mail geschickt habe«, dröhnt Mr. Vitales Stimme durch die Leitung.
Ich gehe zu seinem Büro und stoße seine Tür auf, ohne vorher aufzuklopfen. »Hier ist Ihr Bericht, Sir.«
Seine Augen weiten sich leicht vor Überraschung, als ich das Dokument auf seinen Schreibtisch lege.
Triumphierend drehe ich mich um und gehe zurück zu meinem Schreibtisch.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht arbeite ich bis zwölf Uhr durch und wähle dann Mr. Vitales Durchwahl.
»Was?«, schnauzt er mich an.
»Soll ich Ihnen etwas zum Mittagessen bestellen, Sir?«
Einen Moment lang herrscht Stille, dann sagt er: »Alles außer Fisch.«
Die Leitung ist tot und ich rümpfe die Nase, während ich überlege, was ich ihm am besten zu essen besorge.
Etwas, das nicht kleckert und leicht zu essen ist.
Ich schaue mir die Speisekarten der Restaurants in der Nähe an und entscheide mich für Sandwiches mit Hähnchen und Speck.
Nachdem ich die Bestellung aufgegeben habe, fahre ich damit fort, aus allen Informationen, die mir die Abteilungsleiter geschickt haben, einen Leistungsbericht zu erstellen.
Bis das Essen eintrifft, habe ich den detaillierten Leistungsbericht bereits fertiggestellt und per E-Mail an Mr. Vitale gesendet. Ich bezahle den Lieferanten und gehe zur Küchenzeile, um das Sandwich auf einen Teller und zusammen mit einer gekühlten Wasserflasche auf das Tablett zu legen. Zufrieden mit mir selbst betrete ich Mr. Vitales Büro.
Als ich die Kammer des Schreckens betrete, hebt Mr. Vitale den Kopf. Seine Augen verengen sich.
Ich stelle das Tablett auf die Ecke seines Schreibtischs und lächle den unerträglichen Mann an. »Guten Appetit, Sir.«
Seine Augen verengen sich noch weiter, dann neigt er den Kopf und sagt: »Erklären Sie mir doch mal, warum es zwei Wochen gedauert hat, bis Sie diese Arbeitsqualität abliefern.«
Arschloch.
Ich lächle einfach weiter und antworte: »Ich brauchte nur etwas Zeit, um in die Routine zu kommen.«
Sein Blick huscht zum Bericht, dann murmelt er: »Wie ich sehe, haben Sie die Initiative ergriffen und alle Berichte bereits zusammengeführt.«
»Ich dachte, so wäre es einfacher für Sie, Sir.«
Der Mann nickt nur, dann macht er sich wieder an die Arbeit.
»Ich möchte Sie noch wissen lassen, dass ich heute Abend einen Termin habe und daher nur bis sechs Uhr arbeiten kann«, informiere ich ihn.
Ohne aufzublicken, gibt er das Geräusch von sich, das ich so schnell zu hassen gelernt habe. »Hm.«
Ohne dem Drang nachzugeben, laut zu seufzen, drehe ich mich rasch um und kehre an meinen Schreibtisch zurück.
Ich beiße in mein Sandwich und widme mich wieder meinen Aufgaben, denn ich bin wild entschlossen, Mr. Vitale immer einen Schritt voraus zu sein. Außerdem muss ich heute deshalb um sechs Uhr Feierabend machen, weil ich mein erstes Date im Paradiso habe. Ich bin nervös und aufgeregt zugleich.
Und ich hoffe wirklich, dass heute Abend alles gut läuft. Es wäre wirklich unschön, diesen hohen Mitgliedsbeitrag bezahlt zu haben, nur um am Ende eine Enttäuschung zu erleben.
Samantha
Da mein erstes Date im Paradiso für halb acht angesetzt ist, lasse ich mir Zeit beim Duschen und Schminken.
Ein Teil von mir – der immer noch voller Bedenken ist – glaubt, dass ich irre geworden sein muss, weil ich diesem Club beigetreten bin. Eigentlich gehen die Leute dorthin, um wilden Sex zu haben, während ich einfach nur mit einem Mann reden will.
Vielleicht sollte ich lieber wieder absagen.
Ich betrachte mein Spiegelbild und frage mich, ob das schwarze Kleid zu schick für den Anlass ist. Andererseits glaube ich nicht, dass Jeans angemessener wären.
»Du siehst gut aus«, flüstere ich mir zu, bevor ich mich vom Spiegel abwende.
Gerade als ich meine Schlüssel vom Beistelltisch neben der Eingangstür nehme, klingelt mein Handy. Ich nehme den Anruf entgegen und klemme mir das Gerät zwischen Schulter und Ohr, bevor ich die Wohnungstür öffne.
»Samantha hier.«
»Hey, mein Schatz. Ich bin‘s, Mom.«
»Oh, hey«, sage ich in etwas freundlicherem Tonfall. »Wie geht es dir?«
»Gut. Ich wollte dir nur erzählen, dass ich den Strickwettbewerb gewonnen habe. Deine Mutter ist also jetzt um ganze zweihundertfünfzig Dollar reicher.«
Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, während ich die Tür abschließe, und als ich aus dem Gebäude trete, muss ich lachen. »Wow, ich bin so stolz auf dich. Was hast du denn gestrickt?«
»Nichts. Es war nur ein Schnelligkeitswettbewerb.« Anhand der Schnippelgeräusche gehe ich davon aus, dass meine Mutter gerade mit den Vorbereitungen fürs Abendessen beschäftigt ist. »Wie läuft es in New York?«
»Ich kann mich nicht beschweren. Seit meiner Beförderung habe ich super viel zu tun.«
Während ich zur nächsten U-Bahn-Station gehe, schweift mein Blick immer wieder umher. Außer zur Arbeit verlasse ich nur selten die Sicherheit meiner Wohnung.
Es ist unheimlich, wie die Handlungen einer einzigen Person die gesamte Sichtweise auf Menschen verändern können. Ich hatte nie Vertrauensprobleme, bis ich Todd traf. Jetzt lebe ich in der ständigen Angst, dass jeder Mensch nichts anderes vorhat, als mir wehzutun.
»Übertreib es nur nicht«, sagt meine Mutter. Im Hintergrund höre ich ein Knistern, dann fragt sie: »Hast du jemanden kennengelernt?«
Um sie zu beruhigen, lüge ich: »Ja. Ich bin sogar gerade auf dem Weg zu einem Date.«
»Oh, wirklich? Das freut mich aber zu hören. Wie ist er denn so?«
Mist.
»Ich kenne ihn noch nicht so gut.« Um das Thema Liebesleben hinter mich zu bringen, sage ich: »Und am Samstag gehe ich mit Jenny ins Kino.«
Ich habe Jenny in der Verwaltung kennengelernt. Sie hat es einfach immer weiter versucht, bis ich irgendwann aufgegeben und ihre Freundschaft akzeptiert habe. Es hat eine Weile gedauert, mich an ihre sehr lebhafte Persönlichkeit zu gewöhnen, aber jetzt, acht Monate später, ist sie meine beste Freundin.
»Ich dachte, sie wäre noch mit ihrem Freund im Urlaub?«
»Sie ist heute zurückgekommen.«
Es herrscht einen Moment lang Stille, dann fragt meine Mutter: »Wir sehen dich doch auf der Geburtstagsfeier deines Vaters, oder?«
»Ja, das würde ich mir um nichts auf der Welt entgehen lassen.«
Es sei denn, Mr. Vitale streicht mir den Urlaub, den ich vor meiner Beförderung beantragt habe.
Ich muss ihn morgen dringend danach fragen. »Danke für den Anruf, Mom, aber ich muss jetzt auflegen.«
»Natürlich. Wir sprechen uns nächste Woche wieder.«
Ich stecke mein Handy in die Handtasche und nehme die U-Bahn ins Zentrum von Manhattan.
Als ich mich dem Club nähere, dreht sich mir vor Aufregung der Magen um.
Entspann dich. Du wirst dich nur mit einem Mann unterhalten.
Der Club hat mir versichert, dass es ausreichende Maßnahmen gibt, um die Sicherheit aller Mitglieder zu gewährleisten.
Meine Schritte werden langsamer, während ich mich dem Eingang nähere. Paradiso steht in großen goldenen Buchstaben an der Wand, und ein roter Teppich führt zur Tür, vor der sich ein Securitymitarbeiter befindet.
Ein Rolls Royce hält vor dem Eingang und ich sehe zu, wie eine Frau, die in ihren Fünfzigern zu sein scheint, aus dem teuren Fahrzeug aussteigt.
Eine Aura des Reichtums umgibt sie, während sie den Club betritt.
Wenn sie das kann, schaffst du es auch. Und wenn du dich unwohl fühlst, kannst du doch jederzeit wieder gehen.
Ich hebe mein Kinn und atme tief ein, bevor ich auf den Türsteher zugehe. Der Mann mustert mich und ich werde noch hundertmal nervöser.
Sein Tonfall klingt eher wie der eines Butlers, als er sagt: »Guten Abend, Ma‘am. Einen Moment, bitte.«
Während ich warte, schaue ich mich um, dann sagt der Türsteher: »Willkommen, Miss Blakely. Da Sie zum ersten Mal im Paradiso sind, folgen Sie einfach dem Gang, wo Sie von einem unserer Mitarbeiter in Empfang genommen werden.«
Meine Augenbraue hebt sich. »Woher wissen Sie denn, wer ich bin?«
Er lächelt mich an und deutet auf eine Kamera über der Tür. »Das Sicherheitsteam hat mich informiert.«
Wow. Sehr cool.
Ich nicke ihm zu und betrete das Gebäude. Meine Hände umklammern den Riemen meiner Handtasche, während ich die grauen Wände und schwarzen Kacheln um mich herum betrachte. Sanftes gelbes Licht scheint von der Decke, und weiter vorn entdecke ich jemanden ganz in Schwarz, der auf mich zu warten scheint.
Dann fällt mein Blick auf die schwarze Sturmhaube mit dem Totenkopf, die von der in Schwarz gekleideten Person auf dem Kopf getragen wird, und ich überlege, ob ich nicht doch besser wieder umkehren sollte.
Das ist ja ganz und gar nicht einschüchternd.
Ich verstehe wohl, dass die Sturmhauben ihre Identität schützen sollen, aber verdammt, hätten sie sich nicht für etwas Dezenteres entscheiden können?
»Guten Abend, Miss Blakely«, sagt die Frau. »Möchten Sie sich kurz zu mir setzen, damit wir Ihre Fragen besprechen können?«
Ein unbehagliches Lächeln huscht über meine Lippen. »Gern.«
»Hier entlang.«
Ich folge ihr zu einem Bereich, der ganz gemütlich aussieht. Es gibt Sofas und Tische, an denen bereits mehrere Menschen zusammensitzen und Drinks genießen.
Ich liebe die riesigen Farne, die zwischen den Tischen stehen. Sie gönnen den Pärchen etwas Privatsphäre.
Eine Bartheke säumt die eine Wand, und Kellner huschen zwischen den Tischen und Sofas hin und her.
Die Atmosphäre wirkt professionell und hilft mir, meine Furcht ein wenig zu lindern.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sagt die Frau, die mich in Empfang genommen hat.
Ich richte meine Aufmerksamkeit auf sie, setze mich auf eine schwarze Ledercouch und lege brav meine Handtasche auf den Schoß.
Mein Blick begegnet ihren braunen Augen, und da ich nicht weiß, was ich sagen soll, warte ich darauf, dass sie zuerst spricht.
»Willkommen im Paradiso.«
Ich kann nicht einmal erkennen, ob sie lächelt. »Danke.«
»Wir möchten Ihnen versichern, dass Ihre Privatsphäre an erster Stelle steht. Was auch immer Sie hier tun, bleibt zwischen Ihnen und Ihrem Partner. Oder Ihren Partnern.«
Partnern. Plural. Eher friert die Hölle zu.
»Sie haben um ein Gespräch mit einem Mann gebeten. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Sie haben gar keine Anforderungen an Alter, Persönlichkeit oder Aussehen gestellt.«
»Das spielt keine Rolle.« Ich fühle mich unwohl und umklammere meine Handtasche noch fester. »Ich möchte einfach nur einen Mann, mit dem ich mich unterhalten kann.«
»Wie Sie wünschen.« Sie winkt einen Kellner heran. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Ja, gern. Ein Martini wäre schön.«
Sie gibt die Bestellung auf und sieht mich wieder an. »Ich möchte Ihnen versichern, dass dies ein sehr sicherer Ort ist, an dem Sie Ihre Fantasien erforschen und ausleben können. Überall sind Kameras installiert, und wir verfolgen eine Null-Toleranz-Politik, sollte ein Mitglied gegen die Regeln verstoßen, die die andere Partei aufgestellt hat.«
Ich nicke und werfe einen Blick auf die übrigen Leute hier, wobei ich mich frage, mit welchem von den Männern ich wohl reden werde.
»Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«, fragt sie.
»Im Moment nicht.«
»Dann lasse ich Sie jetzt Ihren Abend genießen. Sollte sich Ihr Wunsch im Laufe des Abends ändern, wenden Sie sich einfach an unsere Mitarbeiter. Sie werden Ihnen jederzeit gern weiterhelfen.«
Ich nicke, sehe ihr nach, während sie aufsteht und geht, und kaue ängstlich auf meiner Unterlippe.
Dann werfe ich noch einen Blick auf die anderen Mitglieder und stelle fest, dass alles hier irgendwie … normal wirkt.
Ich hatte eine schlüpfrige Atmosphäre erwartet. Dass die Leute es an jeder Ecke wild miteinander treiben. Aber dieser Ort macht eher einen sehr anständigen Eindruck auf mich.
Der Kellner bringt mir einen Martini und ich murmele: »Danke.«
Da ich jede Menge flüssigen Mut brauche, trinke ich ein paar Schlucke. Und als ich mir gerade die Olive in den Mund stecke, kommt ein Mann auf mich zu.
Mist. Jetzt geht‘s los.
Er scheint in den Vierzigern zu sein, sein Haar ist an den Schläfen bereits leicht ergraut.
Als er mich erreicht, stehe ich auf und sage: »Hallo, ich bin Samantha.«
Ein unbeholfenes Lächeln zuckt um seinen Mund und er sieht genauso nervös aus, wie ich mich fühle. »Hallo, ich bin Doyle. Schön, dich kennenzulernen.«
Ich setze mich wieder und wir starren uns einfach nur an. Als klar wird, dass er nicht als Erster das Wort ergreift, räuspere ich mich und lache nervös. »Ist doch ein bisschen seltsam hier.«
Sein Lächeln wird etwas breiter. »Ja. Bist du zum ersten Mal hier?«
»Ja. Ich dachte, ich versuche es mal. Und du?«
»Ich bin auch noch jungfräulich.«
Na, dann ist ja alles klar.
Wir lächeln uns verlegen an, bevor ich noch einmal an meinem Drink nippe.
Doyle lehnt sich entspannt in die Couch zurück und lässt seinen Blick schweifen, und ich nutze den Moment und betrachte ihn genauer.
Er wirkt harmlos. Der Mann hat null sichtbare Körpermuskulatur, daher stehen die Chancen gut, dass ich ihn in einem Kampf besiegen könnte.
Der Gedanke hilft mir, mich so weit zu entspannen, dass ich fragen kann: »Und was machst du so in deiner Freizeit?«
Er sieht mich wieder an und denkt einen Moment nach, bevor er antwortet: »Ich lasse keine Gelegenheit aus, Campen zu gehen.