Tempted by the Devil (Kings of Mafia 1) - Michelle Heard - E-Book

Tempted by the Devil (Kings of Mafia 1) E-Book

Michelle Heard

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Beschreibung

Als ich meinen Stiefbruder zu einer Party begleite, erlebe ich die größte Überraschung meines Lebens. Es ist gar keine normale Party, sondern meine eigene Hochzeit. Mit Angelo Rizzo. Einem kaltherzigen Mann, der von allen gefürchtet wird. Auch von mir. Es stellt sich heraus, dass mein Stiefbruder der Cosa Nostra Geld schuldet und mich dazu benutzt, seine Schulden bei Angelo Rizzo zu begleichen. Habe ich eine Wahl? Nein. Nicht, wenn es um die Cosa Nostra geht. Drei Stunden später trage ich einen funkelnden Ehering am Finger, und an meiner Seite steht ein Ehemann, vor dem ich mich schrecklich fürchte. Jep, mein Leben hat soeben eine grausame Wendung genommen. Ich kann mich nicht verstecken oder weglaufen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich dem Albtraum zu stellen, der mich erwartet. Und zu beten, dass ich diese Ehe mit Angelo Rizzo überleben werde.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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ANMERKUNG DER AUTORIN:
PLAYLIST
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
KAPITEL 31
KAPITEL 32
KAPITEL 33
KAPITEL 34
KAPITEL 35
KAPITEL 36
KAPITEL 37
KAPITEL 38
EPILOG

Michelle Heard

 

 

Tempted by the Devil

Kings of Mafia

(Band 1)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersetzt von Alexandra Gentara

 

TEMPTED BY THE DEVIL

(Band 1)

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel

»Tempted By The Devil (Kings Of Mafia)«

 

Copyright © 2023 TEMPTED BY THE DEVIL by M.A. HEARD.

All rights reserved.

The moral rights of the author have been asserted.

 

Published by Arrangement with PODIUM PUBLISHING SUBCO, LLC, EL SEGUNDO, CA 90245 USA

 

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

 

Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe © 2025

Tempted by the Devil

by VAJONA Verlag GmbH

 

Lektorat: Alexandra Gentara

Korrektorat: Anne Masur

Satz: VAJONA Verlag GmbH,

Umschlaggestaltung: Okay Creations

unter Verwendung von Canva

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

Für meine Leser:innen,

welche davon träumen, ihrem eigenen moralisch grauen Bösewicht zu begegnen, der sie liebt und vergöttert.

ANMERKUNG DER AUTORIN:

 

 

Dieses Buch enthält Inhalte,

die für einige Leser und Leserinnen triggernd wirken könnten.

Dies bezieht sich auf folgende Themen:

 

Zweifelhafter Consent

Zwangsehe

Physischer und emotionaler Missbrauch

Verlust der Familie

Grafische Gewaltschilderungen

 

Empfohlen für volljährige Leserinnen und Leser.

Bitte lest verantwortungsbewusst.

 

 

 

 

»Die Furcht schneidet tiefer als jedes Schwert.«

– George R.R. Martin, A Game of Thrones.

PLAYLIST

 

 

Knocking on Heaven's Door – RAIGN

Metamorphosis – MILCK

Here Come The Monsters – ADONA

What a World We Live In – Oshins

Stand By Me – Ki:Theory

Caught In The Fire – Tommee Profitt, Sam Tinnesz

Save You – Turin Brakes

The Heart Wants What It Wants – KELSON

Have A Little Faith In Me – SYML

Where It Stays – Charlotte OC

Life Begins – Shelly Fraley

KAPITEL 1

Tori

 

Angelo Rizzo; 34. Vittoria – Tori – Romano; 23.

 

»Denk an meine Worte«, sagt Giorgio. »Noch vor Jahresende werde ich einer der Bosse sein.«

Beinahe hätte ich geschnaubt. Es ist einfach lächerlich, meinem Stiefbruder dabei zuzuhören, wie wichtig er angeblich für die Cosa Nostra ist.

Das hätte er wohl gern.

Giorgio ist … nun ja, ein selbstverliebtes Arschloch. Anders kann man es wohl nicht bezeichnen. Jeder weiß, dass es in der Cosa Nostra nur fünf Bosse gibt – Rizzo, Torrisi, Vitale, La Rosa und Falco. Diese fünf Familien regieren ganz New York, und niemand wagt es, sich mit ihnen anzulegen.

Giorgio redet gern viel, und das wird ihn eines Tages noch umbringen.

Ein Mädchen darf ja wohl noch hoffen.

Sofort überkommen mich Schuldgefühle, weil ich mir gewünscht habe, dass mein Stiefbruder tot wäre.

Vergib mir, Vater.

Seit mein Vater und meine Stiefmutter vor sieben Jahren bei einem Autounfall ums Leben kamen, hat Giorgio Papàs Platz in der Cosa Nostra eingenommen. Das ist ihm auch direkt zu Kopf gestiegen, und mittlerweile ist es unerträglich geworden, mit ihm zusammenzuleben.

Meine Tante mütterlicherseits bat Giorgio, mich bei sich leben zu lassen, aber davon wollte er nichts hören. Leider starb meine Mamma an einer Lungenentzündung, als ich drei Jahre alt war, und meine Tante, mein Onkel und mein Cousin sind somit die einzige Familie, die ich noch habe.

Ich war erst sechzehn, aber Giorgios Wort war in unserer Familie Gesetz, daher wagte es niemand, sich ihm zu widersetzen. Jetzt bin ich dreiundzwanzig und hänge immer noch bei diesem Mistkerl fest.

Ich vermute, er will mich nur deshalb nicht gehen lassen, um meinen Anteil am Erbe zu bekommen, das mir zu meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag ausgezahlt werden wird.

Von seinem eigenen Anteil hat er bereits mehr als die Hälfte mit Glücksspiel, Alkohol und Frauen durchgebracht.

Giorgio war der perfekte Stiefsohn für meinen Vater. Papà hatte Giorgio sogar als seinen eigenen Sohn angenommen und ihn adoptiert, daher kann ich ihm auch nicht vorwerfen, dass er ihm die Verantwortung für unsere Finanzen übertragen hat. Selbst ich war schockiert, als ich erfuhr, was für ein widerlicher Typ Giorgio in Wahrheit ist.

Cettina, Giorgios Mutter, und Papà haben zwei Jahre nach Mammas Tod geheiratet. Ich war fünf und Giorgio war dreizehn, daher sind wir wie Bruder und Schwester miteinander aufgewachsen.

Aber über Nacht verwandelte er sich in einen anderen Menschen. In einen gewalttätigen, selbstsüchtigen und vor allem gierigen Menschen.

Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn ich in zwei Jahren fünfundzwanzig werde, aber Giorgio wird jedenfalls keinen müden Cent von mir bekommen. Ich hoffe, dass ich mein Erbe einlösen und irgendwo hin fliehen kann, wo er mich nicht findet.

Ich räuspere mich und murmele: »Entschuldige mich. Ich gehe mal eben zur Toilette.«

Giorgio hat ein Auge auf eine schöne Frau geworfen, die gerade hereingekommen ist, und schenkt mir keinerlei Beachtung, als ich von meinem Stuhl aufstehe.

Ich gehe zur Rückseite des Restaurants und schaue mich auf dem Weg im Lokal um. Der Laden ist brechend voll, und obwohl ich mit all diesen Menschen hier aufgewachsen bin, kommen sie mir vor wie Fremde.

Jeden Freitag essen wir im Piccola Sicilia zu Mittag. Das Restaurant gehört Angelo Rizzo, ich habe ihn aber nur ein paar Mal dort gesehen. Jedenfalls nie lange genug, um ihn genauer zu betrachten.

Nicht, dass ich das wollen würde. Die fünf Oberhäupter der Cosa Nostra jagen mir eine Höllenangst ein. Sie sind dafür berüchtigt, sehr brutal zu sein, wenn es ums Geschäft geht.

Da ich in der Cosa Nostra aufgewachsen bin, habe ich wie alle anderen Sizilianer in New York schon früh gelernt, diese fünf Familien zu fürchten.

Sogar Giorgio hat eine Heidenangst vor ihnen. Vor mir redet er immer großspurig daher, aber wenn er mal mit einem von Angelo Rizzos Leuten sprechen muss, ist er auf einmal erbärmlich unterwürfig.

Und jedes Mal, wenn er dazu gezwungen wurde, ein Stückchen von seinem Demutskuchen zu essen, bin ich diejenige, die anschließend darunter leiden muss. Als Big Ricky Giorgio das letzte Mal ausgeschimpft hat, weil er zu spät zur Arbeit kam, hat Giorgio mir zwei Rippen gebrochen.

In meinem Gesicht hinterlässt er nur noch selten Spuren, weil er mich gerne vor den alleinstehenden Männern der Cosa Nostra vorführt. Ich weiß, dass er vorhat, mich mit einem von ihnen zu verheiraten, aber er wartet damit noch, bis mein Erbe endlich fällig wird.

Den einzigen Trost in dieser verfahrenen Situation finde ich in der Tatsache, dass Giorgio mich zumindest nicht dazu zwingen kann, ihn zu heiraten. Wir leben in einer sehr eng miteinander verwobenen sizilianischen Gemeinschaft, die den Versuch missbilligen würde. Schließlich sind wir wie Bruder und Schwester miteinander aufgewachsen. Das ist meine einzige Rettung und auch der Grund, warum er mich nicht anzüglich ansieht. Für Giorgio zählt nur, mein Erbe in seine gierigen Hände zu bekommen.

Ich schleiche mich auf die Toilette, und nachdem ich mich erleichtert habe, wasche ich mir die Hände und ziehe meinen Lippenstift nach. Dann huscht mein Blick über das helle pfirsichfarbene Sommerkleid, das ich trage, und ich vergewissere mich, dass der Stoff nicht in meiner Unterwäsche feststeckt. Das ist Aida mal passiert, als wir vierzehn waren, und ich wäre aus Mitleid und Scham für meine Cousine beinahe gestorben. Seitdem überprüfe ich meine Kleidung immer, um sicherzustellen, dass alles an seinem Platz ist.

Mein Blick bleibt an meinem Spiegelbild hängen und ich hebe das Kinn.

Nur noch zwei Jahre in dieser Hölle, dann kannst du endlich weglaufen und dir ein neues Leben aufbauen.

Als ich die Toilette verlasse und zum Tisch zurückkehren will, öffnet sich rechts von mir eine Bürotür. Ohne darüber nachzudenken, schaue ich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Der Anblick hinter der Tür erwischt mich eiskalt.

Ich habe freie Sicht auf Angelo Rizzo, der gerade einen Mann am Hals gepackt hat. Ich kann nicht verstehen, worüber sie reden, aber als Big Ricky aus dem Büro kommt, sehe ich, wie Angelo dem Mann ein Messer in die Kehle rammt.

Heilige Mutter Gottes!

Das entsetzte Quieken, das mir entweicht, lässt Big Rickys Blick sofort in meine Richtung schnellen.

Verdammter Mist!

Mein Herz fängt sofort an, heftig gegen meine Rippen zu hämmern, und ich hechte schnell nach links. Ich weiß, dass es dumm von mir ist, wegzurennen, aber meine Instinkte haben übernommen, und der Fluchtinstinkt gewinnt dabei immer.

Ich erreiche noch nicht einmal das Ende des Flurs, bevor ich am Arm gepackt und zurück zu dem Büro gezerrt werde.

Nein, nein, nein, nein, nein!

»Ich habe gar nichts gesehen«, flehe ich. Big Ricky ignoriert mich, deshalb bettele ich: »Ich erzähle es auch niemandem. Bitte.« Dann werde ich ins Büro gestoßen und stolpere vorwärts. Mein Blick fällt auf Mr. Rizzo, der gerade das Messer abwischt, und der Anblick lässt mich wie erstarrt stehen bleiben.

Sein Kopf ist gesenkt und er konzentriert sich darauf, jeden einzelnen blutroten Tropfen von der Klinge zu wischen. Leise und bedrohlich befiehlt er: »Schaff die Leiche hier raus.«

Mit großen Augen sehe ich zu, wie der Körper des Mannes von Tiny durch eine Seitentür nach draußen gezerrt wird, ohne dass dieser dabei auch nur ins Schwitzen gerät. Er ist eben auch ein Berg von einem Mann. Die blutige Schleifspur auf dem gefliesten Boden lässt mich fast würgen.

Vater, ich war ein braves Mädchen. Ich hatte noch nie ein Date und habe mich für die Ehe rein gehalten. Ich gehe jeden Sonntag in die Kirche. Bitte hol mich aus diesem Schlamassel wieder raus. Das bist du mir schuldig.

Mr. Rizzo hebt langsam den Kopf, und als seine haselnussbraunen Augen mich fixieren, überkommt mich ein ängstlicher Schauer.

Verdammter Mist.

Ein einziger Blick von Angelo Rizzo genügt, und meine Kehle fühlt sich an wie zugeschnürt. Doch ich schlucke den Kloß der Panik hinunter.

Sein Blick wandert von meinem Gesicht nach unten zu den Sandalen an meinen Füßen, bevor er weiter zu Big Ricky huscht.

»Sie hat gesehen, was passiert ist«, erklärt Big Ricky.

Hastig schüttle ich den Kopf und flehe mit zittriger Stimme: »Ich werde es niemandem erzählen. Das verspreche ich.«

Mr. Rizzo hebt die Hand, und während sein Daumen über seine Unterlippe streicht, heftet er seine Augen erneut auf mich.

Die Brutalität in seinem Blick versetzt mir einen Schlag in die Magengrube.

Vater, ich will noch nicht sterben. Hol mich einfach nur aus diesem Mist hier raus, und ich werde alles tun, was du von mir verlangst.

Tiny kommt zurück ins Büro, und ohne den Blick von mir abzuwenden, reicht Mr. Rizzo ihm die Mordwaffe.

»Sie ist die Schwester von Romano«, informiert Big Ricky seinen Chef.

Wenn mein Herz noch schneller schlägt, werde ich gleich ohnmächtig.

Mr. Rizzo hebt eine Augenbraue. »Vittoria.«

Er weiß, wie ich heiße?

Natürlich weiß er das. Ich bin mir ziemlich sicher, dass in seinem Gebiet rein gar nichts passiert, wovon er nichts weiß.

Mr. Rizzo holt tief Luft und kommt langsam auf mich zu. »Ich habe dich seit der Beerdigung deines Vaters nicht mehr gesehen.«

Der Drang, zurückzuweichen, ist überwältigend, aber dank Gottes Gnade schaffe ich es irgendwie, still zu bleiben.

Als er nur wenige Zentimeter vor mir stehen bleibt, muss ich meinen Kopf nach hinten neigen, um zu ihm aufzuschauen.

Wenn ich nicht so eine verdammte Angst hätte, würde ich mir vielleicht die Zeit nehmen, die Attraktivität des Mannes zu bewundern. Sein schwarzes Haar steht in starkem Kontrast zu seinen haselnussbraunen Augen.

In denen tanzen ein paar winzige goldene Flecken, wodurch es so aussieht, als würden in seiner braun-grünen Iris Flammen brennen. Ich weiß, dass er Anfang dreißig und noch unverheiratet ist, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, sein Territorium mit eiserner Faust zu regieren.

Als Tiny dicht hinter Mr. Rizzo steht, stelle ich fest, dass die beiden gleich groß sind. Mindestens zweieinhalb Köpfe größer als ich.

Während Tiny vor Muskeln und roher Kraft nur so strotzt, wirkt Mr. Rizzos Körper straffer und vermittelt den Eindruck von Rätselhaftigkeit und Tod, verpackt in einen teuren Anzug.

Tinys Gesicht ist eher rundlich, während Mr. Rizzo einen sehr markanten Kiefer besitzt.

Meine Augen huschen immer wieder zwischen den beiden Männern hin und her, wobei ich mir nur allzu bewusst bin, dass hinter mir auch noch Big Ricky steht.

Mr. Rizzos Augen bleiben auf mein Gesicht gerichtet, und als ich dem Druck nicht mehr länger standhalten kann, wimmere ich: »Ich werde wirklich niemandem erzählen, was ich gesehen habe.« Eine steile Falte erscheint zwischen seinen Augenbrauen, und seine Worte klingen leise und gefährlich, als er murmelt: »Ich weiß.«

Was soll das heißen? Kann ich gehen, oder wird er mich jetzt umbringen?

Lieber Gott!

Als Mr. Rizzo plötzlich seine Hand an mein Gesicht hebt, zucke ich zusammen und gebe einen ängstlichen Laut von mir. Ich kneife die Augen zusammen, balle die Hände zu Fäusten und versuche, mich auf den kommenden Schlag vorzubereiten.

Meine Haut spannt sich straff über Wangenknochen und Kiefer, und ich beiße die Zähne zusammen.

Sekunden vergehen, dann spüre ich plötzlich, wie etwas an meinen Haaren zieht, und meine Augen fliegen wieder auf.

Mr. Rizzo mustert mich genau, während er eine Locke meines Haares um seinen Zeigefinger wickelt.

Verwirrt durch das, was er da gerade tut, zucke ich erneut zusammen, als Giorgios Stimme vor dem Büro dröhnt. »Verdammt noch mal, Tori, beweg deinen Arsch endlich wieder aus der Toilette raus!«

Ich höre, wie Big Ricky sich bewegt, dann quietschen die Scharniere der Bürotür und er sagt: »Deine Schwester ist bei Mr. Rizzo.«

»Wie bitte?« Giorgio keucht.

Hinter mir ertönen weitere Geräusche, aber meine Augen bleiben an der größten Bedrohung in diesem Büro haften. Angelo Rizzo.

»Was hast du getan?«, zischt Giorgio mich an.

Auf Mr. Rizzos Stirn bildet sich eine steile Falte, und als er die Locke loslässt, fahre ich mir nervös durchs Haar, während ich hastig einen Schritt von dem furchteinflößenden Mann wegmache.

Da ich mich irgendwie erklären muss, stammle ich: »Als ich aus der Toilette kam, ging die Bürotür auf. Deshalb wurde ich aufmerksam, und dann hab ich gesehen, wie Mr. Rizzo … ähm … etwas gemacht hat. Ich wollte aber gar nicht hinsehen. Es ist einfach so passiert.« Meine Hand fliegt an meine Brust, und während ich mein rasendes Herz bedecke, schwöre ich noch einmal: »Ich werde es niemandem erzählen.«

Mr. Rizzos Blick huscht zu Big Ricky. »Bring Miss Romano zu einem Tisch und hol ihr eine Tasse Kaffee, während ich mich mit ihrem Bruder unterhalte.«

Hä?

Da ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe, frage ich: »Ich darf also gehen?«

Mr. Rizzos durchdringender Blick kehrt zu mir zurück. »Fürs Erste, ja.«

Eine intensive Erleichterung durchströmt mich, und ich folge Big Ricky eilig aus dem Büro. Dann werfe ich ihm einen vorsichtigen Blick zu. Er ist nicht viel größer als ich. »Tut mir echt leid.«

Er nickt und zieht dabei einen Mundwinkel leicht nach oben. »Schon okay, bellissima.« Er führt mich zu einem Tisch und nickt zu einem Stuhl. »Sie können hier warten, während Mr. Rizzo mit Ihrem Bruder spricht.«

»Stiefbruder«, korrigiere ich ihn. Big Ricky sieht von allen am wenigsten bedrohlich aus, was mir den Mut gibt, zu fragen: »Wie viel Ärger habe ich jetzt am Hals?«

Er schüttelt den Kopf. »Solange Sie den Mund halten, wird alles gut.«

Weitere Erleichterung durchflutet mich, und mit sehr viel Hoffnung im Herzen frage ich: »Wirklich?«

Er nickt erneut, bevor er einem Kellner bedeutet, näher zu kommen. »Bringen Sie Miss Romano bitte einen Kaffee.«

Als der Kellner geht, sieht Big Ricky mich wieder an. »Bleiben Sie einfach hier sitzen.«

Ich nicke und schaue ihm nach, wie er auf einen Tisch zugeht, an dem drei Männer gerade ihr Mittagessen genießen.

Ausatmend lasse ich mich in den Stuhl sinken, während ich mir mit der Hand über die Stirn fahre.

Lieber Gott. Das war heftig.

Ich starre auf den Tisch und lasse die schrecklichen letzten Minuten noch einmal in meinem Kopf ablaufen.

Verdammter Mist, ich werde so einen gewaltigen Ärger mit Giorgio dafür bekommen.

Eine schwere Last legt sich auf meine Schultern und ich werfe einen Blick zum Flur.

Ich kann noch gar nicht glauben, dass ich gerade wirklich Angelo Rizzo gegenüberstand!

Gott, der Mann ist echt intensiv.

Und gut aussehend.

Und verdammt furchteinflößend.

Jetzt, da ich nicht mehr in der Schusslinie stehe, fällt mir erst auf, wie attraktiv Angelo Rizzo ist. Und jetzt verstehe ich auch, warum Aida, meine Cousine, so vernarrt war in diesen Mann, als wir uns vor ein paar Monaten bei einem Familientreffen gesehen haben.

Auch wenn er vielleicht einer der attraktivsten Männer ist, die ich je gesehen habe, ändert das nichts daran, wie furchteinflößend er wirkt. Wenn überhaupt, dann verstärkt es seine Attraktivität nur noch.

Vater, ich bin’s noch mal. Danke, dass du mir den Hintern gerettet hast.

Meine Gedanken kreisen um den Mord, den ich gerade miterlebt habe, und mit ihnen kommt auch die ganze Angst wieder zurück.

Da ich in der Cosa Nostra aufgewachsen bin, sollte man meinen, dass ich an Kriminelle und Korruption gewöhnt wäre. Doch das ist nicht der Fall. Ich glaube auch nicht, dass ich mich jemals daran gewöhnen werde, einen Menschen sterben zu sehen.

Nur noch zwei Jahre, dann kannst du endlich mit Giorgio und dieser ganzen Welt abschließen.

KAPITEL 2

Angelo

 

Als Vittoria aus dem Büro geführt wird, gehe ich zu meinem Schreibtisch und setze mich dahinter.

Mein Blick fällt auf Giorgio, der aussieht, als würde er sich gleich in die Hose machen.

Er war erst einundzwanzig, als er Tony abgelöst hat, aber in den letzten sieben Jahren hat er nicht einmal die Hälfte der Arbeit geschafft, die Tony früher für mich erledigt hat. Außerdem hat er ein Problem mit Glücksspiel, das mich langsam zu viel Geld kostet.

»Wie ich höre, verbringst du gerne Zeit im Fallen Angels«, sage ich. Der Stripclub war mein allererstes Unternehmen, daher habe ich immer noch eine Schwäche für das Etablissement.

Im Club gibt es drei Bereiche. Heaven, wo die Kunden den Mädchen nur beim Tanzen zuschauen können, und Hell, wo alles erlaubt ist. Im dritten Bereich, der Purgatory heißt, befindet sich das Casino.

Es ist wohl unnötig, zu erwähnen, dass mir der letzte Bereich ein Vermögen einbringt.

»Ja, Sir«, sagt Giorgio.

Als er auf einen der Stühle an meinem Schreibtisch zusteuern will, legt Tiny ihm eine Hand auf die Brust und schüttelt den Kopf.

In meiner Gegenwart setzt sich niemand hin. Es sei denn, man heißt Rizzo, La Rosa, Torrisi, Falco oder Vitale mit Nachnamen.

»Wie hoch steht er in der Kreide?«, frage ich.

Ich kenne den genauen Betrag, möchte Giorgio aber nicht den Eindruck vermitteln, mich für sein Leben zu interessieren.

»Knapp dreihunderttausend«, antwortet Tiny.

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und schüttle den Kopf.

Giorgio beginnt zu schwitzen, die Schweißperlen laufen ihm von der Stirn die Schläfen hinunter. »Ich werde den offenen Betrag sehr bald begleichen.«

»Ja, das wirst du«, sage ich. »Und zwar heute noch.«

Seine Augen werden groß wie Untertassen. »So schnell kann ich das Geld aber nicht auftreiben.«

Ohne jegliche Gnade in meinem Gesicht murmele ich: »Klingt, als wäre das dein Problem.«

Tiny macht einen bedrohlichen Schritt auf Giorgio zu, und der stammelt sofort los: »Ich besorge das Geld. Ich brauche nur noch einen Monat.«

Mit zusammengekniffenen Augen sehe ich den Mistkerl an.

Sein verängstigter Blick huscht zwischen Tiny und mir hin und her, dann fügt er hinzu: »Ich bin die einzige Familie, die Tori noch hat. Bitte geben Sie mir nur einen Monat. Ich verspreche, das Geld bis dahin zu besorgen.«

Das habe ich schon öfter gehört.

Normalerweise immer, kurz bevor ich jemanden umbringe.

Doch Giorgio steht gerade nicht wegen seiner Schulden vor mir. Wenn es so wäre, wäre er bereits tot, und ehrlich gesagt wäre morgen sein letzter Tag gewesen, wenn es seine kleine Schwester nicht gäbe.

Vittoria Romano.

Ich war so beschäftigt, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie aus dem Mädchen inzwischen eine wunderschöne Frau geworden ist.

Ich bin es gewohnt, dass die Leute mich verängstigt ansehen, aber als ich das Entsetzen in Vittorias Augen sah, wurde mein Schwanz mit Lichtgeschwindigkeit hart. Eine sehr ungewöhnliche Reaktion für mich.

Ich frage mich, wie es wohl wäre, sie meinem Willen zu unterwerfen.

Ich habe einen recht gesunden Sexualtrieb, aber in letzter Zeit scheinen alle Frauen irgendwie miteinander zu verschmelzen. Es ist verdammt langweilig geworden. Außerdem nörgelt mein Onkel ständig, dass es an der Zeit für mich sei, mir eine Frau zu nehmen.

Dann tauchte das verängstigte kleine Rehkitz vor mir auf, und ihre Rehaugen ließen meinen Puls schneller schlagen.

»Vittoria ist dreiundzwanzig«, erwähne ich beiläufig.

Giorgio schaut mich zweimal an, bevor sein Gesicht vor Erleichterung aufleuchtet. »Ja.«

»Also im heiratsfähigen Alter.«

»Ja.« Sein Kopf schnellt auf und ab. »Ich warte nur bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag, bevor ich eine Ehe für sie arrangiere.«

Da ich den Wichser witzig finde, lache ich leise. Was nur sehr selten vorkommt. »Wie kommst du darauf, dass du eine Ehe für sie arrangieren dürftest?« Ich hebe die Hand und deute auf den Schreibtisch. »Habe ich den Teil verpasst, dass du für sie verantwortlich bist?«

Giorgios Augen werden wieder größer. »N-nein, Sir.«

Warum sollte sie warten, bis sie fünfundzwanzig ist?

Ich schiebe den Gedanken auf die lange Bank. Tiny kann sich Vittorias Privatleben mal ansehen, nachdem ich mich um ihren Bruder gekümmert habe.

Ich stütze meine Ellbogen auf den Schreibtisch und beuge mich vor. »Ohne meinen Segen wirst du keine Ehe für Vittoria arrangieren.«

Ich will mich erst selbst mit der Frau vergnügen, bevor sie an jemanden weitergereicht wird, den ich für gut genug erachte.

Giorgio nickt und fragt dann: »Was die Schulden angeht, Sir. Geht ein Monat also in Ordnung?«

Fürs Erste.

Ich nicke und wedele mit der Hand zur Tür, um dem Arschloch zu bedeuten, dass er gehen soll.

Sobald er weg ist, werfe ich Tiny einen Blick zu. »Ich will alles über Vittoria Romano wissen.«

»Ja, Boss.« Er bleibt einen Moment lang stehen und fragt dann: »Was soll ich mit Duncans Leiche machen?«

»Bring sie zu ihm nach Hause, damit seine Familie ihn beerdigen kann.« Ich ziehe mein Handy aus der Brusttasche meiner Jacke und füge hinzu: »Bezahl die Beerdigung und gib seiner Frau fünfzigtausend. Gott weiß, dass sie das Geld braucht, nachdem sie sich so lange mit ihm herumschlagen musste.«

Big Ricky kommt ins Büro, als Tiny gerade geht. »Das Mädchen ist zusammen mit ihrem Bruder gegangen.«

Ich nicke, während ich all meine E-Mails und Nachrichten durchscrolle.

»Ich glaube auch nicht, dass sie reden wird«, sagt er.

Ich nicke erneut, während ich mir die für Dienstag um 17 Uhr angesetzte Besprechung ansehe. Alle zwei Wochen treffen sich die fünf Köpfe der Cosa Nostra. Am Anfang ging es nur darum, den Frieden zu wahren, aber im Laufe der Jahre sind wir Freunde geworden. Jetzt spielen wir regelmäßig zusammen Poker und reden dabei übers Geschäft.

Mein Cousin sollte eigentlich den Sitz der Rizzos in der Cosa Nostra übernehmen, aber er wurde vom Quintero-Kartell ermordet, als diese versuchten, nach New York vorzudringen.

Ich war neunzehn, als ich übernahm, damit mein Onkel sich als Oberhaupt der Rizzo-Familie zur Ruhe setzen konnte. Er hilft immer noch bei den Geschäften auf Sizilien und behält alles im Auge, und genau darüber möchte ich mit ihm reden. Es ist an der Zeit, dass er sich ganz aus dem Geschäft zurückziehen und endlich seinen Lebensabend genießt.

Verdammt, sind denn tatsächlich schon wieder fünfzehn Jahre vergangen?

Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man viel Geld verdient.

Kein Wunder, dass Onkel Maurizio mich zu einer Heirat drängen will. Er hat wohl Angst, dass ich umgelegt werde, bevor ich der Familie Rizzo einen Erben schenken konnte.

Das einzige Problem ist, dass die Frauen aus den geeigneten Familien entweder älter sind als ich oder noch zur Schule gehen.

Onkel Maurizio hat mir zu verstehen gegeben, dass ich Valentina Toscano heiraten solle, die aus einer einflussreichen Familie stammt, aber das wird niemals passieren.

Sie ist sechs Jahre älter als ich und obendrein komplett gestört.

Vittorias wunderschönes Gesicht taucht wieder in meinen Gedanken auf, aber ich schüttle den Kopf, weil die Romanos weit unterhalb der Rizzos stehen.

Aber immerhin ist sie Sizilianerin.

Ich schüttle erneut den Kopf, denn Giorgio als Schwager kommt für mich auf gar keinen Fall infrage.

Mein Blick senkt sich auf meine rechte Hand und ich reibe meine Finger aneinander, während ich mich an das Gefühl ihrer seidigen Haare erinnere.

Sie ist zusammengezuckt, als hätte sie damit gerechnet, dass ich sie schlagen würde. So reagiert eine Frau nur, wenn sie schon einmal geschlagen wurde.

Meine Augen verengen sich, während meine Gedanken zu meinen Eltern wandern. Bevor sie bei einem Unfall mit Fahrerflucht getötet wurden, hat mein Vater meine Mutter ständig verprügelt. Nach jeder zweiten Nacht klebten Blutspritzer von ihr an den Wänden.

Die Welt, in der ich aufgewachsen bin, hat mich zwar zu einem harten Kerl gemacht, aber ich würde niemals eine Frau schlagen.

Erneut geistert die Erinnerung an Vittorias Zusammenzucken durch meinen Kopf.

Während ich an sie denke, tippe ich mit den Fingern auf den Schreibtisch.

Ich bin locker doppelt so schwer wie sie. Ihr herzförmiges Gesicht wird von goldbraunen Locken umrahmt, die aussehen, als würden sie sich nicht bändigen lassen. Und ihre Rehaugen besitzen anscheinend eine geheimnisvolle Kraft, die mich wie ein Magnet anzieht.

Die Frau ist einfach verdammt schön.

»Boss?«, versucht Big Ricky, meine Aufmerksamkeit zu erregen.

Ich hatte ganz vergessen, dass der Mann noch im Büro ist, und schüttle den Kopf, um meine Gedanken an Vittoria Romano zu vertreiben. Dann stecke ich mein Handy wieder in die Tasche. Seufzend stehe ich auf und murmele: »Lass uns in den Club fahren.« Jeden Tag bin ich von wunderschönen Frauen umgeben, aber noch keine von ihnen hat meine Aufmerksamkeit so erregt wie mein kleines Rehkitz mit den wilden Haaren und den Rehaugen.

KAPITEL 3

Tori

 

»Du verfluchte kleine Schlampe!«, brüllt Giorgio und stößt mich ins Haus.

Früher war mein Elternhaus voller Liebe und Lachen, bevor Papà und Cettina, Giorgios Mutter, gestorben sind. Jetzt ist es nur noch voller Hoffnungslosigkeit und Gewalt.

Giorgios flache Hand trifft meinen Hinterkopf, und ich stolpere und verliere das Gleichgewicht. Ich krache auf den Holzboden, den ich erst neulich stundenlang poliert habe, und ein heftiger Schmerz durchzuckt mein Gehirn.

Meine Handtasche rutscht unter einen Beistelltisch, und bevor ich mich aufrichten kann, trifft Giorgios Fuß meine rechte Seite.

Ich beiße die Zähne zusammen, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.

Beim ersten Mal hatte ich ein blaues Auge und konnte zwei Wochen lang nicht aus dem Haus gehen. Alle in der Gemeinde fragten, wo ich sei, und das ärgerte Giorgio. Seitdem rührt er mein Gesicht nicht mehr an.

»Deinetwegen habe ich nur einen Monat Zeit, um einen Haufen Geld aufzutreiben! Ich muss einen Teil meiner Aktien verkaufen.«

Ein weiterer Tritt in meinen Magen lässt die Luft aus meiner Lunge entweichen. Meine Sicht verschwimmt und ein qualvolles Geräusch dringt über meine Lippen.

Ich spüre, wie mir Tränen über die Wangen laufen, während ich vor Schmerz nach Luft schnappe.

Es hilft nicht, zu betteln oder zu streiten. Wenn ich es wage, auch nur ein Wort zu sagen, wird Giorgio nur noch wütender werden. Immerhin schaffe ich es noch, mich in Embryonalstellung zusammenzurollen und meine Arme um meine Taille zu schlingen.

Giorgio drückt mir seinen Stiefel in den Rücken und legt sein volles Gewicht auf mich, während er höhnisch sagt: »Irgendwann bringe ich dich um.«

Der Druck auf meinen Rücken lässt nach und ich höre, wie er ins Wohnzimmer stapft.

Mistkerl.

Als ich mich hoch hieve, muss ich ein Stöhnen unterdrücken, weil ein Schmerz durch meinen Bauch und meinen Oberkörper schießt. Ich bemühe mich gar nicht erst, meine Tasche vom Boden unter dem Couchtisch aufzuheben, und stütze mich an der Wand ab, um in mein Schlafzimmer zu stolpern.

Dort schließe ich die Tür hinter mir und sperre sie ab, dann lasse ich mich in meinem sicheren Bereich auf den Boden gleiten, bis ich auf dem Hintern sitze.

Leise Tränen rollen mir über die Wangen, die ich nicht einmal wegwische.

Nur noch zwei Jahre.

Trotzdem fühlt es sich an wie eine Ewigkeit. Ist das Geld vom Erbe das alles überhaupt wert?

Vielleicht kann ich mitten in der Nacht weglaufen, in irgendeine Kleinstadt flüchten und dort als Kellnerin arbeiten?

Träum weiter. Du hast keinen müden Cent in der Tasche. Willst du zu Fuß in diese Kleinstadt gehen?

Ich fühle mich gefangen, ziehe hoffnungslos meine Knie an die Brust und schlinge meine Arme um die Schienbeine.

Gott, ich vermisse Papà so sehr. An Mamma kann ich mich kaum noch erinnern, aber ich weiß zumindest, dass ich so aussehe wie sie.

Ich war Papàs Augapfel, bis zu seinem Tod. Selbst als er Cettina heiratete, änderte sich daran nichts. Ich dachte, ich wäre der glücklichste Mensch der Welt, weil ich auch noch eine liebevolle Stiefmutter und einen großen Bruder bekommen hatte. Alles war so gut, bis die beiden verstarben.

Es fühlte sich an, als hätte sich mein Leben innerhalb eines Wimpernschlags von Sonnenschein in einen Sturm verwandelt, und dieser Sturm hörte nie wieder auf. Stattdessen wird alles nur noch bedrohlicher.

Giorgio hämmert mit der Faust gegen meine Schlafzimmertür und ich zucke zusammen. »Räum das Chaos im Wohnzimmer auf!«

Ich schließe die Augen und schlucke meine Tränen hinunter, bevor ich antworte: »Ich komme.«

Als ich höre, wie er davonstapft, raffe ich mich auf, schließe die Tür auf und öffne sie. Am anderen Ende des Flurs sehe ich noch Giorgios Tür ins Schloss fallen.

Einen Monat nach der Beerdigung unserer Eltern zog er in das große Schlafzimmer unserer Eltern um. Ich fand das respektlos, und als ich ihn darauf ansprach, verpasste er mir eine so heftige Ohrfeige, dass ich dachte, meine Zähne würden rausfliegen. Er sagte, jetzt, da er das Familienoberhaupt sei, hätte er auch das größte Schlafzimmer verdient.

Nachdem Giorgio mich zum ersten Mal geschlagen hatte, weinte ich mir die Augen aus. Ich verstand einfach nicht, warum er sich so verändert hatte, aber mit der Zeit wurde mir klar, dass er schon immer böse gewesen war und es nur vor unseren Eltern verborgen hatte.

Ich husche durch den Flur in mein Badezimmer und nehme eine Ibuprofen, um den dumpfen Schmerz in meiner Seite zu lindern.

Auf dem Weg ins Wohnzimmer bleibe ich am Beistelltisch stehen und hebe meine Handtasche auf. Ich lege sie auf eins der Sofas, dann entdecke ich zerbrochenes Glas auf dem Boden und Whiskey, der die Wand herunterläuft.

Seufzend gehe ich in die Küche und hole alles, was ich brauche, um das Chaos, das Giorgio angerichtet hat, zu beseitigen.

Du musst noch zwei Jahre durchhalten. Du brauchst erst dein Erbe, um woanders neu anzufangen.

Ich sammle alle Glasscherben auf und werfe sie in den Müll, danach wische ich die Wand ab.

Als ich mit der Arbeit fertig bin, gehe ich zurück in die Küche.

Das ist mein absoluter Lieblingsort. Ich liebe es, zu backen und zu kochen. Um mich von dem ganzen Mist abzulenken, mit dem ich mich gerade herumschlagen muss, fange ich an, Apfelkuchen für die Kaffeestunde nach der Messe zu backen.

Während ich einen Apfel nach dem anderen schäle, weicht die Anspannung langsam aus meinem Körper und die Tabletten lindern auch den Schmerz in meiner Seite.

Dann schneide ich die Äpfel in Scheiben und träume davon, einem liebevollen Mann zu begegnen, in welche Kleinstadt auch immer ich ziehen werde. Wir werden einen weißen Lattenzaun um unser Haus herum haben. Und vielleicht drei oder vier Kinder und einen Hund.

Ich werde Hausfrau und Mutter sein und dafür sorgen, dass mein Mann immer ein köstliches Abendessen vorfindet, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt.

Ich werde weit weg von Giorgio und der Cosa Nostra sein, und mit der Zeit werde ich sogar vergessen, dass sie überhaupt existieren.

 

Nach der Sonntagsmesse eile ich zu den Tischen, an denen sich immer alle zum Tee und Kaffee versammeln, und schalte rasch die Kaffeemaschinen ein.

Seit dem Vorfall im Piccola Sicilia sind zwei Wochen vergangen. Giorgio scheint wegen des Geldes, das er Mr. Rizzo schuldet, sehr nervös zu sein und lässt seinen Stress an mir aus. Er hat sogar versucht, mich dazu zu bringen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem steht, dass er im Falle meines Todes mein Alleinerbe wird.

Kopfschüttelnd frage ich mich, wieso er mich für so dämlich hält, dass ich mein eigenes Todesurteil unterschreiben würde. Ich weiß, dass er mich in demselben Moment, in dem ich dieses Dokument unterschreibe, loswerden wird. Giorgio will nur mein Geld, und er würde mich sogar töten, um es zu bekommen.

Da die Gefahr von Tag zu Tag zunimmt, bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich noch zwei Jahre durchhalten kann. Aber ich weiß auch nicht, was ich sonst tun sollte.

Wenn ich zu Tante Maria gehe, wird Giorgio mich dort finden. Das würde sie in eine schreckliche Lage bringen, weil sie und der Rest meiner Familie an die Gesetze der Cosa Nostra gebunden sind.

Selbst wenn ich sie um Geld bitten würde, damit ich weglaufen kann, würde sie in Schwierigkeiten geraten, weil sie mir geholfen hat. Nichts geschieht, ohne dass die Cosa Nostra davon erfährt.

Ich fühle mich elend und seufze.

»Hast du drei Kuchen mitgebracht?«, fragt Rosa und kommt zu mir hinter die Tische.

Ich setze ein freundliches Lächeln auf. »Ja, aber es scheinen auch mehr Leute als sonst da zu sein.«

»Gib mir doch bitte ein Stück für Pater Parisi.«

Ich nicke, nehme die Kuchen aus ihren Behältern und lege ein Stück separat auf einen Teller. Rosa bereitet eine Tasse Tee zu, und während sie das Getränk und den Kuchen zu Pater Parisi bringt, helfe ich den anderen Gemeindemitgliedern, die bereits um die Tische herumwuseln.

Lächelnd begrüße ich alle, und schon bald lässt der Andrang nach und ich kann mir selbst auch eine Tasse Kaffee einschenken.

Ich bin noch tief in Gedanken versunken, als ich plötzlich eine Stimme höre. »Morgen, Vittoria.«

Ich schrecke hoch und schütte mir dabei versehentlich siedendes Wasser über die Hand. »Autsch!«

»Alles in Ordnung?«, fragt Rosa, während Mr. Rizzo, der mir eine Höllenangst eingejagt hat, um den Tisch herumstürmt.

Als er in meine Nähe kommt, wird mir sofort der Mund trocken und mein Herz fängt an, wie wild zu trommeln. Rosa huscht zum anderen Ende des Tisches, weit von uns entfernt, und beäugt Mr. Rizzo skeptisch.

Keine Menschenseele hier drin wird es wagen, sich Angelo Rizzo zu widersetzen.

Er schnappt sich ein Spültuch vom Tisch, nimmt meine Hand und tupft meine Haut vorsichtig trocken, dann untersucht er die rote Stelle.

Meine Augenbrauen schnellen hoch und mein Mund klappt vor Schreck auf.

Seine Stimme klingt immer noch wie ein leises Grollen, als er murmelt: »Sieht nicht allzu schlimm aus. Aber du musst vorsichtiger sein, wenn du mit kochendem Wasser arbeitest.«

Mit Augen, die so groß sind wie die Untertassen auf dem Tisch, starre ich Angelo Rizzo an, als hätte er gerade den Verstand verloren.

Interessiert es ihn ernsthaft, ob ich mir die Hand verbrenne oder nicht?

Sein Blick trifft auf meinen, und wie schon zuvor verspüre ich beim Anblick der Brutalität in seinen Augen einen Fausthieb in den Magen.

Ich ziehe meine Hand rasch aus seiner und frage nach einem kurzen Räuspern: »Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee oder Kaffee?«

Seine Augen verengen sich einen nervtötenden Moment lang, dann schüttelt er langsam den Kopf. »Komm mit mir.«

Wie bitte?

Ich bin nervös wie die Hölle und meine Zunge schnellt heraus, um meine Lippen zu befeuchten. »Wohin denn?«

Ohne zu antworten, dreht er sich um und verlässt das Gebäude, dicht gefolgt von Tiny und Big Ricky.

Ich habe Mr. Rizzo noch nie bei einem Gottesdienst gesehen. Das kann also nichts Gutes bedeuten.

Ich spüre die Blicke der anderen Gemeindemitglieder auf mir, aber ich weiß, dass keiner von ihnen einschreiten wird, um mir zu helfen. Verwirrt und voller Angst folge ich dem Mann nur zögerlich.

Vor und neben der Kathedrale befinden sich überwucherte Gärten, dahinter liegt ein sehr alter Friedhof. Mir wird ganz flau im Magen, während ich den drei Männern nach hinten folge, aber ich halte sicheren Abstand, während Mr. Rizzo die verwitterten Grabsteine betrachtet.

Ich schlinge meine Arme um mich selbst, und als die Stille weiter anhält, zittert mein ganzer Körper.

Vater, lass nicht zu, dass dieser Mann mich auf heiligem Boden tötet.

Oder besser, lass nicht zu, dass er mich überhaupt tötet.

Nach den längsten Minuten meines Lebens neigt Mr. Rizzo den Kopf in Richtung Tiny und Big Ricky. Meine Angst vervielfacht sich, als seine beiden Wachhunde weggehen, um uns etwas Privatsphäre zu gewähren.

Ein Windhauch kommt auf und peitscht den Stoff meines Kleides gegen meine Beine. Hastig klatsche ich die Hände an die Seiten und greife nach dem Stoff, um ihn an Ort und Stelle zu halten.

Als er immer noch nichts sagt, frage ich mit zittriger Stimme: »Warum wollten Sie, dass ich Sie begleite?«

Mit einer Hand in der Hosentasche hebt er die andere, um sich über das Kinn zu streichen, dann sieht er mich wieder mit zusammengekniffenen Augen an.

Herrgott, ich werde noch an einem Nervenzusammenbruch sterben, wenn er nicht bald etwas sagt.

Auf seiner Stirn bilden sich Falten. »Du siehst müde aus.«

Wow, sehr nette Art, mir zu sagen, dass ich schrecklich aussehe.

Sein Kommentar macht mich etwas verlegen und nun runzle ich selbst die Stirn und schüttle dabei gleichzeitig den Kopf. »Ehrlich gesagt, das ist alles etwas nervenaufreibend für mich. Könnten Sie mir bitte sagen, warum Sie mit mir sprechen wollten?«

Halt doch einfach den Mund, Tori!

Vielleicht liegt es daran, dass ich die ganze Zeit so verängstigt bin und mich fühle, als wäre ich in eine Falle getappt, dass ich jetzt schon anfange, solche Fehler zu machen.

Ich kann mir das nur eingebildet haben, aber sein Mundwinkel hebt sich fast zu einem Lächeln, bevor er wieder die übliche grimmige Miene aufsetzt. Das Lächeln dauerte höchstens den Bruchteil einer Sekunde.

Mr. Rizzo tritt näher zu mir, sein Körper bewegt sich wie ein Wolf, der sich an seine Beute heranpirscht. Ein Angstschauer überkommt mich und mein Atem geht schneller.

Als er vor mir stehen bleibt, neigt er den Kopf und sieht mir in die Augen. »Dein Bruder hat mich gestern aufgesucht.«

»Stiefbruder«, korrigiere ich ihn.

Ich hasse es, wenn Leute Giorgio als meinen Bruder bezeichnen.

Mr. Rizzo zieht die rechte Augenbraue hoch und ich entschuldige mich schnell. »Ich wollte Sie nicht

unterbrechen, Sir.«

»Nenn mich einfach Angelo.«

Ich habe noch nie gehört, dass ihn jemand mit seinem Vornamen angesprochen hätte.

Überrumpelt blinzele ich ihn an.

Er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht geradezu furchterregend aus, während er mich mustert.

---ENDE DER LESEPROBE---