Crazy for love - Johanna Driest - E-Book

Crazy for love E-Book

Johanna Driest

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Beschreibung

Mona ist gerade dreizehn geworden. Höchste Zeit also, sich ernsthaft Gedanken über ihr zukünftiges Erwachsenenleben zu machen. Und da ist vor allem eines wichtig: Jungs und Sex. Denn mit dreizehn geht es los, da sind sich Monas Freundinnen einig. Und als Mona Dennis kennen lernt, scheint alles so zu werden, wie sie es sich erträumt hat.

Johanna Driest überrascht in ihrem mit gerade einmal vierzehn Jahren verfassten Roman mit Witz, Charme, Lebensklugheit und ausgeprägt poetischem Sprachgefühl. Dabei gelingt ihr das Kunststück, uns auch unser eigenes Leben aus einer völlig neuen Perspektive sehen zu lassen.

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Seitenzahl: 240

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Inhaltsverzeichnis
 
Sonntag, 9. Februar
Montag, 10. Februar
Dienstag, 11. Februar
Mittwoch, 12. Februar
Donnerstag, 13. Februar
Freitag, 14. Februar
22.40 Uhr
Samstag, 15. Februar
Sonntag, 16. Februar
Montag, 17. Februar
Dienstag, 18. Februar
Mittwoch, 19. Februar
Montag, 24. Februar
Donnerstag, 6. März
Samstag, 8. März
Mittwoch, 12. März
Dienstag, 18. März
Dienstag, 25. März
Samstag, 29. März
Sonntag, 30. März
Donnerstag, 10. April
Freitag, 11. April
Samstag, 12. April
Sonntag, 13. April
Ostersonntag, 20. April
Donnerstag, 1. Mai
Freitag, 2. Mai
Samstag, 3. Mai
Dienstag, 4. Mai
Mittwoch, 14. Mai
Dienstag, 20. Mai
Mittwoch, 21. Mai
20:00 Uhr, Pink and Blue Park
Freitag, 23. Mai
Samstag, 24. Mai
Montag, 26. Mai
Freitag, 30. Mai
Montag, 2. Juni
Donnerstag, 12. Juni
Freitag, der Dreizehnte
Montag, 16. Juni
Dienstag, 17. Juni
Mittwoch, 25. Juni
Freitag, 27. Juni
Sonntag, 29. Juni
Dienstag, 1. Juli
Freitag, 4. Juli
Mittwoch, 9. Juli
Sonntag, 13. Juli
Dienstag, 15. Juli
Freitag, 18. Juli
Samstag, 19. Juli
Sonntag, 20. Juli
Montag, 21. Juli
Mittwoch, 23. Juli
Donnerstag, 7. August
Samstag, 9. August
Sonntag, 10. August
Montag, 11. August
18:00 Uhr
20:00
Sonntag, 17. August
Montag, 18. August
Mittwoch, 20. August
Donnerstag, 21. August
Freitag, 22. August
Samstag, 23. August
Sonntag, 24. August
Montag, 25. August
Dienstag, 26. August
Mittwoch, 27. August
Donnerstag, 28. August
Freitag, 29. August
Samstag, 30. August
Sonntag, 7. September
Mittwoch, 17. September
Sonntag, 28. September
Freitag, 10. Oktober
Sonntag, 12. Oktober
21:30 Uhr
Dienstag, 4. November
Donnerstag, 13. November
Freitag, 14. November
Samstag, 15. November
Sonntag, 30. November
Montag, 8. Dezember
Dienstag, 9. Dezember
Mittwoch, 10. Dezember
16:00 Uhr
Freitag, 12. Dezember
Montag, 15. Dezember
Dienstag, 16. Dezember
Mittwoch, 17. Dezember
Donnerstag, 18. Dezember
Freitag, 19. Dezember
Samstag, 20. Dezember
Sonntag, 21. Dezember
Montag, 22. Dezember
Dienstag, 23. Dezember
Mittwoch, 24. Dezember
Donnerstag, 25. Dezember
Freitag, 26. Dezember
Sonntag, 28. Dezember
Dienstag, 30. Dezember
Mittwoch, 31. Dezember
Freitag, 9. Januar
Sonntag, 11. Januar
Montag, 12. Januar
Dienstag, 13. Januar
Mittwoch, 14. Januar
Montag, 19. Januar
Dienstag, 20. Januar
Donnerstag, 22. Januar
Sonntag, 25. Januar
Dienstag, 27. Januar
Mittwoch, 28. Januar 16:00 Uhr
Freitag, 30. Januar
Samstag, 31. Januar
Sonntag, 1. Februar
Freitag, 6. Februar
Samstag, 7. Februar
Sonntag, 8. Februar
Montag, 9. Februar
16:00 Uhr
Mittwoch, 11. Februar
Dienstag, 15. Juni
 
Danksagung
Copyright
DIE AUTORIN
Sonntag, 9. Februar
Ich lade gerade Me, Myself and I von Beyoncé runter, als Jeka anruft und fragt, ab wann wir Sex haben dürfen. Sie ist schon länger dreizehn, aber ich bin es erst gestern geworden.
Sie immer: »Ab dreizehn geht es los. Da wirft die Spinne ihr Netz aus und verschlingt das Männchen.«
Und ich: »Wen verschlingst du denn?«
Und sie dann: »Ich warte noch auf dich.« Sie meint damit, dass sie auf mich gewartet hat, bis ich auch dreizehn bin. »Axel?«
Axel? Nein, wirklich nicht. Wir sind Kumpel. Gut, in der Schule umarmt er mich, ich bin das Hauptthema. Auch auf MSN, das ist so’n Chat-Ding, schickt er mir Küsse und Herzen, aber deswegen steht er nicht gleich auf mich. Eher auf Leona. Mit der seh ich ihn in letzter Zeit häufiger. »Ich finde ihn nett, aber er ist nicht hot. Außerdem kann ich Axel leider nicht verschlingen, da würde mir Leona als Gräte quer im Hals stecken bleiben.«
»Wie müsste er denn aussehen, der Glückliche?«, forscht Jeka.
»Er sollte groß sein, braunes Haar haben, aber nicht zu lieblich, keine weiche Haut. Nicht so vernarbt wie Papa. Er sollte ein Sixpack haben. Er sollte gut Basketball und Fußball spielen, denn all diese Eigenschaften einschließlich eines knackigen Pos besitze ich auch. Er ist gut in der Schule, er mag Physik und hat einen großen Freundeskreis.«
»In welche Klasse sollte er gehen?«, will sie wissen.
»Wir sind in der Siebten. Also in der Neunten. Achte ist auch okay. Er sollte lustig sein, charmant, aber Komplimente nicht verschwenden, auch wenn es manche für eine tolle Erfindung halten. Er sollte sich mit Computern sehr gut auskennen, ein Handy besitzen und bitte schön keine Skaterklamotten tragen. Seine Jeans sind von Levis oder Ralph Lauren, Poloshirt mit Kragen hoch. Keine Uhr, Armband. Puma-Schuhe oder Timberlands. Und bitte nicht zu ernst.«
»Ist das Dennis?«, fragt sie.
Wie kommt sie denn darauf? Nein!
 
Jeka heißt übrigens mit Nachnamen Chagall. Wie dieser Maler, von dem sie mir erzählt hat. Sie besitzt ein Buch mit seinen Bildern. Wenn das ihr Großvater oder Urgroßvater oder Ururgroßvater ist, wie sie behauptet, dann hängt sie mich mit diesem Wahnsinnseinfall in einem Blumenkorb im Himmel auf. Am spitzen Kinn des Mondes schaukeln mein Traumtyp und ich.
Jeka meint also, bei mir wird Dennis angeklickt, wenn sie Traumtyp sagt.Vielleicht ist sie Hellseherin. Vielleicht besitzt sie Kräfte, die wir normalen Kids mit wenig Taschengeld, mit Pickeln auf der Stirn und Zahnspangen nicht haben.
»Nein, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig«, sage ich, und Jeka merkt, dass ich im Moment nicht darüber sprechen will. Über ungelegte Eier spricht man nicht, würde meine Omi sagen. »Wie war das jetzt? Ab wann dürfen Mädchen Sex haben?«, lenke ich ab.
Mein Bruder Justin steht in der Tür. Er darf nicht in mein Zimmer, und er darf auch nicht dazwischenreden, wenn ich telefoniere. Aber er tut es. Ich hasse ihn dafür.
»Hey«, grinst er, »gute Frage. Ab wann dürfen Mädchen Sex haben.«
»Hey Schnulli, ab wann darf ein Junge Sex haben?«, fauche ich.
»Ein Mädchen so ab vierzehn, und ein Junge definitiv ab dreizehn«, sagt er und klebt sein Kaugummi an den Türrahmen. Ich bekomme dann wieder Ärger mit Mama.
Jeka ruft aus dem Telefon, ich soll mit ihr reden. »Beachte ihn einfach nicht.«
Sie hat Recht. Also erkläre ich ihr: »Ich denke, ein Mädchen sollte Sex haben, wenn sie dazu bereit ist. Aber nicht vor sechzehn. Wenn sie sich dann aber seelisch und körperlich noch nicht bereit fühlt, kann sie natürlich auch später.«
Mein idiotischer Bruder macht HipHop-Bewegungen und singt dabei: »Irgendwann mit sechzig muss sie langsam loslegen. Sonst ist sie körperlich nicht mehr fit genug.«
»Ich finde mit dreizehn«, lacht Jeka.
Mein widerlicher Bruder schneidet Fratzen. »Mit siebzig könnte sie Probleme kriegen, wenn sie noch nicht tot ist.« Ich beachte ihn einfach nicht.
»Und Jungs?«, fragt Jeka.
»Ich würde denken, so ab fünfzehn. Ja. Mit fünfzehn sollten Jungs Sex haben. Sollten sie anfangen mit rammeln.«
Und Justin imitiert mich mit hoher gezierter Stimme: »Wenn sich ein Mädchen bereit fühlt, sollte sie in Erwägung ziehen, Sex zu haben.« Er zeigt mir mit beiden Händen einen Vogel. »Wie bescheuert. Dazu kann ich nix sagen. Das ist einfach nur doof.«
»Dann sag auch bitte nichts dazu, und halte endlich deinen Mund!«
»Okay, ich halte meinen Mund und gehe jetzt rammeln. Bin ja schon fünfzehn.« In der Tür bleibt er noch mal stehen. »Frag bitte Jeka, ob ich gleich rüberrammeln kann.«
»Jeka hat Sex mit dem, den sie liebt. Dich liebt sie nicht, dich findet sie voll bescheuert.« Meine Stimme ist grell vor Wut.
Und er: »Ihr wisst doch gar nicht, was Liebe ist. Ihr seid Hühnerfrikassee.«
»Du weißt es auch nicht. Aber ich werde es nachschlagen, wenn ich wieder bei Papa bin. Er hat den großen Brockhaus.«
»Im großen Brockhaus! So krank möchte ich auch mal sein.«
Montag, 10. Februar
Ich habe heute in der Schule als Thema vorgeschlagen: Was ist Sex? Wir haben erst in der nächsten Klasse Sexualkunde, aber solche Dinge anzuregen ist mein Job als Klassensprecherin. Na ja, alle waren erstaunt. Frau Busch meinte, das Thema sei nicht passend und unserem Alter nicht angemessen.
Ich fand das komisch. Aber na ja, Frau Busch. Sie ist ziemlich verklemmt und tut immer sehr erwachsen, ist aber erst 28. Ich habe sie noch nie lächeln sehen. Gerade ihr würde das Thema gut tun. Und dann verstehe ich nicht: Wieso ist das nicht angemessen für unser Alter? Sind wir zu dumm? Die Sache ist doch ganz einfach. Sex ist das Wort für eine ganz natürliche Sache. Das Gegenteil von sexen ist sterben oder aussterben. Auch eine ganz natürliche Sache. Das ist sehr biologisch. Sex heißt der Prozess, wenn Mann sein Sperma in Fraus Ei tut. Ja. Sex heißt der Prozess. Genau.
Und wie das ist? Ganz einfach. In der modernen Welt … nein, das wollen wir jetzt mal weglassen. Wir schauen jetzt mal, wie die Neandertaler das früher gemacht haben. Homo sapiens sapiens. Die ersten Homos, okay? Da war eine Homo-sapiens-sapiens-Frau, und die hatte noch keine Kinder. Dann, eines Tages, ging ein Homo-sapiens-sapiens-Mann zu ihr hin und wollte mit ihr sexen, weil es biologisch notwendig ist, damit die Menschheit sich fortpflanzt. Reproduziert. Hat sein Dingsdibumsi, das nennt man auch Penis, Schwanz, Pischer, Stöcklein, Nudel (es gibt noch weitere Ausdrücke) in ihre Möse, Muschi, Vagina, Loch (es gibt noch weitere Ausdrücke) gesteckt. Und dann kommt Sperma raus. Das passiert in diesem Prozess, diesem Rein, Raus von Pimmel in Muschi. Wenn es dann in der Frau ist, läuft das Sperma weiter, und das ist dann wie ein Rennen. Da rennen sie alle um die Wette, aber es kommt nur einer rein, oder zwei, selten drei. Und wenn es Vierlinge sind, vier. Tausende von Spermadingsda paddeln um ihr Leben, und wenn das Rennen vorbei ist, ist die Frau schwanger. Oder nicht. Weil es keiner geschafft hat.
Tante Alexa sagt, die Spermlinge im goldenen Westen werden immer schlapper. Je mehr die Gesellschaft auf die weibliche Seite rückt, umso schlapper wird der Ansturm auf die Frauen, um sie zu befruchten. Sie drückt das irgendwie anders aus. Irgendwie mit Göttlichkeit.
Schwanzlutschen, neunundsechzig, von hinten, im Gleichschritt – all das sollte bekannt sein. Kein Begriff sollte einem fremd sein. Man sollte jeden dreckigen Witz kapieren. Ich habe jedenfalls kein Problem damit, über Sex zu reden. Orgasmus machen, Möse, Nille, Eierkuchen, jeder muss sein Glück versuchen. Wie es eben so ist. Na ja, ich finde … ich weiß nicht. Meine Freundin May würde, erst wenn sie ganz alt ist, einem Jungen einen blasen, Omi Frieda nie, und ich würd’s schon früher machen. Vierzehn, fünfzehn. Ja, vierzehn ist okay. Die Frage, die mich eher beschäftigt: Soll ich schlucken oder spucken? Ich habe keine Ahnung, wie ich das Sperma auffangen soll. Es geht ja in verschiedene Richtungen. Nach der Schule habe ich mich mit Jeka, Sofie, Rosi und May im Pink and Blue Park unter dem Turm verabredet. Dann wollten wir zu den Skatern gehen, aber daraus wurde nichts, weil Sofie und May nicht kamen und Rosi erst viel zu spät.
Also hingen Jeka und ich so rum und haben über allerlei gequatscht und gut abgelacht.
Jeka bringt mich nämlich immer zum Lachen. So wie Justin mich wütend macht, macht sie mich fröhlich. Dabei kenne ich sie noch gar nicht so lange.
Sie ist halbe Russin und wohnte früher in Düsseldorf. Sie hat einen irre strengen Vater. Einmal hat sie für Ewigkeiten Hausarrest bekommen, weil irgendein Freund seine Zigaretten bei ihr vergaß. Ihr Vater glaubte ihr nicht, dass es nicht ihre waren. Er duldet so was nicht. Ein anderes Mal sind ihr sechzig Euro geklaut worden. Ihr Vater war zum Glück auf Geschäftsreise. Ihre Mutter hat ihr dann von ihren Ersparnissen das Geld gegeben, damit der Vater nichts merkt. Weil sie genau weiß, wie er darauf reagieren würde. Sogar die Mutter handelt wie ein Kind, nur um Jekas Arsch vor dem Vater zu retten.
Jeka ist klein, hat braunes langes Haar und so’ne Lache wie Donald Duck. Sie ist ein bisschen mollig. Ganz süß. Ich finde sie bezaubernd, weil sie eine starke Ausstrahlung hat. Fröhlich und glücklich. Lustig wird es, wenn sie sich aufregt. Schon vorher sieht man in ihrem Gesicht, was kommen wird und wie sie sich gerade fühlt. Sie hat gerne Kontakt zu Menschen. Kontakt beruht auf Gegenseitigkeit, und es gibt Menschen, die geben nichts zurück. Aber wenn ich Jeka frage: »Rufst du mich an?«, dann ruft sie mich garantiert an. Sie ruft mich auch von sich aus an. Sie balanciert das aus. Ich hab sie total lieb, und ich glaub, sie mich auch. Manchmal sagt sie etwas total Bescheuertes, und ich muss lachen, oder ich sag was total Bescheuertes, und sie muss lachen.
Samstags geht sie zu einer Russisch-Schule. Lesen tut sie nicht so gerne, aber sie spielt Klavier. Sie singt im Chor. Ich bin beeindruckt, wie toll sie singt. Sie tanzt, macht Synchronschwimmen und auch’n bisschen Schauspielschule.
Sie ist dominant und sehr eigenwillig. Ich bin flexibler. Ich kann mich gut an die Gruppe anpassen. Wenn Jeka irgendwo hingeht, dann wollen die anderen da auch gleich hin. Ich renne ihr aber nicht immer hinterher. Wenn Jeka zur Toilette möchte und ich nicht, gehe ich nicht. Außer ich will ihr einen Gefallen tun. Ich kann mich nämlich auch anpassen, aber ich muss nicht. Sie sagt zum Beispiel: »Du kommst jetzt mit mir zur Toilette.«
Und ich: »Nee, hab jetzt keine Lust.«
Und sie so: »Doch Mona, bitte, bitte.«
Ich drauf: »Nein.«
Sie wieder: »Doch, du kommst jetzt mit!« Dann reißt sie mich am Arm, und ich geh halt mit.
Jeka bekommt, was sie will. Mir macht es nichts aus, wenn ich mal etwas nicht kriege. So sind wir verschieden und doch ähnlich.
 
Ich erzähle ihr, dass Mama will, dass ich meinen Geburtstag am kommenden Sonnabend nachfeiere, weil dann alle aus der Familie Zeit haben und Geschenke bringen. Mama sagt denen vorher, was sie schenken sollen. Ich frage Jeka, ob sie auch kommen will. Sie sagt, okay, gut, und Jeka fragt, wer alles kommt.
»Die aus dem Schmetterlingsgarten«, lache ich. Sie sieht mich an und reißt die Augen auf, was sie immer macht, wenn sie fragen will. Das hat sie aus irgendeinem Film.
»Schmetterlingsgarten, so nennt Omi Frieda die Kindheit«, sage ich zu Jeka. »Omi Frieda ist meine Omi mütterlicherseits, Opi Hans der Vater meiner Mutter. Die Eltern von Papa sind schon länger tot. Capito?«
An ihre Großeltern erinnert sich Jeka nicht mehr. Geschwister hat sie keine.
»Omi und Opi wohnen in Niedersachsen. Opi kocht gut. Und ist hilfsbereit und nett. Früher hatten die beiden ein Restaurant, und daher kann er das echt gut. Omi ist ein bisschen dicklich. Dicklich ist untertrieben, sie ist pummelig. Sie geht jeden Monat zum Friseur, um sich die Haare blond zu färben. Oben blond und hinten dunkel. Sieht cool aus und macht sie jünger. Würde sie sie nicht färben, hätte sie an manchen Stellen graue Flecken und sähe aus wie ein Shetlandpony.«
Und Jeka: »Meinst du, sie würde dann auch wiehern?«
»Vielleicht.« Als wir fertig sind mit Lachen, erzähle ich weiter. »Sie ist 64. Sieht aus wie fünfundfünfzig. Neun Jahre als Geschenk Gottes, sagt sie immer. Sie hat immer eine leichte Bräune und weiche Haut. Vielleicht setzt sie sich heimlich aufs Dach, wenn die Sonne scheint. Da sehe ich sie oft sitzen, wenn ich an sie denke.«
Jeka so: »Vielleicht fliegt sie tagsüber ein bisschen näher an die Sonne, damit sie nicht so lange auf dem Handtuch liegen muss.«
Und ich: »Sie liegt nicht auf dem Handtuch. Sie ist superordentlich. Handtücher sind zum Abtrocknen da. Wenn sie liegt, liegt sie im Bett oder auf Opi Hans.«
Jeka lacht sich schlapp.
»Opi ist der gute Koch, aber Omi kann gut backen. Am liebsten Käsekuchen oder Apfelkuchen mit Streuseln. Sie leben in einem großen Haus. Das Restaurant ist im Erdgeschoss. Da ist jetzt’ne Pizzeria drin. Verpachtet, und nun spargeln sie nur noch auf ihrem Acker herum. Omi hängt ein Schild an den Zaun: »Frischer Spargel«. Manchmal halten Autofahrer und kaufen. Sie sagt immer: Spargel – das weiße Gold.«
Omi ist ein bisschen hektisch und ungeduldig, da hat sie Mama einiges vererbt. Wie vererbt man? Man haut der Tochter hin und wieder eine runter. Cool. Justin und mich aber verwöhnt sie. Außer wir helfen Weihnachtskekse backen. Dann meckert sie, dass wir alles falsch machen. Oder nicht schnell genug arbeiten. Schnell genug kommt sie dann mit einem Sprichwort wie: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, oder mit dem Hut in der Hand. Justin hat einmal zu ihr gesagt, Omi, mit dem Schwanz in der Hand kommst du durchs ganze Land. Da wollte sie ihm eine knallen, aber er ist entwischt.
Opi ist sehr still. Er hat vom Krieg taube Ohren, weil ihm als Kind seine beiden Trommelfelle geplatzt sind, als eine Bombe neben ihm eingeschlagen ist. Omi hat deswegen eine Leuchtklingel einbauen lassen. Immer wenn die Türglocke läutet, leuchtet das Licht, und er sieht, dass jemand vor der Tür steht. Ansonsten hat er gelernt, von den Lippen abzulesen, und beim Fernsehen gibt’s Teletext. Die Tagesschau ist sein Highlight. Da darf man ihn nicht ansprechen. Mit Omi muss ich immer Traumschiff gucken oder Volksmusik-Kacke. Die find ich total abartig. Ich muss mir auch immer die Lieder anhören. Deswegen kenn ich Udo Jürgens, Roland Kaiser und Engelbert Humperdinck.
Opi ist körperlich noch fit und kann schneller rennen als ich. Er ist ein Jahr älter als Omi. Ich bin ab und zu am Wochenende dort. Früher hab ich bei ihnen im Bett geschlafen: In der »Besucherritze«. Omi hat zum Einschlafen mit mir gebetet. Wenn sie eingeschlafen war, hat Opi vom Krieg erzählt.
Omi und Opi sind evangelisch. Omi geht gern in die Kirche. Zum »Leutegucken«. Aber auch, weil sie an Gott glaubt. Opi geht nur in die Kirche, wenn Omi ihn zwingt.
 
Meinen Zweitvater Manfred kennt Jeka auch noch nicht. Die meisten Leute nennen ihn Manni. Justin hat ihn heimlich Money getauft, weil er ständig davon redet, wie teuer das Leben ist. Er will auch keine eigenen Kinder, weil wir schon teuer genug sind, obgleich Papa alles bezahlt.
Manni ist ungefähr so groß wie ich, 1,74, hat helle, extrem glänzende kurze Haare. Die schneidet er mit einem Rasierer selbst. Er hat blaue Augen und einen stechenden Blick. Einen Ballkopf. Trinkt supergerne Red Bull. Mama will das nicht. Das Zeug ist ungesund und macht fett. Manni zieht sich total konservativ an. Flanellhosen mit Bundfalten und irgendwelche karierten Kurzarmhemden plus meistens Gesundheitsschlappen mit Korksohlen. Im Sommer wie im Winter. Und: Er ist grobmotorisch. Wenn er die Tür aufmacht, ist das schon irgendwie aggressiv. Ganz unabsichtlich. Er ist aggressiv, wenn er Türen oder Dosen öffnet. Oder wenn er putzt. Was Mama ständig verlangt.
Ich erinnere mich, wie ich mal in Mannis Auto mitgefahren bin. Sein Auto ist’ne Familienkutsche. Ich glaub, es ist ein Opel, aber ich bin mir nicht ganz sicher, und das Ganze in lang und uralt und goldfarben. Und immer Krümel drin. Er sagt, das ist wichtig, daran erkennt man, dass er Familienvater ist. Unser Familienvater.
Wir sind an dem Tag zu einer Druckerei gefahren, weil er Einladungskarten drucken lassen wollte. Mama und er wollten »heiraten«. Natürlich konnten sie es nicht wirklich, weil Mama ja mit Papa verheiratet ist, aber sie wollten so tun, als ob. Sie wollten das Vergnügen und das Fest haben. Auf der Autofahrt haben wir uns drüber unterhalten, was Liebe ist. Ich hab ihn gefragt, ob man einem Menschen ein ganzes Leben lang treu sein kann. Dann sagt er, nein, daran glaubt er nicht. Dann sag ich: Wieso nicht? Ich glaub daran. Sagt er: Warum glaubst du daran? Sag ich: Natürlich glaub ich dran, sonst bräuchte man ja nicht zu heiraten. Da meinte er, das sei eine Barbie-und-Ken-Einstellung und würde gut zu mir passen. Hinterwäldlerisch, aber ich käm’ ja halt vom Lande. Da müssen alle heiraten, weil sie dann versorgt sind. Das fand ich superunmöglich. Ich hab ihm gesagt, dass er ein Riesendepp ist. Entweder heirate ich aus Liebe, oder ich heirate gar nicht. Dann hat er mich gefragt, ob ich später einen Seitensprung verzeihen könnte. Da hab ich gemeint: Kommt drauf an, aus welchem Grund mein Mann fremdgegangen ist. Meinte er: Ist doch egal, aus welchem Grund. Irgendwann geht man halt mal fremd, weil man Lust drauf hat und weil einem die eigene Frau zu langweilig ist.
Da hab ich gefaucht, das wär das Allerletzte. Wenn einem irgendwas zu blöd wird, tut man irgendwas anderes, wobei einem wurscht ist, ob man den anderen verletzt. So ein Leben ist nicht in Ordnung. Und er: Das sei halt wieder diese Barbie-und-Ken-Einstellung. Sag ich: Hast du Mama schon mal betrogen? Sagt er, ja. Sag ich: und wann? Dann hat er gemeint, da waren sie noch nicht lange zusammen, aber ich sollte meinen Mund darüber halten, sonst würd er meine Katze in den Sack stecken. Er meinte Jazzmin unten aus dem Haus. Ist zwar nicht meine, aber ich füttere sie immer und liebe sie. Das hätte er gemacht, also hab ich meinen Mund gehalten. Der Typ aber war für mich gestorben.
 
Ja, mein Geburtstag. Die Mutter meines Stiefvaters kommt auch. Sie heißt Waltraud und ist ganz okay. Ihre Haare sind typisch »omagelockt« und total grau. Früher hatte sie einen Quelle-Laden zusammen mit ihrem Mann Gustav. Jetzt ist sie in Rente. Sie ist sehr aktiv und unternimmt auch immer was mit uns. Mit mir war sie in König der Löwen.
 
Da wir schon dabei sind, erzähle ich Jeka auch von meinem Vater. Er war viel unterwegs, als Schauspieler oder Maler oder Filmeschreiber, und Mama hat gesagt, dass sein Beruf »Trennung« heißt. Vielleicht hätte sie ja lieber einen Mann nehmen sollen, dessen Beruf sich A-R-Z-T buchstabiert, denn ihr Traum war immer ein »Göttergatte«. Die gibt’s auf der Erde eben nur in Weiß. Die »Trennung« dauerte sechs Jahre, und dann besuchte uns Manfred zum ersten Mal. Nach seiner ersten langen Rede, dass Geld ihm im Leben am wichtigsten ist, nannte ich ihn Manni, weil er mich beim Reden immer angelächelt hatte; Justin nannte ihn Money, und Mama nannte ihn Schatz. Als Papa mal wieder nach Hause kam, wollte Mama nicht, dass wir von Schatz was sagen. Ich war es dann, die sich verplappert hat. Als Mama mich anschrie, habe ich gemeint, dass es ihr Fehler war. Weil sie zu Papa Schatz gesagt hat und ich: Das ist doch Manni. Ich finde, sie hätte zu ihm Honey sagen sollen, Justin Money und ich Manni, dann wäre nichts schief gegangen. Nach dem Krach reiste Papa wieder ab, sagte aber, er werde sich wegen der Kinder nicht scheiden lassen. Er blieb dann immer öfter in unserem Haus in Ibiza, und als ich das vorletzte Mal hinkam, war Anna da. Seitdem habe ich eine Zweitmutter und einen Zweitvater.
Als wir klein waren und es Manni noch nicht gab, saß Mama jeden Abend am Bett und las uns Das Sams vor. Ich hab sie oft ausgelacht, weil sie die Sätze immer so komisch betont hat, aber ich wusste nie, ob sie das absichtlich machte. Weil sie jeden Abend vorlas, konnte ich sie dann irgendwann so gut nachmachen, dass ich mich später in der Schule immer zum Vorlesen gemeldet hab und alle in der Klasse vor Lachen zusammengebrochen sind. Nachdem ich eingeschlafen war, wanderte sie an Justins Bett und las dort weiter.
Das Sams ist übrigens später vor dem Einschlafen an mein Bett gekommen. Von alleine. Auch wenn Mama nicht mehr vorgelesen hat. Wenn ich geweint habe, hat es mich getröstet und gesagt, es macht alles wieder gut.
»Kann es das?«, will Jeka wissen.
»Ja«, sage ich. »Es ist allmächtig. Na ja, jedenfalls kann es trösten.«
»Und hat es alles wieder gutgemacht?«
»Darauf warte ich noch.«
»Kommt dein leiblicher Vater am Samstag auch?«
»Vielleicht«, antworte ich. »Vielleicht auch nicht.«
Jeka will wissen, ob er streng ist.
»Nein. Er liebt Kinder. Wie Mama. Deswegen haben sie sich gemocht. Aber sie sind zu verschieden. Er ist so alt wie Omi. Papa ist 1939 geboren. Keiner von meinen Leuten weiß, wann das war. Manni sagt, das ist das Jahr gewesen, in dem der größte aller europäischen Kriege begann. Ein Riesenkrieg – der letzte. Aber er weiß es bestimmt nicht genau, schließlich ist er von 1970, und da war alles schon 25 Jahre vorüber. »Nach Adam Riese«, sagt Opi, wenn man richtig gerechnet hat. Wenn ich richtig rechne, ist Opi nur ein Jahr älter als mein Vater – nach Adam Riese. Er spricht nie von Angst. Papa hingegen ist ein Spezialist für Ängste. Er kennt sie alle, weil er sie alle hat. Ich frage ihn manchmal danach, und er behauptet, alle, die aus dem Faschismus kommen, haben sie. Er meint damit, alle, die unter Hitler geboren wurden. Also Opi auch.
Weil er immer Angst hatte, musste er viele Frauen lieben. »Um seine Angst zu betäuben«, sagt Omi Frieda.
Und Papa so: »Ich war in der Studentenbewegung, und da dachte man, wenn sich alle Frauen den Männern hingeben, gibt es keinen Krieg mehr.«
»Der und die Frauen!«, schimpft Omi Frieda dann, weil Papa Mama verlassen hat. (Sie will auf keinen Fall glauben, dass es umgekehrt war.) »Frauen«, sagt sie, »kann man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Daher musste sein Leben in einen Strudel geraten, der ihn nicht zur Besinnung kommen ließ, und am Schluss verlor er sein ganzes Vermögen.«
Jetzt lebt er weise in der Stille. »Wenn das Geld weg ist, kommt die Weisheit«, sagt Omi, wenn ich ihr von seinen weisen Einsichten erzähle. »Wenn die Katze nicht im Haus ist, miauen die Mäuse«, sagt sie. Seitdem denke ich immer, er miaut, wenn er mich belehrt. Omi sagt: »Der Weise schweigt.«
Wenn das stimmt, würde niemand erfahren, was Weisheit ist. Ich weiß nämlich, was Weisheit ist. Das japanische Zeichen dafür ist e.
Ich finde Papa weise. Oder sagen wir mal: teilweise.
Meine Tante Alexa ist Mamas jüngere Schwester und unterrichtet irgendwo in München. Ich hab sie leider schon ewig nicht mehr gesehen. Das letzte Mal, als ich sie sah, hatte sie dunkelblondes Haar, wie meines – Straßenköterfarbe. Sie schreibt mir manchmal Briefe, aber Mama findet das nicht so toll. Ich hab sogar das Gefühl, Mama wär es lieber, wenn es Tante Alexa überhaupt nicht gäbe. Ich wüsste zu gerne, was da los war, aber aus Mama ist nichts herauszukriegen. Aus Tante Alexa auch nicht. Mama sagt, dass Alexa viel liest, weil sie keinen Freund hat. Mehr hat sie nie von ihr gesagt. Zu unseren Familienfeiern kommt sie nicht.
Dafür reist aber ihr Bruder an, Onkel Jasper. Er ist noch jünger als Tante Alexa. Er studiert zusammen mit seiner Freundin, ist nett, lacht viel, mag die Simpsons und lebt in Charlottenburg.
»Und deine Mutter?«
»Sie hat gefärbte blonde Haare. Eigentlich sind sie dunkelbraun. Aber seit sie blond sind, lacht sie viel. Sie ist Krankenschwester. Vor sechs Jahren hat sie Manni einziehen lassen, und seitdem kommt Papa immer seltener. Sie meckert jede Menge. Immer, wenn eine Kleinigkeit in der Wohnung nicht sauber ist. Sie geht einmal in der Woche mit Manni zu einem Tanzkurs. Da tanzen sie Quickstepp und Tango und Rumba und Walzer und so Sachen. Sie ist 1,66 groß, hat schmale Schultern, dünne Arme, kurze Finger und dicke Brüste. Sie hat mittelmäßige Beine, einen dünnen Oberkörper, eine süße Unterbauchwampe und kleine Füße. Sie bringt mir manchmal was aus der Krankenhauskantine mit, streichelt mich, wenn ich traurig bin, und schützt mich vor der Bestie Justin. Wenn ich Zeit habe, sehen wir zusammen Die Krankenschwester
Dienstag, 11. Februar
Heute war ein aufregender Tag. Wir hatten in der ersten Stunde Sport, und ich nutzte die Zeit, um meiner Freundin Rosi was zu erzählen, während wir uns umzogen. Rosi ist wunderschön. Schulterlanges blondes Haar, zierlich, perfekter Apfel-Po, dünne lange Beine, superklare Haut, große Augen, volle Lippen und lange Wimpern. Ich hätte gerne die Handtaschen, die sie immer mit sich herumschleppt.
Rosi kenn ich schon seit der Grundschule. Bis vor kurzem hatten wir ein halbes Jahr lang überhaupt keinen Kontakt. Sie war plötzlich total eng mit einem anderen Mädchen befreundet. Inzwischen ist alles wieder okay.
»Rosi, ich find den Dennis so wundervoll. Ganz wonderful. Findest du nicht?«
»Nö.«
Ihre Antwort überrascht mich. »Wieso denn nicht?«
»Weiß nicht. Ist eben nicht mein Fall.«
»Wieso? Er hat die geilsten Klamotten der ganzen Schule.«
»Sofie nennt ihn bloß Milchbubi.«
»Milchbubi? Er hat braune Haare, grüne Augen. Wo ist da der Milchbubi?«
»Ja, was für Haarfarbe und was für Augenfarbe jemand hat, ist Sofie doch wurscht. Sie sagt, er wirkt wie’n Püppchen.«
»In zwei, drei Jahren wird er ziemlich männlich aussehen.«
»Meinst du?«
»Ja. Und du?«
»Sofie meint, er hat schiefe Zähne.« Sie zieht dabei ihr T-Shirt aus. »Sie sagt, er hat ein saublödes Lachen mit schiefen Hackern im Tableau.«