DAMALS HEUTE - Diane Keaton - E-Book

DAMALS HEUTE E-Book

Diane Keaton

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Beschreibung

Ungewöhnliche Erinnerungen einer ungewöhnlichen Frau

GANZ PERSÖNLICHE ERINNERUNGEN VON Diane Keaton. Ein Buch, so berührend, witzig und ungewöhnlich wie seine Autorin. Diane Keatons Erinnerungen erzählen die Geschichte eines gewöhnlichen Mädchens, das sich zu einer außergewöhnlichen Frau entwickelt – nicht zuletzt dank der prägenden Beziehung zur Mutter Dorothy Hall, die in ihren späten Jahren an Alzheimer erkrankt und ihr Leben in 85 Tagebüchern festhielt. Die Autobiographie der Oscar-prämierten Schauspielerin Keaton ist deshalb sowohl zutiefst persönlich als auch universell: Sie gibt Einblick in die einzigartigen Träume und Sehnsüchte von einer Mutter und ihrer Tochter, die sich manchmal decken und manchmal nicht. Ungewöhnliche Erinnerungen einer ungewöhnlichen Frau: unaufgeregt, offen, selbstkritisch.

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Seitenzahl: 380

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DIANE KEATON

DAMALS HEUTE

Aus dem Amerikanischen vonFrauke Brodd

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel »THEN AGAIN« bei Random House, New York.

THEN AGAIN is a work of nonfiction. Some names and identifying details have been changed.

1. Auflage

Copyright © 2011 by Diane KeatonAll rights reserved.This translation is published by arrangement with Random House, an imprint of The Random House Publishing Group, a division of Random House, IncCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenQuote from Annie Hall copyright © 1977 by Metro Goldwyn Mayer.All rights reserved. Used by permission.Quotes from the Lincoln Center Tribute for Diane Keaton speechby Woody Allen copyright © 2007 by Woody Allen.All other text by Woody Allen copyright © 2011 by Woody Allen.Used by permission.Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-06818-9

www.btb-verlag.de

Für meine Stadt der Frauen:

Stephanie Heaton, Sandra Shadic, Lindsay Dwelley. Sowie für zwei Männer: David Ebershoff und Bill Clegg. Sie wissen, warum.

Diese Familie ist mein Leben, sage ich immer, und das ist die Wahrheit.

Dorothy Deanne Keaton Hall

NACHDENKEN

Mom hatte ein Faible für Sprichwörter, Zitate, Mottos. Dauernd klebten an der Küchenwand kleine Erinnerungszettel. Zum Beispiel mit dem Wort NACHDENKEN. Ich fand ein mit Reißzwecken befestigtes NACHDENKEN auf einer Pinnwand in ihrer Dunkelkammer. Ich sah eins mit Tesa festgeklebt auf einer Stiftdose, die sie mit einer Collage verziert hatte. Ich fand sogar ein kurzes Merkblatt mit dem TitelNACHDENKEN auf ihrem Nachttisch. Mom gefiel es, NACHZUDENKEN. In einem Notizbuch hielt sie fest: Ich lese gerade Sogar Cowgirls kriegen mal Blues von Tom Robbins. Der Abschnitt über die Ehe stimmt mit den Bemühungen der Frauen nach Erfüllung überein. Ich schreibe das hier auf, um später darüber NACHZUDENKEN … Sie rundete ihren Eintrag mit einem Robbins-Zitat ab: »… und für die meisten armen, dummen, hirngewaschenen Frauen ist die Ehe der Gipfel des Erlebens. Für Männer ist die Ehe eine Frage effizienter Logistik: hier hat er alles, Essen, Bett, Wäsche, Fernsehen … Nachwuchs und kreatürliche Bedürfnisse ordentlich unter einem Dach. … Für eine Frau dagegen ist die Ehe Kapitulation. Die Ehe, das ist, wenn ein Mädchen den Kampf aufgibt … und fortan die wirklich interessanten und wichtigen Aktionen ihrem Ehemann überlässt, der sich vertraglich verpflichtet hat, ›für sie zu sorgen‹ … Frauen leben statistisch länger als Männer, weil sie eigentlich gar nicht gelebt haben.«

Mom liebte es, über das Leben NACHZUDENKEN, vor allem über ihre Erfahrungen als Frau. Und sie schrieb auch gerne darüber.

Mitte der Siebziger, auf Besuch zu Hause, entwickelte ich gerade in Mutters Dunkelkammer ein paar Fotos, die ich von Atlantic City gemacht hatte, als ich etwas entdeckte, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es war so etwas wie, tja, ein Skizzenbuch. Auf dem Umschlag befand sich eine Collage, die sie aus Familienfotos zusammengestellt hatte, untermalt mit den Worten Der Weg ist das Ziel. Ich nahm es in die Hand und blätterte die Seiten schnell durch. Obwohl sich darin einige aus Schnappschüssen und Zeitungsausschnitten angefertigte Collagen befanden, gab es hauptsächlich seitenweise Text.

Hatte einen produktiven Tag im Hunter’s Bookstore. Wir haben die Kunstbuchabteilung neu sortiert und viele interessante Bände entdeckt, die nach hinten gerutscht waren. Ich bin jetzt seit zwei Wochen angestellt. Ich verdiene 3 Dollar und fünfunddreißig Cent in der Stunde. Heute wurde mir die Gesamtsumme von 89 Dollar ausbezahlt.

Das hier war keins von Moms typischen Sammelalben mit den üblichen Servietten aus der Clifton’s Cafeteria, alten Schwarz-Weiß-Fotografien und meinen alles andere als spannenden Zeugnissen. Das hier war ein Tagebuch.

In einem Eintrag, datiert auf den 2. August 1976, hieß es: ACHTUNG, DIESE SEITE HAT’S IN SICH! Für das hier, lieber zukünftiger Leser, brauchst du Mut. Ich rede über alles, was mir durch den Kopf geht. Ich bin wütend. Dieser Supermarkt – Jack – Schimpfwörter, die er mir entgegengeschleudert hat – NICHTS davon vergessen, und genau das ist zweifellos das Hauptproblem – »Du verdammter Scheißkerl« – alles so gesagt – alles so empfunden. Gott, für wen hält er sich bloß?

Danke, das reichte. Das hier war ungefiltert, zu ungefiltert. Ich wollte keine Details über das Leben meiner Mutter und meines Vaters wissen, die meine Vorstellung von ihrer Liebe zunichte machten. Ich legte das Tagebuch wieder hin, verließ die Dunkelkammer und schlug kein einziges ihrer weiteren fünfundachtzig Tagebücher auf, bis sie etwa dreißig Jahre später starb. Und natürlich, egal wie sehr ich mich anstrengte, die Existenz der Tagebücher zu leugnen, sah ich sie wider Willen auf den Bücherregalen oder unter dem Telefon, oder aber sie starrten mich direkt aus einer Küchenschublade heraus an. Einmal sah ich mir gerade Moms neu erworbenes Buch von Georgia O’Keeffe, One Hundred Flowers an, das auf dem Couchtisch lag, nur um darunter ein Tagebuch mit dem Titel »Wer behauptet, du hättest keine Chance?« zu entdecken. Es wirkte so, als hätten sie sich insgeheim miteinander verschworen und flüsterten mir zu: »Los, Diane, nimm uns in die Hand! Nimm uns in die Hand!« Vergesst es! Unter gar keinen Umständen würde ich diese Erfahrung noch einmal durchleben. Aber ich war beeindruckt von Moms Beharrlichkeit. Wie konnte sie so ganz ohne Leser schreiben, noch nicht mal einen aus der eigenen Familie? Sie hat’s einfach getan.

Sie schrieb darüber, wie es war, mit vierzig wieder zur Schule zu gehen. Sie schrieb über ihre Erfahrungen als Lehrerin. Sie schrieb über jede streunende Katze, die sie rettete. Als ihre Schwester Marti Hautkrebs bekam und fast ihre ganze Nase verlor, schrieb sie auch darüber. Sie beschrieb, wie frustrierend das Älterwerden war. Als Dad 1990 krank wurde, wütete ihr Tagebuch, wie ungerecht dieser Krebs sei, der sein Gehirn angriff. Die Dokumentation seines Sterbens erwies sich als Moms ausdrucksstärkster Bericht. Jacks Pflege schien es ihr zu ermöglichen, ihn auf eine Art zu lieben, die ihr wiederum half, zu der Person zu werden, die sie immer hatte sein wollen.

Heute habe ich versucht, Jack zum Essen zu bewegen. Aber er konnte nicht. Nach einer Weile nahm ich meine Brille ab. Ich lehnte meinen Kopf dicht an seinen, und ich sagte ihm, ich flüsterte ihm zu, dass ich ihn vermisse. Ich begann zu weinen. Ich wollte nicht, dass er es sieht, also drehte ich den Kopf zur Seite. Und mit dem letzten bisschen Kraft, das noch in seinem verfluchten Körper steckte, holte Jack ein Taschentuch aus meiner Tasche, und dann, langsam, wie alles, was er tat, langsam, ganz langsam, blickte er mich aus seinen durchdringenden blauen Augen an und tupfte mir die Tränen aus dem Gesicht. »Wir schaffen das, Dorothy.«

Er schaffte es nicht. Zum Schluss kümmerte Mom sich um Dad genau so, wie sie sich um Randy, Robin, Dorrie und mich gekümmert hatte – unser ganzes Leben lang. Aber wer stand ihr zur Seite, als sie mit zittriger Handschrift festhielt: Juni 1993. Heute ist der Tag, an dem ich erfuhr, dass ich am Anfang der Alzheimer-Erkrankung stehe. Erschreckend. Und so begann ein fünfzehn Jahre dauernder Kampf gegen den Gedächtnisschwund.

Sie behielt das Schreiben bei. Als sie keine ganzen Absätze mehr verfassen konnte, schrieb sie Sätze nieder wie Würden wir uns gegenseitig weniger wehtun, wenn wir uns mehr berührten? und Ehre dich selbst. Oder auch kurze Fragen und Feststellungen im Sinne von Schnell. Welches Datum ist heute? Oder seltsame Dinge wie Mein Kopf dreht ab. Als sie keine Sätze mehr schreiben konnte, notierte sie Wörter: MIETE. ANRUF. BLUMEN. AUTO. Und sogar ihr Lieblingswort: NACHDENKEN. Als sie keine Wörter mehr hatte, schrieb sie Zahlen auf, bis sie überhaupt nicht mehr schreiben konnte.

Dorothy Deanne Keaton wurde 1921 in Winfield, Kansas, geboren. Ihre Eltern, Beulah und Roy, landeten in Kalifornien, bevor sie drei Jahre alt war. Sie stammten aus dem Herzen Amerikas und waren auf der Suche nach dem großen Traum, mit dem sie auf den Hügeln von Pasadena strandeten. Mom spielte Klavier und sang in einem Trio ihrer High-School, das sich »Two Dots and a Dash« nannte. Sie war sechzehn, als ihr Vater sich auf und davon machte und es Beulah und ihren drei Töchtern überließ, sich alleine durchzuschlagen. Die späten Dreißigerjahre waren eine schwere Zeit für die Keaton-Frauen. Beulah, die noch keinen einzigen Tag in ihrem Leben gearbeitet hatte, musste eine Anstellung finden. Dorothy verabschiedete sich von ihren College-Träumen, damit sie im Haushalt helfen konnte, bis Beulah endlich eine Stelle als Hausmeisterin bekam.

Ich besitze ein Foto der sechzehnjährigen Dorothy, auf dem sie neben ihrem Vater, Roy Keaton, steht. Warum hat er seine Lieblingstochter verlassen, sein Ebenbild? Warum? Wie konnte er in dem Wissen davonfahren, dass es ihr das Herz brechen würde?

Alles wurde anders, als Dorothy auf einem Basketballplatz am Los Angeles Pacific College in Highland Park Jack Hall kennenlernte. Mom erinnerte sich liebend gerne daran, wie dieser gut aussehende schwarzhaarige junge Mann mit den blauen Augen vorbeikam, um ihre Schwester Martha zu treffen, aber eigentlich nur Augen für sie hatte. Sie lachte dann und sagte: »Es war Liebe auf den ersten Blick.« Und so muss es gewesen sein, denn bereits kurz danach heirateten sie heimlich in Las Vegas im Stardust Hotel.

Mutter hat mir nie von ihren eigenen Träumen erzählt, es gab allerdings Andeutungen. Sie war Vorsitzende der Parent-Teacher-Association und des Arroya Vista Ladies Club. Sie arbeitete als Lehrerin in der Sonntagsschule unserer Free Methodist Church. Sie nahm an jedem Preisausschreiben auf der Rückseite jeder Cornflakes-Schachtel teil. Sie liebte Spielshows. Unsere Lieblingssendung war Queen for a Day mit Jack Bailey als Showmaster, der jede einzelne Folge, an fünf Tagen der Woche, mit den Worten »Wollen Sie KÖNIGIN … FÜR … EINEN … TAG … sein?« begann. Das Spiel ging so: Bailey befragte vier Frauen, und diejenige, die es am schwersten hatte – gemessen am Applausometer des Publikums –, wurde zur »Königin für einen Tag« gekrönt. Zu den Marschklängen von »Pomp and Circumstance« hüllte er die Siegerin in einen lilafarbenen Samtumhang, der am Kragen mit weißen Zobeln verziert war, setzte ihr eine funkelnde Krone auf und drückte ihr vier Dutzend langstieliger Krönungsrosen aus dem Laden Carl’s of Hollywood in die Hand. Mom und Tante Martha schrieben mehr als einmal ihre traurige Geschichte auf das Bewerbungsformular. Mom schaffte einmal fast den Durchbruch: »Mein Ehemann braucht eine Lunge.« Als man sie drängte, Einzelheiten zu nennen, sagte Mom die Wahrheit, also fast. Jack Hall, ein leidenschaftlicher Sporttaucher, musste unbedingt tiefer tauchen, um mehr Essen auf die Teller seiner Familie zu bringen. Mom wurde nicht eingeladen.

Eines Morgens wachte ich inmitten einer Horde fremder Leute in unserem Haus auf, die jedes Zimmer inspizierten. Mom hatte sich nicht die Mühe gemacht, uns mitzuteilen, dass sie an dem lokalen Mrs.-America-Wettbewerb teilnahm. Mrs. America war ein Konkurrenzkampf, der sich ganz der Suche nach der idealen Hausfrau verschrieben hatte. Später klärte sie uns Kinder darüber auf, dass es bei dem Wettstreit um solche Fähigkeiten wie Tischdecken, Blumenarrangieren, Bettenmachen und Kochen ging, ebenso wie ums Verwalten der Haushaltskasse und um herausragende Sorgfalt bei der Pflege des eigenen Erscheinungsbildes. Uns fehlten die Worte.

Ich war neun, also alt genug, um im Publikum Platz zu nehmen, als man sie im Kino an der Figueroa Street zur Mrs. Highland Park krönte. Plötzlich stand meine eigene Mutter, die frisch gekürte, großartigste Hausfrau in Highland Park, auf einer riesigen Bühne hoch über mir vor einem ausladenden roten Samtvorhang. Als sich dann der Vorhang öffnete, kamen ein RCA Victor Shelby Fernseher, eine Philco Waschmaschine mit eingebautem Trockner, ein Samsonite Kofferset, modische Garderobe aus Iver’s Departement Store und sechs kobaltblaue Flakons des Parfüms Evening in Paris zum Vorschein. Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, was ich da sah. Was war das? Warum stand meine Mom im Rampenlicht, als wäre sie so etwas wie ein Filmstar? Das alles war schrecklich aufregend, aber gleichzeitig auch äußerst unangenehm. Etwas war geschehen, eine Art Verrat. Mom hatte mich verlassen, doch schlimmer noch, viel schlimmer war, dass ich mir heimlich wünschte, ich stünde dort oben auf der Bühne, nicht sie.

Sechs Monate später wurde Dorothy Hall wieder gekrönt, diesmal von Art Linkletter im Ambassador Hotel als Mrs. Los Angeles. Mein Bruder Randy und ich sahen auf unserem neuen RCA Victor Shelby Fernseher zu. Zu ihren Pflichten als Mrs. Los Angeles gehörte es, im ganzen Bezirk von Los Angeles in Supermärkten, Kaufhäusern und Frauenclubs aufzutreten. Sie war nicht viel zu Hause, und wenn doch, dann war sie damit beschäftigt, wieder und wieder den gleichen deutschen Schokoladenkuchen mit Walnüssen zu backen, in der Hoffnung, er würde ihr dabei helfen, einen weiteren Titel zu gewinnen. Dad hatte diese ganze Arie bald satt und ließ es sie wissen. Als sie den begehrten Titel der Mrs. California nicht gewannn, schien sie ihr Scheitern mit derselben Leichtigkeit zu akzeptieren, mit der sie wieder ihren gewohnten Pflichten im Haushalt nachging, aber etwas hatte sich verändert, zumindest für mich.

Manchmal frage ich mich, wie sich unser Leben wohl entwickelt hätte, wäre Mutter zur Mrs. America gewählt worden. Wäre sie eine Fernsehpersönlichkeit geworden wie Bess Myerson oder eine Botschafterin für Philco Hausgeräte oder Kolumnistin für die Zeitschrift McCall’s? Was wäre aus meinen Träumen geworden, im Rampenlicht zu stehen, wenn die ihren sich verwirklicht hätten? Eine andere Mutter nahm ihr diese Chance, aber mir war das egal. Ich war glücklich, sie nicht mehr mit der großen weiten Welt teilen zu müssen.

Mom glaubte an eine glänzende Zukunft für jedes ihrer Kinder. Ich war schließlich lustig. Randy schrieb Gedichte. Robin sang, und Dorrie war klug. Als ich in der Junior-High-School war, hatten sich bereits ausreichend schlechte Noten angesammelt, die bewiesen, dass ich keine Akademikerin mit einer glänzenden Zukunft werden würde. 1957 wurde ich, wie der Rest der Nation, einem Intelligenztest unterzogen. Das Ergebnis war nicht weiter überraschend, abgesehen von einer Sache, die abstraktes Denken hieß. Ich konnte es kaum erwarten, nach Hause zu rennen und Mom davon zu berichten. Was war das überhaupt, dieses abstrakte Denken? Von jedem Erfolg begeistert, erklärte sie mir, abstraktes Denken sei die Fähigkeit, auf einer komplexen, auf Nachdenken basierenden Ebene, Informationen zu analysieren und Probleme zu lösen. So sehr ich allerdings auch versucht habe, Antworten auf Probleme zu finden, indem ich gründlich über sie nachdachte, weiß ich indes immer noch nicht ganz genau, was abstraktes Denken eigentlich bedeutet.

Im Jahre 1959 weitete sich mit dem Einzug der Bastendorfs ins Nachbarhaus unser kultureller Horizont. Bill war Psychologe mit einem Doktortitel. Besonders Dad traute »Seelenklempnern« nicht über den Weg. Aber er mochte Bill und seine Frau Laurel, die einen Aufruhr in der Nachbarschaft verursachten, weil sie ihre Kinder nackt herumlaufen ließen. In unserer ordentlichen Straße mit den akkuraten Häusern, die umrahmt waren von sorgfältig gemähten Rasenflächen, fand man den Dschungel der Bastendorfs nicht sehr sympathisch. Ihre Wände waren verziert mit Postern von Picasso und Braque und auch Miró. Manchmal nahm Laurel Mom im Auto mit zu dem einzigen Beatnik-Café in Santa Ana. Dort tranken sie dann Espresso und unterhielten sich über den neuesten Artikel im Sunset Magazine über Trendsetter wie Charles Eames oder Cliff May. Genaueres weiß ich nicht, nur dass Mom alles aufsaugte, besonders, als Laurel ihr zeigte, wie man Muschelbilder macht. Mom wurde davon so inspiriert, dass sie etwas ganz Eigenes kreierte – das Gesteinsbild. Schon bald war das Haus voll davon. Das Exemplar, an das ich mich am besten erinnere, war mindestens ein Meter mal einsfünfzig groß und so schwer, dass einige der Gesteinsbrocken aus dem Rahmen fielen. Die meisten Menschen sahen in Dorothy eine Hausfrau. Ich erkannte die Künstlerin in ihr, die sich mühte, ihr Medium zu finden.

Angeregt durch das Beispiel der Bastendorfs verfrachtete Mom uns Kinder 1961 in den Familienkombi und fuhr mit uns den ganzen Weg nach New York City, um die »Art of Assemblage«-Ausstellung im Museum of Modern Art zu besuchen. Bei Joseph Cornell und der Art und Weise, wie er in seinen Schachteln und Collagen durch eine Fantasiewelt reiste, verschlug es uns die Sprache. Sobald wir wieder zu Hause waren, beschloss ich, meine ganze Schlafzimmerwand mit Collagen zu bedecken. Mom machte begeistert mit und steuerte Ausschnitte aus Zeitschriften bei, von denen sie glaubte, sie könnten mir gefallen, zum Beispiel James Dean am Times Square. Bald darauf überzog sie alles mit Collagen, unter anderem entstanden Collagen-Mülleimer, Collagen-Aufbewahrungsboxen aus hubbeligem Pappmaschee, sogar die Innenseiten der Küchenschränke wurden bearbeitet. Junge, Junge! Randy beförderte das Ganze auf eine noch höhere Ebene, indem er ein echter Collagekünstler wurde. Noch heute stecken buchstäblich Hunderte seiner Werke aus der aktuellen Serie, »Stymied by a Woman’s Face«, im Ofen, wo sie seiner Meinung nach in Sicherheit sind. Ich denke, man könnte sagen, dass das Zusammenstellen und Überarbeiten von Bildern, das Umarrangieren der gewohnten in unerwartete Muster, in der Hoffnung, etwas Neues zu entdecken, zu einem Glaubenssatz wurde, den wir alle miteinander teilten. Collagen, genau wie abstraktes Denken, waren ein visueller Prozess, um Informationen zu verarbeiten. »Stimmt’s?«, fragte ich Mom immer, als ich jung war. Und klar dachte sie, dass bei mir alles stimmte.

Mit vierzehn hatte ich ein Erlebnis, das ich immer mit mir tragen werde. Mom und Dad tanzten im Mondlicht auf einem Hügel in Ensenada, Mexiko, zur Musik einer Mariachi-Gruppe. Vom Rand aus sah ich, wie sie sich mit solch inniger Leidenschaft küssten, die mir als Teenager eigentlich hätte peinlich sein müssen. Stattdessen erfüllte es mich mit Ehrfurcht und gab mir etwas, woran ich glauben konnte. Ihre Liebe. Ich fühlte mich aufgehoben in der Romanze meiner Eltern. Ich wusste, es würde keine Abschiede geben.

Auf der letzten Seite meines Teenager-Tagebuchs notierte ich: »An alle, die es angeht. Wenn ich mal heirate, will ich, dass mein Ehemann und ich wichtige Dinge gemeinsam besprechen. Keine gefühlsgeladenen Zusammenbrüche vor den Kindern. Kein Fluchen. Ich will nicht, dass mein Mann raucht, aber er darf sich ab und zu einen Drink gönnen. Ich will, dass meine Kinder jeden Sonntag in die Sonntagsschule gehen. Sie werden auch mal eine Tracht Prügel einstecken müssen, weil ich an deren Wirkung glaube. Genau genommen will ich, dass mein Mann und ich unseren Haushalt so führen, wie Mom und Dad das zurzeit tun.«

»An alle, die es angeht?« Wen wollte ich denn da auf den Arm nehmen? Und warum versuchte ich, so ein braves Mädchen zu sein, wo doch meine wahren Gefühle überhaupt nichts mit dem Vortäuschen von Regeln zu einem Thema zu tun hatten, vor dem ich mich sowieso nur fürchtete? Was ich nicht aufgeschrieben, aber nie vergessen habe: In der neunten Klasse steckten David Garland und ich uns in Mrs. Hopkins Mathestunde Briefchen zu. David war wirklich »toll«, aber er »konnte mich nicht ausstehen«. Er beendete unseren Briefwechsel mit genau acht Worten: »Aus dir wird eines Tages eine gute Ehefrau.« Eine Ehefrau? Ich wollte keine Ehefrau sein. Ich wollte ein heißes Date sein, jemand, mit dem man rumknutschen konnte. Ich wollte die »Never, never will I marry; born to wander ’til I die«-singende Barbra Streisand sein. Ich habe tatsächlich nie geheiratet. Und ich hatte auch nie einen »festen« Freund. Während ich brav damit fortfuhr, meinen Eltern alles recht zu machen, schwebte ich auf Wolken und küsste unerreichbare Stars wie Dave Garland. In meiner Vorstellung gab es nur eine Möglichkeit zur Verwirklichung meines größten Traums, ein richtiger Broadway-Musical-Comedy-Star zu werden, und zwar indem ich eine liebende Tochter blieb. Einen Mann zu lieben und eine Ehefrau zu werden, musste hintangestellt werden. Daher fuhr ich damit fort, unerreichbare Stars zu verehren.

Die Namen wechselten von Dave zu Woody, dann Warren und schließlich zu Al. Wäre ich zu einer dauerhaften Beziehung in der Lage gewesen? Schwer zu sagen. Unbewusst war ich mir wohl klar darüber, dass es niemals richtig funktionieren würde, und von daher kamen sie mir bei der Verwirklichung meiner Träume niemals in die Quere. Wissen Sie, ich war auf der Suche nach etwas Größerem. Ich war auf der Suche nach Publikum. Egal welches. Was also tat ich dafür? Ich bewarb mich für alles und konnte eigentlich nichts. Ich sang im Kirchenchor und im Schulchor. Ich versuchte mich als Cheerleader und Pom-Pom-Girl. Ich meldete mich bei jeder Talentshow an und sprach bei jedem Stück vor, inklusive Der Widerspenstigen Zähmung, das ich nie richtig verstand. Ich leitete Diskussionsrunden in meiner Klasse und wurde Redakteurin beim Newsletter des YWCA. Ich bewarb mich in der neunten Klasse als Schriftführerin. Und ich bettelte sogar Mom an, mir doch bitte dabei zu helfen, Mitglied der Job’s Daughters zu werden, einem von den Freimaurern unterstützten Geheimbund, in dem Mädchen im Ambiente eines Historienspiels in langen Kleidern herumstolzierten. Ich wollte bewundert werden, also entschied ich mich dafür, in den sicheren Armen von Jack und Dorothy zu bleiben, zumindest dachte ich mir das so.

Jetzt, wo ich Mitte sechzig bin, habe ich das Bedürfnis, besser zu verstehen, wie es sich anfühlte, Jack Halls schöne Ehefrau zu sein, die vier Kinder im sonnigen Kalifornien großzieht. Ich möchte wissen, warum Mutter stets vergaß, sich daran zu erinnern, wie wunderbar sie war. Ich wünschte, sie wäre stolz darauf gewesen, wie viel Spaß wir dabei hatten, wenn sie »My Mammy« auf dem Klavier spielte und dabei sang: »The sun shines east, the sun shines west, I know where the sun shines best – Mammy.« Ich weiß nicht, warum sie nicht einschätzen konnte, wie ungewöhnlich es war, dass sie mich eines Tages in einen Museumssaal mitnahm, wo ein marmorner Löwe stand, dem die rechte Seite seines Gesichts fehlte. Die erhabene Göttin im nächsten Saal hatte keine Arme. Mom stieß lauter Ahs und Ohs aus. »Diane, ist das nicht wunderschön?«

»Aber da fehlt ja alles. Sie haben keine Gliedmaßen mehr«, sagte ich.

»Aber sieh doch nur, sogar ohne ihre Gliedmaßen, sieh doch nur, wie großartig sie sind!« Sie brachte mir das Hinschauen bei. Und trotzdem rechnete sie sich nie etwas als ihren Verdienst an. Ich frage mich, ob ihr Mangel an Selbstwertgefühl ein erstes Anzeichen des Vergessens war. Stahl wirklich Alzheimer ihr Gedächtnis, oder wurde es durch ein Gefühl der Unsicherheit lahmgelegt?

Fünfzehn Jahre lang verabschiedete sich Mutter immer und immer wieder: Sie nahm Abschied von Ortsnamen, von ihrem berühmten Thunfisch-Auflauf, von dem BMW, den Dad ihr an ihrem einundsechzigsten Geburtstag geschenkt hatte, sie nahm Abschied davon, mich als ihre Tochter wiederzuerkennen. Aufs Abschiednehmen folgte das Hallo zu Katzenfutter auf Papiertellern, das in ihrem Medikamentenschrank vor sich hin schimmelte, das Hallo zu dem Rollstuhl, der sie jeden Morgen vor ihre Lieblingsfernsehshow – Barney – brachte, das Hallo zu diesem ausdruckslosen Blick. Irgendwo auf halber Strecke zwischen den furchtbaren Hallos und den tragischen Verabschiedungen adoptierte ich ein Baby, ein kleines Mädchen. Ich war fünfzig. Nachdem ich ein Leben lang Intimität gemieden hatte, stürzte ich mich plötzlich im großen Stil mitten hinein. Während Mutter damit kämpfte, Sätze zu Ende zu bringen, beobachtete ich Dexter, meine Tochter, und ein paar Jahre später den kleinen Duke, meinen Sohn, dabei, wie sie Wörter formulierten, um so dem Wunder ihres sich formenden Bewusstseins Ausdruck zu verleihen.

Dieses Leben einer Frau zwischen zwei Lieben – einer als Tochter, einer als Mutter – hat mich verändert. Es war eine Herausforderung, Zeuge einer so grausamen Krankheit zu sein und gleichzeitig lieben zu lernen, und das Ganze vor dem Hintergrund des Versprechens von Beständigkeit. Wenn meine Mutter der wichtigste Mensch für mich war, wenn das, was ich bin und wie ich bin, hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, wer und wie sie war, was sagt dieser Umstand dann über meinen Einfluss auf Duke und Dexter aus? Abstraktes Denken hilft hier nicht weiter.

Zu Beginn ihres letzten Lebensjahres war Dorothys enger Kreis treuer Freunde beinahe ganz auseinandergefallen. Die Menschen, die sie liebten, konnte man an einer Hand abzählen. Es war schwer, in ihr die Frau wiederzuerkennen, die uns vertraut gewesen war. Aber bin ich denn noch dieselbe Person wie damals, als Annie Hall vor fast fünfunddreißig Jahren Premiere hatte? Ich erinnere mich an Leute, die auf offener Straße auf mich zukamen und mir sagten: »Bleiben Sie, wie Sie sind. Bleiben Sie bitte genau so, wie Sie sind.« Sogar Mom sagte einmal zu mir: »Werde niemals älter, Diane.« Ich mochte diese Worte damals nicht, und ich mag sie heute immer noch nicht. Die Strapazen, die es kostet, die Zeit zu beherrschen, indem man die Zeichen des Alterns verändert, bringen niemandem Glück. Was für ein Wort. GLÜCK. Warum dachte ich, ich hätte ein Anrecht auf Glück? Was bedeutet Glück überhaupt? GEFÜHLLOSIGKEIT. Zumindest sieht das Tennessee Williams so.

Moms letztes Wort lautete Nein. Nein zu den endlosen Ermunterungen. Nein zu den ungebetenen Störungen. Nein zu »Abendessen, Dorothy?«. Nein zu »Zeit für Ihre Medikamente. Schön den Mund aufmachen.« Nein zu »Wir fahren Sie jetzt da hinüber, Mamacita«. »NEIN!« »Na, fühlt sich das nicht gut an?« »NEIN!« »Möchten Sie fernsehen, es läuft gerade I Love Lucy? Ich hole Ihnen einen Strohhalm. Ich hole Ihnen eine Gabel.« NEIN! »Ich knete Ihnen jetzt mal die Schultern durch.« »Nein, nein, nein, nein, NEIN!« Wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre, hätte sie gesagt: »Lasst mich und meinen Körper in Gottes Namen in Ruhe. Fasst mich nicht an. Das ist mein Leben. Das ist mein Ende.« Es war nicht so, dass diese Zuwendungen ohne Zuneigung und Sorgfalt ausgeführt wurden, darum ging es nicht. Es ging um Unabhängigkeit. Ich erinnere mich daran, dass sich Mom schon, als ich noch ganz klein war, mit einer Sehnsucht, die ihre ganze allumfassende Liebe für uns überschattete, in irgendein unbenutztes Zimmer zurückzog. Und dort wollte sie dann die Rolle der hingebungsvollen Mutter, der liebenden Ehefrau ablegen und Zuflucht in ihren Gedanken finden. Am Ende war NEIN das Einzige, was von Dorothys Sehnsucht, man möge ihre Wünsche respektieren, übrig geblieben war.

»Endlich befreit von den Zwängen dieses Lebens, ist Mom wieder mit Dad vereint – ebenso wie mit ihren Schwestern Orpha und Martha, ihrer Mutter Beulah und ihren lieben Katzen, angefangen bei Charcoal bis hin zu Cyrus. Ich verspreche, Acht zu geben auf ihre Gedanken und Worte. Ich verspreche, NACHZUDENKEN. Und ich verspreche, das Andenken der wunderschönen, wunderschönen Dorothy Deanne Keaton Hall aus Kansas, geboren am 31. Oktober 1921, in Ehren zu halten – das Andenken an meine Mutter.«

Diese Worte sprach ich anlässlich des Gedenkgottesdienstes im November 2008. Mom ist weiterhin der wichtigste, einflussreichste Mensch in meinem Leben. Von außen betrachtet lebten wir vollkommen unterschiedliche Leben. Sie war Hausfrau und Mutter, die vom Erfolg träumte, ich bin eine Schauspielerin, deren Leben – in einigen Bereichen – meine kühnsten Träume überstiegen hat. Vergleicht man zwei Frauen mit großen Träumen, die oft dieselben Konflikte durchlebten und auch noch Mutter und Tochter sind, so geht es zum Teil darum, was man durch Erfolg verliert, im Gegensatz zu dem, was man gewinnt, wenn man sein ganz gewöhnliches Leben akzeptiert. Ich war ein ganz gewöhnliches Mädchen, aus dem eine ganz gewöhnliche Frau wurde, mit einer Ausnahme: Mutter stattete mich mit einem außergewöhnlichen Willen aus. Das hatte seinen Preis. Aber schließlich gab’s in Mutters Leben auch nichts umsonst.

Warum also habe ich meine Erinnerungen niedergeschrieben? Weil Mom fortlebt, weil sie versucht hat, mit ihren Worten unsere Familiengeschichte zu bewahren, weil ich Jahrzehnte gebraucht habe, um zu begreifen, dass ihr faszinierendster Charakterzug ihre Vielschichtigkeit war, weil ich nicht will, dass sie verschwindet, obwohl sie genau das getan hat. So viele Gründe, aber die beste Antwort findet sich in einem Absatz, den sie selbst geschrieben hat und in dem sie diese Fähigkeit zum abstrakten Denken anwendet, die sie an mich weitergegeben hat. Die Worte stammen aus dem Jahr 1980, sie war neunundfünfzig Jahre alt.

Jeder Mensch sollte gezwungen sein, seine Autobiographie zu schreiben. Jeder sollte zurückgehen und all das Zeug, das in sein Leben gestopft wurde, entwirren und preisgeben müssen. Diesen ungewohnten Weg zu entdecken, auf dem Schriftsteller ihre Ideen in Worte fassen, verschafft mir das sehr befriedigende Wissen, dass auch ich dies könnte, wenn ich mich darauf konzentriere. Möglicherweise würde es mir helfen, diesen Druck abzubauen, den die abgespeicherten Erinnerungen, die mich jetzt belasten, darstellen. Aber etwas mache ich furchtbar falsch. Ich rede mir ein, ich stünde zu sehr im Bann meiner alten Angewohnheiten. Ich möchte wirklich über mein Leben schreiben, meine engsten Freunde, unser Familienleben, wie es einmal war, aber ich zögere noch. Wenn ich vollkommen ehrlich wäre, glaube ich, dass ich an einen Punkt kommen könnte, an dem ich MICH in einem klareren Licht sehe. Also, ich springe ziemlich in meinen gesammelten Erinnerungen hin und her, und trotzdem weiß ich, es wäre so gut, dies zu tun.

Ich wünschte, sie hätte es getan. Und weil sie es nicht tat, schreibe ich nicht meine Erinnerungen auf, sondern unsere. Die Geschichte eines Mädchens, deren Wünsche dank ihrer Mutter wahr wurden, ist nicht neu, aber es ist meine Geschichte. Die tief empfundene Liebe und Dankbarkeit, die ich jetzt, da sie gegangen ist, fühle, haben mich nun versuchen lassen, das Geheimnis ihrer Reise zu »entwirren«. Ich hoffte, dadurch die Bedeutung unserer Beziehung zu entschlüsseln und zu verstehen, warum verwirklichte Träume so eine eigenartige Bürde sind. Ich habe ein Buch geschrieben, das meine eigenen Erinnerungen und Geschichten mit Moms Notiz- und Tagebüchern verbindet. Im Gedenken an ihre Skizzenbücher und unsere gemeinsame Liebe für Collagen habe ich ihre Worte neben meine gestellt, zusammen mit Briefen, Zeitungsausschnitten und anderen Dingen, die nicht nur unser beider Leben dokumentieren, sondern auch unsere Verbundenheit. Ich möchte mein Leben neben ihres stellen, um, wie sie schrieb, an einen Punkt zu kommen, an dem ich beginne, mich – und sie – in einem klareren Licht zu sehen.

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