Das Böse liegt so nah - Andrea Kane - E-Book

Das Böse liegt so nah E-Book

Andrea Kane

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Beschreibung

Sie jagt ihn. Bis sie selbst zu seiner Beute wird ...

Sloane Burbank arbeitet für die New Yorker Polizei. Als Freunde sie bitten, nach ihrer vermissten Tochter zu suchen, deutet zunächst alles auf einen Routinefall hin. Doch schon bald verschwinden weitere junge Frauen. Erst, als Sloane selber entführt wird, wird ihr klar, dass sie selbst der Grund für den teuflischen Plan des Täters ist ...

Ein packender Thriller von Andrea Kane, Autorin der Bestseller "Angsttage" und "Schwesterherz".

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

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EPUB

Seitenzahl: 671

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Danksagungen

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

Über dieses Buch

Sie jagt ihn. Bis sie selbst zu seiner Beute wird …

Sloane Burbank arbeitet für die New Yorker Polizei. Als Freunde sie bitten, nach ihrer vermissten Tochter zu suchen, deutet zunächst alles auf einen Routinefall hin. Doch schon bald verschwinden weitere junge Frauen. Erst, als Sloane selber entführt wird, wird ihr klar, dass sie selbst der Grund für den teuflischen Plan des Täters ist …

Über die Autorin

Andrea Kane ist eine erfolgreiche US-Autorin, die u. a. psychologische Thriller schreibt. Ihre Bücher wurden bereits in über 20 Sprachen übersetzt. Sie lebt mit ihrer Familie und einem Zwergspitz in New Jersey.

Im Internet ist sie unter www.andreakane.com zu finden.

Andrea Kane

DAS BÖSELIEGT SO NAH

Aus dem Englischen vonKarin Meddekis

beTHRILLED

Digitale Neuausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2008 by Rainbow Connection Enterprises, Inc.

Published by Arrangement with Rainbow Connection Enterprises Inc.

Titel der Originalausgabe: »Twisted«

Dieses Werk wurde im Auftrag von Jan Rotrosen Agency LLC vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2010/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Lutz Steinhoff

Covergestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung von Motiven© shutterstock: pupsy | Krasovski Dmitri | Helle

eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5140-8

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Rascal, mit all meiner Liebe.

Danksagungen

Die Arbeit an dem Roman Twisted war für mich mit einem intensiven Lernprozess verbunden. Bevor ich mit einem Roman beginne und während ich daran schreibe, verbringe ich stets mehrere Monate mit Recherchen, aber dieses Mal habe ich eine weitaus umfangreichere »Grundlagenforschung« betrieben, als es sonst der Fall ist. Und nie zuvor war meine Faszination größer. Dieser Roman führte mich in die Welt des FBI, wo ich von besonders engagierten und motivierten Leuten beraten wurde. Ohne die Zusammenarbeit mit ihnen und ohne ihre Großzügigkeit, mit der sie ihre Zeit und ihre Fachkenntnisse mit mir teilten, hätte der Roman Twisted niemals diese Tiefe und diesen Realismus erreicht. Es wäre mir auch niemals gelungen, meinen Charakteren und den einzelnen Szenen diese Lebendigkeit einzuhauchen. Ich bin allen beim FBI, die mir geholfen haben, unendlich dankbar. Ich hoffe, ich habe Ihnen allen die Ehre erwiesen, die Ihnen zukommt.

Folgende Personen möchte ich hervorheben, ihnen gebührt mein besonderer Dank:

Angela Bell, Mitarbeiterin der Pressestelle der FBI-Zentrale und eine Expertin auf ihrem Gebiet. Die Zusammenarbeit mit Ihnen war für mich wirklich ein Privileg, Angela. Sie haben mich bei allen Recherchen, die das FBI betrafen, gründlich, mit großer Intuition und in Rekordzeit unterstützt. Und immer Sie haben für mich die Kontakte zu den richtigen Leuten hergestellt. Sie sind einfach fantastisch!

Special Agent Steve Siegel und das FBI-Büro Newark, besonders der Leitende Special Agent Bill Evanina und Special Agent Laura Robinson. Ein ganz großes Dankeschön an Special Agent Sherri Evanina, die so vieles möglich gemacht hat. Sherri, Sie kannten entweder die Antworten auf meine unzähligen Fragen, oder Sie haben jemanden gefunden, der sie beantworten konnte. Sie vollbringen wahre Wunder.

Special Agent James Margolin aus dem FBI-Büro New York, der für mich Kontakte zu den richtigen Leuten hergestellt hat und der dafür gesorgt hat, dass die notwendigen Gespräche zustande kamen, auch wenn das größte FBI-Büro des Landes damals in Arbeit erstickte. Zu diesen hervorragenden Kontakten gehörten Special Agent Rich DeFilippo, Special Agent Leslie Berens, Special Agent des Bombenräumkommandos Pete Licata und der Leitende Special Agent Konrad Motyka, der Leiter von C-6. Von ihm wie auch von den Mitarbeitern seiner Abteilung erfuhr ich, was ich über die »Sondereinheit im Kampf gegen Verbrechen asiatischer Einwanderer« wissen musste, um die Arbeit dieser Sondereinheit in Twisted authentisch schildern zu können. Special Agent Konrad Motyka hat mir auch einen Einblick in verschiedene chinesische Dialekte verschafft (und er hat mir beigebracht, wie man in diesen Dialekten flucht, was in diesem Roman nicht fehlen durfte). Ihm verdanke ich zudem meine Einblicke in die Arbeit der SWAT-Elite-Spezialeinheit. Konrad, Ihr breit gefächertes Wissen hat mir sehr geholfen, und ich danke Ihnen, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben, um mich umfassend zu informieren.

Die beiden wichtigsten Schusswaffenausbilder in Fort Dix: Special Agent Jody Roberson und Special Agent Mike Adams, die mir die Gelegenheit boten, einen Eignungstest im Pistolenschießen zu verfolgen. Mike brachte mir mit Geschick und Geduld bei, wie man eine Glock 22 lädt und wie man damit schießt. Er hat die richtige Handhabung der Waffe, das Zielen und die Schussgenauigkeit so lange mit mir geübt, bis ich jedes Ziel getroffen habe. Ich war sehr stolz, doch mir taten hinterher alle Muskeln weh. Glauben Sie mir, es ist nicht so einfach, wie es im Fernsehen aussieht.

Kurt Crawford, der mich durch die FBI-Akademie in Quantico geführt und mir gezeigt hat, wo qualifizierte Männer und Frauen zu Special Agents ausgebildet werden.

Ein ganz besonderer Dank geht an die Mitarbeiter der Kriseninterventionseinheit des FBI. Sie haben mir geholfen, das Herz und die Seele dieses Buches zu erschaffen:

Chief John Flood, Chef der Abteilung CNU, die sich besonders mit den Verhandlungen in Geiseldramen befasst. Er hat mir ermöglicht, einen ganzen Tag lang das Training seiner Special Agents und seiner Auszubildenden zu beobachten. Dadurch lernte ich die unglaublichen Fähigkeiten und Strategien kennen, die wirkliche FBI-Agenten bei Verhandlungen in Krisensituationen anwenden. Das Engagement und die Solidarität der Agenten in dieser Abteilung beweisen, über welche Fähigkeiten Chief John Flood verfügt und wie sehr es ihm gelungen ist, ein echtes Team aufzubauen. Er ist eine wahre Führungspersönlichkeit, und meine Bewunderung und mein Respekt vor ihm und vor seinem Team sowie vor dem, was sie für unser Land leisten, ist grenzenlos.

Ich danke auch dem Leitenden Special Agent James McNamara aus der Abteilung für Profiling, der sein Metier wie kein anderer beherrscht, was seine zahlreichen Publikationen beweisen. Er hat mir viel über Psychologie und Verhaltensmuster beigebracht und wie die Profiler arbeiten, um zu verstehen, wie ein Mensch tickt – auch ein Serienkiller.

Dank auch an Special Agent Al Tribble, an den Leitenden Special Agent Russ Atanasio und an den Leitenden Special Agent Bob Holley, die sich die Zeit genommen haben, mir eine Menge Insiderwissen über das FBI zu vermitteln. Dabei ging es vor allem um die einzelnen Abteilungen und ihre speziellen Arbeitsbereiche sowie um die Zusatzausbildungen, die für bestimmte Aufgabengebiete erforderlich sind. Von ihnen habe ich auch erfahren, wie es ist, wenn ein ehemaliger Army Ranger als FBI-Agent arbeitet.

Falls ich versehentlich jemanden vergessen habe, möchte ich mich dafür entschuldigen. Ich habe mit so vielen Experten vom FBI gesprochen, und durch jedes einzelne Gespräch habe ich unendlich viel gelernt. Jeder Besuch in einem FBI-Büro, jede Fahrt nach Quantico und nach Fort Dix führten zu Begegnungen mit hervorragenden Agenten, Technikern und Medienspezialisten. Alle haben bereitwillig meine Fragen beantwortet und mir die zahlreichen Aufgaben des FBI erläutert.

Viele der Special Agents, die ich namentlich aufgeführt habe, waren auch so freundlich, das fertige Manuskript von Twisted gründlich zu lesen, um die Darstellung der entsprechenden Szenen zu überprüfen und mir ihr Feedback zu geben. Ich danke Ihnen allen sehr herzlich.

Natürlich übernehme ich die volle Verantwortung für alle Fehler, die ich übersehen haben könnte, und für alle literarischen Freiheiten, die ich mir erlaubt habe, wenn es unbedingt notwendig war.

Da das New York Police Department eine entscheidende Rolle in Twisted spielt, möchte ich meinem ständigen Berater, dem hervorragenden Detective Mike Oliver, danken, der das NYPD wie seine Westentasche kennt und der mir wie immer viele Stunden lang geholfen hat. Diesmal hat er mich über die bundesstaatlichen und örtlichen Zuständigkeiten der Polizeibehörden informiert, sodass ich korrekt darstellen konnte, wo die Zuständigkeiten des FBI und des NYPD beginnen und wo sie enden.

Jetzt, wo ich mit zwei der besten Polizeibehörden der Welt zusammengearbeitet habe – dem FBI und dem New York Police Department –, weiß ich zum ersten Mal richtig zu schätzen, was sie alles für uns leisten.

Meine Recherchen bezogen sich nicht nur auf die Arbeit der Polizeibehörden, sondern verlangten auch die Beratung durch einen ausgewiesenen Experten für orthopädische Hand- und Armchirurgie sowie durch eine ebenso kompetente Handtherapeutin. Dank ihrer Hilfe konnte ich Sloanes Verletzungen, ihre Operationen und die Stadien der Genesung anschaulich darstellen. Ich hatte das Glück, Dr. Daniel Mass vorgestellt zu werden, einem Experten auf diesem Gebiet. Er ist Professor an der University of Chicago Pritzker School of Medicine. Dr. Mass hat sich viel Zeit genommen, um mich mithilfe von Texten und Abbildungen sowie in langen Telefonaten ausführlich über sein Fachgebiet zu informieren und meine zahlreichen laienhaften Fragen zu beantworten, bis ich die Operationen und die Komplikationen beschreiben konnte, die Sloane erleiden muss.

Durch den Kontakt zu Dr. Mass und durch den medizinischen Unterricht, den er mir erteilt hat, habe ich Candice Brattstrom kennengelernt. Sie ist eine erfahrene, kompetente Handtherapeutin und eine enge Mitarbeiterin von Dr. Mass. Candice hat mir die komplizierten physiotherapeutischen Maßnahmen erklärt, denen Sloane sich in Twisted unterziehen muss, darüber hinaus die Übungsgeräte, die sie benutzen muss, um die Mobilität und den vollen Einsatz ihrer Hände zurückzuerlangen. Candice, Sie waren eine ausgezeichnete und geduldige Lehrerin. Ich habe mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.

Außerdem möchte ich Saurabh Agarwal, einem angehenden Doktor der Medizin der University of Chicago Pritzker School of Medicine, danken, dass er einen so hervorragenden Chirurgen wie Dr. Mass ausfindig gemacht und den ersten Kontakt zu ihm hergestellt hat.

Wenn ich den medizinischen Beratern danke, dann geht mein Dank wie immer auch an M. D. Hillel Ben-Asher, der alle Szenen in Twisted, in denen es um medizinische Aspekte, Medikamente und Drogen geht, mit mir durchgesprochen hat und der mir geholfen hat, die Details so authentisch wie möglich zu schildern.

Als Letzter steht Dr. Paul Sedlacek auf meiner Liste der medizinischen Berater (was nicht heißen soll, dass er unwichtiger wäre als die anderen). Er ist ein großartiger Veterinärmediziner. Er hat mich über die Wirkungsweise und die Dosierung von Ketamin aufgeklärt. Er hat einen Großteil seines Urlaubs damit verbracht, meine verzweifelten E-Mails zu beantworten und mir den Unterschied zwischen der Betäubung eines Menschen und der eines Tiers zu erklären.

Dank auch an Adam Cuddyer, den Cheftrainer der ATA Black Belt Academy in Hillsborough, New Jersey. Er hat mir die komplizierten Krav-Maga-Techniken beigebracht, die für Sloane eine große Bedeutung haben und die das tragende Element einiger spannender Szenen in Twisted bilden.

Ich möchte allen bei HarperCollins danken, die an mich glauben und die unermüdlich daran arbeiten, das zu beweisen. Insbesondere seien hier genannt: Brian Grogan, Rhonda Rose, Donna Waitkus, Lisa Gallagher, Lynn Grady, Tavia Kowalchek, Liate Stehlik, Adrienne DiPietro, Pamela Spengler-Jaffee, Tom Egner und Rich Aquan.

Ein großes Dankeschön geht an Lucia Marco, meine Lektorin bei HarperCollins, die diesen Roman als »besonders gelungen« bezeichnet und die intensiv dafür geworben hat. Zusätzlich danke ich Lucias Assistentin Esi Sogah für all das, was sie tut, um uns das mühevolle Streben nach Perfektion zu erleichtern.

Auf meiner Liste der Danksagungen darf Andrea Cirillo nicht fehlen, deren Fürsorge und Engagement keine Grenzen kennen.

Und ein ganz herzliches Dankeschön richte ich an meine Familie für eure Liebe und Unterstützung. Ich bin stolz auf euch und dankbar für euer nie nachlassendes Interesse und für eure wertvollen Tipps – trotz des großen Kummers über den schweren Verlust. Wir sind immer noch das beste Team, das es gibt, und ich weiß den Wert des einzigartigen Bandes, das uns zusammenhält, sehr zu schätzen. Ohne euch hätte ich es niemals geschafft.

1. Kapitel

Datum: 19. MärzZeit: 21.00 UhrObjekt: Athene

Sie war wirklich eine Kämpferin.

Ich hatte es nur meiner Geschicklichkeit und meiner guten Form zu verdanken, dass es mir gelang, sie zu unterwerfen. Sogar die Waffe hatte nicht ausgereicht, um sie zu zähmen. Es war nicht so wie bei den anderen. Erst als sie die Klinge und die Tropfen ihres eigenen Blutes auf ihrem Nacken spürte, gab sie auf. Zuerst zitterte sie, dann bewegte sie sich nicht mehr. Sie war zu clever, um sich zu wehren. Sie wollte kämpfen. Ich sah es in ihren Augen. Aber sie tat es nicht. Am Ende hatte ich gewonnen. Ich spritzte ihr das Nembutal, und fünf Minuten später erschlaffte ihr Körper.

Ich hatte sie.

Ihr warmer betäubter Körper sackte gegen meine Schulter. Es war ein gutes Gefühl. Mein Timing und meine Ausführung waren perfekt. Es waren Frühjahrsferien, und daher würde niemand sie in den nächsten Tagen vermissen.

Und dann wäre es zu spät.

John Jay College für StrafrechtspflegeNew York City20. März, 16.00 Uhr

Im Hörsaal knisterte es vor Spannung.

Es war der letzte Vortrag der zweitägigen Tagung: »Gewalt gegen Frauen: Wie man es vermeidet, Teil einer Statistik zu werden«. Zu den vortragenden Experten gehörten unter anderen Jimmy O’Donnelly, ein Detective des New York Police Department NYPD aus dem Dezernat für Sexualverbrechen, Sharon McNally, Psychologin, spezialisiert auf die Beratung von Opfern von Gewaltverbrechen, Dr. Charles Hewitt, Professor für Statistik und Mathematik, der hier am John Jay College lehrte, Dr. Lillian Doyle, Professorin am John Jay College, allerdings im Fachbereich Soziologie, und Lawrence Clark, ehemaliger Leitender Special Agent aus der FBI-Abteilung für Profiling.

Und Sloane Burbank, der letzte Name auf dieser beeindruckenden Liste von Experten.

Alle anderen hatten schon referiert. Jetzt war sie an der Reihe.

Der Moderator beschrieb Sloanes eindrucksvollen Werdegang, wozu auch ein Jahr bei der Bezirksstaatsanwaltschaft Manhattan gehörte, bevor sie FBI-Agentin wurde. In der FBI-Abteilung für Krisenintervention wurde sie speziell für Verhandlungen bei Geiselnahmen ausgebildet. Derzeit war sie als private Ermittlerin tätig. In dieser Funktion arbeitete sie mit Polizeibehörden, Unternehmen und Bildungseinrichtungen zusammen und führte Schulungen in Krisenbewältigung und Konfliktlösung durch. Sie war außerdem ausgebildete Krav-Maga-Trainerin. Und dabei war sie gerade mal dreißig Jahre alt.

Der Moderator nickte Sloane anerkennend zu, trat vom Mikrofon zurück und erteilte ihr das Wort.

Begeisterter Applaus brandete auf. Als Sloane sich erhob, dachte sie – wie schon so oft –, wie gut sich alles, was sie zu sagen hatte, in der Theorie anhörte. Und sie war gut, aber nicht so gut wie noch vor einem Jahr. Andererseits hatte dieses Wissen nichts mit der Realität zu tun. Sie war die Einzige, die den Unterschied kannte.

Wie immer strahlte Sloane Energie und Selbstvertrauen aus. Sie knöpfte ihren Blazer auf, zog ihn aus und warf ihn über die Stuhllehne. Die Skepsis, die sie im Gesicht einiger Zuhörer sah, überraschte sie nicht. Die Reaktion kannte sie nur zu gut. Und sie hatte sie schon oft zu ihrem Vorteil genutzt.

Trotz ihres beeindruckenden Lebenslaufs war sie recht zierlich und hatte das jugendliche Aussehen einer Studentin. Aus diesem Grund zweifelten einige an ihren Fähigkeiten und trauten ihr von vornherein nichts zu.

Sollten sie doch. Dadurch war sie im Vorteil. Und dieser Vorteil verlieh ihr Macht.

Sloane wusste, dass Macht viele Gesichter hatte.

Sie zog ihre Schutzhandschuhe an und stellte sich mitten auf die Bühne, sodass der Mittelgang des Hörsaals genau vor ihr lag.

»Sie haben heute Abend schon Vorträge über das Thema gehört, wie man mit den Folgen eines Angriffs umgeht und wie man ihn vermeidet. Es wurden einige Profile typischer Opfer und Angreifer vorgestellt«, begann sie. »Alles, was Sie bisher gelernt haben, ist richtig. Doch es gibt noch eine andere Wahrheit. Wir können die Lebenssituationen, in denen wir uns befinden, nicht immer kontrollieren. Was passiert, wenn Sie nachts allein in einer Tiefgarage stehen, Ihren Wagen ganz hinten geparkt haben und dort ein gruseliger Typ auf der Lauer liegt, der gebaut ist wie ein Kleiderschrank?«

Sloane hielt ihre Hände hoch, um zu zeigen, dass sie unbewaffnet war. Dann zeigte sie auf ihren schwarzen Rollkragenpullover und ihre schwarze Hose. Ihre Kleidung hatte keine Taschen, und sie trug kein Waffenholster. »Ich bin ähnlich angezogen wie vielleicht Sie in einer solchen Situation. Ich trage keine Waffe, und ich habe nichts, was ich als solche benutzen könnte. Ich habe auch keine Handtasche bei mir. Selbst wenn ich eine bei mir hätte, würde mir die Zeit fehlen, um mein Handy oder mein Pfefferspray herauszuholen. Darum habe ich Krav Maga gelernt.«

In den Augen der Zuhörer flackerte Interesse auf, und das sogar bei denen, die am Anfang noch gezweifelt hatten.

»Kurz zur Einführung«, fuhr sie fort. »Krav Maga ist eine ganz besondere Art der Selbstverteidigung. Die Anfänge reichen zurück in die Tschechoslowakei während des Aufstiegs des Nazi-Regimes. Der Begründer ist Imi Lichtenfeld, der seine Fähigkeiten im Straßenkampf weiterentwickelte, um sich und andere jüdische Familien vor Angriffen zu schützen. Später emigrierte Lichtenfeld nach Israel. Dort entwickelte er diese Techniken weiter und unterrichtete sie dann als Nahkampfausbilder bei der israelischen Armee. Krav Maga ist Hebräisch und heißt ›Kontaktkampf‹. Es ist eine Ausbildung, die auf unvorhersehbare Straßenkämpfe abzielt. Es gibt keine Regeln. Und es gibt auch keine Trophäen für einen guten Kampfstil. Es geht allein ums Überleben.«

Während Sloane sprach, trat ein kräftiger Mann mit einer Skimaske hinter ihrem Rücken leise vor den Vorhang, sodass die Zuhörer ihn sehen konnten, Sloane jedoch nicht.

Er zog ein Messer aus der Tasche und stürzte sich blitzschnell auf Sloane. Sie hatte keine Zeit, sich auf den Angriff vorzubereiten, und das Publikum hielt den Atem an.

Er packte Sloane an der linken Schulter und presste ihr das Messer in ihren Rücken. »Steig in den Wagen«, befahl er mit krächzender Stimme.

Doch dann änderte sich die Situation schlagartig.

Sloane fuhr blitzschnell herum. Ihr linker Unterarm schoss nach vorn und blockierte sein rechtes Handgelenk, damit sie das Messer abwehren konnte. Es folgte ein Offensivschlag, indem sie ihm mit dem rechten Ellbogen einen direkten Schlag gegen die Kehle verpasste. Als der Angreifer nach Luft rang und vor dem angedeuteten Schlag auf seine Kehle zurückwich, schoss Sloanes linke Hand hoch und nahm seinen rechten Arm zwischen ihrem Oberarm, ihrem Unterarm und ihrer Brust in die Zange. Durch den ungeheuren Druck fiel ihm das Messer aus der Hand.

Sie hatte die Bedrohung abgewehrt.

Daraufhin nahm sie den Kopf ihres Angreifers mit dem rechten Arm in den Schwitzkasten, packte mit der linken Hand seine Schulter, riss seinen Oberkörper nach unten und versetzte ihm mit dem Knie einen Stoß in den Unterleib.

Sloane unterdrückte ein Lächeln, als sie spürte, dass er sich instinktiv versteifte und zurückwich, obwohl er sich – wie es die Demonstration verlangte –, zusammenkrümmte und aufschrie, als wäre er kastriert worden. Zum Schluss verpasste sie ihm noch einen Stoß mit dem Ellbogen auf den Nacken und stieß ihn dann zur Seite, worauf er zusammenbrach und sich scheinbar vor Schmerzen wand.

Die ganze Demonstration hatte keine zehn Sekunden gedauert.

»Dein mangelndes Vertrauen enttäuscht mich«, flüsterte Sloane, während sie ihm aufhalf. Das Publikum applaudierte. »Ich habe deine Luftröhre kaum berührt. Hast du wirklich geglaubt, ich würde dir in die Eier treten?«

»Niemals.« Seine Antwort wurde von dem Applaus übertönt. »Ich weiß, dass du ein Profi bist. Das war nur ein Reflex.«

»Ich versuche, es nicht persönlich zu nehmen.« Mit ernster Miene drehte Sloane sich zu den Zuschauern um. »Das war nur ein Beispiel, wie man Krav Maga bei der Selbstverteidigung einsetzen kann«, erklärte sie. »Es gibt Dutzende von Techniken – je nachdem, wie bedrohlich die Situation ist, in der Sie sich befinden. Auf dem Flyer, den ich verteilt habe, finden Sie alle Informationen zu Krav-Maga-Kursen vor Ort. Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig das Training ist. Es ist effektiv, und es funktioniert.« Sie drehte sich zu ihrem Angreifer um und gab ihm ein Zeichen, seine Skimaske abzustreifen. »Ich bitte um Applaus für Dr. Elliot Lyman vom John Jay College. Er war ein großartiger Partner bei dieser Demonstration, und er ist ein guter Freund.«

Als Elliot seine Maske abnahm, brandete wieder Applaus auf.

»Auch wenn du immer noch ein Feigling bist«, flüsterte Sloane. »Damals in der Highschool hast du dich jedes Mal geduckt, wenn ich dir einen deiner Bälle zurückgeworfen habe, obwohl du zwei Jahre älter und einen Kopf größer warst als ich. Es hat sich nichts geändert.«

»Damals war ich ein Computerfreak«, erwiderte er. »Jetzt bin ich Informatik-Professor. Ein Trottel, der mit Algorithmen spielt. Nicht so eine fantastische FBI-Agentin wie du.«

»Ex-FBI-Agentin«, korrigierte sie ihn.

»Das wird sich wieder ändern.«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wir werden sehen.« Sloane presste die Lippen zusammen und signalisierte auf diese Weise, dass sie das Thema nicht vertiefen wollte.

Sie schloss ihre Präsentation ab, beantwortete eine Menge Fragen und plauderte nach dem Ende der Tagung noch eine Weile mit ein paar anderen Referenten. Die vom John Jay College kannte sie von früheren Tagungen, die hier stattgefunden hatten, und von ihren Besuchen bei Elliot. Ihn kannte sie schon seit Beginn der Highschool. Damals hatte sie ihm Nachhilfe in Spanisch gegeben, und er hatte sie in die Geheimnisse des Computers eingeweiht. Ihr Kontakt war nie abgerissen, und als Sloane das FBI verlassen hatte und zurück in den Osten gezogen war, hatten sie ihre Freundschaft wieder aufleben lassen.

Eine Stunde später ging Sloane zu ihrem Wagen und dachte daran, wie kontrovers die Meinungen von Polizisten und Akademikern sein konnten. Sie dachte an Lillian Doyle mit den silbergrauen Haaren, die die Wurzeln der Gewalt in der modernen Zivilisation sah, und an Jimmy O’Donnelly, einen pensionierten Detective des New York Police Department, der es mit allen Gräueltaten zu tun gehabt hatte, die man sich nur vorstellen konnte. Wenn man ihnen zuhörte, hatte man manchmal das Gefühl, sie würden verschiedene Sprachen sprechen. Und je lauter sie sprachen, desto weniger verstanden sie einander.

Für die Teilnehmer war es jedoch gut, dass unterschiedliche Referenten zu Wort kamen. Dadurch wurde ihnen das Thema »Gewalt gegen Frauen« aus unterschiedlichen Perspektiven präsentiert. Das war auch für die Referenten gut. Weder Jimmy O’Donnelly noch Larry Clark gehörten zu denen, die sich zur Ruhe setzen wollten. Und die Professoren liebten angeregte Diskussionen. Besonders Lillian Doyle brauchte laut Elliot die geistige Ablenkung. Ihr Tumor bildete sich nicht weiter zurück, und das letzte Semester war sehr hart für sie gewesen.

Sloane nahm gerne an solchen Tagungen teil. Für sie war das aus mehreren Gründen eine gute Sache.

Sie schlug den Kragen ihres Mantels hoch, als eine steife Brise über ihr Gesicht fuhr und sie daran erinnerte, dass der Winter noch nicht vorbei war. Ein stechender Schmerz schoss durch ihre Handfläche und löste wie immer lebhafte Erinnerungen aus. An das Messer, wie es in ihr Fleisch drang. An das Blut. An den Schmerz. Es war ein Bild, das sie nicht abschütteln konnte. Es hatte ihr Leben verändert.

Auch sie hatte sich dadurch verändert.

Sloane zuckte zusammen, als sie erkannte, dass sie ihre Handschuhe hätte anziehen sollen, bevor sie ins Freie gegangen war. Ihre Handtherapeutin würde stinksauer sein, wenn sie es erfahren würde. Jetzt lohnte es sich nicht mehr, die Handschuhe anzuziehen. Sie hatte ihren Wagen fast schon erreicht.

Wenig später stieg sie in ihren Sabura Outback. Sloane hatte Mühe, den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, und sie biss die Zähne zusammen, weil der Schmerz immer noch da war.

Der Motor war gerade angesprungen, als ihr Handy klingelte.

Auf dem Display stand Unbekannt. Das war nicht ungewöhnlich. Die meisten ihrer Kunden schützten ihre Privatsphäre.

»Sloane Burbank«, meldete sie sich.

»Sloane?«, erwiderte eine Frau zögernd. »Hier ist Hope Truman. Pennys Mutter. Ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnerst.«

»Mrs Truman! Hallo! Natürlich erinnere ich mich an Sie.« Sloane runzelte verwundert die Stirn. Es war über zehn Jahre her, seit sie mit den Trumans gesprochen hatte, obwohl sie und Penny während der Schulzeit unzertrennliche Freundinnen gewesen waren. Sogar als Penny später eine private Highschool besuchte, hatten sie sich immer noch zu ausgedehnten Shoppingtouren getroffen. Oder sie hatten sich gegenseitig zu Hause besucht und nach einem gemütlichen Abend bei der Freundin übernachtet. Als dann die Collegezeit begann, hatten sich ihre Wege jedoch getrennt. Sie schlossen neue Freundschaften und verloren sich schließlich aus den Augen. Aber die Erinnerung an ihren jugendlichen Übermut, an ihre Geheimsprache und an die gemeinsam verbrachte Jugend würden wie ihre geliebten Tagebücher immer ein Teil ihres Lebens bleiben.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte Sloane. »Und wie geht es Penny? Ich habe ewig nichts von ihr gehört. Ich weiß nur, dass sie bei Harper’s Bazaar Karriere macht.«

»Dann weißt du es also nicht?«

»Was weiß ich nicht?«

»Darum rufe ich an.« Mrs Truman holte tief Luft. »Penny ist seit fast einem Jahr verschwunden.«

Sloane spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. »Wie meinen Sie das – verschwunden?«

»Ich meine, sie hat sich in Luft aufgelöst. Es gibt keine einzige Spur. Und sie hat Ronald und mir kein Wort gesagt. Seither haben wir nichts mehr von ihr gehört.«

»Sie haben also nichts mehr von Penny gehört. Auch sonst niemand?«, hakte Sloane nach, die nicht nur Pennys ehemalige Schulfreundin, sondern auch ausgebildete FBI-Agentin war. Die Trumans waren wohlhabend und weithin bekannt. Ronald Truman war ein renommierter Kardiologe am Mount Sinai. Immer wieder sorgte er für Schlagzeilen. Und seine Selbsthilfebücher zum Thema Wie halte ich mein Herz fit? eroberten regelmäßig die Bestsellerlisten.

Die Trumans waren also ideale Opfer für Erpresser.

»Auch sonst niemand«, erwiderte Mrs Truman.

»Sie haben nie eine Lösegeldforderung oder einen Brief erhalten?«

»Nie. Und wir haben weiß Gott darauf gewartet. Glaub mir, Sloane, wir haben nichts außer Acht gelassen und uns sogar mit der furchtbaren Möglichkeit auseinandergesetzt, dass es sich um eine Entführung handelt, bei der etwas schiefgegangen ist. Aber Pennys Leichnam wurde nie gefunden.« Mrs Truman seufzte resigniert. »Ich bin mir durchaus bewusst, wie gering die Chancen noch sind. Es ist elf Monate her. Aber sie ist meine Tochter. Ich kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.«

»Das kann ich gut verstehen.«

Sloane wusste viel besser als Mrs Truman, wie gut oder wie schlecht die Chancen standen. Und ihr wurde übel, als sie daran dachte.

»Ich habe gerade in der Zeitung den Artikel über dich und die Tagung gelesen, auf der du einen Vortrag gehalten hast«, fuhr Mrs Truman fort. »Ich wusste nicht, dass du FBI-Agentin warst, und ich wusste auch nicht, dass du beim FBI aufgehört hast, um als private Ermittlerin zu arbeiten. Als ich den Artikel las, habe ich zum ersten Mal seit Monaten wieder ein wenig Hoffnung geschöpft. Wir haben nichts unversucht gelassen. Ihr beide wart damals unzertrennlich. Ich bitte dich, nein, ich flehe dich an, bei uns vorbeizukommen, bevor du Manhattan wieder verlässt. Ich weiß, dass ich dich damit überfalle und dass ich viel von dir verlange. Ich bezahle jede Summe, die du verlangst, auch das Doppelte oder das Dreifache deines normalen Honorars. Unser Fahrer kann dich an der Universität abholen und dich später dort wieder absetzen. Ich würde alles tun, damit du …«

»Das ist nicht nötig«, unterbrach Sloane sie. Hunderte von Fragen schossen ihr durch den Kopf. Doch ihr war klar, dass sie in dieser Situation ein persönliches Gespräch führen musste. »Penny ist untrennbar mit meinem Leben verbunden. Wenn ich irgendetwas tun kann, werde ich es tun. Die Tagung ist gerade zu Ende gegangen. Mein Auto steht auf dem Parkplatz, und der Motor läuft. Ich komme jetzt gleich vorbei, bevor ich nach Hause fahre.«

»Gott segne dich.« Tränen der Dankbarkeit mischten sich in die Stimme der älteren Frau.

»Wo wohnen Sie jetzt?«

»125 East Seventy-Eighth, zwischen Park und Lexington Avenue. Apartment 640.«

»Bin schon unterwegs.«

2. Kapitel

Datum: 20. MärzUhrzeit: 18.00 UhrObjekt: Athene

Endlich. Sie ist aufgewacht.

Diesmal erkenne ich an ihrem Blick, dass sie ihre Umgebung wahrnimmt. Es ist nicht wie sonst, wenn sie zu sich kam und dann erschöpft und desorientiert war. Diesmal sieht sie nicht durch mich hindurch, sondern sie sieht mich tatsächlich. Sie zittert. Sie hat Angst.

Das sollte sie auch. Sie weiß, sie gehört mir.

Ich spüre, wie das Adrenalin durch ihre Adern strömt. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, aber beim ersten Mal hat es mich überrascht. Jetzt nicht mehr. Jetzt warte ich schon darauf. Es ist ein gutes Gefühl. Macht. Kontrolle. Sie leistet Widerstand, aber sie zappelt vergebens. Wegen ihrer Kraft und ihrer Intelligenz habe ich dieses Mal besondere Vorkehrungen getroffen. Ihre Hand- und Fußgelenke sind mit dickeren Tauen gefesselt. Die Taue sind mit Klebeband umwickelt. Die Tür ihres Zimmers ist zwei Mal verschlossen.

Ich habe sie nicht geknebelt. Das werde ich tun, wenn ich hinausgehe. Aber niemand kann sie hören. Hier nicht.

Es wird schwieriger sein, ihren Willen zu brechen, schwieriger als bei der letzten Frau. Aber ich werde tun, was ich tun muss.

Sie verlangen es von mir.

125 East Seventy-Eighth Street, Apartment 640

Sloane saß bei den Trumans in der Ecke eines eleganten alten Sofas aus Mahagoni mit Damastbezug und trank den Tee, den Pennys Mutter unbedingt hatte zubereiten wollen. Sie stellte die Tasse auf den Tisch, nahm den Stift auf diese besondere Art in die Hand, die sie sich seit ihrer Handverletzung angewöhnt hatte, und klappte ihr Notizheft auf.

Sloane wartete geduldig, denn Hope Truman lief aufgeregt hin und her und legte Löffelbiskuits auf einen Teller.

Löffelbiskuits. Das weckte viele Erinnerungen. Nachdem sie zu Hause bei Penny stundenlang mit ihren Barbiepuppen gespielt hatten, bot Mrs Truman ihnen immer Löffelbiskuits an. Penny stylte ihre Barbie, kleidete sie nach der neuesten Mode und stimmte dann alle Accessoires genau darauf ab. Sloane behauptete, ihre Barbie sei She-Ra, die Prinzessin der Macht, und ließ sie durchs Zimmer fliegen. Gegen She-Ra katte Ken keine Chance.

Damals waren sie ganz verrückt gewesen nach Löffelbiskuits. Jetzt boten sie Hope Truman die Möglichkeit, ihre Nervosität zu bekämpfen. Sie war verzweifelt, und sie versuchte, das Thema, das zu diesem Treffen geführt hatte, hinauszuzögern. Sloane konnte das gut verstehen. Eine liebende Mutter, die Ermittlungserfolge sehen wollte, die aber gleichzeitig wahnsinnige Angst davor hatte. Und nach fast einem Jahr? Sie konnte nur noch beten und auf ein Wunder hoffen.

Sloane sollte ihr dieses Wunder bescheren.

Verstohlen musterte sie Pennys Mutter. Selbst mit siebenundfünfzig war sie immer noch eine elegante, sehr attraktive Frau. Schlank wie früher. Die Frisur saß perfekt, und sie war makellos geschminkt. Sie trug einen braunen Rollkragenpullover aus Cashmere und eine ockerfarbene Hose, in der sie aussah, als würde sie Werbung machen für Mode von Bergdorf. Doch man sah auch, dass diese Katastrophe ihren Tribut gefordert hatte.

Tiefe Falten hatten sich in ihr Gesicht gegraben, und die hatten nichts mit dem Alter zu tun. In ihren Augen sah Sloane diesen gehetzten Blick, den sie viel zu gut kannte, um ihn noch falsch zu deuten.

»Und wie geht es deinen Eltern?«, fragte Mrs Truman, die sich trotz der schwierigen Situation bemühte, ihrer Rolle als Gastgeberin gerecht zu werden.

»Es geht ihnen gut«, erwiderte Sloane. »Sie sind nach Florida gezogen, nachdem sie jetzt beide im Ruhestand sind. Allerdings stimmt das mit dem Ruhestand nicht so ganz. Meine Mutter arbeitet immer noch mit einigen ihrer Lieblingsautoren, die sie früher in ihrer Literaturagentur betreut hat. Und mein Dad handelt noch ab und zu mit Kunst, falls er irgendein Objekt besonders interessant findet.«

»Ich erinnere mich, dass er früher ständig im Ausland war und dass du ihn oft begleitet hast.«

»Ich habe diese Reisen genossen. Darum spreche ich heute so viele Sprachen. Das ist wohl einer der Hauptgründe, warum das FBI so großes Interesse an mir hatte.« Sloane räusperte sich und schnitt vorsichtig das Thema an, das sie hierhergeführt hatte. »Möchten Sie mit mir über Penny sprechen?«

Mrs Truman nickte unsicher. Sie hörte auf, sich an den Löffelbiskuits und dem Tee zu schaffen zu machen, und sank in einen Ohrensessel. Bevor sie etwas erwiderte, verschränkte sie die Finger ineinander. »Tut mir leid, dass ich dir nicht gleich alles erzählt habe.«

»Das macht doch nichts. Sie haben Angst. Es ist in einer solchen Situation ganz normal, wenn man auf andere Themen ausweicht.«

»Danke. Vielen Dank auch, dass du gekommen bist. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet.«

»Das müssen Sie auch nicht.« Sloane beugte sich vor. »Mrs Truman …«

»Hope«, korrigierte die ältere Frau und lächelte verhalten. »Du bist kein Kind mehr. Darum sollten wir auf diese förmliche Anrede verzichten.«

Sloane erwiderte das verhaltene Lächeln. »Okay, Hope. Ich kann mir wahrscheinlich kaum vorstellen, was das für Sie und Ihren Gatten bedeutet. Sie haben gesagt, Penny sei vor einem Jahr verschwunden?«

»Ja, am vierzehnten April ist es ein Jahr her. Allerdings haben wir es erst ein paar Tage später festgestellt.«

»Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen.«

Hope nickte und leierte wie ein Roboter die Einzelheiten herunter, die sie vermutlich schon unzählige Male erzählt hatte. »Am sechzehnten und siebzehnten erschien sie nicht zur Arbeit. Sie rief auch an beiden Tagen dort nicht an. Ihre Assistentin bei der Zeitung versuchte, sie zu Hause und auf ihrem Handy zu erreichen. Penny meldete sich nicht. Am siebzehnten war sie morgens mit ihrer Freundin Amy zum Frühstück verabredet. Amy und Penny haben nach dem College zwei oder drei Jahre zusammengewohnt. Ronald und ich haben Amy kennengelernt. Sie ist reizend. Als Penny nicht zur Verabredung erschien und Amy sie nicht im Büro und bei Freunden erreichen konnte, rief sie uns an.«

»Und Sie haben dann die Polizei informiert.«

Hope nickte. »Sie haben jede Spur verfolgt. Schließlich fanden sie heraus, dass eine Frau, auf die Pennys Beschreibung zutraf, am vierzehnten April ein Busticket nach Atlantic City gekauft hatte. Daraufhin informierten sie das FBI.«

»Welches Büro hat in dem Fall ermittelt? New York oder Newark?«

»New York, aber sie haben eng mit Newark zusammengearbeitet. Es führte aber zu nichts. Beide Büros fanden keine Spur. Entweder kam die Frau, die sie für Penny hielten, niemals in Atlantic City an, oder es gab keine Zeugen, die sich an sie erinnern konnten.«

»Wurde das Ticket mit einer Kreditkarte bezahlt?«

»Wieder eine Sackgasse. Es wurde bar bezahlt.«

Sloane runzelte die Stirn. »Das ist seltsam. Ich erinnere mich, dass sie schon als Elfjährige für ein Modemagazin arbeiten wollte. Und sie war immer sehr zuverlässig. Wenn sie sich nicht um hundertachtzig Grad gedreht hat …«

»Das hat sie nicht.«

»Hat denn die Tatsache, dass sie seit zwei Tagen auf der Arbeit fehlte, ohne anzurufen, bei Harper’s Bazaar nicht alle Alarmglocken schrillen lassen?«

»Ja und nein.« Mit zittriger Hand trank Hope einen Schluck Tee. »Offenbar lief es damals für Penny in der Redaktion nicht sehr gut. Sie wurde wohl übergangen bei einer Beförderung. Es war eine harte Zeit für sie, und das nicht nur beruflich, sondern auch privat. Von Rosalinda, Pennys Assistentin, erfuhren wir, dass Penny einen Freund hatte und dass die Beziehung gerade in die Brüche gegangen war. Deshalb erfand Rosalinda eine Ausrede, als Penny nicht zur Arbeit erschien. Sie erzählte allen bei der Zeitung, Penny würde zu Hause arbeiten. Als das FBI sie befragte, gab sie zu, Penny habe die Redaktion am Tag vorher weinend verlassen und gesagt, ihr Leben sei die reinste Katastrophe und sie würde am liebsten alles hinschmeißen.«

»Hat Penny sich nicht bei Ihnen gemeldet?«, fragte Sloane zögernd.

»Nein, an jenem Tag nicht. Wir haben eine Woche vorher miteinander gesprochen.« Hope Truman räusperte sich. »Wenn du mich jetzt fragst, ob wir uns nahestanden, würde ich sagen, ja. Wir hatten ein gutes Verhältnis, wie das eben so ist zwischen Mutter und Tochter. Wir waren keine Freundinnen. Sie hatte ihr eigenes Leben. Über Privates hat sie mir nicht viel erzählt. Sie hat weder ihren Freund noch die Trennung erwähnt. Aber wenn man sich von seinem Freund trennt und wenn man spurlos verschwindet, das hat doch nichts miteinander zu tun. Falls Penny weggehen wollte, hätte sie das niemals getan, ohne ihrem Vater und mir ein Wort zu sagen. Sie hätte es auch nicht getan, ohne ihre persönlichen Dinge mitzunehmen oder ohne vorher alles mit ihrem Vermieter, mit ihrer Bank und mit den Stadtwerken zu regeln. Außerdem wurde keine ihrer Kreditkarten benutzt, seit sie verschwunden ist.«

»Welche Theorie hatte das FBI?«

»Dass die Probleme in ihrem Leben zu viel für sie gewesen sein könnten. Dass sie Depressionen bekommen haben könnte. Und dass starke Depressionen oft dazu führen, dass Menschen Dinge tun, die gar nicht zu ihrer Persönlichkeit passen.«

Sloane verbarg ihre Skepsis. Die Ermittler hatten im Grunde nichts anderes gesagt, als dass Penny entweder die Nerven verloren hatte und abgehauen war, um irgendwo ein neues Leben zu beginnen, nachdem sie alle Verbindungen zu ihrem alten Leben abgebrochen hatte, oder aber dass sie Selbstmord begangen hatte. Nun, bei einem Selbstmord hätte man die Leiche und vielleicht einen Abschiedsbrief finden müssen. Und die Theorie, dass sie vor ihren Problemen davongelaufen sei, um ganz neu zu beginnen? Das wäre ziemlich weit hergeholt. Vor allem, weil schon ein Jahr vergangen war. Mittlerweile hätte Penny ihre Familie benachrichtigt und ihr mitgeteilt, dass alles in Ordnung sei.

Keine dieser Schlussfolgerungen machte Sloane glücklich, und die Alternativen waren noch viel schrecklicher.

»Ich weiß, was für furchtbare Gedanken dir jetzt durch den Kopf gehen«, sagte Hope. »Ich habe mich mit all diesen Gedanken fast ein Jahr herumgequält. Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Aber ich konnte mich an niemanden wenden. Ab und zu erkundige ich mich beim FBI nach dem Stand der Ermittlungen. Der Mitarbeiter im FBI-Büro hier in New York ist immer sehr höflich und erklärt sich jedes Mal bereit, alles zu überprüfen, wenn Ronald und mir noch irgendetwas einfällt. Aber ich bin nicht dumm. Der Fall liegt auf Eis. Solange es keine neuen Spuren gibt …«

»Ich spreche mit denen«, bot Sloane an. »Ich habe gute Kontakte zum FBI-Büro in New York. Ich erkläre ihnen die Situation und sage ihnen, dass Sie mich engagiert haben. Dann arrangieren sie ein Treffen zwischen dem verantwortlichen Special Agent und mir. Der wird mich dann über den neuesten Stand der Ermittlungen informieren. Das hilft mir, die richtigen Schritte einzuleiten. Wie heißt der verantwortliche Special Agent?«

»Parker.«

Sloane wollte sich den Namen aufschreiben, doch dann hob sie den Kopf. »Derek Parker?«

Hope nickte. »Warum? Kennst du ihn?«

»Ja, ich kenne ihn.« Sloane machte sich wieder Notizen. »Wir haben im FBI-Büro Cleveland zusammengearbeitet.« Sie klappte ihr Notizheft zu und schob die Teetasse zur Seite. »Ich rufe gleich morgen früh im FBI-Büro an und vereinbare ein Treffen mit ihm. Anschließend rufe ich Sie an und informiere Sie. Dann überlegen wir, wie es weitergehen soll.«

Mrs Trumans Lippen zitterten. »Danke, Sloane.«

»Bedanken Sie sich bei mir, wenn ich Antworten gefunden habe.« Und beten Sie, dass es nicht die Antworten sind, vor denen ich mich am meisten fürchte.

Sloane stand auf. Sie freute sich nicht auf diesen Fall. Es war eine Scheißsituation. Und es würde eine große Herausforderung sein, objektiv an den Fall heranzugehen. Die Chancen, dass Penny noch lebte, waren sehr gering. Und wenn Sloane daran dachte, wer die Ermittlungen leitete, konnte sie kaum auf eine fruchtbare Zusammenarbeit hoffen.

Sloane musste ein paar Leute um einen Gefallen bitten, um dieses Treffen zu vereinbaren, und Derek durfte nicht im Voraus wissen, mit wem er sich treffen sollte. Dann hätte er keinen Heimvorteil, und dadurch hätte sie die Chance, dass es überhaupt zu dem Treffen kam.

Wie es danach weiterging, stand in den Sternen.

3. Kapitel

Wo bin ich?

O mein Gott. Wo ist er?

Es ist Stunden her, seit er weggegangen ist. Oder bilde ich mir das nur ein? Er hat mich geknebelt. Ich habe ihn angefleht, es nicht zu tun. Ich habe versprochen, nicht zu schreien. Ich könnte es gar nicht, selbst wenn ich es versuchen würde. Mein Mund ist ganz trocken. Meine Kehle ist rau. Er hat gesagt, der Knebel sei ein Test. Ein Test wofür?

Ich kann kaum noch klar denken. Ich erinnere mich nicht, wie ich hierhergekommen bin und wie lange es her ist. Ab und zu habe ich bruchstückhafte Erinnerungen, die sich sofort in nichts auflösen. Das muss an den Drogen liegen.

Was will er von mir?

Er will es mir nicht sagen. Er sagt nur, dass ich es erfahren werde, wenn die Zeit reif ist, und dass er den Knebel und die Fesseln entfernt, wenn ich mich anständig benehme.

Die Matratze, auf der ich liege, riecht muffig. Die Wolldecke auch. Sie kratzt, aber immerhin kann ich mich darin einwickeln, um die Kälte zu vertreiben. Ich habe mich bei ihm bedankt, als er sie mir gegeben hat. Das schien ihm zu gefallen.

Trotzdem friere ich, und ich habe Schmerzen am ganzen Körper. Unter der kratzigen Wolldecke und der muffigen Matratze spüre ich den harten, nackten Boden. Ich habe das Gefühl, direkt auf Beton zu liegen. Der Raum ist so klein wie ein Kinderzimmer. Ich kann nicht viel sehen. Das Licht ist gedämpft. Es gibt nur ein winziges Fenster, aber die Vorhänge sind zugezogen. Es ist fast so, als wäre ich ganz allein in einer Art Käfig eingesperrt. Heute Morgen habe ich durch die Wand eine Stimme gehört. Die Stimme einer Frau. Zumindest glaube ich das. Vielleicht habe ich es mir aber auch nur eingebildet. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren.

Was wird er mir antun?

Ich weiß nicht, was schlimmer ist: wenn ich sein Plan herausfinde oder wenn ich hier hilflos liege und warte.

Schritte. Sie nähern sich diesem Raum. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss.

Lieber Gott, bitte schick mir Hilfe. Mach diesem Albtraum ein Ende.

Nein. O nein. Er ist es. Er ist zurück.

Er kommt zu mir.

FBI-Büro New York26 Federal Plaza, New York City24. März

Es hatte viel Arbeit gemacht, aber endlich hatte die Sondereinheit im Kampf gegen Verbrechen asiatischer Einwanderer – C-6, wie die Abteilung hier im FBI-Büro New York hieß – einen richterlichen Beschluss erwirkt, um das Telefon von Chen Long Hua abzuhören. Eine verdammt gute Sache, wenn man bedachte, was sie während des rätselhaften Telefonats Freitagnacht aufgeschnappt und entschlüsselt hatten. Eine dritte Prostituierte war ermordet worden. Dieselbe Methode, aber ein anderer Ort, hatte das FBI von der New Yorker Polizei erfahren. Die zweite Prostituierte war in Manhattan ermordet worden, die erste und dritte in Queens. Es gab keine Verbindung zwischen den Morden, außer dass alle drei Prostituierte und Asiatinnen waren. Und alle wurden in ein leer stehendes Gebäude gebracht, unter Drogen gesetzt, mehrmals auf brutalste Weise vergewaltigt und dann ermordet. Allen dreien wurde mit einem Kampfmesser die Kehle durchgeschnitten. In allen drei Fällen wurde eine Kupfermünze mit einer Python auf der einen Seite und einer griechischen Göttin auf der anderen am Tatort zurückgelassen. Vielleicht wollte dieser Psychopath andeuten, dass er für geleistete Dienste auch bezahlte.

Andere Verbindungen zwischen den Morden gab es nicht. Alle drei Frauen arbeiteten in einem der drei Bordelle, die – wie das FBI herausgefunden hatte – von Chen betrieben wurden. Dieser war auf den Straßen auch als Xiao Long, als »Little Dragon«, bekannt oder als Dai Lo, der Anführer der Red Dragons.

Chen war während seines Telefonats Freitagnacht mit einem seiner Schläger total ausgerastet. Er war davon überzeugt, dass Lo Ma alias »Old Horse« und seine Gang, die Black Tigers, für den Tod der Mädchen verantwortlich waren, weil sie versuchen wollten, ihn aus dem Geschäft zu drängen. Er wollte Rache. Und zwar sofort.

Special Agent Derek Parker trank einen Schluck lauwarmen Kaffee und drehte sich zu seinem Computer um. Seine Mannschaft hatte die Red Dragons das ganze Wochenende lang beschattet. Die Gang hatte sich seltsam ruhig verhalten. Das bedeutete, dass sie etwas planten. Wenn C-6 die Situation nicht genau beobachtete, könnte vielleicht ein großer Bandenkrieg ausbrechen. Längst waren Maßnahmen ergriffen worden, die das verhindern sollten. Derek hatte das fünfte Revier des New York Police Department in Chinatown und das einhundertneunte Revier in Flushing aufgefordert, in den Bezirken verstärkt Streife zu fahren. Eine Einsatztruppe stand bereit, die sofort aktiv werden sollten, falls Chens Bande auftauchte.

Derek sah auf den Monitor und tippte das Formular FD-302 ab, das die Beschattung von Freitagnacht protokollierte. Er achtete nicht auf das Signal, dass eine neue E-Mail angekommen war. Er hatte sich vorgenommen, alle eingehenden Mails zu ignorieren, denn sein Posteingang lief wie jeden Montagmorgen über. Diese Sache hier hatte absolute Priorität. Er arbeitete an einem brisanten Fall, der Verbindungen zum internationalen Verbrechen aufwies. Dieses beschissene Kräftemessen zwischen Xiao Long und Lo Ma konnte die jahrelange Arbeit zunichte machen.

Das FBI hatte viel Energie in diese Ermittlungen gesteckt. Derek war eigens nach Quantico geschickt worden, um eine zweiwöchige Spezialausbildung zu absolvieren. Als er in das FBI-Büro in New York zurückgekehrt war, wurde er wieder der Sondereinheit C-6 zugewiesen. Da eine Agentin Mutterschaftsurlaub hatte und zwei Agenten in die Abteilung für Terrorismusbekämpfung versetzt worden waren, fehlte es in der Sondereinheit ausgerechnet jetzt an Leuten.

Es war logisch, dass Derek in dieser Sondereinheit mitarbeitete. Er hatte in fast allen Fällen von Gewaltverbrechen ermittelt, von Kidnapping über Erpressung bis hin zu Raubüberfällen und Auftragsmorden. Bei früheren Ermittlungen hatte er mit den wichtigsten Bandenmitgliedern zu tun gehabt, die jetzt unter Beobachtung standen. Er kannte die Drahtzieher. Er kannte ihre Reviere.

Und jetzt wusste er auch, wie die Dinge abliefen.

Derek warf einen Blick auf die Uhr. Alles verlief genau nach Plan. Halb neun. Früh für die Mannschaft, die die ganze Nacht die Straßen überwacht hatte, aber nicht für ihn. Das hatte er seiner Ranger-Ausbildung zu verdanken. Die Armee hatte ihm beigebracht, was Führungsqualitäten, Respekt, Loyalität und Disziplin bedeuteten. All das hatte er sich zu eigen gemacht, nicht zu vergessen Selbstdisziplin. Um halb sieben stand er auf. Von sieben bis acht Sport. Duschen und Anziehen. Ein schnelles, proteinhaltiges Frühstück, dann trat er seinen Dienst an.

»Derek, gut, dass du an deinem Schreibtisch sitzt.«

Derek drehte sich auf dem Stuhl um und sah den Leitenden Special Agent Antonio Sanchez an, der neben seinem Arbeitsplatz stand und einen Ellbogen auf der Trennwand aufstützte.

»Hallo, Tony«, begrüßte Derek ihn. »Ich wusste gar nicht, dass du schon da bist.«

»Geht mir genauso. Ich dachte, du kommst heute vielleicht etwas später, weil du das halbe Wochenende gearbeitet hast. Übrigens, deine Zielpersonen gehen jetzt erst mal schlafen.«

»Ja, aber trotzdem habe ich nach dem, was wir Freitagnacht gehört haben, und nach diesem seltsam ruhigen Wochenende das Gefühl, dass wir auf einem Pulverfass sitzen. Wir können uns keinen großen Bandenkrieg leisten. Ich bereite die Unterlagen für die Staatsanwaltschaft vor. Gleich heute Nachmittag führe ich ein paar Gespräche mit unseren Informanten. Sie werden verkabelt, bevor sie sich in dem Viertel herumtreiben und sich umhören, was in der Szene läuft. Auch die New Yorker Polizei ist im Einsatz. Und die Kollegen der Sondereinheit und ich wechseln uns in dem Lieferwagen ab und hören zu.«

Tony nickte. Er war fünfundvierzig und seit sechzehn Jahren beim FBI. Er hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Leuten, trotzdem stellten sie seine Position als ihr Vorgesetzter niemals infrage. Ein cleverer, engagierter Mann, der sein Team gut kannte. Und zu diesem Team gehörte jetzt auch Derek Parker.

»Es steht fest, dass eine Konfrontation unmittelbar bevorsteht. Tu, was du tun musst. Aber plane eine kurze Unterbrechung gegen zehn Uhr ein. Ich möchte dich bitten, mit jemandem zu sprechen.«

Derek runzelte die Stirn. »Wann hast du den Termin vereinbart?«

»Am Wochenende. Es dauert höchstens eine halbe Stunde.«

»Um was geht es, und mit wem soll ich sprechen?«

»Es geht um den Fall Penelope Truman. Die Trumans bitten dich, mit jemandem zu sprechen, den sie engagiert haben.«

Der Truman-Fall? Damit hatte Derek gar nicht gerechnet. In diesem Fall bewegte sich schon seit fast einem Jahr nichts mehr. Außerdem ging es um einen Vermisstenfall, und der hatte nichts mit den Ermittlungen bei C-6 zu tun. Warum schaltete Tony sich da überhaupt ein? Es war eigentlich nicht seine Art, einen seiner Leute ohne Vorwarnung für andere Aufgaben abzustellen.

»Verstehe ich nicht«, sagte Derek trocken. »Gibt es eine neue Spur, von der ich nichts weiß? Haben die Trumans was von ihrer Tochter gehört?«

»Genaueres weiß ich nicht.« Tony richtete sich auf und drehte sich um. »Ruf einfach die Datei auf, druck die entsprechenden Unterlagen aus und übernimm das Gespräch. Beantworte alle Fragen so kooperativ wie möglich.« Er zögerte kurz. »Betrachte es als persönlichen Gefallen.«

»Als persönlichen Gefallen?«, wiederholte Derek langsam. »Für wen?«

»Für mich. Für die Trumans. Und für ein paar unserer Kollegen bei der Sondereinheit für Krisenintervention.«

Gleich war es so weit.

Sloane ging um den kleinen Tisch in dem Besprechungszimmer im zweiundzwanzigsten Stock herum. Sie rollte die Flasche Mineralwasser zwischen den Händen, während sie sich innerlich auf das Gespräch vorbereitete.

Sie wusste, was in der nächsten halben Stunde auf sie zukam. Ein Vergnügen würde es nicht werden. Immerhin wusste sie, wer durch diese Tür kommen würde, wohingegen Derek nicht die geringste Ahnung hatte, wer in dem Zimmer auf ihn wartete. Sloane sah auf die Uhr. Noch genau drei Minuten. Derek war für seine Pünktlichkeit bekannt.

Sie hatte Tony Sanchez um einen Gefallen gebeten. Er war ihr Ausbilder gewesen, als sie in Quantico die Verhandlungsführung bei Geiselnahmen gelernt hatte. Er war so freundlich, das Treffen zu arrangieren und keine Fragen zu stellen, auch nicht, als sie ihn bat, ihren Namen nicht zu erwähnen.

Vielleicht kannte er die Geschichte zwischen ihr und Derek. Vielleicht auch nicht.

Als die Wasserflasche über die empfindliche Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger rollte, zuckte Sloane zusammen. Mit der linken Hand stellte sie die Flasche auf den Tisch und drehte den Verschluss zu. Sie verzog das Gesicht, denn das Klopfen in ihrer rechten Hand ließ nicht nach. Nicht nur die Wunde machte ihr heute zu schaffen, auch die Narben schmerzten. Die Sitzung heute Nachmittag bei ihrer Physiotherapeutin würde höllisch wehtun.

Sloane machte ein paar einfache schmerzlindernde Übungen, indem sie die Finger krümmte und wieder streckte, um die Muskeln zu entspannen.

Die Tür des Besprechungszimmers wurde aufgerissen, und Derek betrat den Raum. Er hatte eine Akte unter dem Arm. An sein großspuriges Auftreten konnte sich Sloane nur allzu gut erinnern. Es war dreizehn Monate her, aber ein schneller Blick bestätigte, dass er sich nicht verändert hatte. Vielleicht äußerlich, aber das war auch alles. Seine dunklen Haare waren etwas länger als früher, und er war anders gekleidet. Früher hatte Derek immer Anzug und Krawatte getragen. Jetzt hatte er eine Jeans und ein blaues T-Shirt an. Irritiert warf Sloane ihm einen zweiten Blick zu.

Auch wenn Derek nicht wusste, wen er hier treffen würde, sah man ihm an, dass er nicht hier sein wollte. Das drückte seine Körpersprache unmissverständlich aus.

Und es wurde noch schlimmer. Zuerst starrte er sie mit einem nachdenklichen Ausdruck in seinen blauen Augen an, dann wurde sein Blick regelrecht frostig.

»Sloane.« Er sprach ihren Namen aus, als suchte er nach einer Bestätigung, dass ein Irrtum vorlag.

»Hallo, Derek.« Sloane hatte sich genau überlegt, wie sie sich verhalten würde. Kein Körperkontakt. Nicht einmal ein Händeschütteln. Keine Nähe. Sie bewegte sich nicht, sodass der Tisch wie eine Barriere zwischen ihnen stand. »Pünktlich wie immer. Ausgezeichnet. Ich danke dir, dass du diesem Treffen zugestimmt hast. Wie ich sehe, hast du die Ermittlungsunterlagen ausgedruckt. Dann können wir gleich starten, nicht wahr?« Sie gab ihm ein Zeichen, Platz zu nehmen.

»Du bist die private Ermittlerin der Trumans?«, fragte er.

»Stimmt genau.«

»Und du hast Tony gebeten, es nicht zu erwähnen.«

Er würde es ihr nicht leicht machen.

»Stimmt auch. Ich wollte nicht, dass du ablehnst. Darum habe ich Tony gebeten, meinen Namen nicht zu erwähnen.«

»Es hat sich offenbar nichts geändert. Du bist immer noch ein Feigling.«

»Und du sagst nach wie vor genau das, was du denkst. Wie ich sehe, ziehst du dich jetzt anders an. Aber sonst bist du ganz der Alte.«

»Die Bekleidungsvorschriften sind Teil des Jobs. In einem Anzug kann man sich wohl kaum unter Gangster mischen.«

»Verstehe. Aber die Jeans und das T-Shirt sind so glatt und so faltenfrei wie deine Anzüge. Eine andere Uniform, derselbe Army Ranger.«

»Dasselbe gilt für die ehemalige Mitarbeiterin der Bezirksstaatsanwaltschaft Manhattan«, konterte Derek. Er bezog sich auf ihre Zeit als Anklägerin der Stadt New York City, bevor sie FBI-Agentin wurde.

»Genau«, erwiderte Sloane mit einem kurzen Nicken. »Jetzt haben wir genug spitze Bemerkungen gewechselt. Können wir endlich über Penny Truman sprechen?«

»Warum? Hast du eine neue Spur?«

»Das weiß ich erst, wenn du die Aktenlage mit mir durchgesprochen hast.«

»Ich bin sicher, du bist über alle Fakten im Bilde. Und wenn du nicht inzwischen die Kunst des Hellsehens beherrschst, wirst du nichts finden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Trumans verzweifelt nach Antworten suchen und dass sie genug Geld haben, um eine private Ermittlerin zu engagieren, die ihre Tochter finden soll. Aber du verschwendest deine Zeit. Ich bin allen Spuren nachgegangen. Wirklich allen.«

Sloane umklammerte die Stuhllehne und sah Derek ungerührt an. »Deine Selbstgefälligkeit bringt uns nicht weiter, Derek. Es geht hier nicht um deine Fähigkeiten als Ermittler. Ja, die Trumans sind verzweifelt. Aber sie haben mich nicht nur aus dem Grunde angerufen, weil ich gut bin und weil ich mehr Zeit und Energie in ihren Fall investieren kann als das FBI. Sie haben mich aus persönlichen Gründen angerufen. Ich war früher eng mit Penny befreundet. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ich habe erst erfahren, dass Penny vermisst wird, als ihre Mutter mich letzte Woche angerufen hat. Das ist doch wohl Begründung genug, warum ich mich für den Fall interessiere. Du kannst es darstellen, wie du willst. Mir ist alles recht, Hauptsache, ich finde Penny.«

Dereks angespannte Gesichtszüge lockerten sich ein wenig. »Das wusste ich nicht. Okay. Nimm Platz.«

Sie setzten sich gleichzeitig und sahen sich über den Tisch hinweg an.

»Warum haben die Trumans dich nicht erwähnt, als ich sie befragt habe?«, fragte Derek.

»Weil Penny und ich in den letzten Jahren keinen Kontakt mehr hatten.« Sloane klärte Derek in groben Zügen über ihre frühere Freundschaft mit Penny auf. »Aber ich kannte sie sehr gut. Und ich bin ganz sicher, dass sie nicht einfach abgehauen ist, nicht wegen Schwierigkeiten im Job und auch nicht wegen eines Typen. Entweder wird sie gegen ihren Willen festgehalten, oder sie ist tot.«

Derek runzelte die Stirn.

»Ich gebe zu, dass die Fakten eher für Letzteres sprechen«, fuhr Sloane fort. »Das heißt aber nicht, dass ich aufgebe, bevor ich nicht alles versucht habe.«

»Ich glaube, es gibt Dinge, die sind es wert, dass man dafür kämpft.«

Sloane biss die Zähne zusammen, denn sie wusste genau, was Derek meinte. Sie hätte ihm gerne eine passende Antwort gegeben, aber er hatte natürlich nicht ganz unrecht. Außerdem war sie nicht hier, um sich mit ihm zu streiten. Es ging einzig und allein um Penny.

Dieser Gedanke führte sie zum Thema zurück. »Als du Pennys Freunde, Kollegen und Exfreunde verhört hast, hattest du da das Gefühl, auf irgendwelche Ungereimtheiten zu stoßen?«

»Nein«, erwiderte Derek nüchtern. »Keine Aussage hat mein Misstrauen geweckt. Die üblichen Reaktionen. Angst, dass Penelope etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte, und Nervosität, weil sie vom FBI befragt wurden. Alle Alibis wurden überprüft.«

»Auch das von Pennys Exfreund?«

»Ja. Er war die ganze Woche in Honolulu, und zwar mit der Kollegin, wegen der er deine Freundin verlassen hat.« Derek schob die Akte über den Tisch. »Du kannst alles nachlesen. Hier hast du Kopien von allen Unterlagen, dazu eine Liste aller Leute, die Penelope kannte, meine Verhöre, Einzelheiten über Penelopes Leben in den Monaten, bevor sie verschwand. Außerdem die Namen und die Telefonnummern der Mitarbeiter des FBI-Büros Newark, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Nimm die Akte mit und arbeite dich gründlich ein. Aber nach elf Monaten würde ich mich an deiner Stelle auf das Schlimmste gefasst machen.«

»Das ist mein Motto. Man kann nur überleben, wenn man sich auf das Schlimmste gefasst macht.« Sloane nahm die Akte in die Hand und schwieg, während sie einen Blick daraufwarf. »Wie lange bist du schon in New York?«, fragte sie schließlich.

»Ein Jahr.«

»Du hast dich also gleich danach versetzen lassen?«

»Wir wussten beide, dass ich es tun würde. Dieses FBI-Büro war meine erste Station nach der Ausbildung in Quantico. Vor Cleveland habe ich sieben Jahre hier gearbeitet. Und seit dem 11. September sind viele Kollegen zur Terrorbekämpfung versetzt worden, und die meisten Neuen wollen lieber in den sonnigen Süden als nach New York. Darum ist ein erfahrener Agent genau der Richtige, wenn es um Gewaltverbrechen und Kidnapping geht.«

»Bist du immer noch beim SWAT-Sondereinsatzkommando?«

»Beim SWAT-Elite-Sondereinsatzkommando«, korrigierte er. »Ein größeres Team. Eine bessere Ausrüstung. New York ist nicht Cleveland. Zehn Prozent vom FBI arbeiten hier.«

»Und du gehörst dazu. Seit deiner Rückkehr bist du innerhalb von New York schon mehrmals versetzt worden. Zuerst Gewaltverbrechen und dann C-6.«

»Mein Schwerpunkt hat sich verlagert. Es ging um Drogen und Bandenkriminalität. Daher war mein Wechsel zu C-6 ein logischer Schritt.«

»Tony sprach in den höchsten Tönen von dir. Er hat auch erwähnt, dass du gerade von einem CE-Training aus Quantico zurückgekommen bist. Du hast ganz schön was vorzuweisen.«

»Es ist gut, wenn man in allen Bereichen Erfahrungen sammelt. Man steht immer vor neuen Herausforderungen und bleibt im Gespräch. »Derek beugte sich vor, und Sloane spürte seinen harten Blick, ohne dass sie ihn ansah. »Und was ist mit dir? Du genießt das Leben einer privaten Ermittlerin mit fetten Honoraren?«

»Man steht immer vor neuen Herausforderungen und bleibt im Gespräch«, wiederholte sie und hob den Kopf. »Und es zahlt sich aus, wenn man sein eigener Chef ist. Ich muss mich nicht immer an die Vorschriften halten.« Ohne es zu bemerken, umklammerte Sloane die Akte so fest, dass eine Ecke gegen ihre vernarbte Hand stieß. Sie zuckte zusammen und versuchte, sich zu entspannen.

Dereks Blick wanderte von ihrer Hand zu ihrem Gesicht. Seine Miene veränderte sich nicht. »Immer noch Schmerzen?«

»Das ist wohl kaum zu vermeiden, wenn dir jemand mit einem Messer die Hand halb aufschlitzt. Dann drei Operationen und dreizehn Monate Physiotherapie.« Sloane war nicht auf Mitleid aus, und darauf brauchte sie bei Derek auch nicht zu hoffen. »Das ist einer der Gründe, warum es gut für mich ist, selbstständig zu sein. Ich brauche flexible Arbeitszeiten. Ich muss ständig zu meiner Handtherapeutin.«

»Drei Operationen?« Derek kniff verwundert die Augen zusammen. Sie hatten nur während der ersten Operation Kontakt gehabt. Es war die Not-OP, damit sie nicht verblutete. »Warum?«

»Komplikationen«, erwiderte Sloane knapp. »Starke Narbenbildung, eine gerissene Sehne, ein Nerv war beschädigt … Es war ein anstrengendes Jahr.« Sloane nahm Pennys Akte in die Hand und stand auf. Ihre Körpersprache verriet, dass das Thema für sie beendet war. »Jetzt habe ich dich lange genug aufgehalten. Falls ich auch nur den kleinsten Hinweis finde, wo Penny sich aufhalten könnte, informierte ich dich auf der Stelle.«

»Hier sind meine Telefonnummern«, sagte Derek, der sie immer noch musterte. Er stand auf und gab ihr die vertraute Visitenkarte des FBI mit dem offiziellen Logo, auf der auch seine Privatnummer und seine Handynummer standen.

»Danke«, sagte Sloane freundlich. Sie zog eine Visitenkarte aus der Tasche und gab sie ihm über den Tisch hinweg. »Da ist meine. Ich glaube nicht, dass du mich kontaktieren musst, aber für den Fall der Fälle hast du hier alle Nummern, die du brauchst.«

Derek sah auf die Karte, auf der ihre Büro- und Handynummer standen, allerdings keine Adresse, sondern nur ein Postfach in Hunterdon County, New Jersey. »Hast du dir in dem Ferienhaus deiner Eltern ein Büro eingerichtet?«, fragte er.

»Ja, ich wohne auch dort. Meine Eltern sind nach Florida gezogen. Ich habe ihnen das Haus abgekauft. Es ist perfekt für meine Bedürfnisse. Klein, unaufwändig und ein Zimmer, das ich als Büro nutzen kann. Drum herum anderthalb Hektar Land, das wir erkunden können. Meine Jagdhunde sind begeistert. Und es ist auch ideal fürs Bogenschießen.«

»Schießt du wieder?«

»Seit Kurzem. Aber nur mit Pfeil und Bogen.«

»Warum nicht? Es geht darum, das Ziel zu treffen. Ein Bogen, eine Waffe – wo ist da der Unterschied?«

»Ungefähr vier Pfund Druck auf dem Zeigefinger, wenn man den Schuss auslöst, und eine ganze Menge Geschicklichkeit und Kontrolle. Im Augenblick fehlt mir beides. Vielleicht für immer.« Sloane ging um den Tisch herum, ohne Derek einen Blick zuzuwerfen, und direkt auf die Tür zu. »Wie schon gesagt, schön, dass du dich nicht verändert hast. Immer noch so einfühlsam. Immer bereit, Nachsicht mit anderen zu üben. Ich melde mich.«

4. Kapitel

Datum: 24. MärzUhrzeit: 22.00 Uhr

Ich genieße die Zeit in diesem Raum.