Das Buch, das (fast) alles erklärt - Jennifer Sieglar - E-Book

Das Buch, das (fast) alles erklärt E-Book

Jennifer Sieglar

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Beschreibung

Wer kennt das Gefühl nicht: Egal, ob beim Feierabenddrink mit Kolleginnen, beim Klassentreffen oder beim Abendessen mit den Schwiegereltern – während sich das Gespräch in Richtung niedriger Leitzins oder neueste Entwicklungen im Nahostkonflikt entwickelt, merkt man, dass man zu wenig weiß, um mitreden zu können. Wenn es um vermeintliches Allgemeinwissen aus Politik, Wirtschaft und Weltgeschehen geht, sind wir oft überfordert. Die beiden bekannten Fernsehjournalisten Jennifer Sieglar und Tim Schreder sorgen in diesem Buch dafür, dass wir endlich wieder durchblicken. Sie erklären Themen wie den Föderalismus in Deutschland, G7 und G8, die Klimakrise, Verschwörungstheorien oder die EU endlich verständlich und liefern dabei spannende Einblicke hinter die Kulissen der Nachrichtenwelt.

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Das Buch erschien 2021 unter dem Titel „Nie wieder keine Ahnung“.

 

© Piper Verlag GmbH, München 2023Covergestaltung: FAVORITBUERO, MünchenCovermotiv:Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

 

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Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem Buch (etwa durch Links) hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen. Eine Haftung dafür übernimmt der Verlag nicht.

 

 

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Einleitung

1Von Wählenden und Gewählten – Wer in Deutschland das Sagen hat

Unsere Lieblingsherrschaftsform: die Demokratie

Kommunalwahlen

Bürgermeister- und Bürgermeisterinnenwahl und Landrats- bzw. Landrätinnenwahl

Landtagswahlen

How to – Wählen am Beispiel der Landtagswahlen

Regierungsbildung durch Koalitionen

Die Bundestagswahl und die Organisation der Bundesregierung

Wie der Bundestag arbeitet

Wie entstehen Gesetze?

Und was macht eigentlich die Opposition?

Wer darf überhaupt wählen?

2Gut gedacht, nicht so gut gemacht – Die Europäische Union

Eine kleine Geschichte der Europäischen Union

Wie die EU organisiert ist

Warum die Europäische Union zwar nervt, aber trotzdem eine gute Sache ist

Die Gesetzgebung in der Europäischen Union

3Wenn sich Länder zusammentun – UN, G7, G20, NATO und andere Bündnisse

Vereinte Nationen

G7 und G20

Die NATO

4Die gordischen Knoten der Weltpolitik – vom Nahostkonflikt bis zur Krimkrise

Der Nahostkonflikt

Krieg in Syrien

Der Kurdenkonflikt in der Türkei

Krimkrise

Krieg im Jemen

5Die wichtigsten Preise der Welt – Nobelpreise, Oscars und weitere Auszeichnungen

Wissenschaft, Gesellschaft und Frieden

Film, Fernsehen und Musik

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

6Für viele der Höhepunkt jeder Nachrichtensendung – Sport

Rennen, Kämpfen und Springen – Leichtathletik

Coole Sache – Wintersport

König Fußball regiert die Welt

Im Rausch der Geschwindigkeit – Motorsport

Bergetappen und Dopingskandale: Der Radsport

Was sonst noch in der Sportwelt wichtig ist

7Unser größter Feind ist winzig klein – Corona und andere Pandemien

Wie alles begann

Wildtiermarkt oder Biolabor? Woher Corona kommt

Von China in die Welt, eine Pandemie – SARS-CoV-2 und COVID-19

Was macht ein Virus eigentlich mit uns? RNA und Antikörper

Warum uns ausgerechnet SARS-CoV-2 in die Knie zwang

Pandemiebekämpfung – Kontaktnachverfolgung, Lockdown und Impfstoff

Impfungen, die Rettung in der Not?

Mutationen – der Rettungsversuch des Virus

Wie geht es weiter?

8Länder machen, was sie wollen – Föderalismus

Warum ist Deutschland eigentlich föderal organisiert?

Die Gewaltenteilung

Welche Gerichte gibt es in Deutschland?

Wie der Föderalismus in der Praxis funktioniert

Unser Fazit zum Föderalismus

9Warum Aluhüte nicht gegen Chemtrails helfen – Verschwörungstheorien

Was ist überhaupt eine Verschwörungstheorie?

Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien?

Die Rolle von Internet und Social Media

Chemtrails, Reptiloide und Corona – Populäre Verschwörungstheorien

Sind wir wirklich allein? Ufos, Area 51 und die Entführungsakten

Regiert in Wirklichkeit eine geheime Elite? Illuminaten, Tempelritter und QAnon

Die Erzählung der bösen Pharmaindustrie – Corona, Aids und Ebola

Was kann man dagegen tun?

10Zerstören wir uns am Ende selbst? – Klimawandel und Nachhaltigkeit

Warum es immer wärmer wird – Der Treibhauseffekt

Was passiert, wenn wir nichts tun – Die Klimakatastrophe

Was wir tun müssen – Klimaanpassung und Klimaschutz

Werden wir am Ende alle im Klimachaos sterben?

11Fluch oder Segen für die Menschheit? – Atomkraft

Atomkraftwerke

Die Bombe

Der Fall Iran

Der Fall Nordkorea

12Black Lives Matter – die verspätete Rassismusdiskussion

Die Black-Lives-Matter-Bewegung

Kolonialismus, Sklaverei und Rassentrennung

Rassismus als strukturelles und systemisches Phänomen

Rassismus und Polizeigewalt in Deutschland

White Privilege

13Am Ende geht es immer nur ums Geld – Vom Dax bis zum Bruttoinlandsprodukt

Wie funktionieren eigentlich Aktien und der Börsenhandel?

Was Zentralbanken und Leitzins mit der Immobilienkrise zu tun haben

Staat und Geld: Bruttosozialprodukt, BIP und Konjunktur

Dank

Empfehlungen zum Weiterlesen

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Einleitung

Es gibt sie, diese Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen müssten, aber wenn es hart auf hart kommt, wissen wir oft doch nicht Bescheid. Dann müssen wir mit den Schultern zucken und zugeben: »Keine Ahnung!« Passiert das im Gespräch mit dem besten Freund, ist es halb so wild, beim ersten Date ist es unangenehm, beim Mittagessen mit Kolleginnen und Kollegen peinlich, beim Vorstellungsgespräch womöglich berufsschädigend und beim Gespräch mit dem Schwiegervater eine Katastrophe. Wie genau fing das mit dem Nahostkonflikt noch mal an? Was entscheidet in Deutschland der Bund und was die Länder? Wie war das noch mal mit dem Leitzins? Wem gehört jetzt eigentlich die Krim? Was war noch mal der Unterschied zwischen dem Europäischen Rat und dem Rat der Europäischen Union? Sind Elektroautos und Kernenergie jetzt eigentlich besser für Klima und Umwelt oder nicht? Welche Begriffe sind denn nun rassistisch und welche nicht? Was ist bitte schön der Unterschied zwischen Champions und Europa League, und welche verschiedenen Nobelpreise gibt es noch gleich? Könnten Sie all diese Fragen, ohne ins Schlittern zu geraten, beantworten? Wahrscheinlich nicht, denn so gut wie niemand könnte das. Selbst die allermeisten Journalistinnen und Journalisten, deren täglicher Job es ist, sich damit zu beschäftigen, was auf der Welt passiert, wüssten nicht alle Antworten. Das ist nicht schlimm – es ist ganz normal. Dinge, mit denen wir uns nicht täglich beschäftigen, die uns nicht direkt selbst betreffen, vergessen wir nach kurzer Zeit wieder. Man könnte meinen, dass das in der heutigen Zeit nicht so schlimm ist, weil man alle Informationen im Handumdrehen online nachlesen kann. Doch das Gegenteil ist der Fall. Im Internet auf die Schnelle kompakte und seriöse Informationen und Erklärungen zu finden, ist schwieriger geworden – womöglich so schwierig wie nie zuvor. In der Fülle der Informationen genau die gewünschte zu finden kann sehr lange dauern. Außerdem sind Falschinformationen und Verschwörungstheorien auf dem Vormarsch und seriöse und dubiose Quellen auf den ersten Blick kaum voneinander zu unterscheiden. Gerade während der Coronapandemie hat sich noch mal ganz besonders gezeigt, wie wichtig es ist, jederzeit gut informiert zu sein. In einer Welt, die sich immer schneller dreht und in der das politische Klima und die Diskussionskultur immer rauer werden, ist es umso wichtiger, im Alltag fundiertes Wissen parat zu haben.

Das ist die Ausgangslage, die uns motiviert hat, dieses Buch zu schreiben. Wir sind Journalistin und Journalist aus tiefstem Herzen (und nebenbei erwähnt ein Ehepaar). Für die Kindernachrichtensendung logo! sind wir seit einem Jahrzehnt in der Welt unterwegs, um in Reportagen und im Studio komplizierte Nachrichten und Konflikte dieser Welt so zu erklären, dass sie auch Zehnjährige verstehen. Als Moderatorin der Hessenschau-Nachrichten im hr-fernsehen und Moderator des täglichen Morgenmagazins Live nach neun im Ersten sind wir jeden Tag nah dran an dem, was passiert. So entstand die Idee für das Buch, das Sie gerade in den Händen halten. Gut dreihundert Seiten, auf denen Sie alles über Politik, Wirtschaft und Zeitgeschehen erfahren werden, was Sie wissen müssen, um nie wieder keine Ahnung zu haben. Wer dieses Buch gelesen hat, wird Nachrichten aus einer völlig neuen Perspektive sehen und Zeitungen mit mehr Gewinn lesen können. Sie werden Dinge verstehen und sehen, die Ihnen zuvor verborgen geblieben sind. Sie werden Falschinformationen schnell erkennen, und statt Fragen zu stellen, werden Sie die Fragen anderer beantworten können. Und in Gesprächen, egal ob privaten oder beruflichen, werden Sie sich viel sicherer fühlen.

Also ist dies ein Buch, das alles erklärt? Das wäre eine vermessene Behauptung. Dieses Buch erklärt natürlich nicht alles – erst recht nicht bis ins letzte Detail. Stattdessen geht es uns um die Grundlagen, die man wirklich verstehen sollte. Ein »Was bisher geschah« für die Welt der Nachrichten. Wir haben populäre Nachrichtensendungen, Zeitschriften und Onlineportale systematisch nach den Themen und Nachrichten durchsucht, die immer wieder vorkommen und die Informationen beinhalten, die man unserer Einschätzung nach erklären muss. Das können historische oder politische Hintergründe sein, die man kennen muss, um einen bestimmten Konflikt zu verstehen, oder aber bestimmte Begriffe, die in der täglichen Berichterstattung einfach vorausgesetzt werden. Unsere Themenauswahl ist dabei sehr breit. Wir beschäftigen uns mit Innenpolitik, den großen Konflikten in der Weltpolitik, aber auch mit vermeintlich banaleren Themen wie Kultur und Sport. Schließlich sollen Sie zukünftig auch in einem Gespräch über die Oscars, den neuen Formel-1-Weltmeister oder die Verleihung der Nobelpreise glänzen können! Aus aktuellem Anlass haben wir auch den populärsten Verschwörungstheorien ein eigenes Kapitel gewidmet. Weil dieses Buch selbstverständlich keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, geben wir Ihnen am Ende noch unsere persönlichen Literatur-, Doku- und Filmtipps, mit denen Sie Ihr Wissen in den unterschiedlichen Bereichen weiter vertiefen und festigen können.

Ein Thema, das uns persönlich sehr beschäftigt, ist das wachsende Misstrauen gegenüber dem Journalismus und den Medien. Wir glauben, dass hier nur Transparenz hilft. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, Ihnen am Ende jedes Kapitels spannende Hintergründe und Zusatzinformationen über den Journalismus und das Mediengeschehen an die Hand zu geben. Sie werden erfahren, warum es in Deutschland so viele unterschiedliche öffentlich-rechtliche Sender gibt, wie Kriegs- und Krisenberichterstattung funktioniert, wie Sie Nachrichten auf ihre Seriosität hin überprüfen können, wo Sie gute Filme und Musik finden und wieso mittlerweile eigentlich alle Sportveranstaltungen von einem anderen Anbieter übertragen werden. Seien Sie gespannt!

Wir empfehlen Ihnen, dieses Buch chronologisch von vorne nach hinten zu lesen. Wir starten zunächst mit ein paar politischen Grundlagen und arbeiten uns von Deutschland ins Ausland vor. Anschließend kümmern wir uns um die großen Konflikte der Weltpolitik, um uns dann thematisch etwas zu öffnen und auf unterschiedliche Themenfelder aus Politik, Wirtschaft und Zeitgeschehen zu blicken. Nach dem ersten Lesen können Sie dieses Buch wunderbar als Nachschlagewerk benutzen. Wir haben deshalb mit vielen Zwischenüberschriften gearbeitet und die entscheidenden Begriffe fett markiert. So finden Sie zu einem späteren Zeitpunkt schnell und einfach die entscheidenden Textpassagen wieder.

Legen wir los!

1Von Wählenden und Gewählten – Wer in Deutschland das Sagen hat

Wissen Sie, was das Grandiose ist? Sie haben das Sagen! Zumindest, was die Politik in Deutschland betrifft. Gut, Sie sind nicht allein, etwa 60 Millionen weitere Menschen haben ebenfalls ein Wörtchen mitzureden. Aber so ist das nun mal in einer Demokratie. In den ersten Kapiteln dieses Buchs wollen wir klären, wie Deutschland, die EU und die Welt politisch funktionieren. Das Verständnis unseres politischen Systems wird der Grundstein für das sein, was dann noch kommt. Wir starten mit Deutschland und einer Erläuterung der Herrschaftsform, in der wir leben: der Demokratie. Wir schauen uns an, welche Wahlen es gibt und wer überhaupt wählen darf. Außerdem werfen wir einen Blick auf die wichtigsten Parteien in Deutschland, denen Sie Ihre Stimme geben können. Der Föderalismus wird in einem späteren Kapitel noch mal ein eigenes Thema sein – denn Deutschland ist streng genommen nicht nur ein, sondern sechzehn Länder.

Unsere Lieblingsherrschaftsform: die Demokratie

Wer regiert eigentlich ein Land? Das regelt die Herrschaftsform, also die Art und Weise, wie und wer in unserem Staat die Macht hat und regiert. Googelt man, welche verschiedenen Herrschaftsformen es gibt, findet man als Erstes die Monarchie, bei der eine Herrscherin oder ein Herrscher das Sagen hat. Hier steht also ein König, eine Kaiserin oder ein Fürst an erster Stelle des Staates. Das Unfaire daran – ein König wird nicht aufgrund seines Könnens König, sondern einfach nur, weil er in die passende Adelsfamilie geboren wurde. Diese – wie wir finden – ziemlich absurde Herrschaftsform gibt es zum Beispiel noch in Saudi-Arabien, im Oman und im afrikanischen Staat Eswatini, den Sie vielleicht unter seinem früheren Namen Swasiland kennen. Auch in Großbritannien oder Dänemark existieren noch Monarchien. Allerdings erfüllen Queen Elisabeth II. und Königin Margrethe II. meist nur repräsentative Funktionen und überlassen die Regierungsgeschäfte den gewählten Parlamenten ihrer Länder.

Eine weitere Herrschaftsform ist die Diktatur, bei der ein Diktator, eine politische Partei oder eine bestimmte Gruppe die absolute politische Macht hat. Deutschland war zu Zeiten von Adolf Hitler eine Diktatur, in der viele Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit und die Meinungsfreiheit aufgehoben wurden. Zu den wenigen Diktaturen, die es in der heutigen Zeit noch gibt, gehört das Land Nordkorea. Dort herrscht auf perfide Art und Weise die Familie Kim (bis zu seinem Tod 2011 herrschte Kim Jong-il, seitdem herrscht sein Sohn Kim Jong-un) zusammen mit dem Militär. In Nordkorea werden die Menschenrechte missachtet, Kritik an der staatlichen Führung ist verboten, die Medien werden kontrolliert, und niemand darf das Land verlassen.

Dann gibt es noch viele weitere absurde Herrschaftsformen wie zum Beispiel die Timokratie, die Tim – wenig überraschend – direkt ins Auge sprang. Dabei herrschen vereinfacht gesagt einfach die Reichen. Wir sind keine Fans.

Außerdem fanden wir noch die Bierokratie interessant, erfunden von der österreichischen Bierpartei, die im Jahr 2019 bei der Nationalratswahl zu wählen war. In einer Bierokratie geht alle Macht vom Bier aus, sagen die Erfinder. Die Partei bekennt sich zur Meinungsfreiheit wie zur freien Wahl des Bieres. Außerdem heißt es im Wahlprogramm »trinktechnisch weniger begabte Menschen« bedürften besonderer Förderung. Vielfalt und Individualität in der Braukultur seien eine Bereicherung des Lebens, folglich müsse fremden Bieren gegenüber Toleranz geübt werden. Wir finden ja, die Bierokratie könnte parallel zur Demokratie angewendet werden. In Maßen, versteht sich.

Kommen wir zu der Herrschaftsform, in der wir seit 1949 leben. Wir würden behaupten, dass es die schönste von allen ist: die Demokratie. Hier kann man eigentlich nur ins Schwärmen geraten, denn in einer Demokratie hat nicht ein Herrscher, eine Herrscherin oder eine Adelsfamilie das Sagen, auch kein alkoholisches Getränk, sondern alle. Juhu! Ach nee. Doch nicht. Nur alle ab einer bestimmten Altersgrenze haben das Sagen. Aber immerhin! Die wörtliche Übersetzung des griechischen Wortes Demokratie lautet »Herrschaft des Volkes«. Früher wurde diese Herrschaft des Volkes wirklich als direkte Demokratie verstanden. Heißt: Die Bürgerinnen und Bürger trafen sich auf dem Marktplatz und beschlossen gemeinsam, was getan werden sollte. Dass sich heute 60 Millionen wahlberechtigte Deutsche irgendwo versammeln und gemeinsam politische Beschlüsse treffen, ist eine recht absurde Vorstellung. Dann würden wir wohl noch langsamer vorankommen, als wenn Jens Spahn und die EU zusammen Impfstoff bestellen.

In Deutschland gibt es deshalb die repräsentative Demokratie. In Kürze und theoretisch funktioniert das so: Alle paar Jahre gibt es Wahlen. Dabei wählen alle zur Wahl berechtigten Personen ihre Repräsentanten und Repräsentantinnen, die ihre Interessen vertreten. Sie repräsentieren also die Meinung der Bürgerinnen und Bürger, und so herrscht das Volk quasi selbst, aber eben über den Umweg einer Interessenvertretung, die wir Politikerinnen und Politiker nennen. Wem beispielsweise Klima- und Umweltschutz wichtig ist, der wählt Politiker, die sich genau dafür einsetzen. Wem die Wirtschaft wichtig ist, der wählt Vertreterinnen, die der Wirtschaft nahestehen und sich beispielsweise für Steuersenkungen für Unternehmen starkmachen. Die gewählten Vertreter ziehen dann in ein Parlament ein. Dort sitzen sie zusammen und machen Politik. Wenn sich hier jede und jeder Einzelne für ganz unterschiedliche Dinge einsetzen würde, entstünde ein ziemliches Kuddelmuddel. Die Situation wäre wahrscheinlich nicht viel besser als früher auf dem Marktplatz, wo alle durcheinanderschrien. Auf diese Art und Weise zu gemeinsamen Positionen und Beschlüssen zu kommen wäre schwierig. Also schließen sich Politikerinnen und Politiker mit ähnlichen Interessen zu Parteien zusammen, um ihren Interessen gemeinsam mehr Gewicht zu verleihen.

So weit die Theorie. Als Nächstes schauen wir uns an, wie die Demokratie in Deutschland ganz praktisch funktioniert. Als roter Faden werden uns dabei die unterschiedlichen Wahlen dienen, bei denen Sie hoffentlich regelmäßig ihre Kreuzchen machen. Dabei arbeiten wir uns von der untersten Ebene, der Kommune, bis zur obersten Ebene, dem Bund, vor.

Kommunalwahlen

Die kleinste, nennen wir sie mal Einheit, in der wir auf staatlicher Ebene leben, ist die Kommune. Das kann das kleine Dorf sein, in dem Sie wohnen, die Gemeinde oder die Stadt. Circa 11 000 Kommunen gibt es in Deutschland. Die größte ist Berlin, die beiden kleinsten liegen in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Sowohl auf der Mini-Insel Gröde als auch in Dierfeld in der Vulkaneifel wohnten Ende 2019 jeweils gerade mal zehn Menschen. Alle Kommunen sind einem Landkreis zugeordnet. Wenn Sie zum Beispiel in Langenselbold in Hessen wohnen, dann gehören Sie zum Landkreis Main-Kinzig-Kreis. Insgesamt gibt es 294 Landkreise in Deutschland.

An dieser Stelle im Buch müssen wir eine Warnung aussprechen. Deutschland ist leider von Einheitlichkeit in den politischen Bezeichnungen weit entfernt. Böse Zungen würden sagen, es herrscht ein Namenschaos. Landkreise heißen beispielsweise nicht überall Landkreise. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werden die Landkreise nur Kreise genannt. Wir werden in diesem Kapitel der Einfachheit halber dennoch bei der Bezeichnung Landkreis bleiben.

Keine Regel ohne Ausnahme – das gilt nicht nur für die Namen, sondern auch für die Organisationsform. Neben diesem klassischen Aufbau in Kommune und Landkreis gibt es in Deutschland auch noch 107 kreisfreie Städte. Frankfurt am Main zum Beispiel. Kreisfreie Städte sind Kommune und Landkreis in einem. Sie sind also eine Stadt, die die klassischen Aufgaben eines Landkreises gleich selbst miterledigt.

Die Politikerinnen und Politiker, die in der Kommune und im Landkreis das Sagen haben, müssen natürlich gewählt werden, und zwar bei den Kommunalwahlen. Wenn Sie also in Langenselbold wohnen (wir haben die Stadt völlig zufällig gewählt und waren beide noch nie dort, schreiben Sie uns gerne, ob wir was verpasst haben), dann wählen Sie bei der Kommunalwahl zum einen die Personen, die Sie auf der städtischen Ebene vertreten sollen. Diese sitzen dann für Sie in der Stadtverordnetenversammlung von Langenselbold. Um es bloß nicht zu übersichtlich zu machen, weisen wir an dieser Stelle noch darauf hin, dass die Stadtverordnetenversammlung in manchen Bundesländern auch Gemeindevertretung, Stadtrat oder Verbandsgemeinderat heißt. Teilweise sind die Bezeichnungen sogar innerhalb eines Bundeslandes unterschiedlich. Was das soll, fragen wir uns auch. Außerdem wählen Sie auch Personen, die Sie auf der Ebene des Kreises vertreten sollen. Diese sitzen dann zukünftig im sogenannten Kreistag des Mainz-Kinzig-Kreises. Im Sonderfall einer kreisfreien Stadt wählen Sie bei den Kommunalwahlen übrigens nur die Vertreterinnen und Vertreter für die Stadtverordnetenversammlung. Die erledigen die Aufgaben des Kreistages gleich mit.

Wir merken uns an dieser Stelle: Die unterste Organisationsebene in Deutschland ist die Kommune mit der Stadtverordnetenversammlung, darüber kommt der Landkreis mit dem Kreistag. Die Vertreterinnen und Vertreter in diesen beiden Parlamenten wählen Sie bei den Kommunalwahlen. Anders, als viele denken, ist das übrigens eine durchaus wichtige Wahl. Der Zustand des Bürgersteigs vor Ihrer Haustür, wie abgerockt das Schulgebäude und der Radweg aussehen, wie gut die Jugendfreizeiteinrichtungen sind, ob es mehr bezahlbaren Wohnraum gibt und wie oft der Bus fährt – auf all das hat die Kommunalpolitik wesentlichen Einfluss.

Bürgermeister- und Bürgermeisterinnenwahl und Landrats- bzw. Landrätinnenwahl

Stadtverordnetenversammlung und Kreistag sind nun also gewählt und bestückt, jetzt brauchen beide noch eine Chefin oder einen Chef. Arbeiten wir uns wieder von unten nach oben vor. In der Kommune hat eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister das Sagen – als Oberhaupt der Stadtverordnetenversammlung. Die Bürgermeisterin wird von den Menschen in der Kommune in einer gesonderten Direktwahl gewählt. Man wählt dabei also keine Partei, sondern direkt eine Person, die Mitglied einer Partei sein kann, aber nicht zwingend sein muss. Bei Bürgermeisterwahlen in kleinen Kommunen treten oft parteilose Kandidatinnen und Kandidaten an. Nach dem Motto: Der Jupp von nebenan hat das Dorf hier doch gut im Griff! Da die Wahl des Bürgermeisters völlig losgelöst ist von der Wahl der Stadtverordnetenversammlung, kann es dabei zu kuriosen Kombinationen kommen. In Frankfurt am Main beispielsweise gab es mit Peter Feldmann einen Oberbürgermeister der Partei SPD, während in der Stadtverordnetenversammlung CDU und Grüne die Regierung stellten. Jetzt gerade haben wir Ihnen noch einen weiteren Begriff untergejubelt. In größeren Städten wie Frankfurt heißt die Bürgermeisterin nämlich Oberbürgermeisterin. Aber Achtung – trotzdem gibt es oft auch noch Bürgermeister und Dezernenten, die für bestimmte Themen zuständig sind. In einer so großen Stadt kann eben einer nicht alles alleine machen. Vor allem in kleineren Orten fehlt es übrigens immer öfter an Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Das könnte dem Umstand geschuldet sein, dass das Bürgermeisteramt in kleinen Kommunen eine ehrenamtliche Aufgabe ist. Erst in mittelgroßen Städten arbeiten Bürgermeisterinnen hauptamtlich, es ist dann also ihr richtiger Beruf.

Eine Ebene höher nennt man die Chefin oder den Chef des Kreistags Landrätin oder Landrat. Auch die werden in Direktwahlen gewählt und kümmern sich darum, die Beschlüsse des Kreistags umzusetzen, die alltäglichen Geschäfte sowie die Verwaltung am Laufen zu halten und den Kreis nach außen hin zu repräsentieren. Wir haben also bereits vier unterschiedliche Wahlen kennengelernt. Bei den Kommunalwahlen werden Stadtverordnetenversammlung und Kreistag gewählt, Bürgermeister und Landrätin werden durch gesonderte Direktwahlen bestimmt. Damit hätten wir die Wahlen der politischen Vertreterinnen und Vertreter auf Ebene der Kommunen und Kreise vollständig abgehakt und wagen uns als Nächstes auf die Ebene der Bundesländer vor.

Landtagswahlen

Die nächsthöhere Ebene ist die Landesebene. Wir haben gelernt: Alle Städte und Gemeinden gehören zu Landkreisen. Und mehrere Landkreise bilden wiederum ein Bundesland, manchmal auch nur kurz Land genannt. Unser geliebtes Langenselbold gehört also zum Main-Kinzig-Kreis, und der Main-Kinzig-Kreis gehört zum Bundesland Hessen. Insgesamt gibt es in Deutschland 16 solcher Bundesländer. Aber Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn es so einfach wäre. Berlin, Hamburg und Bremen gehören zwar formal zu den Bundesländern in Deutschland, sind aber eigentlich Stadtstaaten, was bedeutet, dass sie Bundesland, Kommune und Kreis in einem sind. Die Freie Hansestadt Bremen ist dabei noch mal ein Sonderfall im Sonderfall, weil sie ein Stadtstaat ist, der aus zwei Städten besteht – Bremen und Bremerhaven. Die anderen 13 Bundesländer sind sogenannte Flächenländer. Die Verwirrung wird komplett, wenn wir uns die Parlamente dieser 16 Bundesländer anschauen. Die haben – wer hätte es geahnt – nämlich auch noch mal unterschiedliche Bezeichnungen. In Flächenländern wie Hessen oder dem Saarland heißt das Parlament Landtag. In Bremen und Hamburg heißt der Landtag Bürgerschaft und in Berlin Abgeordnetenhaus. Wir bleiben in diesem Kapitel bei dem Mehrheitsbegriff Landtag.

Die 16 deutschen Bundesländer und Stadtstaaten

 

Die Politikerinnen und Politiker, die uns im Landtag vertreten, werden bei den Landtagswahlen gewählt. Wichtiger Unterschied an dieser Stelle: Während in Flächenländern die Kommunalparlamente, der Bürgermeister und die Landrätin sowie der Landtag in unterschiedlichen Wahlen gewählt werden müssen, gibt es in Stadtstaaten lediglich eine einzige Wahl, in der alles in einem Abwasch gewählt wird.

Bei Landtagswahlen wählen die Bürgerinnen und Bürger die Partei, die ihren eigenen politischen Vorstellungen am ehesten entspricht. Um das herauszufinden, könnte man theoretisch vor jeder Wahl die Programme der unterschiedlichen Parteien durcharbeiten, doch das sind derart dicke Wälzer, dass man sich für diese Methode vor der Wahl mehrere Wochen Urlaub nehmen müsste. Kleiner Tipp an dieser Stelle: Immer mehr Parteien fassen ihre Wahlprogramme mittlerweile stark verkürzt auf wenigen Seiten zusammen und stellen sie online zur Verfügung. Es gibt auch den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung, mit dessen Hilfe man die eigene Meinung zu bestimmten politischen Thesen mit dem jeweiligen Standpunkt der Parteien abgleichen kann. Oder aber Sie lesen einfach die nächsten paar Seiten, auf denen wir Ihnen die wichtigsten Parteien Deutschlands kurz und kompakt vorstellen. Anschließend werden wir erklären, wie auf Landes- und Bundesebene Regierungen gebildet werden.

Die wichtigsten Parteien in Deutschland

SPD – Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Die SPD ist die Partei mit den meisten Mitgliedern in Deutschland. Außerdem ist sie die älteste Partei, die es in der Bundesrepublik gibt. Sie wurde um das Jahr 1870 gegründet, als in Deutschland viele Menschen unter schlechten Bedingungen in Fabriken arbeiten mussten. Seitdem setzt sich die SPD vor allem für die Arbeiterinnen und Arbeiter ein – steht also nicht unbedingt auf der Seite der Chefetage. Deswegen wird sie auch heute noch als Arbeiterpartei beschrieben. Seit der ersten Bundestagswahl 1949 ist die SPD immer im Bundestag vertreten. Die Ziele der Partei: Sie will für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen und sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Fabriken und Firmen fair bezahlt werden. Die SPD hat einen Mindestlohn durchgesetzt, damit alle von ihrer Arbeit einigermaßen gut leben können. Ein weiteres Thema der SPD ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Da politische Ansichten häufig in links und rechts eingeteilt werden, hier die Info, wo die SPD auf diesem Spektrum einzuordnen ist: Sie steht etwas links der Mitte.

CDU – Christlich Demokratische Union

Die CDU ist die Partei mit den zweitmeisten Mitgliedern in Deutschland. Es gibt sie in allen Bundesländern außer in Bayern. Die CDU versteht sich, genau wie die SPD, als Volkspartei, sie will also möglichst viele Menschen mit ihrer Politik erreichen. Ihr Programm gilt als konservativ, liberal und christlich-sozial. Was genau das heißt? Das kann man seit 2005 live beobachten, denn seitdem regiert die CDU in Deutschland. Aufgrund ihrer konservativen Einstellung wird die CDU eigentlich eher etwas rechts von der Mitte eingeordnet. Doch seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, wurde so manche konservative Position der CDU aufgegeben – und die Partei dadurch weiter in die Mitte gezogen: Dass unter Regierungsbeteiligung der CDU einmal die gleichgeschlechtliche Ehe, der Mindestlohn und eine Frauenquote mitgetragen werden, wäre früher unvorstellbar gewesen. Und 2015 überraschte Merkel viele Anhängerinnen und Anhänger, als sie Hunderttausende Geflüchtete einreisen ließ. So wurde von vielen Seiten die Kritik geäußert, die CDU sei in den letzten Jahren immer näher an die SPD und an die Grünen gerückt.

CSU – Christlich Soziale Union

Die CSU wird oft als Schwesterpartei der CDU beschrieben. Es gibt sie ausschließlich im Bundesland Bayern, und hier ist sie seit 1946 fast immer in der Regierung. Auf Bundesebene arbeitet sie standardmäßig mit der CDU zusammen. Auch in der Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel hatten sich CDU und CSU zusammengetan und waren ein Bündnis mit der SPD eingegangen. Wenn man CDU und CSU zusammen ansprechen will, sagt man CDU/CSU oder direkt Union. Die CSU vertritt ähnliche Ansichten wie die CDU, legt sie aber häufig noch konservativer aus. Die Flüchtlingspolitik Angela Merkels wurde von der CSU zum Beispiel heftig kritisiert. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik vertritt die CSU im Gegensatz zur CDU sozialere Ansichten – der Name ist also Programm. Dass CDU und CSU auch Konkurrenten sein können, sah man Anfang 2021, als unklar war, welche der beiden Schwesterparteien den Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl stellt. Da hört die Freundschaft dann doch auch mal kurz auf. Einen CSU-Kanzler hat es bis zum Redaktionsschluss dieses Buches übrigens noch nie gegeben. Und noch ein interessanter Fakt: Nur gut 21 Prozent der Menschen, die in der CSU sind, sind weiblich. Zur Links-rechts-Einordnung kann man sagen: Die CSU gilt als etwas rechter als die CDU.

Die Grünen – Bündnis 90/Die Grünen

Bei der Gründung der Partei stand, wie man am Namen unschwer erkennen kann, der Umweltschutz im Mittelpunkt. Der Name mit dem Schrägstrich in der Mitte entstand, weil sich im Jahr 1993 »Die Grünen« mit der Partei »Bündnis 90« zusammengetan haben, die in den ehemaligen DDR-Bundesländern zur Wahl angetreten war. Es ist also wie bei einer Heirat, bei der beide Partner ihren Namen behalten wollen und einer einen Doppelnamen annimmt. Die Partei setzt sich für eine drastische Ausstoßreduzierung des schädlichen Klimagases CO2 ein und will möglichst schnell komplett auf erneuerbare Energien umsteigen. Sie will die Europäische Union stärken und zum Beispiel erreichen, dass diese Steuern erheben darf. (Wie die EU eigentlich funktioniert, erklären wir in Kapitel 2.) Die Grünen sind außerdem für sichere Fluchtrouten für Geflüchtete und für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Der Vorsitz der Partei besteht deswegen immer aus einer Doppelspitze, die mit einer Frau und einem Mann besetzt ist. Die Grünen haben mit mehr als 40 Prozent den höchsten Anteil an weiblichen Parteimitgliedern. Kritikerinnen und Kritiker nennen die Grünen gerne eine Verbotspartei. Dies liegt an vergangenen und aktuellen grünen Forderungen wie: Verbot von neuen Ölheizungen, Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor, Forderung nach einem vegetarischen Pflichttag in Kantinen. Viele Menschen empfinden den Ruf nach solchen Maßnahmen als großen Eingriff in ihre Freiheit, die Grünen sehen hingegen keine andere Möglichkeit, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Die Grünen waren schon häufig in Regierungsverantwortung, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Die Partei ist etwas links der Mitte einzuordnen.

DIE LINKE

Die Partei DIELINKE trägt ihr Programm ebenfalls im Namen. Sie ist eine linke, demokratisch-sozialistische Partei. Sie setzt sich gegen Armut, für Klimaschutz ein und fordert mehr Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Außerdem ist sie gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr. Sie möchte einen höheren gesetzlichen Mindestlohn und vereinfachte Zuwanderungsgesetze. DIELINKE entstand 2007 aus der Fusion zweier Parteien: der PDS und der WASG. Diese Entstehungsgeschichte ist zugleich der größte Kritikpunkt an der Partei DIELINKE. Die PDS war die Nachfolgepartei der SED in der ehemaligen DDR. Unter der Führung der SED durfte man die DDR nicht einfach so verlassen. Wer es versuchte, riskierte, an der Grenze erschossen zu werden. Gegnerinnen und Gegner der Regierung wurden bespitzelt und teilweise eingesperrt.

DIELINKE distanziert sich zwar von diesen Taten, allerdings tut sie das für Kritikerinnen und Kritiker der Partei nicht entschieden genug. Deswegen lehnen viele Parteien die Zusammenarbeit mit der LINKEN ab. Diese Meinung wird allerdings immer seltener. Mittlerweile hat die LINKE sogar schon in Thüringen in einem Bündnis mit SPD und Grünen zusammengearbeitet und den Ministerpräsidenten gestellt. Die Partei gilt im politischen Spektrum als links.

FDP – Freie Demokratische Partei

Die FDP will sich für mehr Freiheit für die einzelnen Menschen und für Firmen einsetzen. Ihre Politik gilt als besonders unternehmensfreundlich, das heißt, sie sieht sich eher als Vertreterin der Firmen, nicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Außerdem ist die FDP der Meinung, dass Gesetze das Leben der Menschen in Deutschland nur dort regeln sollten, wo es unbedingt notwendig ist. Das heißt, dass der Staat sich so wenig wie möglich in das Leben der Menschen in Deutschland einmischen soll. Diese Politik wird auch »liberal« genannt. Die FDP war in Deutschland schon oft zusammen mit der CDU/CSU und der SPD an der Regierung beteiligt. Im politischen Links-rechts-Spektrum wird sie mittig bis mittig-rechts eingeordnet.

AfD – Alternative für Deutschland

Die Partei Alternative für Deutschland ist die jüngste Partei, die im Bundestag vertreten ist. Es gibt sie erst seit 2013. Viele Mitglieder der AfD sind Rechtsextreme, die Menschen mit ausländischen Wurzeln nicht in Deutschland haben wollen. Die AfD will die Grenzen streng kontrollieren und die Zuwanderung von Geflüchteten nach Deutschland stark einschränken. Die Partei bezweifelt, dass die Menschen für den Klimawandel verantwortlich sind, und deshalb will sie auch politisch nichts gegen den Klimawandel unternehmen. Außerdem sollen Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen. Die AfD ist gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.

Im März 2021 entschied das Bundesamt für Verfassungsschutz, die AfD als Verdachtsfall einzustufen. Der Verfassungsschutz signalisierte also Zweifel daran, dass die AfD sich als Partei verfassungsgemäß verhält. Diese Beobachtung der AfD wurde vom Verwaltungsgericht Köln allerdings vorerst gestoppt – aber inhaltlich ist noch nicht entschieden, ob die Partei als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden darf. Viele Menschen in Deutschland sind entsetzt und besorgt darüber, dass die AfD mittlerweile in allen Landtagen und im Bundestag vertreten ist. Bislang gibt es keine Partei in Deutschland, die mit der AfD zusammenarbeiten möchte. Mit knapp 18 Prozent weiblichen Mitgliedern bildet die AfD von den hier vorgestellten Parteien das Schlusslicht beim Frauenanteil. Sie gilt politisch als weit rechts.

 

How to – Wählen am Beispiel der Landtagswahlen

Spielen wir doch einfach einmal durch, wie Wählen überhaupt funktioniert. Wir hatten uns ja im vorigen Abschnitt mit den Landtagswahlen beschäftigt, also nehmen wir diese Wahlen als Beispiel.

Vor der Wahl haben wir uns bereits über die Wahlprogramme der unterschiedlichen Parteien informiert. Anschließend gehen wir ins Wahllokal, falls wir nicht schon vorher per Briefwahl gewählt haben. Wahlen finden in Deutschland immer sonntags statt, damit möglichst viele Menschen freihaben. Bei der Landtagswahl hat jeder zwei Stimmen. Das ist zwar etwas verwirrend, ist aber, wie wir sehen werden, tatsächlich sinnvoll. Wir beginnen die Erklärung mit der Zweitstimme, die ist nämlich etwas einfacher zu verstehen und seltsamerweise auch wichtiger als die Erststimme. Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei und bestimmt damit, welche Parteien in welchem Verhältnis im Landtag vertreten sind. Je mehr Zweitstimmen eine Partei also erhält, desto mehr Politikerinnen und Politiker kann die Partei in den Landtag entsenden. Dabei vergibt die Partei die Landtagssitze nach einer vorher festgelegten Liste von Kandidatinnen und Kandidaten – das nennt man »Landesliste«.

Stellen wir uns mal den ausgedachten Landtag des ausgedachten Bundeslandes Famosien vor, der 100 Sitzplätze für die Abgeordneten hat. Der Einfachheit halber haben die Menschen in Famosien mit der Zweitstimme folgendermaßen gewählt:

CDU:

20    Prozent

SPD:

20    Prozent

Grüne:

20    Prozent

FDP:

20    Prozent

LINKE:

19,9 Prozent

AfD:

 0,1 Prozent

 

Nun gucken wir uns die Erststimme an. Mit der Erststimme wählt man keine Partei, sondern einen bestimmten Kandidaten oder eine Kandidatin aus dem eigenen Wahlkreis – es geht um ein sogenanntes Direktmandat. Bleiben wir für ein Beispiel bei unserer Lieblingsstadt Langenselbold, die zwar nicht in Famosien liegt, sondern in Hessen im Main-Kinzig-Kreis. Der Main-Kinzig-Kreis ist bei den Landtagswahlen in drei Wahlkreise aufgeteilt. Langenselbold liegt im Wahlkreis Main-Kinzig 1. Auf dem Wahlzettel stehen dann diverse Kandidatinnen und Kandidaten von den unterschiedlichen Parteien, die aus genau diesem Wahlkreis kommen und denen man seine Erststimme geben kann. Das Verrückte an der Erststimme: Nur die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen kommt direkt in den Landtag. Die Person mit den zweitmeisten Stimmen geht leer aus. Damit soll sichergestellt werden, dass – auf gut Deutsch – aus jedem hintersten Winkel des Landes zumindest eine Politikerin oder ein Politiker in den Parlamenten sitzt. Denn jeder Mensch soll sich repräsentiert fühlen, und wenn man als Politikerin zum Beispiel aus einer Kleinstadt kommt, die mehrere Stunden von der nächsten Großstadt entfernt liegt, kann man sich im Parlament besser für die Nöte und Interessen der Menschen in dieser Kleinstadt einsetzen als jemand, der noch nie dort war.

Wie würde es bei unserem fiktiven Wahlergebnis in Famosien jetzt weitergehen? Die AfD wäre laut den Zweitstimmen nicht im Landtag vertreten, weil sie unter fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten hat. Diese sogenannte 5-Prozent-Hürde wurde eingebaut, weil sonst extrem viele Kleinparteien mit nur sehr wenigen Abgeordneten in den Parlamenten sitzen würden und die Prozesse somit sehr langsam ablaufen würden. Jede Partei muss zum Beispiel immer angehört werden – bei zehn zusätzlichen Parteien, die alle ein paar wenige Prozentpunkte bekommen haben, würde sich jede Sitzung ewig hinziehen. Stattdessen muss also ein maßgeblicher Wählerwille vorliegen, dass diese Partei ins Parlament soll. Diese Hürde liegt in Deutschland bei besagten fünf Prozent. Alle Parteien, die darüberliegen, ziehen, gemäß ihrem Stimmenanteil, ins Parlament ein. In unserem Fall bekommen alle Parteien jeweils 20 von den 100 Sitzen.

Was passiert nun aber mit den Erststimmen? Stellen wir uns vor, in Famosien gibt es 50 Wahlbezirke. In jedem dieser Wahlbezirke hat eine Direktkandidatin oder ein Direktkandidat gewonnen. Sie alle ziehen in den Landtag ein und besetzen dort 50 Sitze. Bleiben weitere 50 Plätze, die noch zu vergeben sind. Diese werden jetzt anteilig so besetzt, dass im Endergebnis alle fünf gewählten Parteien 20 Prozent der Sitze bekommen. Die endgültige Verteilung der Sitze im Landtag muss dem Verhältnis bei der Zweitstimme entsprechen. Dabei kann aber Folgendes passieren: Stellen wir uns vor, die SPD hätte extrem viele Direktmandate über die Erststimme gewonnen – sagen wir, 25 der 50 Direktmandate wären an die SPD gegangen. In diesem Szenario wären 25 Plätze schon mit SPD-Politikerinnen und Politikern besetzt, obwohl die SPD ja eigentlich nur 20 Sitzplätze über die Zweitstimme erhalten hat. Sie hat also fünf Sitze zu viel besetzt, fünf sogenannte Überhangmandate. Stellen Sie sich einfach vor, wie die fünf aus dem Landtag rausquellen oder eben überhängen. Was nun tun? Die Lösung: Die anderen Parteien bekommen einfach auch 5 Sitze mehr. Die Überhangmandate werden also durch sogenannte Ausgleichsmandate ausgeglichen. Und schwups, hat das Parlament in Famosien nicht mehr nur 100 Sitze, sondern 5 mal 25, also 125 Sitze. Verrückt, aber so passiert es nicht nur in Famosien, sondern auch in den echten deutschen Parlamenten. Für Wählerinnen und Wähler ist das tatsächlich ärgerlich, weil es eine Menge Geld kostet, wenn deutlich mehr Politikerinnen und Politiker in den Parlamenten sitzen.

 

Nun haben also die fünf gewählten Parteien in Famosien jeweils 20 Prozent der Sitze, wegen der Ausgleichsmandate also 25 Stück, da flattert das nächste Problem ins Haus: Niemand hat die Mehrheit. Aber für alle Entscheidungen, die getroffen werden, braucht es eine absolute Mehrheit von mehr als der Hälfte aller Stimmen – in unserem Beispiel sind das 63 Stimmen. Eine Partei hätte nun die Möglichkeit, sich vor jeder einzelnen Abstimmung mit den anderen Parteien abzusprechen und so immer wieder neue Verbündete zu finden, deren Abgeordnete gemeinsam abstimmen. Das wäre ein zermürbender Prozess, und es gäbe keine Garantie, dass immer genügend Stimmen zusammenkommen. Außerdem hätte niemand die Leitung im Parlament inne. Also tun sich Parteien zu Koalitionen – also dauerhaften Bündnissen – zusammen. Um auszuloten, mit welchen Parteien es die meisten Gemeinsamkeiten gibt, finden nach den Wahlen Koalitionsgespräche statt. Das passiert, nur wenige Tage nachdem das Wahlergebnis bekannt ist. Dabei wird diskutiert, wie die Parteien zu den unterschiedlichen Themen stehen, die in den nächsten Jahren im Parlament eine Rolle spielen werden. Manche Parteien wissen schon im Vorfeld, dass sie mit anderen Parteien gar nicht erst Koalitionsgespräche führen wollen, weil ihre politischen Einstellungen und Interessen zu weit auseinanderliegen. Andere wissen schon direkt, mit wem sie arbeiten wollen, weil das zum Beispiel in den vergangenen Jahren schon gut funktioniert hat. Hat man einen oder mehrere Koalitionspartner gefunden, geht man in die konkreten Koalitionsverhandlungen. Da wird ausgehandelt, was welcher Partei besonders wichtig ist und was sie politisch in der kommenden Regierungsperiode umsetzen möchte. Diese Ziele können bei den einzelnen Parteien sehr verschieden sein, also wird teilweise lange und hart verhandelt. Kommt man zu einem Ergebnis, hält man die Verhandlungen in einem Koalitionsvertrag fest.

Regierungsbildung durch Koalitionen

In unserem Beispiel aus Famosien müsste sich eine Koalition aus drei Parteien zusammenfinden, um die magische Grenze von 50 Prozent der Stimmen zu überschreiten und damit eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Doch lassen Sie uns von der fiktiven Landtagswahl nun wieder auf die realpolitische Ebene wechseln und einige Koalitionsbeispiele näher betrachten.

Koalitionen von Parteien werden oft nach ihren Farben benannt, und auch am Wahlabend werden die Stimmanteile der Parteien im Parlament mit diesen Farben dargestellt.

CDU und CSU:Schwarz

SPD:Rot

LINKE:auch Rot (um die Farbe von der SPD abzugrenzen, wird auch Dunkelrot oder Pink verwendet)

GRÜNE:ist klar, oder?

FDP:Gelb

AfD:Blau

 

Das erste Bündnis, das einem nach den vergangenen Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel in den Sinn kommt, ist wahrscheinlich Schwarz-Rot, besser bekannt als die Große Koalition. CDU/CSU (zusammen Union genannt) und SPD gelten in Deutschland als sogenannte Volksparteien, also große Parteien mit vielen Mitgliedern, die auch oft die Wahlen gewinnen. Deswegen nennt man ein Bündnis aus den großen Parteien CDU/CSU und SPD auch eine Große Koalition (GroKo). Obwohl dieses Bündnis nun seit 2013 bei uns in Deutschland die Regierung bildet, gilt es eigentlich als Notlösung. Eingegangen wurde es nur, weil keine anderen Koalitionen möglich waren. So richtig beliebt ist die GroKo nämlich weder bei der Union noch bei der SPD. Das Problem: In einer Großen Koalition können die beiden großen Volksparteien sich nicht richtig voneinander abgrenzen. Da sie ja zusammenarbeiten und alles gemeinsam entscheiden, fällt das gegenseitige Kritisieren und Klare-Kante-Zeigen schwer. Das kann diesen Parteien dann bei kommenden Wahlen auf die Füße fallen, weil die Wählerinnen und Wähler gar nicht mehr wissen, was die beiden Parteien unterscheidet. Viele Menschen empfinden dieses Bündnis auch als politischen Stillstand, da ständig Kompromisse geschlossen werden, die nichts Halbes und nichts Ganzes sind. Ein Beispiel: Die SPD hat in den Koalitionsverhandlungen gesagt, dass mit ihr in der Regierung ein Mindestlohn beschlossen werden muss. Die CDU ist eigentlich entschieden gegen den Mindestlohn, ließ sich in den Verhandlungen aber trotzdem darauf ein, um bei anderen Themen ihre Forderungen besser durchsetzen zu können. Allerdings will die CDU nicht, dass der Mindestlohn allzu hoch angesetzt wird, weil das die Unternehmen zu sehr belasten würde. Das Ergebnis ist ein Kompromiss, den viele als unbefriedigend empfinden: Es gibt zwar einen Mindestlohn, aber dieser ist so gering, dass die Betroffenen nicht wirklich davon leben können und die Unternehmen trotzdem belastet werden. Glücklich ist damit am Ende niemand so richtig. Hätte die CDU mit der FDP eine Regierungskoalition bilden können, hätte es den Mindestlohn wahrscheinlich nie gegeben, was die Unternehmen gefreut hätte. Hätte es eine mehrheitsfähige Koalition zwischen der SPD und den Grünen gegeben, wäre der Mindestlohn wahrscheinlich höher ausgefallen, was die Empfänger gefreut hätte.

Da haben wir dann auch schon von zwei weiteren Koalitionen gehört: Schwarz-Gelb, also eine Koalition aus Union und FDP, und Rot-Grün, bestehend aus SPD und Grünen. Es wird übrigens immer die Farbe der Partei zuerst genannt, die mehr Wählerstimmen erzielt hat. So gab es nach den Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg, die die Grünen gewonnen haben, zum Beispiel zum ersten Mal eine grün-schwarze Landesregierung mit einem Ministerpräsidenten von den Grünen.

Falls zwei Parteien es zusammengenommen nicht schaffen, die absolute Mehrheit von mehr als 50 Prozent der Stimmen zu überschreiten, kann es zu Dreierbündnissen kommen. Im Freistaat Thüringen (wieder so ein Namenschaos: Die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Bayern tragen noch den Namenszusatz Freistaat) regiert zum Beispiel seit 2014 ein rot-rot-grünes Bündnis aus Linken, SPD und Grünen mit einem Ministerpräsidenten der Linken. Kreativere Namen tragen die Ampelkoalition aus Rot (SPD), Gelb (FDP) und Grün (Die Grünen) und die Jamaika-Koalition, die an die Farben der jamaikanischen Flagge – Schwarz (CDU/CSU), Gelb (FDP) und Grün (Grüne) – erinnert. Beide Koalitionen hat es schon auf Landesebene gegeben, aber noch nicht im Bundestag. Grundsätzlich sind natürlich auch alle anderen Konstellationen möglich, im Moment aber eher unwahrscheinlich, weil zum Beispiel mit der AfD niemand eine Koalition eingehen möchte.

Findet sich ein Bündnis, das zusammenarbeiten will und gemeinsam mehr als 50 Prozent der Sitze hat, nennt man diese Koalition dann die Regierung. Übrigens haben es in früheren Jahren Parteien sogar öfter mal geschafft, allein zu regieren. Die CSU in Bayern hat schon häufig mehr als 50 Prozent der Zweitstimmen erhalten und hatte dadurch die sogenannte absolute Mehrheit im Parlament. Das ist für die Partei äußerst praktisch, denn sie kann mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament ganz allein das durchsetzen, was sie möchte. Zuletzt ist es auf Landesebene allerdings nicht mehr passiert, dass eine einzelne Partei die absolute Mehrheit der Stimmen gewinnen konnte. Stattdessen verteilen sich die Stimmen auf sehr viele Parteien, sodass zur Regierungsbildung Koalitionen eingegangen werden müssen. Das scheint ein genereller politischer Trend in Deutschland zu sein. Weg von wenigen großen, hin zu mehreren kleineren Parteien.

Machen wir das Ganze mal konkret. Im Bundesland Hessen regiert zum Beispiel gerade ein schwarz-grünes Bündnis aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Weder die CDU noch die Grünen hatten genügend Stimmen, um allein zu regieren. Zusammen konnten sie allerdings 69 der 137 Sitze für sich gewinnen. Die Mathe-Profis unter Ihnen wissen also, wenn CDU und Grüne 69 Sitze haben, teilen sich die restlichen Parteien 68 Sitze. Schwarz-Grün hat also genau einen Abgeordneten mehr.

Die Mehrheit von nur einem Sitz, die CDU und Grüne in Hessen haben, ist also hauchdünn. Wehe, es gibt Abtrünnige! Wenn eine einzelne Abgeordnete von CDU oder Grünen also bei einer Abstimmung nicht der Meinung ihrer Koalition ist und anders abstimmt, bekommt die Regierung Probleme. Wir haben uns sofort gefragt, was eigentlich passiert, wenn ein Abgeordneter krank ist. Spannenderweise gibt es dann eine sogenannte Pairing-Vereinbarung. Wenn ein Abgeordneter der Regierung aus einem wichtigen Grund oder wegen Krankheit verhindert ist, dann verzichtet auch ein Abgeordneter der Opposition, also der restlichen Parteien im Parlament, die nicht zur Regierung gehören, auf seine Stimmabgabe. So bleibt die Regierung weiterhin handlungsfähig. Faire Sache!

Mit ihrem einen Sitz mehr konnten CDU und Grüne in Hessen also eine gemeinsame Regierung bilden. Und dann? Eine Regierung braucht eine Chefin oder einen Chef. In den Bundesländern sind das die Ministerpräsidentin bzw. der Ministerpräsident. Diese oder diesen stellt in der Regel die Partei, die die meisten Stimmen erhalten hat. Im Falle der schwarz-grünen Regierung ist das die CDU gewesen. Gewählt wird der Ministerpräsident in der ersten Sitzung des neuen Parlaments, der konstituierenden Sitzung. Meist ist schon im Wahlkampf klar, wer im Falle eines Wahlsiegs diesen Posten bekommt. Die Wahl ist also eigentlich nur noch Formsache.

Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident brauchen dann noch ihr Kabinett.Das ist quasi die Gruppe der Supermächtigen innerhalb des Landtags. Der Ministerpräsident ernennt mehrere Abgeordnete aus den Regierungsparteien zu Ministerinnen und Ministern, die jeweils für bestimmte Themen zuständig sind. Es gibt zum Beispiel in den Bundesländern Bildungsminister, Innenministerinnen und Gesundheitsminister. Ministerpräsidentin und Minister bilden dann zusammen das Landeskabinett. Welche Partei wie viele Ministerposten bekommt, hängt davon ab, wie viele Stimmen die Partei bei der Wahl erhalten hat. Je mehr Stimmen, desto mehr Ministerposten gibt es. Im Fall von CDU und Grünen in Hessen hatte die CDU einen höheren Stimmenanteil und stellt deswegen acht Ministerinnen und Minister, die Grünen stellen vier.

Völlig absurd ist übrigens, dass jede Regierung in jedem Bundesland einfach neue Ministerien erfinden kann. In Sachsen gibt es seit 2019 zum Beispiel ein Ministerium für Regionalentwicklung. Mag sein, dass das sinnvoll ist, aber warum sollte in einem Bundesland ein Ministerium für Regionalentwicklung gebraucht werden, aber in anderen nicht? Und teilweise wurden neue Ministerien auch aus wenig ehrenhaften Gründen erfunden. In Niedersachsen hatten CDU und SPD nach der Landtagswahl 2017 entschieden, ein Bündnis einzugehen. CDU und SPD waren die Wahlgewinner und hatten ähnlich viele Stimmen von den Wählerinnen und Wählern erhalten. Da es aber nur neun Ministerien gab, wäre die Verteilung – eine Partei vier Ministerien und die andere fünf – ungerecht gewesen. Statt dies hinzunehmen, erfanden CDU und SPD einfach das Europaministerium und erhöhten damit die Anzahl auf zehn – eine Zahl, die sich wunderbar durch zwei teilen lässt. Das hatte heftige finanzielle Folgen. In so einem Ministerium arbeiten rund 100 Angestellte, die oft verbeamtet sind. Da kommt man dann gut und gerne auf zusätzliche jährliche Kosten von mehreren Millionen Euro, die die Steuerzahlerin trägt. Da kann man nur hoffen, dass das Europaministerium in Niedersachsen großartige Arbeit leisten wird.

Wir haben in Deutschland 16 Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen und zusätzlich noch eine dreistellige Anzahl an Landesministerinnen und Landesministern.

Übrigens: Wer in Ihrem Bundesland das Sagen hat, ist nicht nur wichtig für alle Themen, die auf Landesebene entschieden werden, wie zum Beispiel alles, was Schule und Bildung betrifft, sondern hat auch Einfluss darauf, was im Bundestag entschieden wird. Denn alle Beschlüsse des Bundestags müssen anschließend noch mal durch den Bundesrat bestätigt werden. Und wer sitzt im Bundesrat? Die Länder! Jedes Land ist durch Mitglieder seiner Landesregierung im Bundesrat vertreten. Der Bundesrat tritt regelmäßig etwa alle drei bis vier Wochen, grundsätzlich freitags um 9:30 Uhr, zusammen. Da die Mitglieder des Bundesrates ja im Hauptjob Mitglieder ihrer Landesregierung sind, muss die zeitliche Belastung durch die Bundesratssitzungen möglichst gering gehalten werden. Schließlich müssen sie aus allen Landesteilen nach Berlin anreisen.

Jetzt haben wir uns also am Beispiel von Landtagswahlen angeschaut, wie Wahlen eigentlich ablaufen und wie im Anschluss Regierungen gebildet werden. Im folgenden Abschnitt arbeiten wir uns weiter hoch und wechseln auf die Bundesebene.

Die Bundestagswahl und die Organisation der Bundesregierung

O mein Gott! Ein Deutschland ohne Angela Merkel an der Spitze! Für Menschen um die 20 ist das eigentlich nicht vorstellbar, schließlich war diese Frau eine absolute Konstante. 16 Jahre lang, von 2005 bis 2021 war sie die Bundeskanzlerin von Deutschland. Als wir Redaktionsschluss für dieses Buch hatten, war Merkel übrigens noch an der Spitze dieses Landes – wer ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin wurde, ist Ihnen vielleicht schon bekannt, wenn Sie dieses Buch in den Händen halten. Damit kommen wir zur Wahl, die in den Medien definitiv die meiste Beachtung findet. Die Bundestagswahl findet in Deutschland alle vier Jahre statt. Wir wählen dabei die Abgeordneten, die für uns im größten Parlament des Landes sitzen, dem Bundestag. Und diese Abgeordneten wählen dann wiederum die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler.

Die Bundestagswahl läuft ähnlich ab wie Landtagswahlen. Auch hier gibt es Erst- und Zweitstimme, und auch hier ist die Zweitstimme die eigentlich wichtigere, weil durch sie bestimmt wird, wie viele von den 598 Sitzen im Bundestag eine Partei besetzen kann. Mit der Erststimme wählt man dann wieder den Direktkandidaten oder die Direktkandidatin aus dem eigenen Wahlkreis. Auch hier ist die Idee der Erststimme, dass Politikerinnen und Politiker aus jeder Ecke Deutschlands im Bundestag vertreten sein sollen. 299 Sitze im Bundestag werden über die Direktmandate vergeben. Und auch hier kann es passieren, dass eine Partei mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihr eigentlich über die Anzahl der abgegebenen Zweitstimme zustehen. Deswegen bekommen die übrigen Parteien dann wieder die vorhin schon erklärten Ausgleichsmandate. Das ist zwar gerecht, aber teuer! Denn wenn im Bundestag statt knapp 600 Menschen mittlerweile durch Überhang- und Ausgleichsmandate 709 Menschen sitzen, dann kostet das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einen dicken Batzen Geld. Jeder Bundestagsabgeordnete bekommt ein Büro in Berlin gestellt und darf sich für etwa 22 000 Euro im Monat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anstellen. Außerdem bekommen die Abgeordneten eine Art monatliches Gehalt von etwas mehr als 10 000 Euro. Dieses wird Diät genannt. Die Bezeichnung stammt von dem lateinischen Wort dies (der Tag) ab. Eine Diät ist demnach ein Sitzungsgeld, das Mandatsträgerinnen und -trägern ursprünglich tageweise gezahlt wurde. Heute gibt es die Diäten zwar monatlich, sie heißen aber trotzdem noch so. Dazu bekommen die Bundestagsabgeordneten noch gut 4400 Euro steuerfreie Kostenpauschale und etwa 1000 Euro im Monat, die für Sachleistungen wie Laptop, Briefpapier oder ein Faxgerät (seit Corona wissen wir, in Deutschland wird viel gefaxt) ausgegeben werden dürfen. Wer gut im Kopfrechnen ist, merkt, dass 100 zusätzliche Abgeordnete die deutsche Steuerkasse etwa 45 Millionen Euro pro Jahr kosten. Der Trend des immer größer werdenden Bundestags sorgt seit Jahren für viel Kritik. Doch eine echte Lösung für das Problem gibt es noch nicht.