Das Buch der verschollenen Geschichten. Teil 1 - J.R.R. Tolkien - E-Book

Das Buch der verschollenen Geschichten. Teil 1 E-Book

J.R.R. Tolkien

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Beschreibung

Von den Göttern und Helden Mittelerdes – die frühesten Geschichten über Mittelerde. Ein Schatz für alle »Herrn der Ringe«-Fans. J.R.R. Tolkien hat unzählige Geschichten verfasst,  als er die Götter- und Heldensagen von Mittelerde niederschrieb. Im legendären »Buch der verschollenen Geschichten«, dem ältesten Weltentwurf Tolkiens, älter noch als »das Silmarillion«, sind sie aufgezeichnet. Oft finden sich Spuren von ihnen, fremdklingende Namen wie ferne Echos vergangener Zeiten im »Herrn der Ringe«, dem großen vollendeten Fantasyepos.  Die zehn Geschichten über die Valar und der Gründung ihres Seereiches, Ilúvatar und sein Weltplan oder die Ankunft der Elben sowie die Erbauung von Kôrs werden dem Seefahrer Eriol auf der Einsamen Insel erzählt und bilden damit die Vor- und Frühzeit von Mittelerde ab. Der erste Teil von »Das Buch der verschollenen Geschichten« umfasst zehn Geschichten sowie einen Anhang und ein Register. Die Geschichten im ersten Teil von »Das Buch der verschollenen Geschichten«: Die Hütte des vergessenen Spiels Die Musik der Ainur Die Ankunft der Valar und die Gründung Valinors Die Einkerkerung Melkos Die Ankunft der Elben und die Gründung von Kôr Melkos Diebstahl und die Verdunkelung von Valinor Die Flucht der Noldoli Die Geschichte von Sonne und Mond Die Verhüllung von Valinor Gilfanons Geschichte: Das Leid der Noldoli und die Ankunft des Menschengeschlechtes

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Seitenzahl: 675

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J.R.R. TOLKIEN

Christopher Tolkien

DAS BUCH DER VERSCHOLLENEN GESCHICHTEN

Teil 1

Aus dem Englischen übersetzt von Hans J. Schütz

KLETT-COTTA

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Hobbit Presse

www.hobbitpresse.de

Die Originalausgabe in Englischer Sprache erschien 1983 bei George Allen & Unwin Ltd. Published by arrangment with HarperCollins Publisher Ltd. unter dem Titel »The Book of Lost Tales Part 1«

© 1983 by The Tolkien Estate Limited and C.R. Tolkien

® und Tolkien® sind eingetragene Markenzeichen der

The Tolkien Estate Limited

Für die deutsche Ausgabe

© 1986, 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: © Birgit Gitschier, Augsburg unter Verwendung der Daten des Originalverlags © HarperCollins Publishers Ltd

Illustration: © »The Battle for Gondolin« by John Howe

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96589-6

E-Book: ISBN 978-3-608-12146-9

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

INHALT

VORWORT

I. DIE HÜTTE DES VERGESSENEN SPIELS

Anmerkungen und Kommentar

II. DIE MUSIK DER AINUR

Anmerkungen und Kommentar

III. DIE ANKUNFT DER VALAR UND DIE GRÜNDUNG VALINORS

Anmerkungen und Kommentar

IV. DIE EINKERKERUNG MELKOS

Anmerkungen und Kommentar

V. DIE ANKUNFT DER ELBEN UND DIE GRÜNDUNG VON KÔR

Anmerkungen und Kommentar

VI. MELKOS DIEBSTAHL UND DIE VERDUNKELUNG VON VALINOR

Anmerkungen und Kommentar

VII. DIE FLUCHT DER NOLDOLI

Anmerkungen und Kommentar

VIII. DIE GESCHICHTE VON SONNE UND MOND

Anmerkungen und Kommentar

IX. DIE VERHÜLLUNG VON VALINOR

Anmerkungen und Kommentar

X. GILFANONS GESCHICHTE: DAS LEID DER NOLDOLI UND DIE ANKUNFT DES MENSCHENGESCHLECHTES

ANHANG

Namen

Register

VORWORT

Das Buch der Verschollenen Geschichten, mit dessen Niederschrift 1916/17 begonnen wurde, war das erste wesentliche fantastische Werk J. R. R. Tolkiens. Zum ersten Mal erschienen hier im Rahmen einer Erzählung die Valar, die Kinder Ilúvatars, die Elben und Menschen, die Zwerge und Orks und die Länder ihrer Geschichte: Valinor, jenseits des westlichen Meeres, und Mittelerde, die »Großen Lande«, zwischen dem östlichen und dem westlichen Meer. Etwa siebenundfünfzig Jahre nachdem mein Vater die Arbeit an den Verschollenen Geschichten abgebrochen hatte, wurde Das Silmarillion1, eine grundlegende Umgestaltung der frühen Fassung, veröffentlicht; und seitdem sind viele Jahre vergangen. Dieses Vorwort scheint ein geeigneter Ort zu sein, sich zu einigen Aspekten beider Werke zu äußern.

Dem Silmarillion wird gewöhnlich nachgesagt, es sei ein »schwieriges« Buch, das der Erläuterung und der Anleitung bedürfe, die den »Zugang« erschließen. Damit steht es im Gegensatz zum Herrn der Ringe. Im 7. Kapitel seines Buches The Road to Middle-Earth stimmt Professor T. A. Shippey dieser Meinung zu (»Das Silmarillion konnte nie etwas anderes sein als eine anstrengende Lektüre«, S. 201) und erläutert seine Auffassung. Einer komplexen Erörterung wird man nicht gerecht, wenn man sie verkürzt wiedergibt, doch Shippey nennt in der Hauptsache zwei Gründe (S. 185): Zum Ersten gibt es im Silmarillion keine »Vermittlung« vergleichbar etwa den Hobbits (so ist Bilbo im Hobbit »das Bindeglied zwischen modernen Zeiten und der archaischen Welt der Zwerge und Drachen«). Mein Vater war sich sehr wohl bewusst, dass das Fehlen der Hobbits als Mangel empfunden werden würde, sollte »Das Silmarillion« veröffentlicht werden – und nicht nur von Lesern, die eine besondere Vorliebe für sie hegten. In einem Brief, 1956 kurz nach der Veröffentlichung des Herrn der Ringe geschrieben, heißt es (The Letters of J. R. R. Tolkien, Nr. 182): »… Allerdings glaube ich nicht, dass es ebenso zugkräftig wäre wie der H. R. – ohne Hobbits! Voller Mythologie und Elbenkunde, und alles in diesem heigh stile (wie Chaucer sagen würde), der vielen Rezensenten so sehr gegen den Strich geht.«

Im »Silmarillion« ist die Stilebene rein und ungebrochen, und der Leser ist Welten entfernt von derartiger »Vermittlung«, von derart wohlerwogenen Brüchen, wie etwa beim Treffen zwischen König Théoden und Pippin und Merry in den Ruinen Isengarts: »Lebt wohl, meine Hobbits! Mögen wir uns in meinem Hause wiedertreffen! Dort sollt ihr neben mir sitzen und mir alles erzählen, was euer Herz begehrt: Die Taten eurer Vorfahren, soweit ihr sie aufzählen könnt …« Die Hobbits verbeugten sich tief. »Das also ist der König von Rohan!«, sagte Pippin leise. »Ein netter, alter Bursche. Sehr höflich.« (Die Zwei Türme, S. 186)

Zum Zweiten: »Was Das Silmarillion von den früheren Werken Tolkiens unterscheidet, ist die Missachtung traditioneller Regeln des Romans. Die meisten Romane (Der Hobbit und Der Herr der Ringe eingeschlossen) stellen eine Figur in den Vordergrund, wie Frodo und Bilbo, und erzählen dann die Geschichte, wie sie dem Helden widerfährt. Natürlich erfindet der Autor die Geschichte und bleibt so allwissend: Er kann erklären und zeigen, was ›wirklich‹ geschieht, und dies der begrenzten Einsicht seiner Figur gegenüberstellen.«

Ferner kommt hier eindeutig das Problem des literarischen »Geschmacks« (oder der literarischen »Gewöhnung«) ins Spiel; und auch das der literarischen »Enttäuschung« – »die (unangebrachte) Enttäuschung derer, die sich einen zweiten Herrn der Ringe wünschten« und auf die sich Professor Shippey bezieht. Diese Enttäuschung hat sogar zu Vorwürfen geführt wie: »Es ist wie das Alte Testament!«; eine schreckliche Schmähung, der man zweifellos nichts entgegenhalten kann (obgleich der, der dies sagte, in seiner Lektüre nicht sehr weit gekommen sein kann, bevor ihn sein eigener Vergleich überwältigte). Natürlich wurde »Das Silmarillion« mit der Absicht geschrieben, Gefühl und Fantasie unmittelbar anzusprechen, ohne dass es dazu einer besonderen Anstrengung des Lesers oder irgendwelcher ungewöhnlicher Fähigkeiten bedürfe; doch es ist in sich geschlossen, und man darf daran zweifeln, ob irgendeine »Annäherung« an das Buch jenen viel helfen kann, die es unzugänglich finden.

Es gibt eine dritte Überlegung (die Professor Shippey freilich nicht im selben Zusammenhang diskutiert): »Eine Qualität, welche[Der Herr der Ringe] im Überfluss besitzt, ist der an Beowulf gemahnende ›Eindruck von Tiefe‹, der wie in dem alten Epos durch Lieder und Abschweifungen hervorgerufen wird (Aragorns Lied von Tinúviel, Sam Gamdschies Anspielungen auf die Silmaril und die Eiserne Krone, Elronds Erzählung von Celebrimbor und Dutzende mehr). Dies freilich ist eine Qualität des Herrn der Ringe und nicht der eingeschobenen Geschichten. Es wäre ein schrecklicher Irrtum, wollte man sie für sich genommen erzählen und gleichwohl erwarten, dass sie sich den Reiz bewahren, den sie dem größeren Zusammenhang verdanken, in den sie eingebettet sind. Niemand sonst hat das eindringlicher empfunden als Tolkien selbst. So schrieb er in einem aufschlussreichen Brief vom 20. 9. 1963: ›Ich habe selbst meine Zweifel an dem Unternehmen [Das Silmarillion zu schreiben]. Der Reiz des H. R. liegt, glaube ich, zum Teil in den kurzen Ansichten von einer weitläufigen Geschichte im Hintergrund: Ein Reiz, wie wenn man von fern eine noch nie betretene Insel oder die schimmernden Türme einer Stadt in einem sonnigen Dunstschleier erblickt. Dort hinfahren, heißt den Zauber zerstören, es sei denn, wiederum täten neue unerreichbare Szenerien sich auf.‹ (Letters, Nr. 247)

Das Problem – wie Tolkien selbst oft gedacht haben muss – lag darin, dass Mittelerde im Herrn der Ringe bereits alt und mit einer ungeheuren Geschichte befrachtet war. Das Silmarillion dagegen (in seiner längeren Form) musste mit dem Anfang beginnen. Wie aber konnte ›Tiefe‹ geschaffen werden, wenn es nichts gab, das weiter in die Vergangenheit zurückreichte?«

Der zitierte Brief zeigt zweifellos, dass mein Vater dies spürte oder, wie man vielleicht eher sagen sollte, dass er dies bisweilen als Problem empfand. Und keinesfalls war es damals, 1963, eine neue Überlegung, denn während er 1945 am Herrn der Ringe arbeitete, schrieb er in einem Brief an mich (Letters, Nr. 96): »… Eine Geschichte muss erzählt werden, oder es ist keine Geschichte; am bewegendsten aber sind die unerzählten Geschichten. Ich glaube, Celebrimbor bewegt Dich so, weil man darin plötzlich einen Ausblick auf endlose unerzählte Geschichten erhält: auf Berge, von weitem gesehen, die man nie besteigen wird, und ferne Bäume (wie bei Tüftler), denen man niemals näher kommt – und wenn, dann werden sie eben zu ›nahen Bäumen‹ …«

Gimlis Lied in Moria, in dem große Namen aus der alten Welt gleichsam wie in äußerster Ferne auftauchen, verdeutlicht mir das aufs schönste:

Die Welt war jung, die Gipfel frei

Zu jener Zeit, die längst vorbei,

Die mächtigen Herrn von Nargothrond

Und Gondolin sind längst entthront

Und leben westlich, fern und weit,

Die Welt war schön zu Durins Zeit.

(Die Gefährten, S. 383)

»Das gefällt mir!«, sagte Sam. »Das möchte ich gerne lernen. In Khazad-dûm, in Moria! Aber es macht die Dunkelheit noch bedrückender, wenn man an all die Lampen denkt.« (S. 384) Durch sein begeistertes »Das gefällt mir!« »vermittelt« Sam nicht nur die »hohen«, die mächtigen Könige von Nargothrond und Gondolin, Durin auf seinem geschnitzten Thron, sondern versetzt sie unvermittelt in eine noch größere Entfernung, in einen magischen Abstand, den aufzuheben (in diesem Augenblick) verderblich scheint.

Professor Shippey sagt: »Es wäre ein schrecklicher Irrtum, wollte man sie [die Episoden, auf die im Herrn der Ringe nur hingewiesen wird] für sich genommen erzählen und gleichwohl erwarten, dass sie sich den Reiz bewahren, den sie dem größeren Zusammenhang verdanken, in den sie eingebettet sind.« Der »Irrtum« liegt vermutlich in der Erwartungshaltung, nicht jedoch in der Tatsache, dass sie erzählt werden; offenbar bezieht Professor Shippey die Worte meines Vaters über seine »Zweifel an dem Unternehmen« auf die Niederschrift des Silmarillion, denn er ergänzt die Aussage im Brief entsprechend. Doch als mein Vater dies sagte, bezog er sich nicht – ausdrücklich nicht – auf das Werk selbst, das ja bereits geschrieben und zu großen Teilen mehrfach überarbeitet war (die Erwähnungen imHerrn der Ringe sind keine spontanen Erfindungen). Was dagegen für ihn in Frage stand, wie er im selben Brief (Nr. 247) weiter oben ausführt, war dessen Präsentation in Buchform nach dem Erscheinen des Herrn der Ringe, als seiner Meinung nach die rechte Zeit bereits vorüber war, es bekannt zu machen: »Trotzdem wird die Darstellung leider viel Arbeit erfordern, und das geht bei mir alles so langsam. Die Sagen müssen überarbeitet (sie wurden zu verschiedenen Zeiten geschrieben, manche schon vor vielen Jahren) und miteinander abgestimmt werden; dann müssen sie mit dem H. R. verbunden werden; und dann müssen sie in eine Art Abfolge gebracht werden. Kein einfaches Schema wie etwa der Hergang einer Reise oder Fahrt bietet sich an. Ich habe selbst meine Zweifel an dem Unternehmen …«

Als sich nach seinem Tod die Frage einer Veröffentlichung des »Silmarillion« in irgendeiner Form erhob, maß ich seinen Zweifeln keine Bedeutung bei. Die Wirkung, welche die »kurzen Ansichten von einer weitläufigen Geschichte im Hintergrund« im Herrn der Ringe haben, ist unbestreitbar und von größter Bedeutung, doch ich glaube nicht, dass die dort mit solcher Meisterschaft eingestreuten »Ansichten« alles weitere Wissen um die »Geschichte« ausschließen sollten.

Der literarische »Eindruck von Tiefe … [hervorgerufen] durch Lieder und Abschweifungen« kann nicht zu einem Kriterium gemacht werden, an dem man ein Werk mit einer völlig anderen Konzeption misst. Dies würde bedeuten, dass man die Altvorderenzeit allein nach ihrer Funktion im Herrn der Ringe beurteilt. Man sollte auch den Kunstgriff der kurzen Rückblende innerhalb der erzählten Zeit auf zeitlich entrückte Ereignisse (deren Anziehungskraft in ihrer eigentümlichen Verschwommenheit liegt) nicht ohne weiteres so verstehen, als ob eine ausführliche Schilderung der mächtigen Könige von Nargothrond und Gondolin einer gefährlichen Annäherung an den Grund des Brunnens gleichkommen würde, wogegen eine Beschreibung der Schöpfung bedeutete, dass der Grund erreicht und die »Tiefe« endgültig verlorengegangen wäre – »nichts bliebe, das weiter in die Vergangenheit zurückreichte«. Im Gegenteil: »Tiefe« in diesem Sinne verweist auf eine Beziehung zwischen verschiedenen zeitlichen Schichten oder Ebenen innerhalb derselben Welt. Vorausgesetzt, der Leser hat in der erzählten Zeit einen Bezugspunkt, von dem aus er zurückblicken kann, so wird ihm das außerordentliche Alter des Allerältesten ständig bewusst. Und die bloße Tatsache, dass der Herr der Ringe ein solch starkes Bewusstsein einer wirklichen Zeitstruktur schafft (weit stärker als durch bloße chronologische Treue und Auflistung von Daten), reicht aus, um für diesen notwendigen Bezugspunkt zu sorgen. Wenn man Das Silmarillion liest, muss man sich in Gedanken in das ausgehende Dritte Zeitalter versetzen – nach Mittelerde und zurück zum (zeitlichen) Punkt von Sam Gamdschies »Das gefällt mir!« – und hinzufügen: »Ich möchte mehr darüber erfahren«. Mehr noch: die gedrängte oder verkürzende Form und Schreibart des Silmarillion und eine Ahnung von Zeitaltern voller Poesie und »Kunde«, die darunterliegen, vermitteln sehr stark einen Eindruck von »unerzählten Geschichten« – auch dann noch, wenn diese erzählt werden; der Eindruck von »Ferne« geht nie verloren. Es gibt kein erzählerisches Vorwärtsdrängen und keine Vorausdeutungen auf zukünftige Ereignisse. Wir sehen die Silmaril nicht so, wie wir den Ring sehen. Der Schöpfer des »Silmarillion«, wie er selbst vom Dichter des Beowulf sagte, »erzählte von Dingen, die schon alt und kummerbeladen waren, und er verwandte seine Kunst darauf, jene Spuren im Herzen sichtbar zu machen, welche Leiden hinterlassen, die zugleich quälend und entrückt sind«.

Wie inzwischen vollständig belegt ist, wünschte mein Vater sehr, »Das Silmarillion« zusammen mit dem Herrn der Ringe zu veröffentlichen. Ich sage nichts über die Durchführbarkeit des Vorhabens zu jener Zeit; ich stelle auch keine Vermutungen darüber an, welches spätere Schicksal ein viel längeres zusammengefügtes Werk, vier- oder fünfteilig, gehabt hätte, oder über die verschiedenen Wege, die mein Vater dann hätte einschlagen können – denn dadurch wäre die weitere Entwicklung des »Silmarillion« selbst, die Geschichte der Altvorderenzeit, unmöglich geworden. Jedoch durch die postume Veröffentlichung des »Silmarillion« nahezu ein Vierteljahrhundert später wurde die natürliche Publikationsfolge des gesamten »Mittelerde-Komplexes« umgekehrt; und man kann sicherlich darüber streiten, ob es klug war, 1977 eine Fassung des allerersten »Sagenschatzes« als selbständige Publikation herauszubringen, gewissermaßen mit dem Anspruch, es spreche für sich selbst. So, wie das Werk veröffentlicht wurde, hat es keinen »Rahmen« und vermittelt keine Vorstellung von dem, was es ist und wie es (in der erfundenen Welt) entstand. Dies ist, wie ich jetzt meine, ein Fehler gewesen.

Der oben zitierte Brief aus dem Jahr 1963 zeigt, dass mein Vater sich über die Art und Weise Gedanken machte, in der die Sagen der Altvorderenzeit dargeboten werden könnten. In der ursprünglichen Form (der des Buches der Verschollenen Geschichten) kommt ein Mensch, Eriol, am Ende einer langen Reise über den Ozean zu der Insel, wo die Elben wohnen, und lernt aus deren eigenen Erzählungen ihre Geschichte kennen; dieser Ansatz war (allmählich) aus dem Blickfeld geraten. Als mein Vater 1973 starb, befand sich »Das Silmarillion« in einem bezeichnenden Zustand der Unordnung: Die früheren Teile waren stark überarbeitet oder größtenteils neu geschrieben worden, die Schlussteile waren noch so, wie er sie etwa zwanzig Jahre zuvor hatte liegenlassen; doch in der letzten Niederschrift gibt es keinen Hinweis auf einen »Plan« oder »Rahmen«, in den das Ganze eingebettet werden sollte. Ich glaube, dass er am Ende der Meinung war, nichts mehr könne der Sache nützen und kein erklärendes Wort solle darüber verloren werden, wie es dazu kam, dass es (in der erfundenen Welt) aufgeschrieben wurde.

In der ersten Ausgabe des Herrn der Ringe übergab Bilbo in Bruchtal als Abschiedsgeschenk Frodo »ein paar Bücher des Wissens, die er zu verschiedenen Zeiten mit seiner zierlichen Handschrift geschrieben hatte, und auf den roten Rücken stand: Übersetzungen aus dem Elbischen von B.B.«. In der zweiten Ausgabe (1966) sind daraus »drei Bücher« geworden, und in den Anmerkungen zu den Aufzeichnungen vom Auenland, die der Einführung dieser Ausgabe hinzugefügt wurden, sagte mein Vater, dass der Inhalt der »drei großen, in rotes Leder gebundenen Bände« im Roten Buch der Westmark erhalten geblieben sei, das von König Findegils Schreiber im Jahre 172 des Vierten Zeitalters in Gondor angefertigt worden ist. Und es heißt weiter: »Diese drei Bände erwiesen sich als ein Werk von großer Sachkenntnis und Gelehrsamkeit, für das … [Bilbo] alle ihm in Bruchtal zugänglichen Quellen, lebende wie geschriebene, benutzt hatte. Frodo machte indes wenig Gebrauch von ihnen, da sie fast ausschließlich die Altvorderenzeit behandelten, deshalb sei hier nicht mehr darüber gesagt.« (Die Gefährten, S. 31)

In The Complete Guide to Middle-Earth sagt Robert Foster: »Quenta Silmarillion war ohne Zweifel eine von Bilbos Übersetzungen aus dem Elbischen, überliefert im Roten Buch der Westmark.« Dies habe auch ich angenommen. Die »Bücher des Wissens«, die Bilbo Frodo gab, enthielten schließlich die Lösung: Sie waren »Das Silmarillion«. Doch abgesehen von dieser Äußerung gibt es meines Wissens nirgendwo in den Schriften meines Vaters einen weiteren Hinweis hierzu; und ich sträubte mich (zu Unrecht, wie ich heute meine), diesen Weg weiterzugehen und eindeutig auszusprechen, was ich nur vermutete.

Es gab drei Möglichkeiten: Ich konnte die Veröffentlichung des »Silmarillion« auf unbestimmte Zeit zurückstellen mit der Begründung, das Werk sei unvollständig und zwischen seinen Teilen bestehe kein Zusammenhang. Ich konnte die Eigenart des Werkes, so wie es war, akzeptieren und, um mein Vorwort zur Buchausgabe zu zitieren, den Versuch unternehmen, »die Vielfalt der Texte zwischen den Deckeln eines einzigen Buches darzubieten – und Das Silmarillion so als die in Fortgang und Entwicklung begriffene Schöpfung vorzuweisen, die es in Wahrheit ist«; und dies hätte, wie ich in Nachrichten aus Mittelerde (S. 9) schrieb, einen »Komplex voneinander abweichender, durch Kommentare verbundener Texte« zur Folge gehabt – ein weit größeres Unterfangen, als diese Worte verraten. Letztlich entschied ich mich für den dritten Weg, nämlich »einen einzigen Text herauszuarbeiten, indem ich so auswählte und anordnete, dass – wie mir schien – eine möglichst zusammenhängende und in sich stimmige Erzählung zustande kam«. (Das Silmarillion, S. 16) Als ich schließlich zu dieser Entscheidung gelangt war, konzentrierte sich die editorische Arbeit, die ich und Guy Kay (der mir half ) leisteten, auf das Ziel, das mein Vater in jenem Brief aus dem Jahr 1963 gesteckt hatte: »Die Sagen müssen überarbeitet … und miteinander abgestimmt werden; dann müssen sie mit dem H. R. verbunden werden.« Die Aufgabe, »Das Silmarillion« als eine »vervollständigte und in sich stimmige Einheit« vorzuweisen (obgleich dies, so wie die Dinge hier lagen, nicht vollkommen erfolgreich sein konnte), hatte zur Folge, dass in der Buchausgabe seine verwickelte Geschichte nicht erläutert werden konnte.

Was immer man darüber denken mag, das nicht voraussehbare Ergebnis war, dass sich die Rätselhaftigkeit, die »Das Silmarillion« umgab, noch verstärkte: Die Ungewissheit über das Alter des Werkes, ob es als »früh« oder »spät« anzusehen sei, das Ausmaß der Eingriffe und Manipulationen (oder gar Erfindungen) des Herausgebers erwiesen sich als Stolperstein und als eine Quelle vieler Missverständnisse. In Tolkien and the Silmarils (S. 93) hat Professor Randel Helms die Fragestellung wie folgt umrissen: »Jedermann, der wie ich am Ursprung des Silmarillion interessiert ist, wird die Nachrichten aus Mittelerde nicht nur wegen der spezifischen Eigenart dieses Buches lesen wollen, sondern auch, weil seine Beziehung zum Ersteren als Musterbeispiel für ein altes Problem literarischer Kritik gelten kann: Was ist ein literarisches Werk eigentlich? Ist es das, was es nach den Absichten (oder möglichen Absichten) des Autors sein soll, oder das, was ein späterer Herausgeber daraus macht? Für den Kritiker wird dieses Problem besonders wichtig, wenn, wie im Fall des Silmarillion, der Autor vor Vollendung seines Werkes stirbt und mehr als eine Fassung mancher Teile hinterlässt, die danach anderswo zur Veröffentlichung kommen. Welche Fassung soll der Kritiker als die ›wirkliche‹ Geschichte betrachten?«

Doch er schreibt auch: »Christopher Tolkien hat uns in diesem Fall geholfen, indem er redlicherweise betont, dass Das Silmarillion in der Form, in der es uns vorliegt, die Erfindung des Sohnes und nicht die des Vaters ist«; dies indessen ist ein ernstes Missverständnis, zu dem meine eigenen Äußerungen Anlass gegeben haben.

Professor Shippey wiederum akzeptiert zwar meine Versicherung (S. 169), dass ein »sehr hoher Anteil« des »Silmarillion«-Textes von 1937 in die Buchausgabe übernommen worden sei, sträubt sich hingegen an anderer Stelle, es anders zu sehen denn als ein »spätes« Werk, ja gar als das späteste seines Verfassers.

Und in einem Artikel mit dem Titel »The Text of The Hobbit: Putting Tolkien’s Notes in Order« (English Studies in Canada, VII, 2, Sommer 1981) kommt Constance B. Hieatt zu dem Schluss, dass es »in der Tat vollkommen klar ist, dass wir nie imstande sein werden, die Denkprozesse nachzuvollziehen, die dem Silmarillion zugrunde liegen«.

Doch trotz der Schwierigkeiten und ungeklärten Fragen ist eines sicher und offenkundig: Für den geistigen Vater von Mittelerde und Valinor gab es tiefe Zusammenhänge und lebendige Wechselbeziehungen zwischen all den Zeiten, Orten und Geschöpfen, wenn auch die literarische Gestalt und einige Teile der Konzeption aus der Rückschau eines langen Lebens etwas »proteushaft« erscheinen mochten. Er verstand nur zu gut, dass viele entzückte Leser des Herrn der Ringe in Mittelerde nie mehr sehen wollten als den Schauplatz der Erzählung, und dass sie bei all ihrer Freude über die »Tiefe« nicht wünschten, dass man diese bis zum Grund auslote. Doch diese »Tiefe« ist natürlich keine Illusion wie eine Reihe imitierter Buchrücken, hinter denen kein Buch steckt; und Quenya und Sindarin sind komplexe Gebilde. Es ist völlig legitim, diese Welt zu erforschen, ganz unabhängig von literaturkritischen Überlegungen; und es ist angemessen, zu versuchen, ihre Struktur in all ihren Dimensionen vom Mythos ihrer Schöpfung her zu begreifen. Jede Person, jedes Detail der erfundenen Welt, die ihrem Schöpfer wichtig schienen, sind dann für sich genommen der Aufmerksamkeit wert: Manwe oder Feanor nicht weniger als Gandalf oder Galadriel, die Silmaril nicht weniger als die Ringe; die Große Musik, die göttlichen Hierarchien, die Wohnsitze der Valar und die Schicksale der Kinder Ilúvatars sind wichtige Elemente, wenn man das Ganze begreifen will. Solche Untersuchungen sind prinzipiell durchaus erlaubt; sie ergeben sich, wenn man die imaginäre Welt als Gegenstand des Gedankenspiels und des Studiums begreift, eine Welt, die der Betrachtung ebenso würdig ist wie viele andere Gegenstände in unserer allzu fantasielosen Welt. Diese Überzeugung und das Bewusstsein, dass andere ebenso empfanden, veranlassten mich, die Verschollenen Geschichten zusammenzustellen.

Doch der Blickwinkel, unter dem der Autor seine eigene Erfindung betrachtete, veränderte sich ständig; die Welt wurde weitläufiger, größer: Nur im Hobbit und im Herrn der Ringe gelangten zu Lebzeiten des Autors Teile daraus in Druck, die abgeschlossen waren. Das Studium von Mittelerde und Valinor ist mithin kompliziert, denn der Gegenstand des Studiums blieb nicht gleich; er folgte gewissermaßen der Lebenszeit des Autors, war also nicht die Fixierung eines bestimmten Abschnitts, festgelegt wie ein gedrucktes Buch, das keinem wesentlichen Wandel mehr unterworfen ist. Mit der Veröffentlichung des »Silmarillion« jedoch wurde eine bestimmte Entwicklungsstufe fixiert und so eine Art Schlusspunkt gesetzt.

Diese eher weitschweifigen Erörterungen sind ein Versuch, meine ursprünglichen Motive darzulegen, die zur Veröffentlichung des Buches der Verschollenen Geschichten führten. Es ist dies der erste Schritt, Mittelerde und Valinor in einem Stadium zu präsentieren, als die gewaltige geographische Ausdehnung, die vom Zentrum ausging und Beleriand gewissermaßen nach Westen warf, noch in ferner Zukunft lag; als es keine »Altvorderenzeit« gab, endend mit der Überflutung Beleriands, denn bis dahin existierten keine anderen Zeitalter der Welt; als die Elben noch »Feen« waren und sogar Rúmil, der gelehrte Noldo, weit entrückt war von den gebieterischen »Meistern des Wissens« der späteren Jahre meines Vaters. Im Buch der Verschollenen Geschichten sind die Fürsten der Noldor eben gerade aufgetaucht und ebenso die Grau-Elben von Beleriand; Beren ist ein Elb und kein Mensch, und sein Widersacher, der allererste Vorläufer Saurons in dieser Rolle, ist eine monströse Katze, in der ein böser Geist haust; die Zwerge sind ein böses Volk; und die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen Quenya und Sindarin waren ganz anders konzipiert. Dies sind einige wenige besonders hervorstechende Merkmale, und eine entsprechende Liste ließe sich erheblich verlängern. Andererseits gab es bereits eine Grundstruktur, die beibehalten wurde. Und die Veränderung und Ausgestaltung der Geschichte Mittelerdes im Laufe der Jahre geschah selten durch gänzliches Ausscheiden von Elementen, sondern vielmehr durch allmähliche und vorsichtige Umformung, so dass die Geschichten ebenso zu wachsen schienen wie Sagen, die das Ergebnis vieler Geister und Generationen sind (so zum Beispiel die Nargothrond-Geschichte, die mit Beren und Lúthien verknüpft wurde, was, obwohl beide Elemente bereits vorhanden waren, in den Verschollenen Geschichten nicht einmal angedeutet wird).

Das Buch der Verschollenen Geschichten wurde von meinem Vater 1916/17 während des Ersten Weltkriegs begonnen, als er 25 Jahre alt war, und viele Jahre später unvollendet aufgegeben. Es ist der Beginn der Geschichte von Valinor und Mittelerde, zumindest als voll ausgeformte Erzählung; aber bevor die Geschichten vollendet waren, wandte er sich dem Schreiben von Langgedichten zu: das Lied von Leithian in Reimpaaren (die Geschichte von Beren und Lúthien) und Die Kinder Húrins in Stabreimen. Die Prosafassung seiner »Mythologie« erhielt einen neuen Impuls2 durch eine ganz kurze Übersicht oder »Skizze«, wie er sie nannte, geschrieben 1926, die ausdrücklich dazu bestimmt war, das notwendige Hintergrundwissen für das Verständnis des Stabreimgedichtes zu liefern. Die weitere Entwicklung der Prosaform verlief von dieser Skizze in direkter Linie zu jener Fassung des »Silmarillion«, die sich Ende 1937 der Vollendung näherte, als mein Vater die Arbeit abbrach und sie, so wie sie war, im November desselben Jahres an Allen & Unwin schickte; doch in den 30er Jahren schrieb er auch wichtige neben- und untergeordnete Texte wie die Annalen von Valinor und die Annalen von Beleriand (von denen Fragmente auch in den altenglischen Übersetzungen erhalten sind, die von Ælfwine/Eriol angefertigt wurden), die kosmologische Beschreibung mit dem Titel Ambarkanta, die Gestalt der Welt, verfasst von Rúmil, und die Lhammas oder »Beschreibung der Sprachen« von Pengolod aus Gondolin. Danach legte er die Geschichte des Ersten Zeitalters für viele Jahre aus der Hand, bis der Herr der Ringe fertiggestellt war, doch in den Jahren vor dessen tatsächlicher Veröffentlichung kehrte mein Vater mit großer Energie zum »Silmarillion« und zu den damit verbundenen Werken zurück.

Die Ausgabe der Verschollenen Geschichten in zwei Teilen wird, wie ich hoffe, der Beginn einer Reihe sein, welche die sagenhafte Geschichte Mittelerdes mit diesen späten Vers- und Prosaschriften weiterführen soll; deshalb habe ich dem vorliegenden Buch einen Haupttitel gegeben, der auch die möglicherweise folgenden Bücher einschließen wird, obwohl ich fürchte, dass »Die Geschichte Mittelerdes« sich als ein etwas zu ehrgeiziger Reihentitel erweisen könnte. Auf jeden Fall ist der Begriff »Geschichte« nicht im herkömmlichen Sinn zu verstehen: Es ist vielmehr meine Absicht, vollständige oder weitgehend vollständige Texte zu präsentieren, so dass die Bücher in sich abgeschlossene Einzeleditionen sein werden. Ich setze mir nicht als oberstes Ziel, viele einzelne lose Fäden zu entwirren, sondern eher möchte ich Werke zugänglich machen, die als eigenständig betrachtet werden können und die auch so betrachtet werden sollen.

Dieser langen Entwicklung nachzuspüren, ist für mich von großem Interesse, und ich hoffe, dass es sich auch für andere als interessant erweist, die Sinn für eine derartige Spurensuche haben – ob es sich nun um Änderungen der Handlungsverläufe oder des kosmologischen Grundkonzepts handelt; oder um Details wie beispielsweise das erste Auftauchen des scharfäugigen Legolas Grünblatt in der Geschichte Der Fall von Gondolin. Aber diese alten Manuskripte sind keinesfalls nur für das Studium der Ursprünge von Interesse. Dort ist vieles zu finden, das mein Vater (soweit man dies sagen kann) niemals ausdrücklich ausschied; so sei daran erinnert, dass »Das Silmarillion«, beginnend mit der »Skizze« aus dem Jahr 1926, als Abriss oder Kurzdarstellung geschrieben wurde, das die Substanz viel längerer Werke (ob sie tatsächlich existierten oder nicht) in kleinerem Umfang barg. Der höchst archaische Stil, der zu diesem Zweck entwickelt wurde, war kein Beiwerk: Er besaß vielmehr Weite und große Kraft und war in besonderer Weise dazu geeignet, die magische und unheimliche Wesensart der frühen Elben zu vermitteln, wurde aber auch ohne weiteres dem sarkastischen, höhnischen Melko oder der Beziehung zwischen Ulmo und Osse gerecht. Und gerade diese erhält zuweilen einen komischen Aspekt und wird dann in einer schnellen und lebhaften Sprache vorgetragen, die in der späteren gravitätischen Prosa des »Silmarillion« nicht mehr lebendig ist (so fuhrwerkt Osse »in schäumender Geschäftigkeit« herum, als er die Inseln am Meeresgrund verankert; die von den ersten Seevögeln neu in Besitz genommenen Klippen von Tol Eressea »sind voll von Geschnatter und Fischgeruch, und auf ihren Graten werden große Beratungen abgehalten«; als die Küstenland-Elben schließlich über das Meer nach Valinor gezogen werden, fährt Ulmo auf wundersame Weise »hinterdrein in seinem Wagen und trompetet laut, zum Missvergnügen Osses«).

Die Verschollenen Geschichten erhielten, bevor er sie beiseite legte, niemals eine solche Gestalt, dass mein Vater an ihre Veröffentlichung hätte denken können; sie waren experimentell und provisorisch; die zerschlissenen Notizbücher, in denen er sie niederschrieb, wurden gebündelt abgelegt, und viele Jahre warf er keinen Blick hinein. Sie nun in einem Buch zu präsentieren, hat zahlreiche editorische Probleme aufgeworfen. Zum Ersten sind die Manuskripte selbst sehr kompliziert: zum Teil ist der Text schnell mit Bleistift geschrieben und heute stellenweise außerordentlich schwer zu entziffern; es ist ein Vergrößerungsglas dazu erforderlich und viel Geduld, die nicht immer belohnt wird. Aber bei einigen der Geschichten hat mein Vater auch den ursprünglichen Bleistifttext ausradiert und eine revidierte Fassung mit Tinte darübergeschrieben – und weil er zu dieser Zeit gebundene Notizbücher anstelle von losen Blättern benutzte, litt er unter Raummangel; folglich wurden Teilstücke von Geschichten in andere hineingeschrieben, so dass die Entzifferung stellenweise zu einem schwierigen Puzzlespiel wurde.

Zum Zweiten wurden Die Verschollenen Geschichten nicht alle fortlaufend eine nach der anderen im Zuge der Erzählung geschrieben; mein Vater begann, während das Werk noch im Werden war, sogar eine neue Anordnung und Überarbeitung der Geschichten. Der Fall von Gondolin war die erste der Eriol erzählten Geschichten und Die Geschichte von Tinúviel die zweite, doch die Ereignisse in diesen Geschichten finden gegen Ende des Zeitalters statt; andererseits sind die vorhandenen Texte spätere Überarbeitungen. In manchen Fällen ist heute nur noch die revidierte Fassung zu entziffern; in anderen sind die erste und die letzte Fassung ganz oder teilweise erhalten; bei einigen gibt es nur einen vorläufigen Entwurf; bei anderen existieren überhaupt keine ausgearbeiteten Erzählungen, sondern nur Notizen und Pläne. Nach mancherlei Versuchen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Anordnung der Geschichten in der chronologischen Abfolge ihrer Ereignisse die einzig praktikable Art der Präsentation ist.

Schließlich kommt noch hinzu, dass im Laufe des Schreibprozesses Zusammenhänge innerhalb der Verschollenen Geschichten verändert wurden, neue Konzeptionen hinzukamen und die gleichzeitige Weiterentwicklung der Sprachen zu einer fortlaufenden Veränderung von Namen führte.

Eine Ausgabe wie die vorliegende, die solchen Schwierigkeiten Rechnung trägt und sie nicht künstlich zu glätten versucht, wird leicht zu einem komplizierten und schwer zu lesenden Buch, in dem der Leser keinen Augenblick allein gelassen wird. Ich habe mich bemüht, für die Erzählungen einen lesbaren und geordneten Text zu erstellen und für interessierte Leser, die es wünschen, eine ziemlich vollständige Beschreibung der tatsächlichen Textsituation hinzugefügt. Um das zu erreichen, habe ich den Umfang der Anmerkungen zu den Texten drastisch reduziert, und zwar nach folgenden Prinzipien: Die zahlreichen Veränderungen von Namen sind sämtlich erfasst, doch sie wurden insgesamt am Ende jeder Geschichte zusammengestellt (die Stellen, an denen sie im Einzelnen erscheinen, kann man dem Register entnehmen); alle Bemerkungen zum Inhalt sind in einem Kommentar zusammengedrängt, der sich an jede Geschichte anschließt; und fast der gesamte linguistische Kommentar (in erster Linie die Etymologie von Namen) ist in einem Anhang über Namen am Ende des Buches versammelt, wo sich sehr viele Informationen über die frühesten Entwicklungsstufen der »Elbischen Sprachen« finden. Auf diese Weise beschränken sich die Fußnoten zum allergrößten Teil auf Varianten und Abweichungen, die sich in anderen Texten finden; der Leser, der sich damit nicht herumplagen will, kann nur die Erzählungen lesen und weiß, dass jenes fast alles ist, was er entbehrt.

Die Kommentare sind in ihrem Umfang begrenzt und konzentrieren sich im Wesentlichen darauf, die Folgerungen zu erörtern, die sich aus dem im Kontext mit den Verschollenen Geschichten selbst Gesagten ergeben, und sie mit dem Silmarillion zu vergleichen. Ich habe keine Parallelen, Quellen und Einflüsse angeführt, und meistens habe ich darauf verzichtet, die komplizierte Entwicklungsgeschichte der Verschollenen Geschichten bis hin zum publizierten Werk nachzuzeichnen (dies würde, wie ich meine, selbst dann nur Verwirrung stiften, wenn man diesen Komplex lediglich kursorisch behandelte), vielmehr sind diese Probleme in einer vereinfachten Weise behandelt, als gäbe es zwei feste Bezugspunkte. Ich gehe nicht davon aus, dass meine Analysen sich insgesamt als gerechtfertigt oder exakt erweisen werden, und es gibt gewiss Hinweise auf die Lösung kniffliger Textprobleme in den Verschollenen Geschichten, die meiner Aufmerksamkeit entgangen sind.

Die Texte wurden so getreu wie möglich nach den Originalmanuskripten wiedergegeben. Nur unbedeutende und offensichtliche Flüchtigkeitsfehler sind stillschweigend korrigiert worden; ungeschickt formulierte Sätze habe ich stehengelassen, und wo der grammatikalische Zusammenhang fehlt, wie es zuweilen in jenen Teilen der Verschollenen Geschichten der Fall ist, die nie über einen ersten flüchtigen Entwurf hinausgelangt sind, habe ich nicht eingegriffen; und konsequenter, als mein Vater es tat, habe ich die Großschreibung durchgeführt. Ich habe mir, wenn auch zögernd, ein einheitliches System der Akzentsetzung bei elbischen Namen zu eigen gemacht. Mein Vater schrieb zum Beispiel: Palûrien, Palúrien, Palurien; Ōnen, Onen; Kôr, Kor. Ich habe den Akutus für den Längsstrich über Vokalen, für den Zirkumflex und den scharfen Akzent (dazu gelegentlich für den Gravis) der Originaltexte benutzt; den Zirkumflex dagegen für einsilbige Wörter: Palúrien, Ónen, Kôr also entspricht, zumindest für das Auge, dem späteren Sindarin.

Die Aufteilung des Werkes in zwei Teile wird ausschließlich durch seinen Umfang begründet, denn die Ausgabe ist als eine Einheit konzipiert; jeder Teil hat jedoch sein eigenes Register und seinen eigenen Namensanhang. Der zweite Teil enthält die in mancher Hinsicht interessantesten Stücke der Verschollenen Geschichten: Tinúviel, Turambar (Túrin), Der Fall von Gondolin und Die Geschichte des Nauglafring (das Halsband der Zwerge); Entwürfe für Die Geschichte von Earendel und den Schluss des Werkes; und Ælfwine aus England.

I. DIE HÜTTE DES VERGESSENEN SPIELS

Auf den Umschlag eines der inzwischen arg beschädigten »Hochschul-Übungsbücher«, in denen einige der Verschollenen Geschichten notiert wurden, schrieb mein Vater: Die Hütte des Vergessenen Spiels, der Beginn [vom] Buch der Verschollenen Geschichten; ferner finden sich auf dem Umschlag, von der Hand meiner Mutter, ihre Initialen, E.M.T., und ein Datum: 12. Februar 1917. In diesem Übungsbuch hat meine Mutter die Erzählung ins Reine geschrieben; es ist die saubere Abschrift eines sehr flüchtigen, mit Bleistift ausgeführten Manuskripts meines Vaters, dessen lose Blätter in das Übungsbuch eingelegt waren. Daher könnte (was wenig wahrscheinlich ist) das Entstehungsdatum der Geschichte vor dem Winter 1916/17 liegen. Die Abschrift folgt sorgfältig dem Originaltext; einige zusätzliche Änderungen meist unwesentlicher Art (außer den Eigennamen) wurden in die Abschrift eingefügt. Der Text erscheint hier in seiner endgültigen Fassung.

Nun aber geschah es zu einer bestimmten Zeit, dass ein Reisender aus fernen Landen, ein Mann von ungemeiner Entdeckerlust, da er begierig war nach fremden Ländern und dem Leben und Treiben ungewöhnlichen Volks, von einem Schiff so weit in den Westen getragen wurde, dass er zur Einsamen Insel kam, Tol Eressea in der Feensprache, welche die Gnomen1jedoch Dor Faidwen nennen, das Land der Erlösung, und eine wunderbare Geschichte ist damit verknüpft.

Nun aber kam er eines Tages nach langem Wandern, als die abendlichen Lichter in manch einem Fenster entzündet wurden, an den Fuß eines Hügels in einer weiten waldigen Ebene. Er befand sich nun beinahe in der Mitte dieser großen Insel, und viele Tage war er über ihre Straßen gewandert, und immer zur Nacht hatte er haltgemacht, auf welche Siedlung des Volks er auch stoßen mochte, ob Weiler oder freundliche Stadt, gegen die abendliche Stunde, in der die Kerzen angezündet werden. Nun ist freilich um diese Tageszeit das Verlangen, Neues zu sehen, am geringsten, sogar bei einem, der im Herzen ein Forschungsreisender ist; denn dann richtet sogar ein Sohn Earendels, wie dieser Wandersmann es war, seine Gedanken eher auf Abendessen und Rast und das Geschichtenerzählen vor der Schlafenszeit.

Nun, als er am Fuß des Hügels stand, erhob sich eine schwache Brise, und dann flog ein Schwarm Krähen im klaren Abendlicht über ihn hinweg. Schon war die Sonne hinter dem Geäst der Ulmenwälder versunken, welche die Ebene bis zum Horizont bedeckten, und ihre letzten goldenen Strahlen waren bereits durch das Blattwerk gesickert und über die Lichtungen geglitten, um unter den Wurzeln zu ruhen und bis zum Morgen zu träumen.

Nun gemahnten ihn die Krähenschreie in den Lüften zur Einkehr, und mit einer raschen Wende gelangten sie zu ihren Horsten in den Wipfeln einiger hoher Ulmen, die auf der Kuppe dieses Hügels standen. Da nun dachte Eriol (denn so nannte ihn das Inselvolk später, und es bedeutet »Einer, der für sich träumt«; doch von seinen früheren Namen spricht die Geschichte an keiner Stelle): »Die Stunde der Rast ist gekommen, und obwohl ich nicht einmal den Namen dieser Stadt kenne, die mir auf dem Hügel so freundlich erscheint, so will ich doch dort Ruhe und Herberge suchen und nicht vor morgen weiterwandern, ja vielleicht noch nicht einmal dann, denn schön erscheint sie mir, und Wohlgeruch umweht sie. Mich dünkt, der Hauch vieler alter Geheimnisse liegt über ihr, wunderbarer und prächtiger Dinge, die sie in ihren Schatzkammern, in edlen Plätzen birgt und in den Herzen derer, die in ihren Mauern wohnen.«

Nun näherte sich von Süden Eriol, und eine gerade Straße lief vor ihm her, auf der einen Seite gesäumt von einer mächtigen Mauer aus grauem Stein, auf deren Krone viele Blumen wuchsen oder die hier und da von großen dunklen Eiben überwölbt wurde. Er konnte, als er die Straße hinaufstieg, durch ihr Geäst die ersten Sterne hindurchscheinen sehen, so wie er es später in dem Lied besang, das er für diese schöne Stadt ersann.

Nun war er auf der Bergkuppe inmitten der Häuser angelangt, wandte sich, seine Schritte dem Zufall überlassend, zur Seite und ging eine gewundene Gasse hinab, bis nach wenigen Schritten am westlichen Hang sein Blick von einem winzigen Haus gefesselt wurde, dessen viele kleine Fenster nicht so dicht verhängt waren, dass nicht ein höchst heimeliges und köstliches Licht daraus hervorscheinen konnte, als seien gütige Herzen dahinter verborgen. Da sehnte sich sein Herz nach freundlicher Geselligkeit, und die Wanderlust in ihm kam zur Ruhe – und von großem Verlangen getrieben, trat er vor die Tür dieses Hauses, klopfte an und fragte, als man kam und öffnete, wie wohl der Name dieses Hauses laute und wer darin wohne. Und man sagte ihm, dies sei Mar Vanwa Tyaliéva oder die Hütte des Vergessenen Spiels, und ob dieses Namens geriet er in große Verwunderung. Es wohnten darin, so sagte man ihm, Lindo und Vaire, die es vor vielen Jahren erbaut hatten, und nicht wenige von ihrem Volk und Freunde und Kinder seien bei ihnen. Und darüber war er noch mehr verwundert als zuvor, weil er sah, wie klein das Haus war; aber der, welcher ihm geöffnet hatte, erriet seine Gedanken und sagte: »Klein ist das Haus, doch kleiner noch sind die, welche darin wohnen – denn alle, die eintreten, müssen in der Tat sehr klein sein oder, sobald sie auf der Schwelle stehen, aus freien Stücken so winzig werden wie das sehr kleine Volk.«

Darauf erwiderte Eriol, von Herzen wünsche er einzutreten und Vaire und Lindo für die Nacht um Gastfreundschaft zu bitten, so es ihnen genehm sei, wenn er nur hier auf der Schwelle aus freien Stücken klein genug werden könne. Da sagte der andere: »Tritt ein«, und Eriol überschritt die Schwelle, und, wahrlich, es schien ein überaus geräumiges und entzückendes Haus zu sein, und der Hausherr Lindo und sein Weib Vaire kamen herbei, um ihn zu begrüßen; und im Inneren seines Herzens empfand er größere Freude als noch bei all seinen Wanderungen, obgleich seit seiner Landung auf der Einsamen Insel seine Glückseligkeit sehr groß war.

Und als Vaire die Worte des Willkommens gesprochen und Lindo ihn nach seinem Namen gefragt hatte, woher er komme und wohin sein Weg ihn führe, und er sich den Fremden aus den Großen Landen2 genannt hatte, der sein Glück suche, wohin ihn seine Reiselust auch immer treibe, da war in der großen Halle das Abendessen aufgetragen, und Eriol wurde dorthin gebeten. In dieser Halle brannten nun trotz der sommerlichen Tage drei große Feuer – eines am entfernten Ende und je eines zu beiden Seiten der Tafel, und als Eriol eintrat, fand er, ungeachtet des Feuerscheins, den Raum in warmen Dämmer gehüllt. Doch in diesem Augenblick kamen viele Leute herein, die Kerzen aller Größen und vielerlei Formen trugen, deren Ständer von sonderbarer Gestalt waren; viele waren aus geschnitztem Holz, andere aus gehämmertem Metall gefertigt, und sie wurden nach Belieben auf dem mittleren Tisch sowie auf den Seitentischen aufgestellt.

Zugleich ertönte weit entfernt im Haus mit süßem Klang ein großer Gong, und ihm folgte ein Geräusch wie das Lachen vieler Stimmen, vermischt mit dem Trippeln vieler Füße. Da sagte Vaire zu Eriol, auf dessen Gesicht sie fröhliches Erstaunen sah: »Das ist die Stimme von Tombo, dem Gong der Kinder, der außerhalb der Halle des Wiedergefundenen Spiels steht, und er ertönt einmal, um sie in diese Halle zu rufen, wenn es Zeit zum Essen und Trinken ist, und er ertönt dreimal, um sie zum Geschichtenerzählen in den Raum des Scheitfeuers zu rufen.« Und Lindo fügte hinzu: »Wenn er einmal schlägt, werden Gelächter und Fußgetrippel in den Fluren laut, doch wenn er abends dreimal schlägt, dann erbeben die Mauern vor Freude, und es gibt ein großes Getrampel. Und der Klang der drei Gongschläge ist der glücklichste Augenblick des Tages für Winzigherz, den Hüter des Gongs, der in seinem langen Leben, wie er selber sagt, so viel Glück erfahren hat. Er segelte mit Earendel in Wingilot auf jener letzten Reise, da sie nach Kôr suchten. Es war der Klang dieses Gongs über dem Schattenmeer, der den Schläfer weckte im Turm der Perle, der weit draußen im Westen der Dämmerinseln steht.«

Diese Worte behagten Eriol über die Maßen, denn es wollte ihm scheinen, als öffne sich ihm eine neue, wunderschöne Welt, von der er nichts sonst gehört hatte, bis er von Vaire gebeten worden war, Platz zu nehmen. Dann ließ er seinen Blick durch die Halle schweifen, und alle ihre Bänke und Stühle waren besetzt von Kindern jeglicher Gestalt, Art und Größe, unter denen Leute verschiedenen Aussehens und Alters verstreut saßen. Nur in einem waren sie alle sich ähnlich, dass nämlich ein Ausdruck großer Fröhlichkeit auf allen Gesichtern war, der verstärkt wurde durch die heitere Erwartung bevorstehender Freude und Wonne. Auch lag das sanfte Licht der Kerzen auf allen Gesichtern; es schien auf helle Flechten, schimmerte auf dunklem Haar oder verlieh hier und da ergrauten Locken einen matten Glanz. Als Eriol sich eben umschaute, erhoben sich alle und sangen gemeinsam das Lied »Vom Auftragen der Speisen«. Darauf wurden die Speisen hereingebracht und vor ihnen aufgetischt, worauf sich alle, die Aufträger, die Aufwärter, Gastgeber und Gastgeberin, Kinder und der Gast niedersetzten. Doch zuvor sprach Lindo den Segen über die Speisen und alle Anwesenden. Während sie aßen, knüpfte Eriol mit Lindo und seinem Weib ein Gespräch an und erzählte ihnen Geschichten seiner früheren Abenteuer, besonders solche, die ihm auf jener Reise zustießen, die ihn zur Einsamen Insel geführt hatte, und er stellte seinerseits viele Fragen, die das anmutige Land betrafen und am allermeisten jene schöne Stadt, in der er sich nun befand.

Lindo sprach zu ihm: »So wisse denn, dass du heute, oder eher gestern, die Grenzen jenes Landstrichs überschritten hast, der Alalminóre oder das ›Land der Ulmen‹ genannt wird, welches die Gnomen Gar Lossion nennen oder den ›Fleck der Blumen‹. Dieser Landstrich aber wird als Mitte der Insel angesehen und als ihre schönste Gegend; doch über alle die Städte und Dörfer Alalminóres stellt man Koromas oder Kortirion, wie manche es nennen, und diese Stadt ist diejenige, in der du dich nun befindest. Wegen ihrer Lage im Herzen der Insel, doch auch wegen der Höhe ihres gewaltigen Turms, nennen sie jene, die mit Liebe von ihr sprechen, die Veste der Insel oder der ganzen Welt. Hierfür indes gibt es mehr Grund als nur große Liebe, denn jedermann auf der Insel achtet und schätzt ihre Bewohner wegen ihrer Weisheit und Führerschaft, Gesangskunst und Wissenschaft. Und hier wohnt in einem großen korin von Ulmen Meril-i-Turinqi. (Ein korin ist eine große kreisförmige Einfriedung, ob aus Stein, Dornenhecke oder aus Bäumen, die einen grünen Rasenplatz umschließt.) Meril stammt aus dem Blut Inwes, den die Gnomen Inwithiel nennen, und er war der König aller Eldar, als sie in Kôr wohnten. Das war in den Tagen, bevor das Klagelied der Welt gehört wurde und Inwe sie hinführte zu den Ländern der Menschen. Doch diese prächtige und traurige Geschichte, und auch wie die Eldar auf diese wundersame einsame Insel kamen, werde ich vielleicht später einmal erzählen.

Nach vielen Tagen aber sah Ingil, Inwes Sohn, wie wunderbar dieser Flecken war, und er pflegte hier der Ruhe und scharte um sich die meisten der schönsten, weisesten, fröhlichsten und freundlichsten von allen Eldar.3 Inmitten dieser vielen kam mein Vater Valwe hierher, der mit Noldorin ging, um die Gnomen zu finden und auch Tulkastor, den Vater meines Weibes Vaire. Er stammte aus der Sippe Aules, doch lange hatte er unter den Solosimpi gelebt, den Flötenspielern des Küstenlandes. Darauf baute Ingil den großen Turm4 und nannte die Stadt Koromas oder ›Zuflucht der Verbannten von Kôr‹, doch wegen jenes Turmes wird sie nunmehr meistens Kortirion genannt.«

Um diese Zeit aber rückte das Ende der Mahlzeit heran; da füllte Lindo seinen Becher, und Vaire und alle in der Halle taten es ihm nach, doch zu Eriol sagte er: »Das, womit wir unsre Becher gefüllt haben, ist limpe, der Trunk der Eldar, ob alt oder jung, und wenn wir ihn trinken, zieht die Jugend in unser Herz ein, und der Mund quillt über von Gesang, doch diesen Trunk darf ich dir nicht spenden: Turinqi allein darf ihn an jene austeilen, die nicht vom Stamm der Eldar sind, und die ihn trinken, müssen auf immer bei den Eldar der Insel wohnen, bis die Zeit gekommen ist, da sie ausziehen, um die verlorenen Familien der Sippe zu finden.« Dann füllte er Eriols Becher, doch er füllte ihn mit goldenem Wein aus den uralten Fässern der Gnomen; und darauf erhoben sich alle und tranken auf »den Auszug und die Wiederentzündung der Magischen Sonne«. Hierauf erklang dreimal der Gong der Kinder, ein fröhliches Lärmen stieg auf in der Halle, und einige stießen die großen Flügel der Eichentüren am Ende der Halle auf, dort, wo sich keine Feuerstelle befand. Viele ergriffen sodann die großen hölzernen Kerzenständer und hielten sie in die Höhe, während andere lachten und schwatzten, doch alle bildeten in ihrer Mitte eine Gasse, durch welche Lindo und Vaire und Eriol schritten, und als sie durch die Türen traten, folgte ihnen die Menge.

Eriol sah nun, dass sie sich in einem kurzen, breiten Flur befanden, dessen Wände bis zur halben Höhe mit Wandteppichen bedeckt waren; und auf diesen Gobelins waren viele Geschichten durch Bilder dargestellt, deren Bedeutung ihm zu dieser Zeit noch dunkel blieb. Wie es schien, befanden sich Gemälde oberhalb der Wandbehänge, doch im Dämmer konnte er nichts erkennen, denn die Kerzenträger waren hinter ihm, und vor ihm fiel das einzige Licht aus einer offenen Tür, der ein glührotes Leuchten entströmte wie von einem großen Feuer.

»Das«, sagte Vaire, »ist das Feuer der Geschichten, das im Raum der Scheite lodert; dort brennt es das ganze Jahr hindurch, denn es ist ein magisches Feuer und überaus hilfreich für den Erzähler bei seiner Geschichte – doch ebendorthin gehen wir jetzt.« Und diese Aussicht, sagte Eriol, scheine ihm verlockender als alles andere.

Dann kam die ganze Gesellschaft lachend und schwatzend in den Raum, aus dem das rote Leuchten kam. Es war ein mäßig großer Raum, so schien es jedenfalls im flackernden Schein des Feuers, der über die Wände und die niedrige Decke tanzte, während in Winkeln und Ecken tiefer Schatten lag. Rund um die große Feuerstelle war eine Vielzahl weicher Teppiche ausgebreitet, und schmiegsame Kissen lagen verstreut, und ein wenig seitlich stand ein tiefer Sessel mit geschnitzten Armlehnen und Füßen. Und so kam es, dass Eriol in diesem Augenblick und immer dann, wenn er später zur Zeit des Geschichtenerzählens diesen Raum betrat, das Gefühl hatte, dass dieser immer groß genug war, doch nicht zu weiträumig, und klein genug, doch nicht zu eng, wie groß die Zahl der Anwesenden auch immer sein mochte.

Nun setzten sich alle nach Belieben nieder, Alte und Junge, aber Lindo nahm in dem tiefen Sessel und Vaire auf einem Kissen zu seinen Füßen Platz, und Eriol, der sich, mochte es auch Sommer sein, an der roten Glut erfreute, streckte sich nahe dem Feuer auf den Steinen aus.

Dann sagte Lindo: »Wovon nun sollen heute Abend die Geschichten erzählen? Von den Großen Landen und den Wohnstätten der Menschen; von den Valar und von Valinor; vom Westen und seinen dunklen Geheimnissen, vom Osten und seinem Ruhm, vom Süden und seinen nie betretenen Wildnissen, vom Norden und seiner Macht und Stärke; oder aber von dieser Insel und ihrem Volk; oder von den alten Tagen von Kôr, wo unser Volk einst wohnte? Heute Abend nämlich unterhalten wir einen Gast, einen weitgereisten trefflichen Mann, einen Sohn Earendels, wie mich dünkt. Sollen sie also vom Reisen erzählen, von stürmischer Fahrt im Boot, vom Wind und dem Meer?«5

Doch auf diese Fragen gab es die verschiedensten Antworten, bis Eriol sagte: »Ich bitte euch, wenn es den anderen nicht unbillig erscheint, so erzählt mir für dieses Mal von eurer Insel; und vor allem anderen auf dieser Insel ist es dieses angenehme Haus und diese freundliche Schar von Jungen und Mädchen, über die ich Auskunft begehre, denn, fürwahr, von allen Häusern erscheint mir dieses als das liebenswürdigste und von allen Gesellschaften diese als die entzückendste, die ich je zu Gesicht bekam.«

Da sprach Vaire: »So wisse denn, dass es vormalen, in den Tagen6 Inwes (und die Geschichte der Eldar weiter zurückzuverfolgen, ist schwer), in Valinor einen Ort lieblicher Gärten gab am Rande eines silbrigen Sees. Dieser Flecken lag nun nahe an den Grenzen des Reiches, aber nicht weit von Kôr entfernt. Wegen seiner Ferne zum Sonnenbaum Lindelos jedoch herrschte dort ein Licht wie an einem Sommerabend, ausgenommen nur, wenn in der Dämmerung auf dem Hügel die Silberlampen angezündet wurden, und dann tanzten und zitterten kleine weiße Lichtlein auf den Wegen, und sie jagten das schwarze Schattengesprenkel unter den Bäumen. Dies war eine Zeit der Freude für die Kinder, denn um diese Stunde geschah es zumeist, dass ein neuer Gespiele über den Pfad herbeikam, der Olóre Malle oder Pfad der Träume genannt wurde. Es ist mir erzählt worden, wenn ich die Wahrheit auch nicht weiß, dass der Pfad mit vielen Umwegen bis zu den Wohnstätten der Menschen führte, doch wir selbst, als wir hierher kamen, haben ihn nie betreten. Ein Pfad war es mit hohen Böschungen und mächtigen überhängenden Hecken, hinter denen viele große Bäume standen, worin ein immerwährendes Geflüster zu leben schien; nicht selten aber krochen große Glühwürmer auf seinen grasigen Rainen umher.

Es gab nun in diesem Gartenfleck ein hohes Tor aus Gitterwerk, golden schimmernd in der Dämmerung, das zum Pfad der Träume führte, und von dort verliefen gewundene Wege, gesäumt mit hohem Buchsbaum, zum schönsten aller Gärten, und in der Mitte des Gartens stand ein weißes Häuschen. Woraus es gebaut war und wann, wusste niemand zu sagen, und auch heute weiß man es nicht, doch man hat mir erzählt, dass ein mattes Licht von ihm ausging wie von einer Perle, und sein Dach war mit Stroh gedeckt, doch dieses war von Gold.

Auf der einen Seite der Hütte nun wucherte ein Dickicht von weißem Flieder und auf der anderen wurzelte eine mächtige Eibe, aus deren Schösslingen die Kinder sich Bogen schnitzten oder über deren Äste sie auf das Dach kletterten. Doch in dem Fliedergebüsch sammelten sich die Vögel mit den schönsten Stimmen und sangen und sangen. Vom Alter gebogen waren die Wände der Hütte, und die Gitter vor ihren vielen kleinen Fenstern wanden sich in seltsamen Formen. Niemand, so geht die Rede, wohnte darin, der nicht von den Eldar insgeheim und sorgsam behütet wurde, damit kein Leid sich ihm nähere, und doch wussten die Kinder, die ungebunden darin spielten, nichts von dieser Hut. Dies nun war die Hütte der Kinder oder die des Spiels des Schlafs und nicht die des Vergessenen Spiels, wie es fälschlich in einem Lied unter den Menschen geheißen hat – denn kein Spiel geriet damals in Vergessenheit, die Hütte des Vergessenen Spiels aber, ach, sie gibt es heute nur noch hier.

Jene damals waren auch die ersten Kinder – die Kinder der Väter der Menschenväter, die dorthin kamen; und aus Mitleid suchten die Eldar alle, die jenen Pfad entlangkamen, zur Hütte und in den Garten zu geleiten, damit sie sich nicht nach Kôr verirrten und bezaubert würden vom Glanze Valinors; dann nämlich würden sie entweder auf immerdar dort bleiben und großes Herzeleid über ihre Eltern bringen, oder sie würden zurückwandern, auf immer die vergebliche Sehnsucht im Herzen, und sonderlich werden und ungebärdig unter den Kindern der Menschen. Nein, einige gar, die bis zum Rand der Felsen von Eldamar wanderten und dort umherstreiften, geblendet von den schönen Muscheln, vielfarbenen Fischen, den blauen Weihern und dem Silberschaum, sie kehrten zur Hütte zurück, die sie so sanft anlockte mit dem Duft vieler Blumen. Allerdings gab es gleichwohl ein paar, die an jenem Strand die lieblichen Flöten der Solosimpi von fern her gehört hatten, und diese spielten nicht mit den anderen Kindern, sondern erklommen die oberen Fenster, begierig, jenseits der Schatten und Bäume einen Blick auf das ferne Meer zu erhaschen und auf die verzauberten Küsten.

Meistenteils aber gingen die Kinder nicht oft in das Haus, vielmehr tanzten und spielten sie in dem Garten, pflückten Blumensträuße oder jagten den goldenen Bienen und den Schmetterlingen mit den reichgeschmückten Flügeln nach, welche die Eldar zum Vergnügen der Kinder in den Garten gesetzt hatten. Viele Kinder sind dort Freunde geworden, die sich später in den Ländern der Menschen wiedertrafen und liebten, doch davon wissen die Menschen vielleicht mehr, als ich euch erzählen kann. Doch einige gab es dort, die, wie ich erzählt habe, die Flöten der Solosimpi aus der Ferne hörten, oder andere, die bei neuen Streifzügen außerhalb des Gartens die Telelli auf dem Hügel singen hörten. Ja, es gab sogar einige, die in Kôr gewesen und danach heimgekehrt waren, und ihre Gedanken und Herzen waren des Staunens voll. Aus den verschwommenen Erinnerungen jener, aus ihren unfertigen Erzählungen und abgebrochenen Liedern erwuchsen viele sonderbare Sagen, welche die Menschen lange Zeit entzückten und es vielleicht noch immer tun: Aus diesen Kindern nämlich wurden die Dichter der Großen Lande.7

Als nun die Feen Kôr verließen, wurde jener Pfad für immer mit großen unübersteigbaren Felsen versperrt, und bis auf den heutigen Tag steht die Hütte gewisslich leer, und der Garten liegt verlassen, und so wird es bleiben bis lange nach dem Auszug, wenn, so alles einen guten Lauf nimmt, die Straßen durch Arvalin nach Valinor von den Söhnen und Töchtern der Menschen erfüllt sein werden. Als die Eldar aber sahen, dass keine Kinder kamen, um sich dort zu erfrischen und zu vergnügen, breiteten sich Kummer und Trübsal unter ihnen aus, und die Menschen hörten beinahe auf, an die Schönheit der Eldar und den Ruhm der Valar zu glauben oder ihrer zu gedenken, bis einer aus den Großen Landen kam und uns dringlich bat, die Dunkelheit zu lindern.

Aber ach, es gibt keinen sicheren Weg für die Kinder von den Großen Landen hierher, doch Meril-i-Turinqi schenkte seiner Bitte Gehör und erwählte Lindo, meinen Gemahl, einen guten Plan zu ersinnen. Hatten doch Lindo und ich, Vaire, die Kinder in unsere Obhut genommen – die Nachfahren jener, die Kôr gefunden haben und für immer bei den Eldar blieben: Und also bauten wir hier mit Hilfe guten Zaubers diese Hütte des Vergessenen Spiels, und hier werden alte Geschichten, alte Lieder und elbische Musik bewahrt und gepflegt. Immer wieder aufs Neue ziehen unsere Kinder aus, die Großen Lande zu finden, gehen unter den einsamen Kindern umher, die früh zu Bett müssen, und in der Dunkelheit bei Lampenschein und Kerzenlicht flüstern sie ihnen ins Ohr oder trösten die, welche weinen. Einige, so höre ich, lauschen den Klagen jener, die gestraft oder gescholten wurden, hören ihre Geschichten an und schlagen sich zum Schein auf ihre Seite, und das ist, wie mir scheint, ein hübscher und liebreicher Dienst.

Nicht alle, die wir ausschicken, kehren freilich zurück, und das beschert uns großen Kummer, denn keinesfalls geschah es aus mangelnder Liebe, wenn die Eldar Kinder von Kôr fernhielten, sondern vielmehr, weil sie an die Heimstätten der Menschen dachten. Gibt es doch in den Großen Landen, wie du wohl weißt, viele wunderbare Flecken und liebliche Landstriche voller Verlockungen, und deshalb geschieht es einzig aus Notwendigkeit, wenn wir eines unserer Kinder in diese Gefahr entlassen. Doch die meisten kehren hierher zurück und erzählen uns von ihren Reisen viele Geschichten und traurige Dinge – und damit habe ich nun das meiste von dem erzählt, was von der Hütte des Vergessenen Spiels zu erzählen ist.«

Darauf sagte Eriol: »Fürwahr, das sind Botschaften, die traurig und doch tröstlich zu hören sind, und sie erinnern mich an gewisse Worte, die mein Vater in meiner frühen Kindheit zu mir sagte. Es ist lange Zeit, so sagte er, in unserer Sippe überliefert worden, dass einer unserer Vorväter von einem schönen Haus erzählt habe, von einem verzauberten Garten, einer wunderbaren Stadt und einer Musik voller Liebreiz und Sehnsucht – und diese Dinge habe dieser Vorfahr als Kind gesehen und gehört, doch wusste er nicht mehr wie und wo. Doch sein Leben lang war er ruhelos, als wohne in ihm eine unbestimmbare Sehnsucht nach unbekannten Dingen; und es heißt, dass er in einer Sturmnacht zwischen den Felsen einer einsamen Küste gestorben sei – und mehr noch: die meisten seiner Kinder und Kindeskinder sind später ruhelosen Geistes gewesen –, und nun, so will es mir scheinen, kenne ich den wahren Grund.«

Und Vaire fügte hinzu, es sei sehr wohl möglich, dass einer aus seiner Sippe in jenen alten Tagen die Felsen von Eldamar gefunden habe.

Anmerkungen

1Gnomen: das Zweite Geschlecht, die Noldoli (später Noldor). Zum Gebrauch des Wortes Gnomen vgl. S. 83.; zur hier gemachten linguistischen Unterscheidung vgl. S. 94f.

2Die »Großen Lande« sind die Länder östlich des Großen Meeres. Der Name »Mittelerde« wird in den Verschollenen Geschichten an keiner Stelle verwendet, und tatsächlich taucht er erst in den Schriften der 30er Jahre auf.

3In beiden Manuskripten heißt es nach den Worten: »von allen Eldar«: »denn solche von höchstem Rang gab es nicht, da es doch angemessen und ausreichend ist, vom Blute der Eldar zu sein«. Doch im zweiten Manuskript wurde dieser Satz gestrichen.

4Ursprünglich lautete die Stelle: »den großen Tirion«. Sie wurde geändert in »den großen Turm«.

5Anstelle dieses Satzes (»einen Sohn Earendels, wie mich dünkt …«) findet sich im ursprünglichen Manuskript eine frühere Version: »Sollen sie erzählen von Earendel, dem Wanderer, der allein unter den Söhnen der Menschen guten Umgang pflog mit den Valar und Elben, der als Einziger seines Geschlechts über den Taniquetil hinausgeblickt hat, der auf immer durch das Himmelsgewölbe segelt?«

6Die ursprüngliche Fassung lautete: »vor den Tagen von«; sie wurde geändert in: »in den ersten Tagen von« und schließlich in die vorliegende.

7Dieser letzte Satz war eine Hinzufügung im zweiten Manuskript.

Veränderungen der Namen

In dieser Zeit waren die Namen einer ständigen Veränderung unterworfen, die zum Teil die rasche Entwicklung der Sprachen widerspiegelt, die damals stattfand. Veränderungen wurden im ursprünglichen Text und weitere zu verschiedenen Zeiten auch am zweiten Text vorgenommen, doch es scheint unnötig, in den folgenden Anmerkungen detailliert darzulegen, wann und wo die Änderungen vorgenommen wurden. Die Namen stehen in der Reihenfolge ihres Erscheinens innerhalb der Erzählung. Die Siglen > und < bedeuten »verändert zu« und »entstanden aus«.

Dor Faidwen Der gnomische Name von Tol Eressea wurde viele Male verändert: Gar Eglos > Dor Edloth > Dor Usgwen > Dor Uswen > Dor Faidwen.

Mar Vanwa Tyaliéva Im ursprünglichen Text wurde für den elbischen Namen Raum ausgespart; später wurde Mar Vanwa Taliéva eingetragen.

Große Lande In der Erzählung erscheint Große Lande durchgängig als Verbesserung von Äußere Lande, wenn dem Letzteren eine andere Bedeutung beigelegt wurde (Lande westlich des Großen Meeres).

Wingilot < Wingelot.

Gar Lossion < Losgar.

Koromas < Kormas.

Meril-i-Turinqi Der erste Text hat nur Turinqi, wobei in einem Fall Raum für eine Namensergänzung freigelassen ist.

Inwe < Ing in allen Fällen.

Inwithiel < Gim Githil, und dies seinerseits < Githil.

Ingil < Ingilmo.

Valwe < Manwe. Es scheint möglich, dass Manwe als Name von Lindos Vater ein bloßes Versehen war.

Noldorin Ursprünglich hieß es: Noldorin, den die Gnomen Goldriel nannten; Goldriel wurde zu Golthadriel verändert und dann der Bezug zum gnomischen Namen getilgt, so dass nur Noldorin übrig blieb.

Tulkastor < Tulkasse < Turenbor.

Solosimpi < Solosimpe in allen Fällen.

Lindelos < Lindelokse < Lindelokte Singende Traube (Glingol).

Telelli < Telelle.

Arvalin < Harmalin < Harwalin.

Kommentar

Die Geschichte von Eriol dem Seefahrer hatte für meinen Vater in der ursprünglichen Konzeption seiner Mythologie einen zentralen Platz. In jenen Tagen, so erinnerte er sich lange danach in einem Brief an seinen Freund Milton Waldman (Nr. 131; wahrscheinlich 1951 geschrieben), betrachtete er es als vordringlichsten Zweck seines Werkes, sich seinen Wunsch nach einer spezifischen und wiedererkennbaren englischen