Das Dunkle unter dem Schnee - Uwe Trostmann - E-Book

Das Dunkle unter dem Schnee E-Book

Uwe Trostmann

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Beschreibung

Das Dunkle unter dem Schnee In dieser spannenden Detektivgeschichte geht es um Betrug, Testamentsfälschung und Abhängigkeiten. Zwei Generationen später fragt sich der pensionierte Chief Inspector Steve Brennan, was den Pfarrer bewogen hat, in seiner Trauerpredigt den verstorbenen Besitzer von Avon Crest als bekehrten Saulus zu bezeichnen. Brennan beginnt nachzufragen, aber warum halten sich alle so bedeckt, als er an sie nach der Vergangenheit von Douglas Gordon fragt? Brennan wird bedroht, entgeht mehreren Mordanschlägen und sucht trotzdem weiter die Spuren unter dem Schnee. Wird er Licht in das Dunkel dieser Vergangenheit bringen können?

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EPUB
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Seitenzahl: 278

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Uwe Trostmann

Das Dunkle unter dem Schnee

Detektivroman

www.tredition.de

Impressum

© 2023 Uwe Trostmann

Website: www.uwetrostmann.de

Lektorat von: Frau Friederike Schmitz, www.prolitera.de/ Coverdesign von: Achim Schulte, www.achimschulte.de/

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

ISBN

Softcover:

978-3-347-95963-7

Hardcover:

978-3-347-95964-4

E-Book:

978-3-347-95965-1

Auch bei der Erstellung dieses Buchs möchte ich meiner Lektorin Frau Friederike Schmitz (www.prolitera.de) ganz herzlich danken. Die Zusammenarbeit mit ihr machte wieder viel Spaß, ihre Anregungen bei der Überarbeitung des Manuskripts waren äußerst hilfreich und konstruktiv.

Mein Dank gilt ebenfalls Frau Claudia Chmielus für die sehr genaue Korrekturlesung.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Das Dunkle unter dem Schnee

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

Kapitel 1

Das Dunkle unter dem Schnee

Cover

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Es kommt alles an den Tag,

was unterm Schnee verborgen lag.

(Schwedisches Sprichwort)

Mürrisch stapfte Steve Brennan an diesem kalten und windigen Novembertag durch den Schnee vom Parkplatz des Friedhofs zur Aberlour Parish Church. Es waren nur 200 Yards die High Street von Charlestown entlang, Brennan dachte aber mit Widerwillen daran, dass er später diesen Weg wieder zurücklaufen müsste. Nicht überall war der Gehweg vom Schnee befreit worden. Es schneite seit Stunden und immer wieder rutschte ihm Schnee in seine schwarzen Halbschuhe. Trauerfeier hin oder her, er hätte besser die hohen Winterschuhe anziehen sollen. Er fühlte die kalte Nässe, was seine Stimmung nicht besserte. Selten trug er diesen alten schwarzen Hut, jetzt schob er ihn noch weiter ins Gesicht. Neben ihm lief sein Freund Francis Gilmore, der sich mit einem Regenschirm vor den Schneeflocken schützte. Gilmore hatte Brennan angerufen und ihn über den Tod von Douglas Gordon informiert, ihn gefragt, ob er auch zur Beerdigung kommen wolle. Brennan erinnerte sich, dass er über eine verstorbene Tante mit Gordon entfernt verwandt war, er wollte sich irgendwann einmal genauer damit beschäftigen. Sie standen in der langen Reihe der Trauernden vor dem Eingang der Kirche. Nur langsam schoben sich die Menschen durch die schmale Türöffnung, klopften sich den Schnee von den Mänteln, traten mit ihren Schuhen mehrmals auf, es dauerte, bis jeder einen Platz auf den Kirchenbänken fand.

Dann betraten die beiden die Kirche, Brennan sah sich kurz um und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass sich trotz des schlechten Wetters sehr viele Menschen eingefunden hatten. Er nahm seinen Hut ab, schlug ihn gegen seinen Mantel, entfernte so ebenfalls den Schnee, Gilmore stieß seinen zusammengefalteten Schirm leicht auf den Boden. In der dritten Reihe vorne erspähten sie noch zwei freie Plätze und liefen langsam durch den Hauptgang dorthin. Brennan ließ seinen Blick immer wieder ein wenig nach links und rechts schweifen. Er erkannte einige wenige vom Sehen, die er mit einem kurzen Nicken begrüßte. Sie nahmen Platz. Oft war er nicht in eine Kirche gegangen – in den meisten Fällen war das aus beruflichen Gründen gewesen, als Chief Inspector.

Die Menschen in seiner Bank kannte er nicht. Er grüßte dennoch mit einem leichten Kopfnicken – die anderen grüßten zurück. Die Kirche war nicht beheizt, er konnte nicht nur seinen, sondern ebenso den Atem der anderen Besucher sehen. Offenbar war allen kalt, die meisten hatten ihre Handschuhe anbehalten, registrierte er und ließ seinen langen grauen Wollmantel zugeknöpft. Das Gesangbuch ließ er vor sich liegen, singen war nicht seine Stärke. Zu seiner Zufriedenheit stellte er fest, dass sich der Geistliche, Reverend Everson, mit einem Schal gegen die Kälte gewappnet, bereits in der Nähe des Altars stand. Lange mussten die Trauernden nicht warten, bis die Orgel zu spielen begann. Brennan versank in seinen Gedanken.

Er hatte vor seiner Pensionierung den alten Douglas Gordon während des einen oder anderen Angel-Urlaubs im The Fiddichside Inn getroffen, sah ihn aber auch immer wieder in seinem schottischen Tweed-Anzug und mit seiner Mütze auf der Straße von Charlestown im Gespräch mit Anwohnern. Gordon war beliebt und war zur Stelle, wenn jemand Hilfe benötigte, wurde Brennan erzählt, aber für den ehemaligen Chief Inspector hatte Gordons Haltung und Gesichtsausdruck auch manchmal etwas Hinterhältiges, Lauerndes. Die wenigen Male, in denen er Gordon traf, redeten sie über das Fischen oder das Wetter, und als er ein Ferienhaus für ein paar Wochen suchte, gab ihm der Alte einen guten Tipp. Gordon kannte sich aus. Als Brennan einmal erwähnte, dass er Chief Inspector war, bemerkte er eine gewisse Zurückhaltung, machte sich allerdings darüber keine Gedanken, da seiner Erfahrung nach viele Menschen zu Polizisten Abstand hielten.

Brennans Gedanken wurden unterbrochen, als die Orgel aufhörte zu spielen und der Reverend die Trauergemeinde bat, sich zu erheben. Der Geistliche sprach den Namen des Toten aus, Brennans Gedanken wanderten zu seinen Vorfahren. Eine Tante von ihm war die Cousine der Mutter von Douglas Gordon, hatte er herausgefunden. Er konnte sich im Moment allerdings weder an die Tante noch an deren Cousine erinnern. War er zu Lebzeiten seiner Tante noch so klein gewesen? Er würde dahinterkommen, eines Tages.

Everson beendete das Gebet, die Trauenden nahmen wieder Platz und der Geistliche begann mit der Predigt. Brennan hörte nur mit halbem Ohr erst die Bibelzitate und dann die Zusammenfassung von Gordons Leben an. Er dachte in diesem Moment vielmehr an seine kalten Füße und dass er zu Hause versäumt hatte, ein paar Scheite in den Kamin zu legen. Das meiste, was der Reverend sagte, kannte Brennan schon, alles andere war für ihn weniger wichtig. Er hätte jetzt lieber ein paar Fragen zum Angeln an Gilmore gestellt. Abrupt wurde er durch ein Zitat in die Realität geholt.

„So hören wir auch aus der Bibel, wie Saulus zu Paulus wurde und lernte, Gutes zu tun. Wir kennen aus vielen Geschichten, wie Menschen zeit ihres Lebens mit ihren früheren Taten haderten, viel Gutes taten, um ihr Gewissen zu erleichtern.“

Brennan vernahm diese Worte, sie hallten in ihm nach. Er hoffte, mehr darüber zu hören, aber Everson ging nicht weiter auf Einzelheiten ein. Es waren aber diese zwei Sätze, die den pensionierten Chief Inspector aufhorchen ließen. Er lugte zu Gilmore, sah bei ihm aber keine Reaktion. Er blickte in die Runde der Trauenden, sah auch dort keine Bewegung in den Gesichtern. Angestrengt versuchte er, sich an etwas zu erinnern – gab es irgendwelche Dinge, die er überhört hatte? Er wohnte noch nicht lange hier, er kannte den Verstorbenen zu wenig. Er hatte hier bislang wenige Menschen kennengelernt. Brennans Neugierde war geweckt.

Ungeduldig wartete die frierende Trauergemeinde auf das Ende des Gottesdienstes, endlich wurde der Sarg nach draußen getragen, gefolgt von Menschen, die in den ersten beiden Reihen gesessen hatten. Brennan kannte keinen von ihnen. Er wollte seine Frage loswerden.

„Hast du den Hinweis des Reverends verstanden?“, fragte er Gilmore.

„Welchen Hinweis meinst du? Wir sind dran. Gehst du?“

Brennan wollte die Bankreihe verlassen, als der Menschenzug zum Stehen kam. Eine alte kleine Frau stand direkt neben ihm und guckte ihn an. Sie ist äußerst klein, dachte er, und sehr alt. Aus ihrem schrumpeligen Gesicht schaute eine dicke Nase, blickten ihn zwei winzige blaugraue Augen an. Die schmalen Lippen öffneten sich ein wenig und sie sagte mit krächzender Stimme: „Sie werden alles finden.“ Sie drehte sich weg, der Trauerzug bewegte sich weiter, mittendrin die alte Frau, deren Gestalt bald vollständig von den anderen Menschen verdeckt wurde. Brennan fragte sich, wem diese Worte gegolten hatten, was das alte Mütterchen gemeint hatte. Gilmore bat ihn noch einmal, die Bankreihe zu verlassen, sie seien an der Reihe. Sie folgten den anderen aus der Kirche. Schnell wurden Regenschirme aufgespannt, Brennan setzte seinen Hut auf. Er hatte das Gefühl, dass es noch heftiger schneite.

„Was wolltest du wissen“, fragte Gilmore, als sie dem Trauerzug folgten.

„Diese Stelle in der Predigt über die Verwandlung vom Saulus zum Paulus, und die Verbindung zu Gordons Leben.“

„Dazu fällt mir nichts ein.“

„Kanntest du Douglas Gordon?“

„Selber habe ich nie mit ihm zu tun gehabt. Ich habe immer nur seinen Namen gehört.“

„In welchem Zusammenhang?“

„Geldspenden, Hilfsbereitschaft. Sag mal, bist du als Chief Inspector unterwegs?“

Brennan lachte leise. „Ich habe nicht die Absicht.“ Noch nicht, gingen seine Gedanken weiter.

„Kennst du die alte Frau, die neben mir stehen geblieben ist?“

„Welche alte Frau?“

„Hast du sie nicht gesehen, als der Trauerzug in der Kirche auf einmal stockte?“

„Sorry, nein, ich habe zum Ausgang geguckt.“

„Schade“, meinte Brennan.

„Wieso? Wolltest du sie kennenlernen?“

„Sie sagte zu mir «Sie werden alles finden».“

„Sagte sie das zu dir oder war das nur so allgemein gesagt?“

„Sie schaute mich dabei an.“

„Hm, seltsam.“

Der Trauerzug folgte dem Sarg auf den Friedhof, vor dem ausgehobenen Grab blieb die Gemeinde stehen, nur wenige direkt davor, viele hinter der ersten Reihe, Brennan und Gilmore irgendwo in der Menge. Brennan sah sich um und entdeckte weitere Menschen auf den Friedhofswegen, die alte Frau sah er nicht mehr.

Ein heftiger Wind trieb Schneeflocken vor sich her. Brennan hielt seinen Hut fest. Der Geistliche sprach segnende Worte, der Sarg wurde hinabgelassen, die Trauenden verabschiedeten sich und bewegten sich langsam dem Ausgang zu. Brennan stand die ganze Zeit neben seinem Freund, auch sie wandten sich zum Ausgang und liefen schweigend auf die Straße.

„Darf ich dich noch einmal etwas zu der Rede vom Reverend fragen? Diese Bemerkung schien mir sehr auf den Verstorbenen bezogen: «Wie Saulus zu Paulus wurde und Gutes tat. Wir kennen aus vielen Geschichten, wie Menschen zeit ihres Lebens mit ihren Taten haderten, viel Gutes taten, um ihr Gewissen zu erleichtern»?“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf Gordon gemünzt war. Was soll der Schlechtes getan haben? Ich habe immer nur Gutes gehört.“

„Das ist genau meine Frage. Warum hat der Reverend das gesagt? Fällt dir gar nichts ein?“

„Hm. Ich versuche, mich zu erinnern.“

„Woran?“

„Was vielleicht früher erzählt wurde?“

„Und was wäre das?“

„Weißt du, Steve, es gibt immer wieder Gerüchte, besonders hier in Schottland.“

„Zum Beispiel?“

„Meine Eltern erzählten, dass die Gordons früher einmal arme Leute waren, aber irgendwann gehörte ihnen das Anwesen Avon Crest. Solch ein Aufstieg bringt immer Neider hervor.“

Brennan blickte auf die fortgehenden Menschen. Er war in Gedanken versunken.

„Was überlegst du?“

Doch Brennan wollte jetzt nicht weiter darüber sprechen. Es war ihm kalt hier im Schneetreiben. Er sah seinen Freund an. „Ich ruf dich morgen an, wenn das für dich in Ordnung ist.“

„Ich denke nicht, dass ich dir viel erzählen kann.“

„Vielleicht reicht schon das wenige“, murmelte Brennan.

„Du hast doch bestimmt schon wieder eine Vermutung, Mr Inspector.“

„Dann bis morgen.“ Brennan lief zum Parkplatz.

„Kommst du nicht mit zur Trauerfeier?“, rief ihm Gilmore hinterher.

„Bin nicht eingeladen“, rief Brennan, ohne sich noch einmal umzudrehen. Hätte man ihn vorher gefragt, so hätte er abgelehnt. Aber jetzt würde er gerne dabei sein und ein paar Fragen stellen.

Der ehemalige Chief Inspector des Kommissariats in Birmingham Steve Brennan war vor vier Jahren in Pension gegangen. Trotz seines Alters von siebzig Jahren und seiner inzwischen leicht gebeugten Haltung, die den schlaksigen Eindruck noch betonte, flößte er mit seiner Größe von beinahe 6 Feet und einem Gewicht von 200 Pound Respekt ein. Die inzwischen weißen Haare akkurat nach hinten gekämmt, den Bart immer gepflegt – mit seinen grauen Augen erkannte er vieles, was andere Menschen nicht sahen. Sein grauer Anzug hing in seinem Kleiderschrank jederzeit bereit für den Fall, dass seine Erfahrung als ehemaliger Chief Inspector gefragt würde.

Er liebte sein Hobby Fischen, hatte sich vor einem Jahr ein Haus in Beauly bei Inverness gekauft, kam aber nicht aus seiner Haut heraus. Mit seinem besonderen kriminalistischen Gespür hatte er sich früher einen guten Namen gemacht. Und obwohl er im wohlverdienten Ruhestand war, rutschte er wiederholt in die Aufklärung von Kriminalfällen hinein. Oder er wurde von seiner ehemaligen Mitarbeiterin Roberta Foster, die nach seiner Pensionierung seine Position als Chief Inspector in Birmingham angetreten hatte, gebeten, bei der Aufklärung zu helfen. Es war noch gar nicht so lange her – etwa eineinhalb Jahre –, dass seine Nachfolgerin ihn wieder um seine Unterstützung gebeten hatte. Es war ein Fall, der das gesamte Land betraf. Bei der Verfolgung der Terroristen waren sie beide an ihre Grenzen gekommen. Aber sie hatten es geschafft. Auch wenn er es nicht gerne zeigte, er war stolz auf sich.

Er konnte und wollte auch nicht seine Finger von der kriminalistischen Arbeit lassen. Es war sein Naturell und es waren diese speziellen Situationen, die Brennan Kriminalfälle sehen ließen und den Wunsch, diese aufzuklären. Und genau das war vor einer halben Stunde wieder passiert. Es waren diese Worte von Reverend Everson.

Brennan fegte mit einer Hand den Schnee von Windschutz- und Heckscheibe, setzte sich in seinen Wagen, machte den Motor an und fuhr nach Beauly zurück. Der Wind trieb den Schnee über die Straße, es bildeten sich Schneewehen am Fahrbahnrand, selbst jetzt um die Mittagszeit war es recht dunkel und die Sicht schlecht. Er fuhr vorsichtig, er merkte in jeder Kurve, wie glatt die Straße war. Seine Füße steckten in den nassen Schuhen, er schaltete die Heizung höher und musste die Fahrbahn bei diesem heftigen Schneetreiben immer wieder suchen. Er brauchte doppelt so lang wie sonst – erst nach mehr als zwei Stunden kam er zu Hause an. Die Zufahrt zu seiner Garage war zugeschneit, er stellte seinen Wagen davor ab. Jetzt wollte er sie nicht freischaufeln. Er fror noch immer, trat in sein Haus, warf sofort neue Holzscheite in den Kamin und wechselte die Kleidung. Warum hatte er bei diesem Wetter unbedingt die schwarzen Halbschuhe anziehen müssen? Im Vorratsschrank entdeckte er eine Dose Gulaschsuppe, goss sie in einen Topf, erwärmte sie auf dem Herd und setzte sich mit Suppenteller, einem Bier und einem Notizblock an den Tisch. Nachdenklich begann er die Suppe zu löffeln.

Es war nach dem letzten Fall gewesen, dass er dieses für ihn geräumige Haus mit großem Wohnzimmer und Küche im

Erdgeschoss sowie Bad und zwei Schlafzimmern im Obergeschoss entdeckt und seine Wohnung in Birmingham aufgegeben hatte. Er hatte es gekauft, renovieren lassen, nach seinem Geschmack eingerichtet. Erst wollte er sein Reihenhaus in Birmingham nicht verkaufen, aber das Geld für seine neue Heimstatt hätte sonst nicht gereicht.

Immer wieder hatte es ihn in den Norden zum Angeln gezogen. Schon länger war er auf der Suche nach einem ruhigen Ort in Schottland gewesen, wo er seinem Hobby nachgehen konnte. Jetzt wohnte er schon beinahe ein Jahr in Beauly. Er hatte sich eingelebt, aber so richtig näher war er den Einheimischen nicht gekommen, eine Freundschaft hatte sich bis jetzt nicht ergeben. Brennan hatte nie viele echte Freunde gehabt.

Steve Brennan kannte in seinem Leben nur zwei Menschen, die er als seine Freunde bezeichnete: George aus Birmingham und Francis aus Schottland. Mit beiden verband ihn das Angeln. Francis Gilmore war zehn Jahre jünger als er, war Bankkaufmann, lebte mit seiner Frau in Inverness und kannte viele Menschen aus der Gegend. Brennan schätzte Gilmores ruhige, introvertierte Art, darin waren sie sich ähnlich. Stundenlang konnten sie im Wasser stehen und die Angeln halten. Zu erzählen gab es am Abend immer noch genug.

Brennan hatte sich noch nicht viele Notizen gemacht. Er wechselte seinen Platz, machte es sich im Sessel bequem, hielt seine Füße in Richtung Kamin und beobachtete die Flammen. Je länger er über die Worte von Everson nachdachte, desto weniger konnte er damit anfangen, sie machten ihn aber umso neugieriger. Er sah keinen Mord, keinen Diebstahl, nichts, was ihn zum sofortigen Handeln hätte treiben können. Später setzte er sich an seinen PC – eine erste Recherche zu Douglas Gordon im Internet brachte nichts zutage. Aber irgendetwas Größeres war hinter Eversons Bemerkung über Gordon verborgen. Davon war Brennan überzeugt. Etwas, das er noch nicht kannte; etwas, das ihn herausforderte. Ganz langsam ergaben sich Ansätze für einen Plan, wie er vorzugehen dachte.

Wie war ich mit Gordon verwandt, wechselte Brennan seinen Gedankengang. Er kramte in seinem Wohnzimmerschrank, fand eine Sammlung alter Unterlagen in einem kleinen Karton und begann darin zu wühlen. Es waren zwei Briefe seiner Mutter, erinnerte er sich, in denen etwas darüberstand. Nach längerem Suchen fand er sie. Sie waren von einer Tante, die bereits vor mehr als 60 Jahren verstorben war. Sie war die Cousine der Mutter von Douglas Gordon. Es mussten einfache Bauern gewesen sein, entnahm er den beiden Briefen. Die Tante arbeitete außerdem als Wäscherin.

Es war nach 23 Uhr, als Brennan beschloss, sich in den nächsten Tagen weiter mit Gordon zu beschäftigen.

Brennan sah am nächsten Morgen im Badezimmer in den Spiegel. Er schaute sein Gesicht an, sah die Falten, die grauen Haare, die entschlossenen blaugrauen Augen.

„Douglas Gordon, deine Vergangenheit werde ich auch noch herausbekommen“, murmelte er leise, aber entschieden seinem Spiegelbild entgegen. Er stockte. «Sie werden alles finden» waren die Worte der alten Dame in der Kirche gewesen. Waren diese Worte an ihn gerichtet? Meinte sie ihn, weil sie um seine Vergangenheit als Chief Inspector wusste oder gab es einen Zusammenhang mit den Worten des Reverends? Brennan verließ das Badezimmer und zog sich an.

Als er aus dem Küchenfenster sah, hatte sich beinahe ein halbes ard Schnee auf den Rasen und den Vorplatz vor seinem Haus gelegt. Er machte sich einen Kaffee, zog seine Winterstiefel, einen dicken Mantel und eine Pudelmütze an und begann, die Einfahrt freizuschaufeln. Seinen Wagen befreite er auch schon einmal von der weißen Last, für den Fall, dass er wegfahren sollte. Da der Wetterdienst weiteren Schneefall voraussagte, fuhr er den Wagen in die Garage.

Er schaute in den Briefkasten, fand keine Tageszeitung vor und begann, Neuigkeiten im Internet zu lesen. Gelegentlich blickte er zum Fenster hinaus, stellte fest, dass sich das Wetter nicht besserte, und warf von Zeit zu Zeit ein Holzscheit in den Kamin. Der Wetterbericht sagte ihm, dass erst in zwei Tagen der Schneefall nachlassen würde. Er widmete sich wieder seinen Notizen vom vorigen Abend. Sein Plan war klar: Er brauchte mehr Informationen und hatte sich auch schon ein paar Namen notiert. Er nahm den Telefonhörer und wählte die Nummer von Reverend Everson.

„Mein Name ist Steve Brennan. Ich bin ein entfernter Verwandter des verstorbenen Douglas Gordon“, stellte er sich vor. „Ich war gestern im Trauergottesdienst, habe Ihre Worte über den Verstorbenen gehört und würde mich gerne einmal mit Ihnen über Douglas Gordon unterhalten. Sie kannten ihn offensichtlich gut.“

„Ich kannte ihn, in der Tat. Douglas hat sich in der Stadt und in der Kirche verdient gemacht. Gerne können wir uns über ihn unterhalten. Ich freue mich, wenn Sie bei mir vorbeikommen.“

„Ich komme gern, sobald der Schneefall nachgelassen hat.“ Ungeduldig blickte Brennan wiederholt zum Fenster hinaus.

Er könnte sich jetzt schon in sein Auto setzen und losfahren, musste allerdings in diesem Moment mit ansehen, wie der Schneepflug einen weißen Wall vor seine Einfahrt legte. Er verspürte keine Lust, den jetzt auch noch wegzuräumen. Sein Telefon läutete.

„Francis hier. Wie geht es dir, Steve?“

„Ich hänge fest, im wahren Sinn des Wortes. Meine Hofeinfahrt wurde gerade von einem Schneepflug zugeschüttet, und in meiner Recherche zu Gordon komme ich auch nicht weiter.“

„Ah, du willst da wirklich einsteigen?“

„Francis, da stimmt etwas nicht. Ich werde mich in den nächsten Tagen mit dem Reverend treffen.“

„Denkst du, du kannst von ihm etwas erfahren?“

„Warum nicht? Er sagte, er kannte Gordon gut.“

„Vielleicht darf er nicht alles erzählen.“

„Was könnte ihn davon abhalten?“

„Das Beichtgeheimnis?“

„Hm. Was sonst noch, Francis?“

„Keine Ahnung, Steve.“

„Was weißt du? Erzähle es mir bitte!“

„Wissen, nichts. Gerüchte gibt es hier in der Gegend viele.“

„Dann erzähle sie mir.“

„Wollen wir das nicht einmal bei einem Bier besprechen? Das ist nicht so gut am Telefon.“

„Hm, okay. Du meldest dich.“

Für Brennan wurde die Geschichte zunehmend rätselhaft. Warum erzählte Gilmore nichts? Er lief in die Garage, faltete Umzugskartons zusammen, schaffte mehr Platz für seinen Wagen. Ein Blick auf seinen Holzvorrat beruhigte ihn. Der würde noch für drei Wochen reichen.

Drei Tage später meldete sich Brennan bei Reverend Everson an und fuhr zu ihm nach Charlestown. Inzwischen hatte Tauwetter eingesetzt und die Fahrt war dieses Mal recht angenehm. Er hätte es auch nicht länger in seinem Haus ausgehalten. Er suchte Antworten auf seine Fragen.

Nach bald einer Stunde erreichte er das Haus des Geistlichen. Er wurde schon erwartet, denn kaum war er aus seinem Wagen gestiegen, öffnete sich die Haustür.

„Mr Brennan, willkommen in meinem Haus. Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?“

Er sah sich einem etwas untersetzten Mann von etwa 55 Jahren gegenüber. Sein Gesicht hatte eine freundliche Ausstrahlung, seine Augen hatten etwas Nachdenkliches. Brennan hatte ein altes Haus mit niedriger Decke betreten. Es musste allerdings vor etwa zehn Jahren renoviert worden sein.

„Als ich hier einzog, habe ich das alte Gemäuer grunderneuern lassen“, merkte Everson an, als er sah, wie sein Gast den Blick auf Wände und Decke warf.

„Das habe ich mit meinem Haus in Beauly auch gemacht, bevor ich einzog. Mich interessiert, wie Sie das getan haben.“

„Schauen Sie sich ruhig um.“

Doch Brennan wollte nicht aufdringlich sein und folgte dem Geistlichen ins Wohnzimmer.

„Was führt Sie zu mir, Chief Inspector?“

Der war verblüfft, was ihm auch anzusehen war.

„In unserer modernen Welt bleibt nichts verborgen“, erklärte Everson. „Eine kurze Recherche im Internet hat mir Ihre ja durchaus erfolgreiche Vergangenheit offenbart.“

„Natürlich“, knurrte Brennan. Diese Neugierde hatte er von einem Geistlichen nicht erwartet. Sein Plan war gewesen, so lange wie möglich nichts über seinen früheren Beruf zu erzählen. Nach einer kurzen Pause meinte Brennan: „Das hätte ich mir denken können.“

„Setzen wir uns doch. Sie sind hoffentlich nicht als Inspector hier?“

„Ganz und gar nicht“, beruhigte dieser. „Es ist die Familie hier im Ort, die vor mehreren Generationen hier gelebt hat, deren Geschichte mich aber sehr interessiert. Genau genommen ist es der verstorbene Douglas Gordon.“

„Wie waren Sie denn mit ihm verwandt?“

„Eine Urgroßtante kam von hier. Ich stehe allerdings noch am Anfang meiner Erkundigungen. Ich kenne nur den Namen einer Tante, die Cousine von Gordons Mutter war.“

„Sie sind neu hier in der Gegend, nicht wahr?“

Everson begann über die Gegend und die Stadt zu erzählen, kam allerdings nie auf Gordon zu sprechen. Nach mehr als 20 Minuten unterbrach Brennan den Redeschwall.

„Das ist vieles, was ich noch nicht wusste. Ich wohne allerdings auch erst etwa ein Jahr in Beauly.“

„Wie gefällt es Ihnen dort?“

„Sehr gut. Es ist ein ruhiger Ort. Mein Haus steht sogar noch abseits davon.“ Er nahm einen Schluck aus der Teetasse. „Darf ich das Thema wechseln und Sie nach dem Hintergrund Ihrer Bemerkung in der Trauerrede fragen? Sie sagten: Wie Saulus zu Paulus wurde und Gutes tat. Wir kennen aus vielen Geschichten, wie Menschen zeit ihres Lebens mit früheren Taten haderten und dann viel Gutes taten, um ihr Gewissen zu erleichtern.“

„Das haben Sie sich aber gut gemerkt. Ich sehe den Inspector vor mir“, meinte der Reverend lachend. „Wissen Sie, mir ging es hier nicht um etwas Spezielles, sondern um das Allgemeine, und ich wollte auf Jugendsünden verweisen, die jeder von uns gemacht hat. Douglas Gordon hatte sich durch sein großzügiges Verhalten in der Gemeinde hervorgetan.“

„Na ja, Reverend, die Jugendsünden von Gordon hatten Sie bei dieser Bemerkung wohl nicht im Sinn. Oder waren die besonders ausgeprägt? Da steckt doch mehr dahinter, wenn jemand «vom Saulus zum Paulus» wird.“ Brennan bemerkte, dass Everson leicht nervös wurde.

„Was könnten Sie sich denn darunter vorstellen?“, konterte der Geistliche.

„Vielleicht denke ich im Moment zu viel an Mord und Totschlag, deren Aufklärung Teil meines Berufes war, die es aber leider auch hier immer wieder gegeben hat. Ich hörte, dass die Gordons früher eine arme Familie waren?“

„Soweit es mir erzählt wurde, hatten die Eltern etwas Land und arbeiteten hier und da. Gordon hatte sich wohl ehrenhaft nach oben gearbeitet“, erklärte der Geistliche.“

„Aber Genaues wissen Sie auch nicht?“

„Nein, Mr Brennan.“

„Aber wie war er vom einfachen Landarbeiter zum Besitzer von Avon Crest geworden? Das ist doch sehr ungewöhnlich für jemanden, der kaum Geld hat.“

„Nun, dazu kann ich nichts sagen, das war vor meiner Zeit.“

„Und was erzählen die Menschen darüber?“

„Oh, Mr Brennan. Es gibt so viele Geschichten und Gerüchte!“

Für den hörte es sich wieder wie eine Ausrede an, ein Hinweis, dass Everson nichts sagen wollte. Die Erfahrung sagte ihm, dass der Reverend mehr wusste. Er würde ihn später noch einmal dazu befragen. Er wechselte das Thema.

„Douglas Gordon wird als besonders hilfreich und großzügig bezeichnet. Wo war Gordon denn besonders großzügig?“

„Er hat beispielsweise den Bau eines neuen Kindergartens unterstützt, hat immer wieder Arbeitslosen geholfen…“

„…und auch die Kirche unterstützt.“

„Stimmt“, bestätigte der Reverend.

„Haben Sie eine Ahnung, wo er das Geld herhatte?“

„Da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. So gut kannte ich die Familie nicht.“

„Sie sagen Familie. Gibt es denn Nachkommen?“

„Diana und Patrick sind Kinder von ihm und seiner Frau Betty, die schon vor Jahren starb. Die Kinder leben in London.“

„Hatte Gordon noch weitere Verwandte?“

„Nicht, dass ich wüsste. Ich kann Ihnen da leider nicht weiterhelfen.“

„Das heißt, Gordon lebte alleine auf Avon Crest?“

„Oh nein. Er hatte einen Diener, Abbot Oldjohn.“

„Und sonst niemand?“

„Soweit ich weiß nein.“

„Wo ist sein Diener jetzt?“

„Soweit mir bekannt ist, wohnt und arbeitet er noch weiter auf dem Landsitz. Wahrscheinlich im Auftrag der Kinder.“

„Was ist Oldjohn für ein Mensch?“

„Ich kenne ihn nicht persönlich. Er war seit Jahrzehnten bei Gordon. Ich glaube, er hat alles für ihn gemacht.“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Ich denke nicht, dass Gordon Avon Crest selber verwaltet hat. Außerdem war er schon älter. Es ist ein größeres Gebäude. Haben Sie es noch nie gesehen?“

„Nur von Weitem.“

Everson erzählte nun dies und das, Brennan hatte das Gefühl, dass er heute nichts mehr von Bedeutung erfahren würde. Allerdings bekam er mehr und mehr das Empfinden, dass ihm etwas vorenthalten wurde. Auch mit weiteren Fragen würde er nicht weiterkommen. Er schwieg.

„Möchten Sie noch einen Tee?“

„Nein, vielen Dank. Ich möchte bald weiter. – Ach, bevor ich es vergesse“, fügte er hinzu. „Wer war die auffallend kleine alte Frau beim Trauergottesdienst?“

„Welche alte Frau? Ich habe keine bemerkt. War die auch auf dem Friedhof?“

Brennan beschrieb sie und gab wieder, was sie gesagt hatte.

„Nein, ich habe keine alte Frau gesehen, auf die Ihre Beschreibung passt“, erklärte Everson. „Warum fragen Sie?“

„Ach, nur so“, lenkte Brennan ab. „Vielleicht ist sie Ihnen schon vorher einmal begegnet.“

Der Reverend schüttelte leicht seinen Kopf. „Mir ist so eine Frau noch nie aufgefallen.“

Brennan stellte noch ein paar allgemeine Fragen zur Stadt und verabschiedete sich, nicht ohne die Bitte zu hinterlassen, ihm Informationen oder Hinweise zukommen zu lassen, sobald welche auftauchten. Er setzte sich in seinen Wagen und fuhr zum Dowans Hotel and Restaurant. Er verspürte Hunger, und er hoffte auf mehr Erfolg dort.

Als er das Restaurant betrat, erkannte Brennan den Mann, der gerade ein paar Gäste bediente, wieder. Der war ihm mit seiner Größe und kräftigen Statur schon während der Trauerfeier aufgefallen. Vielleicht einmal Boxer gewesen, dachte Brennan. Den Kopf kahlgeschoren, aus dem runden Gesicht sahen zwei wachsame Augen. Er hatte ihn auf dem Weg zur Trauerfeier vor der Kirche gesehen. Brennan grüßte kurz, erblickte einen leeren Platz im hinteren Teil des Raumes, ging dorthin, nahm im Vorbeigehen eine Tageszeitung von der Theke, suchte auf der Speisekarte ein Fleischgericht, bestellte sich ein Steak und freute sich, einmal etwas anderes, als seine selbst zubereiteten Forellen zu essen. Nebenbei vertiefte er sich in die Zeitung. Als der Mann, der offenbar der Wirt war, später mit der Rechnung an seinen Tisch kam, versuchte er ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

„Gehört Ihnen das Gasthaus? Mein Name ist Steve Brennan.“

„Jack Bruns“, kam es kurz angebunden.

„Sie waren auch bei der Beerdigung vom alten Gordon. Kannten Sie ihn näher?“

„Well, eigentlich nicht. Die Leute hier sprachen immer nur gut über ihn, vor allem, wenn er wieder einmal irgendetwas unterstützte.“

„Was zum Beispiel?“

„Mal brauchte der Kindergarten einen neuen Spielplatz, mal brauchte man Geld für den Neubau des Feuerwehrhauses. Aber warum fragen Sie das?“

„Ich bin mit Gordon entfernt verwandt und habe etwas über sein Leben in der Kirche gehört. Er war also ziemlich beliebt?“

„Ja, kann man so sagen.“

„Gab es auch Leute, die nicht so nett über ihn geredet haben?“

„Kenne ich keine. Aber wieso fragen Sie?“

„In seiner Rede über Gordon erzählte der Reverend etwas von der Wandlung vom Saulus zum Paulus. Können Sie etwas damit anfangen?“

„Keine Ahnung. Fragen Sie den Reverend, was er damit gemeint hat. Ich weiß von nichts. Aber ältere Leute aus der Stadt erzählen irgendwelche Sachen über den Vorgänger auf Avon Crest. Das ist aber recht wirr, was die so erzählen.“

„Zum Beispiel?“

„Geschichten, Märchen. Ich weiß nichts. Fragen Sie die.“

„Wie hieß der Vorgänger?“

„McCrawley, James McCrawley.“

„Und was war das für ein Mensch?“

„Da gibt es die wüstesten Geschichten.“

„Zum Beispiel?“

„Sorry, Sir. Ich habe in der Küche zu tun.“

„Noch kurz eine Frage. Kennen Sie die alte, sehr kleine Dame mit einer großen Nase, die mit in der Kirche war?“

„Kann ich mich nicht erinnern. Und so eine alte Frau, wie Sie sie beschreiben, kenne ich nicht.“ Bruns nahm das Wechselgeld und verschwand in der Küche. Brennan schnappte sich seinen Mantel und verließ das Lokal. Draußen schien zu seiner Freude jetzt die Sonne. Er atmete tief durch und lief zu seinem Wagen auf dem Parkplatz. Sein Ziel war The Fiddichside Inn, wo Gordon sich öfters aufgehalten hatte. Brennan hatte ihn dort auch zweimal gesehen.

Zu dieser Tageszeit war beinahe niemand im Pub. In einer Ecke saßen zwei ältere Männer und unterhielten sich, hinter dem Tresen polierte der Barkeeper, ein größerer, dickbäuchiger Mann von etwa fünfzig Jahren mit einem Trucker Cap, Gläser. Brennan grüßte, setzte sich in seine Nähe an den Tresen und bestellte

einen Kaffee. Ohne sich umzusehen, lief der Barkeeper zur Kaffeemaschine, ließ einen Kaffee durchlaufen und stellte die Tasse vor Brennan hin.

„Dort drüben gibt es Milch und Zucker, wenn Sie welchen brauchen.“ Dann verschwand er wieder zu seinen Gläsern.

Brennan gab ein schnelles „Danke“ von sich, hatte aber erst einmal nicht die Chance, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Er nahm einen Schluck und sprach ihn bei nächster Gelegenheit an:

„Kannten Sie den verstorbenen Gordon?“