Das eine unmögliche Labyrinth - Matthew Reilly - E-Book

Das eine unmögliche Labyrinth E-Book

Matthew Reilly

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Jack West hat es geschafft. Er befindet sich im Obersten Labyrinth, dem tödlichsten und gefährlichsten Ort, den Jack in all seinen Abenteuern je betreten hat. Ein schwindelerregendes Labyrinth, das wie kein anderes ist – ein mörderischer Irrgarten aus Irrgärten: Das unmögliche Labyrinth Und hier wird der Kampf enden … Der Kampf gegen den Zusammenbruch des Universums. Der siebte und finale Band mit den unglaublichen Abenteuern von Jack West. Brad Thor: »Matthew Reilly ist der König der Hardcore-Action.« Vince Flynn: »Niemand schreibt Action wie Matthew Reilly.« Spannung vom Feinsten. Matthew Reilly ist einer der besten Action-Schriftsteller der Welt. Seine Bücher wurden in über 20 Sprachen veröffentlicht und weltweit bereits über 7 Millionen Mal verkauft.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 360

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Aus dem australischen Englisch von Michael Krug

Impressum

Die australische Originalausgabe The One Impossible Labyrinth

erschien 2021 im Verlag Macmillan.

Copyright © 2021 by Karandon Entertainment Pty Ltd.

Copyright © dieser Ausgabe 2023 by Festa Verlag GmbH, Leipzig

Published by arrangement with Rachel Mills Literary Ltd.

Titelbild: Arndt Drechsler-Zakrzewski

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-98676-084-7

www.Festa-Verlag.de

www.Festa-Action.de

Dieses Buch ist für alle meine

treuen Leserinnen und Leser.

Ihr werdet bald sehen, warum!

Manchmal kann etwas, das die Leute für deine größte Schwäche halten, in Wirklichkeit deine größte Stärke sein.

JACK WEST JR.

Des Menschen Streben sollte mehr sein, als er greifen kann.

ROBERT BROWNING

WAS BISHER GESCHAH …

Am Ende von Die zwei verschollenen Berge stand das Schicksal des gesamten Lebens im Universum auf dem Spiel.

Ein Dutzend Städte überall auf der Welt lag still da, weil SPHINX’ Sirenenglocken sie in geheimnisvollen Schlaf versetzt hatten.

Im Eingangsbereich zum obersten Labyrinth tobte eine wilde Schlacht. JACK WEST JR. und seine Freunde erkämpften sich einen Weg durch Tausende, die fünf Pforten bewachende Bronzemänner.

Im letzten Moment gelang es Jack dank eines seitwärts geneigten Schleudersitzes, mit ZOE, LILY und EASTON ins Labyrinth zu gelangen.

Mittlerweile sind es nur noch drei Tage bis zum OMEGA-EREIGNIS – dem Zusammenbruch des Universums. Alles hängt davon ab, was sich im Labyrinth ereignet.

Wenn sich dort jemand auf einen sagenumwobenen THRON setzt, wird der Untergang des Universums verhindert, alles Leben wird gerettet, und derjenige herrscht über die Welt.

Nimmt hingegen niemand rechtzeitig darauf Platz, kehrt sich die Expansion des Universums abrupt um, es fällt in sich zusammen, und alles Leben wird durch eine unfassbar gewaltige, augenblickliche Singularität ausgelöscht.

IM LABYRINTH

Fünf verschiedene Gruppen betraten das oberste Labyrinth.

Team 1, vor 24 Stunden:SPHINX und KARDINAL MENDOZA, begleitet von drei RITTERN DER GOLDENEN ACHT und acht kannibalischen VANDALEN.

Team 2, vor 24 Stunden:BRUDER EZEKIEL und fünf seiner Mönche vom Omega-Orden.

Team 3, vor zwölf Stunden:DION und drei KNAPPEN DER GOLDENEN ACHT, die Sphinx unterstützen sollten.

Team 4, vor zehn Minuten:GENERAL RASTOR und sieben seiner fanatisch loyalen serbischen Elitesoldaten.

Team 5, ab sofort:JACK, ZOE, LILY und EASTON sowie vier BLAUMÄNNER (mit hellblauer Farbe gekennzeichnete Bronzemänner, die Easton dank seines Befehlsrings gehorchen).

JACKS LEUTE

Die zwei verschollenen Berge hat damit geendet, dass sich Jacks größeres Team in vier Untergruppen aufgeteilt hat:

UNTERGRUPPE 1: DIE VIER IM LABYRINTH

JACK und seine Gruppe im Labyrinth.

UNTERGRUPPE 2: UNTERWEGS NACH ITALIEN

IOLANTHE und ihr ehemaliger Mentor, der Jesuit BERTIE, brachen mit NOBODY BLACK nach Italien zur Suche nach jemandem namens »Albanos Gesandter« und der BLAUEN GLOCKE auf – der lange verschollenen Sirenenglocke, die den Schlaf aufheben konnte.

UNTERGRUPPE 3: AUF DEM SCHLACHTFELD

Während der Schlacht vor dem obersten Labyrinth warfen sich ALBY CALVIN, ALOYSIUS KNIGHT und RUFUS aus Rufus’ Suchoi Su-37, kurz bevor die Maschine von Bronzemännern überrannt wurde.

Wo sie gelandet sind, ist bisher unbekannt.

SKY MONSTER wurde zuletzt in den verbeulten Überresten eines C-5 Super Galaxy Frachtflugzeugs gesehen, das er im Rahmen von Jacks Matroschka-Plan absichtlich auf dem Schlachtfeld hatte abstürzen lassen.

UNTERGRUPPE 4: DIE KÖNIGSJÄGER

Als Jack und die anderen vom Flughafen Kairo aus den Weg zum Labyrinth angetreten hatten, waren POOH BEAR und STRETCH mit SCHWESTER LYNDA FADEL und der HNO-Ärztin und Glockenspezialistin DR. TRACY SMITH ebenfalls aus Kairo aufgebrochen, um herauszufinden, wohin sich die königlichen Familien der Welt vor dem Omega-Ereignis begeben würden.

Wir greifen die Geschichte im obersten Labyrinth wieder auf …

ERSTE BEWÄHRUNGSPROBE

BETRETEN DES LABYRINTHS

Einweihung ist sehr viel mehr als Wissensvermittlung.Es geht nicht nur darum, den hieroglyphischen Code … zu kennen, sondern auch darum, sich dieser Kenntnisse würdig zu erweisen.

DAS GEHEIMNIS DESHERMES TRISMEGISTOS

FLORIAN EBELING

(C. H. BECK, 2005)

DER EINGANGSTUNNEL

26. DEZEMBER, 9:03 UHR

DREI TAGE BIS ZUM OMEGA-EREIGNIS

Mit einem Leuchtstab in der Hand stand Jack West jr. am oberen Ende eines langen, viereckigen Tunnels, der in die Dunkelheit hinabführte.

Lily und Zoe befanden sich neben ihm, Easton und seine vier Blaumänner hinter ihnen.

Alle spähten in den Eingangstunnel hinab.

Breite Stufen verliefen steil in die Tiefe. Die Wände bestanden aus massivem Stein.

Unten erkannte man etwa 200 Meter entfernt einen schwachen orangefarbenen Schimmer, ein kleines Quadrat aus Licht.

Dann hörten sie etwas.

Gedämpfte Geräusche, die von dort unten stammten.

Schreie. Gebrüll. Schüsse.

Der Lärm eines Gefechts.

Inmitten der Schüsse und des Gebrülls schrie eine Stimme: »Tötet mich! O Gott, bitte tötet mich!«

»In was zum Teufel gehen wir da bloß rein?«, entfuhr es Zoe.

»In die letzte Schlacht eines Kriegs, bei dem der Sieger alles gewinnt«, sagte Jack. »Los geht’s.«

Damit setzte er sich den Tunnel hinab in Bewegung, den Leuchtstab und seine Desert Eagle vor sich gestreckt …

Plötzlich sprang mit einem schrillen Kreischen eine kleine rote Gestalt aus einem breiten Schacht in der Decke herab, landete auf Jacks Schultern und versuchte prompt, ihm das Gesicht abzubeißen.

Jack erwischte den Angreifer im letzten Moment an der Kehle. Beide fielen als wirrer Haufen die Treppe hinunter.

Während sich Jack verzweifelt wehrte, schnappte der kleine Kerl nach ihm und knurrte wild. Das rot tätowierte Gesicht glich einem Anblick aus einem Horrorfilm – zu verheerenden Spitzen gefeilte Zähne klackten nur Zentimeter vor Jacks Nase aufeinander.

Jack lehnte den Kopf zurück. Seine Augen weiteten sich vor Abscheu … dann ereilte ihn eine Erkenntnis.

Einen solchen Mann hatte er schon einmal gesehen.

In der Unterwelt.

In Gestalt von Mephisto, Hades’ düsterem Hofnarren.

Der mit Minotauren erst gespielt und sie dann zur Unterhaltung der königlichen Gäste getötet hatte.

Der sich nach den Großen Spielen an Bord von Jacks Flugzeug geschlichen hatte und ihn während des Flugs weg von der Unterwelt im Schlaf ermorden wollte.

Aber Jack hatte den Spieß umgedreht und Mephisto durch ein zerbrochenes Fenster der Maschine nach draußen befördert.

Der kleine Mistkerl, gegen den er sich gerade wehrte, sah genau wie Mephisto aus – klein, schlank, aber muskulös, rot tätowierte Haut, an einigen Stellen mit unter die Haut implantierten Hörnern gespickt.

Und wie Mephisto verstand der Scheißer zu kämpfen.

Er zückte eine kurze, gekrümmte Klinge, die Jack gerade noch abfangen konnte, als sie auf seine Kehle zuraste.

Und diese unnatürlich spitzen Zähne, die animalisch nach ihm schnappten …

Peng!

Der Schädel des kleinen Kerls wurde mit einer aufspritzenden Blutfontäne nach hinten geschleudert und beinahe von den Schultern gerissen, als Zoe ihre Pistole aus nächster Nähe abfeuerte.

Der Körper des Angreifers erschlaffte, die Fingernägel noch in Jacks Jacke gekrallt. Jack stieß ihn von sich.

»Gottverdammt noch mal«, entfuhr es ihm atemlos. »Sphinx muss ein bösartiges kleines Empfangskomitee für uns zurückgelassen haben.«

Lily trat an Jacks Seite. »Geht’s dir gut?«

»Ja. Nur ein paar Kratzer.«

Zoe blickte angewidert auf den toten Angreifer hinab. »Wer zum Teufel ist das? Was zum Teufel ist das?«

Sie war nicht bei den Großen Spielen in der Unterwelt gewesen.

»Er sieht wie dieser Hofnarr aus der Unterwelt aus«, erklärte Jack. »Mephisto.«

»Ist Vandale«, sagte Easton, der neben ihnen auftauchte.

»Ein Vandale?«, fragte Lily. »Wie die Vandalen, die Rom im fünften Jahrhundert geplündert haben?«

»Ja«, bestätigte Easton.

»Schwester Lynda hat Vandalen erwähnt«, warf Jack ein. »Sie hat gesagt, Sphinx habe welche mit ins Nowodewitschi-Kloster in Moskau gebracht, als er dort war, um die Sirenenglocken zu holen.«

»Vandalen sind kleine Kriegerrasse«, erklärte Easton. »Furchterregend und wild wie tollwütige Hunde. Benutzen Zähne im Kampf. Fressen Fleisch. Aber Vandalen jetzt sehr selten. Nur reichste Adelige aus Welt von Königreiche noch haben welche.«

»So wie Hades diesen Mephisto?«, fragte Lily.

Easton nickte.

»Wenn ich mich recht erinnere, hat Schwester Lynda erwähnt, dass Sphinx acht davon hatte«, kam es von Zoe.

»Jetzt noch sieben«, ergänzte Jack.

Nachdenklich runzelte er die Stirn. »Apropos Zahlen, wir müssen uns einen Überblick verschaffen, uns überlegen, wer seit wann hier ist.«

Er zählte die einzelnen Gruppen an den Fingern ab. »Okay. Sphinx ist als Erster vor 24 Stunden eingetroffen, vermutlich in Begleitung seiner Berater und militärischer Unterstützung. Er ist uns einen vollen Tag voraus.«

Zoe nickte. »Die zweite Gruppe waren die von Bruder Ezekiel angeführten Omega-Mönche. Wir haben draußen ihren abgestürzten Jet gesehen.«

»Die dritte war Dion mit einigen Knappen der Goldenen Acht. Wir haben gehört, wie Sphinx ihm befohlen hat, als Unterstützung vom Mont Blanc herzukommen. Und zu guter Letzt sind da noch Rastor und wir.«

»Wir liegen schon wieder zurück …«, merkte Lily an.

Ein lautes Geräusch vom unteren Ende des Eingangstunnels unterbrach sie.

Eine Explosion.

Instinktiv wirbelte Jack fluchtbereit herum, aber er bremste sich.

An diesem Ort wollte er auf keinen Fall blindlings herumrennen. Wer wusste schon, welche Fallen darin lauern mochten?

Er betrachtete den Tunnel um sie herum.

Die Steinstufen erstreckten sich von Wand zu Wand.

Als er den Leuchtstab näher zum Boden führte, stellte er fest, dass eine der Stufen nicht aus Stein bestand.

Es handelte sich um irgendein Metall. Matt schimmernd.

»Eine leuchtende Treppe«, sagte Jack leise. »Lily. Du hast ein paar der Textpassagen auf Imhoteps Schädel übersetzt. Was steht da noch mal über eine leuchtende Treppe?«

Lily betrachtete den mumifizierten Schädel in ihrem Rucksack – den tätowierten Kopf des ägyptischen Architekten und Denkers Imhotep.

Sie las eine Reihe von Zeichen in der Sprache des Thot darauf.

»Hier steht: ›Sobald du die leuchtende Treppe passiert hast, gibt es kein Zurück mehr.‹«

Jack runzelte die Stirn. »Es ist eine Art Schwe…«

»Captain Jack«, fiel Easton ihm eindringlich ins Wort.

»Ja?«

»Noch was über Vandalen. Mephisto war ungewöhnlicher. Hat allein gelebt. Partner hat er zum Spaß umgebracht. Sonst Vandalen immer arbeiten in Paare.«

Erschrocken wirbelte Jack herum. »Moment, was?«

Abrupt schaute er in die dunkle Öffnung in der Decke des Tunnels über ihnen. In dem Moment sprang ein zweiter Vandale mit gefletschten Zähnen, gezücktem Messer und einem animalischen Kreischen daraus herab!

Der kleine, rotgesichtige Meuchelmörder landete wuchtig auf Jack. Beide stürzten die Treppe hinunter, fielen auf die Stufe aus Metall …

… und prompt ertönte ein Unheil verkündendes Ächzen aus der Öffnung in der Decke.

Das Geräusch von Stein auf Stein.

Eine Falle.

Lily und Zoe schauten zu dem Knirschen auf, während Easton lospreschte, um Jack zu helfen.

Der kleine Vandale erwies sich als geballte Ladung wilder Energie. Zischend wollte er sich mit dem Messer voraus auf Easton stürzen – und wurde von einem der Blaumänner buchstäblich mitten in der Luft abgefangen.

Es handelte sich um jenen, dessen augenloses Metallgesicht zerkratzt worden war, als er sich unter der sinkenden, das Labyrinth versiegelnden Steinplatte hindurchgerollt hatte. Dadurch war ein gekrümmt verlaufender Kratzer zurückgeblieben, der an ein schiefes Lächeln erinnerte.

Der emotionslose Bronzekrieger hielt den zappelnden Vandalen mit einem Arm einen Meter über dem Boden. Sein Griff glich dem eines Schraubstocks.

»Töte ihn«, befahl Easton.

Der Blaumann gehorchte sofort, drückte mit der Faust zu und brach dem Vandalen mit einem durchdringenden Knacken das Genick. Die Leiche ließ er achtlos auf den Boden fallen.

Jack rappelte sich auf die Beine. Er schaute zwischen seinem toten Angreifer zu dem Blaumann mit dem zerkratzten Lächeln hin und her.

»Danke, Smiley«, sagte er.

Das Knirschen aus der Öffnung über ihnen wurde lauter.

»Ich glaube, ich hab gerade die leuchtende Treppe überquert und eine Falle ausgelöst. Wir müssen rennen. Los! Los!«

Und sie rannten.

Sie befanden sich 30 Meter tief im Tunnel, als ein gewaltiger, würfelförmiger Stein aus der Öffnung in der Decke herabfiel, das Treppenhaus perfekt ausfüllte … und hinter ihnen herschlitterte.

Sie rannten die Stufen hinunter, so schnell die Beine sie trugen.

Jack befand sich an der Spitze und hielt den Blick auf die quadratische Öffnung unten gerichtet.

Immer noch zeichnete sich dort ein schwacher Lichtschimmer ab. Als Jack näher hingelangte, stellte er fest, dass es sich um einen vollwertigen Durchgang handelte.

Die anderen rasten mit ihm den Tunnel hinunter, während hinter ihnen der riesige, kantige Stein rumpelte, über die Stufen schrammte und allmählich schneller wurde.

Das mächtige Teil musste mindestens 30 Tonnen wiegen.

Und es füllte den Tunnel vollständig aus.

Imhotep hatte recht gehabt – sobald man die Schwelle zur leuchtenden Treppe überquert hatte, gab es kein Zurück mehr.

Jack erreichte den Durchgang am unteren Ende der Stufen und bremste schlitternd ab.

»Oh-oh …«

Zoe traf an seiner Seite ein. »Wieso bleibst du … Ach du meine Güte.«

Jack warf einen Blick zurück zu dem tonnenschweren Steinblock, der hinter ihnen den Tunnel herabglitt. »Wir haben ein ernstes Problem.«

Es bestand darin, dass der Tunnel endete.

Nach der untersten Stufe ging es einfach in die Tiefe. Sie standen auf einem schmalen, in eine gewaltige unterirdische Felswand gehauenen Vorsprung mit Blick auf eine riesige Höhle …

… in der bereits eine wilde Schlacht tobte. Projektile sausten durch die Luft. Granaten explodierten.

Und hinter ihnen beschleunigte der Gleitstein die Treppe herunter, um sie von der untersten Stufe zu schleudern.

Jack schätzte, dass noch etwa 20 Sekunden verblieben.

Zuerst nahm er die gewaltige Höhle in Augenschein.

Sie ähnelte nichts, was er je gesehen hatte.

Die Mauern, Brücken und sonstigen Flächen darin bestanden aus drei Materialien – aus rauem, unebenem Fels, glattem, betonähnlichem Graustein und einem brünierten bronzefarbenen Metall.

Jack und sein Team befanden sich hoch oben auf einer Seite eines gigantischen Abgrunds, der sich in unergründliche Dunkelheit hinab erstreckte.

Das Hauptmerkmal des Raums war ein kolossaler Stalaktit, der von der Decke hing und die ungefähre Größe eines 15-stöckigen Wolkenkratzers aufwies.

Oben an der breitesten Stelle schien die Formation überwiegend aus natürlichem Fels zu bestehen. Beim nach unten hin verjüngten Teil jedoch kamen zwei ergänzende Materialien hinzu – Metall und Graustein.

Fünf lange Brücken aus dem seltsamen bronzefarbenen Metall mit niedrigen Rinnen strahlten wie die Speichen eines Rads von den oberen Bereichen des Gebildes in der Mitte aus.

Jede Brücke verlief zu einem von fünf Eingangstunneln, die alle dem von Jack glichen und in den riesigen Raum mündeten. Nur reichten die Brücken nicht ganz bis zu den Eingangstunneln.

Sie endeten knapp zwei Meter davor und zwei Meter darunter.

Jack betrachtete die Leere zwischen ihm und der Spitze der gegenüberliegenden Halbbrücke.

Der Zweck der Lücke war klar – sie sollte verhindern, dass jemand nach einem Sprung auf den Steg zurück zum Eingangstunnel könnte …

Jack erstarrte. Auf seiner Halbbrücke befand sich jemand, der genau in der Mitte den Weg versperrte.

Nein, Moment, keine Person.

Eine Statue. Aus Stein. Groß und menschenähnlich.

Doch dann begann die Statue zu zittern, als würde sie von innen heraus zerbrechen. Plötzlich fiel die Steinhülle in unzähligen winzigen Brocken davon ab und enthüllte, was sich darin verborgen hatte.

Ein Silbermann.

Einer der Elitekrieger aus Metall, eine Stufe über den Bronzemännern.

Und er hielt auf halbem Weg die Brücke entlang Wache und blockierte sie.

»Wir sind so was von nicht mehr in Kansas«, murmelte Lily.

»Jack …«, drängte Zoe.

Der große Gleitstein sauste immer noch knirschend den Eingangstunnel hinter ihnen herab und beschleunigte nach wie vor.

Jacks Gedanken überschlugen sich.

Alles ging viel zu schnell.

Er wollte mehr über diesen Ort herausfinden, bevor er auf eine Halbbrücke mit Rinnen und einem Silbermann sprang. Aber der auf sie zurasende Gleitstein nahm ihm die Entscheidung ab.

Als er noch alles verarbeitete, ließ ihn ein grässlicher Schrei in der Nähe herumwirbeln.

»Jemand soll mich töten!« Dieselbe Stimme, die sie schon gehört hatten.

Jack drehte sich nach rechts und erblickte die Quelle des Schreis auf der nächsten Halbbrücke.

Es handelte sich um einen Omega-Mönch.

Jack schluckte vor Entsetzen darüber, was er sah.

Der Omega-Mönch lag auf dem Rücken … nur hatte sich seine Brücke kniehoch mit verfestigtem Graustein gefüllt, der ihn eingeschlossen hatte.

Er musste hineingefallen sein, als die Substanz noch flüssig war, denn seine Hände und seine Taille steckten darin fest, während sich der Kopf darüber befand.

Aber nicht das war das Schrecklichste.

Das waren die beiden Vandalen, die über ihm kauerten und mit den Zähnen blutige Brocken aus seinen Schultern und seinem ungeschützten Gesicht rissen.

Die fressen ihn bei lebendigem Leib.

»Bitte, o Herr, lass mich sterben!«

Voll Grauen starrte Jack hin. Sphinx musste weitere Vandalen an den anderen Eingängen zurückgelassen haben.

In der Nähe der beiden schlemmenden Vandalen befand sich ein weiterer Silbermann, der offensichtlich jene Brücke bewachte. Er stand auf dem Graustein, nicht darin, und er verharrte teilnahmslos, unternahm nichts gegen den abscheulichen Kannibalismus, der sich vor ihm abspielte.

»Das ist krank«, murmelte Lily.

»Jack«, sagte Zoe erneut.

Der riesige Gleitstein hinter ihnen näherte sich rasant und hatte sie fast erreicht.

»Lily, Zoe, schnell – springt jetzt rüber«, befahl Jack. »Auf die Halbbrücke. Wir kommen nach.«

Die beiden Frauen sprangen von der Öffnung des Eingangstunnels, segelten über den Abgrund hinweg und landeten in identischer geduckter Haltung auf der Metallbrücke.

Jack sah nach dem Gleitstein. Er rumpelte nach wie vor den Eingangstunnel herab.

Easton kam mit seinen Blaumännern als Nächster an die Reihe.

Dann fehlte nur noch Jack.

Der heranrasende Gleitstein befand sich nur noch wenige Meter entfernt, als Jack sprang und von der Mündung des Tunnels über die Leere hechtete.

In dem Moment toste der Gleitstein hinter ihm aus dem Tunnel, sauste über die Kante und stürzte in den Abgrund.

Jack landete auf dem Bauch. Lily und Zoe zogen ihn auf die Beine.

»Jetzt gibt’s kein Zurück mehr«, sagte Lily.

»Richtig«, pflichtete Jack ihr bei.

Von seinem Platz am Ende der Halbbrücke aus ließ er den Blick durch die Höhle wandern.

Und entdeckte, wonach er suchte.

Den Ausgang.

Weit unter ihnen auf Höhe der Spitze des umgedrehten Wolkenkratzers erstreckte sich eine beeindruckende, ultralange Brücke, verziert mit einer Reihe von Obelisken.

Sie führte zum einzigen sichtbaren Ausgang der Höhle, einem hohen Zierbogen zu einem Tunnel, der in die Felswand verlief. Allerdings wies jene Brücke ein Problem auf.

Eine Lücke in der Mitte.

Jemand – wahrscheinlich Sphinx – hatte einen Teil herausgesprengt. Vermutlich um zu verhindern, dass später Eintreffende sie überqueren konnten.

Nur war die Strategie nicht ganz aufgegangen.

Denn Jack sah auf der Brücke mit den Obelisken etwas, das sich über den Spalt spannte.

Es handelte sich um eine militärische Überbrückung, eine lange, ausziehbare Planke aus Kohlefaser.

Dann beobachtete Jack, wie plötzlich eine Gruppe von acht winzigen Gestalten im Sprint aus der unteren Spitze des Wolkenkratzers auftauchte und über die Brücke und die Planke rannte.

Den Anführer erkannte Jack auf Anhieb. Was sich wegen der hünenhaften Statur des Mannes nicht schwierig gestaltete.

General Garthon Rastor.

Rastor.

Der wahnsinnige und doch brillante königliche General. Der Mann, der Jacks Mutter beim fallenden Tempel in Jerusalem ermordet hatte. Der Mann, der das Omega-Ereignis eintreten lassen und das Ende des Universums miterleben wollte.

Rastor und seine Truppen hatten das oberste Labyrinth kurz vor Jacks Team erreicht.

Während Jack draußen durch die Reihen der Bronzemänner gepflügt war, hatte Rastor das Labyrinth durch eine andere Pforte betreten, lag nun etwa zehn Minuten vor Jack und befand sich bereits am Ausgang.

Als hätte er Jacks Anwesenheit gespürt, drehte sich Rastor um und schaute zu ihm auf.

Er salutierte höhnisch in Jacks Richtung, bevor er die Planke mithilfe seiner Männer von der unterbrochenen Brücke in den Abgrund hievte.

Prompt klaffte wieder eine fast fünf Meter breite Lücke in dem Übergang.

»Verdammt noch mal. Als wär’s nicht so schon schwer genug«, murmelte Jack.

»Ich glaube, es wird gleich noch schwerer«, sagte Zoe.

Sie deutete mit dem Kinn auf ihre Füße. Jack sah, wie ein Schwall fließenden Wassers über seine Stiefel schwappte und sich am Ende ihrer Zugangsbrücke zu sammeln begann.

Zuvor war es ihm nicht aufgefallen, aber die kniehohen Rinnen der Halbbrücke aus Metall erstreckten sich nicht nur an den Seiten entlang, sondern befanden sich auch an einem Ende. Im Grunde glich die gesamte, rund 100 Meter lange Brücke einem seichten Becken.

»Wasser?« Lily klang verwirrt.

»Nicht bloß Wasser«, entgegnete Jack. Er deutete mit dem Kopf zu der Brücke neben ihrer, wo der Omega-Mönch in einer flachen Schicht aus Graustein feststeckte und von den Vandalen gefressen wurde.

Dann schaute er gerade nach oben …

… und erblickte einige umgedrehte Minipyramiden, die direkt über ihrer Halbbrücke von der Decke ragten.

»Ich vermute mal, dass demnächst Grausteinkügelchen aus den kleinen Pyramiden da oben ins Wasser fallen und es verfestigen«, sagte er. »Wir müssen rechtzeitig davor an dem Silbermann vorbei, sonst enden wir wie der Mönch.«

Ihr Brückenbecken füllte sich schnell.

Das Wasser ergoss sich aus einem Auslass an seinem Ende über einem trapezförmigen Durchgang aus Stein in dem kopfüber hängenden Wolkenkratzer.

Der stetige Strom breitete sich über die Halbbrücke aus, vorbei an den Füßen des Silbermanns, bevor er sich um Jack und die anderen herum sammelte.

»Was sollen wir tun?«, fragte Lily. »Ich glaub kaum, dass der Silbermann uns einfach so vorbeilässt.«

Jack warf einen Blick hinüber zu dem Omega-Mönch, der von den Vandalen in Stücke gerissen wurde …

In dem Moment schaute einer der Vandalen von seiner Mahlzeit auf und entdeckte Jack und dessen Gruppe.

Der Vandale erstarrte … und grinste.

Blut und Fleischbrocken verschmierten seinen Mund.

»Aber hallo, hallo, hallo!«, rief er mit schriller Stimme.

»Frischfleisch«, quiekte der Zweite vor Freude, als auch er sie bemerkte.

Wie Hyänen, die neue Beute erspäht hatten, sprangen die beiden von dem Mönch weg. Geschickt hangelten sie sich außen an der Rinne die Brücke entlang und umgingen so den Silbermann darauf. Sie steuerten auf den Wolkenkratzer in der Mitte zu.

»O Scheiße«, entfuhr es Jack, als er sie verschwinden sah.

Wieder überschlugen sich seine Gedanken im Versuch, mit den Ereignissen mitzuhalten.

Er musste nicht nur die eigene Brücke überqueren – die sich mit Wasser füllte, das sich um die Füße seiner Gruppe herum zu Graustein verfestigen würde –, sondern auch vorbei an einem Silbermann.

Und nun befanden sich zudem zwei Vandalen auf dem Weg zu ihnen.

Bleib ruhig, dachte er. Bleib ruhig. Gliedere einfach jeden Schritt auf und erstell dann deinen Plan.

Okay.

Erster Schritt: vorbei an dem Silbermann.

Jack zog seine Pistole. In der Waffe befand sich noch ein Magazin mit Spezialmunition voller Raspeln des Schwerts Excalibur, die Easton in mühsamer Kleinarbeit daran angebracht hatte.

»Okay«, sagte Jack. »Zoe. Du, ich und die Blaumänner nehmen es mit dem Silbermann auf und lenken ihn ab. Inzwischen hangeln sich Lily und Easton an ihm vorbei, indem sie wie die Vandalen die Rinne am Rand der Brücke benutzen.«

»Aber Dad …«, setzte Lily zum Protestieren an.

»Nein, Kleines, hier müssen wir so vorgehen. Wenn wir von irgendwas aufgehalten werden, spielen Zoe, Easton und ich die Lockvögel für dich. Wir kümmern uns um die Fallen und Gegner, während du zum nächsten Abschnitt des Labyrinths weitergehst. Danach holen wir dich hoffentlich ein.«

»Und was, wenn nicht?«

Jack sah sie an. »Dann musst du allein weitergehen. Easton? Sobald wir uns dem Silberkerl nähern, wird er zum Leben erwachen und uns das Leben erfahrungsgemäß ziemlich schwer machen. Kannst du deinen Jungs befehlen, ihn anzugreifen?«

Easton zeigte auf drei seiner Blaumänner. »Ihr da. Wenn sich Silbermann bewegt, ihr greift ihn an.«

Insgeheim fragte sich Jack, warum Easton nicht alle vier Blaumänner damit beauftragte.

Dann wandte sich Easton an den vierten, den mit dem Kratzerlächeln im Metallgesicht – Smiley.

»Du«, sagte Easton leise, »beschützt ihn und sie.«

Easton zeigte auf Jack und Zoe.

Er hatte ihnen gerade einen Leibwächter verpasst.

Jack trat vor. Wie erwartet hob der Silbermann den Kopf und wurde lebendig. Die ersten drei Blaumänner griffen ihn an, und der Kampf ging los.

Kaum hatten sich die Blaumänner in Bewegung gesetzt, hob Jack seine Desert Eagle an und feuerte auf den Kopf des Silbermanns.

Der Schuss traf ihn direkt in die Stirn und ließ den Schädel kurz zurückschnellen.

Allerdings richtete er sich prompt wieder auf.

Als das augenlose Gesicht in seine Richtung starrte, sah er, dass der Einschlag gerade mal eine winzige Delle in der Metallstirn hinterlassen hatte.

»Verdammt.«

Jack wusste aus Erfahrung, dass seine Spezialmunition einen Bronzemann mit einem direkten Kopfschuss zu »töten« vermochte.

Diesmal jedoch hatte er es mit einem Silbermann zu tun, einer optimierten Version der Bronzemänner – besserer Kämpfer, härtere Haut, schwieriger auszuschalten. Eine Spezialkugel in den Kopf reichte dafür eindeutig nicht.

Auch Zoe gab mehrere Schüsse ab. Die Projektile prallten Funken sprühend vom silbrig glänzenden Schädel ab.

Sie durchschlugen ihn zwar nicht, trotzdem schleuderte ihr Sperrfeuer den Kopf zurück. So konnten die drei Blaumänner nahe an den Silbermann ran und sich auf ihn stürzen.

»Lily! Easton!«, rief Jack. »Los jetzt!«

Rasch kletterten Lily und Easton über den Rand der Brücke und hangelten sich an den Fingern hängend daran entlang, während die Blaumänner gegen den Silbermann kämpften.

Die drei Blaumänner packten den Silbermann an den Armen und rangen mit ihm, während Jack und Zoe weiterfeuerten und das Wasser die Brücke zunehmend füllte.

Lily und Easton arbeiteten sich den Rand entlang vor. Sobald sie die Stelle des Kampfs hinter sich gelassen hatten, schwangen sie sich wieder auf die Brücke und hatten nur noch 20 Meter zum Eingang im Wolkenkratzer vor sich.

Als sie sich wieder auf der Brücke befanden, schaute Lily zögerlich zu Jack.

»Weiter!«, sagte Jack. »Wir kommen nach!«

Mit einem widerwilligen Nicken rannten Lily und Easton in den Durchgang am Ende der Brücke, vorbei an zwei großen, menschenförmigen Steinstatuen zu beiden Seiten.

Jack und Zoe waren nach wie vor durch den Kampf vor ihnen von jenem Eingang abgeschnitten, als der Silbermann plötzlich einen der Blaumänner von der Brücke in die Tiefe schleuderte.

»Nein!«, brüllte Zoe. Im selben Moment bekam Jack den Silbermann ins Visier und feuerte einen Schuss genau in die von seinem ersten Schuss verursachte Delle ab.

Damit erzielte er Wirkung.

Der Silbermann erstarrte so abrupt, als wäre seine Stromversorgung abgeschaltet worden.

Dann sackte er ins knöcheltiefe Wasser auf die Knie. Der Kopf hing genauso schlaff herab wie die Arme.

Jack rief Zoe zu: »Geh! Lauf an ihm vorbei!«

Von Smiley bewacht eilten sie um den gefallenen Silbermann herum. Ihre Füße platschten durch das seichte Wasser. Die beiden anderen Blaumänner folgten ihnen.

Der Weg zum Wolkenkratzer lag frei vor ihnen.

»Großartig gemacht!«, sagte Jack. »Also dann, lass uns …«

Plopp.

Plopp.

Jack drehte sich um …

… und erblickte im Wasser die von zwei herabgefallenen Grausteinkügelchen verursachten Wellen.

Dann fiel ein drittes Kügelchen aus einer der Miniaturpyramiden an der Decke mit einem Plopp ins aufsteigende, mittlerweile fast schienbeinhohe Wasser.

»Lauf!«, rief er Zoe zu. »Runter von der Brücke! Bevor das Wasser zu Stein erstarrt!«

Jack und Zoe stürmten die Brücke entlang, platschten durch das Wasser. Die drei verbliebenen Blaumänner begleiteten sie. Rasch ließen sie den nach wie vor knienden Silbermann hinter sich zurück.

Das Wasser um ihre Füße herum verdunkelte sich, wurde erst grau, dann schwarz – der Hinweis, dass es sich jeden Moment in Stein verwandeln würde.

Im Rennen heftete Jack den Blick auf den trapezförmigen Durchgang mit den Steinstatuen zu beiden Seiten.

Zoe, er und die drei Blaumänner erreichten das Ende der Brücke und sprangen über den niedrigen Rand und unter dem Wasserauslass durch die Öffnung in den Wolkenkratzer …

Im selben Moment erstarrte das gesamte Wasser auf der Brücke um den knienden Metallkrieger herum zu Stein.

Dann hob der Silbermann den Kopf.

Er ist nicht tot, dachte Jack düster.

Der Silbermann versuchte, sich aufzurichten. Aber es gelang ihm nicht. Die Knie und Füße steckten im zementartigen Graustein fest.

»Er ist im Stein gefangen«, stieß Zoe hervor.

»Gott sei Dank«, sagte Jack. »Eine Bedrohung weniger für uns. Haben wir uns verdient.«

Prompt befreite der Silbermann mit einem lauten Knirschen die Füße aus dem erstarrten Graustein, richtete sich auf und drehte sich ihnen zu.

Er begann, sie zu verfolgen.

Im selben Moment erwachten die vermeintlichen Statuen zu beiden Seiten des Durchgangs zum Leben. Die Steinhülle bröckelte ab, und Silbermänner kamen darunter zum Vorschein.

»Scheiße!«, rief Jack. »Lauf! Wir dürfen nicht anhalten!«

Während der ursprüngliche Silbermann über die lange Brücke anrückte und die beiden ihre Steinhüllen abschüttelten, stürmten Jack, Zoe und die drei Blaumänner durch den Eingang des Wolkenkratzers hinter Lily und Easton her.

Einen Tag zuvor.

Sphinx überblickte vom Ende seines Eingangstunnels denselben riesigen Raum.

In der gigantischen Höhle herrschte Stille.

Kein Geschrei, keine Kampfhandlungen.

Sphinx hatte es nicht eilig.

Er hatte den Gleitstein in seinem Tunnel nicht ausgelöst, weil er aus Imhoteps Anleitung – die sein Berater Kardinal Mendoza aufbewahrte – wusste, dass er über die Auslöserstufe hinwegsteigen musste.

Mendoza sowie die mitgebrachten drei Ritter und acht Vandalen schlossen zu Sphinx auf.

Er beäugte die Wände der Höhle.

Tief eingemeißelte Glyphen verliefen auf Höhe der fünf Eingangstunnel.

»Meine lieben Vandalen«, ergriff er das Wort. »Legt euch in diesen Tunneln auf die Lauer. Schlagt euch nach Lust und Laune die Bäuche mit allen voll, die sie durchqueren wollen.«

Damit entließ er vier der Vandalen. Wie Affen kletterten sie die gekrümmte Felswand entlang zu zwei anderen Tunneln und benutzten dabei die Glyphen als Haltegriffe.

Sphinx selbst sprang auf die mittlere der fünf Brücken, die von einem eigenen Silbermann verteidigt wurde. Seine Leute folgten ihm.

Als der Silbermann ihre Anwesenheit bemerkte, richtete er sich auf und trat vor, um ihnen den Weg zu versperren. Sphinx hob einfach seinen Befehlsring an.

Sofort blieb der Silbermann stehen und neigte den Kopf vor dem Mann, der den Ring des Imperators trug.

Sphinx marschierte an ihm vorbei über die Brücke und durch die uralte trapezförmige Öffnung, die in den verkehrt herum hängenden Wolkenkratzer führte.

DER BRUNNENSCHACHT

Lily und Easton erreichten den Kern des Wolkenkratzers.

Easton erhellte die Umgebung mit dem Strahl der am Lauf seiner Pistole montierten Lampe.

Sie befanden sich in einer runden Kammer, in der fünf Tunnel zusammenliefen. In der Mitte des polierten Bodens klaffte ein Brunnenschacht.

Eingravierte Runen und Glyphen übersäten die aus einer Mischung aus Stein und Metall bestehende Wand.

Lily entdeckte uralte Bilder, die sie schon einmal gesehen hatte, darunter eines der Pyramide von Gizeh, wie sie von einem Lichtstrahl der Sonne getroffen wurde, und das Symbol der großen Maschine.

»Hier laufen die fünf Eingangstunnel und Brücken zusammen«, sagte sie. »Und der einzige Weg weiter führt nach unten.«

Sie trat zum Rand des Brunnenschachts und spähte hinein.

Was sie sah, war schwindelerregend.

Der Schacht erstreckte sich senkrecht durch die Mitte des Wolkenkratzers und endete mit einem Loch, in dem sich nur die gähnende Leere des Abgrunds darunter abzeichnete.

Die Gesamtlänge schätzte Lily auf um die 60 Meter.

Wer auch immer schon hier gewesen war, hatte mittlerweile verblasste gelbe Leuchtstäbe an der Wand des Schachts angebracht. Aus Lilys Perspektive wurden sie nach unten hin kleiner und kleiner.

Im Restlicht, das sie abstrahlten, erkannte sie eine Reihe uralter Sprossen an einer Seite des Schachts. Sie führten zu einem seitlichen Durchgang in etwa 40 Metern Tiefe.

»Anscheinend gibt’s da unten einen Seitenausgang«, sagte sie. »Dann müssen wir wohl klettern …«

Easton wurde umgeworfen, als sich ein verschwommener Schemen von hinten gegen ihn schleuderte.

Lily wirbelte herum und sah, wie er ausgestreckt zu Boden ging und beinahe in den Schacht schlitterte.

Easton setzte sich auf …

… und sah sich dem knurrenden, blutverschmierten Gesicht eines Vandalen gegenüber.

Lily drehte sich zurück. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie ein zweiter Vandale von der anderen Brücke sprang und mit gebleckten Fängen heranstürmte.

Lily fing den Anspringenden ab, drehte sich schwungvoll und beförderte ihn mit einem Hüftwurf geradewegs in den Brunnenschacht.

Sie selbst landete an dessen Rand und beobachtete, wie der Vandale kreischend in die Tiefe stürzte.

Der Schrei verstummte abrupt, als der Fallende von einem kreuz und quer durch den Schacht gespannten Drahtgeflecht, das Lily beim Blick hinunter zuvor nicht gesehen hatte, in mehrere Teile zerschnitten wurde.

»Was zum …«

Dann wurde ihr klar, worum es sich handelte. Es war …

Die Laute von Eastons Kampf gegen den anderen Vandalen ließen sie jäh herumwirbeln und ihm zu Hilfe eilen.

Der Vandale kauerte auf Easton und hieb wie ein Irrer mit den krallenähnlichen Fingernägeln auf ihn ein, doch Easton gelang es, ihm die Pistole samt der am Lauf montierten Lampe in den Mund zu rammen. Er drückte ab und blies ihm die Schädeldecke weg.

Der Vandale erschlaffte und sackte tot zu Boden.

»Vandalen«, stieß er schwer atmend hervor. »Sehr übel.«

»Kannst du laut sagen«, pflichtete Lily ihm bei. »Kleiner Tipp, Easton. Fall da bloß nicht runter. Unter dem Seitenausgang ist etwas durch den Schacht gespannt, irgendein spezieller Draht oder Faden. So was hab ich schon mal gesehen, damals im Hauptquartier der Ritter der Goldenen Acht. Dort hatten sie eine Handwaffe mit einer solchen Fadenklinge. Verheerend scharf. Dion hat damit Alby die Hand abgeschnitten.«

Easton nickte.

»Los geht’s«, sagte Lily.

Und damit kletterten sie in den Brunnenschacht.

An einem von zwei Rittern oben am selben Brunnenschacht gehaltenen Seil verzurrt kletterte Sphinx langsam und vorsichtig nach unten, hoch über dem Abgrund und über dem funkelnden Netz aus Fadenklingen, das sich darüber spannte.

Ein anderer Ritter hatte den Weg durch den Schacht bereits bestritten und für seinen Boss gelbe Leuchtstäbe an der Wand befestigt.

Sphinx trat problemlos durch den Seitenausgang und marschierte weiter.

Lily und Easton befanden sich im Brunnenschacht, als Jack mit Zoe, Smiley und den beiden Blaumännern oben ankam. Jack spähte in die Öffnung und erblickte Lily und Easton, die über die Handsprossen etwa den halben Weg nach unten zurückgelegt hatten.

Er schaute zurück – der ursprüngliche Silbermann kam mit den beiden neuen den Tunnel entlang.

»Geh, Jack. Hilf Lily«, drängte Zoe. »Ich verschaffe dir einen Vorsprung und komme dann nach.«

Damit richtete sie die Waffe wieder in den Tunnel, zielte und wartete.

Zum Diskutieren fehlte die Zeit, also stieg Jack mit Smiley in den Schacht hinab.

Er eilte die glatte Wand hinunter, indem er sich an den uralten Sprossen festhielt.

Unterwegs schaute er hinab …

… und sah, wie Lily und Easton wohlbehalten durch den Seitenausgang verschwanden.

Eine Sekunde später hörte er Schüsse von oben.

Peng! – Peng! – Peng! – Peng! – Peng! – Peng!

Oben in der Kammer mit dem Brunnenschacht eröffnete Zoe das Feuer auf den ersten sich nähernden Silbermann. Gleichzeitig stürzten sich ihre beiden Blaumänner auf die zwei anderen.

Ihre Schüsse hallten in dem beengten Raum dröhnend wider, während die Metallkrieger miteinander kämpften. Einer der Blaumänner drängte den ersten Silbermann an den Rand des Schachts. Zoe beugte sich vor und verpasste dem Feind aus nächster Nähe einen Doppeltreffer an die gleiche Stelle am Kopf. Der Silbermann erstarrte … schwankte … und stürzte in den Brunnenschacht.

Zoe konnte gerade noch aus dem Weg hechten und brüllen: »Jack! Pass auf!«

Unten im Schacht schaute Jack bei dem Schrei abrupt auf. Und sah einen Silbermann auf sich zustürzen!

Plötzlich zog eine starke Metallhand – die von Smiley – Jack zur Seite. Der fallende Silbermann sauste vorbei, verfehlte Jack nur um Zentimeter und stürzte weiter durch den Schacht.

Jack hatte das Geflecht der Fadenklingen nicht gesehen.

Deshalb riss er vor Schreck die Augen weit auf, als der Metallkrieger hineinfiel.

In der einen Sekunde fiel er als vollständiger Silbermann, in der nächsten in Form von würfeligen Teilen, die in der Tiefe verschwanden.

Jack eilte weiter nach unten und erreichte den Seitenausgang.

Von dort aus konnte er die kreuz und quer durch den Schacht gespannten Fäden sehen.

Sie erinnerten an eine Angelschnur: dünn, straff, glänzend.

Frisches Blut tropfte von ihnen. Er wusste es zwar nicht, aber es stammte von dem Vandalen, den Lily kurz zuvor in den Schacht befördert hatte.

Fadenklingen, dachte er.

Man brauchte zwei Schuss mit Spezialmunition, um einen Silbermann aufzuhalten.

Aber diese Fäden – hinterlassen von derselben Intelligenz, die das Labyrinth entworfen und gebaut hatte – konnten den Silbermann zerstückeln, als wäre er aus Seidenpapier.

»Zoe! Komm runter! Wir müssen hier weg!«

Über ihm huschte Zoe in den Brunnenschacht, während ihre beiden Blaumänner mit den letzten beiden Silbermännern kämpften.

Plötzlich dröhnte irgendwo eine dumpfe Explosion. Die Wände um Jack herum erzitterten.

Es fühlte sich wie ein Erdbeben an.

»Dad!«, rief Lily. »Komm raus!«

Jack eilte einen kurzen Gang aus Stein entlang zu einem Durchgang. Er trat hinaus auf einen winzigen, die Höhle überblickenden Vorsprung …

… und hielt inne.

Er stand am Beginn eines spiralförmigen Wegs, der sich außen am unteren Ende des auf dem Kopf hängenden Wolkenkratzers entlangschlängelte.

Eine weitere dröhnende Explosion ertönte.

Der Wolkenkratzer erzitterte erneut.

Dann entdeckte Jack unten am Ausgang in einer Einsatzweste und mit einem Predator-Granatwerfer auf der Schulter – Rastor. Der Wahnsinnige feuerte mit Panzerfäusten auf den Wolkenkratzer!

Ein weiteres Explosivgeschoss schlug in den gigantischen Felskoloss ein. Ein Schwall von Gesteinssplittern spritzte davon weg, das gesamte Gebilde erbebte.

Dann folgte ein grauenhaftes Geräusch.

Ein tiefes, widerhallendes Knirschen.

Kniiiiiiiiiiiiiirsch!

Es kam von hoch über Jack. Plötzlich geriet der ganze Wolkenkratzer dramatisch ins Wanken.

Schwer atmend tauchte Zoe neben ihm auf. »Was ist hier los?«

Jack schaute bange nach oben.

»Rastor feuert mit Panzerfäusten auf den Stalaktiten. Das ganze Ding wird gleich von der Decke fallen. Wir müssen rechtzeitig davon runter. Lauf!«

Der gewaltige, kopfüber hängende Wolkenkratzer ragte hinter Sphinx auf, als er mit seinem Gefolge über die lange, von Obelisken gesäumte Brücke schritt.

Kaum hatten sie alle die andere Seite erreicht, hörte er etwas.

Ezekiel und seine fünf Omega-Mönche hatten das Labyrinth betreten und überquerten gerade die Eingangsbrücke oben.

Sphinx wandte sich an seinen ranghöchsten Ritter, Jäger 6. »Die Omega-Mönche sind hier! Sprengt die Brücke hinter uns!«

Jäger 6 – Ritter 6 – brachte eine Sprengladung auf der Brücke an und jagte sie in die Luft.

Die Explosion hallte durch die Höhle. Eine mächtige Rauchwolke wallte auf …

… und ein etwa viereinhalb Meter breiter Abschnitt löste sich von der Brücke und fiel in die Tiefe.

Sphinx rannte durch den Ausgang und drang tiefer ins Labyrinth vor.

Nur wenige Minuten nach Sphinx erreichten Bruder Ezekiel und seine Omega-Mönche die gesprengte Obeliskenbrücke.

Sie hatten Sphinx’ Verteidigungsmaßnahmen vorausgesehen und waren vorbereitet gekommen, unter anderem mit einer Überbrückung aus Kohlefaser, die sie über der von Sphinx geschaffenen Lücke anbrachten.

So überquerten sie die Obeliskenbrücke und eilten weiter hinter Sphinx her in das oberste Labyrinth.

Vor zwölf Stunden.

Dion rannte über dieselbe Überbrückung, flankiert von drei bewaffneten Knappen. Er wollte unbedingt zu Sphinx aufschließen, um dem Mann helfen zu können.

Rastor beobachtete, wie Jack mit Zoe und Smiley die Wendeltreppe außen am unteren Teil des Wolkenkratzers entlang hinabraste.

Vor Jack sah er zwei Stockwerke tiefer auf derselben Treppe Lily und Easton.

Was Jack und seine Leute noch nicht gesehen hatten, war die Steinplatte, die sich unmittelbar hinter Rastor am Ausgang herabsenkte.

Wie Rastor wusste, musste jedes Einzellabyrinth innerhalb eines Tags – oder einer Erdumdrehung, wie es in Imhoteps Anleitung hieß – überwunden werden, bevor es versiegelt wurde.

Genau das tat die Steinplatte hinter ihm, die sich bereits fast vollständig geschlossen hatte.

Rastor feuerte eine weitere Panzerfaust auf den Wolkenkratzer ab, der erneut heftig erschüttert wurde.

Dann setzte das Knirschen von nachgebendem Stein ein, und das gesamte riesige Gebilde begann, sich von der Decke zu lösen.

Rastor grinste.

Es ließ sich nicht mehr aufhalten.

Der Wolkenkratzer würde fallen.

Seine Arbeit war getan.

Höchste Zeit weiterzugehen. Immerhin musste er raus, bevor sich der Ausgang vollständig schließen würde.

Außerdem wollte er nicht mehr in der Nähe der Obeliskenbrücke sein, wenn der Wolkenkratzer fiel – womöglich würde er die gesamte Brücke mitreißen.

Er nickte seinen Männern zu – sieben grau maskierten serbischen Elitesoldaten –, und sie alle eilten unter der sinkenden Steinplatte hinweg durch den Ausgang hinaus.

Lily und Easton erreichten die Brücke in vollem Tempo und rannten zwischen den hohen Steinobelisken hindurch auf sie.

Jeder der Obelisken ragte bestimmt zwölf Meter hoch auf. Paarweise säumten sie die gesamte Länge der Brücke und bildeten eine eindrucksvolle Allee.

Schließlich erreichten Lily und Easton die zerklüftete Lücke in der Mitte. Links und rechts standen zwei Obelisken wie Pfosten eines fehlenden Tors.

Lily biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. »Easton, hast du Granaten dabei?«

Easton zog eine von seinem Gürtel und reichte sie ihr.

»Tritt zurück«, forderte sie ihn auf, legte die Granate auf den Sockel des linken Obelisken, zog den Stift und eilte davon weg.

Peng!

Eine kurze, heftige Explosion sprengte einen Brocken aus dem Obelisken …

… und er kippte in Richtung der Lücke.

Easton erkannte, was Lily vorhatte – sie wollte mit dem umgestürzten Obelisken einen Steg über die Kluft schaffen.

Er lächelte über ihren Einfallsreichtum, als das Steinkonstrukt auf den gegenüberliegenden Rand der kaputten Brücke knallte.

Nur landete es etwas schief, und zu Eastons Entsetzen wippte es kurz auf der anderen Seite, bevor es davon wegrollte und in den Abgrund fiel.

»Verdammt!«, fluchte Lily.

»Lily!«, rief eine Stimme. Sie wirbelte herum und erblickte Jack, Zoe und Smiley, die vom spiralförmigen Pfad auf die Obeliskenbrücke gerannt kamen.

»Was ist los?«, fragte Jack.

»Bin beschäftigt!«, rief Lily zurück. »Easton, schnell, hast du noch eine Granate?«

Easton hatte eine. Er reichte sie ihr.

Lily hastete zum verbliebenen Obelisken rechts, legte die Granate an den Sockel und zog den Stift.

Es war ihre letzte Chance.

Wenn auch dieser Obelisk in die Tiefe stürzte, statt über der Lücke zu landen, hätten sie keine Möglichkeit mehr, sie zu überwinden.

Es ging um alles oder nichts.

Peng!

Die Granate detonierte. Der Obelisk fiel …

… und krachte so auf die andere Seite, dass er sich über den Abgrund spannte wie ein umgestürzter Baum über ein Bachbett.

»Gehen wir.« Hoch über dem Abgrund balancierte Lily über den umgestürzten Obelisken.

Easton folgte ihr als Nächster.

Jack und Smiley hielten nicht an, als sie den Obelisken erreichten, sondern rannten sofort darüber, dicht gefolgt von Zoe.

Jack und Smiley sprangen vom Ende des liegenden Obelisken auf den intakten Teil der Brücke zum Ausgang.

Dann geschah es.

Der gigantische, verkehrt herum hängende Wolkenkratzer aus Stein löste sich von der Decke der Höhle.

Ein kolossales, durch sein schieres Ausmaß überwältigendes Ereignis.

Geschwächt von Rastors wiederholten Panzerfausttreffern brach die Millionen Tonnen schwere Masse von der Decke ab und fiel.

Der Sturz wirkte wie in Zeitlupe, was jedoch eine durch die immense Größe verursachte Täuschung war.

Der Wolkenkratzer fiel schräg und neigte sich auf dem Weg in die Tiefe.

Jack stand auf dem hinteren Teil der Brücke zum Ausgang neben Lily, Easton und Smiley, drehte sich um und schaute zu dem Spektakel auf.

Es füllte seinen gesamten Sichtbereich aus.

Seine letzten beiden Blaumänner, die anderen beiden Silbermänner, sogar der sterbende Omega-Mönch, der auf seiner Brücke in Graustein feststeckte – alle würden von dem großen Stalaktiten in die Dunkelheit des Abgrunds mitgerissen werden.

Dann schaute Jack nach unten …

… und erblickte Zoe, die noch über den umgekippten Obelisken rannte. Ihr fehlten noch etwa zweieinhalb Meter.

Genauso gut hätte es ein Kilometer sein können.

Denn im Fallen riss der gigantische Wolkenkratzer aus Stein den horizontalen Obelisken mit, und Zoe verschwand schlagartig.

Jack hechtete auf den Rand der Brücke zu.

»Zoe!«, brüllte er.

Es erwies sich als sinnlos.

Im letzten, entsetzlichen Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke, und für Jack verlangsamte sich die Zeit.

Er sah das Grauen in den Augen seiner Frau, die erschreckende Erkenntnis, dass sie es nicht auf die andere Seite schaffen würde und niemand auch nur das Geringste unternehmen konnte.

Sie würde sterben.

Und in der Unendlichkeit jenes Augenblicks zogen an Jack die Jahre vorbei, die sie Seite an Seite verbracht hatten.

Das gemeinsame Studium unter Wizard am Trinity College.

Die Begegnung mit ihr 1996, kurz nach Lilys Geburt, beim Treffen der Nationen in der irischen Grafschaft Kerry.

Wie sie und Lily sich die Haarspitzen in derselben rosa Schattierung gefärbt hatten.

Morgendlicher Kaffeegenuss, nur sie beide, auf der Veranda ihrer Farm in der Wüste Australiens.

Zoe in voller Kampfuniform beim Karrieretag in Lilys Schule.

Ihre umwerfenden irischen blauen Augen.

Die Sommersprossen auf ihrer Nase.

Ihr wunderschönes Lächeln.

Und dann verschwand sie samt dem Obelisken aus seinem Blickfeld, abgelöst von der gewaltigen Masse des Wolkenkratzers, der mit einem tosenden Rauschen an Jack vorbeiflog.