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So kalkulieren und verhandeln Sie Leistungsentgelte in der Eingliederungshilfe (SGB IX) mit Erfolg. Dieser Praxisratgeber bietet umfangreiches Spezialwissen, aus der Praxis für die Praxis. Die Inhalte sind gut verständlich aufbereitet und eignen sich sowohl für Fach- und Leitungskräfte als auch für Verwaltungsmitarbeitende. Der gesamte Prozess der Kalkulation und Aushandlung von Leistungsentgelten gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe wird Schritt für Schritt anhand eines gut verständlichen Spielplans zum Entgeltspiel erläutert.
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Frank Plaßmeyer
Das Entgeltspiel
© 2024 Frank Plaßmeyer
Alle Rechte vorbehalten, 1. Auflage 2024
Illustrationen erstellt mit OpenAI's DALL·E.
Verlag: IJOS GmbH, Dorfstraße 40, 49124 Georgsmarienhütte
Inhaltsverzeichnis
VORBEMERKUNGEN7
DIE RAHMENBEDINGUNGEN13
DEN GEGENSPIELERIDENTIFIZIEREN26
ANSPRUCHAUFERMESSENSFEHLERFREIE ENTSCHEIDUNGUND KONTRAHIERUNGSZWANG30
WIRTSCHAFTLICHKEIT, SPARSAMKEIT, LEISTUNGSFÄHIGKEITUNDDAS MAß DES NOTWENDIGEN33
PROSPEKTIVITÄT34
BINDUNGSWIRKUNGBEIMVEREINBARTEN ENTGELT37
DIE HAFTUNGSFRAGE39
DAS GEBOT DER KONTINUITÄT IM ENTGELTSPIEL42
DIE SPIELDAUER49
DER SPIELPLAN ZUM ENTGELTSPIEL52
SPIELFELD 1 (LOS)57
SPIELFELD 2 (KONZEPT UND LB)60
FACHKONZEPT60
LEISTUNGSBESCHREIBUNG63
WIRTSCHAFTLICHKEITS- UND QUALITÄTSPRÜFUNG65
SPIELFELD 3 (BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE ENTGELTKALKULATION)69
PERSONALKOSTEN71
DIE MÄRVOM BESSERSTELLUNGSVERBOT77
BESCHÄFTIGUNGSVERBOTEBEISCHWANGEREN MITARBEITERINNEN78
KOSTENFÜR BETRIEBSBEAUFTRAGTEUNDFACHKUNDIGE PERSONEN79
PANDEMIEKOSTEN83
ZUSATZRENTE84
PRAKTIKA85
WIRTSCHAFTLICHKEITDER PERSONALKOSTEN86
VARIABLE SACHKOSTEN86
WASSER, ENERGIE, BRENNSTOFFEFÜR FACHLEISTUNGSBEREICHE86
ASSISTENZBEDARF87
WIRTSCHAFTSBEDARF87
VERWALTUNGSBEDARF87
STEUERN88
ÖFFENTLICHE GEBÜHRENUND ABGABEN88
VERSICHERUNGSPRÄMIEN88
INVESTIVE FOLGEKOSTEN90
ZINSENFÜR BETRIEBSMITTELKREDITE94
DARLEHENSZINSEN97
EIGENKAPITALVERZINSUNG98
INSTANDHALTUNGSKOSTEN101
ABSCHREIBUNGEN (AFA)102
SONSTIGE AUFWENDUNGENUND ERTRÄGE102
SACHBEZÜGEFÜR PERSONAL103
EINNAHMEN103
AUSLASTUNGUND UNTERAUSLASTUNGSZUSCHLAG103
SPIELFELD 4 (ÜBERSETZUNG DER KALKULATIONSDATEN IN DIE ENTGELTKALKULATION)120
SPIELFELD 5 (STRATEGISCHE ENTGELTFINDUNG)121
SPIELFELD 6 (ANTRAG AUF VEREINBARUNG)123
SPIELFELD 7 (VERHANDLUNG)125
SPIELFELD 8 (VEREINBARUNG)128
SPIELFELD 14 (UMSETZUNG IN DER PRAXIS)130
SPIELFELD 9 (STÖRUNG)132
TAKTISCHE VERZÖGERUNGEN135
SPIELFELD 10 (SCHIEDSSTELLE)139
SPIELFELD 11 (SOZIALGERICHT)142
EREIGNISKARTEN – SONDERTHEMEN143
SPIELFELD 13 (VEREINBARUNG BZW. FESTLEGUNG)144
MÉNAGE-À-TROIS. DAS SPIEL ZU DRITT147
KONTAKTAUFNAHME157
ADRESSEN DER SCHIEDSSTELLEN IN DEUTSCHLAND…………158
Spiel [ist eine] Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist.Immanuel Kant
Es gibt für jeden Menschen ganz unterschiedliche Möglichkeiten, ernsten beruflichen Herausforderungen zu begegnen. Das gilt insbesondere für den Prozess der Vereinbarung von Leistung und Vergütung gegenüber dem zuständigen öffentlichen Träger der Eingliederungshilfe.
Wenn Sie in der nächsten Zeit für Ihre Dienstleistungen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen durchführen möchten oder gar durchführen müssen, dann sollten Sie in jedem Fall daran denken, gesund zu bleiben. Das ist sehr wichtig. Warum? Weil ich in den zurückliegenden drei Jahrzehnten sehr viele Menschen in der Eingliederungshilfe getroffen habe, denen es insbesondere in der Zeit, in der sie Vergütungssätze gegenüber dem öffentlichen Träger verhandeln mussten, nicht besonders gut gegangen ist. Im Verlaufe einer Entgeltverhandlung können nämlich viele negative Effekte bei den Akteuren auftreten: psychische Belastung, Verantwortungs- und Zeitdruck, Existenzangst, Zukunftssorgen, Informationsungleichgewicht, Drohungen, Wutausbrüche, Ohnmachtsgefühle, Leistungs- und Erfolgsdruck, Hilflosigkeit, Scham, Fremdscham, Schweißausbrüche, Wut, Schadenfreude, Irritationen, Verunsicherung, Täuschung und Enttäuschung, hoher Puls und im schlimmsten Fall sogar Herzinfarkt.
All diese Dinge kann man schon mal im Rahmen einer Leistungs- und Vergütungsverhandlung erleben, auch wenn man das alles nicht wirklich möchte. Sie verstehen, was ich meine, oder?
Leistungsentgelte beziehungsweise Vergütungssätze gegenüber dem öffentlichen Träger zu verhandeln, das ist wohl eine der verantwortungsvollsten und auch schwierigsten Aufgaben für Menschen, die sich im sozialen Bereich engagieren.
Für den Bereich der Eingliederungshilfe gilt das ganz besonders. In den 1990er Jahren hat sich der Gesetzgeber für die Einführung eines Leistungsvertragssystems im damaligen Sozialhilferecht entschieden. Er hat festgelegt, dass immer dann, wenn Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe in Anspruch genommen werden sollen, über die Höhe der Kosten der Inanspruchnahme zwischen dem öffentlichen Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer Vereinbarungen zu treffen sind. Mit anderen Worten erwartet der Gesetzgeber, dass alle Einrichtungen der Eingliederungshilfe gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe eine Verhandlung über die Höhe der Kosten führen. Es handelt sich um einen staatlich verordneten Aushandlungsprozess, in dem zahlreiche Zielkonflikte vorprogrammiert sind. Letztendlich geht es um nichts anderes als um Preisverhandlungen gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe.
Ich möchte Ihnen schon jetzt, gleich zu Beginn, einen Rat geben. Nur für den Fall, dass Sie selbst bald gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe eine Verhandlung führen werden. Sie sollten sich in jedem Fall klarmachen, dass nichts, aber auch rein gar nichts, was Ihnen im Rahmen einer Entgeltverhandlung seitens des Trägers der Eingliederungshilfe entgegenschlagen wird, irgendetwas mit Ihnen persönlich zu tun hat. Das gelingt leider nicht jedem.
Ich begleite als Unternehmensberater seit mehr als 25 Jahren Entgeltverhandlungen Leistungserbringer in der Eingliederungshilfe in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Mehrere tausend Entgeltverhandlungen im Mandantenauftrag liegen hinter mir. Dabei musste ich immer wieder miterleben, dass die oben dargestellten Nebenwirkungen keineswegs realitätsfremd sind. Auch einen echten Herzinfarkt bei einem Antragsteller musste ich leider miterleben. Ganz so weit sollten Sie es nicht kommen lassen. Hierbei soll Ihnen dieses Buch helfen, indem wir eine etwas außergewöhnliche Denkweise nutzen werden, die ich zu Beginn der 2010er Jahre entwickelt habe.
Lassen Sie uns in diesem Buch, das definitiv nicht als wissenschaftliche Veröffentlichung verstanden werden darf, gemeinsam das Entgeltspiel spielen.
Ich spreche mich ohne Wenn und Aber für einen leichten, kreativen und fantasievollen Umgang mit dem Thema Leistungs- und Vergütungsverhandlungen in der Eingliederungshilfe aus. Ich empfehle Ihnen, den Vereinbarungsprozess gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe konsequent spielerisch zu denken und auch anzugehen.
Bitte erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einen kleinen Verweis auf den Gamification-Ansatz, der aus der Videospielszene bzw. aus der Gamer-Szene stammt. Gamification oder auch Spielifizierung meint die Anwendung spieltypischer Elemente in einen spielfremden Kontext. Mit diesem Ansatz sollen Akteure motiviert und zu einem besseren Interaktionsverhalten sowie zu einem zielorientierten und psychisch weniger belastenden Verhalten bewegt werden. Gerade in Projekten, die eher als anstrengend, langweilig und uninteressant wahrgenommen werden, kann durch Gamification eine positive Beeinflussung entstehen. Ich mache Ihnen das mal an einem sehr kleinen Beispiel deutlich: Ein klassisches Element von Gamification ist der Fortschrittsbalken im Spielverlauf. Der Nutzer erhält über den Fortschrittsbalken Informationen zum Status seiner Arbeit. Er kann zu jedem Zeitpunkt erkennen, wie weit er in seinem Prozess vorangeschritten ist. Er weiß somit ganz genau, wie viel er von seiner Aufgabe noch bearbeiten muss und in welcher Phase des Prozesses er sich gerade befindet. Durch eine solche Statusdarstellung sollen die Nutzer motiviert werden, ihre Arbeit auch zu Ende zu führen. Der Spieltrieb des Nutzers wird zur Stärkung der Motivation aktiviert. Alles klar?
Wir spielen also jetzt gleich das Entgeltspiel.
In einem Spiel agieren immer spielende Personen. Es geht um die Spielerinnen und Spieler. Der Einfachheit halber werde ich nun fortan, was die spielende Person in unserem Entgeltspiel angeht, in der männlichen Form schreiben. Ich meine dann aber immer alle Geschlechter, auch wenn ich nicht ausdrücklich andere Formen verwende.
Ein Spiel ist übrigens nichts anderes als soziale Interaktion, womit ein wechselseitig aufeinander bezogenes Handeln bzw. Beeinflussen von Akteuren im Spielverlauf gemeint ist. In einem Spiel reagieren die Spieler aufeinander, sie gehen miteinander um. Sie beeinflussen sich gegenseitig und sie versuchen den Gegenspieler im Sinne ihrer Eigeninteressen zu steuern, woraus entsprechende Wechselwirkungen entstehen.
Wenn Sie gleich das Entgeltspiel spielen möchten, dann müssen Sie noch einen ganz besonderen Sachverhalt gleich von Beginn an berücksichtigen. Es geht um versteckte Risiken im Entgeltspiel. In einer systembedingten Kontrahentenkonstruktion, wie sie zweifelsfrei auch in der Eingliederungshilfe vorliegt, gibt es offene und versteckte Risiken. In unserem Entgeltspiel geht es nicht nur um Zielkonflikte zwischen Leistungserbringern und den Trägern der Eingliederungshilfe. Oftmals treten im Rahmen von Entgeltverhandlungen auch harte und grundsätzliche Machtkonflikte zutage, die mit Risiken für den Leistungserbringer verbunden sind. Reine Zielkonflikte können im Rahmen des Entgeltspiels in der Regel gut bearbeitet und zu einem Kompromiss geführt werden. Anders sieht es bei den Machtkonflikten aus, die im Rahmen von Leistungs- und Vergütungsverhandlungen häufig in Erscheinung treten und in der Regel schwer zu erkennen sind. Bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen Machtkonflikte zunächst oft wie sachliche Auseinandersetzungen. Häufig ist Angst die Ursache für einen Machtkonflikt. Zum Beispiel die Angst vor Autoritätsverlust oder die Angst vor einem Gesichtsverlust im Falle des „Unterliegens“ einer Partei am Ende des Aushandlungsprozesses. Werden Machtkonflikte im Entgeltspiel erkennbar, sind besondere Maßnahmen zu treffen, auf die wir noch an anderer Stelle in diesem Buch eingehen werden.
Bevor es jetzt mit dem Entgeltspiel losgeht, erlauben Sie mir bitte noch einen wichtigen Hinweis.
Dieses Buch habe ich nicht für die vielen Entgeltspieler auf der Seite des öffentlichen Trägers der Eingliederungshilfe geschrieben. Nur für den Fall, dass dieses Buch dann doch irgendwie im Amt, also beim öffentlichen Träger landen sollte, nehmen Sie bitte die eine oder andere Anmerkung in diesem Buch nicht persönlich.
Bevor wir ins Entgeltspiel eintauchen, lassen Sie mich noch kurz was loswerden. Ich habe dieses Buch nicht als Anleitung für die Entgeltstrategen unter den öffentlichen Trägern der Eingliederungshilfe verfasst. Aber falls es – sagen wir mal durch einen Zufall – doch auf dem Schreibtisch eines solchen landen sollte, seien Sie bitte nicht gleich eingeschnappt, wenn Sie über die eine oder andere spitze Bemerkung stolpern.
Es gab da mal diesen kuriosen Moment, wo mein Buch tatsächlich in einer Schiedsstellenverhandlung in Mecklenburg-Vorpommern auftauchte. Stellen Sie sich vor: Da versucht jemand, meine Zeilen und mich selbst schlechtzumachen, indem behauptet wird, ich würde den ganzen Verhandlungsprozess nicht ernst nehmen und nur als Spiel sehen. Ehrlich gesagt, musste ich darüber erst mal schmunzeln. Das war so gar nicht die Absicht hinter meinen Worten, aber hey, wer kann schon vorhersehen, wie die eigene Schöpfung in der Wildnis überlebt?
Diese kleine Episode hat mir klar gemacht, dass, egal wie locker oder ernst man etwas meint, es immer Raum für Interpretationen gibt – und für Missverständnisse. Also, wenn Sie durch mein Buch blättern und denken: „Moment mal, ist das nicht ein bisschen frech?", dann erinnern Sie sich bitte daran, dass es mit einem Augenzwinkern geschrieben wurde. Es soll anregen, nachdenken lassen und vielleicht auch ein wenig unterhalten, ohne dabei jemandem wirklich auf die Füße zu treten.
Also, nehmen Sie das Ganze nicht zu schwer. Es geht hier um Leistungs- und Vergütungsverhandlungen, nicht um Staatsgeheimnisse. Nichts in diesem Buch ist frei erfunden. Mein Ziel war es, das Thema ein bisschen aufzulockern und gleichzeitig einige Denkanstöße zu liefern. Und wenn das Buch doch mal für ein bisschen Aufruhr sorgt, sei es drum – dann hat es zumindest für Gesprächsstoff gesorgt. Freuen wir uns also jetzt auf das Entgeltspiel.FormularbeginnFormularende
Der Spieler ist anscheinend ein unbelehrbarer Optimist, ein Geschöpf, welches durch Erfahrung ungerührt bleibt. Sein Glaube an endgültigen Erfolg wird auch nicht durch finanziellen Verlust gebrochen, egal wie groß. Er hat heute nicht gewonnen? So was? Morgen wird es besser. Er hat wieder verloren? Das beweist gar nichts; der Tag wird kommen, an welchem er gewinnt. Edmund Bergler
Bevor Sie sich nun für das Entgeltspiel entscheiden, sollten Sie unbedingt die Rahmenbedingungen kennen. Für unser Entgeltspiel muss ein ganzes Set an Rahmenbedingungen beachtet werden.
Im Entgeltspiel der Eingliederungshilfe unterscheiden wir aufgrund der neuen Gesetzgebung schon länger nicht mehr zwischen ambulant und stationär. Diese Wörter sollen wir nicht mehr benutzen. Warum, erkläre ich jetzt kurz: Stellen Sie sich vor, es gäbe eine große Party – das Bundesteilhabegesetz (BTHG) – und jeder Gast kann mitgestalten, wie er feiert. Früher musste man wählen: Feiert man im Garten (ambulant) oder im Haus (stationär), und je nach Ort gab es unterschiedliche Angebote. Doch das BTHG hat diese strikte Trennung aufgehoben. Nun kann jeder selbst entscheiden, wo und wie die Feier stattfindet, mit dem Ziel, dass alle Zugang zu allem haben, was die Party zu bieten hat. Das BTHG macht die Unterstützung flexibler. Es geht nicht mehr primär darum, ob jemand ambulant oder stationär unterstützt wird, sondern darum, was sie oder er benötigt, um den Tag gut zu meistern. Statt eines festen Pakets, bei dem Wohnen und Assistenz untrennbar verbunden waren, gibt es jetzt eine Art Baukastenprinzip. Man stellt sich aus verschiedenen Bausteinen – wie Assistenz, Bildung, Arbeit – das zusammen, was individuell benötigt wird. Die Kernidee ist, dass die Unterstützung genau auf die persönliche Situation zugeschnitten ist, um jedem die Möglichkeit zu geben, sein Leben so selbstständig und selbstbestimmt wie möglich zu gestalten. Nichtsdestotrotz gibt es im Entgeltspiel dennoch, zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Tagesvergütungssätzen einer Besonderen Wohnform und den Stundenvergütungssätzen im Zusammenhang mit den Assistenzleistungen gemäß § 78 SGB IX (die viele noch dem alten Betreuten Wohnen gemäß §§ 53 ff. SGB XII bzw. §§ 67 ff. SGB XII zuordnen).
Von besonderer Bedeutung für unser Entgeltspiel sind die Regelungen im Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) in den §§ 123 ff. SGB IX (Allgemeine Grundsätze). Aufgrund der geltenden Differenzierung zwischen Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen sind in der Vereinbarung nach § 125 Nr. 1 SGB IX (Inhalt der schriftlichen Vereinbarung) mittlerweile nur noch die Fachleistungen zu regeln.
Die gesetzlichen Regelungen gelten als Pflichtregeln, denen sich alle Spieler ohne Ausnahme zu unterwerfen haben. Der Gesetzestext allein reicht aber für die Vorbereitung auf unser Entgeltspiel nicht aus. Zur Grundausstattung eines jeden Profispielers gehört auch ein Kommentar zum SGB IX. Ich empfehle Ihnen, sich für unser Entgeltspiel den von Fuchs, Ritz und Rosenow herausgegebenen Kommentar zum SGB IX (Kommentar zum Recht behinderter Menschen) zu besorgen. Auch wenn es noch zahlreiche weitere Kommentierungen gibt, zählt der sogenannte „Rosenow-Kommentar“ meines Erachtens zur Pflichtlektüre. Achten Sie stets darauf, dass Sie eine aktuelle Auflage vorliegen haben.
Der Buchmarkt hält eine Vielzahl an weiteren Kommentaren bereit. Neben dem „Rosenow-Kommentar“ greife ich seit Jahren auch auf eine zusätzliche Sammlung von Gesetzestexten zurück. Diese Sammlung, betitelt mit „Gesetze für die Soziale Arbeit: Gesetzestextsammlung“, bietet die Gesetzestexte ohne Kommentierung an und ist im Nomos Verlag erschienen.
Nicht nur die Regelungen des Rechts zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX), sondern gegebenenfalls auch weitere landesspezifische Vorschriften müssen vom Spieler verinnerlicht werden. Neben dem SGB IX müssen unbedingt auch die für das jeweilige Bundesland geltenden Ausführungsgesetze zum SGB IX beachtet werden. Ein Ausführungsgesetz kann durch ein Bundesland auf der Grundlage des § 94 SGB IX im Rahmen eines Landesgesetzes geregelt werden. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel müssen wir das Ausführungsgesetz zum Neunten Buch Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB IX NRW) beachten. Auch in anderen Bundesländern gibt es entsprechende Ausführungsgesetze, die zu berücksichtigen sind. Daher sollten Spieler vor Eintritt in das Entgeltspiel prüfen, ob für sie in ihrem Bundesland entsprechende Ausführungsgesetze zu beachten sind.
Neben den Ausführungsgesetzen zum SGB IX gibt es weitere Rechtsgrundlagen, die für unser Entgeltspiel relevant sein können. So spielt beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung nicht nur das SGB VIII eine wesentliche Rolle, sondern auch das im Jahr 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchuG), insbesondere wenn es um die Plausibilisierung von Kosten geht, die in Verbindung mit dem Thema Kinderschutz stehen.
Neben den gesetzlichen Regelungen, die von allen Spielern gleichermaßen akzeptiert werden müssen, gibt es sogenannte Wahlregeln, die Sie ebenfalls kennen sollten. Hierzu zählen zum Beispiel die aus § 131 SGB IX resultierenden Landesrahmenverträge. Gemäß § 131 SGB IX (Rahmenverträge zur Erbringung von Leistungen) können Träger der Eingliederungshilfe auf Landesebene mit den Vereinigungen der Leistungserbringer gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge zu den schriftlichen Vereinbarungen nach § 125 SGB IX (Inhalt der schriftlichen Vereinbarung) abschließen. Diese Rahmenverträge sollen die Aushandlungsprozesse auf kommunaler Ebene durch weitestgehend verbindliche Regelungsvorgaben vereinfachen. In den konkreten Vereinbarungsverfahren gelten die Rahmenverträge nur dann unmittelbar, wenn beide Vertragsparteien (Leistungserbringer und Träger der Eingliederungshilfe) einem Rahmenvertrag beigetreten sind.
Wichtig ist, dass Landesrahmenverträge das Bundesrecht, also das SGB IX, nicht außer Kraft setzen können. Sie müssen im Einklang mit den übergeordneten gesetzlichen Vorschriften stehen und dürfen die im SGB IX festgelegten Rechte und Pflichten weder beschränken noch erweitern. Ihre Funktion ist es, die bundesgesetzlichen Vorschriften zu konkretisieren und zu ergänzen, ohne dabei gegen diese zu verstoßen. Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX bewegen sich stets innerhalb der vom Bundesgesetzgeber festgelegten Grenzen.
Für uns Entgeltspieler, speziell im Kontext der Eingliederungshilfe, ist es wichtig, die Feinheiten der Landesrahmenverträge nach § 131 SGB SGB IX genau zu verstehen. Diese Verträge, die normalerweise zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Vereinigungen der Leistungserbringer auf Landesebene geschlossen werden, definieren das Spielfeld, auf dem wir im Entgeltspiel agieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Freiwilligkeit des Beitritts zu einem Landesrahmenvertrag. Leistungserbringer können nicht zur Anwendung der Regelungen eines Landesrahmenvertrags gezwungen werden. Sie haben die Freiheit zu entscheiden, ob sie den Bedingungen des Vertrages zustimmen und ihm beitreten möchten. Diese Freiwilligkeit mag auf den ersten Blick überraschen, insbesondere vor dem Hintergrund des korporatistischen Verhandlungsverhaltens in den Bundesländern, aber sie ist ein wesentliches Merkmal des Systems. In einem idealen Szenario würde jedes Mitglied der Vereinigungen der Leistungserbringer (Spitzenverbände) seinen Beitritt zu diesen Rahmenverträgen explizit und schriftlich erklären. Doch die Realität auf dem Spielfeld sieht oft anders aus. Es kommt vor, dass lediglich die Spitzenverbände diese Rahmenverträge unterzeichnen, ohne dass eine ausdrückliche Beitrittserklärung von jedem einzelnen Mitglied vorliegt. Für uns als Entgeltspieler wirft das die Frage auf: Sind wir an die Regelungen des Rahmenvertrags gebunden, auch wenn wir persönlich keine Beitrittserklärung abgegeben haben?
Diese Frage ist nicht nur eine Formalität – sie hat direkte Auswirkungen auf unsere Spielstrategie und unsere Positionierung im Entgeltspiel. Die Gültigkeit und Durchsetzbarkeit der Vertragsregelungen könnten in Frage gestellt werden, wenn die direkte Zustimmung der einzelnen Mitglieder fehlt. Daher ist es für uns als Entgeltspieler unerlässlich, genau zu prüfen, ob und wie wir in die Rahmenverträge eingebunden sind. Es ist in diesem Zusammenhang ratsam, sich rechtlich abzusichern und zu klären, ob die Handlungen der jeweiligen Spitzenverbände uns als individuelle Leistungserbringer binden.
Eine weitere Anmerkung: Nicht alle öffentlichen und freien Träger der Eingliederungshilfe sind bis heute einem Rahmenvertrag beigetreten. Interessant, oder?