Das (ganz) neue Sog-Prinzip - Giso Weyand - E-Book

Das (ganz) neue Sog-Prinzip E-Book

Giso Weyand

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Beschreibung

Die Welt wird volatiler - auch für Beratungsunternehmen. Doch auch nach VUCA, Corona und KI bleiben die Grundprinzipien des Erfolgs bestehen - sie werden sogar noch wichtiger. - Sie möchten in der Informationsflut zu den Entscheider*innen durchkommen, im Content-Wust der KI bestehen und Ihre Kundengewinnung auf ein neues Level heben? Das gelingt nur mit wirklich konsequenter Markenführung und gezieltem Marketing. - Sie wollen Kunden gewinnen als ein Beratungsunternehmen, das sich seiner Ziele und Stärken bewusst ist, authentisch auftritt und auch Grenzen setzt? Dazu müssen Ziele, Strategie und Geschäftsmodell klarer sein denn je. - Sie wollen ein strategischer Trusted Advisor werden, der auch intellektuelles Kapital bezahlt bekommt statt nur den eigenen Aufwand, der Kunden als lebenslange Partnerschaften ausbaut? Dazu braucht es ein vielfältiges Handwerk im Umgang mit Entscheider*innen. Giso Weyand hat mit den Gast-Autoren Theresa Gondorf und Olaf Hinz seinen (ansonsten unveränderten) Klassiker "Das neue Sog-Prinzip" um zwei Kapitel erweitert, um konkrete Hilfestellungen zu geben.

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Seitenzahl: 466

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Für Lotte Marianne und Leonard

Inhalt

Einleitung

Kapitel 1: Wahres Selbst-Bewusstsein erarbeiten

Die persönlichen Ziele

Die persönlichen Motive

Vorgehen bei zwei oder mehr Inhabern

Kapitel 2: Hinderliche Glaubenssätze ablegen

Prämissen, die Sie hinterfragen sollten

Die Prämissen neu setzen

Kapitel 3: Unternehmensziele festlegen

Grundlagen

Ziele setzen, Messgrößen festlegen

Das Ziele-Cockpit

Kapitel 4: Das grundlegende Geschäftsmodell

Die Zielgruppe

Die persönliche Rolle

Die Tätigkeit

Die Produkte

Kapitel 5: Das Honorarmodell als Ertragshebel

Vom Zeit-gegen-Geld-Prinzip zum Wert-Honorar

Wohlige Gewohnheit versus Leben in Ambivalenz

Kapitel 6: Positionierung

Der Lkw-Satz

Den Kernnutzen erarbeiten

Die mentale Shortlist erobern

Kapitel 7: Zur Marke werden

Die Entdeckung des Bauchs

Funktionen einer Marke

Die Markenemotion aufspüren

Die Marke in der Anwendung

Fallen bei der Ausgestaltung der Marke

Kapitel 8: Die Brücke zum Kunden — Marketing, PR und Vertrieb

Brückenpfeiler für den Erfolg in Marketing und Vertrieb

Die neun Klassiker unter den Marketingkanälen

Kapitel 9: Die Mitarbeiter einbinden

Alternativen der Mitarbeiter-Einbindung

Widerstände nutzen — denn sie zeigen Energie

Die Wahl der richtigen Option

Kapitel 10: Umgang mit dem Entscheider — die Königsdisziplin des Sogs

Das Ziel hinter dem Anlass

Haltung und Status

Die Bühne bereiten: Von der Anfrage zum Termin

Auf der Bühne: Das Gespräch mit dem Entscheider

Prozess mit offenem Ausgang

Kapitel 11: Lebenslange Kundenbeziehungen

What’s in it for you?

What’s in it for your customers?

Kundenzufriedenheit messen

Customer Excellence – eine Haltungsfrage

(

Key)-Account-Management: Ressourcen auf strategische Kunden ausrichten

Vertrautheit ist Fluch und Segen: Vorsicht vor Betriebsblindheit

Fazit: Der Weg zu lebenslangen Kundenbeziehungen

Einleitung

Wie kann ein Marketingkonzept für Menschen aussehen, die nur ungern zum Hörer greifen, um mögliche Kunden anzurufen – die sich nicht anbiedern wollen, sondern auf der mentalen Shortlist sein wollen, wenn echter Bedarf besteht? Es ist fast 30 Jahre her, dass ich mir diese Frage stellte. Die Antwort lag auf der Hand: Wer auf seine Kunden nicht zugehen möchte, muss sie anlocken. Er muss dafür sorgen, dass sie von selbst kommen.

Aus dieser Überlegung entwickelte ich das Konzept des ›Sogmarketings‹. Es setzt auf Marketingmaßnahmen, die einen Sog erzeugen — sprich: einen Anbieter so attraktiv darstellen und so bekannt machen, dass sich Interessenten von selbst melden. Der Begriff ›Sogmarketing‹ entstand dann im Zusammenhang mit dem Titel meines Buchs ›Sog-Marketing für Coaches‹ (2006). Seitdem ist dieser Begriff vielfach aufgegriffen worden. Das grundlegende Konzept durfte ich in den folgenden gut 20 Jahren immer wieder in der Praxis erproben, verbessern und erweitern. Daraus entstanden ist ›Das neue Sog-Prinzip‹.

Seit vor sieben Jahren die erste Auflage dieses Buchs erschien, hat sich die Welt für Beratung stark verändert. Die Märkte sind volatiler geworden, die Unsicherheiten nehmen zu. Künstliche Intelligenz schickt sich an, Beratungsaufgaben zu übernehmen — der Wettbewerb bei klassischen Beratungsleistungen nimmt zu.

Düstere Aussichten also? Denkbar ist auch das Gegenteil. Und ich bin geneigt, von diesem auszugehen. In einem Umfeld, das von schnellen und tiefgreifenden Veränderungen geprägt ist, erwacht der Wunsch nach Klarheit und Orientierung. Daraus ergibt sich ein wachsender Bedarf an Unterstützung, der interessante Perspektiven für Beraterinnen und Berater eröffnet.

Die Voraussetzung dafür ist, sich mit seinem Beratungsunternehmen richtig aufzustellen — sich erfolgreich zu positionieren und zu einer starken Marke zu werden. Nur so kann es gelingen, sich klar vom Wettbewerb abzuheben, Vertrauen aufzubauen und in schwierigen Märkten Verlässlichkeit und Kompetenz zu signalisieren. Wie Sie Ihre Markenemotion aufspüren und zu einer starken Marke werden, wie Sie den Kernnutzen Ihres Beratungsunternehmens erarbeiten, wie Sie Ihre Positionierung in einem einzigen Satz formulieren und wie Sie mit Ihrem Angebot die Köpfe Ihrer Kunden erobern — das alles sind Kernthemen dieses Buchs.

Künstliche Intelligenz, Social Media, Corona-Pandemie — ein zunehmend unsicheres Umfeld stellt klassische Beratungsmodelle in Frage und verlangt nach neuen Wegen. Vor diesem Hintergrund ist dieses Buch aktueller denn je: Es zeigt Ihnen Wege auf, wie Sie mit Ihrer Beratungsboutique in unsicheren Zeiten nicht nur überleben, sondern Wachstum und Erfüllung finden können. Es gibt Ihnen das Rüstzeug an die Hand, um erfolgreich in einem Umfeld zu navigieren, das von den Folgen einer vierfachen Zeitenwende geprägt ist.

Die erste Zeitenwende: VUCA

Um die Jahrtausendwende hat sich die Geschäftswelt verändert. Konnten Unternehmen bislang mit weitgehend stabilen Märkten planen, sahen sie sich immer mehr mit unvorhersehbaren Schwankungen konfrontiert. Dieser Wandel, für den das Akronym VUCA — Volatility, Uncertainty, Complexity and Ambiguity — steht, markiert die erste von vier Zeitenwenden der jüngeren Wirtschaftsgeschichte.

Der Begriff VUCA wurde zunächst in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren vom US-Militär verwendet, um die Unsicherheiten der Nachkriegswelt nach dem Ende des Kalten Krieges zu beschreiben. Anfang der 2000er-Jahre fand der Begriff Eingang in die Unternehmenswelt, als das bis dahin eher stabile Geschäftsumfeld zunehmend unberechenbar wurde.

Die Unternehmen sahen sich mit Herausforderungen konfrontiert, die sie zuvor so nicht gekannt hatten:

Nach Jahren der Euphorie brach im Frühjahr 2000 die New Economy zusammen. Träume platzten, Milliarden lösten sich in Luft auf. Erreichten am ›Neuen Markt‹ der Deutschen Börse im März 2000 fast 300 Firmen einen Börsenwert von 235 Milliarden Euro, blieben davon im September 2002 weniger als 30 Milliarden Euro übrig. Ähnlich wirkte sich die Dotcom-Krise in den USA aus: Zwischen März 2000 und Oktober 2002 brach der NASDAQ Composite Index um mehr als 75 Prozent ein und ein Marktwert von mehr als fünf Billionen Dollar wurde vernichtet. Investoren verloren ihr Geld, Start-ups gingen bankrott.

Dennoch gelang einigen Unternehmen wie Amazon und Apple ein atemberaubender Aufstieg, angetrieben von technologischen Innovationen und der Fähigkeit, die neuen Möglichkeiten des Internets wirklich zu nutzen. So überlebte Amazon die Dotcom-Krise und steigerte seinen Umsatz von sieben Milliarden US-Dollar im Jahr 2004 auf 575 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Die großen IT-Unternehmen machten vor, wie man in der VUCA-Welt erfolgreich sein kann. Sie verstanden es, auf disruptive Veränderungen wie die aufkommende Plattformökonomie mit neuen Geschäftsmodellen zu reagieren.

Dann die Finanzkrise: Im Herbst 2008 führte eine Kettenreaktion von Bankpleiten zu einem weltweiten wirtschaftlichen Abschwung. Die Industrieproduktion in der Eurozone brach um mehr als 20 Prozent ein. Die Krise hat gezeigt, wie stark die globalen Märkte miteinander verflochten sind, wie schnell sich die wirtschaftliche Landschaft ändern kann und wie unvorhersehbar die Märkte geworden sind.

Dotcom-Blase, Finanzkrise, Eurokrise, Digitalisierung, aber auch Katastrophen wie der Super-GAU im japanischen Kernkraftwerk Fukushima im März 2011, der in Deutschland zum Ausstieg aus der Atomenergie führte: All das sind Beispiele, die den Übergang in die neue VUCA-Realität illustrieren.

Die Verantwortlichen in den Unternehmen mussten sich auf das neue, unsicher gewordene Umfeld einstellen. Der Organisationsberater Olaf Hinz (der als Gastautor auch Kapitel 9 dieses Buchs verfasst hat) brachte die Veränderungen für Unternehmen und Führungskräfte treffend auf den Punkt (›Segeln auf Sicht‹, 2017):

Wenn das Umfeld

volatil

ist, ist Pragmatismus sinnvoller als Prinzipientreue: »Segeln auf Sicht ist die angemessene Reaktion auf die zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit und wechselnde Winde.«

Bei hoher

Unsicherheit

sind ausgefeilte Pläne oft nur noch Zeitverschwendung. Dennoch ist Planung nicht obsolet, denn Ziele und Pläne bilden die notwendige Struktur für Kooperation: »Pläne erhalten im Führungsteam eine neue Funktion. Sie werden nicht erarbeitet, um sie sklavisch umzusetzen, sondern vielmehr, damit man sie diskutieren, zu ihnen Position beziehen und Alternativen und Szenarien entwickeln kann.« Die Zukunft liegt im flexiblen Handeln auf der Grundlage einer soliden Planung.

Hohe

Komplexität

bedeutet, dass immer noch etwas nachkommt. Führungskräfte sollten sich daher von der Illusion verabschieden, dass eine Transformation wirklich plan- und steuerbar ist. Stattdessen kommt es darauf an, sich gut auf neue Situationen einstellen zu können.

Immer öfter gibt es Situationen, in denen Toleranz gegenüber

Ambiguität

gefragt ist. Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, Mehrdeutigkeiten, Widersprüche und Ungewissheit in einer Situation zu akzeptieren. Je höher die Ambiguitätstoleranz ausgeprägt ist, desto eher ist man in der Lage, etwas auszuhalten, was einem auf den ersten Blick schwer verständlich oder sogar inakzeptabel erscheint.

Aus seiner Analyse leitet Olaf Hinz eine ›3i-Regel‹ ab: Führung unter Ungewissheit ist demnach inkrementell, weil große Pläne schon veraltet sind, bevor sie erscheinen; interaktiv, weil einsame Helden mit ihrem Latein im VUCA-Wetter am Ende sind; iterativ, weil Komplexität nicht in einem Zug bewältigt werden kann.

Diese Führungsweise verlangt eine starke innere Haltung und die Bereitschaft, in unklaren Situationen Verantwortung zu übernehmen. Der Hanseat Olaf Hinz nennt das ›seemännische Gelassenheit‹. Entscheider müssten lernen, mit Unsicherheit gelassen umzugehen: »Ein erfahrener Kapitän redet seiner Mannschaft niemals einen aufziehenden Sturm schön, beordert aber auch nicht alle Mann an Deck und verteilt Schwimmwesten.« Vielmehr handelt er »hellwach, konzentriert, gut vorbereitet und unter Einsatz all seines Erfahrungs- und Methodenwissens — aber stets in der Führungsrolle und nicht als Funktionär irgendeiner Managementschule«.

Und was bedeutet all das für Beratungsunternehmen?

Vor allem eines: In einem komplexen und unsicheren Umfeld suchen Unternehmen nach Partnern, die ihnen neben fachlicher Expertise auch Orientierung und Sicherheit in stürmischen Zeiten bieten. Es zeichnet sich ein Trend ab, der sich mit den drei folgenden Zeitwenden noch verstärken wird: Die Rolle von Beratung verschiebt sich vom bloßen Dienstleister und Experten hin zu einem verlässlichen Partner, der in der Lage ist, seine Kunden durch unsichere Gewässer zu navigieren.

Die zweite Zeitenwende: Social Media

Die zweite Zeitenwende hat das Aufkommen der sozialen Medien eingeleitet. Sie veränderte grundlegend die Art und Weise, wie Unternehmen und Konsument:innen miteinander kommunizieren. Hatten Unternehmen bislang ihre Botschaften vorwiegend über Fernsehen, Radio, Print und andere traditionelle Kanäle an ein passives Publikum gesendet, ermöglichte Social Media nun einen Dialog. Kundinnen und Kunden fingen an, durch Likes, Shares oder Kommentare direkten Einfluss auf die Entwicklung von Produkten und Marken zu nehmen.

Damit verschoben sich die Machtverhältnisse, zum einen zwischen Anbietern und Nachfragern: Konsument:innen waren nicht mehr nur passive Empfänger von Botschaften, sondern bekamen eine Stimme. Sie fingen an, Produkte und Unternehmen öffentlich zu loben oder zu kritisieren. Zum anderen veränderten sich die Machtverhältnisse auf Seiten der Anbieter selbst: Während früher große Marken und Unternehmen mit hohen Budgets den Markt dominierten, gewannen nun auch kleine Unternehmen und sogar Einzelpersonen mit kreativen Inhalten an Reichweite und Einfluss.

Gleichzeitig haben Schnelligkeit und Kürze, mit der sich Informationen über Social Media verbreiten, die Art und Weise verändert, wie Inhalte rezipiert werden. Anstatt sich über einen längeren Zeitraum ohne Ablenkung auf ein Thema zu konzentrieren, bevorzugen viele Menschen heute kurze, leicht verdauliche ›Informationshäppchen‹. Dieser Trend setzte bereits Anfang der 2000er-Jahre ein, als Inhalte zunehmend über das Internet verbreitet wurden. Anders als bei gedruckten Texten neigen viele Menschen dazu, Online-Texte eher flüchtig zu ›scannen‹. Wie eine Studie der Nielsen Norman Group aus dem Jahr 2011 feststellte, verlassen Besucher:innen eine Webseite nach 10 bis 20 Sekunden, wenn es nicht gelingt, ihre Aufmerksamkeit durch ein klares Nutzenversprechen zu fesseln.

Mit der Einführung des iPhones im Jahr 2007 und der anschließenden Verbreitung von Smartphones wurde der Zugang zum Internet allgegenwärtig und mobil. Menschen begannen, Inhalte unterwegs und in kurzen Zeiträumen zu konsumieren, was das Bedürfnis nach sofortigen und schnellen Informationen verstärkte. In den Newsfeeds der sozialen Medien etablierten sich Formate, die sofort Aufmerksamkeit erregen: kurze Videos, visuell ansprechende Grafiken, prägnante Botschaften.

»Im mobilen Feed sehen Personen sich einen bestimmten Inhalt im Schnitt 1,7 Sekunden lang an«, beobachtete Facebook unter Bezug auf eigene Daten (Facebook IQ vom 20.6.2017). Mit anderen Worten: Findet ein Text oder ein Video nicht binnen weniger Sekunden die Aufmerksamkeit des Nutzers, scrollt er weiter. Die Social-Media-Anbieter reagierten auf die kurzen Aufmerksamkeitsspannen mit immer ausgefeilteren Algorithmen und noch kürzeren Formaten, um die Nutzer:innen auf ihren Plattformen zu halten. So führte TikTok ultrakurze Videoformate mit einer Länge von 15 Sekunden ein, die darauf ausgelegt sind, sofort zu gefallen und schnell konsumiert zu werden. Andere Plattformen zogen nach und entwickelten ähnliche Formate wie etwa die Instagram-Reels oder YouTube-Shorts.

Der Wandel erfasste auch die klassischen Medien. Einige verloren den Anschluss, wie die Frankfurter Rundschau, die 2012 Insolvenz anmeldete, oder die Financial Times Deutschland (FTD), die im selben Jahr ihr Erscheinen einstellte. Andere konnten sich an das veränderte Mediennutzungsverhalten anpassen. Fast alle großen Zeitungen, Fernseh- und Radiosender bieten inzwischen digitale Versionen ihrer Inhalte an und setzen ebenfalls vermehrt auf kurze Formate, die sie über Websites, Apps und soziale Medien verbreiten.

Es bleibt festzuhalten: Die Art und Weise, wie Menschen kommunizieren, hat sich durch die sozialen Medien grundlegend verändert. So verweist eine Metastudie 2022 des E-Learning-Innovationszentrums an der Universitat Oberta de Catalunya in Zusammenarbeit mit Accenture auf eine Untersuchung, wonach die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne zwischen 2000 und 2015 über alle Alters- und Bevölkerungsgruppen hinweg von 12 auf 8,2 Sekunden gesunken ist.

Wissenschaftlich sind diese Zahlen umstritten, hier lohnt ein differenzierter Blick. Wie Studien nahelegen, scheint sich die Fähigkeit, zwischen Aufgaben zu wechseln, verbessert zu haben. Unbestritten ist auch, dass sich viele Menschen trotz Social Media nach wie vor intensiv und lange auf anspruchsvolle Aufgaben konzentrieren können. Nicht zuletzt bieten die neuen Formate durchaus die Möglichkeit, sich schnell und zuverlässig zu informieren und bei wichtigen Themen auf dem Laufenden zu bleiben.

Dennoch lässt sich festhalten: Viele Menschen nehmen Informationen eher bruchstückhaft auf, sie springen schnell von Thema zu Thema — und die Aufmerksamkeitsspanne im Marketing nimmt tendenziell ab. Die Folgen für Unternehmensberatungen sind weitreichend. Zwar hatten Entscheiderinnen und Entscheider in potenziellen Kundenunternehmen schon immer wenig Zeit und es bedurfte einer gut durchdachten Kommunikation, um ihr Interesse an Beratungsthemen zu wecken. Angesichts von Social Media, Informationsflut und sinkender Aufmerksamkeitsspanne wird es jedoch noch schwieriger, zu ihnen durchzudringen. Es reicht nicht mehr aus, nach dem Sog-Prinzip zu agieren und darauf zu hoffen, dass die Kunden von selbst anfragen.

Auch versagen immer öfter klassische Marketingkanäle wie Branchenzeitschriften oder Fachmagazine. Meist erreichen diese Medien die relevanten Zielgruppen nur noch unzureichend, weil in den Unternehmen Führungskräfte nachrücken, die mit Internet und Social Media aufgewachsen sind. Konzerne und große, international tätige Mittelständler sind heute hochgradig vernetzt und modern aufgestellt. Ein Fachtext in einem traditionellen Branchenblatt findet dort nur noch bedingt Beachtung.

Auf den Sog, auf die Anziehungskraft von Pull-Marketing zu setzen, reicht deshalb nicht mehr aus. Es braucht eine aktivere Herangehensweise: Um sich im Gedächtnis der Zielgruppe zu verankern, müssen Beratungen ihre Botschaft über unterschiedliche Kanäle konstant und konsistent vermitteln. Die Kunst besteht darin, auch über Social Media und andere kurze oder fragmentierte Medienformate effektiv zu kommunizieren. Hilfreich kann dabei das ›Botschaftsdreieck‹ sein, ein Konzept aus der politischen Kommunikation. Dahinter steht die Idee, auf jede Frage eines Journalisten so zu antworten, dass die eigene Botschaft auf subtile Weise immer in der Antwort enthalten ist. Die Metapher des Dreiecks soll verdeutlichen, dass die Botschaft immer das zentrale und übergeordnete Element ist, während Frage und Antwort als gleichwertige Eckpunkte fungieren, die den Weg zur Botschaft ebnen.

Wer gehört werden will, braucht eine relevante Markenbotschaft, die er strategisch klug, konstant und konsistent über die richtigen Kanäle kommuniziert. Ein Kernthema dieses Buchs!

Die dritte Zeitenwende: Corona

Die Corona-Pandemie traf die Wirtschaft völlig unvorbereitet — ein typisches VUCA-Ereignis. Viele Unternehmen mussten ihren Betrieb aufgrund von Lockdowns und strengen Gesundheitsvorschriften zeitweise einstellen oder stark einschränken. Globale Lieferketten wurden unterbrochen, Transportprobleme und Produktionsverzögerungen führten zu Engpässen. Gleichzeitig änderten Verbraucher:innen ihr Verhalten: Statt stationäre Geschäfte aufzusuchen, kauften sie vermehrt über das Internet ein.

Unter dem akuten Eindruck der Pandemie zögerten Unternehmen, neue Beratungsprojekte zu starten oder laufende Projekte fortzusetzen. Als Folge brach die Nachfrage bei vielen Beratungsunternehmen ein, Umsätze gingen zurück. Der BDU-Geschäftsklimaindex fiel 2020 im Vergleich zur Vorjahresumfrage um 29,9 Punkte auf einen Indexwert von 70,4 — den niedrigsten Wert seit Beginn der Erhebung.

Die entscheidende Folge von Corona war jedoch nicht der vorübergehende Umsatzrückgang, sondern die Reaktion auf die Ausnahmesituation. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, investierten Unternehmen verstärkt in E-Commerce, Automatisierung und Kommunikationstools. Eine Studie des Branchenverbands Bitkom vom November 2021 belegt den Digitalisierungsschub: 92 Prozent der befragten Unternehmen führten Videokonferenzen als Ersatz für persönliche Treffen ein oder bauten sie aus. Drei Viertel der Unternehmen setzten neue Tools für die digitale Zusammenarbeit ein und rund zwei Drittel schafften sich zusätzliche Hardware an.

Galt es zunächst, schnell in die digitale Infrastruktur zu investieren, um den Betrieb überhaupt aufrechtzuerhalten, erkannte man bald die Vorteile der neuen Kommunikationsformen. Man stellte fest, dass viele Aufgaben auch von zu Hause aus effizient erledigt werden können. Unter dem Begriff ›New Work‹ wurden flexible Arbeitsmodelle entwickelt, bei denen die Beschäftigten selbst entscheiden können, wann und wo sie arbeiten. Arbeit sollte mehr sein als nur ein Mittel zum Zweck — sie sollte als sinnstiftend erlebt werden.

Auch die Beratungsbranche musste sich umstellen. Da physische Meetings und Reisen kaum noch möglich waren, wurde der Austausch über digitale Tools und Plattformen zur Norm. Beratungen lernten, digitale Werkzeuge effektiv zu nutzen, virtuelle Projekte zu managen und ihre Kunden aus der Ferne zu betreuen. Zugleich stiegen die Anforderungen der Kunden an die digitale Kompetenz der Beratenden, etwa in den Bereichen IT-Infrastruktur, Cloud Computing, Cybersecurity und digitale Geschäftsmodelle.

Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie die Art und Weise verändert, wie Berater Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen. Während früher persönliche Treffen, gemeinsame Mittagessen oder Besuche vor Ort eine wichtige Rolle spielten, hat sich die Kommunikation nun weitgehend in den digitalen Raum verlagert. Viele informelle Gelegenheiten, die für den Aufbau von Vertrauen und langfristigen Beziehungen entscheidend waren, sind weggefallen. Online-Meetings sind in der Regel kürzer und zielgerichteter, wodurch es schwieriger wird, eine persönliche Ebene aufzubauen oder spontane Gespräche zu führen.

Umso wichtiger ist eine starke Markenpräsenz. Wenn persönliche Interaktionen seltener werden, kommt es umso mehr darauf an, der Marke des Beratungsunternehmens vertrauen zu können. Eine starke Marke signalisiert Professionalität, Verlässlichkeit und Kompetenz und kann so die Folgen seltenerer persönlicher Begegnungen bis zu einem gewissen Grad ausgleichen.

Die vierte Zeitenwende: Künstliche Intelligenz

Die jüngste Zeitenwende hat sich seit vielen Jahren angebahnt und erfasst uns jetzt mit voller Wucht: der Durchbruch der Künstlichen Intelligenz (KI). Seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 ist sie allgegenwärtig. Auch kleine Unternehmen können nun KI-basierte Tools implementieren, die früher nur großen Konzernen mit hohen Investitionskapazitäten zur Verfügung standen. Es entstehen neue Geschäftsmodelle, Arbeitsweisen, Vermarktungswege.

In der Vergangenheit hatte die IT vor allem eine unterstützende Funktion. Die Fachabteilungen entwickelten ihre Geschäftsstrategien und Geschäftsprozesse weitgehend eigenständig und gaben ihre Anforderungen zur technischen Umsetzung an die IT-Abteilung weiter. Spätestens mit dem Einzug von künstlicher Intelligenz funktioniert dieser Ansatz nicht mehr: Geschäftsentscheidungen und strategische Planung gehen Hand in Hand mit dem Einsatz von KI. Die Rolle der IT wandelt sich von der Service-Einheit zum strategischen Partner — was wiederum bedeutet, dass Führungskräfte effektiv mit den technischen Teams kommunizieren müssen. Als ›Digital Leader‹ benötigen sie selbst ein grundlegendes Verständnis für die Potenziale und Grenzen der neuen Technologien. Die Konsequenz für Beratungsunternehmen liegt auf der Hand: Um diesen ›Digital Leaders‹ auf Augenhöhe begegnen zu können, müssen auch sie sich mit den neuen Technologien vertraut machen.

Mit der Verbreitung der generativen KI stehen Beratungen zudem vor der Notwendigkeit, ihr Marketing anzupassen. Seit Tools wie ChatGPT in der Lage sind, handwerklich solide Texte nahezu automatisch zu erstellen, entsteht eine wahre Flut an Inhalten. Immer mehr Texte, Bilder und Videos werden automatisiert erstellt und auf verschiedenen Plattformen verbreitet. Das macht es noch schwieriger, aus der Masse herauszustechen. Auch hier liegt die Antwort in einer wirklich starken Marke, in einer konstanten und konsistenten Kommunikation, um in diesem überfüllten Markt sichtbar zu bleiben.

Vielleicht noch gravierender ist ein weiterer Effekt: Künstliche Intelligenz kann Dienstleistungen übernehmen, die bisher von Beratungen erbracht wurden. So können KI-gestützte Tools Recherchen durchführen, Berichte generieren und relevante Informationen aus verschiedenen Quellen extrahieren. Die Folge: Manche Brot-und-Butter-Aufgabe, die früher selbstverständlich von Beratungen erledigt wurde, kann nicht mehr abgerechnet werden.

Doch damit nicht genug: Auch bei anspruchsvollen Aufgaben wird KI zur Konkurrenz. Schon heute können KI-Tools komplexe Probleme analysieren und mit Hilfe von Machine-Learning-Algorithmen Lösungen vorschlagen — etwa in Bereichen wie Supply-Chain-Management, Preisstrategien, Marketingkampagnen oder Personalplanung. Eine Studie der Boston Consulting Group untersuchte 2023 den Einsatz von generativer KI bei den eigenen Beraterinnen und Beratern: Demnach verbesserten rund 90 Prozent der Teilnehmenden ihre Leistung. Sie erreichten ein um 40 Prozent höheres Leistungsniveau als die Vergleichsgruppe, die ohne KI arbeitete.

Um die Ergebnisse der KI zu bewerten und in den Unternehmenskontext einzuordnen, bedarf es zwar nach wie vor erfahrener Menschen. Es gilt das Prinzip des ›Armchair Criticism‹: Man sitzt in seinem bequemen Sessel und kritisiert von dort aus die Aussagen der KI, die dadurch stetig verbessert werden. Aber warum sollte dieser Sessel einer Beraterin oder einem Berater vorbehalten sein? Der Kunde, der sein eigenes Unternehmen am besten kennt, könnte ebenso gut in der Lage sein, die KI-Vorschläge zu bewerten und anzupassen.

Natürlich stimmt es, KI kann viele Aufgaben übernehmen. Gleichzeitig bieten die aktuellen Entwicklungen aber auch die Chance für einen Befreiungsschlag. Beratende können nun endlich das tun, wofür sie einmal angetreten sind: wirksam sein, echte Probleme lösen. In den Vordergrund rücken Erfahrungswissen, Gesprächskompetenz, Kreativität und die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen. Künstliche Intelligenz schafft Raum für die Rückbesinnung auf das Wesentliche — auf menschliche Begegnungen, die echten Wert schaffen, auf freudvolle Zusammenarbeit in Teams, die sinnerfüllt arbeiten, ganz ohne hochtrabende Purpose-Deklaration.

Sehnsucht nach einer starken Schulter

Wenn ein Sturm aufzieht, läuft ein erfahrener Kapitän nicht hektisch auf dem Schiff hin und her und greift ständig in den Maschinenraum ein. Stattdessen ruft er seine Mannschaft zusammen, bespricht die Situation und steuert mit großer Erfahrung durch den Sturm. Er bleibt ruhig, hellwach und konzentriert — seemännische Gelassenheit nennt Olaf Hinz das.

Damit vergleichbar sind heute die Anforderungen an Führungskräfte in einem unsicheren, von der vierfachen Zeitenwende geprägten Umfeld. Es gilt in kritischen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen, Signale richtig zu deuten oder flexibel auf neue Situationen zu reagieren. Fachwissen allein genügt hierfür nicht, ebenso entscheidend sind Praxis, Erfahrung und Intuition — alles Fähigkeiten, die keine KI ersetzen kann.

In solch stürmischen Zeiten suchen Unternehmen nach Beraterinnen und Beratern, die selbst über ›seemännische Gelassenheit‹ und fundiertes Erfahrungswissen verfügen. Entscheidungsträger in den Unternehmen sehnen sich nach einer ›starken Schulter‹ — nach einer vertrauenswürdigen Instanz, auf die sie sich in unsicheren Zeiten verlassen können.

Indem Sie sich mit Ihrem Beratungsunternehmen zum Trusted Advisor entwickeln, können Sie genau diese starke Schulter sein. Statt Standardleistungen anzubieten, bauen Sie langfristige, vertrauensvolle Beziehungen zu Ihren Kund:innen auf, stehen ihnen bei jedem Wetter zur Seite und helfen, die gemeinsam festgelegten Ziele zu erreichen. Das kann nicht nur eine sehr erfüllende Aufgabe sein, sondern auch eine Überlebensstrategie: Künstliche Intelligenz mag viele Beratungsaufgaben übernehmen, die starke Schulter eines Trusted Advisors kann sie nicht ersetzen. Die Entwicklung zum Trusted Advisor bietet eine gute Möglichkeit, sich dem Preiskampf bei klassischen Beratungsleistungen zu entziehen.

Den eigentlichen Schatz heben

Was braucht es nun, um für die Kundin oder den Kunden eine starke Schulter zu sein? Was macht diese starke Schulter aus, worauf gründet sie sich? Die Antwort liegt im eigentlichen Schatz Ihres Beratungsunternehmens: der Wertschöpfung, die aus den Köpfen der Mitarbeitenden resultiert — aus ihrer Fähigkeit, hochkomplexe Probleme zu lösen oder gemeinsam mit Kund:innen Ziele zu definieren und zu erreichen. Es geht um Dinge wie Erfahrungswissen, Kreativität, Gesprächskompetenz, Haltung und Wahrhaftigkeit.

Diese Ressourcen lassen sich in vier Hauptkategorien unterteilen:

das intellektuelle Kapital (»was wir wissen und wie wir das Wissen anwenden«),

das emotionale Kapital (»wie wir uns einfühlen können und was das in Projekten verändert«),

das soziale Kapital (»welcher Wind weht, wenn man mit uns arbeitet«),

das Kundenwissen (»was wir über unseren Kunden wissen und in keinem Handbuch steht«).

Was bedeutet das konkret?

Das intellektuelle Kapital eines Beratungsunternehmens zeigt sich in der Fähigkeit, Wissen und Erfahrung in überlegener Weise einzusetzen, um beim Kunden komplexe Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen. Gelerntes Wissen oder das Fortschreiben von Bestehendem reichen dazu nicht aus. Zum intellektuellen Kapitel gehören auch einschlägige Erfahrung und tägliche Kreativität — Letzteres eine Fähigkeit, deren Wert von vielen Beratungen noch unterschätzt wird.

Das emotionale Kapital spiegelt sich in der Fähigkeit wider, empathisch mit der Kundenorganisation zusammenzuarbeiten. Sind Sie und Ihre Mitarbeitenden in der Lage, sich auf die Denkweise, das Tempo und den Rhythmus der Kund:innen einzustellen? Diese Schwingungsfähigkeit, die Fähigkeit, die Atmosphäre und Dynamik des Gegenübers zu spüren und darauf einzugehen, zählt zu den wesentlichen emotionalen Kompetenzen, die eine erfolgreiche Beratung ausmachen.

Das soziale Kapital bezieht sich auf die Mitarbeitenden des Beratungsunternehmens und ihre Kompetenz, Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten — sowohl beim Kunden als auch im eigenen Projekt. Es geht darum, Veränderungen zu initiieren, aber auch flexibel genug zu sein, sich selbst im Projekt anzupassen und weiterzuentwickeln.

Das Kundenwissen umfasst ein tiefes Verständnis der Strukturen, Prozesse und Menschen innerhalb der Kundenorganisation. Es geht weit über das formale Wissen hinaus, das in Handbüchern oder anderen Dokumenten festgehalten ist. Vielmehr handelt es sich um informelles, oft implizites Wissen, das sich in langjähriger Zusammenarbeit entwickelt hat. Es ermöglicht nicht nur zusätzliches Wachstum und erhebliche Ressourcen-Einsparungen, sondern bildet auch die Basis für lebenslange Kundenbeziehungen.

Dieser besondere Schatz, das intellektuelle, emotionale und soziale Kapital und das Kundenwissen, ist einer der wenigen echten Differenzierungsfaktoren, die Beratungsunternehmen heute noch haben. Indem Sie sich mit diesem Kapital am Markt positionieren, werden Sie unverwechselbar – und indem Sie es bei Ihren Kunden einbringen, machen Sie sich unentbehrlich.

Vertrauen aufbauen

Um die ›starke Schulter‹ des Kunden sein zu können, bedarf es neben fachlicher Kompetenz vor allem einer vertrauensvollen Beziehung. Ein anspruchsvolles Unterfangen: Zunächst ist es wichtig, echtes Interesse am Kunden zu zeigen. Das bedeutet, aufmerksam zuzuhören, nachzufragen und den Kunden verstehen zu wollen, ohne sofort eigene Lösungen oder Angebote in den Vordergrund zu stellen. Es bedeutet aber auch, sich selbst zurückzunehmen: Anstatt vorzupreschen und eine voreilige Lösung zu präsentieren, nehmen Sie sich die Zeit, das Problem Ihres Gegenübers zu verstehen. Sie hören zu, ohne sich ablenken zu lassen, und fassen das Gehörte zusammen, um sicherzustellen, dass Sie alles richtig verstanden haben.

Drei Schlüsselfaktoren für den Aufbau von Vertrauen sind Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Vertrautheit:

Glaubwürdigkeit bedeutet vor allem, dass Sie ehrlich sind und Ihr Wissen und Ihre Erfahrung strikt im Interesse des Kunden einsetzen. Sie stehen ihm uneigennützig zur Seite. Mit Ihrer Art der Kommunikation machen Sie deutlich, dass es Ihnen ein ehrliches Anliegen ist, seine Problemwolke zu durchdringen, die wahren Ziele hinter seinem Anliegen aufzuspüren und diese gemeinsam mit ihm zu erreichen.

Verlässlichkeit heißt, Zusagen einzuhalten, pünktlich zu sein und konstant gute Arbeit zu leisten. Ihr Gegenüber muss immer wieder bestätigt bekommen, dass Sie zuverlässig und transparent handeln und auch bei kleinen Versprechungen zu Ihrem Wort stehen.

Vertrautheit entsteht, wenn Sie über längere Zeit eine enge und partnerschaftliche Beziehung aufbauen. Diese Beziehung geht über das rein Geschäftliche hinaus und basiert auf gegenseitigem Respekt und Verständnis. Indem Sie nicht nur die geschäftlichen Ziele, sondern auch die persönliche Situation Ihres Gegenübers im Blick haben, entsteht eine tiefere, vertraute Bindung.

Der Aufbau einer Trust Brand

Es geht also darum, sich auf den eigenen Schatz zu besinnen, ihn zu heben, ihn zu verkaufen — und die dafür notwendige Vertrauensbasis zum Kunden zu schaffen. Eines der wichtigsten ›Werkzeuge‹ dafür ist eine starke Marke. Sie macht die Positionierung sichtbar und ermöglicht eine klare Abgrenzung zum Wettbewerb. Sie ist es, die den Schatz des Unternehmens — das intellektuelle, emotionale und soziale Kapital sowie das Kundenwissen — zum Strahlen bringt. Doch hat die Marke neben dieser Differenzierungsfunktion noch eine weitere wichtige Aufgabe: Sie schafft Vertrauen.

In den letzten beiden Jahrzehnten konzentrierten sich Marketingstrategien vorwiegend darauf, ›Loved Brands‹ zu schaffen — Marken, die geliebt werden und um die sich eine treue Fangemeinde bildet. In jüngerer Zeit verschiebt sich das Augenmerk hin zu ›Trust Brands‹: Marken sollen vor allem Vertrauen schaffen.

In der Beratungsbranche, wo Vertrauen für langfristige Beziehungen unerlässlich ist, wird das Konzept der Trust Brand zur Überlebensfrage. War eine Marke für Beratungen früher vielleicht noch ›nice to have‹, bildet sie jetzt die Basis für den Aufbau von Vertrauen. Sie gibt bestehenden Kund:innen Sicherheit und überzeugt potenzielle Kund:innen oft schon lange vor dem ersten persönlichen Kontakt.

Um als Trust Brand wahrgenommen zu werden, reicht es heute nicht mehr aus, nur auf Bekanntheit und Kundeninteresse zu setzen. Vielmehr bedarf es einer Mischung aus Push- und Pull-Marketing — eine Strategie, die ich gerne als ›gepushtes Pull-Marketing‹ bezeichne. Dabei geht es darum, seiner Zielgruppe relevante und damit attraktive Inhalte bereitzustellen (Pull) und gleichzeitig potenzielle Kund:innen direkt anzusprechen (Push).

Genau das ist das zentrale Thema dieses Buchs: Sie erfahren, wie Sie den Schatz heben, Ihr Beratungsunternehmen mit einer unverwechselbaren Botschaft positionieren, eine starke Marke aufbauen — und mit geeigneten Maßnahmen die gewünschte Sogwirkung im Markt erzeugen.

Was Sie in den folgenden Kapiteln erwartet

Wer seinen eigenen Schatz heben will, beginnt mit der Selbstreflexion, indem er sich Klarheit über sein ›wahres Selbst-Bewusstsein‹ verschafft (Kapitel 1). Welche Werte und Motivationen sind für Sie und Ihre Mitarbeitenden bestimmend? Ziel des Kapitels ist es, die inneren Hauptantriebskräfte Ihrer Beratungsboutique zu erkennen.

Im nächsten Schritt geht es darum, sich von Glaubenssätzen zu verabschieden, die dem Erfolg oft im Wege stehen (Kapitel 2). Ein Paradebeispiel ist der Satz: ›Der Kunde ist König‹. Genau das kann er nicht sein, wenn er sich nach einer starken Schulter sehnt! Wer den Kunden zum König macht, begibt sich in die Rolle eines Erfüllungsgehilfen, statt als Partner auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden.

Weit verbreitet ist auch der Glaube, man müsse unbedingt wachsen, ein großes Unternehmen werden und viele Angestellte haben. Die unsicheren VUCA-Zeiten legen es jedoch nahe, eher auf ein kleines, wendiges Unternehmen zu setzen. Die Fixierung auf Wachstum birgt heute mehr denn je Risiken und kann innovative Ansätze zur Effizienzsteigerung oder zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle behindern.

Diese Risiken treffen auch für die Überzeugung zu, dass Perfektion wichtig sei. Das Streben nach Perfektion kann einen Beratungsprozess unnötig in die Länge ziehen, während Kunden oft eine praktikable und schnelle Umsetzung einer perfekten Lösung vorziehen. Das gilt umso mehr in unserer schnelllebigen Zeit: Bis ein Konzept perfekt ausgearbeitet und umgesetzt ist, läuft es Gefahr, schon wieder überholt zu sein.

Aufbauend auf den definierten Werten und Antriebskräften geht es in Kapitel 3 um die Unternehmensziele — denn ohne präzise formulierte Ziele lässt sich der Erfolg einer Beratung kaum messen. Ein ›Ziele-Cockpit‹ unterscheidet sieben Zielfelder und hilft dabei, Kurs zu halten und die Zielerreichung kontinuierlich zu überwachen.

In einer Zeit, in der KI viele Leistungen übernimmt, ist ein solides Geschäftsmodell (Kapitel 4) wichtiger denn je: Mit wem verdienen wir wie und womit unser Geld? Es geht um eine klare Zielgruppenbestimmung und um die Entscheidung, in welcher Rolle Sie mit Ihrem Unternehmen auftreten wollen: als herausragender Experte oder als Trusted Advisor?

Wer sein intellektuelles, emotionales und soziales Kapital verkaufen möchte, steht vor der Frage nach dem richtigen Honorarmodell. Kapitel 5 beleuchtet die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle und macht deutlich: Das traditionelle Prinzip ›Zeit gegen Geld‹ hat oft ausgedient. Stattdessen ist ein Modell gefragt, das die Werte honoriert, die Sie mit Ihrem Unternehmen über die Jahre aufgebaut haben — Wissen, Erfahrung, Kreativität, fantastische Mitarbeitende.

Der Schatz des Unternehmens, das intellektuelle, emotionale und soziale Kapital und das Kundenwissen, bildet den Kern der Positionierung (Kapitel 6). Ziel ist es, mit dem Angebot beim Kunden aufzufallen — eine echte Herausforderung im hart umkämpften Beratungsmarkt. Bewährt hat sich hier der ›Lkw-Satz‹, um den Kernnutzen auf den Punkt zu bringen.

Mit der klaren Positionierung ist die Voraussetzung geschaffen, mit Ihrem Unternehmen zur Marke zu werden (Kapitel 7) und durch Marketing, PR und Vertrieb die Brücke zum Kunden zu schlagen (Kapitel 8). Die Marke repräsentiert den Schatz und damit das besondere Angebot Ihres Unternehmens – und sie schafft als Trust Brand das Vertrauen, ohne das die Rolle als starke Schulter undenkbar ist.

Ein wichtiger Aspekt wurde bisher nur gestreift: Wie nehmen Sie die Mitarbeitenden auf die Reise mit? Wie beziehen Sie sie in die Entwicklung von Zielen, in Positionierung und Markenaufbau ein? Gastautor Olaf Hinz erläutert verschiedene Stufen der Einbindung und plädiert dafür, Widerstände als positive Energiequelle zu nutzen (Kapitel 9).

Der Umgang mit Entscheidenden (Kapitel 10) stellt eine der wichtigsten Fähigkeiten im Beratungsgeschäft dar — es ist die Königsdisziplin des Sogs. Mit der Entwicklung zum Trusted Advisor gewinnt sie zusätzlich an Bedeutung: Von der ersten Begegnung an geht es darum, Vertrauen aufzubauen und die Beziehung zu den Entscheidenden zu pflegen. Von Anfang an arbeiten Sie auf eine langfristige Beziehung hin und stellen dabei den Nutzen für Ihr Gegenüber in den Mittelpunkt.

Wenn Ihre Kunden eine starke Schulter suchen, liegt es nahe, eine langfristige Partnerschaft anzustreben. Theresa Gondorf widmet sich in Kapitel 11 ausführlich dem Aufbau lebenslanger Kundenbeziehungen. Sie beschreibt, wie neben dem intellektuellen, emotionalen und sozialen Kapital auch das Wissen über Kunden entscheidend ist. Um dieses ›vierte Kapital‹ erfolgreich zu nutzen und lebenslange Kundenbeziehungen aufzubauen, kommt es auf drei strategische Elemente an: die Messung der Kundenzufriedenheit, Customer Excellence und ein schlankes (Key)-Account-Management. Diese drei Elemente greifen ineinander und führen zu einem systematischen Ansatz, der es Ihnen ermöglicht, langfristige und erfüllende Partnerschaften aufzubauen.

Kapitel 1

Wahres Selbst-Bewusstsein erarbeiten

Wahres Selbst-Bewusstsein erarbeiten

Etwas stimmt da nicht. Drei Berater, eigentlich erfolgreich — und doch unzufrieden.

Der erste ist Hans H., Inhaber eines neunköpfigen Beratungsunternehmens. Der heute 45-Jährige hatte acht Jahre lang bei einer Strategieberatung gearbeitet und sich selbstständig gemacht. Zunächst beschränkte er sich auf sein vertrautes Geschäft, die Strategieberatung. Dann fragte ihn ein Kunde, ob er auch Prozesse optimieren könne. »Klar«, dachte er, »das bekommen wir irgendwie hin.« Er holte sich einen ersten Mitarbeiter, zunächst freiberuflich, später stellte er ihn an.

Eins ergab das andere. Das Unternehmen expandierte, weitere Berater kamen hinzu. Mit ihnen stieg der Druck, neue Aufträge zu akquirieren. Heute verbringt Hans H. einen Großteil seiner Zeit damit, Projekte an Land zu ziehen und Beratertage zu verkaufen. Nach wie vor ist er auch operativ tätig: Mal sind es Feuerwehreinsätze, mal besteht ein Kunde darauf, mit ihm persönlich zusammenzuarbeiten.

Hans H. arbeitet abends, auch am Wochenende. Abschalten fällt ihm schwer. Für Familie, Freunde oder persönliche Interessen hat er kaum Zeit. Oft wirkt er hektisch, getrieben vom aktuellen Geschehen. Ihm ist bewusst, dass er sich eigentlich um die Weiterentwicklung des Unternehmens kümmern sollte. Doch dazu kommt er nicht. Typisch für ihn ist der Satz: »Man müsste mal …«

Man müsste mal das Marketing systematisieren. Man müsste mal das Thema Digitalisierung ganz neu aufbereiten. Ideen für neue Produkte schießen ihm durch den Kopf, aus denen nichts wird, weil der Alltag dazwischenkommt. Und so geht es weiter: Hans H. müsste das Wochenende endlich einmal mit der Familie verbringen, er müsste seinen Freundeskreis pflegen, er müsste etwas mehr für seine Gesundheit tun. Doch das Geschäft hält ihn gefangen. Er hat seine Lebensziele aus den Augen verloren sowie das Bewusstsein dafür, was ihn glücklich macht.. Er befindet sich im Hamsterrad, wird immer müder und stöhnt: »Man müsste mal …«

Der zweite Fall handelt von Werner S., Organisationsberater und Führungscoach. In seinem früheren Leben war er Führungskraft in einem Konzern. Dort fühlte er sich zunehmend unwohl. Abläufe und Führungskultur empfand er als »geradezu unterirdisch«. Getrieben von der Idee, es besser zu machen und eigene Konzepte zu entwickeln, machte er sich selbstständig. Heute ist er als Einzelkämpfer unterwegs, der sich gelegentlich Unterstützung aus seinem Netzwerk holt.

Werner S. geht es um die Sache. Seinen Kunden möchte er stets die beste Lösung bieten. Ständig tüftelt er an neuen Ideen, entwirft Konzepte und entwickelt Methoden. Er trifft sich regelmäßig mit Kollegen und Experten, um noch besser zu werden und noch mehr Tiefgang zu bekommen. Die Arbeit motiviert und erfüllt ihn. Zugleich achtet er auf ein gelingendes Privatleben, für das er sich ausreichend Zeit nimmt.

Das Problem ist nur: Als Unternehmer versagt er. Konkurrenten, die inhaltlich weit weniger beschlagen sind, nehmen höhere Tagessätze und sind geschäftlich erfolgreicher. Bitter stößt ihm auf, dass ein Kollege im Handelsblatt zitiert wird und Bücher veröffentlicht, obwohl dieser aus seiner Sicht viel weniger zu sagen hat als er. »Wie kann ich«, so fragt er sich, »bleiben wie ich bin, aber gleichzeitig mehr Ertrag erwirtschaften?«

Ganz anders Fall drei: Eckart W. ist unternehmerisch sehr erfolgreich. Er hat ein Beratungsunternehmen mit vierzig Mitarbeitern aufgebaut und sich aus dem operativen Kundengeschäft weitgehend herausgezogen. Er führt die Mitarbeiter, kümmert sich um Aufträge und treibt Innovationen voran. Kurzum: Er ist nicht mehr Berater, sondern Unternehmer. Ein guter Unternehmer. Und doch hat er das Gefühl, langsam auszubrennen.

Sein Denken kreist immer um das Unternehmen. Zwar unterhält er sich ab und zu mit Kollegen, geht gelegentlich zu einer Fortbildung, liest auch einmal ein Buch. Aber im Grunde dreht sich alles nur darum, das operative Rad am Laufen zu halten. Immer das Gleiche, immer noch mehr vom Gleichen. Er praktiziert ein Zeit-gegen-Geld-Modell, bei dem alles linear steigt: mehr Projekte, mehr Mitarbeiter, mehr verkaufte Zeit, mehr Umsätze, mehr Gesamtgewinn. Die Zahl der Mitarbeiter steigt proportional zum Umsatz — drei weitere Mitarbeiter bringen eine weitere Million Euro Umsatz. Und so weiter.

Mit dem Projektvolumen, das ist Eckart W. durchaus bewusst, steigen auch die Risiken — zumal das Projektgeschäft generell volatiler wird, die Kunden sich immer öfter zurückhalten und die Unsicherheiten zunehmen. Auf der einen Seite steigt die Gefahr, dass erwartete Aufträge ausfallen, Umsätze einbrechen und Kapazitäten nicht ausgelastet werden können. Auf der anderen Seite stellt sich permanent das Problem, die Personallücke schließen zu müssen, die durch das steigende Projektvolumen immer wieder neu entsteht.

Wo soll das hinführen? Noch sechs Mitarbeiter mehr, noch zwei Millionen mehr an Umsatz? Ein noch größeres Rad mit noch größerem Risiko drehen? Eckart W. zweifelt am Sinn seines Unternehmens. Er hat das Gefühl, einer Tätigkeit nachzugehen, die ihn ausfüllt, aber nicht erfüllt.

Drei Beispiele, die für eine ernüchternde Beobachtung stehen: Die meisten Beratungsunternehmen verfehlen ihr eigentliches Ziel — das Ziel nämlich, ihre Inhaber glücklich zu machen.

Die Droge Erfolg

Ein funktionierendes Unternehmen kann für seinen Inhaber wie eine Droge wirken. Die Aufträge kommen, die Geschäfte laufen, der Alltag nimmt ihn in Beschlag. Der Erfolg betäubt ein latentes Unwohlsein, das zurückgedrängt wird, im Hintergrund aber weiter schwelt und latent unzufrieden macht. Vor allem aber lenkt der Erfolg davon ab, das bestehende Geschäftsmodell infrage zu stellen.

Typisch für viele Berater ist eine Erfolgskurve in Form eines umgedrehten »U« (siehe Abbildung 1.1). Nach einer gewissen Anlaufphase fängt die Strategie an zu greifen und der Erfolg steigt exponentiell an, bis er schließlich ein bestimmtes Niveau erreicht. Nun schwimmt der Berater auf der Erfolgswelle; er bewegt sich auf einem »Erfolgsplateau«, auf dem der Erfolg ziemlich gleichbleibt. Ich kenne zahlreiche Beratungsunternehmer, die in dieser Phase sind: Gewinne und persönliches Auskommen bleiben über Jahre hinweg weitgehend gleich. Der Berater findet viel Anerkennung in seinem Umfeld, die Geschäfte laufen konstant und gut. Zweifel werden verdrängt.

Abbildung 1.1: Typische Erfolgskurve eines Beratungsunternehmens

Übersehen wird, wie stark in dieser Phase die »Droge Erfolg« Einfluss nimmt. Der permanente Erfolg macht bequem und hindert daran, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen. Er betäubt die Innovationskraft. »Never change a runnig system«, lautet die Devise, der man sich in dieser Phase nur zu gerne hingibt. Nur nichts verändern, es läuft ja!

Auf dem Erfolgsplateau ist es bequem und man hat wahrlich genug zu tun. »Man müsste mal« lautet ein häufiger Satz. Man müsste mal die bestehenden Kontakte besser pflegen — aber wann, bei den ständigen Projekteinsätzen? Man müsste das Risiko auf mehr Kunden verteilen — aber mit dem einen Kunden läuft es gerade so gut, und überhaupt, so einfach finden sich keine Mitarbeiter für andere Projekte. Man müsste sich eigentlich stärker spezialisieren, um nicht mehr als Feld-Wald-Wiesen-Beratung wahrgenommen zu werden — na ja, aber bisher läuft es ja ganz okay. So richtig zufrieden ist man nicht mit Projekten, Kunden, Honoraren oder dem Umgang der Kunden mit einem — aber so richtig unzufrieden eben auch nicht.

Dieser Zustand kann Jahre dauern, doch irgendwann beginnt der Erfolg zu bröckeln. Das kann abrupt geschehen, weil zum Beispiel ein Großkunde abspringt, oder sich langsam abzeichnen, weil die Zahl der Kunden sinkt oder die Stammkunden weniger buchen. Meist versucht das Unternehmen jetzt, mit Vertriebsmaßnahmen oder verstärktem Marketing dem Verfall entgegenzuwirken. Das gelingt in der Regel auch eine Zeit lang, kann aber nicht verhindern, dass die Erfolgskurve am Ende endgültig abbricht.

Die Alternative liegt darin, die Erfolgsbetäubung zu überwinden und mit einem Sprung eine neue Qualitätsstufe zu erreichen. Machen Sie, ausgehend vom Erfolgsplateau, strategisch den nächsten Sprung: Hinterfragen Sie Ihre persönlichen Ziele und Motive, die bestehenden Geschäftsfelder und Zielgruppen — entwickeln Sie Ihr Geschäftsmodell systematisch und mutig weiter. Entwickeln Sie Themen, in denen Sie die Meinungsführerschaft erlangen können. Richten Sie Ihr Unternehmen konsequent nach einem neuen und klaren Zielbild aus. Das kann zum Beispiel auch bedeuten, auf Teile des bisherigen Geschäfts zu verzichten, um so Raum für Neues zu schaffen.

Die Belohnung ist schnell beschrieben: echter geschäftlicher Erfolg, mehr Zufriedenheit und Sinnerfüllung, mehr Spannung mit neuen Wegen, ein motivierteres Team und die Chance, auch in Zukunft eine wichtige Rolle zu spielen.

Geht die neue Strategie auf, beginnt der Prozess von vorne. Wieder steigt die Erfolgskurve steil an, wieder erreicht sie ein Plateau — und wieder wird es Zeit, den Sprung auf die nächste Ebene zu wagen.

Kompass und Wertemagnet

Die Botschaft lautet also: Wachen Sie aus der Erfolgsbetäubung auf und geben Sie Ihrem Unternehmen einen tieferen Sinn. Das setzt natürlich voraus, die eigenen Ziele und Werte zu kennen. Wer sein Unternehmen sinn-voll gestalten möchte, benötigt Klarheit über sich selbst. Und genau darum geht es in diesem Kapitel: Sie legen Ihre persönlichen Ziele fest und spüren Ihre Werte und inneren Antreiber auf. Konkret erreichen Sie damit zwei Ergebnisse: Sie verfügen über einen Kompass und einen Magneten.

Einen Kompass erhalten Sie, weil die persönlichen Ziele und Werte anzeigen, wohin Sie wollen und was Ihnen wichtig ist. Sie können Ihre Entscheidungen hieran ausrichten und das Unternehmen so gestalten, wie es Ihnen wirklich entspricht.

Zugleich lässt das Bewusstsein um die eigenen Ziele und Werte einen Magneten entstehen, der Menschen mit ähnlichen Werten und »Sinnkonstruktionen« anzieht. Der Anziehungseffekt lässt sich zum Beispiel bei einem Pitch beobachten: Am Ende wählt ein Auftraggeber in der Regel den Bewerber aus, dessen Werte zu ihm passen.

Warum wirkt dieser »Wertemagnet« bei Beratern so stark? Nehmen wir das Beispiel des Pitchs: Dem Auftraggeber fällt es schwer, die Qualität eines Beraters zu beurteilen. Während der Präsentation erkennt er bestenfalls 60 Prozent der Qualität. Die infrage kommenden Berater haben in seinen Augen alle ein ähnliches Qualitätsniveau. Der Auftraggeber sucht daher nach Qualitätssurrogaten, um herausfinden, welcher Berater für sein Problem der richtige ist. Er beobachtet das Verhalten, liest zwischen den Zeilen und trifft am Ende intuitiv seine Wahl. Mit anderen Worten: Er lässt seinen Wertemagneten entscheiden.

Wenn Ihnen die eigenen Werte bewusst sind und Sie diese Werte ausstrahlen, werden Sie für Kunden attraktiv, die ähnlich wie Sie denken und fühlen. Sog entsteht erst, wenn wir uns unserer Ziele und Werte bewusst sind. Sog braucht Selbst-Bewusstsein.

Die persönlichen Ziele

In Einzelberatungen oder Workshops durfte ich bislang über zehntausend Berater nach ihren Zielen fragen. Die Antworten gleichen sich: Gewinn oder Umsatz steigern, unabhängiger von Großkunden werden, Tätigkeiten, die dem Beratungsunternehmer mehr Freude machen, mehr Bekanntheit, mehr Augenhöhe. Wenn ich nachfrage, wie lange sie diese Ziele schon haben, lautet die Antwort: »Seit vielen Jahren.« Etwas unternommen haben nur wenige.

Diese Erfahrung ist so durchgängig, dass sie einen Schluss nahelegt: Die meisten Berater haben zwar Wünsche, aber keine Ziele, die sie konkret und messbar verfolgen. Wenige haben definiert, wann ihr Unternehmen sie glücklich macht und daran die Ziele ihres Unternehmens ausgerichtet. Kaum ein Berater hat aus seinen Wünschen persönliche Ziele abgeleitet, nach denen er konsequent seine Entscheidungen trifft. Es bleibt bei diffusen Wünschen.

Der Befund stimmt nachdenklich. Haben wir Berater uns nicht genau deshalb selbstständig gemacht, dass wir am Ende glücklicher, erfüllter sind? Und weil wir als Unternehmer ehrgeizige geschäftliche Ziele verfolgen?

Bevor wir uns mit den geschäftlichen Zielen und Geschäftsmodellen auseinandersetzen, sollten wir nach innen blicken: auf unsere persönlichen Wünsche und Motive. Wir sollten diese inneren Antreiber konkretisieren, in messbare Ziele fassen und in unser Geschäftsmodell integrieren. Diese Strategie hätte zwei positive Effekte: Zum einen können wir in unserer Arbeit Erfüllung finden, weil unsere persönlichen Ziele in das Unternehmen eingebunden sind. Zum anderen gewinnt das Unternehmen an Attraktivität, weil nach außen ein klares Werteprofil spürbar wird. Der Wertemagnet beginnt zu wirken.

Verlassen wir also die diffuse Wolke unserer Wünsche und begeben uns stattdessen in einen konkreten Zielkreislauf (siehe Abbildung 1.2).

Abbildung 1.2: Abstieg aus der diffusen Wünsche-Wolke in den konkreten Zielkreislauf

Anders als das Stochern in der Wünsche-Wolke bringt uns der Zielkreislauf unseren persönlichen Zielen tatsächlich näher. Er beginnt mit einem konkreten Ziel, das Einfluss auf unser Denken nimmt — etwa indem wir Maßnahmen überlegen, wie wir das Ziel erreichen. Das sind etwa eine Marketingstrategie, ein anderes Honorarmodell oder ein anderer Kundentyp, der künftig angesprochen wird. Das veränderte Denken führt zu einem anderen Verhalten, was wiederum das Ergebnis verändert. Meist ist das neue Ergebnis Anlass, das Ziel zu überdenken und anzupassen. Der Zielkreislauf geht in die nächste Runde.

Beginnen wir unsere »Reise nach innen«, indem wir die persönlichen Ziele finden. Es empfiehlt sich, entspannt an diese Aufgabe heranzugehen — und sich dann einige Stunden Zeit zu nehmen. Ganz ohne Stress.

Um die persönlichen Ziele zu erarbeiten, hat sich ein Tool bewährt, das zwischen geschäftlichem Erfolg und persönlicher Erfüllung unterscheidet. Es besteht aus einem Koordinatensystem mit zwei Achsen (Abbildung 1.3):

Die senkrechte Achse steht für den »geschäftlichen Erfolg«. Am oberen Ende der Achse liegt der Punkt, der den maximalen geschäftlichen Erfolg markiert, den Sie nach Ihrer Einschätzung erreichen können.

Die waagrechte Achse steht für »persönlichen Sinn«. Oder für persönliches Glück, Glückerfüllung, Sinnerfüllung, Flow, Zufriedenheit. Nehmen Sie den Begriff, der Ihnen zusagt. Ganz rechts auf der Achse liegt der Punkt, der den maximal erreichbaren persönlichen Sinn darstellt.

Anhand dieses Koordinatensystems lassen sich die persönlichen Ziele in vier Schritten erarbeiten.

Abbildung 1.3: Werkzeug zur Bestimmung der persönlichen Ziele

Schritt 1:Standpunkt heute festlegen

Überlegen Sie, wo Sie mit Blick auf den geschäftlichen Erfolg und die persönliche Sinnerfüllung heute stehen — und tragen Sie den Punkt in das System ein. Versuchen Sie eine ehrliche, selbstkritische Antwort zu finden, ohne aber erst lange nachzudenken:

»Wo stehe ich heute mit meinem geschäftlichen Erfolg?« Denken Sie sich kurz in Ihre Lage hinein — und setzen Sie spontan einen Punkt auf der senkrechten Achse. Überlegen Sie dann noch einmal, ob der Punkt in etwa passt.

»Wo stehe ich bei der Erfüllung meines persönlichen Sinns?« Hören Sie kurz in sich hinein — und markieren Sie einen Punkt auf der waagrechten Achse. Reflektieren Sie dann noch einmal, ob der Punkt passt.

Abbildung 1.4: Einschätzung der aktuellen Situation

Ein Beispiel. Der Inhaber eines kleinen Beratungsunternehmens ist geschäftlich recht zufrieden. Es könnte zwar noch etwas mehr sein, aber die Auftragslage ist stabil und ausreichend. Anders bei der Sinnerfüllung. Nach seinem Empfinden hält ihn die Routine gefangen und das Leben geht an ihm vorbei. Also positioniert er sich im Punkt A (Abbildung 1.4): relativ hoher Erfüllungsgrad beim »geschäftlichen Erfolg«, niedriger Erfüllungsgrad auf der Sinn-Achse.

Schritt 2:Standpunkt in drei Jahren festlegen

Überlegen Sie nun, wo Sie in drei Jahren stehen möchten. Legen Sie also fest:

»Wo möchte ich in drei Jahren mit meinem geschäftlichen Erfolg stehen?« Schätzen Sie diesen ein und tragen Sie den entsprechenden Punkt auf der senkrechten Achse ein.

Abbildung 1.5: Das Ziel festlegen: In drei Jahren soll Position B erreicht sein

»Wo möchte ich in drei Jahren in Bezug auf meine persönliche Sinnerfüllung stehen?« Machen Sie auch hier eine Abschätzung und tragen Sie den entsprechenden Punkt auf der waagrechten Achse ein.

Der Berater, der sich in Schritt 1 bei A positioniert hat, fragt sich nun, wo er sich in drei Jahren sieht. »Na ja«, denkt er mit Blick auf den geschäftlichen Erfolg, »da gibt es gegenüber heute keine große Differenz. Wenn ich 60.000 Euro mehr an Ertrag pro Jahr mache, ist das okay.« Anders bei der persönlichen Erfüllung, da empfindet er große Defizite und möchte ein gutes Stück weiterkommen. »Ich würde mich gerne mal mit etwas Neuem beschäftigen«, denkt er, »nicht immer nur Aufträge abarbeiten. Ich hätte gerne Kunden, die mich stärker herausfordern.«

Aufgrund dieser Überlegungen setzt er Punkt B nur wenig höher an als A, aber doch beträchtlich weiter rechts (siehe Abbildung 1.5). Der Pfeil in der Abbildung zeigt den Pfad, den er bis in drei Jahren zurücklegen möchte.

Schritt 3:Kriterien definieren

Nun geht es darum, die Ziele präziser zu erfassen. Die Leitfragen lauten:

Woran merke ich, dass ich den Zielpunkt auf der Achse »geschäftlicher Erfolg« erreicht habe?

Woran merke ich, dass ich den Zielpunkt auf der »Sinn-Achse« erreicht habe?

Suchen Sie nach Kriterien, anhand derer Sie feststellen können, ob sie in drei Jahren am gewünschten Punkt angekommen sind. Was wäre dann anders als heute? Im Zielkorridor »geschäftlicher Erfolg« kann das der Ertrag oder die Bekanntheit im Markt sein. Mit Blick auf die Sinn-Ziele können die Kriterien mehr Zeit mit der Familie sein, ein neues Thema, das Sie erarbeitet haben, oder anspruchsvollere Kunden, die für Sie eine echte Herausforderung darstellen.

Welche Kriterien notiert unser Beispiel-Berater? Im Feld »geschäftlicher Erfolg« legt er als Kriterium einen um 60.000 Euro höheren Ertrag fest. Schwieriger fällt es ihm, den Sinnzuwachs zu erfassen. Seine Erfüllung sieht er darin, aus der Routine auszubrechen und Neues zu entwickeln. Also fragt er sich: »Woran merke ich, dass sich etwas geändert hat und ich tatsächlich Neues mache?« Nach einigem Nachdenken hält er folgende Kriterien fest:

Ich verbringe mehr Zeit mit Lernen.

Ich habe es mit herausfordernden Kunden zu tun.

Ich erhalte Aufträge, bei denen ich mich so richtig ins Thema einarbeiten muss.

Ich befasse mich mit spannenden Fragen, über die ich mich mit den führenden Experten meiner Branche unterhalte.

Abbildung 1.6: Kriterien für das Erreichen der Ziele

Schritt 4:Messgrößen festlegen

Schließlich legen Sie für jedes Kriterium eine Messgröße fest. Beim geschäftlichen Erfolg lässt sich das Ziel ganz einfach in Euro messen — zum Beispiel »eine Million Euro Jahresertrag«. Auch ein Sinnkriterium wie »mehr Zeit mit der Familie« lässt sich leicht messen, etwa indem man festlegt, jede Woche einen Tag mehr mit der Familie zu verbringen.

Etwas anders gelagert sind »weiche« Kriterien wie etwa das Ziel »Ich fühle mich mehr auf Augenhöhe mit dem Kunden.« Solche Kriterien lassen sich mithilfe einer Skala einschätzen und damit auch messen: Wo stehe ich auf einer Skala von 0 bis 10 heute (zum Beispiel auf 2), wo möchte ich in drei Jahren stehen (zum Beispiel auf 8).

Abbildung 1.7: Kriterien und Messgrößen für das Erreichen der Ziele

Im Beispielfall (siehe Abbildung 1.7) nimmt der Berater den Jahresertrag als Messgröße für den geschäftlichen Erfolg. In drei Jahren, so definiert er, soll der Ertrag um circa 60.000 Euro höher liegen als heute. Die Sinnziele präzisiert er anhand folgender Messgrößen:

Ich verbringe mehr Zeit mit Lernen: vier Stunden pro Woche lernen, Besuch von jährlich zwei Kongressen.

Ich habe es mit herausfordernden Kunden zu tun: Anstieg von 2 auf 8 auf einer Skala von 0 (»beim Kunden eingeschlafen«) bis 10 (»hellwach«).

Ich erhalte Aufträge, bei denen ich mich so richtig ins Thema einarbeiten muss: Anstieg von 1 auf 6 auf einer Skala von 0 (»alles nur Routineprojekte«) bis 10 (»durchweg Projekte mit neuen spannenden Aspekten«).

Ich befasse mich mit spannenden Fragen, über die ich mich mit den führenden Experten meiner Branche unterhalte: ein Expertengespräch pro Monat.

Eine gute Wegstrecke ist nun zurückgelegt. Sie haben Ihren persönlichen Zielkorridor festgelegt — und kennen damit zumindest grob die Richtung, in die es gehen sollte. Sie verfügen über eine klare Erkenntnis, welche Ziele Sie anpeilen müssen, um erfüllter und glücklicher zu sein.

Kompass für unentscheidbare Entscheidungen

Warum ist es so nützlich, die persönlichen Ziele zu erarbeiten und festzulegen? Oft wird das deutlich, wenn im Geschäftsführerkreis über den Kurs des Unternehmens gesprochen wird und die persönlichen Ziele nicht klar sind. Die Diskussionen verlaufen dann meistens sehr dogmatisch. Der eine sagt, »Social Media bringt nichts«, der andere verlangt, stärker ins Premiumsegment einzusteigen, der Dritte plädiert dafür, sich künftig allein auf die Pharmabranche zu konzentrieren. Jeder glaubt zu wissen, was richtig und falsch ist. Dabei verkennt man einen entscheidenden Aspekt: Bei strategischen und Marketing-Themen gibt es kein richtig oder falsch.

Wenn über das Geschäftsmodell oder die Strategie entschieden wird, existieren keine eindeutigen Antworten. Vielmehr stehen wir vor »unentscheidbaren Fragen«, wie es der Kybernetiker Heinz von Foerster ausgedrückt hat. Auf eine unentscheidbare Frage gibt es keine eindeutige, etwa anhand einer mathematischen Formel ausrechenbare Antwort. Stattdessen liegen unterschiedliche Möglichkeiten vor, für die jeweils gute Gründe sprechen; jeder Vorschlag ist nachvollziehbar und leuchtet ein. Dem Unternehmer kommt die Aufgabe zu, sich für eine der möglichen Alternativen zu entscheiden — mithin eine »unentscheidbare Entscheidung« zu treffen, deren Ausgang unsicher ist und für die er das Risiko trägt. Man könnte auch sagen: Er trifft eine echte Entscheidung. »Nur prinzipiell unentscheidbare Fragen kann man entscheiden«, folgert Heinz von Foerster.1

Als Beratungsunternehmer haben Sie es mit solchen unentscheidbaren Entscheidungen zu tun, die Sie alleine oder im Geschäftsführerkreis treffen müssen. Da ist es sehr hilfreich, über einen Kompass zu verfügen, der Orientierung gibt und zum Beispiel hilft, im vielstimmigen Chor der Mitgeschäftsführer die Richtung zu bestimmen. Aus meiner Sicht können nur die persönlichen Ziele oder gegebenenfalls die im Geschäftsführerkreis abgestimmten Ziele dieser Kompass sein. Indem Sie Ihre Wünsche konkretisieren und in messbare Ziele fassen, erhalten Sie ein konkretes Leitbild, an dem Sie die unentscheidbaren Entscheidungen ausrichten und immer wieder überprüfen können. Aus diffusen Wünschen ist ein Kompass geworden, der die Richtung weist.

Viele Berater sind überrascht, wie klar Sie nun entscheiden können. Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem die persönliche Sinnsuche zu einem klaren Ergebnis führte: Wirklich glücklich und zufrieden mit seiner Tätigkeit war dieser Berater immer dann, wenn er für seine Kunden herausragende Ergebnisse erzielte. Er wollte seine Kunden nicht einfach nur zufriedenstellen, sondern wirklich exzellente Leistungen bieten. Als nun die Frage anstand, ob er mit seinem Unternehmen expandieren sollte, entschied er sich erst einmal dagegen. Ihm war es wichtiger, für seine Kunden hervorragende Ergebnisse zu erzielen. »Lasst uns die Priorität lieber auf die Qualität setzen«, wies ihm sein innerer Kompass den Weg.

Ein anderes Beispiel: Einem Berater ist es persönlich wichtig, Bekanntheit und Image zu erlangen; er möchte sich mit einem inhaltlichen Thema als Meinungsführer positionieren. Abgeleitet aus diesen persönlichen Zielen investierte er erhebliche Mittel in eine professionelle PR-Strategie. Als die Entscheidung anstand, sein erstes eigenes Buch selbst zu publizieren oder einen Verlag zu suchen, war auch hier die Antwort klar: Für das Renommee, bei einem namhaften Verlag zu erscheinen, scheute er keine Mühe.

Oder der Fall einer kleinen Beratungs-AG mit drei Vorständen, die mich zunächst beauftragte »starkes Umsatzwachstum um den Faktor 2 bis 3 zu erreichen«. Genauer analysiert, warum man sich dieses Wachstum wünschte, stellte sich heraus: Alle drei Entscheider versprachen sich vor allem eine bessere Work-Life-Balance, weil neue Mitarbeiter und ein angestellter COO sie entlasten würden. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie unwahrscheinlich diese Prämisse in Erfüllung gegangen wäre. Der tatsächliche Kurs sah dann ganz anders aus — man erreichte mehr persönliche Balance und höhere Erträge durch einen neuen Weg an den Markt und durch einen Wechsel im Honorarmodell. Dazu später mehr.

Die persönlichen Ziele, das zeigen solche Beispiele, können ein ausgesprochen nützlicher Kompass sein. Sie helfen, die Diskussion im Geschäftsführerkreis zu lenken, die richtigen Dienstleister auszuwählen oder zum Beispiel einer PR-Agentur ein präzises Briefing mit auf den Weg zu geben. Vor allen aber bieten sie eine wertvolle Hilfestellung, wenn wieder einmal eine unentscheidbare Entscheidung ansteht.

1 Foerster, Heinz von: KybernEthik. Merve, 1993.

Die persönlichen Motive

Sobald wir unseren persönlichen Zielkorridor festlegen, machen wir uns auch schon Gedanken darüber, was uns wichtig ist. Insofern haben wir die Frage nach unseren Motiven, nach dem, was uns im Leben antreibt, bereits ein Stück mitbeantwortet. Nun gehen wir an dieser Stelle tiefer und fragen: Was genau sind die Dinge, die mich zufrieden machen? Worin liegt meine ureigene Motivation?

Es geht also darum, den eigenen Motiven und Werten auf die Spur zu kommen. Das bringt große Vorteile: Wenn wir die inneren Antreiber kennen, können wir unsere Ziele, Entscheidungen und Tätigkeiten mit ihnen in Einklang bringen. Je mehr das gelingt, desto motivierter und zufriedener sind wir.