Das gefallene Imperium - Codename Ganymed 5: Kriegsmoral - Stefan Burban - E-Book

Das gefallene Imperium - Codename Ganymed 5: Kriegsmoral E-Book

Stefan Burban

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Beschreibung

Zum ersten Mal seit Kriegsende befindet sich eine Hinradystreitmacht über Vector Prime. Die Hauptstadt Cibola erlebt den schwersten Angriff seit dem Abzug der Nefraltiri. Jackuryhorden und Hinrady-Kriegstrupps ziehen mordend und brandschatzend durch die Straßen der belagerten Metropole. Lieutenant General Finn Delgado organisiert mit den wenigen verbliebenen Einheiten des Planeten eine verzweifelte Verteidigung. Als den Angreifern während der erbitterten Kämpfe auch noch eine wichtige Geisel in die Hände fällt und ein Hinradyschiff mit ihr entkommt, gerät die Lage vollends außer Kontrolle. Captain Tammy Rogers nimmt an Bord des Tarnkreuzers Morgenstern augenblicklich die Verfolgung auf, um den Gefangenen zu befreien. Der Feind hat jedoch einen großen Vorsprung und die republikanischen Soldaten laufen Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Währenddessen gehen Lieutenant Colonel Nathaniel Rogers und sein Bruder Raymond gemeinsam mit den Legionären der 21. Irregulären Legion gegen Konteradmiral Ferdinand Lang vor, unter dem Verdacht, dass dieser mit den Hinrady im Bunde ist. Doch dieses Vorgehen birgt Risiken. Es könnte sie durchaus wegen Meuterei vor ein Militärtribunal bringen. Ein Verbrechen, auf das in Kriegszeiten die Todesstrafe steht …

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Juli 2023 Titelbild: Giusy Lo Coco Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-898-4 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-899-1 Die sechs Romane dieser Mini-Serie erscheinen auch gesammelt in zwei Hardcover-Ausgaben, sie sind direkt beim Verlag erhältlich. Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

1

Sirenen heulten ohne Unterbrechung und der Himmel über Cibola wurde ein weiteres Mal zum Schlachtfeld. Präsident Mason Ackland eilte ans Fenster seiner Suite. Mit großen Augen beobachtete er, wie das Luftabwehrfeuer aus dem Stadtzentrum den Himmel erleuchtete und feurige Spuren über das Firmament zog.

Aus mehreren Fliegerbasen in und um Cibola stiegen Schwärme von Vindicator-Jägern auf. Sie stellten sich den Hinradygeschwadern todesmutig entgegen.

Es entbrannte eine unbarmherzige Schlacht über der Metropole. Und bereits nach wenigen Minuten war klar, die Republik würde unterliegen. Die Verteidiger von Vector Prime erlitten schwerste Verluste. Unzählige republikanische Abfangjäger wurden als brennende Einzelteile zur Oberfläche zurückgeschickt.

Die Tür flog auf und Major Samuel Cohen stürzte herein. Der Offizier der 18. Gardelegion kommandierte heute Nacht seine Leibwache. »Weg vom Fenster!«, brüllte der Mann, packte Mason am Arm und riss ihn zum Bett zurück.

Mason war derlei Behandlung eigentlich nicht gewohnt. Seine Leibwächter hatten jedoch nicht nur die strikte Anweisung, sondern auch die Verpflichtung, im Bedarfsfall sämtliche Standesunterschiede sowie jegliche Höflichkeit über Bord zu werfen. In einer Notlage gab es lediglich eine einzige Prämisse: das Leben des Präsidenten unter allen Umständen schützen.

»Ziehen Sie sich was an!«, forderte Cohen den Präsidenten auf.

Zum ersten Mal, seit dieser Albtraum begonnen hatte, sah Mason Ackland an sich herunter. Er trug immer noch seinen Bademantel und nicht viel darunter. Mason begann eilig damit, Kleidungsstücke aus mehreren Schubladen zu kramen und auf das Bett zu werfen. Anschließend streifte er seinen Bademantel ab und begann damit, Pullover, Hosen und Strümpfe überzuziehen, die überhaupt nicht zusammenpassten. Aber das war momentan von untergeordneter Priorität. Er bezweifelte, dass sich jemand ernsthaft darum scheren würde.

Cohen hatte sich abgewandt, als der Präsident damit begann, sich anzukleiden. Das Taktgefühl des Mannes war vorbildlich, wenn auch unter den gegebenen Umständen fehl am Platz.

Der Gardelegionär setzte seinen Helm auf. In unregelmäßigen Abständen klopfte er mit dem Zeigefinger auf die rechte Seite seiner Kopfbedeckung etwa auf Höhe des Ohrs. Mason hatte lange genug mit militärischen Gegebenheiten zu tun, um zu wissen, was das bedeutete.

Cohen nahm den Helm wieder ab und warf seinem Präsidenten einen verkniffenen Blick zu. »Ich bekomme keine Verbindung. Zu niemandem.«

Mason richtete sich auf. »Marsden? Baker? Delgado?«

Der Gardelegionär schüttelte wortlos den Kopf. Er wandte sich abermals dem Fenster zu. Im Himmel über Cibola erreichte die Schlacht einen neuen Höhepunkt.

»Was tun wir jetzt?«, wollte Mason von seinem Leibwächter wissen. Der Präsident beendete das Ankleiden, sah an sich herunter und fühlte sich wie ein Clown, angesichts des Sammelsuriums, das er übergezogen hatte. »Suchen wir einen der Schutzbunker auf?«

Samuel Cohen trat näher an das Fenster heran. Der Offizier antwortete zunächst gar nicht. Mason hielt es nicht länger aus, begab sich zu dem Gardelegionär und sah diesem neugierig über die Schulter. Seine Kinnlade klappte herunter.

»Ich fürchte, dafür ist es zu spät«, gab Cohen zurück. Die Männer verfolgten angespannt, wie mitten im Zentrum der planetaren Hauptstadt von Vector Prime ein Jackurynest niederging.

* * *

Captain Tammy Rogers von der 21. Irregulären Legion wankte, als der Boden sich unter ihren Füßen plötzlich aufbäumte. Ihr Begleiter, Captain Oskar Malossini, hielt die Frau fest, ansonsten wäre sie gestürzt.

Sie warf dem Schattenlegionär einen verwunderten Blick zu. »Was zum Teufel war das?«

Dieser schüttelte den Kopf. »Auf jeden Fall kein Orbitalbeschuss. Ich schätze, ein Nest der verdammten Insektoiden.«

Tammy biss sich auf die Unterlippe, während ihre Gedanken rasten. Vor wenigen Minuten auf dem Campus des VPIK hatte sie zum ersten Mal einem Jackury gegenübergestanden. Eine Erfahrung, die sie am liebsten nicht wiederholen würde. Sie wusste, die Insektoiden, deren Behausungen die Flohteppiche im Augenblick über Cibola abwarfen, unterschieden sich grundlegend von denen im Institut. Diese waren in Stasis gehalten und dann gewaltsam zurück in die Welt befördert worden.

Die Jackury, die demnächst über die Stadt herfielen, waren anders. Sie würden als einheitlicher Schwarm agieren und reagieren. Das bedeutete, sobald ihre Nester sich in den Boden gruben, ergossen sich ihre Krieger in die Straßen und dabei legten sie eine hohe taktische Flexibilität an den Tag.

Ganz anders als die unkontrollierbaren Horden im Institut, die sie heute Nacht getötet hatte. Im Umkehrschluss bedeutete das aber auch, dass ihr ein weitaus gefährlicherer Gegner gegenüberstand. Er würde jeden Menschen ins Nest holen, den er finden konnte. Und auf Legionäre würde der Feind mit zwar anfänglich rudimentär wirkenden Taktiken reagieren, die sich aber leider allzu oft als sehr effektiv erwiesen.

Sie betrachtete den Helm in ihrer Hand. Malossini hatte ihr eine Rüstung besorgt. Eine der Schattenlegionen. Ihre eigene wäre der Offizierin wesentlich lieber gewesen. Sie wog das Metall abwertend in der Hand – und setzte ihn schließlich auf.

Der Bordcomputer reagierte wesentlich schneller als bei gewöhnlichen Rüstungen. Das HUD blendete sich ein. Tammy benötigte nur Sekunden, um sich zurechtzufinden.

»Schick!«, kommentierte sie. Die Technik der Schattenlegionäre war wirklich allem um Längen voraus, was die restliche Armee vorzuweisen hatte. Sie wandte sich ihrem Begleiter zu.

»Was tun wir jetzt?«, wollte sie wissen.

Malossini brauchte nicht lange zu überlegen. »Ich bekomme weder Funkverbindung zum Präsidenten noch zu Delgado. Außerdem kann ich keine Einheit erreichen, die weiter als zwei Klicks entfernt ist. Ackland hat oberste Priorität. Der Präsident muss in Sicherheit gebracht werden.«

»Jemand hat die Kommunikation sabotiert«, schlussfolgerte Tammy.

»Marsden«, nickte Malossini. »Wenn der Kerl nicht fremdgesteuert wäre, würde ich ihn gründlich verfluchen.«

»Hoffen wir, dass er es ist«, antwortete die Legionsoffizierin. Auf einen fragenden Blick Malossinis fuhr sie fort: »Wenn er es nicht ist, dann hilft er den Flohteppichen freiwillig.«

»Eine erschreckende Vorstellung.« Malossini setzte sich in Bewegung und übernahm die Führung. Tammy folgte ihm notgedrungen. Was hätte sie auch sonst tun können? Auf ihrem Weg sammelten sie jede Zenturie, jeden Feuertrupp und jeden einzelnen Legionär ein, den sie finden konnten. Die Verteidigung von Vector Prime musste organisiert werden. Und hier anzufangen war genauso sinnvoll wie irgendwo anders.

Tammy erinnerte sich schmerzhaft daran, dass Marsden von den auf dem Planeten verbliebenen Einheiten das befehlshabende Offizierskorps weitgehend ausgetauscht hatte. Und diese wiederum hatte Delgado heute Nacht verhaften lassen. Der größte Teil der Verteidigungskräfte von Vector Prime war führungslos, desorganisiert und demoralisiert. Die Hinrady hätten sich keinen günstigeren Augenblick für ihren Angriff aussuchen können. Das konnte kaum ein Zufall sein.

Malossinis und Tammys improvisierte Streitmacht zog durch eine breite Straße der Hauptstadt. Wer sich ihnen nicht anschließen konnte, dem rieten die beiden, sich einzugraben und durchzuhalten, bis Hilfe eintraf. Wann auch immer das sein mochte. Auf diese Weise schufen sie mehrere Verteidigungscheckpoints. Damit hielten sie den Vormarsch des Gegners zumindest eine Weile auf und zögerten den Fall der Stadt hinaus. Unter Umständen würde es genügen, um die Metropole letztendlich zu retten.

Malossini hob die geballte Faust. Tammy und die ihr folgenden Legionäre kamen zum Stehen. Voraus waren einige Gebäude eingestürzt. Sie bildeten eine Barrikade quer über der Straße. Dahinter waren die Laute einer großen Meute von Jackury zu hören.

Der Schattenlegionär deutete mit seinem Bolzengewehr auf die Straßensperre. »Da vorne ist eines ihrer Nester niedergegangen.«

Tammy betrachtete den Trümmerberg auf einmal mit anderen Augen. »Und wo hält sich der Präsident momentan auf?«

Malossinis Stimme nahm einen ergebenden Tonfall an. »Auf der anderen Seite.«

»Können wir sie irgendwie umgehen?«

»Kostet zu viel Zeit«, beschied der Schattenlegionär.

Tammy sah sich um. All die Wohnhäuser in ihrer Nähe schienen leer zu sein. Sie fragte sich, wie vielen Bewohnern die Flucht gelungen war. Und wie viele von ihnen die Insektoiden in ihr Nest verschleppt hatten – bestimmt viel zu viele.

Die ersten Jackury tauchten auf. Es handelte sich um Späher. Sie entdeckten die Legionäre auf Anhieb und stießen einen schrillen Schrei aus. Weiteres unmenschliches Gebrüll drang aus dem Nest jenseits der Barrikade. Und unversehens stürmten Legionen feindseliger, hungriger Insektoiden über die Schutthalde.

Tammy spürte, wie die Legionäre in ihrem Rücken langsam zurückwichen, angesichts der Gewalt, die auf sie zumarschierte. Die Offizierin drehte sich um. »Haltet stand!«, brüllte sie. »Formiert euch!« Sie ließ den Blick über die versammelten Soldaten schweifen. »Ich komme nicht von Vector Prime, aber viele von euch. Es sind eure Familien, die von den Jackury abgeschlachtet werden, wenn wir zurückweichen. Haltet die Stellung!«

Ihre Worte erzielten Wirkung. Die Rückwärtsbewegung der Soldaten stoppte schlagartig. Die Männer und Frauen formierten sich sogar zu mehreren Feuerlinien.

Tammy drehte sich wieder um. Malossini streifte die Frau mit einem anerkennenden Blick. Die Jackury stürmten immer schneller auf sie zu. Aber hier und jetzt würde ihnen Widerstand entgegenschlagen.

Malossini und Tammy hoben gleichzeitig die Hand und ließen sie dann nach vorne schnellen. »Zum Angriff!«, schrien sie unisono.

* * *

Der Tarnkreuzer TRS Morgenstern kämpfte dort, wo die Schlacht am heftigsten tobte. Zwei Jagdkreuzer hatten sich auf das gute Mädchen eingeschossen. Der Kreuzer bäumte sich unter Menzels Füßen auf, sodass er um ein Haar gestürzt wäre. Mit Müh und Not gelang es ihm, sich an einem Geländer festzuhalten.

»Bauer!«, brüllte er, um sich verständlich zu machen. »Sagen Sie mir etwas.«

»Etwa dreißig Jagdkreuzer greifen von steuerbord an, ungefähr die doppelte Anzahl von backbord. Das Zentrum wird von etwa noch einmal fünfzig feindlichen Kampfschiffen gehalten.«

Im Verstand von Captain Georg Menzel ratterte es unentwegt. Er wankte zur taktischen Station und sah Bauer über die Schulter. Das Hologramminterface seiner Kommandostation war ausgefallen und er musste eine Situation visualisieren, um in angemessener Weise zu reagieren.

Der Captain der Morgenstern runzelte die Stirn. Eine Vielzahl roter Symbole sprenkelte das Display. »Das ist nicht einmal die Hälfte des feindlichen Verbands, der uns gegenübersteht.« Sein Blick suchte nach dem Rest der Hinradyflotte. Diese waren soeben dabei, den Planeten zu umrunden. Das war übel. Indem sie ihre Kräfte aufteilten, zwangen sie die spärlich gesäten Einheiten der Verteidiger, dasselbe zu tun. Dadurch wurden ihre Linien gefährlich überdehnt. Die Republik hatte ohnehin weniger als hundert Schiffe im Gefecht. Und viele davon hatte die Morgenstern aus den Werften in den Kampf geführt, wo sie auf dringend notwendige Reparaturen gewartet hatten.

Menzels Kiefer mahlten angestrengt. Dann traf er eine Entscheidung. Unter Umständen war es die falsche, aber er hatte kaum eine andere Wahl. Der Flottenoffizier hob den Kopf.

»Nachricht an die Agamemnon und die Styx. Beide Schlachtkreuzer sollen sich mit ihren Verbänden auf die uns abgewandte Seite des Planeten begeben und den gegnerischen Vorstoß dort aufhalten.«

Die Offizierin an der Kommunikation nickte abgehackt. Weder nahm sie Blickkontakt mit ihrem Befehlshaber auf noch bestätigte sie den Befehl. Viel zu gefangen war sie in ihrer Aufgabe. Nur Sekunden später entfernten sich zweiunddreißig Schiffe von den eigenen Linien und machten sich daran, in einem Gegenmanöver zu den Hinradyeinheiten Vector Prime zu umrunden.

Bauer sah mit besorgter Miene auf. »Skipper, das sind kaum genug Einheiten, um mit dem fertigzuwerden, was dort auf sie lauert.«

Menzel schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter, bevor er antwortete: »Das ist mir klar. Sie sollen den Gegner auch nicht vernichten, sondern lediglich das stoppen, was auch immer er dort treibt. Sie müssen uns Zeit verschaffen.«

»Kaum ein Schiff wird zurückkehren«, wagte sein zukünftiger XO einzuwenden.

Menzel schluckte abermals. »Das erwarte ich auch nicht.«

Der Satz hing bedeutungsschwanger im Raum, ehe sich seine Brückencrew wieder ihren Aufgaben widmete. Menzels Blick glitt zum zentralen Fenster hinaus. Das war die Bürde des Kommandos: Männer und Frauen in die Schlacht zu werfen, obwohl man genau wusste, wie ihre Chancen standen. Manchmal hieß es, um eine Schlacht zu gewinnen, auch Untergebene wissentlich und völlig bewusst zu opfern. Es schmeckte wie Galle, die die Speiseröhre hinaufkroch.

In nicht allzu großer Entfernung schwebten die Überreste des Schlachtkreuzers Sam Houston. Das Schiff war bereits in den ersten Minuten des Angriffs zerstört worden. Es war eines der gegnerischen Primärziele gewesen und die Flohteppiche hatten ihr Feuer darauf konzentriert. Waffendeck und Brücke waren völlig verheert.

An Bord der Sam Houston war Commodore Edward Franklin gefallen, der ranghöchste verfügbare Flottenoffizier. Nach dessen Tod hatte Menzel notgedrungen als dienstältester Schiffskommandant das Kommando übernommen. Er wünschte inständig, dieser Kelch wäre an ihm vorübergegangen.

Wenn sich Baker nur endlich melden würde, aber von dem Flottenbefehlshaber fehlte immer noch jede Spur.

»Neuer Vorstoß!«, meldete sein taktischer Offizier mit unpassend ruhiger Stimme und riss Menzel dadurch aus den Grübeleien.

»Auf welche Position?«

»Die Raumstation.«

Bauer musste gar nicht erwähnen, welche der Stationen er meinte. Die zivile war evakuiert worden, als die ersten Hinradyschiffe über Vector Prime materialisierten. Sie war inzwischen nur noch ein Trümmerfeld. Wenigstens gab es nur ein Minimum an zivilen Opfern.

Die militärische Raumstation hingegen war noch äußerst aktiv. Mit ihren kampfstarken Kategorie-7-Lasern war sie in der Lage, große Lücken in die gegnerische Formation zu reißen. Die Hinrady waren jetzt anscheinend entschlossen, dies zu beenden. Noch während Menzel zusah, rückten zwei feindliche Verbände in mehreren Wellen zu je dreißig Schiffen gegen das republikanische Bollwerk vor.

Die Hinrady feuerten aus allen Rohren. Zwischen den kämpfenden Giganten strömten immer wieder Geschwader feindlicher Jäger in Richtung der Station. Ihr Ziel war es offenbar, durch Präzisionsangriffe die schweren Kaliber auszuschalten. Die Flugabwehr der Raumstation reagierte, indem sie mit kleineren, leichteren Laserbatterien dem Jägeransturm entgegentrat.

Zwischen den Hinradykampfschiffen und der Station blühten Explosionen auf, in denen Angriffsjäger des Feindes unter dem republikanischen Abwehrfeuer verglühten. Währenddessen nahmen die Kategorie-7-Geschütze die großen Pötte aufs Korn. Zumeist genügten zwei oder maximal drei Treffer, um einen von ihnen für immer aus dem Spiel zu nehmen.

Die Station schoss vier, fünf, dann sechs der Jagdkreuzer zusammen. Menzels kundiges Auge bemerkte, dass mit jedem Verlust die Flohteppiche ein Stück näher an die Festung im Weltraum heranrückten. Über kurz oder lang würden die Hinrady die Station ausschalten. Das war bereits absehbar.

»Wir müssen die Station unterstützen«, beschied er. »Nach backbord schwenken. Die Katmandu, Apollo, Cleopatra und Cicero sollen uns folgen.«

Der Tarnkreuzer schwenkte gehorsam in die entsprechende Richtung. Ihm folgten ein Schlachtkreuzer, zwei Angriffskreuzer sowie ein Träger.

Noch ehe sie auf effektive Feuerdistanz aufgeschlossen hatten, gelang den Hinrady das Undenkbare. Sie schalteten zwei der schweren Geschütze der Raumstation aus und schufen damit eine gefährliche Lücke in deren Verteidigung. Die Flohteppiche nutzten das augenblicklich aus.

Ein Drittel der angreifenden Kampfeinheiten konzentrierten ihre Feuerkraft auf den Teil der Raumstation, der nun weitestgehend ungeschützt war. Die übrigen zogen das Feuer ihrer schweren Waffen auf sich. Dadurch erlitten die Jagdkreuzer zwar weiterhin schwere Verluste, aber die Kampfstation außerhalb des Orbits von Vector Prime stand unter massivem Druck.

Menzel beobachtete angespannt, wie die äußeren Verteidigungsanlagen des Konstrukts in Mitleidenschaft gezogen wurden. Innerhalb kürzester Zeit verstummten zwei weitere Kategorie-7-Laser. Die Hälfte der schweren Geschütze war ausgeschaltet.

Nun hatten die Hinrady Blut geleckt. Sie warfen alles gegen die Raumstation, was sie aufbieten konnten. Ein Schauder lief über Menzels Rücken. Die schwer bewaffnete Festung im All war alles, was bisher verhindert hatte, dass der Gegner Fuß fassen konnte. Ohne sie sah der Captain der Morgenstern schwarz, was eine erfolgreiche Verteidigung von Vector Prime betraf.

»Bauer, koordinieren Sie sich mit den taktischen Offizieren unserer Begleitschiffe. Wir müssen die Flohteppiche ablenken, bevor die Station vollends zerstört wird.«

Der taktische Offizier nickte wortlos und hackte auf die Tastatur seiner Konsole ein.

»Die Cicero soll ihre Bomber ausschicken«, befahl Menzel. »Und bereiten Sie einen Alphaschlag mit den Torpedos vor.« In diesem Moment verlor die Station einen weiteren schweren Laser. Auch das Abwehrfeuer, mit dem sie die Angriffsjäger der Hinrady in Schach hielt, wurde merklich schwächer. Menzel realisierte, dass ihnen langsam, aber sicher die Optionen ausgingen.

* * *

Lieutenant General Finn Delgado hatte einen provisorischen Kommandoposten im Hauptquartier der Schattenlegionen auf Vector Prime eingerichtet. Er nahm immer wieder seinen Kommunikator zur Hand. »Flottenadmiral Baker? Bitte kommen! Flottenadmiral Baker?«

Es antwortete ihm lediglich Schweigen. Finn ließ deprimiert den Kopf hängen. Er sah sich bedeutsam im Raum um. Die wenigen anwesenden Offiziere warteten auf eine positive Nachricht. Irgendeine. Der General schüttelte verhalten den Kopf und schaltete sein Komgerät ab.

Die Männer und Frauen machten gute Miene zum bösen Spiel. Man sah ihnen aber an, dass die Hoffnung schwand. Finn maß jeden Einzelnen mit festem Blick, versuchte, seine Zuversicht auf diese Soldaten zu übertragen. Einige von ihnen hatten bis vor zwei Stunden noch im Gefängnis gesessen. Sie waren von Finns Schattenlegionären befreit worden. Im Gegenzug saßen jetzt viele der von Marsden eingesetzten Befehlshaber hinter Gittern. Das half ihm aber nicht, die Situation unter Kontrolle zu bekommen.