Das gefallene Imperium - Codename Ganymed 6: Hades wartet - Stefan Burban - E-Book

Das gefallene Imperium - Codename Ganymed 6: Hades wartet E-Book

Stefan Burban

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Beschreibung

Endlich kommt ans Tageslicht, was es mit dem Ganymed-Projekt wirklich auf sich hat. Der perfide Plan der Hinrady nimmt gefährliche Züge an. Als Konteradmiral Langs Flotte und die 21. Irreguläre Legion über der republikanischen Geheimbasis aus dem Hyperraum kommen, steht das System bereits unter Belagerung. Eine gewaltige Streitmacht des Feindes war zuerst vor Ort und hat schreckliche Verwüstungen angerichtet. Die zu gleichen Teilen aus Einheiten der Drizil und der Republik zusammengesetzten Wachverbände wurden bereits schwer dezimiert und befinden sich auf dem Rückzug. Was sich aber noch verheerender auswirkt, die Hinrady haben schon Kontrolle über das Ganymed-Projekt erlangt. Und dieses Mal können die Todfeinde der Menschheit vielleicht nicht aufgehalten werden ...

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Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg September 2023 Titelbild: Giusy Lo Coco Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-903-5 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-904-2 Die sechs Romane dieser Mini-Serie erscheinen auch gesammelt in zwei Hardcover-Ausgaben, sie sind direkt beim Verlag erhältlich. Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

1

Captain Georg Menzel, Kommandant des Tarnkreuzers Morgenstern, hatte ernste Probleme, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Das Hologramminterface spulte eine Litanei an Schadensmeldungen herunter, mit dem sein Verstand schlichtweg nicht zurande kam. Hinzu kam, dass von jedem zweiten Deck Meldungen die Brücke erreichten, weil keiner auch nur die geringste Ahnung hatte, was man mit dem evakuierten Personal von der Nottingham anstellen sollte. Nicht wenige von ihnen waren verwundet und der Rest stand zumeist im Weg herum. Die Männer und Frauen des zerstörten Schlachtkreuzers waren mit der Situation nicht weniger überfordert als die Menschen an Bord der Morgenstern.

Das Lichtgewitter vor dem zentralen Fenster, das einen Flug durch den Hyperraum markierte, wich schlagartig dem vertrauten Anblick des Alls.

Menzel atmete unwillkürlich erleichtert auf. Der Sprung hatte nur wenige Sekunden gedauert und sie zurück ins Asteroidenfeld katapultiert. Die aufkeimende Beruhigung wich schlagartig grenzenlosem Schrecken, als Gesteinsbrocken von der Größe des Mount Everest unmittelbar auf ihrer Flugbahn auftauchten.

Menzel schreckte von seinem Kommandosessel hoch. Bevor er aber auch nur den Mund öffnen konnte, um einen entsprechenden Befehl zu erteilen, wich der Tarnkreuzer elegant nach steuerbord aus und entging damit der unausweichlich geglaubten Zerstörung.

Menzel warf der jungen Frau an der Navigation einen anerkennenden Blick zu. Diese bemerkte es gar nicht, da sie weiterhin damit beschäftigt war, Schiff und Besatzung vor einem schnellen Ende durch die umhertreibenden Trümmer zu bewahren.

Menzel setzte sich zurück auf seinen Stuhl. Er gönnte sich ein paar Augenblicke, um wieder frischen Atem zu schöpfen. Der Captain der Morgenstern konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal dermaßen erschlagen von der Last seines Kommandos gewesen war.

Er holte ein letztes Mal tief Luft – um sich gleich danach ins Gefecht zu stürzen. Menzel aktivierte die interne Kommunikation. »Commander Oglesby?«

»Ich höre, Skipper«, erfolgte prompt die Antwort der Chefingenieurin.

»Sorgen Sie dafür, dass sich die Besatzung der Nottingham nützlich macht. Wir haben genügend Lücken in unserer Personaldecke, die gestopft werden müssen. Alle, die keine qualifizierte Tätigkeit finden, sollen entweder dabei helfen, die Verletzten zu versorgen, oder bei den Reparaturen assistieren. Es gibt zu viel zu tun, als dass wir es uns leisten können, jemanden untätig auf seinem Arsch sitzen zu lassen.«

»Verstanden, Skipper.« Die Frau unterbrach die Verbindung und Menzel richtete sich auf.

»Wo sind wir jetzt?«

Die Navigatorin drehte sich mit ihrem Sessel schwungvoll um. Sie war relativ neu auf der Morgenstern. Menzel hatte sie – wie jedes neue Besatzungsmitglied – persönlich begrüßt. Aber nun fiel ihm ihr Name beim besten Willen nicht ein. »Nicht weit von der Stelle entfernt, wo wir die Thors Hammer und die Lightning zurückgelassen haben, Sir.«

»Irgendwelche Anzeichen der beiden Angriffskreuzer, Lieutenant?«

»Keine, Captain.«

Das waren richtig üble Neuigkeiten. Menzel musste vom Totalverlust beider Schiffe ausgehen.

»Es gibt aber auch kein Anzeichen von dem Jagdkreuzer, der ebenfalls in diesem Abschnitt unterwegs war«, wandte die Navigatorin hilfreich ein. Menzels düstere Gemütsverfassung war ihr nicht entgangen.

Er nickte geistesabwesend. »Halten Sie weiterhin die Augen offen. Falls es Überlebende auf unserer Seite gibt, dann müssen wir sie unbedingt finden.«

Der weibliche Lieutenant drehte sich wieder zu ihrer Station um. Menzels Verstand raste. Das Einsatzteam war an Bord des feindlichen Flaggschiffes gefangen. Nun galt es, die Vermissten zu finden und nach Möglichkeit zurückzuholen. Er hatte nur keine Vorstellung davon, wie er das anstellen sollte. Allein gegen ein halbes Dutzend Jagdkreuzer anzutreten, schien da wenig hilfreich. Es sei denn, man hatte Todessehnsucht.

Die Gestalt des taktischen Offiziers versteifte sich plötzlich. »Sensorkontakt«, bellte er. »Auf den Koordinaten fünf, drei, acht Komma neun zu eins, sieben, vier Komma null.«

Menzel war mit einem Mal hellwach. »Einer von uns?«

Commander Alfred Bauer zögerte ein paar Sekunden, während er die einkommenden Sensorergebnisse sichtete. »Feindkontakt. Hinradyjagdkreuzer, Entfernung bei dreihunderttausend Kilometern, schließt schnell auf.«

Menzel fluchte lautstark. »Wo kommt der denn her?«

»Ich orte Restsignaturen eines Hyperraumereignisses«, mischte sich die Navigatorin ein. »Er ist uns nachgesprungen. Gehört vermutlich zu den Neuankömmlingen.«

Für ein Schiff in einer solch prekären Lage gab es nur zwei Optionen: kämpfen oder rennen. Beides war nicht dazu angetan, Menzel zufriedenzustellen. Er rannte nicht gern vor dem Feind davon. Und kämpfen schien in ihrem Zustand auch nicht praktikabel. Die Morgenstern und ihre Besatzung hatten sich heute hervorragend geschlagen, aber Tatsache war, dass sie bereits geraume Zeit im Gefecht standen.

Sowohl Schiff als auch Crew benötigten dringend Erholung. Lange würden sie nicht mehr durchhalten. Ganz davon abgesehen, dass ihre Torpedovorräte nicht ausreichten, um ein ausgedehntes Gefecht gegen einen Jagdkreuzer zu bestreiten. Menzel sah allerdings keine Lösung, die an einem Kampf vorbeiführte. Er verzog unwillig die Miene.

»Lieutenant, beidrehen. Hundertachtzig-Grad-Wende. Wir nehmen das Gefecht auf.«

Der Hinradykommandant konnte es offenbar gar nicht abwarten, sich den Skalp eines republikanischen Captains an die Wand zu nageln. Der Jagdkreuzer beschleunigte weiterhin. In einigen halsbrecherischen Manövern wich das Kampfschiff mehreren Gesteinsbrocken aus. Dass es dabei nicht zu einer Kollision mit katastrophalem Ergebnis kam, grenzte an ein Wunder.

Menzel bleckte die Zähne, bereit, bis zum Äußersten zu gehen, um dem Gegner die erhoffte Trophäe zu verweigern. Mit einem knappen Nicken gab er der Navigatorin zu verstehen, zum Feind aufzuschließen.

Die Morgenstern nahm Fahrt auf, allerdings wesentlich gemäßigter als der Gegner. Die junge Offizierin ging bei der Bewältigung ihrer Aufgabe sehr umsichtig zu Werke. Bei der Annäherung an den Gegner nutzte sie die umhertreibenden Gesteinsbrocken oftmals als Deckung, um der zu erwartenden Attacke des Feindkreuzers auszuweichen und ihm eine klare Schusslinie zu verweigern.

»Energieanstieg in den vorderen Geschützen«, meldete der taktische Offizier.

Menzel nahm den Hinweis nickend zur Kenntnis. Die Navigatorin nutzte die Warnung und steuerte die Morgenstern zielsicher hinter einen der größeren Brocken. Keine Sekunde zu früh. Der Jagdkreuzer eröffnete mit seinen sechs nach vorne gerichteten Hauptgeschützen das Gefecht.

Die sechs Hochleistungsenergiestrahlen bohrten sich in das Trümmerstück. Zu Zeiten des Nefraltiri-Krieges hätte der Energiesturm lediglich ausgereicht, ein Loch in den Asteroiden zu brennen. Nun jedoch zersplitterte der Gesteinsbrocken und brach letztendlich in Dutzende Trümmer auseinander. Die Restenergie hinterließ sogar noch Brandspuren auf der Frontpanzerung des Tarnkreuzers. Offenbar hatten es die Hinrady fertiggebracht, den Energieausstoß ihrer Hauptbewaffnung zu erhöhen. Menzel notierte die Beobachtung in Gedanken. Die Flohteppiche steckten voller Überraschungen.

»Halten Sie drauf zu, Lieutenant …« Menzel stockte.

»Benkassi«, half die Navigatorin aus. Dass ihr kommandierender Offizier an ihren Namen erinnert werden musste, machte ihr anscheinend nichts aus. Sie gab mehr Energie auf den Antrieb und der Tarnkreuzer machte einen Satz nach vorn. Die Morgenstern pflügte durch den neu entstandenen Cluster von Gestein.

Für einen Moment erwog Menzel, seinen letzten verbliebenen Mammoth II zur Unterstützung auszuschleusen, entschied sich dann aber dagegen. Ein einzelner Jagdbomber würde in der vorliegenden Situation keine große Hilfe sein und er opferte keinen Piloten, wenn es nicht unumgänglich war.

Bauer und Benkassi bildeten ein wirklich gutes Team, obwohl die beiden noch gar nicht lange gemeinsam in der Brückencrew dienten. Die Navigatorin wich einem weiteren Angriff des Jagdkreuzers geschickt aus, während Bauer die Geschütze des Tarnkreuzers zum Leben erweckte.

Die Lichtwerfer brannten tiefe Schneisen entlang der Backbordbreitseite sowie der oberen Deckaufbauten in den Feindkreuzer. Das Hologramminterface blendete augenblicklich ein Schadensdiagramm und eine Prognose der zu erwartenden Beeinträchtigungen auf Menzels Iris. Derzufolge hatte der Jagdkreuzer zwei sekundäre und eine tertiäre Waffenstellung verloren sowie einen Teil der oberen Kommunikationsphalanx. Die Flohteppiche hatten zwar für den ersten Treffer gesorgt, aber Menzels Besatzung für den ersten schweren Schaden. Das war ermutigend.

Die Crew des Jagdkreuzers reagierte schnell und besonnen. Der Rumpf des Kampfschiffes rotierte neunzig Grad um die Längsachse und präsentierte der Morgenstern unbeschädigte Panzerung, gleichzeitig eröffneten mehrere Geschützstellungen das Feuer.

Das Metall ächzte protestierend. Auf dem Hologramminterface wurden mindestens acht neue Schadensmeldungen eingeblendet. Außerdem erreichten erste Verlustmeldungen die Brücke. Auf Deck drei war die Panzerung durchbrochen worden. Sieben Besatzungsmitglieder wurden als gefallen gemeldet und achtzehn weitere als vermisst. Die meisten von ihnen würden sich bestimmt alsbald ihren Kameraden auf der Verlustliste anschließen. Das All kannte keine Gnade und bot nur selten Hoffnung auf Überleben.

»Lieutenant Benkassi, die Nase um vierzig Grad runter. Bringen Sie uns unter ihn.«

Die Navigatorin nickte atemlos, hantierte mit ihrer Konsole aber ungebrochen versiert. Die Schnauze der Morgenstern senkte sich und der Tarnkreuzer schwang sich unter dem Kontrahenten hindurch.

Die Lichtwerfer feuerten so schnell, wie man sie wieder aufladen konnte. Sie zogen tiefe Furchen über die gegnerische Panzerung, ohne ins Innenleben vorzustoßen. Die Neuentwicklungen, die die Hinrady bei ihren Schiffsbauten vorzuweisen hatten, gingen Menzel langsam, aber sicher auf die Nerven.

Benkassi zog die Morgenstern in eine lang gezogene Kehre und erneut hinter einem Asteroiden. Der Jagdkreuzer vollführte eine Drehung auf engerem Raum, verzichtete jedoch darauf, dem republikanischen Kreuzer eine Salve hinterherzuschicken.

Menzels Schiff kam auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. Ein Lichtgewitter aus den vorderen Geschützen erhellte das All. Der Jagdkreuzer erlitt acht Treffer aus einer Salve von zehn. Ein sehr gutes Ergebnis, Bauer verstand sein Handwerk. Und dieses Mal verzeichnete die Schadensdiagnose sogar einen Durchbruch bei der Frontpanzerung. Drei Decks wurden zu großen Teilen verheert und zwei der Hauptgeschütze verstummten.

Der Tarnkreuzer wich nach backbord aus, um dem zu erwartenden Gegenangriff zu entgehen. Aber der Morgenstern kam der Zufall in die Quere. In ihre Flugbahn schob sich ein gewaltiges Trümmerstück und zwang Benkassi zum Umdenken. Der Tarnkreuzer schwenkte in die Gegenrichtung, um einer Kollision zu entgehen. Der Jagdkreuzer hingegen benötigte lediglich eine minimale Kurskorrektur, um die Morgenstern im Bereich seiner Hauptbewaffnung zu halten.

Vier Energiestrahlen trafen das republikanische Kampfschiff in der Backbordbreitseite. Das Licht auf der Brücke fiel schlagartig aus, wurde anschließend von der roten Notbeleuchtung ersetzt. Eine Vielzahl von Schadens- und Verlustmeldungen erreichten Menzel über das Hologramminterface. Die Schadenskontrolle kümmerte sich bereits um die dringlichsten Reparaturanfragen. Priorität besaßen Antrieb, Lebenserhaltung und Waffen.

Irgendwo hinter seinem Kommandosessel explodierte etwas und ein Feuer brach aus. Menzel sah sich nicht um. Zu fokussiert war er auf das Gefecht. Jemand eilte mit einem Feuerlöscher herbei und erstickte den Brandherd mit einer Decke aus Schaum.

Menzels Kiefer mahlten angestrengt. »Benkassi, halten Sie die Backbordseite aus seinem Feuerbereich heraus. Wenn er uns dort noch einmal erwischt, dann war’s das.«

Der Lieutenant an der Navigation antwortete nicht. Die Morgenstern jedoch schwenkte in die entgegengesetzte Richtung. Die Backbordbreitseite stellte nun einen entscheidenden Schwachpunkt dar. Fast siebzig Prozent ihrer Bewaffnung war auf absehbare Zeit ausgeschaltet und würde für den Verlauf dieses Kampfes keine Rolle mehr spielen.

Die Morgenstern schlug zurück, zunächst mit der Front- dann mit den Steuerbordwaffen. Der Jagdkreuzer zeigte nun Ermüdungserscheinungen. Der Gegenschlag fiel weniger gefährlich aus als erwartet. Sie mussten mehr Schaden angerichtet haben als angenommen. Benkassi gelang es, allen vom Feind ausgehenden Energiestrahlen auszuweichen. Der nächste republikanische Schlag zertrümmerte weite Teile der Bugpanzerung und hinterließ ein Geflecht an Rissen.

Der Jagdkreuzer zog über die Morgenstern hinweg. Die Navigatorin konnte es nicht verhindern. Das Ziel des gegnerischen Kommandanten war die stark in Mitleidenschaft gezogene Backbordseite.

Menzel knirschte erneut mit den Zähnen. In einer Zurschaustellung hervorragender navigatorischer Fähigkeiten drehte der Jagdkreuzer bei. Benkassi wandte ihm die Bauchpanzerung zu. Menzel zweifelte, dass diese einem weiteren Angriff standhalten würde.

Die Ladespulen der vier noch funktionsfähigen Hauptgeschütze glühten blau. Sie wären innerhalb der nächsten Sekunden feuerbereit. Menzels Hände verkrampften sich in die Lehnen seines Kommandosessels. Er wappnete sich für den unvermeidlichen Schlag, der vermutlich die Panzerung am Bauch der Morgenstern entweder komplett aufschmelzen oder sie sogar durchbrechen würde. Beide Möglichkeiten waren nicht gut und schränkten ihren Handlungsspielraum weiter ein.

In diesem Moment blühten ein Dutzend Explosionen an Steuerbord und über dem Heck des Jagdkreuzers auf. Der Antrieb versagte fast völlig. Die Energieleistung ließ zu fast sechzig Prozent nach.

Auf dem Hologramminterface tauchte ein weiteres Symbol auf. Im ersten Augenblick grau dargestellt, aber der Computer benötigte lediglich Sekunden zur Identifikation. Bauer hatte die benötigten Informationen nur unwesentlich später.

»Skipper, es ist die Thors Hammer.«

Menzel atmete vor Schock und freudigem Unglauben stoßweise aus. Der Angriffskreuzer brauste zwischen zwei Asteroiden heran, unablässig feuernd. Die Attacke von unerwarteter Seite riss die Panzerung des oberen Decks sowie des Bugs vollständig auf. Der Antrieb versagte endgültig.

»Commander Bauer«, versetzte Menzel mit hämisch verzogenen Mundwinkeln, »volle Breitseite aller noch funktionstüchtiger Energiewaffen!«

»Aye, Sir!«, kommentierte der designierte XO. Ihm war die Genugtuung anzuhören, die der Befehl in ihm auslöste.

Die Morgenstern schloss sich dem vernichtenden Ansturm der Thors Hammer an. Das Hinradykampfschiff saß im Kreuzfeuer zweier republikanischer Kriegsschiffe fest und beide Besatzungen hatten weder die Lust noch die Veranlassung, am heutigen Tag Gefangene zu machen. Drei Salven später detonierte der Jagdkreuzer mit der zerstörerischen Gewalt einer explodierenden Sonne. Dann endlich herrschte Stille.

»Geben sie mir Captain Kessler«, bat Menzel. Einen Moment später erschien das abgekämpfte Gesicht der Kommandantin des Angriffskreuzers als Bild-in-Bild-Projektion auf seinem Hologramminterface.

»Danke für die Hilfe. Das war knapp.«

Captain Bettina Kessler nickte ergeben. Ihr fehlten vor Erschöpfung die Worte.

»Die Lightning?«, erkundigte sich Menzel nach dem anderen Angriffskreuzer. Kessler schüttelte zur Antwort lediglich den Kopf.

»Ich verstehe«, entgegnete er. Die Lightning war also auch verloren. Dieser Tag forderte viel zu viele Opfer. Kessler fragte gar nicht erst nach dem Verbleib der Nottingham und ihres Ex-Mannes. Hätte der Schlachtkreuzer überlebt, dann wäre er zur Stelle gewesen.

»Geh mit deinem Schiff in Formation mit der Morgenstern«, forderte Menzel seine alte Freundin auf. »Wir haben noch eine Menge zu tun. Das Einsatzteam wird vermisst.« Seine nächsten Worte richtete er an Bauer. »Alle Sensoren auf volle Leistung. Wir müssen unbedingt erfahren, was dort draußen vor sich geht.«

* * *

Captain Tammy Rogers zwinkerte mehrmals verwirrt, in der Hoffnung, irgendetwas möge sich bitte am Anblick, der sich ihr bot, ändern. Alles blieb beim Alten. Sie waren immer noch gefangen in einem feindlichen Schiff und außerhalb breitete sich vor ihnen lediglich der leere Weltraum aus. Leer, wenn man von den Trümmern der Nottingham absah – und von fünf Jagdkreuzern, die das feindliche Flaggschiff mittlerweile eskortierten.

Captain Oskar Malossini drehte sich um. Der Körper des Mannes war angespannt wie eine Feder. Er war zum Kampf entschlossen. Tammy sah das differenzierter. Sie standen mit weniger als fünfundzwanzig Mann einem Schiff voller kampfhungriger Hinrady gegenüber. Wie umfangreich mochte die Besatzung eines Jagdkreuzers sein? Siebenhundert? Achthundert? Oder mehr? Es fiel ihr schwer, sich nicht der Niedergeschlagenheit zu ergeben.

»Wir kämpfen abwechselnd«, entschied Bishop nicht weniger kämpferisch als der Schattenlegionär. »Sie müssen durch ein Nadelöhr angreifen. Immer fünf von uns halten die Stellung. Der Rest ruht sich aus. Nach zwanzig Minuten wechseln wir.«

Der Kommandant der 18. Gardelegion lud sein Bolzengewehr durch. »Ich übernehme die erste Schicht. Wer noch?«

Augenblicklich traten die anwesenden Gardelegionäre geschlossen einen Schritt vor. Tammy hörte das Lächeln aus der Stimme des Colonels heraus. »Rodriguez, Bäumler, Chen und Williams«, suchte Bishop seine anfänglichen vier Mitstreiter aus.

Der Rest wirkte tatsächlich enttäuscht. Die meisten setzten sich. Zwei der Gardelegionäre brachten den immer noch bewusstlosen Ackland sowie Bakers Leiche in den hinteren Teil des Korridors – so weit weg wie möglich von den bevorstehenden Kämpfen. Der Sanitäter blieb bei ihnen.

Unterdessen bereiteten sich Bishop und die vier Gardelegionäre darauf vor, ihr Leben im Dienste der Gruppe in die Waagschale zu werfen. Tammy konnte nicht anders, sie bewunderte die Typen von der Garde. Das waren mutige Männer und Frauen. Wäre sie der Einundzwanzigsten nicht so verbunden gewesen, hätte sie sich auch freiwillig zur Garde gemeldet.

Sie schnaubte und warf einen weiteren Blick ins All. Wie es aussah, konnte sie sich Pläne für die Zukunft ersparen. Es erschien mehr als unwahrscheinlich, dass einer von ihnen lebend aus dieser Mausefalle entkam.

Die fünf Gardelegionäre gingen an dem zu verteidigenden Nadelöhr in Stellung – nichts geschah. Keine Front aus nach Blut geifernden Hinrady erstürmte den Korridor. Die Überlebenden des Einsatzteams warteten angespannt auf das Ende ihrer vom Pech verfolgten Mission.

Einer der Gardelegionäre drehte sich schließlich um. »Warum bringen die es nicht einfach hinter sich?«

Tammy zuckte mit den Achseln. »Die haben es nicht eilig. Wohin sollen wir schon gehen?« Sie stutzte und berührte eine der Wände mit ihrer Hand. »Spürt ihr das auch?«, wollte sie von ihren Begleitern wissen.

Oskar Malossini gesellte sich zu ihr. Seine Hand berührte die Wand unmittelbar neben ihrer. Er nickte. »Japp.«

»Dann bilde ich mir das Zittern nicht nur ein«, kommentierte sie seine Geste. »Sie testen den Antrieb. Die bereiten sich auf einen Sprung vor.«

»Mit uns an Bord?«, meinte Bishop. »Großartig. Der Tag wird ja wirklich besser und besser.«

»Wir müssen hier weg«, meinte Tammy. »Auf der Stelle!«

»Aber wohin?«, fragte Malossini.

Der Blick des weiblichen Captains zuckte zur Bresche hinaus, durch die sie den Jagdkreuzer geentert hatten. Bishops Stimme nahm einen gehetzten Tonfall an. »Das kann unmöglich Ihr Ernst sein.«

»Welche Alternative haben wir denn?«, versetzte die Offizierin ungerührt. »Ich wähle mein Schicksal selbst und gehe lieber dort draußen vor die Hunde, als mit den Hinrady irgendwohin zu springen, wo sie uns dann anschließend in Stücke reißen.«

Wie um ihre Worte zu unterstreichen, durchzog ein weiteres Rumoren den Rumpf des Schiffes. Dieses Mal so durchdringend, dass kein Mitglied des Angriffstrupps es ignorieren konnte.

Tammy wechselte einen langen Blick mit Bishop. Durch die Helme waren ihre jeweiligen Augen nicht zu sehen, aber sie wussten auch so, was im Kopf des anderen vor sich ging. Er nickte langsam und zögernd.

»Also schön«, gab er nach. »Dann wählen wir unser Ende also selbst.«

Nacheinander hangelten sich die Mitglieder des Entertrupps durch den Riss in der Außenhülle. Zu guter Letzt hievten sie den bewusstlosen Ackland sowie Bakers Leichnam ebenfalls hindurch. Die Männer und Frauen blieben abwartend stehen. Jeder hoffte, dass noch eine unvorhergesehene Wendung erfolgte, die ihnen den Sprung ins Ungewisse ersparte. Gleichzeitig war ihnen klar, dass hier lediglich der Wunsch der Vater des Gedankens war.

Tammy stieß sich als Erste vom Rumpf ab. Malossini folgte, dann nacheinander der Rest des Einsatzteams. Bishop ging als Letzter. Die Männer und Frauen blieben dicht beisammen. Je zwei Gardelegionäre klammerten sich an Ackland und den ermordeten Flottenadmiral. Quälend langsam entfernten sie sich vom Hinradyflaggschiff.