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Magdalena Wagner ist jung, schwanger und voller Angst vor der Reaktion ihres strengen Vaters. Um dem drohenden Skandal zu entgehen, flieht sie zu ihrer Tante, wo sie die Schwangerschaft verbring, zur Entbindung aber nach Hause fährt und einen gesunden Jungen zur Welt bringt. Doch das Schicksal nimmt eine dramatische Wendung: Magdalena überlässt ihr Kind einer Familie, die in derselben Nacht ihr eigenes Baby verloren hat. Zurück zu Hause gerät sie in einen Strudel aus Machtkämpfen und familiären Erwartungen. Ihr Vater will sie mit aller Kraft verheiraten – doch nicht aus Liebe, sondern um den Hof zu sichern. Magdalena steht vor einer unvorstellbaren Entscheidung, während ihr düsteres Geheimnis auf ihrer Seele liegt. Kann sie ihren eigenen Weg finden, oder wird sie den Wünschen ihres Vaters erliegen? Wird das Geheimnis ihr Leben für immer verändern? Ein packender Roman über Mut, Liebe und die Schatten der Vergangenheit.
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Seitenzahl: 319
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Das Geständnis
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Urheberrechtlich geschütztes Material
Inhaltsverzeichnis
1981
MAGDALENA
15. April 1959
16. April 1959
Juli 1959
Oktober 1959
November 1959
Dezember 1959
April 1961
Mai 1962
März 1963
Sommer 1965
Mai 1967
Herbst 1967
Weihnachten 1967
Hauser Georg
1968
1969
1970 - 1973
1977
1978 - 1979
1981
Wagner Franz
01.09.1981
Ende gut, …
Nachtrag:
Das Geständnis
1981
„Nein! Das geht nicht, und das kann nicht sein!“, sagte Magdalena durch die Zähne pressend, damit sie keiner hört.
Katharina Weiser war wieder einmal gekommen und erzählte ihr etwas Neues von der Familie Meister, das nicht sein durfte und sollte. Sie überbrachte ihr oft Nachrichten. Denn sie hörte viel und kam viel rum. An das hatte sie damals nicht gedacht, dass so etwas kommen könnte. Jetzt mussten sie ihr Schweigen brechen. Damit nicht noch etwas Schlimmeres passiert.
„Geh hin und lade alle für nächsten Sonntag zu mir hierher ein. Sie werden zwar alle verwundert sein, aber es muss ein jeder kommen. Zum Priester gehe ich. Er muss auch kommen. Es wird keinem gefallen, aber es muss jetzt sein. Natürlich musst du auch anwesend sein. Wenn sie fragen, wieso? Gib ihnen keine Antwort und sage nur, das werden sie schon erfahren.“
***
Als Katharina gegangen war, gingen ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit. Sie kannte Katharina schon lange, aber ihre Freundschaft begann langsam. Es werden jetzt 22 Jahre, dass sie sich persönlich kennengelernt haben. Ein Schwur und ein Geheimnis verbinden Magdalena mit Katharina. Damals war sie noch blutjung, 20 Jahre. Und total verliebt in einen jungen Mann, der es nicht ehrlich mit ihr meinte. Als sie von seiner Verlobung mit einer anderen hörte, die Haus und Hof bekam, fuhr sie zu ihrer Tante nach Wien für ein halbes Jahr. Sie hätte nur eine Mitgift bekommen, denn ihr Bruder war ja vorgesehen, dass er Haus und Hof bekommt. Doch leider verliebte sich ihr Bruder in ein Mädchen aus dem Nachbarort, das selber den Hof bekam. Den Eltern gefiel das nicht besonders. Doch sie war ja noch da. Aber die Eltern warteten vergebens, dass sie sich einen Bauernburschen suchte oder nahm, der den Hof weiterführte. Auch versuchten sie Magdalena zu verkuppeln. Alle Verkupplungsversuche scheiterten. Sie wollte keinen Mann, und wenn, dann musste es sie wie einen Blitz treffen. Ihr Vater wartete immer noch, dass ihr Bruder wieder zurückkommt. Magdalena sah nicht schlecht aus. Ihre dunkelblonden Haare, die im Sommer durch die Arbeit auf dem Feld, immer etwas heller wurden, hatte sie meistens zusammengebunden zu einem Pferdeschwanz oder hochgesteckt. Ihr Gesicht war oval und um ihre Augen lag ein trauriger Schatten. Den keiner deuten konnte, nur sie und Katharina wussten darüber Bescheid. Ihre Figur war fraulicher geworden und Rundungen dort wo sie sein sollten. Ihre Augen waren grün mit einem leichten Braunschimmer.
Nach dem Tod ihrer Eltern, die nacheinander gestorben waren, bekam sie mit 38 Jahren den Hof. Sie war ein Nachzügler. Ihre Mutter bekam sie im Alter von 37 Jahren. Ihr Vater war 40. Da war ihr Bruder schon 10 Jahre alt. Die Eltern freuten sich, doch noch ein Kind bekommen zu haben.
Sie baute die Milchwirtschaft weiter aus, baute Zimmer an für Pensionsgäste. Ihr Plan ging auf.
***
Magdalena stand in ihrem Büro und wartete bis alle anwesend waren. Sie hörte sie schon reden, was denn das soll und wieso der auch hier war usw. Dann kam Georg und sagte, dass jetzt alle anwesend waren. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und ging mit Georg ins Wohnzimmer. Sie hatten noch einige Sessel aufstellen müssen damit ein jeder Platz hatte. Georg blieb bei der Tür stehen und wartete. Er wusste schon worum es ging. Magdalena hatte ihm alles an ihrem Hochzeitstag gebeichtet. Dadurch verstand er sie umso besser.
Es waren auch wirklich alle gekommen. Ihr Bruder Franz saß mit Gattin und Sohn links außen vom Tisch. Danach saß Karl, ihr Exfreund, mit Gattin und Tochter Sissi. Sie und Johannes hätte ihren Blicken nach lieber bei Johannes sitzen wollen. Doch danach saßen Maria und Johann. Die beiden Paare wussten nicht, was das sollte. Aber das sollte heute ein jeder erfahren. Vorm Tisch saß Johannes, daneben der Priester und Katharina stand lieber auch an der Tür. Bereit zur Flucht oder um die aufzuhalten, die flüchten wollen.
„Ich dachte, das wird eine Familiensitzung. Was sollen all die Leute hier?“, fragte ein mürrischer Bruder.
„Das wirst du schon noch früh genug erfahren“, erwiderte sie ihm.
Dann wandte sie sich an die anderen.
„Danke, dass ihr meiner Aufforderung nachgekommen und alle erschienen seid. Was das hier soll, werdet ihr euch fragen. Das kläre ich heute auf. Es muss sein und ich hatte gehofft, es nie tun zu müssen. Aber bevor ein Unglück geschieht, muss ich mit der Wahrheit rausrücken. Und alles, was jetzt hier besprochen wird, bleibt unter uns!“, sagte sie noch mit Nachdruck….
Nachdem die Bombe geplatzt war, sie sich wieder erholt hatte und auch die andere Neuigkeit offenbart war, gingen alle nach Hause. Magdalena stand am Fenster und ihre Gedanken gingen 22 Jahre zurück.
MAGDALENA
1958
Ich stehe am Fenster und sehe in die aufkommende Dunkelheit. Heute war der 15. April 1981. Meine Gedanken gehen 22 Jahre zurück in die Vergangenheit. Heute vor 22 Jahren habe ich einem gesunden Jungen das Leben geschenkt. Doch ich hatte keinen Mann und keinen Vater für das Kind. Ich war nur eine Gespielin für ihn gewesen. Als ich es ihm erzählen wollte, hörte ich, dass er sich mit Valerie Pusch verlobt hatte. Das brach mir das Herz. Diese Valerie war reich, wunderschön und er bekam den Hof noch dazu. Valerie war das einzige Kind. Ich selber war nur die Tochter des Hauses und mein Bruder würde das meiste bekommen. Ich würde eine Abfindung erhalten und dann wegziehen. Zu meinem Mann, aber zu welchem, wenn ich keinen vorweisen kann. Aber was sollte ich jetzt machen? Ein gefallenes Mädchen mit einem unehelichen Kind wollte keiner. Meinen Eltern konnte ich es unmöglich erzählen und bald würde man es auch sehen, dass ich in anderen Umständen war. Tante Cäcilia fiel mir ein. Mein Vater hat kaum Kontakt zu ihr. Nur wenn es um ihren Acker- und Wiesengrund geht, der in ihrem Besitz ist und sie an ihn verpachtet hat. Das wurmte ihn immer sehr, dass sie auch Pacht verlangte. Sie könnte ihm ihren Grund auch kostenlos überlassen. Aber sie sagte immer: „Strenge Rechnung - gute Freunde“. Das passte meinem Vater überhaupt nicht. Tante Cäcilie hatte die besten Gründe von ihren Eltern bekommen. Damit sie auch einen guten Mann mal abbekommt. Aber wieso sie nie geheiratet hat, wusste ich bis heute nicht.
Wenn sie mal gekommen war, brachte sie mir immer etwas mit. Das letzte Mal, als sie hier war, gab sie mir ihre Telefonnummer.
„Wenn du in Not bist, kannst du mich dort erreichen.“
Das war, als ich 16 Jahre alt war. Wieso wusste sie das oder kannte sie ihren Bruder nur zu gut? Ich suchte rasch diese Nummer. Diese hatte ich unter meinen Papieren versteckt. Es war zurzeit keiner zu Hause, also konnte ich in Ruhe telefonieren.
„Feinstickerei Wagner“, meldete sich am Ende der Leitung eine Frau.
Aber es war nicht Tante Cäcilie.
„Könnte ich bitte Frau Wagner Cäcilie sprechen?“, fragte ich zögerlich, unsicher ob ich auch die richtige Nummer hatte.
„Wer sind Sie und was wollen Sie?“, fragte diese Frau etwas schnippisch.
„Ich bin die Nichte von Frau Wagner.“
Man hörte etwas zischen und dann hörte ich die bekannte resolute Stimme von Tante Cäcilie.
„Hallo mein Kindchen! Schön von dir zu hören. Was ist der Grund deines Anrufes?“
„Könnte ich das persönlich mit dir besprechen?“
„So schlimm? Natürlich kannst du kommen. Ich gebe dir sofort meine Adresse. Kommst du mit dem Bus oder per Zug?“
„Mit dem Bus. Ich werde morgen sofort den ersten Bus um 7 Uhr nehmen. Dann bin ich so gegen 11 Uhr in Wien.“
„Gut mein Mädchen. Bis morgen“, und schon legte sie auf.
Sie fragte auch gar nicht nach, wieso ich kommen wollte. Meinen Eltern sagte ich, dass ich zu einer Freundin übers Wochenende fahre. Sie hatten nichts dagegen und merkten auch am nächsten Morgen nicht, dass ich mit einem großen Koffer abreiste, da sie im Stall noch zu tun hatten. Es war November, eisig kalt und ich sah auch nicht mehr zurück. Ich würde einige Zeit nicht nach Hause kommen. Wie ich das anstellen würde und aus welchem Grund, wusste ich jetzt noch nicht. Das würde sich alles zeigen Die Wahrheit konnte ich unmöglich sagen.
An der Busstation wartete schon Tante Cäcilie auf mich. Mit einem Rollwagen. Sie war noch sehr rüstig und nicht wie Vater immer erzählte, zerbrechlich und krank. Sie war erst 55 Jahre und hielte noch mit jedem meiner Schritte mit. Sie war noch immer schlank. Mutter war mit den Jahren schon in die Breite gegangen und hatte schon graue Strähnen im Haar. Die sie immer zu einem Knoten band. Tante Cäcilie hatte ihre Haare wie es Mode war, eine Dauerwelle und kurz. Ihre Haare waren immer noch braun.
Wie konnte sie wissen, dass ich einen großen Koffer mithatte? Ich wurde von meiner Tante herzlich umarmt. Das kannte ich gar nicht. Mal ein Streicheln über die Haare, vielleicht ein Schulterklopfen. Das war alles, was ich von meinen Eltern bekam. Mit meinem Bruder stritt ich öfter. Da war auch nicht viel Herzliches. Tante Cäcilie stellte den Koffer auf den Wagen, hängte sich bei mir ein und schon ging es Richtung Tante Cäcilies Wohnung. Unterwegs erzählte mir Tante etwas über einige Häuser und übrig gebliebene Denkmäler, an denen wir vorbei gingen, die nicht vom Krieg zerstört wurden. Dann kamen wir bei ihr an. Sie hatte eine schöne geräumige Erdgeschoßwohnung. Nicht wie Vater immer behauptet hatte, sie würde in einer Zwei-Zimmer-Wohnung hausen, in der man sich nicht einmal umdrehen konnte. Dabei war er noch nie hier. Sie hatte ein schönes großes Wohnzimmer, eine schöne, wenn auch kleine Küche, zwei Schlafzimmer, Bad und WC.
Wir mussten daheim immer noch raus gehen auf das WC, zum Plumpsklo! Ich war wie im siebenten Himmel. Nicht schnell meine Sache verrichten und dann wieder aufwärmen in die Küche. Danach spülte man alles mit Wasser weg. Nicht zweimal im Jahr den ganzen Mist ausräumen müssen. Und man putzte sich auch nicht mit Zeitungspapier den Arsch aus, sondern mit weichem Papier von einer Rolle.
Als wir gestärkt waren, Tante Cäcilie hatte meine Lieblingsspeise gekocht, die zufällig auch die ihre ist, fragte sie dann natürlich, wieso ich hier bin.
„Ich bin schwanger“, platzte ich sofort raus.
Ich wusste, sie würde mich nicht beschimpfen, wie ich so etwas machen kann und diese Schande … Wie meine Eltern sicher angefangen hätten.
„Und wer ist der Vater? Weiß er es?“, fragte sie zuerst einmal ruhig.
„Er weiß nichts davon. Ich habe es erst diese Woche erfahren, dass ich schwanger bin. War bei einem Arzt in der Stadt. Denn unsere Sprechstundenhilfe, plaudert sicher alles aus. Und er hat sich mit Valerie Pusch verlobt. Die bekommt ja auch Haus und Hof. Und nicht wie ich nur eine kleine Mitgift. Ich dachte dann zuerst an dich, dass du mal gesagt hast, wenn ich Probleme habe, kann ich zu dir kommen. Und jetzt bin ich da.“
„Und deine Eltern?“, fragte sie leise und sorgenvoll.
„Die wissen von nichts. Darum bin ich hier. Kannst du mir helfen oder einen Rat geben?“
„So wie ich deinen Vater kenne, brüllt er zuerst, bevor er überlegt und deine Mutter wird nur heulen wegen der Schande. Uns wird schon etwas einfallen. Jetzt machen wir uns kein Kopfzerbrechen. Du bist erst angekommen und bis Sonntagabend wird uns schon etwas einfallen für deine Eltern. Ich schick dich sicher nicht zurück, außer du willst es selber.“
„Nein sicher nicht“, sagte ich sofort sorgenvoll, „Ich kann Mutter nicht in die Augen sehen und Vaters zorniges Gesicht will ich nicht sehen.“
„Gut, dann hat sich das erledigt.“
Nach einer kurzen Pause sagte Tante Cäcilie: „So jetzt muss ich noch nach meinen Damen sehen. Auch wenn sie immer brav arbeiten, kontrollieren muss ich sie trotzdem.“
„Damen? Arbeiten? Kontrollieren?“, fragte ich verwirrt.
Sie sah mich kurz an und fing dann an zu lächeln.
„Was du jetzt siehst, erzähle bitte niemandem. Schon gar nicht deinen Eltern. Du weißt ja was sie glauben. Und das sollen sie weiter glauben. Dass ich nur eine kleine Wohnung habe, mich von Resten ernähre und bei anderen putze. Ja, hatte ich früher gemacht. Bis ich Herta Ritter kennen gelernt hatte. Für sie putze ich auch. Sie bezahlte sogar mehr als die anderen. Sie hatte ein kleines gutgehendes Geschäft, dass ich ihr abkaufte, Pensionsrente nennt sich das. So lange sie lebte zahlte ich ihr eine Pension, dafür gehört hinterher die Firma mir. Sie hatte keine Kinder und war froh jemanden gefunden zu haben, der sich für die Firma interessierte. Und sie auch so liebt wie sie. Und das war ich. Seit einem Jahr gehört die Firma mir. Da ist sie gestorben. Eigentlich gehört sie mir schon über 20 Jahre. Also bin ich eine Geschäftsfrau. Und jetzt zeige ich dir mein kleines Kleinod.“
Wir standen auf und ich dachte, wir müssen jetzt weit gehen. Doch wir gingen nur bei der Eingangstür der Wohnung hinaus und vis á-vis bei der Tür hinein. Mich wunderte es, dass wir keinen Mantel brauchten. Dort saßen 5 Frauen, lachten und schäkerten miteinander.
„Hallo meine Damen. Darf ich euch meine Nichte Magdalena vorstellen?“
„Hallo!“, sagten sie alle nacheinander.
„Wie sieht es aus. Wie weit seid ihr gekommen, während ich ein nettes Pläuschchen mit meiner Nichte geführt habe.“
„So wie immer. Nichts getan und viel gelacht“, sagte eine etwas ältere Frau, die gleich rechts saß.
„Miriam vorlaut wie immer und die Anführerin der Nähdamen“, erwiderte Tante Cäcilie und lachte dabei.
Dann besah sie sich nacheinander ihre Arbeiten und lobte sie, aber kritisierte auch wenn etwas nicht so gut war.
„So jetzt stelle ich dir auch meine Damen vor. Zuerst musste ich sie mal kontrollieren. Die vorlaute da drüben ist Miriam, aber auch meine beste Näherin. Neben ihr sitzt Carmen. Sie ist fast so gut wie Miriam. Aber dafür restauriert sie am liebsten Fahnen oder Messgewänder. Hier im Eck versteckt sich immer Ariane. Sie stickt gerne Tischtücher. Und die zwei Mädels hinter uns sind Cleo und Patra. Sie machen alles.“
Ich sah sie verwirrt an.
„Cleo und Patra? Du meinst wohl Cleopatra?“
„Ja fast. Sie teilen sich diesen Namen. Jeder hat hier einen anderen Namen. Die echten waren uns zu fad. Ich heiße Lady Chatterley“, erklärte mir meine Tante.
Ich war überrascht. Über alles. Das meine Tante „nicht putzen“ ging, dass sie ein Geschäft hatte und die Frauen alle anders hießen als in Wirklichkeit.
„Und willst du auch zu uns stoßen? Wir könnten noch jemanden in unserer Gemeinschaft brauchen. Carmen würde Hilfe brauchen. Wir haben mehr Fahnen und Messgewänder zum Herrichten als wir schaffen können.“
„Ich weiß nicht“, sagte ich zögerlich, „hab mich noch nicht richtig im Nähen und sticken probiert. In der Hauswirtschaftsschule war ich zwar gut, aber da haben wir nur Kleider genäht.“
„Wie lange bleibst du überhaupt hier?“, fragte Carmen gleich.
„Weiß noch nicht. Bin doch erst angekommen.“
„Eigentlich passt du gar nicht in unsere Gruppe. Wir sind hier alles ledige, verwitwete oder verlassene Frauen. Hat dir das deine Tante nicht gesagt?“, fragte auch schon Miriam.
„Miriam! So weit bin ich noch nicht!“
Aber da war es auch schon zu spät. Schon stürzten von der anderen Seite Kinder durch die Tür. Sie riefen, Oma, Mama, Mami usw. Und liefen zu ihren Müttern. Ich starrte alle nur an.
„Wo sind die jetzt alle hergekommen?“
„Delila hat sie von der Schule abgeholt. Meistens passt sie nachmittags auf sie auf und wenn sie nebenbei Zeit hat, hilft sie auch beim Nähen“, erklärte Tante Cäcilie mir.
„Wir haben alle keine Männer. Entweder sind sie gestorben, wie meiner oder einfach abgehauen, weil sie sich nicht um Kinder und Frau kümmern wollten. Oder sie haben eine bessere, reichere gefunden. Aber dazu gehörst du nicht. Du bist keine ledige Mutter.“
Automatisch hielt ich mir die Hände vor den Bauch. Miriam sah mich von oben bis unten und dann von mir zu Tante Cäcilie.
„Du bist schwanger!“, rief sie aus, „Darum bist du hier! Stimmt es Lady Chatterley?“
Ich war ertappt geworden, aber wie? Wir sagten doch gar nichts.
„Wieso weißt du es? Ich habe es erst vorhin Tante Cäcilie gesagt!“
„Wir kennen alle die ungewollten Gesten einer schwangeren Frau. Hände schützend vor den Bauch. Das ungewollte leuchten in den Augen. Und vielleicht auch Übelkeit bei schlechten Gerüchen?“
„Also passt sie zu uns. Na dann sollten wir sie gleich in unserer Mitte aufnehmen. Nur musst du dir auch einen anderen Namen zulegen.“
Schon stand Miriam auf und umarmte mich und hieß mich in der Gruppe willkommen. Auch die anderen begrüßten mich herzlich in der Runde. Vor lauter Rührung fing ich an zu heulen. So etwas war ich nicht gewohnt. Miriam wischte mir die Tränen weg und meinte: „So sensibel bist du in der Schwangerschaft?“
„Keine Ahnung. Ich weiß es erst ein paar Tage. Mein Freund, falls er überhaupt mein Freund war, hat sich mit einer anderen verlobt. Er weiß es nicht einmal, dass er Vater wird. Und er wird es auch nicht erfahren. Meine Eltern wissen auch nicht Bescheid. Vater würde mich rausschmeißen und Mutter würde mit der Schande nicht leben können. Da fiel mir nur mehr Tante Cäcilie ein. Aber dass sie hier ein Geschäft hat, weiß keiner. Sie hat es keinem verraten, obwohl Vater sie immer schlecht macht“, erzählte ich ihnen.
Sie waren alle so nett zu mir, da konnte ich nicht anders.
„Er ist wie unser Vater. Stur bis zum Letzten. Auch wenn ich es ihm erzähle. Er würde es nie und nimmer glauben. Eine Frau kann so etwas nicht! Die soll hinterm Herd bleiben und Kinder hüten und brav in die Kirche gehen. Aber dass Frauen auch ihren Mann stehen müssen, das sieht er nicht. Hier in der großen Stadt gehen die Uhren anders. Also bist du hier auch geschützt. Und jetzt kann ich dir ja meinen Plan verraten. Ich dachte mir schon, dass etwas passiert sein musste, ansonsten hättest du dich nicht bei mir gemeldet. Aber dass du auch schwanger bist, das ahnte ich gar nicht. Wenn du willst kannst du hier von den anderen das Sticken, Nähen und Restaurieren lernen. Deinen Eltern sagst du, dass du von einer Freundin für ein halbes Jahr ihre Schulung zur Näherin übernimmst, da sie Familiär bedingt ausfällt. Da schon alles bezahlt ist und sie das Geld nicht zurückbekommt. Somit wäre das auch geklärt“, teilte sie mir ihr Vorhaben mit.
Das ging doch schneller als ich mir denken habe können. Wir ließen ihre Damen wieder alleine und gingen in ihre Wohnung zurück.
„Ich bewundere dich. Wie hast du das alles geschafft. Und das alleine, oder zumindest ohne einen Mann.“
Ich sah sie nur bewundernd an.
„Glaubst du nicht, dass dich mein Vater dann nicht anders sehen würde?“
„Nein ganz sicher nicht. So und jetzt zeige ich dir wo du in nächster Zeit schlafen wirst. Dann zeige ich dir noch ein bisschen Wien, wir machen uns etwas zum Abendessen und dann wird es auch schon Zeit zum Schlafen gehen. Morgen heißt es dann wieder früh raus und ran ans Werk.“
So machten wir es dann auch. Da ich die letzte Nacht nicht gut geschlafen hatte, schlief ich diesmal wie ein Murmeltier. Zur gewohnten Zeit um 6 Uhr wurde ich wach. Tante wollte mich gerade aufwecken.
„Guten Morgen Tante Cäcilie“, sagte ich schon bevor sie mich noch wecken konnte.
„Da ist ja eine schon wach. Und ich dachte ich muss dich erst aufwecken.“
„Tante Cäcilie! Zu Hause muss ich ja auch schon immer so früh raus und die Hühner rauslassen und füttern. Die Schweine füttern und dann das Frühstück machen. Vater will doch immer um 8 Uhr sein Frühstück haben. Er sagt, das war schon immer so.“
Jetzt sah mich Tante verwundert an.
„Und ich dachte, seine Tochter muss das nicht machen. Weil ich das bei unseren Eltern auch habe machen müssen. Seine Tochter muss das nicht machen. Die darf so lange schlafen wie sie will! Sie ist ja keine Magd! Hat er früher immer gesagt. Also ist er doch wie Vater geworden.“
„Ja, wenn du meinst, dass er dich schon anbrüllt, wenn du eine Minute später runterkommst, das Essen nicht pünktlich auf dem Tisch steht. Ja dann ist er wie Großvater.“
Tante Cäcilie schüttelte nur den Kopf.
„Wie der Vater so der Sohn. Da schlagen wir Töchter in eine andere Richtung. Na komm lass uns nicht von diesen alten Granteln reden, sondern, machen wir etwas Produktives.“
Ich war schon aufgestanden und habe mich während des Gesprächs angezogen. Wir gingen in die Küche und machten gemeinsam das Frühstück. Dann gingen wir wieder in den Arbeitsraum.
„Kommen heute deine Nähdamen auch?“
„Ja, teilweise. So wie sie Zeit haben. Keine hat Fixzeiten. Jede kommt und arbeitet wie sie kann. Die Kinder sind vormittags bis zum frühen Nachmittag in der Schule. Delila holt sie immer ab. Bringt sie hierher oder begleitet sie nach Hause. Die Frauen wechseln sich beim Kochen ab. Delila kommt immer von hinten rein. Dann muss sie nicht mit der Horde Kinder durch das Geschäft. Dort gibt es eine Küche und einen Aufenthaltsraum, wo die Kinder essen können und ihre Hausaufgaben erledigen. Danach dürfen sie zu ihren Müttern. Entweder bleiben sie noch oder gehen mit ihren Müttern nach Hause. Je nachdem was sie noch machen müssen. Samstag ist immer unterschiedlich. Da müssen nicht alle kommen. Das Geschäft schaffe ich da auch alleine.“
„Geschäft?“
„Na glaubst du wo wir das alles verkaufen. Es gibt auch Aufträge wie die Fahnen und Messgewänder. Tischtücher und dergleichen machen wir so und verkaufen es. Auch nähen wir auf Wunsch Vorhänge. Komm mit. Ich zeige dir den Laden.“
Wir gingen bei der Tür rechts von uns durch. Als wir im Laden standen, war ich überrascht. Dort lagen in den Regalen Tischtücher, Tischläufer, Tischdeckchen und auch Vorhänge hingen auf einem Ständer als Vorlage. Ich sah mir alles an und war verwundert.
„Und das verkaufst du alles?“
„Ja. Und einiges wird auch auf Wunsch angefertigt. Natürlich für Leute die noch Geld haben oder durch den Krieg reich geworden waren. Von den Arbeitern wirst du kaum Geld bekommen. So habe ich mich die letzten Jahre durchgeschlagen.“
„Aber von dem wirst du doch nicht leben können. Du musst ja noch die Frauen bezahlen.“
„Nein, nicht ganz. Es würde sich nur knapp ausgehen. Aber ich habe hier nicht nur die Wohnung, sondern das ganze Haus gehört mir. Alles von Frau Ritter geerbt. Also bekomme ich von den Wohnungen auch noch Miete. Da kann man dann schon etwas besser leben. So genug gesprochen. Jetzt geht es an die Arbeit!“
Wir gingen wieder zurück und Tante Cäcilie zeigte mir zuerst ein paar normale Stiche fürs Sticken auf einem Probestoff. Das klappte bald sehr gut. Dann zeigte sie mir wie die Lochstickerei funktionierte. Das gefiel mir sehr gut. Überaus gut.
Schön langsam bekam ich den Dreh raus. Tante Cäcilie lobte mich sogar. Überhaupt, weil ich es so schnell gelernt hatte. Das war ich gar nicht gewohnt. Ich wurde sogar rot.
„Du musst deswegen nicht rot werden. Lobt dich deine Mutter nie?“
„Nein. Wieso sollte sie auch. So etwas ist doch normal, dass man das kann, als Frau. Nähen, stricken, kochen, was ich übrigens nicht so gerne mag. Das Haus putze ich gerne. Nur nicht, wenn Vater dann gerade wieder herein poltert und ich gerade fertig geworden bin.
„Na dann putzt du halt wieder! Zu was habe ich dich dann!“, sind dann oft seine Worte. Die tun dann weh. Er hätte draußen die Schuhe auch ausziehen können und nur mit Socken oder seinen Hausschuhen rein gehen können. Ich hätte sie ihm sogar geholt.“
Ich war wieder traurig geworden. Das schmerzte immer wieder, dass er mich behandelte wie eine Magd und nicht wie seine Tochter. Mochte er mich nicht? Ja, alles was Franz machte war gut, auch wenn es in meinen Augen ein Blödsinn war. Er durfte sogar Fehler machen und Vater tadelte ihn nicht. Das gehört zum Lernen dazu. Und ich? Wenn ich, auch wenn es nur so ein winzig kleiner Fehler war, wurde ich schon geschimpft. Das würde ich bei meinem Kind nicht tun. Ich würde es ihm erklären, damit er es versteht. Oder sie. Tante streichelte mir übers Haar.
„Mach dir nichts draus. Väter sind leider so zu ihren Töchtern. Weil sie glauben sie so zu beschützen, aber das nützt gar nichts. Und jetzt machen wir weiter.“
Dann fiel ihr noch etwas ein. Sah auf die Uhr und sagte: „Ich muss ja den Laden noch aufsperren.“
Damit ging sie wieder zurück in den Laden. Ich hörte sie rumoren. Dann ging eine Glocke und hörte Tante mit jemandem sprechen. Sie unterhielten sich über die Tischtücher. Die Kundin konnte sich anscheinend nicht entscheiden, welches sie nehmen sollte. Ich war neugierig geworden und ging auch in den Laden. In der Tür blieb ich stehen und sah ihnen zu wie sie diskutierten. Entweder wollte sie sich nicht entscheiden oder den Preis drücken, weil sie ständig etwas auszusetzen hatte. Aber an ihrer Kleidung sah man, dass sie sich einiges leisten konnte. Sie war sicher nicht „arm“. Die Tischtücher waren alle in einwandfreiem Zustand. Die Frauen gaben ihr Bestes. Das hatte ich schon gesehen und ich wollte auch so gut werden.
„Wenn es Ihnen nicht gefällt, warum feilschen sie so um den Preis. Die Tischtücher sind alle handgemacht und keines mit der Maschine. Es ist beste Ware.“
Beide sahen mich überrascht an. Ich hasste so etwas, wenn man um etwas feilschte, das seinen Wert hatte und die Leute es noch runter machen wollten, um es billiger zu kaufen. Aber die ganze Arbeit und das Herzblut konnten sie nicht sehen. Oder wollten es nicht sehen und selber keinen Nadelstich hinbekommen. Tante schlug auch sofort in diese Kerbe ein.
„Meine Frauen sitzen lange daran um so etwas so gut hinzubekommen und das alles ohne Fehler. Sonst müssen sie es noch einmal auftrennen und noch einmal machen. Es muss zu 100 Prozent passen. Ansonsten gebe ich es nicht in den Verkauf.“
„Ach was! Sie haben ja lauter ledige Frauen mit unehelichen Kindern, die das machen. Denen werden Sie nicht so viel bezahlen. Die werden froh sein, wenn sie ein Taschengeld davon bekommen. Und bist du auch eine davon?“
Jetzt wurde Tante aber böse.
„Nein, das ist meine Nichte und die ist auf Besuch bei mir. Meine „Damen“ können nähen. Und sehr gut sogar und sie bekommen das was ihnen zusteht. Eigentlich müsste ich das Tischtuch doppelt so teuer verkaufen, damit sie das auch wirklich bekommen was sie leisten. Aber leider kauft dann kaum einer die Ware, weil sie zu teuer würde. Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie ja zur Konkurrenz gehen. Dort bekommen Sie es billiger, doch so schön gearbeitete Tischtücher bekommen Sie dort nicht.“
Jetzt war die Frau beleidigt und zog ohne Gruß ab.
„Danke. Das war schon lange fällig. So eine blöde Gans! Ich konnte sie noch nie leiden. Aber hin und wieder kaufte sie etwas und schickte auch andere Frauen her. Aber jede wollte die Ware um die Hälfte billiger. Haben wir einen Ausverkauf? Wo man die Sachen billiger bekommt?“
Tante ließ jetzt auch ihren Unmut freien Lauf.
„Danke, dass du mir einen kleinen Stoß gegeben hast. Da ich Unterstützung hatte, traute ich es ihr auch sagen. So alleine wäre ich auf weiter Flur gestanden. Und sie hätte mit mir gestritten. Das kann sie immer gut und auf meine Frauen lasse ich nichts kommen. Auch wenn sie alle ledig mit unehelichen Kindern sind. Sie arbeiten viel besser als verheiratete Frauen. Die müssen nämlich immer pünktlich zu Hause sein, wegen ihren Männern. Denn die wollen dann ihr essen auf dem Tisch stehen haben. Das Problem hatten wir am Anfang. Aber als ich ledige Mütter einstellte und dazu noch die Nachmittagsbetreuung organisierte, arbeiten sie mit doppeltem Eifer. Sie brauchen dafür nichts zu bezahlen. Und sie sind eine Sorge weniger los. Und wenn sie Zeit und Lust haben, kommen sie auch samstags und sogar am Sonntag. Und auf dich lasse ich dreimal nichts kommen. Die kann mich mal. Sollte sie noch einmal kommen, setze ich sogar den Preis höher an.“
Tante Cäcilie räumte noch alles auf und ging dann mit mir wieder zurück in den Arbeitsraum. Dort übte sie mit mir weiter. Dazwischen kamen dann noch einige Kunden. Ein Priester brachte eine Fahne vorbei, damit man sie repariert. Es war die des Hl. Johannes. Sie gefiel mir sofort und ich bat Tante Cäcilie, dass sie mir das auch beibringt.
„Das ist aber schwierig, man muss sehr gut aufpassen und sehr fein arbeiten. Das schafft nicht eine jede. Aber wenn du es willst, darfst du es natürlich probieren. Wenn du dir bei den anderen Arbeiten sicher bist.“
Zu Mittag aßen wir eine Kleinigkeit. Und da ich nicht kochen mochte, geschweige denn gut kochen konnte, lehrte mich das auch Tante Cäcilie. Sie brauchte dazu sehr viel Geduld. Mehr als beim Nähen und Sticken lernen.
Samstagnachmittag kam noch Miriam und wollte ihre Fahne noch fertigbekommen. Da durfte ich dann zusehen. Es war wirklich nicht einfach. Und man musste sehr gute Augen haben und gut schauen. Da durfte man sich keinen Fehler leisten. Es war eine filigran Arbeit, die Zeit brauchte.
Sonntagnachmittag kam der schwerste Teil. Ich musste meine Eltern anrufen und ihnen mitteilen, dass ich für längere Zeit nicht nach Hause komme.
Wir hatten uns schon einen Schlachtplan zurechtgelegt. Ich konnte ja auch nicht sagen, dass ich bei Tante Cäcilie bin. Dann wäre mein Vater gekommen und hätte mich geholt. Und dann wäre es unweigerlich rausgekommen, dass ich schwanger bin. Und das wollte ich überhaupt nicht. Was ich später machen würde, wusste ich auch noch nicht. Ob ich mit meinem Kind nach Hause fahre und es dann meinen Eltern beichte oder Tante Cäcilie es aufziehen würde. Oder ich fix hierbleibe. Sie würde es schon machen, aber ich wollte ihr nicht diese große Verantwortung aufbürden. Kommt Zeit kommt Rat! Die anderen würden uns auch helfen. Das wäre auch mein geringstes Problem. Also zurück zum Telefonat. Mutter war gar nicht begeistert, dass ich noch bei meiner Freundin blieb, wo ich statt dieser, für ein halbes Jahr in eine Schule ging. Da „sie“ leider wegen familiärer Probleme ausfiel. Und dass der Platz nicht unbesetzt blieb, durfte ich diese Schule machen. Dort lernte man kochen, nähen und auch mit Buchhaltung umzugehen. Das lernte ich alles natürlich bei Tante Cäcilie. Meine Mutter war zwar nicht begeistert und mein Vater brummte auch hinter ihr. Doch er gab sich geschlagen mit meinem Argument. Wo sollte ich denn sonst kochen lernen? Mutter lässt mich ja selten ran und lernen wollte oder konnte sie es mir nicht. Das ließ er als Argument gelten. Und wer wird die Schreibarbeiten machen? Vater mochte sie jetzt schon nicht! Das waren gute Argumente denen sie sich nicht verschließen konnten. So durfte ich diese „Schule“ besuchen. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen. Und ich lernte auch wirklich sehr brav.
Ich wurde sofort in der Runde aufgenommen. Da ich erstens mit „Lady Chatterley“ verwandt bin und ich selber ledig war und ein Kind bekam. Ich lernte die nächste Woche auch noch die anderen Frauen kennen. Hera die 2 Söhne, und ihr Mann sie verlassen hatte. Dann noch Aphrodite, die ständig in einen Mann verliebt war und auch von zwei verschiedenen Männern ein Kind hatte. Und Delila die Tochter von Miriam. Sie hatte 3 Kinder, zwei Töchter und einen Sohn. Sie passte auf alle Kinder auf und half auch oft beim Nähen. Oft steckte mich Tante Cäcilie zu Delila, denn sie kochte oft vormittags für alle. Der Einkauf wurde immer aufgeteilt. Mal kaufte die eine oder andere ein oder es teilten es sich zwei Frauen auf. Da ich nicht viel Geld mithatte, aß ich auf Kosten von Tante Cäcilie, sozusagen. Aber sie tat es gerne. Mit meinem ersten Geld, das ich mir verdient hatte bezahlte ich meinen ersten Einkauf. Tante Cäcilie ging mit mir einkaufen. Denn ich wusste nicht wo man günstige Lebensmittel bekam. Ich kam auch so selten raus. Ich sollte mich hier auch auskennen, wenn ich mal alleine unterwegs war. Sonntags ging ich oft spazieren und Tante ruhte. Unter der Woche arbeitete ich oft und gerne mit den anderen Frauen. Es wurde auch oft geschäkert und die eine oder andere auf die Schaufel genommen. Aber es war keine beleidigt. So erfuhr ich einiges über die anderen Frauen, über ihr Schicksal. Es ähnelten sich alle. Entweder waren sie schon vor der Geburt des Kindes verlassen worden oder danach, weil die Männer nicht die Verantwortung übernehmen wollten. So mussten sich die Frauen alleine durchschlagen. Und da half ihnen Tante Cäcilie sehr.
In so einer Runde erfuhr ich auch etwas, dass mir Tante Cäcilie verschwiegen hatte. Oder nicht erzählen wollte.
„Wie war dein Freund so, bzw. der Vater deines Kindes.“
„Och er war lieb und ich dachte er würde ein fürsorglicher Mann und Vater. Doch da hatte ich mich getäuscht. Karl war nur auf seinen Vorteil aus.“
„Karl? Dein Freund heißt auch Karl?“
„Wieso? Wessen Freund heißt auch so?“
Ich studierte alle Namen der Frauen durch, aber da war kein Karl.
„Na der von deiner Tante!“, sagte Miriam entrüstet, „Wusstest du nicht, dass ihr Freund auch Karl hieß?“
Jetzt sah ich die Frauen verwirrt an.
„Tante Cäcilie hatte einen Freund?“
„Wusstest du das nicht?“
„Nein! Tante war schon weg als ich geboren wurde. Sie kam uns nicht oft besuchen. Am Anfang noch öfter, aber später nicht mehr so oft. Wieso sie weggegangen war erzählte mir keiner.“
„Autsch! Ich glaube, da habe ich jetzt etwas ausgeplaudert, was ich vielleicht nicht sagen hätte dürfen. Bitte verrate mich nicht bei deiner Tante.“
„Nein werde ich nicht.“
„Also fällt der Apfel doch nicht weit vom Birnbaum!“, murmelte Miriam noch vor sich hin.
Aber jetzt wurde ich trotzdem sehr neugierig. Am Abend sprach ich sie darauf an, ohne zu sagen, dass mich Miriam darauf gestoßen hatte.
„Tante? Warum hast du keinen Mann? Mutter und Vater sprechen nicht viel darüber. Besser gesagt, das war ein Tabuthema. Sie wechselten oft gleich auf ein anderes Thema, wenn mal die Sprache auf dich kam.“
Sie sah mich etwas traurig an.
„Ja, auf dieses Thema oder Gespräch warte ich schon lange. Ich wollte nicht von alleine anfangen. Es würde sicher von alleine kommen. Anscheinend seid ihr auch mal auf mich gekommen. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr über die verflossenen Männern sprecht. Natürlich kommt ihr zwangsläufig auch auf mich.“
Wir saßen gerade gemütlich auf der Couch von Tante, tranken Tee und knabberten selbstgebackene Kekse dazu. Weihnachten stand ja vor der Tür. Meine ersten gebackenen Kekse. Wenn Delila nicht aufgepasst hätte, hätte ich die Hälfte verbrannt oder sie zu früh rausgenommen. So konnte man sie doch noch essen. Ich sah sie abwartend an. Würde sie mir jetzt das Geheimnis erzählen? Ja es gab eines. Ansonsten würden meine Eltern nicht sofort immer abblocken.
„Ja, er war der fescheste Mann von der Ortschaft. Ich hatte mich sofort in ihn verliebt. Doch meine Eltern wollten nicht, dass ich ihn heirate. Sie hatten einen anderen für mich im Auge. Er wohnte 30 km weit entfernt, hatte einen eigenen Hof, keine Eltern mehr und wohnte auch noch in der Einschicht. Das wollte ich nicht. Sie luden ihn mal an einem Sonntag ein. Damit ich mich in ihn verlieben sollte. Doch sein Auftreten war schon katastrophal. Was meine Eltern an ihm fanden, wusste ich nicht. Es regnete. Ich hatte das ganze Haus auf Vordermann gebracht. Doch der Rüpel putzte sich nicht die Schuhe ab. Als ich ihn darauf ansprach, meinten meine Eltern, man könne einem Besuch doch nicht vorschreiben, was er zu tun hat. Doch wenn wir wohin gingen, ermahnten sie mich immer, meine Schuhe gut abzuputzen, wenn ich wo hineinginge. Das gehört sich so und zeugt von Respekt. Er setzte nicht mal seinen Hut ab. Ob er sich überhaupt rasiert hatte und die Haare gekämmt? Konnte ich nicht sagen. Der Bart war deutlich ungepflegt. Und diesen Mann sollte ich heiraten? Er wollte mich auch sofort umarmen und mir einen Kuss geben. Das wehrte ich ab. Was dachten sich denn meine Eltern dabei? Das erfuhr ich erst später, dass er eine Wiese hier ihm Ort geerbt hatte und die wollten meine Eltern. Dafür sollte ich ihn heiraten und ich würde eine stattliche Mitgift bekommen. Doch ich machte dann alles zu nichte. Als er weg war, lief ich sofort zu meinem Freund. Zumindest dachte ich er wäre mein Freund. Er meinte nur, das wäre ja super! Dann hätte ich endlich einen Mann! Ich verstand ihn nicht. Auch nicht, dass er mir immer von einer anderen Frau vorschwärmte. Am Anfang glaubte ich, er wollte mich eifersüchtig machen. „Diese Frau müsste man bekommen! Dann hätte man ausgesorgt.“ sagte er oft. Doch „seine Angebetete“ heiratete einen anderen und er musste sich seinem Vater beugen und eine Frau aus der Nachbarortschaft heiraten. Die einen Hof bekam. Er war der Zweitgeborene und somit musste er in einen Hof einheiraten. Was bei mir auch nicht ging. Als ich Karl erzählte, dass ich schwanger war, war es schon zu spät. Die Würfel waren schon gefallen. Er meinte er könne mich nicht heiraten, denn das mit Katharina wäre schon fix und ich solle es wegmachen lassen. Er würde auch nichts bezahlen und alles abstreiten, sollte ich es irgendwo erzählen. Meine Eltern verstießen mich sofort. Ich habe auch kein Recht mehr auf dem Hof zu bleiben. Franz dein Vater hatte inzwischen auch schon geheiratet und sie war auch schwanger.