Das Glück gehört mir - Katharina B. Gross - E-Book

Das Glück gehört mir E-Book

Katharina B. Gross

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Beschreibung

Leopold ist Schornsteinfeger und eigentlich ganz zufrieden mit seinem Leben. Das Einzige, was zu seinem Glück fehlt, ist die große Liebe. In dieser Hinsicht wird Leopold stets vom Pech verfolgt. Der Altenpfleger Kai hat nach einer verpatzten Beziehung von Männern die Nase voll. Als er zufällig Leopold begegnet, verliebt er sich jedoch in den jungen Mann. Er versucht gegen die Gefühle anzukämpfen, doch dabei hat er die Rechnung ohne Leopold gemacht. Dieser umwirbt Kai, bis er seinem Charme nicht mehr widerstehen kann. Endlich glaubt Leopold, sein Glück mit Kai gefunden zu haben. Doch ist wirklich alles so perfekt, wie es scheint? Als Kais Bruder plötzlich auftaucht, zerbricht sein Lügenkonstrukt. Ist ihre Liebe stark genug, jedes Problem zu überwinden?

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Seitenzahl: 306

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Katharina B. Gross

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© VG stockstudio – shutterstock.com

© Christine.Langer-Pueschel – 123rf.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-153-6

ISBN 978-3-96089-154-3 (epub)

Inhalt:

Leopold ist Schornsteinfeger und eigentlich ganz zufrieden mit seinem Leben. Das Einzige, was zu seinem Glück fehlt, ist die große Liebe. In dieser Hinsicht wird Leopold stets vom Pech verfolgt.

Der Altenpfleger Kai hat nach einer verpatzten Beziehung von Männern die Nase voll. Als er zufällig Leopold begegnet, verliebt er sich jedoch in den jungen Mann. Er versucht gegen die Gefühle anzukämpfen, doch dabei hat er die Rechnung ohne Leopold gemacht. Dieser umwirbt Kai, bis er seinem Charme nicht mehr widerstehen kann.

für Caren

Kapitel 1

-Leopold-

»Das mit den Rechnungen erledige ich heute. Ich wünsche dir einen schönen Feierabend«, ruft mir mein Kollege Jochen noch hinterher, als ich das Büro verlasse. Ich nicke ihm dankend zu, dann gehe ich die Kellertreppe hinauf ins Haupthaus. Mein Chef sitzt mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette in der Küche vor einem dicken Ordner mit Rechnungen und hakt ab, was in den letzten Tagen bezahlt wurde. Er hat es nicht so mit Büroarbeit, das müssen normalerweise wir übernehmen. Lediglich den Zahlungseingang prüft er immer genau.

»Tschüss, Chef«, verabschiede ich mich bei ihm. Seine Frau dreht sich zu mir um, einen Teller mit Eintopf in den Händen.

»Willst du nicht mitessen heute? Ich habe genug gekocht. Kannst auch Jochen hoch rufen«, schlägt sie lächelnd vor.

»Nein danke, Marie. Ich habe heute keinen so großen Hunger. Beim letzten Kunden gab es Kuchen«, entgegne ich.

»Bis morgen, Leo.«

Ich trete auf die Straße. Nach den kühlen Temperaturen des Kellers schlägt mir die Hitze ins Gesicht. Schnell öffne ich die ersten Knöpfe meiner dicken Jacke, was gegen die Sommerhitze nur wenig hilft. Ich hätte mir Klamotten zum Wechseln mitnehmen sollen. Heute Morgen war ich wieder einmal zu spät dran, dass ich einfach nicht mehr daran gedacht habe. Jetzt muss ich also schwitzen.

Seufzend überquere ich die Straße und begebe mich zur Straßenbahn. Zwar habe ich ein Auto, doch zur Arbeit fahre ich mit der Bahn, um den ganzen Ruß nicht auf den Autositzen zu verteilen. Das Zeug bekommt man schlecht raus. Denn es passiert mir leider nicht selten, dass ich, genau wie heute, meine Wechselklamotten vergesse.

»Mama! Der Mann ist ja ganz schwarz im Gesicht«, höre ich einen kleinen Jungen sagen, der mit seiner Mutter neben mir steht. Es ist voll in der Bahn, viele Menschen drängen sich eng zusammen. Bei der Hitze draußen mehr als unangenehm. Der Schweiß rinnt mir über die Stirn. Ich wische mir mit dem Handrücken übers Gesicht und weiß, obwohl ich mir bereits auf der Arbeit notdürftig Hände und Gesicht gewaschen habe, dass der Schweiß rußige Spuren auf meiner Haut hinterlässt.

»Das ist ein Schornsteinfeger, Schatz. Er hat Ruß im Gesicht«, erklärt die Mutter. Ich lächele beide an.

»Wenn du mich anfasst, wird es dir Glück bringen«, sage ich mit einem geheimnisvollen Lächeln. Der Junge bekommt ganz große Augen.

»Darf ich, Mama?«

»Mach nur.«

Er streckt ein wenig zögerlich die Hand nach mir aus und berührt meine mit Ruß beschmutzte Jacke. Schnell zieht er seine Finger zurück und hält seiner Mutter seine Hand entgegen.

»Guck mal Mama, meine Hände sind schwarz. Jetzt bin ich auch ein Schornsteinfeger.«

Die Frau lacht und ich kann mir ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen. Als die Bahn hält, winke ich den beiden zu und steige an der Alfredstraße aus. Meine Wohnung liegt in einem großen Wohnhaus mit zehn Parteien direkt unterm Dach. Als ich vor gut einem Jahr hierher zog, hat sich mein Vermieter köstlich darüber amüsiert, dass ich als Schornsteinfeger eine Dachgeschosswohnung haben will.

»Dann haben Sie es ja praktisch nicht mehr weit«, meinte er und lachte über seinen eigenen Scherz. Damit hatte der Mann wirklich recht. Ich kann über die Klappe im Treppenhaus und ein Dachaustrittsfenster hinauf aufs Dach. Manchmal gehe ich einfach nach Feierabend hoch, setze mich auf eine der Trittstufen und sehe mir den Sonnenuntergang an. Es ist herrlich über die ganze Stadt schauen zu können.

Ich öffne die Haustür und steige die Treppe zu meiner Wohnung hinauf. Im Flur ziehe ich mir die rußigen Arbeitsklamotten aus und begebe mich unter die Dusche, um mir Schweiß und Dreck vom Körper zu spülen. Ich liebe meinen Job, doch das ist der einzige Nachteil. Immer schmutzig. Wenn ich im Sommer aufs Dach muss, schwitze ich wie Sau und im Winter friere ich mich fast zu Tode. Aber zum Glück gibt es viele gute Seiten. Der Kundenkontakt zum Beispiel. Jeder ist freundlich zum Schornsteinfeger. Es gibt oft Kaffee und Kuchen und ordentliches Trinkgeld. Vor allem bei den älteren Damen. Sie sind regelrecht entzückt, wenn ich bei ihnen vor der Tür stehe.

»Sie sind so ein freundlicher und gutaussehender junger Mann. Ihre Freundin muss wirklich glücklich mit Ihnen sein«, hat erst heute eine Kundin zu mir gesagt und mir verschwörerisch zugezwinkert. Ich habe nur lächelnd genickt. Man sagt einem Schornsteinfeger nach, er bringe Glück. Doch dass er selbst vom Pech verfolgt wird, das hat leider niemand erwähnt. Aber vielleicht bin ich der Einzige meiner Art. Mein Kollege Jochen ist zehn Jahre älter als ich und glücklich verheiratet. Mein alter Chef hat seine Marie. Nur ich habe kein Glück, was die Liebe angeht. Immer treffe ich auf irgendwelche Idioten, die zwar auf den ersten Blick wie der Hauptgewinn aussehen, sich dann aber als völliger Reinfall entpuppen. Wahrscheinlich suche ich mir immer nur die falschen Männer aus.

Ich stelle das Wasser der Dusche ab, wickele mir ein Handtuch um die Hüften und verlasse das Bad. Meine Hände sind ganz rau und rot von der Bürste, mit der ich mir täglich den Ruß vom Körper schrubbe. Zum Glück bin ich eher der dunkle Typ, sodass es wenigstens nicht ganz so auffällt im Gesicht. Ich habe einen dunklen Bart und ebenso dunkle Haare. Anders als Jochen, der mit seinen rotblonden Haaren und der hellen Haut wirklich zum Totlachen aussieht am Ende eines langen Arbeitstages.

Als ich das Schlafzimmer betrete, klingelt mein Handy.

»Hey Leo«, sagt mein Kumpel Marcel, »wie sieht’s aus? Bist du schon fertig? Wir würden dich gegen halb zehn abholen, okay?«

»Ja klar. Komme grad aus der Dusche und wollte mir noch eine Pizza in den Ofen schieben. Aber ich denke schon, dass es klappt.«

»Super. Ich freue mich total. Wirklich lange her, dass wir zusammen tanzen waren.« Er legt auf. Eigentlich bin ich echt kaputt und würde am liebsten den Abend mit einem Bier und meiner Pizza auf dem Sofa verbringen, aber ich habe Marcel und seinem Freund Paul versprochen, dass wir diesen Freitag ausgehen. Die beiden liegen mir schon seit Wochen damit in den Ohren, dass ich mehr unter die Leute gehen und mich nicht nur in meiner Wohnung verschanzen soll. Denn so würde ich sicher keinen Freund finden. Von diesen ganzen Onlinedates hält mein Kumpel nichts. Dabei habe ich wohl mehr Kontakt zu Leuten, als die beiden zusammen, aber das zählt in ihren Augen nicht. Sie sind der Meinung, ich solle meinem Glück, einen Partner zu finden, einfach selbst ein wenig auf die Sprünge helfen. Und das geht nun mal am besten, wenn ich mir den Ruß aus dem Gesicht wasche, in meine Ausgehklamotten schlüpfe und mit ihnen ins Blue Heaven fahre.

Wahllos hole ich eine schwarze Jeans und ein schwarzes Shirt aus dem Schrank, ziehe sie an und gehe in meine Küche rüber, um endlich etwas gegen meinen knurrenden Magen zu unternehmen. Bis die Pizza fertig ist, habe ich noch Zeit mir die Haare notdürftig zu stylen.

Um Punkt halb zehn stehen meine Freunde bei mir auf der Matte.

»Nicht dein Ernst, oder?«, ruft Marcel entsetzt, als er mich sieht. Ich trete zur Seite und lasse die beiden rein.

»Auch ein Bier?«, frage ich lässig. Paul nickt, während sein Freund mich immer noch entsetzt anstarrt.

»Leo! Warum zur Hölle ziehst du immer nur diese hässlichen, schwarzen Klamotten an? Es reicht doch schon, wenn du auf der Arbeit immer nur in schwarz rumläufst. Es gibt so viele, schöne Farben. Grün, gelb, orange, rosa …«, zählt Marcel auf, während ich ihnen voran in die Küche gehe und das Bier für Paul aus dem Kühlschrank hole.

»Schwarz«, ergänze ich trocken.

»Schwarz ist keine Farbe, sondern ein Kontrast, Süßer. Genau wie weiß. Du könntest dir ja wenigstens ein weißes Shirt anziehen. Das wirst du doch wohl haben, oder?«

Grinsend schüttele ich den Kopf. Das letzte weiße Teil, dass sich in meinen Kleiderschrank verirrt und das vermutlich Marcel dort hineingeschmuggelt hat, strahlt jetzt ist einem Gemisch aus grau mit schwarzen Flecken. Habe das Shirt aus Versehen mit zu den schwarzen Sachen in die Waschmaschine gesteckt. Dachte, es würde nichts passieren. Na ja, so kann man sich irren. Aber weiß ist eh nicht wirklich meine Farbe. Mein Kumpel lässt sich mit einem theatralischen Seufzer auf einen Stuhl sinken. Er studiert Modedesign und trägt dementsprechend auch immer die neusten Klamotten in den schrillsten Farben. Wenn man ihn ansieht, erhöht sich vermutlich das Risiko auf Augenkrebs. Gut dass Paul und ich es von ihm gewohnt sind. Heute trägt er ein quietschgelbes Tank Top, dazu blaue Jeans mit aufgerissenen Knien. Paul dagegen ist eher schlicht gekleidet.

»Jetzt lass Leo damit in Ruhe«, sagt er zu Marcel und gibt ihm einen Kuss. Dieser verzieht schmollend den Mund.

»Du bist selbst schuld, wenn du keinen Mann findest in den Klamotten. Da brauchst du dich später nicht bei mir zu beschweren. Ich habe mein Möglichstes getan«, sagt er und verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust. Paul lacht, streicht Marcel durchs Haar und trinkt dann schweigend sein Bier leer.

*

Das Blue Heaven ist einer der angesagtesten Schwulenclubs in Essen. Und wie jedes Wochenende ist hier verdammt viel los. Auf der Treppe zum Eingang hat sich bereits jetzt schon eine lange Menschenschlange gebildet. Wir reihen uns ein und warten, bis der Türsteher uns in den Club durchwinkt. Drinnen schlägt mir der Geruch von Rauch, Schweiß und Alkohol entgegen. Wirklich verdammt lange her, dass ich hier war. Wir drängen uns an den Menschen vorbei zur nächsten Bar, um uns ein paar Drinks zu genehmigen. Marcel bestellt sich irgendein pinkfarbenes Gesöff mit Schirmchen, während Paul und ich erstmal bei Bier bleiben. Ich sehe mich in der Main Hall um. Die Tanzfläche ist jetzt schon überfüllt von halbnackten Männern und Frauen, die sich zum Technobeat aneinander reiben. Das bunte Licht zuckt in unregelmäßigen Abständen durch den Raum.

»Geil. Guck dir mal den an!«, raunt Marcel mir zu und nickt in Richtung der Tanzfläche. Dort sind links und rechts Podeste aufgebaut, auf denen Männer stehen und sich aufreizend zu der Musik bewegen. Meine Augen heften sich auf den Kerl, den Marcel meint. Er ist schlank, blond und trägt eine solch enge Hotpants, die den Namen nicht mal mehr verdient hat. Ansonsten ist er nackt. Diese Bauchmuskeln sind der Hammer, auch der ganze Kerl ist nicht zu verachten. Geil … da hat Marcel verdammt recht! Ich starre ihn regelrecht an, kann den Blick nicht von ihm lösen, so sehr faszinieren mich seine Bewegungen, die ihre Wirkung auf meinen Körper nicht verfehlen. Scheiße, sein Tanz macht mich an. Möglichst unauffällig schlage ich die Beine übereinander, damit meine Freunde die aufkommende Erektion nicht bemerken. Der letzte Sex ist eindeutig schon viel zu lange her, wie es aussieht.

»Gefällt dir, was?« Paul grinst mich mit wissendem Blick an. Zum Glück ist es so dunkel hier, sodass er mein rotes Gesicht nicht erkennen kann. »Aber weißt du, habe gehört, dass er ein ziemliches Flittchen sein soll. Treibt sich sehr oft hier im Darkroom herum.«

Entsetzt weiten sich meine Augen. Klar, der Mann sieht echt gut aus. Sein Engelsgesicht macht auf mich jedoch nicht gerade den Eindruck, er würde sich wild durch die Betten ficken. Doch Paul muss es ja wissen, schließlich ist er mit Marcel viel öfter hier und kennt die Leute. Gut dass er mich vorgewarnt hat. Sonst hätte ich den Kerl vermutlich noch angesprochen und wäre wieder böse überrascht worden. Ich habe zwar nichts gegen unverbindlichen Sex, doch eigentlich suche ich nach etwas Festem. Dafür habe ich echt schon zu viele Rückschläge erlitten, was die Liebe betrifft. Mit meinen achtundzwanzig Jahren bin ich schon viel zu lange Single. Immer wenn ich glaubte, jetzt hätte ich den Mann fürs Leben gefunden, geht irgendwas schief. Selbst mit Paul hat es damals nicht geklappt. Ich lernte ihn kurz nach dem Umzug kennen, als ich meine neue Stelle antrat. Während ich in seinem Haus die Heizung kontrolliert habe, kamen wir ins Gespräch und er lud mich sogar ein paar Mal auf einen Kaffee ein. Doch ehe wir unsere Bekanntschaft vertiefen konnten, lernte er Marcel kennen, der neben seinem Studium in dem Café jobbte, wo wir uns trafen. Tja, so sieht’s aus mit meinem Glück. Vielleicht hat Marcel ja recht und ich sollte meine Garderobe doch etwas farblicher gestalten?

»Komm, lass uns tanzen gehen«, fordert Marcel seinen Freund auf und rutscht von dem Barhocker, um Paul an der Hand auf die Tanzfläche zu zerren. Ich sehe den beiden nach, wie sie in der tanzenden Menge verschwinden.

»Warum so traurig, Süßer?«, fragt jemand hinter mir. Ich drehe mich zur Bar um und blicke in zwei tiefblaue Augen, die mich amüsiert mustern. Es ist der Tänzer von eben, der sich über den Tresen vorgelehnt hat, das Gesicht in die Hände gestützt. Erschrocken zucke ich zurück.

»Willst du einen Blow Job? Würde dich sicher wieder aufmuntern.«

»Nein«, entfährt es mir entsetzt. Gott, der Kerl geht ja tatsächlich ran. Und anscheinend ist ihm jeder recht, denn ich sitze allein hier. Er bricht in schallendes Gelächter aus.

»Ich meinte den Cocktail! Mann, du solltest dein Gesicht sehen!« Er richtet sich wieder auf, fischt zwei Schnapsgläser aus dem Regal hinter sich und gießt Alkohol hinein. Dann schiebt er mir eins davon zu.

»Hier. Der geht aufs Haus, weil du mich zum Lachen gebracht hast«, zwinkert er mir zu und hebt sein Glas. Misstrauisch beäuge ich die weißliche Flüssigkeit. Blow Job, wie passend. Ich kippe das Zeug hinunter. Der Mann lehnt sich wieder lässig zu mir vor. Ein Lächeln umspielt seine vollen Lippen.

»Ich habe dich hier noch nie gesehen.«

»Gehe nicht oft aus«, antworte ich knapp und drehe meine leere Bierflasche in den Händen.

»Wirklich ein Jammer. Ein Mann wie du sollte nicht allein sein und sich besser amüsieren. Wie wär’s mit mir?« Lachend deutet er mit dem Daumen auf sich selbst.

»Nein danke«, brumme ich, dann sehe ich wieder zu ihm auf. »Was machst du hier hinterm Tresen? Du warst es doch, der eben noch getanzt hat.«

Er ist nicht mehr nackt, wie ich jetzt zu meinem Bedauern feststelle, sondern trägt ein weißes Tank Top und eine Jeans. Der Mann nimmt mir die Bierflasche ab und stellt sie zu den anderen in die Kiste, ehe er mir ein neues in die Hand drückt.

»Bin bloß für einen Kollegen eingesprungen«, antwortet er schulterzuckend, schnappt sich ein Handtuch und beginnt damit, Gläser abzuspülen und zu trocknen. »Eigentlich bin ich nur für die Getränke zuständig. Wenn man hier tanzt, werden die Männer immer eher auf einen aufmerksam. Außerdem gibt es gutes Trinkgeld.«

Er grinst breit und irgendwie ist da plötzlich so ein seltsames Gefühl in meinem Magen, je länger ich ihn ansehe. Wahrscheinlich war da bloß etwas in dem Cocktail, das ich nicht vertragen habe.

Kapitel 2

-Kai-

»Raus aus den Federn, Süßer. Du kommst du spät zur Arbeit. Oder kommen die alten Damen heute mal ohne ihren Kaffee klar?« Die fröhliche Stimme meiner Mitbewohnerin Tanja reißt mich aus meinen Träumen. Stöhnend ziehe ich mir die Decke über den Kopf.

»Lass mich. Noch ein paar Minuten«, brumme ich verschlafen, doch jeder Widerstand ist zwecklos, denn Tanja steht bereits neben meinem Bett und zerrt an der Decke.

»Du hast gesagt, ich soll dich um halb sieben wecken. Das mache ich also hiermit. Aufstehen.«

Müde drehe ich mich auf den Rücken und schaue zu ihr hoch. Tanja grinst. Ihre Haare sind vom Schlafen völlig zerzaust und sie trägt immer noch ihren Hello Kitty Pyjama. Anscheinend ist sie ebenfalls erst aus dem Bett gefallen.

»Bin grad erst eingeschlafen …« Ich setze mich auf und gähne herzhaft, ehe ich mich doch noch aus meinem gemütlichen Bett quäle und an ihr vorbei ins Badezimmer trotte. Mein Spiegelbild hätte wohl sicher jeden Toten erschreckt. Ich sehe jeden Morgen fürchterlich aus, bin definitiv kein Morgenmensch. Tanja hingegen ist zu jeder Tages- und Nachtzeit putzmunter, während ich erst nach einem Liter Kaffee ansprechbar bin. Keine gute Voraussetzung für meinen Job, aber da kann man wohl nichts machen.

Ich ziehe Shorts und Shirt aus, dann schlüpfe ich schnell unter die Dusche, um den Gestank nach Rauch von der letzten Nacht aus meinem Haar zu spülen. Das warme Wasser tut gut. Genießerisch schließe ich die Augen, lehne meinen Kopf gegen die Fliesen und versuche die Müdigkeit aus meinen Gliedern zu vertreiben. Nicht einfach wieder so früh aufzustehen, wenn man gerade mal vor drei Stunden völlig erledigt ins Bett gefallen ist. Aber so ist es fast immer, wenn ich alle zwei Wochen am Wochenende Dienst habe. Zum Glück habe ich wenigstens mit meinem Chef aus dem Club aushandeln können, dass meine Schicht an der Bar nur bis drei, statt wie üblich bis sechs geht. Ein bisschen Schlaf brauche ich schon, kann ja nicht direkt vom Club ins Seniorenheim fahren. Was würden wohl die alten Damen, wie Tanja sie immer liebevoll nennt, von mir denken, wenn ich in den engen Klamotten auf der Arbeit auftauchen würde. Wobei, ich glaube Gertrude würde es gefallen, da sie auch sonst immer schon mit mir flirtet, als wäre sie immer noch zwanzig und nicht fünfundachtzig. Und Moni hätte gewiss Spaß an meinem Aussehen. Immerhin sorgt sie sich darum, dass so ein hübscher junger Mann wie ich immer noch allein ist. Dafür macht sie meine viel zu intensive Arbeit im Heim verantwortlich. Ich sollte lieber mit jungen Leuten ausgehen, statt hier unter den Alten zu sitzen, meinte sie mit spitzbübischem Lächeln. Sie hat mal angedeutet, ihr Enkel wäre ganz nett und wir könnten uns ja treffen. Doch ich habe diesen ominösen Enkel noch nie zu Gesicht bekommen. Entweder es gibt ihn gar nicht oder er ist auch von dieser Sorte Mensch, die einfach ihre Großeltern abschieben und nicht mehr besuchen kommen. Frei nach dem Motto, aus den Augen, aus dem Sinn. Solche Leute kann ich gar nicht leiden.

Trotz meiner Arbeit im Seniorenheim brauche ich diesen Nebenjob. Die Stelle im Blue Heaven wird, im Vergleich zu anderen Jobs, verdammt gut bezahlt. Ich verdiene zwar ganz okay in dem Seniorenheim und die Arbeit dort macht mir großen Spaß, doch ich spare so gut ich kann, um mir irgendwann ein eigenes Haus kaufen zu können. Meine Ausbildung damals musste ich größten Teils selbst finanzieren. Bafög gab’s damals für mich leider nicht, da meine Familie recht gut verdient. Mein Vater war regelrecht entsetzt, als ich ihm nach erfolgreich bestandenem Abitur eröffnete, ich wolle Altenpfleger werden. Immerhin wäre ich ein Mann und Altenpflege in seinen Augen etwas für Weicheier. Diese Hirngespinste von mir wollte er auf keinen Fall unterstützen. Da bin ich nach einigen schlechtbezahlten Nebenjobs im Blue Heaven gelandet und habe es bislang nicht bereut. Zwar sind die betrunkenen Männer dort nicht selten zudringlich, doch bisher konnte ich sie immer noch abwimmeln.

Im St. Marien Seniorenheim fühle ich mich wohl. Vermutlich bin ich einer der wenigen, der gerne zur Arbeit geht. Zumindest von meinen Freunden. Die Bewohner sind wirklich toll und mit meinen Kollegen komme ich super klar. Dass ich schwul bin, scheint hier keinen zu interessieren. Auch ein Grund, warum ich für die Ausbildung in die Stadt gezogen bin. Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, ist ziemlich konservativ. Homosexualität war schon immer ein Tabuthema und so habe ich schnell gelernt, mich zu verstecken, als mir bewusst wurde, dass ich auf Männer stehe. Mit achtzehn bin ich ausgezogen. Zwar besuche ich meine Familie regelmäßig, doch es wurde mit den Jahren, in denen ich alleine lebe, immer weniger. Mit sechsundzwanzig hängt man eben nicht jeden Tag bei den Eltern rum.

Frisch geduscht und angezogen gehe ich zu Tanja in die Küche. Sie hat bereits den Tisch gedeckt und Kaffee gekocht. Ich schnappe mir einen Toast und nehme einen großen Schluck Kaffee, bevor ich ihr einen Kuss auf die Wange hauche.

»Du musst vernünftig frühstücken«, ruft sie mir nach, als ich schon im Flur bin.

»Schon okay. Wenn ich noch länger trödele, bleiben die Damen wirklich noch ohne Kaffee«, entgegne ich lachend und verlasse unsere Wohnung. Draußen ist herrliches Wetter. Ich schwinge mich auf mein Fahrrad und mache mich auf den Weg. Es ist nicht weit von der Wohnung bis zu meinem Arbeitsplatz. Im Sommer fahre ich die Strecke gerne mit dem Rad. Gut für die Kondition und für meinen Körper. So spare ich mir einen zusätzlichen Gang ins Fitnessstudio.

»Guten Morgen, Kai. Wieder Dienst heute? Ich dachte, es wäre dein freies Wochenende?«, fragt mich meine Kollegin Sabine, als ich das Seniorenheim betrete und an ihrer offenen Bürotür vorbeigehe. Sie sitzt am Schreibtisch und füllt irgendwelche Papiere aus.

»Ich habe mit Lars getauscht. Er wollte mit seiner Freundin über das Wochenende wegfahren«, erkläre ich ihr. Sie lächelt mich an.

»Du bist viel zu gut für diese Welt!« Sabine ist mit ihren fünfzig Jahren fast doppelt so alt wie ich und könnte meine Mutter sein. Sie ist schon lange hier angestellt. Neben ihr gibt es noch Lars, einen lustigen Typen in meinem Alter und ein paar weitere Kollegen vom Nachtpersonal, mit denen ich nicht so gut bekannt bin. Das St. Marien ist ein kleines Heim mit nur zwanzig Bewohnern, von denen jedoch mehrere immer nur in der Kurzzeitpflege bei uns sind. Es hat eher den Charakter von Betreutem Wohnen, als von einem richtigen Heim, da die Bewohner hier sehr fit und zum Teil auch sehr selbstständig sind. Es gibt einige abgeschlossene Wohnungen hier, in denen ältere Paare wohnen, die noch sehr gut allein klarkommen. Die anderen Bewohner werden je nach Bedarf mehr oder weniger durch uns betreut. Wenige von ihnen benötigen Hilfe bei den täglichen Dingen. Hauptsächlich sind es Kleinigkeiten, wie Hilfe beim Anziehen oder eben das Verabreichen der täglichen Medikamente, die neben der allgemeinen gesellschaftlichen Betreuung in meinen Aufgabenbereich fallen.

»Ach was. Ist doch nicht der Rede wert. Also, was liegt heute an?«

»Du kannst Heiner beim Waschen und Anziehen helfen, ehe es gleich Frühstück gibt. Und Moni bekommt noch ihren Inhalator. Vergiss nicht, das Ding vorher zu reinigen.«

*

»Kai, da bist du ja endlich«, freut sich Moni, als ich an ihre Zimmertür klopfe und mit dem Inhalator unterm Arm reinkomme. Die betagte Dame ist schon angezogen und sitzt auf ihrem Bett.

»Tut mir leid, habe heute ein bisschen verschlafen«, entschuldige ich mich, »komm, beeilen wir uns ein wenig. Gleich gibt’s schon Frühstück.« Ich baue das Gerät auf dem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes auf. Moni kommt zu mir und setzt sich an den Tisch.

»Du siehst ja völlig erschöpft aus, mein Lieber«, bemerkt sie, »du schläfst zu wenig. Etwa eine wilde Nacht gehabt?« Sie zwinkert verschwörerisch, ehe sie sich über den Inhalator beugt.

»Nicht was du wieder denkst«, winke ich ab. Wenn ich ihr erzählen würde, dass ich am Wochenende zusätzlich zu meiner Arbeit noch im Club jobbe, wird sie sich bestimmt Sorgen machen.

»Ach ihr jungen Leute. Ihr seid uns Alten meilenweit voraus. Trotzdem solltest du dich nicht so viel mit uns hier herumplagen, Kai-Schatz. Amüsiere dich, genieß dein Leben. Langweilen kannst du dich, wenn du auch einmal hier landest im Alter. Such dir einen netten Mann und hab ein bisschen Spaß«, scherzt Moni, nachdem ich den Inhalator nach der vorgegebenen Zeit wieder abschalte.

»Ich bin gerne hier. Mir macht die Arbeit Spaß«, verkünde ich mit einem ehrlichen Lächeln.

»Mein Enkel ist auch so einer. Kennt nichts als die Arbeit. Ich werde ihn dir auf jeden Fall mal vorstellen, wenn er vorbeikommt. Er ist ein ganz hübscher Bursche, genau wie du. Und mag Jungs ebenfalls viel lieber«, kichert Moni zweideutig. Ich verdrehe die Augen. Will sie mich jetzt mit ihm verkuppeln, oder wie? Ich habe echt keine Lust auf eine weitere Beziehung, die mir aufgezwungen wird. Meine letzte war die reinste Katastrophe! Es war ein Bekannter von Tanja, den sie einmal in der Hoffnung anschleppte, ich würde mich verlieben. Tja, das tat ich dummerweise Hals über Kopf, denn Max war ein Traum von einem Mann. Gutaussehend, erfolgreich, charmant und eine Granate im Bett. Ich glaube, so viel Sex wie mit ihm, hatte ich in meinen ganzen Beziehungen vorher nicht. Doch als ich herausfand, dass er es nicht nur mir so gut besorgte, sondern generell in der Männerwelt heiß begehrt war, beendete ich die Sache ganz schnell und blieb mit einem gebrochenem Herzen zurück. Noch so einen Kerl brauche ich nicht. Besser gebe ich vor, ein Flittchen zu sein, als mich wieder in einen Mann zu verlieben, der mir erneut nur das Herz bricht. Wenn die Männer glauben, ich sei für jeden leicht zu haben, dann vermeiden sie generell jeden Gedanken an Liebe und eine feste Beziehung.

Ich habe im Blue Heaven ein paar Gerüchte gestreut und einigen Typen einen geblasen, damit es glaubhaft rüberkommt. Seitdem werde ich von den meisten in Ruhe gelassen, wenn ich an der Bar mit ihnen flirte. Und wenn doch einer mit mir im Darkroom verschwinden will, kann ich ihn irgendwie vertrösten. Ich habe zwar prinzipiell nichts gegen ein bisschen Spaß und unverbindlichen Sex, doch so schlimm, wie ich dort vorgebe zu sein, bin ich nicht. Plötzlich kommt mir wieder der dunkelhaarige Typ von gestern in den Sinn. Er war echt ganz süß, schien aber nicht wirklich an mir interessiert.

Ich schiebe den Gedanken wieder beiseite und gemeinsam mit Moni gehen wir zum Frühstück.

Kapitel 3

-Leopold-

»Und er wollte tatsächlich, dass du ihm deine Bürste ganz tief reinsteckst und mal ordentlich schrubbst? Echt? Schrubbt ihr den Schornstein oder wie heißt das?« Marcel kriegt sich vor Lachen nicht mehr ein, während ich verstimmt mit den Zähnen knirsche.

»Es heißt fegen und nicht schrubben. Ich bin ein Schornsteinfeger«, stelle ich klar. »Gott, der Typ war so ein Reinfall. Ehrlich. Ich sollte das mit den Internetdates lassen. Wir haben wochenlang gechattet und er kam mir eigentlich recht nett und seriös vor. Buchhalter, Eigentumswohnung in Rüttenscheid. Als er mich in seine Wohnung zum Essen einlud, habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Doch als ich endlich dort war, empfing er mich in einem Lederjockstrap und wollte sich von mir den Hintern versohlen lassen.«

»Oder schrubben«, kichert mein Kumpel.

»Himmel, jetzt hör schon auf. Ist mir wirklich total peinlich, dass ich wieder auf so eine Masche hereingefallen bin. Das war sogar schlimmer als der Kerl mit dem Fußfetisch vor ein paar Monaten.« Ich verdrehe die Augen und sinke noch ein wenig mehr auf dem Stuhl in mich zusammen. Jetzt muss Marcel noch heftiger lachen, als er sich an die Geschichte von damals erinnert. Fast schon bereue ich es, direkt nach dem verpatzten Date zu ihm ins Café gekommen zu sein, aber ich musste mit jemandem reden. Vielleicht hätte ich stattdessen zu Paul gehen sollen. Er hätte mich bestimmt nicht ausgelacht.

»Ach Süßer, jetzt lass den Kopf nicht hängen«, versucht mich Marcel aufzumuntern, nachdem er sich die Lachtränen aus dem Gesicht gewischt hat, »du wirst deinen Traumprinzen schon finden.«

»Traumprinzen … ja klar«, schnaube ich verächtlich, »die gibt’s nur im Märchen. Und es ist verdammt albern, sich an diese Illusion zu klammern. Ich werde wohl nie einen Mann finden, der nicht irgendeine Macke hat. Vielleicht bin ich bloß nur zu wählerisch, dass ich auf so etwas achte.« Ich seufze und nehme einen Schluck von meinem Kaffee. »Als Schornsteinfeger müsste ich doch eigentlich mehr Glück haben, oder? Zumindest sollte es für einen Kerl reichen, der nicht mit Mitte dreißig noch bei seiner Mutter im Keller wohnt und sich von ihr das Brot schmieren und die Socken zusammenlegen lässt.« Marcel verstummt augenblicklich, als er meinen bösen Blick bemerkt.

»Vielleicht probierst du es mal aus?«, schlägt er mir schulterzuckend vor.

»Was ausprobieren?«

»Na das mit den Peitschen und so. Mit dem Buchhalter. Ist gar nicht so schlecht, habe ich mit Paul auch schon gemacht.«

»Nein!« Entsetzt starre ich meinen Kumpel an. »Ganz sicher nicht. Da bleibe ich lieber Single.« Allein schon bei dem Gedanken, wie mir jemand mit einem Flogger oder Ähnlichem den Hintern versohlt, wird mir ganz anders. Diese Abneigung ist eindeutig, deshalb werde ich so etwas ganz sicher nicht ausprobieren. Die Vorstellung ist schon gruselig genug.

»Hey Marcel! Du wirst nicht fürs Rumsitzen bezahlt. Schwing deinen hübschen Arsch wieder hinter den Tresen«, ruft Marcels Chef quer durch den Raum. Mein Kumpel steht grinsend auf und streicht seine Schürze glatt.

»Tja, die Pflicht ruft wohl. Bis dann, Süßer, und mach dir keine Sorgen. Irgendwann wirst auch du mal Glück haben.« Zwinkernd eilt er davon. Ich trinke meinen Kaffee aus und verlasse ebenfalls das Café.

Es ist nicht so einfach einen Mann kennenzulernen. Außer dem Internet oder einem Club bleiben mir da nicht wirklich viele Optionen. Schließlich kann ich kaum drauf hoffen, dass mir der Mann meiner Träume plötzlich vor die Füße läuft. Ich schiebe die Hände tief in die Taschen meiner Jeans und mache mich auf den Heimweg. Es ist noch früh am Abend und ich überlege gerade, was heute wohl im Fernsehen läuft, als mich plötzlich jemand hart von der Seite anrempelt. Erschrocken keuche ich auf und taumle einige Schritte zur Seite.

»Sorry … ich …«, stammelt der Mann und will weiterrennen, als er mich plötzlich erkennt. »Du …?« Verdattert bleibt er vor mir stehen.

Ich muss erst einmal schlucken. Sofort beginnt mein Herz heftiger zu schlagen. Wie war das doch gleich mit dem Traumprinzen, der mir plötzlich über den Weg läuft? Nun, hier steht er. Zumindest was das Aussehen betrifft, denn ich kenne nicht mal seinen Namen. Es ist der Barkeeper aus dem Blue Heaven. Sein Gesicht ist vom Rennen gerötet und er ist ziemlich aus der Puste.

»Hey, jetzt renn doch nicht weg. Ich dachte, wir könnten ein wenig Spaß haben«, ruft ein anderer Mann und nähert sich uns. Blitzschnell greift er nach dem Barkeeper.

»Lass mich. Ich werd’s ganz sicher nicht auf offener Straße mit einem wie dir tun«, zischt dieser und funkelt den Fremden wütend an.

»Wir können zu mir«, schlägt dieser lässig vor.

»Kein Interesse!«

»Treibst es doch eh mit jedem.«

»Aber ganz sicher nicht mit einem wie dir!«

Irritiert verfolge ich ihre Unterhaltung. Der Barkeeper sieht sich panisch um, als der andere Mann ihn näher ziehen will. Ich glaube, so ganz freiwillig ist die Sache zwischen den beiden wohl nicht.

»Er will nicht«, sage ich mit fester Stimme und trete zu dem Barkeeper heran. Dieser greift sofort nach meinem Arm und schmiegt sich an meine Seite.

»Schatz, gut, dass du endlich da bist«, sagt er mit weinerlicher Stimme, »dieser Kerl hier hat mich angegriffen.«

»Angegriffen? Du Flittchen hast mir schöne Augen gemacht«, zischt der Mann aufgebracht.

»Habe ich gar nicht. Ich war bloß einkaufen, okay?« Sein Griff um meinen Arm wird fester. Aus einem Impuls heraus lege ich ihm einfach den Arm um die Schulter, sodass er sich noch näher an mich kuscheln kann. Da werde ich wohl bei seinem kleinen Spielchen mitmachen.

»Wenn du meinem Freund nochmal zu Nahe kommst, kann ich für nichts garantieren«, sage ich so grimmig wie möglich. Unsicher blickt der fremde Mann zwischen uns hin und her.

»Dachte, er wäre Single«, murmelt er verwirrt.

»Falsch gedacht!«, entgegnet der Barkeeper barsch.

»Nichts für ungut. Ich steh nicht so drauf, den Kerl eines anderen zu ficken.« Er wendet sich ab und geht davon. Als er um die nächste Ecke verschwunden ist, löst sich der Barkeeper von mir. Sofort fehlt mir dieses wohlige Gefühl, das sein Körper in mir auslöste.

»Danke«, sagt er und macht sich bereits wieder auf den Weg. Verwirrt sehe ich ihm nach, ehe wieder Leben in mich kommt. Eilig folge ich ihm.

»Warte mal. Was war das denn für ein Kerl?«, will ich wissen.

»Was geht dich das an?«, herrscht er mich an, ohne stehen zu bleiben. Ich hole ihn ein und greife nach seinem Arm.

»Immerhin habe ich dir geholfen und vorgegeben dein Freund zu sein, obwohl wir uns gar nicht kennen. Da hätte ich wenigstens gerne eine Erklärung«, beharre ich. Keine Ahnung warum es mir plötzlich so wichtig ist, aber irgendwie hatte ich so ein komisches Gefühl bei dem Kerl vorhin. Und dieses Kribbeln in meinem Bauch, das die unfreiwillige Umarmung in mir auslöste. Er streicht sich mit der freien Hand durch sein blondes Haar und seufzt.

»Der Kerl wollte ficken, was glaubst du denn?«

»Also stimmt es, was alle sagen?« Entsetzt blicke ich in seine blauen Augen, die mich abweisend ansehen.

»Ach was sagen denn alle?«, will er schnippisch wissen, »Dass ich mich gerne ficken lasse? Na und? Kann dir doch egal sein. Und jetzt lass mich in Ruhe. Ich muss nach Hause. War ein anstrengender Tag.«

Langsam lasse ich seinen Arm los und er geht.

»Ich heiße Leo«, rufe ich ihm plötzlich nach und wundere mich über mich selbst.

Kapitel 4

-Kai-

Ich sehe ihn schon von weitem. Er ist wieder in Begleitung seiner beiden Freunde hier. Keine Ahnung, warum er mir auffällt unter all den Menschen im Club. Seine Augen schweifen durch die Main Hall, als würde er nach jemandem suchen. Es ist seine Ausstrahlung, die meine Aufmerksamkeit erregt und mich in den Bann zieht. Wieder trägt er schwarz, und ich muss sagen, ich mag es an ihm, wie das schwarze Shirt seinen Oberkörper umschmeichelt.

Leo. Sein Name klingt gut. Passt irgendwie zu ihm. Dass er mir vor zwei Tagen auf der Straße geholfen hat, war wirklich nett. Ich war überrascht, dass er mich erkannt hat. Immerhin haben wir uns hier nur kurz unterhalten können und ich hatte nicht den Eindruck, dass er sonderlich viel Interesse an mir zeigte. Wobei es mir eigentlich egal sein sollte. Ich habe keine Lust, dass sich jemand außerhalb des Clubs für mich interessiert, schließlich will ich keine komplizierte Beziehung.

Jetzt kommen die drei auf mich zu und setzen sich an die Bar.

»Was darf’s denn sein?«, frage ich sogleich und setze ein Lächeln auf.

»Für mich einen Daiquiri«, sagt der blonde Mann fröhlich. Die anderen beiden bestellen Bier.

»Unser Leo entwickelt sich dank dir wohl zum Partylöwen«, plappert Blondie munter drauf los, bis er einen Stoß in die Seite bekommt. »Aua, was soll das denn?«, jammert er dann und reibt sich die malträtierte Stelle. Leo sieht ihn finster an.

»So? Tut er das?« Ich lehne mich vor und stütze mein Gesicht in die Handfläche. »Da fühle ich mich ja geehrt. Ich bin übrigens Kai.« Als von ihm keine weitere Reaktion kommt, nehme ich eine Bierflasche aus dem Kasten unter dem Tresen und halte es Leo hin.

»Quatsch«, entgegnet Leo sofort und greift nach seinem Bier. Kurz berühren sich unsere Fingerspitzen und irgendwie ist es so, als würde diese Stelle plötzlich wie wild kribbeln. Überrascht ziehe ich die Hand zurück und schiebe sie in meine Gesäßtasche. Leo trinkt mehrere Schlucke, als wäre er am Verdursten.

»Weißt du, beim letzten Mal mussten wir ihn regelrecht hierher schleifen. Und heute hat er von selbst angerufen und uns eingeladen«, erklärt mir der Blonde mit einem verschmitzten Grinsen, während Leo ihn mit bösen Blicken traktiert. Ich grinse zurück. Das ist ja interessant. Da habe ich wohl doch einen bleibenden Eindruck bei Leo hinterlassen.

»Lass es, Marcel«, zischt Leo gereizt.

»Was denn? Ist doch die Wahrheit.«

Leo stellt mit einem Ruck die Flasche auf den Tresen, sodass einige Tropfen aus dem Flaschenhals heraustreten.

»Ich gehe tanzen!«, brummt er und verschwindet auf die Tanzfläche. Seine beiden Freunde zucken mit den Schultern, folgen ihm jedoch. Ich mache mich wieder an die Arbeit, bediene einige andere Männer und flirte mit ihnen, doch mein Blick huscht immer wieder zu Leo, der sich zum Takt der Musik bewegt. Ich komme nicht drum rum, ihn ein wenig zu bewundern. Wie sich sein schlanker Körper zum Beat bewegt, gefällt mir. Und nicht nur mir, wie ich bedauerlicherweise feststellen muss. Ein großer Mann nähert sich ihm. Ohne Scheu schlingt er seine Arme um Leos Taille und presst den Körper eng gegen seinen. Dann flüstert er Leo etwas ins Ohr, was wohl ein eindeutiges Angebot ist, mit ihm im Darkroom zu verschwinden. Ein bisschen zu schwungvoll stelle ich das Glas mit dem bestellten Cocktail vor einem Mann ab.