Lovesongs for Louis - Katharina B. Gross - E-Book

Lovesongs for Louis E-Book

Katharina B. Gross

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Beschreibung

Nach Auflösung der erfolgreichen Boyband 5Minutes weiß Louis einfach nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er verliert sich in seinem Liebeskummer zu seinem ehemaligen Bandkollegen Marc, der nach seiner erfolgreichen Solokarriere noch unerreichbarer für Louis geworden ist. Während Marc mit seiner Musik Frauenherzen höherschlagen lässt und ganze Stadien füllt, versucht Louis sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen und von vorne zu beginnen. Dabei hilft es, dass er einen Mann kennenlernt, zu dem er sich sofort hingezogen fühlt. Doch kann er Marc so schnell vergessen? Und wieso sucht Marc nach langer Funkstille plötzlich wieder seine Nähe? Teil 2 der Lovesongs-Dilogie Band 1: Lovesongs for Alex

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Seitenzahl: 374

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Katharina B. Gross

Lovesongs

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2021

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover. Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte: © dwphotos – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-494-0

ISBN 978-3-96089-495-7

Inhalt:

Nach Auflösung der erfolgreichen Boyband „5Minutes“ weiß Louis einfach nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er verliert sich in seinem Liebeskummer zu seinem ehemaligen Bandkollegen Marc, der nach seiner erfolgreichen Solokarriere noch unerreichbarer für Louis geworden ist.

Während Marc mit seiner Musik Frauenherzen höherschlagen lässt und ganze Stadien füllt, versucht Louis sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen und von vorne zu beginnen. Dabei hilft es, dass er einen Mann kennenlernt, zu dem er sich sofort hingezogen fühlt.

Playlist

1. Me and My Broken Heart (Rixton)

2. Be Alright (Dean Lewis)

3. Chasing The Sun (The Wanted)

4. Love Someone (Lukas Graham)

5. Play with fire (Nico Santos)

6. Too much too ask (Niall Horan)

7. Don't let it break your heart (Louis Tomlinson)

8. Chances (Backstreet Boys)

9. Miss you (Louis Tomlinson)

10. No Control (One Direction)

11. Lie to me (5 Secounds of Summer)

12. Let's be Lovers tonight (Rea Garvey)

13. Love again (New Hope Club)

14. Happy now (Kygo ft. Sandro Cavazza)

15. Two of us (Louis Tomlinson)

16. Somebody to you (The Vamps ft. Demi Lovato)

17. I Won't give up (Jason Mraz)

18. Falling (Harry Styles)

19. Better (Lena ft. Nico Santos)

20. If I can’t have you (Shawn Mendes)

21. Incomplete (Backstreet Boys)

22. Now and Forever (Richard Marx)

Kapitel 1. Me and My Broken Heart (Rixton)

-Louis-

Ich ziehe mir meine Beanie tiefer in die Augen und sehe mich unsicher in dem überfüllten Flughafen um. Mir ist es unangenehm, dass mich die Leute immer noch anstarren, obwohl ich so gut es geht versucht habe, mein Aussehen zu verändern. Seit dem Ende von 5Minutes, deren Mitglied ich drei Jahre lang gewesen bin, trage ich meine Haare länger und nicht mehr pechschwarz, sondern irgendwas zwischen straßenköterblond und hellbraun. Meine mittlerweile achtjährige Cousine Betty hat sich kringelig gelacht, als mir beim Entfärben die schwarze Farbe über das Gesicht gelaufen ist, denn ich wollte mein Äußeres verändern. Obwohl ich nicht mehr im Musikgeschäft aktiv bin, gibt es immer noch Fans, die mich auf der Straße ansprechen und Fotos mit mir machen wollen.

Das letzte halbe Jahr war wirklich hart für mich, ist es eigentlich immer noch. Ich komme einfach nicht damit klar, dass ich keine Musik mehr machen kann. 5Minutes, die damals bekannteste britische Boyband, hat sich nach dem verdammt spektakulären Konzert im Februar offiziell getrennt. Die Bandmitglieder haben sich in alle Winde verstreut. Tyler wohnt mit seiner Katy auf dem Land. Sie erwarten bereits das erste Kind. Rick ist zu seinem Freund Alex nach Köln gezogen. Vor einigen Monaten hat Alex darauf bestanden, dass ich die beiden in ihrer Wohnung besuchen komme, doch bisher konnte ich mich nicht dazu aufraffen, sein Angebot anzunehmen. Matt spielt bei einer Serie mit, die gerade im Fernsehen ausgestrahlt wird. Marc hat eine Solokarriere gestartet und befindet sich auf seiner ersten Englandtour. Und ich? Ich habe mich bei meinen Eltern verkrochen, um mich in Selbstmitleid zu suhlen. Weil ich meine Freunde vermisse. Und weil ich immer noch in Marc verknallt bin, obwohl er nichts von mir wissen will.

»Ist das nicht Louis Adams?«, höre ich ein Mädchen etwas abseits von mir jemanden fragen. Ich drehe mich nicht zu ihr um, sondern gehe weiter, die Hände tief in den Hosentaschen meiner Jeans vergraben und den Kopf gesenkt. Wann zur Hölle landet Julis Flugzeug endlich? Ungeduldig ziehe ich mein iPhone aus der Hosentasche und vergleiche die Ankunftszeit aus ihrer Nachricht nochmal mit der Anzeige in der Ankunftshalle. Die Maschine aus Konstanz ist bereits gelandet. Warum also dauert es so lange?

Unruhig sehe ich mich um, lasse meinen Blick über die Menschenmenge in der Halle gleiten und erkenne inmitten anderer Passagiere, die gerade durch die Gepäckkontrolle gehen, meine beste Freundin Juliane.

»Louis!«, ruft sie erfreut und winkt mir mit der freien Hand wild zu, während sie mit der anderen ihren Handgepäcktrolley hinter sich herzieht. Erneut bemerke ich, wie sich Leute tuschelnd nach mir umdrehen. Langsam werde ich unruhig. Seitdem ich meine Musikkarriere an den Nagel gehängt habe, versuche ich so gut es geht inkognito zu bleiben. Ehe ich etwas erwidern kann, fliegt mir Juli so stürmisch um den Hals, dass sie mir fast die Sonnenbrille von der Nase reißt.

»Nicht so laut«, ermahne ich sie, doch die Freude darüber, sie endlich wieder in die Arme zu schließen, überwiegt eindeutig. Ich habe sie wirklich vermisst! Unser letztes Treffen liegt eine Ewigkeit zurück. Zumindest fühlt es sich so an, obwohl nur wenige Monate seit dem Abschlusskonzert vergangen sind, auf dem auch Juliane gewesen ist. Eigentlich wollte ich Juli nicht sehen, habe eine ganze Weile ihre Nachrichten ignoriert und gehofft, dass sie mich mit meiner Trauer allein lässt. Aber so ist sie nicht. Meine beste Freundin ist nach ihrer Abiprüfung einfach ins Flugzeug gestiegen und hergeflogen. Total verrückt, aber so ist Juli nun mal. Und dafür liebe ich sie. Mit ihrer fröhlichen Art hält sie mich davon ab, den Kopf komplett in den Sand zu stecken.

Meine Freundin sieht mich mit einem warmen Lächeln an und irgendwie kann ich nicht anders, als es zu erwidern. Meine Mundwinkel zucken. Es fühlt sich total merkwürdig an, zu lächeln, weil ich es so lange schon nicht mehr getan habe.

»Sorry«, entschuldigt sich Juli, aber so wie sie aussieht, tut es ihr gar nicht leid. Sie pikst mir mit dem Zeigefinger in die Wange. »So siehst du viel besser aus, Banana!«

Mein Lächeln wird breiter und ich drücke Juli ganz fest an mich, vergrabe mein Gesicht in ihrem dunkelbraunen Haar und atme den Duft ihres Parfüms ein.

»Ich habe dich wirklich vermisst«, gestehe ich. Obwohl ich sie nicht sehen wollte, weil ich genau weiß, dass ich vor Juli nichts verbergen kann. Seltsamerweise ist sie die einzige Person, die mich sofort durchschaut. Nun ist es jedoch schön, sie bei mir zu haben. Gerade jetzt, wo mir zu Hause die Decke auf den Kopf fällt.

»Natürlich hast du mich vermisst, du Idiot. Wer bitte kann es denn so lange ohne Freunde aushalten?« Sie sieht mich vorwurfsvoll an und zupft an meinem Pony, der unter der Mütze hervorlugt. »Und was hast du nur mit deinen Haaren gemacht? Das sieht furchtbar aus!«

»Betty«, sage ich bloß und hoffe, dass es Erklärung genug ist. »Sie war der Meinung, ich würde es nicht alleine hinbekommen, also wollte sie mir helfen.«

Juli schüttelt missbilligend den Kopf. »Du lässt deine kleine Cousine an deine Haare? Gott, Lou, du bist wirklich bescheuert. Das müssen wir unbedingt ausbessern. Aber keine Angst, jetzt bin ich ja hier.« Sie löst sich von mir und schlägt sich mit der Hand gegen die Brust. »Ich werde dafür sorgen, dass du wieder wie ein Mensch aussiehst.«

Jetzt muss ich wirklich lachen. Es klingt fremd in meinen Ohren, aber irgendwie ist es ein gutes Gefühl.

»Komm, ich helfe dir mit dem Koffer.« Ich greife nach ihrem Koffer und hebe ihn an. »Scheiße, was hast du denn da drin? Steine?«

Juliane läuft kichernd neben mir her, als wir die Halle verlassen. »Ich muss doch für alles gerüstet sein. Das Wetter hier ist unberechenbar. Bei uns in Deutschland ist der Sommer gerade furchtbar heiß, aber hier friere ich jetzt schon.«

»Juli, du bleibst nur ein paar Tage. Was zur Hölle brauchst du denn bitte für diese kurze Zeit?«

»Ich bin eine Frau. Vergiss das nicht.«

Über diesen Kommentar kann ich nur die Augen verdrehen. Hat sie vergessen, dass ich länger im Bad brauche als sie? Zumindest habe ich das damals, als ich mir noch etwas aus meinem Aussehen gemacht habe. Meine Haare mussten immer perfekt aussehen, wenn ich in der Öffentlichkeit aufgetreten bin. Jetzt sind sie jedoch eine einzige Katastrophe, wie ich es aus Julis Aussage heraushören kann. Ein Gutes hat mein Aufzug jedoch: Wir werden nicht von irgendwelchen Fans angesprochen und können problemlos den Flughafen verlassen.

»Wo ist eigentlich dein Bodyguard? Dieser große, immer grimmig dreinblickende Kerl, den ich beim Meet & Greet gesehen habe?«

»Chris arbeitet nicht mehr für mich«, antworte ich ihr und öffne den Kofferraum meines Wagens, den ich auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem Flughafen abgestellt habe. Auch etwas, an das ich mich erst gewöhnen musste. Kein Fahrdienst mehr. Kein Koffertragen. Alles muss man selbst erledigen. Normalerweise macht es mir nicht so viel aus, denn auch früher fand ich es lästig, wie Chris mir immer und überall hin gefolgt ist. Doch jetzt muss ich für jede Erledigung unter Leute gehen, wovor es mir immer wieder graut.

Ich verstaue den Koffer und öffne Juli die Beifahrertür meines Wagens.

»Ich bin kein Popstar mehr, wozu brauche ich da einen Bodyguard?«

»Du bist immer noch Louis Adams, und da draußen gibt es verdammt viele Menschen, die darauf hoffen, dass du endlich aus deinem Loch hervorkriechst.« Sie verschränkt die Arme vor der Brust und mustert mein Auto einen Moment, ehe sie auf dem Beifahrersitz Platz nimmt. »Außerdem habe ich gedacht, du fährst einen Porsche.«

Mit einem amüsierten Grinsen gehe ich um das Auto herum und steige ebenfalls ein. »Einen Porsche? Nicht jeder fährt so eine Prollkarre wie Rick. Marc ist zum Beispiel noch ewig seinen alten Golf 3 gefahren, bis die Kiste letztes Jahr den Geist aufgegeben hat und …«

Augenblicklich spüre ich ein Stechen in der Brust. Marc … Immer noch geistert er in meinen Kopf herum. Noch schlimmer, ich bekomme den Kerl nicht aus meinem Herzen, auch wenn ich ganz genau weiß, dass meine Gefühle hoffnungslos sind. Marc hat eine Familie, ihm ist es gleich, wie ich mich fühle, denn unser Kontakt ist ebenso abgebrochen wie zu den anderen Jungs. Während Alex mich immerhin noch ab und zu auf dem Laufenden hält, wie es bei ihm und Rick läuft, und ich auch selten, aber wenigstens alle paar Monate, ein kurzes Lebenszeichen von Matt und Tyler über Twitter bekomme, herrscht zwischen Marc und mir absolute Funkstille.

Mein Gesicht verhärtet sich, ich presse die Lippen fest aufeinander und konzentriere mich auf die Straße. Verdränge jeden weiteren Gedanken an ihn, versuche, sein lachendes Gesicht nicht heraufzubeschwören und einfach nicht mehr daran zu denken, wie viel Spaß wir noch vor Kurzem als Band zusammen gehabt haben. Diese Zeiten werden nicht zurückkehren, egal, was unsere Fans hoffen.

»Ach, Lou …« Meine Freundin legt mir kurz die Hand auf den Arm. »Jetzt bin ich hier, okay? Jeder Gedanke an Marc ist ab sofort tabu. Wir werden zusammen Spaß haben, damit das klar ist. Und -« Sie dreht sich zum Fenster. »Halt hier mal an!«

Ich bremse das Auto und halte an der nächsten Kreuzung.

»Was ist denn?«, will ich irritiert wissen. Bis zu meinem Elternhaus ist es nicht mehr weit, wieso will Juli jetzt plötzlich aussteigen?

»Ich habe eben eine Drogerie gesehen. Bin gleich zurück. Und wage es ja nicht, einfach wegzufahren und mich hier alleine zu lassen.« Schon knallt die Autotür zu und meine Freundin flitzt davon. Seufzend lehne ich meine Stirn gegen das Lenkrad. Als ob ich sie hier alleine lassen würde. Sie würde sich doch gar nicht zurechtfinden, geschweige denn es alleine bis zu unserem Haus schaffen, da wir nie darüber gesprochen haben, wo meine Eltern wohnen. Ungeduldig trommele ich mit den Fingern auf dem Lenkrad herum, während ich auf Juliane warte. Es ist mir immer noch etwas peinlich, dass ich so gemein zu ihr gewesen bin, obwohl sie nur versucht hat, mich mit ihren unzähligen Nachrichten aufzuheitern. Doch die Trennung der Band hat mir einfach den Rest gegeben, sodass ich einfach nur allein sein wollte. Zwar habe ich den Jungs zu Beginn immer wieder versichert, dass ich mit der Trennung der Band klarkomme, aber das tue ich ganz und gar nicht. Ich brauche immer noch Zeit, um über meinen Schmerz hinwegzukommen, dass Marc meine Gefühle nie erwidern wird. Und es tut immer noch verdammt weh, an ihn zu denken, wenn ich Bilder von ihm und Catherine auf Twitter oder Instagram sehe, oder einen Song von ihm im Radio höre. Ich sollte ihn blockieren, ihm einfach nicht mehr folgen und ihn ignorieren, aber nein – ich muss mich immer noch selbst geißeln und täglich auf seinen Social Media Profilen nach Neuigkeiten ausschauhalten. Manchmal fühle ich mich regelrecht wie besessen von ihm und hasse mich dafür, weil ich einfach nicht stark bleiben kann.

»Da bin ich wieder«, sagt Juli, die bereits wieder eingestiegen ist und mir eine kleine Plastiktüte vor die Nase hält. »Dein neues Ich ist hier drin. Sobald ich mit dir fertig bin, siehst du aus wie ein ganz neuer Mensch. Versprochen.« Ihre Augen funkeln regelrecht bei dem Gedanken, mein Aussehen zu verändern. Oh Mann, das kann ja heiter werden. Ich setze den Blinker und lenke das Auto wieder auf die Straße. Nach wenigen Minuten biege ich in unsere Wohnsiedlung.

»Hier wohnst du?«, fragt meine Freundin überrascht, während sie aus dem Fenster sieht.

»Jep.«

»Beeindruckend.«

Ich versuche, unsere Straße mit ihren Augen zu sehen. Die alten Einfamilienhäuser aus Stein sind alle fast gleich groß und genauso alt wie die Queen. Hier gibt es kaum ein neues Haus. Die Vorgärten sind ordentlich gepflegt, die Büsche gestutzt, selbst die Autos parken vorbildlich in den Höfen. Die Straße wirkt friedlich, wie aus einem alten Film.

»Also, da wären wir«, meine ich und schalte den Motor ab. Dann steige ich aus und hole Julianes Koffer. Sie verlässt das Auto und betrachtet mit prüfendem Blick mein Elternhaus.

»Sieht aus wie aus einer anderen Zeit.«

»Das Haus hat meiner Uroma gehört. Wunder dich nicht, die Dielen quietschen furchtbar. Als ich klein war, hatte ich fürchterliche Angst im Dunkeln durch das Haus zu schleichen, wenn ich nachts auf die Toilette musste. Hier zieht es nachts wie in einem Spukhaus.«

Juli kichert leise, während ich die Haustür aufschließe. »Bin wieder da.«

Sofort höre ich Kinderschritte auf den Holzdielen und Betty kommt barfuß auf uns zugeeilt. Bevor sie mir jedoch wie üblich in die Arme springt, bremst sie ab und starrt Juli aus großen Kinderaugen an. Dann legt sie ihren Kopf schief, die Stirn in Falten gelegt.

»Ist das deine Freundin?«, fragt sie mich neugierig.

»Jep. Das ist Juliane«, stelle ich meine Freundin vor. Juli kennt meine Cousine von Fotos, die ich ihr geschickt habe, als wir noch regelmäßig in Kontakt standen.

»Hey Betty«, grüßt Juli mit einem freundlichen Lächeln.

Betty kommt näher. »So richtig mit Knutschen und so? Hast du wegen ihr so viel geweint und diese traurige Musik gemacht?«

Ich laufe augenblicklich rot an. Wie kommt sie nur auch diese verrückte Idee? »Betty!«

»Was denn? Das haben wir in der Schule gelernt«, verteidigt sich meine Cousine trotzig. Juli bricht in schallendes Gelächter aus.

»Ich glaube, da hätte mein Freund etwas gegen. Chris ist nämlich echt eifersüchtig«, klärt sie meine Cousine zwinkernd auf.

»Ach so. Schade. Ich finde dich nämlich hübsch«, meinte Betty schulterzuckend und wendet sich zum Gehen. So schnell ihr Interesse gekommen ist, so schnell verschwindet es wieder. Meine kleine Cousine ist in dieser Hinsicht ein wenig seltsam, aber sie ist schließlich noch ein Kind. Kurz schaue ich Betty nach, wie sie die Treppe hinauf zu ihrem Kinderzimmer erklimmt, dann wende ich mich wieder Juliane zu, die neben mir im Flur steht. Ihre Hände zittern und ihr Gesicht ist zu einer Maske erstarrt.

»Hey, alles okay?«, frage ich sogleich besorgt, denn für einen kurzen Augenblick ist ihre Fröhlichkeit, die sie bis eben noch an den Tag gelegt hat, verschwunden. »Ist was mit Chris vorgefallen?«

Ich habe sofort bemerkt, dass etwas nicht stimmt, als sie seinen Namen erwähnt hat. Sie wirbelt zu mir herum.

»Wir … wir haben uns gestritten und …« Ihr Blick wird für einen Moment trüb, doch dann lächelt sie mich plötzlich an. »Ach, egal. Lass uns nicht über unsere Männer reden, okay? Die nächsten Tage gehören nur uns beiden, Lou. Keine trüben Gedanken!«

»Chris ist ein Arsch«, sage ich vorsichtig. Scheiße, ich würde Juli gerne trösten, denn sie scheint wegen Chris ziemlich durcheinander zu sein, obwohl sie versucht, es herunterzuspielen. Dabei ist sie vor Kurzem so glücklich gewesen, weil sie endlich mit ihm zusammen sein kann.

»Willst du mir nicht mein Zimmer zeigen?«, lenkt sie vom Thema ab und lächelt mich an. Ich nicke und gehe mit dem Koffer voraus die Treppe hinauf. Das Holz knarzt unter jedem meiner Schritte. Meine Mutter hat das Bett im Gästezimmer frisch bezogen.

»Hoffentlich ist das Zimmer okay für dich?«, frage ich, nachdem ich die Tür mit dem Fuß aufgestoßen habe. Ein wenig umständlich schiebe ich den Koffer hinein. »Es liegt genau neben meinem Zimmer. Solltest du dich also fürchten, könntest du zumindest ziemlich schnell bei mir sein.«

»Wenn ich dann auch unter deine Bettdecke schlüpfen darf?« Meine Freundin lässt ihre Handtasche aufs Laken fallen, dann setzt sie sich. »Fühlt sich bequem an.«

Ich nicke zustimmend, dann bleibe ich unschlüssig vor ihr stehen, schiebe meine Hände in die Hosentaschen meiner schwarzen Jeans und sehe zu Boden. Plötzlich fühlt es sich komisch an, sie hier in unserem Haus zu haben. Bisher ist dieser Ort meine Zuflucht gewesen, wenn ich Abstand vom Promileben gebraucht habe. Bis auf meiner Familie war nie jemand anderes um mich herum. Irgendwie habe ich mich so an das Alleinsein gewöhnt, dass ich kaum weiß, worüber ich jetzt mit Juliane reden sollte.

»Ah, warte. Ich habe dir etwas mitgebracht!«, ruft meine Freundin nach einigen Sekunden des Schweigens und beginnt, in ihrer überdimensionalen Handtasche zu wühlen. Ich beäuge sie misstrauisch. Was hat sie denn über die Grenze geschleust? Die Tasche ist riesig, dort könnte man locker einen kleinen Hund verstauen. Oder eine Katze. Oder Bettys Riesenteddybären, den ich ihr zu Weihnachten geschenkt habe.

Juli wickelt etwas Unförmiges aus der Alufolie, dann hält sie ihr Mitbringsel hoch. »Tadaaa. Ich habe dir Bananen mitgebracht«, verkündet sie stolz. Verwirrt sehe ich erst sie, dann die drei Bananen in ihrer Hand an.

»Ähm … okay. Du hättest sie nicht mitnehmen müssen. Meine Mom hat gestern auch Bananen gekauft. Wir haben noch welche.«

»Das ist eine symbolische Geste, du Depp!«, entgegnet Juliane beleidigt und richtet die Bananen auf mich, als wären sie eine Waffe. Instinktiv hebe ich die Hände.

»Iss oder stirb?« Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. Juli ist kaum zwei Stunden hier und schon geht es mir tausendmal besser als in den letzten Monaten. Ob ich wohl fragen kann, ob sie nicht doch länger bleiben will?

Juli lacht auf. »Wenn du es so sehen willst, dann betrachte es als ein ja.«

Ich nehme ihr eine der Bananen ab, die sie für mich vom Bund getrennt hat, und setze mich neben sie aufs Bett. Das Obst hat bereits einige schwarze Druckstellen, aber die Geste zählt, so wie Juli gesagt hat. Ich löse die Schale und beiße ab. Himmlisch! Genießerisch schließe ich die Augen und seufze wohlig. Ich liebe Bananen einfach über alles. Juli legt den Kopf schief und sieht mich an.

»Was ist?«, frage ich kauend.

»Weißt du was? Ich glaube, ich verstehe jetzt, warum Marc es nicht ausgehalten hat, dich beim Essen zu beobachten.« Ihre Augen funkeln amüsiert.

»Ich dachte, wir wollten seinen Namen nicht erwähnen?«, frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Denn sogleich beginnt mein Herz schneller zu schlagen.

»Ja. Das habe ich gesagt. Aber weißt du, dass du einfach nur verdammt heiß aussiehst, wenn – Gott, das klingt jetzt sicher total daneben – du eine Banane im Mund hast?«

Mir bleibt der Bissen fast im Hals stecken, den ich gerade herunterschlucken will. Ich lasse die halb aufgegessene Banane in meinen Schoß fallen, greife mir mit den Händen an den Hals und beginne zu husten.

»Er … was?!«, krächze ich. Hitze steigt in meine Wangen. Fürsorglich klopft Juliane auf meinen Rücken.

»Du siehst dabei heiß aus. Was hast du davon jetzt nicht verstanden? Und ich sage dir das jetzt als deine beste Freundin, okay?«

»Nein, das danach, das mit … Marc.« Mein Hustenanfall ebbt ab.

»Ach, das!« Juli wackelt vielsagend mit ihren Augenbrauen. »Ich glaube, dein Freund hat sich nur deshalb über deine Vorliebe für Bananen beschwert, weil du dabei verdammt verführerisch ausgesehen hast. Also wäre ich Marc, dann würde mich dieser Anblick nicht kaltlassen!« Sie zuckt die Achseln, grinst dabei jedoch übers ganze Gesicht.

»Mensch, Juli, jetzt hör bloß auf herumzuspinnen«, keuche ich und schubse sie leicht zur Seite.

»Was denn? Hast du nicht gewusst, dass man Leute nicht ansehen sollte, wenn man gerade eine Banane isst?« Sie hält sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen.

»Woher hast du denn diesen Quatsch?«

»YouTube.«

»Und überhaupt, dass mit Marc, das ist doch nur eine Vermutung …« Eine Vermutung, die meinen Puls erneut in die Höhe treibt. Wenn ich nicht ganz genau wüsste, wie aussichtslos alles ist, hätte ich ihr geglaubt. Ich passe nicht in sein neues Leben, nicht einmal als Freund. Denn wäre er an einer Freundschaft mit mir noch interessiert, hätte er sich doch wenigstens einmal gemeldet, oder? Traurig schaue ich auf die halbe Banane in meinem Schoß.

Juli stupst mich an. »Lou?«

»Mh?«

»Denk nicht mehr an Marc, okay?«

»Ich dachte, wir wollten seinen Namen nicht mehr nennen?«, wiederhole ich noch einmal.

Meine Freundin schenkt mir ein Lächeln.

»Okay, dann denk nicht mehr an du-weißt-schon-wen. Jetzt bin ich ja da, um dich abzulenken. Und ich möchte ganz viel unternehmen.«

»Gut. Und das da wäre?«

»Fürs Erste könntest du mir dein Zimmer zeigen. Außerdem wartet noch deine schicke, neue Frisur auf dich.« Zwinkernd deutet sie auf ihre Handtasche, in der sie die Tüte mit der Haarfarbe verstaut hat. Hoffentlich hat sie eine bessere ausgesucht, als ich damals. Meine Mutter hat sowieso gefragt, warum ich nicht einfach zum Friseur gegangen bin, statt Selbstexperimente zu veranstalten. Ich habe mich jedoch so kurz nach der Auflösung der Band nicht unter Leute getraut. Die Schlagzeilen, Nachrichten, einfach alles war voll von Storys über die Trennung. Journalisten haben hier vor dem Haus gewartet, um ein Statement von mir zu bekommen. Zum Glück konnte mein Vater alle Reporter erfolgreich abwimmeln. Mit der Zeit wurde es weniger und jetzt fragt kaum jemand noch nach mir. Wie schnell das Interesse der Fans doch abebbt, wenn man nicht mehr so präsent ist. Meinen Twitter und Instagram Account habe ich seitdem auch nicht mehr gepflegt, das schien mir einfach nicht wichtig. Auf die Nachrichten, die ich seitdem bekommen habe, werde ich vermutlich auch gar nicht antworten.

»Dann komm mit rüber«, entgegne ich und erhebe mich vom Bett, um in mein Zimmer zu gehen. Juliane folgt mir. Neugierig sieht sie sich um, nachdem ich sie hereingelassen und die Tür hinter uns geschlossen habe. Betty ist im Zimmer nebenan und spielt mit ihren Puppen, soweit ich es dem Geräuschspiegel von drüben entnehmen kann. Vermutlich sind ihre Puppen gerade zu einer Teeparty eingeladen, denn ich höre sie drüben reden. Die Wände in unserem Haus sind nicht wirklich dick.

»Ist nicht wirklich aufgeräumt«, wende ich verlegen ein, weil Juli immer noch nichts gesagt hat. Sie geht zum Fenster und zieht das Rollo hoch, damit Tageslicht den Raum erhellt. In den letzten Monaten habe ich mein Zimmer nur wenig verlassen. Die Nachricht über ihren Besuch kam so überraschend, dass ich keine Zeit gefunden habe, hier Ordnung zu schaffen. Klamotten stapeln sich auf der Couch und auf dem Schreibtisch, das Bett ist nicht gemacht und ich glaube, irgendwo steht noch der Teller vom gestrigen Abendessen. Auf dem Boden liegen Zettel mit Songtexten, einige zusammengeknüllt, einige zerrissen.

Juliane beugt sich nach einem Blatt Papier und überfliegt den Inhalt.

»Du schreibst?«, fragt sie mich neugierig. Ich zucke mit den Schultern.

»Na ja, irgendwie muss ich meinen Tag ja rumkriegen.«

»Sag mir jetzt nicht, dass du den ganzen Tag alleine hier in deinem Zimmer sitzt und Trübsal bläst? Du musst doch etwas mit deinem Leben anfangen, Lou. Nur, weil du jetzt keine Musik mehr machst, heißt es doch noch lange nicht, dass alles vorbei ist. Dein Leben geht trotzdem weiter. Was ist denn mit deinen Freunden? Es gibt doch sicher genug Leute, die dich mögen, obwohl du kein Popstar mehr bist.«

»Ähm … ich habe mich ewig nicht mehr bei ihnen gemeldet«, sage ich kleinlaut, schiebe einen Stapel Zeitschriften vom Bett und setze mich.

Juli schüttelt streng den Kopf und verschränkt die Arme vor der Brust. »So geht das nicht! Ein Glück bin ich hergekommen.«

Natürlich weiß ich, dass sie recht hat. Meine Eltern haben schon dasselbe zu mir gesagt, aber ich brauche noch Zeit, um mit mir selbst ins Reine zu kommen.

»Ich hatte mir überlegt, vielleicht zu studieren …«, meine ich schließlich und ziehe instinktiv meine Akustikgitarre auf meinen Schoß, die an den Bettpfosten gelehnt steht. Einen Job brauche ich nicht, weil mein Konto gut gedeckt ist. Lediglich eine Beschäftigung, um mich von meinen trüben Gedanken abzulenken.

»Das ist doch eine gute Idee«, stimmt meine Freundin mir zu, rückt das Kissen beiseite und setzt sich neben mich.

»Singst du mir etwas vor?«

»Wenn du möchtest. Was willst du hören?«

»Lovesong for you«, antwortet meine Freundin. Dieses Lied hat Rick für Alex geschrieben. Das letzte Lied auf unserem Abschlusskonzert. Das Lied, das niemals auf einem Album zu hören sein wird, quasi eine Premiere vor ausverkauftem Publikum. Unser Manager Robert hat zähneknirschend zugestimmt, dieses Lied zu performen, weil unsere Anwälte ihm Druck gemacht hatten. Vielleicht gibt es ein paar Mitschnitte des Songs auf YouTube, ganz genau weiß ich das nicht, weil ich nicht online danach gesucht habe. Ich positioniere meine Hände auf den Saiten der Gitarre und stimme die ersten Akkorde des Songs an.

Every second without you is like an hour

every day without you is like a year,

There's no way I'm gonna go without you

There's nothing I'm gonna do without you …

Ich stocke, mir schnürt sich die Kehle zu.

»Was ist los?«, will Juli sogleich wissen.

»Irgendwie fühlt es sich nicht richtig an, dieses Lied zu singen. Es ist Ricks Song …«, erkläre ich stockend und lege die Gitarre zur Seite. Juli legt ihre Stirn in Falten und mustert mich eindringlich.

»Hast du denn in letzter Zeit was von den Jungs gehört?«, frage ich nach einer Weile, die wir schweigend nebeneinander auf meinem Bett sitzen.

»Meinst du von Alex und Rick?«

Ich nicke. Zwar hat Alex mir ein paar Mal geschrieben, aber da ich ihm kaum noch geantwortet habe, hat er es irgendwann aufgegeben. Was bin ich doch für ein schlechter Freund. Juli hat recht, ich sollte mich nicht völlig von der Welt abkapseln.

»Ihnen geht’s super«, erzählt Juli. »Ich konnte die beiden zwar nicht besuchen, weil ich wegen dem Abi und –« Kurz stockt sie, überlegt, ob sie seinen Namen aussprechen soll oder nicht. »Chris so viel um die Ohren hatte. Aber Lisa trifft sich oft mit Alex. Sie sagt sogar, dass Rick mittlerweile ganz passabel deutsch spricht und ein paar Probekurse an der Uni besucht. Wirtschaftswissenschaften. Hättest du das je vermutet? Ich habe ja eher geglaubt, dass er sich für ein Musikstudium einschreiben würde im kommenden Semester. Vielleicht ändert er seine Meinung ja noch, ich stelle mir Wirtschaft ziemlich öde vor.«

»Oder Lehramt«, überlege ich. Richards Vater ist Lehrer gewesen. Ich hatte ihn damals in Kunst, als ich noch zur Grundschule ging. Zu dieser Zeit habe ich jedoch nicht gewusst, dass der Sohn von Mr Clark einmal einer meiner besten Freunde sein würde. Freunde … Tja, ich habe mir wohl selbst ein Eigentor geschossen, meinen Freunden den Rücken zu kehren. Kein Wunder, dass ich immer noch alleine hier sitze, während sich das Leben der Anderen weiterdreht. Statt es nur aus der Ferne zu betrachten, sollte ich mich bemühen, wieder ein Teil davon zu werden. Ruckartig drehe ich mich zu Juliane um, sodass sie überrascht die Augen aufreißt.

»Ich hab’s mir überlegt. Lass uns Mission Typveränderung starten.«

***

»Oh Kinder, ich wollte euch gar nicht stören. Eigentlich wollte ich Juliane nur kennenlernen, aber … Louis, du hast mir gar nicht gesagt, dass sie diese Art von Freundin für dich ist.« Sie sieht mich vorwurfsvoll an. Erschrocken starre ich zurück, während Juli laut loslacht. Schnell verschränke ich die Arme vor meiner bloßen Brust, was totaler Blödsinn ist, weil ich nichts zu verstecken habe. Ich hocke nur in meiner Jeans auf dem Beckenrand der Badewanne, während Juliane neben mir sitzt und an der Verpackung der Haarfarbe herumfummelt.

»Mom! Juli ist nur eine Freundin, okay? Und jetzt raus hier!« Meine Wangen glühen.

»Schon gut, schon gut. Hättest ja auch abschließen können. Ich wollte nur sehen, wo ihr steckt, um euch zum Abendessen zu rufen. Es gibt Irish Stew, das magst du doch so gerne.« Meine Mutter hebt abwehrend die Hände, dann verlässt sie rückwärts das Badezimmer und zieht die Tür hinter sich zu.

»Was ist denn los?«, höre ich die Stimme meines Vaters aus dem Flur.

»Die Kinder haben sich im Bad eingeschlossen«, antwortet meine Mutter, als würde dieser Satz alles erklären.

»Eure Wände sind tatsächlich nicht wirklich dick«, meint Juli lachend, als sie endlich die Plastikhandschuhe aus der Folie befreit hat und sich wieder aufrichtet.

»Eltern!« Mir entfährt ein Seufzer. Genervt verdrehe ich die Augen.

»Wem sagst du das«, bestätigt Juli nickend. »Und jetzt los, Kopf über die Badewanne.«

Eine Stunde später sitze ich vollständig bekleidet mit Juli am Küchentisch beim Abendessen. Meine Haare sind jetzt schokobraun, was mir außerordentlich gut gefällt. Der Ton trifft beinahe meine natürliche Haarfarbe, die früher immer ein wenig heller gewesen ist. Zu Beginn meiner Musikkarriere hat der Stylist meine Haare rabenschwarz gefärbt, damit sie mit meiner schwarzen Kleidung und meinem neuen Image harmonierten.

»Das Stew schmeckt wirklich super, Mrs Adams«, lobt Juli die Kochkünste meiner Mutter. Ein wenig lustlos stochere ich in meinem Eintopf herum. Normalerweise esse ich das Irish Stew meiner Mutter unheimlich gerne, aber seit Wochen habe ich einfach keinen Appetit.

»Danke. Aber nenn mich doch bitte Olivia. Mrs Adams klingt viel zu förmlich«, sagt meine Mutter lächelnd. Juli nickt. Mom kommt aus Irland, deshalb gibt es bei uns sehr häufig Stew oder andere traditionelle Gerichte. Glücklicherweise habe ich nicht Mutters leuchtendrotes Haar geerbt, sondern das braune meines Vaters. Sonst hätten wohl die Stylisten vermutlich wirklich drauf bestanden, mir die Haare färben zu dürfen. Ich mochte das Schwarz eigentlich immer ganz gerne, aber die neue Haarfarbe gefällt mir jetzt beinahe noch besser.

»Du siehst anders aus, Lou«, stellt mein Vater fest, während er einen Schluck Limonade nimmt. Mit einer Hand streiche ich mir den Pony aus den Augen.

»Ich hatte dieses Mal einen etwas professionelleren Friseur«, antworte ich mit einem Grinsen in Bettys Richtung, die neben mir sitzt. Meine Cousine kichert amüsiert.

»Ich habe sowieso nicht verstanden, warum du nicht einfach zum Friseur gegangen bist, statt deine Cousine an deine Haare zu lassen«, meint meine Mutter kopfschüttelnd. »Betty, möchtest du noch Limonade?«

»Sie wollte doch nur helfen«, verteidige ich Betty und streiche ihr kurz über die blonden Locken, während sie meiner Mutter ihr Glas reicht.

»Aber trink nicht so schnell, sonst bekommst du Schluckauf«, kommentiere ich und halte Mom mein Glas ebenfalls hin, damit sie mir etwas von der selbstgemachten Zitronenlimonade nachgießen kann.

»Mache ich nicht«, sagt sie mit entschlossener Miene. Seit ihrem dritten Lebensjahr wohnt Betty bei uns, weil ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Als ihre nächsten Verwandten haben es meine Eltern als ihre Pflicht angesehen, das Kind zu uns zu nehmen. Sie ist mehr wie eine kleine Schwester als eine Cousine für mich. Keine Ahnung, ob sie sich an den Unfall erinnern kann, den sie nur knapp überlebt hat. Aber manchmal kommt sie nachts in mein Bett, weil sie Albträume plagen.

»Und, was habt ihr beiden Schönes vor?«, will mein Vater wissen.

»Ich hoffe mal, dass Louis mir die Stadt zeigt«, sagt Juli an mich gewandt. Ich nicke.

»Na endlich. Wird auch langsam Zeit, dass du vor die Tür kommst, Junge.«

»Wir haben uns solche Sorgen gemacht, weil du dich immer nur einschließt. Danke, dass du hier bist, Juli.« Meine Mutter lächelt Juliane an.

»Klar. Das versteht sich doch von selbst. Er hat sich kaum noch bei mir gemeldet, da musste ich einfach nach ihm sehen. Solange ich hier bin, werde ich es nicht dulden, dass Lou weiterhin nur in seinem Zimmer hockt und Moos ansetzt«, entgegnet meine Freundin mit breitem Grinsen. »Gleich morgen früh machen wir die Stadt unsicher!«

***

Es ist schon verdammt spät, aber der Schlaf will einfach nicht kommen. Unruhig wälze ich mich in meinem Bett. Das Haus ist still und dunkel. Ich höre nur das Klappern der Jalousie durch den Wind. Ich drehe mich auf den Rücken und verschränke die Arme hinter dem Kopf. Eine Tür weiter schläft Juli sicher bereits tief und fest. Sie ist müde gewesen von dem Flug und dem Abend mit meiner Familie. Außerdem wirkte sie traurig, obwohl sie es immer wieder zu verstecken versucht hat. Chris, dieser Mistkerl. Wie kann er nur eine Frau wie Juliane in den Wind schießen? Würde ich mich für Frauen interessieren, sie wäre meine erste Wahl.

Seufzend drehe ich mich herum, nehme mein iPhone vom Nachttisch und entsperre das Display. Einen Moment überlege ich, ob ich mir das schon wieder antun soll, doch dann öffne ich Instagram und gehe auf Marcs Profil. Er hat neue Bilder von seiner aktuellen Tour gepostet. Jetzt muss er in Manchester sein, glaube ich. Nein, eigentlich bin ich mir sicher, weil sich die Daten, die er vor Wochen auf Twitter mit seinen Fans geteilt hat, in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Ich war sogar kurz davor, mir ein Ticket für das Konzert in London zu kaufen, das er zu Tourbeginn gespielt hat, aber ich habe mich noch rechtzeitig zurückgehalten. Zu einem seiner Konzerte zu gehen, hätte bedeutet, ihn live zu sehen. Zu hören, wie er singt. Das hätte ich einfach nicht ausgehalten! Mir reichen schon die unzähligen Ausschnitte und Videos auf YouTube, denen ich trotz allem nicht widerstehen kann. Obwohl es schmerzt, an Marc zu denken, muss ich mir immer wieder seine Fotos oder Videos ansehen. Ich kann einfach nicht anders. Es ist beinahe eine Sucht und ich hasse mich dafür, weil ich ihn nicht vergessen kann, obwohl er mich anscheinend schon längst vergessen hat.

Ich scrolle durch die Fotos. Seit er solo unterwegs ist, ist Marc viel präsenter in den sozialen Netzwerken. Ständig twittert er oder postet Bilder aus seinem Leben. Meistens aus dem Tonstudio oder von irgendwelchen Liveauftritten. Ich öffne einen der neusten Beiträge und streiche kurz mit dem Zeigefinger über das Bild. Marc sieht gut aus. Aber das ist nichts Neues. Sein blondes Haar ist länger als früher, er wirkt ein wenig erwachsener und sein Blick ist ernster als gewöhnlich.

Ich wechsele den Feed und schaue mir Christines Fotos an. Marcs Freundin hat unendlich viele Bilder der kleinen Holly gepostet. Fast täglich schreibt sie einen neuen Beitrag und die Bilder des Babys haben unglaublich viele Likes. Es gibt kaum Bilder, auf denen Marc mit seiner Tochter zu sehen ist, doch Christine hat kurz nach der Geburt solch ein Bild gepostet. Ich scrolle mich durch die unzähligen Babyfotos, bis ich das eine finde, bei dessen Anblick sich jedes Mal mein Herz vor Schmerz zusammenzieht. Marc mit der neugeborenen Holly auf dem Arm. Sein Blick, mit dem er das Baby mustert, bricht mir erneut das Herz und ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Marc hat eine Familie, ein Baby, um das er sich kümmern muss. Damals ist er für mich schon unerreichbar gewesen, heute ist er es noch viel mehr.

Tränen steigen mir in die Augen und ich lege das Handy zurück auf den Nachttisch. Ich drücke mir die Hand auf den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Nach vorne sehen. Ich muss nach vorne sehen. Koste es, was es wolle! Obwohl ich immer wieder versuche, das Bild von Marc und Holly aus meinem Gedächtnis zu verdrängen, klappt es einfach nicht. Schniefend drehe ich mich wieder auf den Bauch und presse mein Gesicht ins Kissen, damit mein Schluchzen nicht nach draußen dringt. Die Wände sind dünn und ich will nicht, dass mich jemand weinen hört. Vor allem nicht Juli, weil sie sich schon genug Sorgen um mich macht. Meine Tränen sickern in den Stoff meines Kopfkissens, ich hole immer wieder Luft, weil ich glaube, unter den Schluchzern zu ersticken. Wieso kann ich Marc einfach nicht vergessen? Warum übt der Kerl immer noch so eine starke Anziehungskraft auf mich aus, wo wir uns doch gar nicht mehr sehen? Ich will ihn nicht lieben und tue es trotzdem.

***

Neben Juli schlendere ich durch die Straßen von London. Mein Auto habe ich auf einem Parkplatz im Zentrum abgestellt, weil ich keine Lust hatte, mit der Metro zu fahren. Zwar bin ich mit Beanie und Sonnenbrille ausgestattet, doch trotz meiner Verkleidung wollte ich es nicht riskieren, im Zug erkannt zu werden.

Juli hat sich bei mir untergehakt und lächelt zufrieden. Neugierig sieht sie sich immer wieder um, betrachtet die Schaufenster der kleinen Boutiquen, an denen wir vorbeigehen. Als sie im Februar hier gewesen ist, haben wir wegen des Konzerts kaum Zeit gehabt, die Stadt zu erkunden.

»Hey, schau mal. Sieht der nicht stark aus?« Juli ist stehen geblieben und klebt förmlich mit der Nase am Schaufenster eines Geschäfts, wo einige Hüte in der Auslage liegen. Ich mache einen Schritt auf sie zu, um mir den Hut anzusehen, auf den sie mit dem Finger deutet. »Komm, lass uns mal reingehen.«

Wir betreten die kleine Modeboutique. Ich sehe mich ein wenig um. Hier gibt es unzählige Mäntel, Schals und haufenweise Hüte, wohin man nur sieht. Der kleine Raum ist voll von Ständern mit Kleidung. Ich gehe zu einem rüber und ziehe am Ärmel eines Mantels, befühle gedankenverloren den weichen Stoff. Marc trägt auch gern solche Mäntel …

»Tadaaa!« Juli taucht hinter mir auf, eine karierte Deerstalker-Mütze auf dem Kopf, dazu einen passenden Schal. »Fehlt nur noch die Pfeife.« Sie grinst mich an.

»Hey, Sherlock«, necke ich sie und nehme ihr die Mütze ab, um sie gegen meine Beanie auszutauschen. »Heute schon einen Fall gelöst?«

Meine Freundin legt die Stirn in Falten und fasst sich mit der Hand ans Kinn, um eine nachdenkliche Pose einzunehmen.

»Ich glaube, hier verbirgt sich etwas«, sagt sie mit verstellter Stimme. Ihr Blick wird geheimnisvoll und ich mache bei ihrem kleinen Spielchen mit, sehe mich neugierig um, was sie meinen könnte. Juli geht einmal um mich herum, dann greift sie in ein Regal und zieht eine Melone hervor. Schnell tauscht sie die Deerstalker-Mütze auf meinem Kopf gegen die Melone aus.

»So, Dr. Watson. Jetzt bist du passend gerüstet für den nächsten Fall.«

»Watson?« Fragend ziehe ich eine Augenbraue hoch und setze die Melone ab, um sie von allen Seiten zu betrachten. »Ich meine, mich erinnern zu können, dass Dr. Watson einen Zylinder getragen hat.«

Juli zuckt mit den Schultern. »Egal, die Melone steht dir total gut. Du solltest sie kaufen.«

Skeptisch drehe ich mich zum Spiegel. Mit Melone und Sonnenbrille gleiche ich eher einem italienischen Mafiaboss als Sherlocks treuem Begleiter. Aber der Hut gefällt mir, weshalb ich mich dazu entschließe, ihn zu kaufen.

»Sie steht Ihnen wirklich, junger Mann«, sagt eine freundliche Frauenstimme neben mir. Eine ältere Dame, vermutlich die Besitzerin des Ladens, ist zu uns getreten. »Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen?«

Ich schüttele den Kopf. »Nein, ich nehme den Hut. Danke.« Die Verkäuferin nimmt mir den Hut ab und geht zum Verkaufstresen. Juli und ich folgen ihr.

»Möchtest du auch etwas haben? Ich schenk es dir.«

»Der Schal ist ganz hübsch«, meint Juli und wickelt den weißen Schal von ihrem Hals. »Aber du musst ihn nicht bezahlen, das kann ich mir gerade noch leisten.« Sie grinst frech und zieht ihr Portemonnaie aus der Handtasche. Ich winke ab.

»Was hat es für einen Sinn, wenn ich Millionen auf dem Konto habe und meiner Freundin nicht einmal einen Schal kaufen darf? Ich zahle«, entgegne ich bestimmend und reiche der Frau den Schal, damit sie ihn mit der Melone zusammen in eine Tüte einpacken kann, dann gebe ich ihr meine Kreditkarte.

»Tz, du eingebildeter Popstar. Wenn du drauf bestehst, kannst du mich auch noch zum Mittagessen einladen«, meint Juli, doch durch ihr leises Lachen merke ich, dass sie mir nicht böse ist.

»Ex-Popstar«, korrigiere ich, nehme der Frau die Tüte mit unseren Einkäufen ab und verlasse mit Juli den kleinen Laden. »Wohin möchtest du denn essen gehen?«

»Irgendwohin, wo es Scones gibt. Ich möchte diese Dinger unbedingt probieren.«

»Kein Problem. Gut, dass du mit mir unterwegs bist. Ich kenne die besten Cafés der Stadt«, sage ich Brustton der Überzeugung. Erneut hakt sich Juli bei mir unter.

»Ach ja? Du kennst noch andere Sachen als Bananen? Das glaube ich dir erst, wenn du es mir beweist.«

Wir brechen in Gelächter aus. Juli ist einfach großartig! Sie ist kaum vierundzwanzig Stunden hier und schon fühle ich mich tausendmal besser. Sie ist einfach die perfekte Medizin gegen meinen Liebeskummer. Warum habe ich Idiot nicht schon eher dafür gesorgt, dass sie mich besucht? Mit ihr fällt es mir wieder leicht, zu lachen. Ich bleibe abrupt stehen und drehe mich zu Juli um, sodass sie irritiert gegen mich taumelt.

»Lou, was …?«

Ich ziehe sie in die Arme, vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar und drücke sie fest an mich.

»Darf ich dich behalten?«, murmele ich leise.

»Uhm … keine Ahnung, Banana. Meine Eltern hätten sicher was dagegen.«

»Schade.« Ich drücke sie noch ein wenig fester an mich. Der Gedanke, dass Juli bald zurück nach Deutschland fliegen wird, schmerzt jetzt schon. Aber ich kann sie ja schlecht in meinem Zimmer einsperren, damit sie bei mir bleibt.

Juli löst sich von mir und schenkt mir ein strahlendes Lächeln. »Nun, du könntest mich natürlich davon überzeugen, zu bleiben.«

»Meine Gesellschaft überzeugt dich nicht? Gott, was soll ich da nur tun?«, frage ich mit gespielt entsetztem Blick, lege mir die Hand an die Stirn und seufze theatralisch. Erneut lacht meine Freundin und greift nach meinem Arm.

»Gut, dass du Musiker geworden bist. An dir ist kein Schauspieler verloren gegangen, Banana. Und jetzt komm endlich, ich habe verdammt großen Appetit auf Scones!«

***

Julis Besuch hat mir gutgetan, obwohl ich immer noch ein bisschen traurig bin, dass meine Freundin so früh schon abreisen musste. Am Anfang hatte ich noch einige Zweifel, doch als wir uns verabschiedeten, war ich wirklich überrascht, wie schnell die Tage mit ihr verflogen sind, denn wir hatten viel Spaß miteinander. Während ihres kurzen Besuchs habe ich kaum an Marc gedacht – und das hat mir unglaublich gut getan!

»Singst du mir etwas vor, bevor ich ins Bett gehe, Lou?«, bittet mich Betty. Sie liegt bereits in ihrem Schlafanzug auf meinem Bett und kuschelt mit Mimi, dem Drama-Einhorn, während ich mit der Gitarre auf dem Schoß mit dem Rücken ans Bett gelehnt auf dem Fußboden sitze und Löcher in die Luft starre.

»Natürlich Süße.« Sofort stimme ich einen Song von One Direction an, doch Betty unterbricht mich bereits nach der ersten Strophe.

»Nein. Ich möchte dein Lied hören. Das neue«, fordert sie streng.

Vor einiger Zeit habe ich wieder geschrieben. Und eigentlich wollte ich den Song sofort vernichten, habe es jedoch nicht übers Herz gebracht. Es ist eine Ballade über meine Gefühle und mein zerbrochenes Herz. Als ich noch Teil von 5Minutes gewesen bin, habe ich mich selten als Songwriter versucht. Diese Aufgabe haben oft Rick und Marc übernommen. Und ihre Texte waren richtig gut. Mir hat es gereicht, einfach nur zu singen. Aber irgendwie musste ich dieses Lied unbedingt zu Papier bringen. Es wollte aus mir heraus. Und irgendwie hoffe ich ganz tief in meinem Herzen, dass ich den Song eines Tages Marc zeigen kann.

»Bitte, Lou. Sing mir das Lied vor. Es hat mir das letzte Mal so gut gefallen«, quengelt meine Cousine. Ich atme tief ein, dann beginne ich zu singen.

Since that day I've waited and always believed

That we'll see each other again.

You were by my side, more than anyone else.

But we've separated again.

The heartache goes on...

My passion is bigger than before.

You should know I want to touch you.

We look at the same sky…

every step takes me further away.

Go away – I lose myself in thoughts of you.

Walk away – I want to banish these feelings.

So far away – I still want to reach you.

The distance between us is too big…

Gott, dieser Text ist echt Schrott! Schweren Herzens lege die Gitarre weg und nehme mein Handy zur Hand, um Juli eine Nachricht über Twitter zu senden, denn Betty ist bereits mit Mimi im Arm eingeschlafen.

Ich vermisse dich jetzt schon!

Louis, Fri. 8:21 PM

Ihre Antwort kommt nur wenige Augenblicke später.

Ich dich auch Banana. Aber ehe du dich versiehst,

komme ich dich wieder besuchen. Halt bis dahin die Ohren steif.

Und wehe, du heulst wieder. Dafür habe ich dir Mimi nicht dagelassen.

Juli, Fri. 8:24 PM