Jonas, Dennis & die Liebe - Katharina B. Gross - E-Book

Jonas, Dennis & die Liebe E-Book

Katharina B. Gross

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Beschreibung

Jonas, Dennis & die Liebe … Jonas hat einen schweren Stand in seiner Klasse, denn er wird aufgrund seines mädchenhaften Aussehens gemobbt. Die Tatsache, dass er schwul ist, macht es nicht leichter. Und ausgerechnet Dennis und seine Freunde drangsalieren ihn am meisten – dabei ist er doch heimlich in Dennis verliebt. Auf der Klassenfahrt nach Amsterdam kommen sich Jonas und Dennis unverhofft näher – dabei steht Dennis doch gar nicht auf Jungs, oder? Alle drei Romane um Jonas und Dennis in einer neu aufgelegten Gesamtausgabe. Abschluss in Sachen Liebe Liebe bleibt Weil du mich wirklich liebst

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Katharina B. Gross

Jonas, Dennis & die Liebe

Jonas & Dennis

Gesamtausgabe

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://daylinart.webnode.com

Bildrechte

© piksel – 123rf.com

© Antonio Guillem – 123rf.com

1. Auflage Gesamtausgabe

ISBN 978-3-96089-088-1

Inhalt:

Jonas, Dennis & die Liebe …

Jonas hat einen schweren Stand in seiner Klasse, denn er wird aufgrund seines mädchenhaften Aussehens gemobbt. Die Tatsache, dass er schwul ist, macht es nicht leichter. Und ausgerechnet Dennis und seine Freunde drangsalieren ihn am meisten – dabei ist er doch heimlich in Dennis verliebt.

Auf der Klassenfahrt nach Amsterdam kommen sich Jonas und Dennis unverhofft näher – dabei steht Dennis doch gar nicht auf Jungs, oder?

Alle drei Romane um Jonas und Dennis in einer neu aufgelegten Gesamtausgabe.

Abschluss in Sachen Liebe

Liebe bleibt

Weil du mich wirklich liebst

Teil 1

Aufbruchsstimmung

-Jonas-

»Hey Jonas, was starrst du denn so?«, reißt mich die Stimme meines besten Freundes aus den Gedanken. Schuldbewusst zucke ich zusammen, da ich mich ertappt fühle. Ich habe tatsächlich gestarrt – und zwar ziemlich offensichtlich auf Dennis Weber, unseren Klassenliebling, Mädchenschwarm und fiesen Obermacho. Bei den Lehrern tut er immer so, als könnte er kein Wässerchen trüben mit seiner Unschuldsmiene und diesen unsagbar schönen, braunen Rehaugen, doch ich weiß es besser!

»Schau doch nur, wie putzig! Unser Küken guckt so verliebt, dass ich beinahe schon die Herzchen aus seinen Augen hüpfen sehe«, lacht Matze und legt mir den Arm um die Schulter. Meine Freundin Bianca kichert neben uns, da sie Matzes Anspielung anscheinend total witzig findet. Ich jedoch überhaupt nicht! Wütend stoße ich seinen Arm weg und drehe mich zu ihm um, fixiere ihn mit finsterem Blick.

»Ich bin nicht verliebt! Und nenn mich nicht immer Küken, du Arsch«, fauche ich. Gut, ich bin wirklich verliebt und dass weiß mein Kumpel auch, doch er soll es nicht gleich so herumposaunen. Außerdem hasse ich es, wenn er oder Bianca mich Küken nennen. Das hört sich so verdammt unmännlich an! Immer müssen mich die Leute wegen meiner Körpergröße aufziehen. Dabei kann ich doch gar nichts dafür, dass ich der Kleinste in unserem Jahrgang bin. Mit meinen neunzehn Jahren kann ich leider nur eine Körpergröße von knapp einen Meter siebzig vorweisen, nicht gerade toll für einen Jungen. Matze überragt mich um fast zwei Köpfe, obwohl er ein halbes Jahr jünger ist. Selbst Bianca ist größer, was sie mit ihren mörderisch hohen High Heels auch noch unterstreicht.

»Du bist eben so niedlich wie ein kleines Küken«, grinst Matze und umarmt mich erneut, »da kann ich nicht anders. Immer, wenn ich dich sehe, will ich dich nur noch knuddeln.« Und wie zur Bestätigung drückt er mir einen feuchten Kuss auf die Wange. Wieder versuche ich mich gegen ihn zu wehren. Es bleibt jedoch bei dem Versuch, denn Matze ist nicht nur größer, sondern auch viel kräftiger als ich.

Panisch linse ich zu Dennis rüber, der diese Szene mit einem hämischen Grinsen verfolgt. Na super, jetzt darf ich mir sicher die ganze Abschlussfahrt über irgendwelche blöden Sprüche von ihm und seinen Kumpels anhören. Als ob ich es nicht schon täglich schwer genug habe mit meinem mädchenhaften Aussehen, weswegen ich auf der Mobbingliste bereits weit oben stehe. Zu meiner zierlichen Gestalt kommen noch meine großen, blauen Augen mit den langen Wimpern, um die mich Bianca jedes Mal beneidet. Die braunen Haare trage ich deshalb immer rappelkurz, was mir leider kein männlicheres Aussehen verleiht. Der mangelnde, fast nicht vorhandene Bartwuchs tut zudem sein Übriges. Ich muss so schon ständig unter den hämischen Sticheleien der anderen Jungs leiden, allen voran Dennis, dieser Obermacho. Dass ich zudem auch noch schwul bin, ist ihm ein besonders großer Dorn in seinen hübschen Augen.

Und was für Augen er hat! Wirklich schön und von einer warmen Farbe, der Blick oft so treuherzig wie ein Rehkitz. Ich könnte ihn stundenlang nur ansehen und mich in seinen Augen verlieren. Tu ich dummerweise auch zu oft, was mir ständig dumme Kommentare seiner Freunde einbringt. Wieso muss ich Idiot mich auch in diesen Kerl verlieben, der so unausstehlich ist, wie ein Sack Flöhe? Mein Hirn ist mir wohl irgendwann zwischen der achten und zwölften Klasse durchgeschmort. Nein, stimmt nicht ganz. Vielleicht bin ich bloß ein Masochist? Nicht gerade die passende Bezeichnung, aber es trifft wohl den Kern der Sache. Offenbar leide ich gerne. Man, ist das krank!

Es liegt nicht nur an seinem guten Aussehen, so oberflächlich kann ich doch gar nicht sein, oder? Leider können diese schönen Augen und die schokobraunen Haare in Kombination mit einem Wahnsinnslächeln nicht über seinen miesen Charakter hinwegtrösten. Trotzdem habe ich mich unsterblich in ihn verliebt. Dennis war schließlich nicht immer so gemein zu mir, früher hat er sich eher zurückgehalten.

»Jetzt sammelt euch alle und seid ein bisschen ruhiger. Wir sind doch nicht im Kindergarten«, ruft unsere Klassenlehrerin Frau Geißler. Wir versammeln uns brav vor dem großen Reisebus, der auf dem Parkplatz vor der Schule für uns breit steht.

Heute geht’s für fünf Tage nach Amsterdam. Ein bisschen Kekse essen, Party, was man eben auf der Abschlussfahrt so macht. Na ja, und natürlich ein wenig Kultur, wir sind schließlich brave Kinder. Die Mädels sind alle ganz aufgeregt, monatelang konnten sie schon von nichts anderem mehr reden. Auch Bianca freut sich wie verrückt. Endlich ein bisschen Abenteuer, raus aus diesem kleinen Kuhkaff im tiefsten Schwarzwald, in dem wir alle hausen. Ich könnte gut darauf verzichten.

Einerseits kann ich es kaum abwarten Dennis Tag und Nacht um mich zu haben, andererseits will ich so weit weg von ihm wie möglich. Es wird sicher Ärger geben, das sehe ich jetzt schon kommen. Matze kann ja nicht ständig um mich herumtanzen wie eine Glucke, da hat er mit seinem Küken nicht ganz Unrecht. Irgendwann muss ich mal selbst den Mut aufbringen, mich gegen die anderen Jungs zu wehren.

»Jetzt schlaf nicht ein, du Knirps«, feixt Felix hinter mir und schubst mich. Ich stolpere und stoße unsanft gegen Matzes Rücken, der vor mir bereits in den Bus einsteigt. Erschrocken entfährt mir ein Schrei und ich klammere mich in sein Shirt fest.

»Mann, lass Jonas in Ruhe«, zischt Matze wütend und schnappt nach meiner Hand, um mich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dankbar lasse ich mich von ihm stützen.

»Was willst du denn, du Homo? Habe ich etwa dein kleines Prinzesschen beleidigt? Das tut mir aber leid«, säuselt Felix und klimpert unschuldig mit den Wimpern.

»Ich bin nicht schwul, du Arsch. Meine Freundin wirst du wohl nicht vergessen haben«, entgegnet Matze trocken und zieht mich, ohne einen weiteren Blick an Felix zu verschwenden, hinter sich her. Dass Matze eine Freundin hat, weiß spätestens nach dem letzten Abiball vor den Sommerferien der ganze Jahrgang. Und dass seine Angebetete nicht gerade ein graues Mäuschen ist, ebenfalls.

Sarah hat letztes Jahr ihr Abi gemacht und ist nun nach Freiburg gezogen, um Medizin zu studieren. Nicht nur schlau, das Mädel, sondern auch eine Wahnsinnsschönheit! Zumindest nach Aussage aller Jungs, die es je versucht haben, bei ihr zu landen. Dass sie gerade meinen Kumpel zu ihrem Liebsten erwählt hat, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Nicht, dass Matze nicht gut aussehen würde mit den blonden Haaren und den grünen Augen, oder gar ein schlechter Kerl wäre. Er ist der beste Mann, den man sich vorstellen kann! Aber eine Frau wie Sarah könnte wirklich jeden haben, was will sie da ausgerechnet mit einem, der fast zwei Jahre jünger ist? Matze ist zumindest bis über beide Ohren verknallt und besucht sie regelmäßig in ihrer Wohnung in der Stadt.

Wir ignorieren die leisen Kommentare unserer Mitschüler und setzten uns zusammen mit Bianca und ihrer besten Freundin Lena in die hinterste Reihe. Von hier kann ich direkt auf Dennis’ Hinterkopf schauen, der nur wenige Reihen schräg vor mir sitzt. Dieser freche Kerl dreht sich neugierig zu mir um und grinst mich an. Wenn ich nicht wüsste, wie er es meint, würde ich mich glatt über sein Lächeln freuen. Aber ich sollte mir da keine falschen Hoffnungen machen. Einer wie Dennis wird sich nie im Leben für mich interessieren! Da kann ich noch hundert Jahre warten und ihn anschmachten, während er mich mit Gemeinheiten überhäuft. Das ist wohl die einzige Art von Zuneigung, die er mir entgegenbringen wird.

Und schon wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass es immerhin besser ist, als von ihm ignoriert zu werden. Ich sollte wirklich damit aufhören und an meinem Selbstbewusstsein arbeiten. Am besten jetzt sofort!

Demonstrativ schaue ich zur Seite, fische meinen iPod aus dem Rucksack und stelle mich schon mal auf eine lange Busfahrt ein. Na, das kann ja heiter werden!

Retter in der Not

Als ich das nächste Mal etwas verwirrt um mich blicke, ist es im Bus dunkel und ich bin allein. Ich muss wohl eingeschlafen sein bei dem ganzen Geschaukel hier. Die leise Musik wummert immer noch in meinem Kopf und ich schalte erst einmal meinen iPod wieder aus, verstaue ihn im Rucksack und erhebe mich etwas steif von der Rückbank.

Der Bus steht auf einem Rastplatz und durch die Fenster kann ich einige meiner Klassenkameraden erkennen, die eine Raststätte ansteuern. Es muss noch recht früh am Morgen sein, denn draußen ist es, bis auf die paar Laternen und dem erleuchteten Rasthof, stockfinster. Wir sind am späten Abend von der Schule aus gestartet, um pünktlich zum Frühstück in unserer Pension zu sein. Apropos Frühstück, ein Kaffee wäre jetzt nicht schlecht.

Verschlafen reibe ich mir über die Augen und verlasse mit wankenden Schritten den Bus. Nach dem langen Sitzen fühl ich mich fast schon, als wäre ich besoffen, so wie ich über den Parkplatz torkele. Meine Blase meldet sich und ich beschließe zuerst die Toilette aufzusuchen.

Im Klo fallen mir Felix und Tobias auf, die vor den Pissoiren stehen und herumblödeln, wer denn weiter trifft oder so ähnlich. Ich ignoriere die beiden Schwachköpfe und gehe zu den Toilettenkabinen, da ich mir ungerne beim Pinkeln zusehen lasse. Als ich bereits die Tür hinter mir zuziehen will, wird Felix auf mich aufmerksam.

»Ach sieh mal an. Der kleine Jonas will sich vor uns verstecken«, lacht er und kommt auf mich zu, die Hose immer noch offen. Sein schlaffer Penis hängt halb heraus und Felix macht keine Anstalten, ihn wieder dorthin zu verstauen, wo er hingehört. Ich starre unweigerlich in seinen Schritt, eher aus Reflex, als aus ernsthaften Interesse. Warum sollte ich mich auch für den Schwanz eines anderen Mannes interessieren, wenn es nicht gerade Dennis’ ist?

»Gefällt dir, was du siehst?«, säuselt er süß und greift mit seiner Hand in den Schritt. »So einen Prachtkerl hast du wohl noch nicht gesehen, was?« Felix packt mich grob ab der Schulter und schubst mich in die Kabine, dann baut er sich bedrohlich vor mir auf. Ich taumele und lande unsanft auf dem Klodeckel, starre erschrocken zu ihm hinauf. Tobias tritt hinzu und lacht boshaft. Zum Glück hat wenigstens er bereits seine Hose wieder geschlossen.

»Du Schwuchtel kannst es wohl kaum noch erwarten, mir den Schwanz zu lutschen«, lacht Felix und holt seinen Penis jetzt ganz heraus, um damit vor meinem Gesicht herum zu wedeln, »das machst du sicher jeden Tag, bist bestimmt schon Profi. Komm, zeig mir, was du drauf hast.«

Nur weil ich schwul bin, heißt es doch noch lange nicht, dass ich täglich irgendwelche sexuellen Handlungen praktiziere. Bis auf das gelegentliche Masturbieren unter der Dusche war’s das auch schon mit meinem Liebesleben. Bestimmt bin ich in unserem Jahrgang der einzige Junge, der noch nicht mal geküsst hat, von Sex ganz zu schweigen!

Bei Felix’ Anblick krampft sich mein Magen zusammen und mir wird eiskalt und heiß zugleich. Wenn er so weiter macht, muss ich bestimmt gleich kotzen. Speiübel ist mir bereits jetzt. Scheiße, was ist das hier für eine beschissene Situation? Ich will bloß weg hier. Panik kriecht in mir hoch, mein Herz rast wie verrückt und ich bekomme kaum Luft.

Wie war das nochmal mit dem Selbstvertrauen? Ich könnte doch jetzt einfach aufspringen, Felix zur Seite stoßen und abhauen.

Aber ich bleibe bloß wie zur Salzsäule erstarrt auf diesem blöden Klodeckel in der stinkenden Rasthoftoilette sitzen und starre auf den Penis, der ungeduldig vor meiner Nase baumelt. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und ich muss damit kämpfen, die Tränen herunterzuschlucken. Scheiße, was bin ich doch für ein Feigling!

»Hey Felix, da bist du ja«, höre ich jemanden rufen und bekomme eine Gänsehaut. Diese Stimme jagt mir einen wohligen Schauer über den Rücken und lässt meinen Bauch angenehm kribbeln. Für einen kurzen Moment vergesse ich diese demütigende Situation, als ich Dennis’ Gesicht neben Felix auftauchen sehe. Eindringlich mustert er mich mit seinen schönen Rehaugen und ich werde sofort knallrot, würde am liebsten in Erdboden versinken.

Was denkt er jetzt von mir? Scheiße, als hätte ich nicht so schon genug Ärger an der Backe, muss Dennis jetzt auch noch denken, dass ich es Felix auf dem Klo besorge. Ein passenderes Klischee für einen schwulen Kerl kann es kaum geben!

»Wir amüsieren uns gerade prächtig, Mann. Stimmt’s Jonas?«, fragt Felix unschuldig. »Willst du vielleicht auch?«

Dennis wirft mir einen abschätzigen Blick zu, schüttelt dann resigniert den Kopf.

»Komm, lass den Scheiß. Sonst gibt’s noch Ärger, wenn der Kleine petzt«, sagt er in ruhigem Ton und legt bestimmend seine Hand auf Felix’ Schulter. »Wir fahren gleich los, ich sollte euch suchen gehen.«

Felix seufzt theatralisch und schließt seine Hose, bevor der sich zum Gehen wendet.

Für einen kurzen Moment kommt es mir so vor, dass Dennis’ Blick mitfühlend auf meinem Gesicht ruht, dann verhärten sich seine Züge zu der gewohnten Maske. Ich blinzle verwirrt und atme auf, als ich alleine in der Kabine zurückbleibe. Was war das denn eben? Dennis ist einfach so abgezogen, ohne auch nur eine Andeutung von Spott oder einen fiesen Spruch. Das habe ich bei ihm noch nie erlebt! Normalerweise hätte er lachend dabei zugeschaut, wie die anderen beiden mich weiter erniedrigten. Dass er einfach so geht und mich sogar noch von der Schmach befreit, tatsächlich das erste Mal einen Schwanz in den Mund zu nehmen, kommt irgendwie gar nicht in meinem Hirn an. Nicht, dass ich es nie machen würde.

Natürlich habe ich mir schon oft vorgestellt, wie sich ein Blowjob wohl anfühlen würde. Aber bestimmt nicht bei diesem Ekelpaket Felix und schon gar nicht unter Zwang auf einem Rasthausklo. Bei Dennis, ja, da kann ich es mir durchaus vorstellen. Wie ich die samtige Haut berühre, ihn sanft streichle bis er sich unter meinen Berührungen zu voller Größe aufrichtet, den salzigen Geschmack der Lusttropfen schmecken, sein raues Stöhnen in meinem Ohr …

Halt! Wieder driften meine Gedanken in unbekannte Weiten ab. Warum kann ich nicht einfach aufhören, an dieses Arschloch zu denken? Auch wenn er mich jetzt vielleicht gerettet hat, wer weiß, was ihm schon morgen wieder einfällt. Das War sicher nur Zufall.

Klar, der Bus will abfahren, deshalb wollte er wohl nicht länger seine Zeit mit mir vergeuden. Aber was sollte dann dieser Blick eben, so aufrichtig besorgt und entschuldigend zugleich? Habe ich es mir nur eingebildet? Bestimmt spielt mir mein verliebtes Hirn einen fiesen Streich.

Mit zittrigen Knien erhebe ich mich langsam. Warum bin ich überhaupt hergekommen? Richtig, ich wollte eigentlich nur pinkeln. Schnell erleichtere ich meine Blase und haste hinaus. Dabei renne ich Matze in die Arme, der erschrocken zusammenzuckt.

»Da bist du ja endlich. Ich habe dich überall gesucht. Was hast du hier so lange getrieben?«

Ich glaube, darauf will er lieber keine Antwort. Betreten schaue ich auf meine Schuhe.

»Ach, egal. Beeilen wir uns lieber. Ich habe dir einen Kaffee organisiert«, teilt mir mein Kumpel mit, drückt mir einen Pappbecher mit Kaffee in die Hand und geht bereits voraus in Richtung Bus.

Ganz neue Seiten

Um kurz nach acht erreicht unser Bus die kleine Pension, in der wir uns für diese Woche einquartiert haben. Erleichtert und erschöpft von der langen Fahrt verlassen wir den Bus und machen uns vollbepackt mit unserem Gepäck auf den Weg ins Innere des Gebäudes.

Das Haus ist wohl aus den zwanziger oder dreißiger Jahren und so wie es aussieht, hätte es dringend eine Renovierung – oder besser gleich eine Kernsanierung – nötig. An der Hausfassade bröckelte der Putz ab und auch die Treppen zum Erdgeschoss knarzten so bedrohlich, dass ich schon befürchtete, einfach in der Mitte durchzubrechen. Einen Aufzug gab es hier nicht, und auch wenn, ich würde mich hüten diesen zu benutzen. Wer könnte mir schon garantieren, dass man im Falle eines Fahrstuhldefekts überhaupt bemerkt wird. 

Die Dame am Empfang, die uns die Schlüssel für die Zimmer – es waren wirklich so rustikale alte Eisendinger – aushändigte, hatte ihre besten Tage auch schon lange hinter sich. Ihre ergrauten Haare waren zu einem strengen Dutt zusammengefasst und die kleinen Augen hinter der dicken Hornbrille starrten uns argwöhnisch an.

Unser Zimmer befindet sich im zweiten Stock. Es ist ziemlich klein und verfügt über zwei wirklich schmale Betten und einen Schrank, dessen Tür sich irgendwie nicht schließen lässt. Als Schüler muss man ja sparen, aber so sehr? Wenn meine Eltern wüssten, in was für einer Bruchbude wir hier hausen, sie hätten locker einhundert Euro mehr für das Budget draufgelegt, da gehe ich jede Wette ein. Schließlich bin ich ihr kleines Lieblingskind.

Meine Mutter ist erst mit Anfang dreißig schwanger geworden und dementsprechend konnte ich mich vor ihrer Mutterliebe kaum retten. Als dann vor zehn Jahren meine kleine Schwester Mia überraschenderweise zur Welt kam, wurde ich zum Glück nicht mehr so bemuttert.

Meinen Koffer lasse ich achtlos an der Tür stehen und werfe mich auf das mit weißer Bettwäsche bezogene Bett. Die Matratze federt zweimal zurück und der Lattenrost quietscht erbärmlich.

»Ist doch ganz nett hier«, bemerkt mein Kumpel und sieht sich neugierig in dem kleinen Raum um.

»Nett?«, frage ich ihn entsetzt und hebe verwirrt eine Augenbraue. »Was soll hieran bitte nett sein?«

»Ein Bett und ein Bad, was braucht man denn mehr? Und gleich gibt es Frühstück.« Matze lächelt mich offen an. Wirklich eine Frohnatur, dieser Kerl. Nichts kann ihn schocken. Mein einziger Lichtblick hier ist, dass ich mir mit ihm das Zimmer teile. Ich stöhne genervt auf und vergrabe mein Gesicht im Kissen. Zumindest riecht es angenehm nach Waschmittel. Die anstrengende Fahrt steckt mir immer noch in den Knochen und ich würde jetzt am liebsten einfach liegen bleiben und ein kleines Nickerchen machen. Nach der Sache auf der Toilette konnte ich kein Auge mehr zu tun und saß den Rest der Fahrt hellwach auf meinem Platz, während Matze an meine Schulter gelehnt vor sich hin schnarchte.

»Ach Jonas, mach dich mal locker. Gleich isst du ‘nen Keks und dann geht’s dir wieder besser«, zwinkert mir Matze grinsend zu und beginnt bereits damit, seine Klamotten in den Schrank einzuräumen.

»Keks?« Mein Hirn ist noch viel zu müde, um seinen Gedankengängen zu folgen.

»Haschkekse.« Matzes Grinsen wird breiter. »Wir sind hier in Amsterdam, da gibt’s die Dinger doch bestimmt an jeder Ecke.« Stimmt. Wenn wir es schaffen sollten, den Argusaugen von Frau Geißler zu entkommen, um uns diese Köstlichkeiten einzuverleiben. Gegen etwas Entspannung hätte ich tatsächlich nichts einzuwenden, doch unsere Klassenlehrerin hütet ihre Schäfchen mit wachsamem Blick, dafür ist sie bekannt.

Wir haben für diese fünf Tage ein straffes Programm eingeplant, das sie sicher gnadenlos durchziehen wird. Sehenswürdigkeiten, Museen und so weiter. Schließlich sind wir hier ja nicht im Partyurlaub am Ballermann, sondern wollen ein wenig Kultur genießen.

Lange kann ich mich auch nicht ausruhen, denn bald schon klopft Bianca an unsere Zimmertür, um uns zum Frühstück abzuholen.

*

Am späten Nachmittag versammeln wir uns alle für eine Stadtrundfahrt auf dem Hof vor der Pension. Ich konnte mich in der Zwischenzeit ausgiebig duschen und mir frische Klamotten überziehen. Jetzt fühle ich mich gleich ein wenig besser. Die Rundfahrt wird mit unserem Bus erfolgen, nur ein Tour Guide wird zusätzlich mit von der Partie sein und uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchlauf erläutern. Danach haben wir zum Glück etwas Zeit zur freien Verfügung, ehe wir zum Abendessen zurück in die Pension fahren.

»Jonas, kommst du mit?«, fragt mich Bianca und zieht an meinem Arm. Verwirrt sehe ich sie an. Die ganze Fahrt über starrte ich gedankenverloren aus dem Fenster und habe die Umgebung an mir vorbeiziehen lassen. Was meine Freunde neben mir besprochen haben, bekam ich gar nicht richtig mit.

»Du kleiner Träumer«, kichert meine Freundin und zieht mich von meinem Platz hoch, »wir wollen gleich nach einem Coffee Shop suchen. Kommst du mit?« Sie klimpert unschuldig mit ihren getuschten Wimpern und sieht mich bittend an. Jetzt schon Kekse essen? Na, ich weiß nicht. Irgendwie bin ich so gar nicht in Stimmung.

»Geht ihr doch schon mal«, schlage ich vor, »ich werde noch ein bisschen draußen bleiben und an der Amstel entlangspazieren. Wenn ihr einen brauchbaren Laden gefunden habt, könnt ihr mir ja schreiben.«

»Von mir aus«, stimmt meine Freundin mir zu.

*

Draußen ist herrliches Wetter, kein Vergleich zu der stickigen Luft im Bus. Langsam gehe ich am Fluss entlang, schaue auf das Wasser und über die Häuser auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals. Die Häuser mit den verzierten Fassaden gefallen mir wirklich, es ist echt schön hier. Vereinzelte Blätter an den Bäumen haben sich bereits rötlich verfärbt, auch hier zieht der Herbst langsam ein.

Eine frische Brise erfasst mich und ich schlinge die Arme fröstelnd um meinen Oberkörper. Das dünne Sweatshirt schützt nicht wirklich, ich hätte mir meine Jacke auch noch mitnehmen sollen.

Mein Blick wandert weiter über den Fluss, während ich an der Brücke entlanggehe. Einige Meter vor mir erspähe ich einen schlanken Mann, der sich über die Brüstung lehnt, das Handy in der Hand und mit abwesendem Gesichtsausdruck über das Wasser starrt. Als ich mich ihm nähere, bleibt mir beinahe das Herz stehen. Das ist doch Dennis! Was macht er hier allein? Müsste er nicht jetzt mit Felix und Tobias in irgendeinem Coffee Shop sitzen und sich mit Haschbrownies vollstopfen? Scheiße, was mach ich jetzt? Noch hat er mich nicht entdeckt. Einfach leise an ihm vorbeigehen und so tun, als würde ich ihn nicht kennen? Oder lieber gleich die Flucht ergreifen?

Ich betrachte aus einiger Entfernung verstohlen sein hübsches Profil. Mein Herz hüpft aufgeregt in meiner Brust, dieser Verräter. Es weiß doch ganz genau, dass dieser Kerl nicht gut für mich ist und doch kann es einfach nicht anders, als wild zu schlagen. Wind weht durch Dennis’ dunkles Haar und zerzaust es auf eine niedliche Weise. Seine Augen starren weiter in die Ferne, zwischendurch blinzelt er, seine Mundwinkel zucken leicht. Die Hand, in der er sein Handy hält, zittert.

»Pass auf, sonst lässt du noch dein Handy fallen«, warne ich ihn und trete einen Schritt näher. Ich weiß nicht, woher ich den Mut aufbringe, Dennis einfach anzusprechen. Irgendwas an ihm macht mir Sorgen. Er wirkt irgendwie … verzweifelt.

Dennis zuckt zusammen und fährt zu mir herum. Seine Augen weiten sich für einen kurzen Moment, als er mich erkennt, dann schaut er auf den Boden. Fahrig streicht er sich mit der freien Hand übers Gesicht und durchs Haar.

»Ach, du bist’s nur«, entgegnet er tonlos. Keine Abfuhr, kein blöder Spruch. Er steht lediglich stumm vor mir an die Brücke gelehnt und starrt vor sich hin. Etwas mutiger mache ich noch ein paar Schritte auf ihn zu, bis ich dicht vor ihm stehe.

In meinem Bauch hat sich eine wilde Horde Ameisen versammelt und mir bricht der Schweiß aus. Nervös reibe ich meine nassen Hände an meiner Jeans ab. Verdammt, ich war noch nie mit Dennis allein. Und diese Umgebung ist total romantisch. Diese malerische Kulisse ist wie dafür gemacht, um … jetzt werde ich aber kitschig!

Schweigend sehen wir uns an. Ich kann meine Augen gar nicht von ihm abwenden, bin richtig hypnotisiert. Seine Lippen bewegen sich, formen Worte, die jedoch nicht in mein verliebtes Hirn durchdringen.

»Meine Mutter hat mir eben eine SMS geschrieben. Er wurde angefahren …«

»Was?« Ich erwache aus meiner Starre. Dennis spricht mit mir und ich Depp verstehe kein einziges Wort, weil ich mir irgendwelche Dinge vorstellen muss, die eh nie passieren werden.

»Mein Hund«, widerholt er diesmal lauter, »er ist gestorben. Ein Auto hat ihn erwischt. Meine Mutter war vorhin beim Tierarzt, aber er konnte nichts mehr für ihn tun.« Seine Schultern sinken hinab und das Smartphone gleitet aus seiner Hand, fällt leise klappernd auf das Kopfsteinpflaster. Erschrocken sehe ich in seine traurigen Augen und würde am liebsten weinen. Ich wusste gar nicht, dass Dennis tierlieb ist. Eigentlich weiß ich so gut wie nichts über ihn, habe nicht mal seine Handynummer.

»Das … das tut mir echt leid«, stammele ich verlegen und weiß gar nicht, wohin ich gucken soll. Diese Situation ist mir unangenehm. So traurig und verzweifelt, wie er vor mir steht, tut mir das Herz weh. Wäre das jetzt Bianca hier vor mir, ich hätte sie tröstend in den Arm genommen. Aber Dennis? Da könnte ich bestenfalls drauf hoffen, in der Amstel zu landen, wenn er mich nicht gleich auf der Stelle erwürgt oder dergleichen, wenn ich ihn umarmen würde. Ich schlucke hart und sehe ihn weiter hilflos an.

Plötzlich kommt Leben in Dennis, er macht einen Schritt auf mich zu und ehe ich mich versehe, finde ich mich in seinen Armen wieder, spüre den weichen Stoff seines Pullovers an meiner Wange und atme seinen betörenden Duft ein.

Hilfe! Das träume ich doch sicherlich, oder? Bestimmt hat mir Matze, dieser Mistkerl, heute Morgen beim Frühstück etwas in meinen Kaffee gemischt, dass ich nun zu halluzinieren beginne. Das hier kann nur ein Traum sein, denn Dennis würde mich nie im Leben in den Arm nehmen! Doch die Umarmung ist so fest, dass sie nur real sein kann! Ich halte die Luft an, mir ist ganz schwindelig vor Glück.

»Was war es denn für eine Rasse? Wie alt war er? Wie hieß er?«, brabbele ich überflüssiger Weise vor mich hin, um irgendwie meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Denn mein blödes Herz will meine Liebe jetzt gleich hinausposaunen, was mein Verstand verzweifelt versucht, zu unterbinden.

»Jonas …«, murmelt Dennis leise.

»Ja?« Erwartungsvoll blicke ich zu ihm auf.

»Halt einfach die Klappe!« Dennis zieht mich noch ein wenig fester an sich und vergräbt sein Gesicht in meinem Haar.

Kekse machen lustig

»Hey, du Schlafmütze, aufwachen!«, höre ich irgendwo aus weiter Ferne eine Stimme in mein Hirn vordringen und etwas Schweres drückt meinen Körper tief in die Matratze. Ich öffne träge meine Lider und schaue verschlafen in Matzes Gesicht. Mein Kumpel hat sich auf mein Becken gesetzt und beugt, sich mit beiden Händen neben meinem Kopf abstützend, zu mir herunter.

»Mh … was?«, murmele ich noch im Halbschlaf.

»Guten Morgen, Sonnenschein«, säuselt Matze unschuldig, »du musst aufstehen. Anne Frank wartet schon auf uns.«

Richtig, heute wollen wir uns das Anne-Frank-Haus ansehen. Aber es ist doch noch früh – und Matze muss es auch schon wieder übertreiben. Er weiß ganz genau, dass ich es gar nicht leiden kann, wenn er mich auf diese Weise verarscht. Auch wenn ihm als meinen besten Kumpel durch meine Homosexualität keine Gefahr droht, weil ich sowieso schon seit Jahren in Dennis verknallt bin, kann er es sich trotzdem nicht nehmen, mir ab und an spaßeshalber körperlich näher zu kommen. Meine bereits vor mir erwachte Morgenlatte sieht es gar nicht als störend an, dass es Matze ist, der hier auf mir hockt, und streckt sich ihm munter entgegen. Na vielen Dank auch! Kein Wunder nach diesem feuchten Traum, den ich in der vergangenen Nacht hatte.

Die Begegnung mit Dennis am Vorabend hatte ihre Wirkung auf meinen liebeshungrigen Körper nicht verfehlt. Als er mich gestern nach einer gefühlten Ewigkeit, die ich in seinen Armen lag, wieder wortlos allein ließ und gegangen war, befand ich mich immer noch wie im Rausch. Dennis hatte mich tatsächlich umarmt! Das war mehr, als ich mir in all den Jahren erträumt hatte. Ich fühlte mich leicht, wie auf Wolken. Und das nur von einer schlichten Umarmung! Was wohl sein Kuss bei mir bewirken würde? Daran darf ich nicht denken, sonst kommt es mir auf der Stelle!

Irgendwie fand ich gestern noch den Weg zu dem Coffee Shop, in dem meine Freunde schon fröhlich Brownies mampften. Zur Feier des Tages probierte ich sogar auch einen, doch enttäuschender Weise stellte sich bei mir keinerlei Wirkung ein, während Bianca und Lena bereits wie bekloppt vor sich hin kicherten.

Matze bewegt sich mit unschuldiger Miene auf mir, macht jedoch keine Anstalten von mir runterzugehen.

»Ich fühle mich ja geehrt, Mann, doch ich bevorzuge da eher meine Sarah«, grinst er mich frech von oben herab an. Ich verdrehe genervt die Augen.

»Runter von mir, außer du willst natürlich, dass ich deinen süßen Arsch entjungfere!«

Mein Kumpel lacht auf und entlässt mich endlich aus seinen Fängen. Ich schwinge lustlos die Beine über die Bettkannte und fische nach meinen Klamotten, die im offenen Koffer vor dem Bett liegen.

Ich hatte gestern keine Lust gehabt, sie in den maroden Schrank einzusortieren. Wozu auch? Wir sind hier schließlich nur noch bis Freitag, dann muss ich sowieso alles wieder einpacken.

»Hier hast du schon mal eine kleine Vorspeise«, sagt Matze und hält mir einen großen Keks entgegen. Da hat er sich gestern wohl noch Proviant für später besorgt, dieser Fuchs. Ach was soll’s, auch wenn die Dinger nicht wirken, schmecken tun sie jedenfalls sehr gut. Ich nehme ihm den Keks ab und beiße herzhaft hinein.

*

Im Museum angekommen, wartet bereits eine Frau auf uns, die uns durch die Ausstellung begleitet und uns die wichtigsten Details aus dem Leben der Anne Frank erzählt. Ihr Deutsch mit diesem holländischen Akzent ist echt lustig. Wir haben eine Führung für Schulklassen gebucht, darauf hat Frau Geißler bestanden. Damit wir alles Wichtige mitkriegen und nicht einfach blindlinks durch die Räume laufen. Als ob uns das interessieren würde?

Diese Führung dauert so in der Regel zwei Stunden, danach können wir nochmal in Ruhe allein durch das Museum gehen und uns das Versteck im Hinterhaus ansehen, wo sich das Mädchen damals mit ihrer Familie versteckt gehalten hatte. Alles schön und gut, aber das interessiert mich gerade nicht die Bohne. Lieber schaue ich auf Dennis’ sexy Hintern, der gerade direkt vor mir steht und sich leise mit Tobias unterhält.

Mann, dieser knackige Po gehört verboten. In der hautengen Jeans sieht er echt wahnsinnig gut aus, zum Anbeißen. Ich sollte aufpassen, dass mir nicht der Sabber aus den Mundwinkeln läuft. Sicherheitshalber wische ich mir verstohlen über den Mund. Irgendwie kann ich meinen Körper gerade etwas schlecht kontrollieren. Wenn ich nicht aufpasse, bekomme ich gleich noch eine Erektion. Matze neben mir kichert mittlerweile ununterbrochen.

»Ey, was ist denn so lustig?«, raune ich ihm zu und stoße ihm meinen Ellenbogen in die Seite.

»Schau doch. Diese Frau, wie sie so vor uns hergeht. Wie ein Strauß auf diesen langen Stelzen«, lacht mein Kumpel. Ich blicke verwirrt zu unserer Gruppenleiterin, die gerade vor einem Foto steht und erklärt, wann das Bild aufgenommen wurde und wer darauf zu sehen ist. Stimmt, und ihr Gesichtsausdruck ist beinahe derselbe. Jetzt muss ich auch lachen. Echt witzig. Und diese Ausstellung erst mit den Fotos und Gegenständen, total amüsant.

Die Frau räuspert sich, da sie unser Gekicher wohl gemerkt hat. Unsere Mitschüler drehen sich abrupt zu uns um und auch Frau Geißler betrachtet uns mit wütendem Blick. Jetzt muss ich noch mehr lachen. Hatte unsere Lehrerin schon immer so wie ein wütendes Nilpferd ausgesehen?

»Matze und Jonas, was gibt’s hier zu lachen? Wir sind hier mitten in einer geschichtlichen Führung«, schimpft sie nun.

»Entschuldigen Sie, Frau Geißler«, kichert Matze neben mir.

»Anscheinend wisst ihr dieses Thema nicht zu würdigen. Raus mit euch, bis wir zurück sind.«

Mein Kumpel packt mich dankbar am Arm und zieht mich aus dem Saal ins Freie. Frische Luft tut uns beiden jetzt sicher gut.

*

»Na Süßer, vermisst du schon meinen Schwanz?«, raunt mir Felix leise ins Ohr. Er hat sich dicht an mich gedrängt und seine Hand grabscht frech nach meinem Hintern. Anscheinend ist er uns nach draußen gefolgt, um dem langweiligen Vortrag zu entkommen. Matze ist noch nicht in Sicht, da er sich etwas zu trinken aus dem Automaten im Eingangsbereich ziehen wollte.

Erschrocken halte ich den Atem an und versuche von ihm loszukommen, doch Tobias baut sich bedrohlich vor mir auf, versperrt mir somit den Weg. Jetzt fehlt nur noch der Dritte im Bunde, dann wäre der Ärger komplett. Schlagartig ist mir nicht mehr nach Lachen zumute, mein Magen rebelliert und mir wird schlecht.

»Hey, das ist sexuelle Belästigung, du Wichser!«, zischt Matze, der den Überfall gesehen und mir nun mit seiner Flasche Cola zu Hilfe eilt. Felix schubst mich unsanft von sich und direkt in Tobias’ Arme, der mich grob an den Schultern packt.

»Lass mich los«, beginne ich den kläglichen Versuch, mich zu wehren. Felix dreht sich zu Matze um und grinst ihn breit an.

»Habe ich deiner kleinen Prinzessin wehgetan? Das tut mir aber leid.«

Mein Kumpel fackelt nicht lange, ballt die freie Hand zur Faust und platziert einen gekonnten Schlag in Felix’ Gesicht. Geschockt weicht dieser zurück.

»Was soll das werden, Arschloch?«, brüllt er wütend und hält sich beide Hände vor die schmerzende Nase, aus der nun Blut sickert.

»Das kommt davon, wenn man meinen Kumpel ungefragt belästigt. War sowieso schon mehr als überfällig«, entgegnet Matze gelassen.

»Was ist denn hier los?«, ruft nun auch Frau Geißler aufgebracht, die anscheinend von Felix’ Geschrei nach draußen gelockt wurde. Hinter ihr tummeln sich einige neugierige Mitschüler an der Tür.

»Matze hat mich einfach so geschlagen«, jammert Felix.

»Nicht grundlos«, mischt sich nun eine Stimme ein, die mir eine Gänsehaut über den Körper jagt. Plötzlich steht Dennis neben mir, die Hände tief in den Taschen seiner Jeans vergraben. Augenblicklich schlägt mein Herz einen Takt schneller. War er die ganze Zeit über schon hier und hat die Szene beobachtet? Warum hat er dann nicht viel eher etwas gesagt? Ich habe ihn gar nicht bemerkt!

»Die beiden haben Jonas belästigt«, sagt er seelenruhig und deutet auf seine Freunde. Ich bin ganz baff. Wieso verpfeift er sie und setzt sich für mich ein? Nimmt ihn der Tod seines Hundes so sehr mit, dass er beschlossen hat, vorerst das Kriegsbeil zu begraben und nett zu mir zu sein? Kann ich mir gar nicht vorstellen.

»Also schön. Ihr beide«, beginnt nun unsere Klassenlehrerin in strengem Ton, »ihr kommt schön brav mit mir. Und du auch, Matthias. Glaub ja nicht, dass du ungestraft davonkommst, egal, wie edel deine Absicht auch war.«

Felix und Tobias ziehen murrend hinter Frau Geißler Richtung Bus von dannen. Matze schließt sich ihnen an, jedoch nicht ohne mir vorher verschwörerisch zuzuzwinkern und beide Daumen in die Luft zu strecken.

»Alles in Ordnung?«, erkundigt sich Dennis besorgt bei mir und legt mir leicht seine Hand auf die Schulter. Die Hitze seiner Hand fährt direkt durch den Stoff meines Pullovers hindurch und lässt die Haut darunter prickeln. Ob er ahnt, was seine Nähe in mir auslöst?

Ich will gerade bestätigend nicken, da fährt ein flaues Gefühl in meinen Magen. Panisch verziehe ich mein Gesicht und halte mir beide Hände vor den Mund. Scheiße, ich muss kotzen! Verfolgt von Dennis’ verwirrten Blicken renne ich ins Innere des Museums, vorbei an meinen Klassenkameraden, direkt zur Besuchertoilette. Ich schaffe es gerade noch so die Kabinentür aufzustoßen und mich vor die Schüssel zu knien, da bahnt sich mein gesamter Mageninhalt bereits einen Weg nach draußen. Ich weiß gar nicht, ob es von dem Schrecken des Streites oder den Keksen von gestern Abend und heute Morgen kommt, aber so elend fühlte ich mich schon lange nicht mehr. Für mich definitiv kein Haschisch mehr! Da kann Matze seinen Vorrat getrost alleine verputzen.

»Jonas? Bist du da drin?«, dringt Dennis’ Stimme an mein Ohr. »Geht’s dir gut?«

»Hau ab. Lass mich in Ruhe«, stoße ich hervor. Wieder krampft sich mein Magen zusammen und ein Schwall Erbrochenes landet in der Kloschüssel vor mir.

»Hier bist du ja. Ich habe mir Sorgen gemacht. Du bist so blass geworden …«, flüstert er und tritt dicht hinter mich. Mann, ist das peinlich! Jetzt bin ich schon allein mit dem Mann meiner Träume und ich habe nichts Besseres tu tun, als mir die Seele aus dem Leib zu kotzen! Am liebsten würde ich jetzt gleich im Boden versinken. Oder besteht die Möglichkeit, mich hier in der Kloschüssel zu ertränken? Nein, besser nicht. Ist keine schmackhafte Alternative in Anbetracht der Kotze, die hier im Wasser schwimmt.

Langsam betätige ich die Klospülung, erhebe mich mit zittrigen Beinen und wische mir mit dem Ärmel über den Mund. Ich muss einen erbärmlichen Anblick abgeben, da mich Dennis aus besorgten Augen mustert. Wie das blühende Leben sehe ich garantiert nicht aus, so blass wie ich jetzt bin. Schnell gehe ich zum Waschbecken rüber und spüle mir den Mund aus, halte auch noch meinen Kopf unter den kalten Wasserstrahl um die Übelkeit zu vertreiben.

»Jonas?«

»Was denn noch?«, entgegne ich nun gereizt. Es reicht mir, dass er hier ist und mich in dieser unangenehmen Situation sehen muss. Bestimmt macht er sich später mit den anderen darüber lustig. Liebe hin oder her, aber langsam werde ich doch wütend. Dennis reicht mir ein Papiertaschentuch aus dem Handtuchspender neben dem Spiegel, damit ich mein Gesicht trocknen kann.

»Jonas … ich …«, beginnt er und sieht verlegen auf seine Schuhe, »ich wollte mich bei dir entschuldigen.«

Perplex starre ich ihn an. Habe ich gerade richtig gehört? Dennis entschuldigt sich? Bei mir?

»Wofür?«, frage ich dümmlich.

»Für alles. Dafür, dass ich dich immer so mies behandelt und beschimpft habe«, murmelt er leise, »es tut mir ehrlich leid, bitte glaub mir.«

Nervös fährt er sich mit der Hand durchs Haar und sieht mir tief in die Augen. Sein Blick geht mir unter die Haut, lässt mich innerlich verglühen. Ich drücke mich mit dem Rücken gegen das Waschbecken, klammere mich mit beiden Händen fest, da ich meinen zittrigen Knien nicht traue. So hat er mich noch nie angesehen! Als würde er direkt in mein Inneres blicken.

»Schon gut, war halb so wild«, winke ich ab und versuche mich an einem schiefen Lächeln, das mir irgendwie nicht gelingt. Dennis tritt näher an mich heran.

»Ich wollte schon länger mit dir reden, doch es hat sich nie eine passende Gelegenheit ergeben. Dann habe ich mir gedacht, dass ich es hier auf der Abschlussfahrt versuchen könnte. Na ja, hier ist sicherlich auch nicht wirklich der richtige Ort und der Zeitpunkt dafür, aber ich … ich wollte sagen … also …«

Er wird bei den letzten Worten immer leiser und sein Gesicht nähert sich meinem. Oh Gott! Was passiert hier gerade? Sind das vielleicht noch die Nachwirkungen der Kekse? Erst ein Lachkrampf, dann Übelkeit und zu guter Letzt Halluzinationen? Mein Herz rast wie verrückt und die Ameisenarmee in meinem Bauch tanzt Samba. Ich halte gespannt den Atem an, wage es kaum meine Augen von Dennis abzuwenden.

»Ich … also, Jonas …«

»Jonas? Bist du da drin? Wir wollen gleich zurück zur Pension fahren. Komm raus, wir warten nicht mehr lange!«, ertönt es von Bianca hinter der Toilettentür. Ich zucke zusammen. Auch Dennis erschrickt kurz und verharrt in seiner Bewegung. Der Zauber des Augenblicks ist verflogen. Was wäre passiert, wenn Bianca nicht nach mir gerufen hätte? Wollte Dennis mich etwa gerade küssen?

Ich blinzle nervös.

Dennis zeigt mir nun ein breites Grinsen, bevor er sich vorbeugt und seine Lippen nah an mein Ohr legt.

»Ich weiß, dass du in mich verliebt bist«, haucht er leise und verlässt dann die Toilette.

Im Abendlicht

Er weiß es! Er weiß es! Er weiß es! Ach du Scheiße! Was mache ich denn jetzt? Mir bricht der Schweiß aus und meine Knie geben nach, kraftlos sinke ich auf die kalten Fliesen.

»Jonas, was ist denn mit dir los?«, ruft Bianca und eilt an meine Seite. »Ist dir schlecht?«

Nachdem Dennis mich hier allein zurückgelassen hatte, konnte meine Freundin wohl nicht länger warten, so ungeduldig, wie sie immer ist. Ich schüttele stumm den Kopf und lasse mir von ihr aufhelfen.

»Du bist ganz blass«, stellte sie besorgt fest, »was hat der Kerl von dir gewollt? Hat er dich irgendwie bedroht?«

Wieder schüttele ich den Kopf. Bianca führt mich nach draußen. Wir sind bereits die letzten, die in den Bus einsteigen. Mein Blick schweift durch die Sitzreihen und ich sehe ihn, wie er am Fenster sitzt, die Augen starr nach draußen gerichtet und mit einem leichten Lächeln auf diesen schönen Lippen. Diese Lippen, die mir eben noch so nah waren … Ich erröte leicht und sinke schnell auf den Platz neben Matze.

»Alter, was war denn mit dir los?«, fragt mich mein Kumpel. »Du warst plötzlich so schnell auf dem Klo verschwunden. Ich habe dich vom Bus aus gesehen.«

»Mir war schlecht. Diese scheiß Drogen. Du kannst deine Kekse gerne allein essen«, brumme ich missmutig und krame in meinem Rucksack herum. Hatte ich nicht Kaugummis eingepackt? Irgendwo müssen sie doch sein …

Eine Hand schiebt sich in mein Blickfeld und eine Packung Wrigley’s Extra taucht vor mir auf. Ich sehe von den Kaugummis zu ihrem Besitzer auf und bekomme schon wieder Herzrasen. Auf Dauer ist dieser Zustand sicher nicht gesund! Ihn immer aus der Ferne anzuhimmeln ist eine Sache, doch ihm jetzt jeden Tag so nah zu sein ist sicher nicht gut für mein kleines Herz. Einerseits wollte ich es doch so, wollte mehr von ihm, wollte ihn endlich besser kennenlernen, wollte mich ihm nähern und … Doch Theorie und Praxis sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe! Ich bin ein viel zu großer Angsthase, dass ich einfach so auf ihn zugehen könnte.

Und doch war ich ihm hier in diesen zwei Tagen Amsterdam viel näher, als in all den Jahren, in denen wir schon in einer Klasse sind.

»Die brauchst du doch sicher«, sagt Dennis und ein spitzbübisches Lächeln umspielt seine Lippen. Ich greife nach den Kaugummis und ziehe einen Streifen heraus, ehe ich ihm die Packung zurückgebe.

»Danke«, murmele ich und kann es nicht vermeiden rot zu werden. Er nickt bloß und geht wieder zurück an seinen Platz.

»Oh, Jonas! Was war das denn?«, fragt Bianca vom Sitz hinter uns. Sie stützt sich mit den Armen auf meiner Rückenlehne ab und ich muss meinen Kopf verdrehen, um sie ansehen zu können.

»Was denn?«, versuche ich beiläufig zu klingen und schiebe mir das Kaugummi in den Mund.

»Na, das eben war Dennis«, flüstert sie mir zu und ihre Stimme hat diesen bedeutungsvollen Unterton, der mir eine Gänsehaut verursacht.

»Das habe ich gesehen, ich bin doch nicht blind«, nuschele ich und verdrehe die Augen. Matze stößt mir mit seinem Ellenbogen in die Rippen.

»Was läuft da zwischen euch? Was habt ihr denn vorhin so lange auf dem Klo getrieben?«, kichert er und zwinkert nun auch verschwörerisch.

»Wenn du’s genau wissen willst: Er hat mir beim Kotzen zugesehen«, erkläre ich trocken, verdrehe dabei die Augen. Bianca verzieht angewidert ihr Gesicht und lässt sich wieder zurück auf ihren Platz sinken.

»Das ist echt unromantisch«, lacht Matze und ich grinse nun ebenfalls. Wirklich romantisch war es echt nicht. So wird sich Dennis garantiert nicht in mich verlieben, auch wenn dieser Gedanke von mir naiv ist. Immerhin ist er hundertprozentig hetero, was seine vielen Weibergeschichten nur zu deutlich machen. Kein Mädchen, das halbwegs bei Verstand ist, würde einen Kerl wie Dennis freiwillig von der Bettkante stoßen und kaum eine hat es je getan. Immer wenn ich ihn mit seinen Kumpels darüber habe reden hören, wurde mein Herz unsagbar schwer. In solchen Momenten wusste ich ganz genau, dass er mir nie gehören wird. Ich bin kein hübsches Mädchen, das ist unumstritten.

Ein Seufzen entfährt mir, da meine Gedanken wieder in eine ganz falsche Richtung abdriften. Ich sollte nicht ständig an ihn denken. Doch gerade jetzt kann ich nichts dagegen tun. Man darf doch wohl noch träumen, oder?

Hier in Amsterdam benimmt sich Dennis ganz anders, als ich es sonst von ihm gewohnt bin. Er ist überhaupt nicht mehr der arrogante Macho, der mich nur zum Spaß schikaniert. Überhaupt hat er mir bis jetzt immer nur geholfen, wenn ich Ärger mit den anderen hatte. So nett habe ich ihn noch nie erlebt.

»… aber das ist mir egal, habe eh keinen Bock drauf«, redet Matze neben mir.

»Was?«

»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragt er beleidigt. Ich habe ihm tatsächlich kein bisschen zugehört, war komplett in meinen Gedanken versunken.

»Sorry«, entschuldige ich mich, »was hast du denn gesagt?«

»Ich muss wegen der Sache vorhin eine Strafarbeit schreiben«, grummelt Matze unzufrieden, »voll scheiße! Die Geißler hat echt kein Erbarmen. Dabei habe ich doch nur deine Unschuld verteidigt.« Jetzt grinst er breit.

»Übertreib mal nicht«, winke ich ab, da mir die Sache echt peinlich ist. Immer muss mir mein Kumpel den Arsch retten.

»Und ich muss heute den Rest des Tages mit diesen beiden Heinis in der Pension verbringen. Aber das ist mir egal, ich habe eh keine Lust auf Käse und diese langweilige Bootsfahrt.«

*

Wir haben einen kurzen Abstecher in die Pension gemacht, wo wir Matze, Felix und Tobias absetzten. Natürlich ließ sich Frau Geißler nicht nehmen, den Dreien erneut eine Strafpredigt über Prügeleien auf offener Straße zu halten. Dann fuhren wir zu einer Käserei, wo wir uns die Herstellung von Gouda ansehen mussten. Frau Geißler war bei der Führung Feuer und Flamme, während wir Schüler gelangweilt hinter ihr her trotteten und nur mit mäßigem Interesse dem Vortrag des Käseherstellers lauschten. In einem Nebengebäude wurden zusätzlich die berühmten Holzschuhe hergestellt, was uns natürlich auch noch brühwarm erklärt wurde.

Diese Führung war sterbenslangweilig und ich am Ende froh, als es endlich vorbei war. Eine Kostprobe vom Gouda bekamen wir natürlich auch noch, wie könnte es anders sein und die Klompen konnten wir uns in dem hauseigenen Souvenirshop kaufen, was Bianca auch gleich begeistert tat.

»Sind die nicht niedlich?«, quiekt sie vergnügt und hält mir kleine Holzschuhe unter die Nase.

»Ganz herzallerliebst«, entgegne ich trocken.

»Ach Jonas, sei doch nicht so schlecht gelaunt. Entspann dich und amüsiere dich ein wenig.«

»Hier ist es aber alles andere als amüsant.« Und dieser Meinung bin nicht nur ich. Die anderen Jungen aus unserem Jahrgang stehen auch ziemlich gelangweilt in der Gegend herum und können es kaum abwarten, von hier zu verschwinden. Nach einer Weile werden wir tatsächlich erlöst und dürfen wieder in unseren Reisebus steigen, der uns zum vereinbarten Treffpunkt für die Bootsfahrt bringt.

*

Das Boot liegt bereits im Wasser am Kanal, als wir eintreffen. Nun haben wir eine eineinhalb stündige Bootsfahrt durch das abendliche Amsterdam vor uns. Eigentlich wirklich romantisch und unter anderen Umständen hätte ich mich sicherlich über diese Fahrt gefreut, doch ich bin einfach schon total erledigt von diesem Tag.

Außerdem lässt mich diese Ungewissheit nicht los, dass Dennis über meine Gefühle Bescheid weiß. Wer hat es ihm verraten? Die Einzigen, die die Wahrheit kennen, sind meine Freunde. Und sie haben geschworen, niemandem davon zu erzählen.

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus, als ich neben Bianca über den Holzsteg gehe und das Boot besteige. Wir suchen uns einen Platz an einem kleinen Tisch nah an der Reling, damit wir einen guten Blick auf den Kanal und die Stadt haben. Das Boot legt ab und der Tour Guide, der mit an Bord ist, beginnt mit einem Vortrag über die Geschichte Amsterdams.

Während wir über die schönsten Wasserwege des Grachtenrings fahren, wandert mein Blick immer wieder rüber zu Dennis, der mit einigen Jungs zusammensitzt und lacht. Sie scheinen sich gut zu amüsieren.

Seufzend lasse ich meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Er ist so schön, wenn er lacht. Ach, wenn er doch nur mich so anlachen würde …

»Süßer, willst du etwas trinken?«, fragt meine Freundin und ich sehe zur Kellnerin auf, die erwartungsvoll neben uns steht. Ich bestelle eine Cola und die Frau rauscht davon.

»Du bist schon den ganzen Tag so seltsam«, stellt Bianca stirnrunzelnd fest, »was ist los?«

»Es ist wegen Dennis. Er weiß, dass ich in ihn verliebt bin«, murmele ich. Ihre Augen werden tellergroß.

»Echt jetzt? Du hast es ihm gesagt? Wow, das hätte ich dir gar nicht zugetraut! Wie hat er auf deine Liebeserklärung reagiert?«, sprudelt es aus ihr heraus. Ich schüttele schwach den Kopf, setze mich aufrecht hin und wende meinen Blick dem Wasser und den Lichtern der Stadt zu. Der Anblick ist wirklich wunderschön.

»Er hat es nicht von mir«, breche ich dann mein Schweigen, »keine Ahnung, wie er darüber denkt. Bianca, ich habe echt Angst, dass er mich nun noch mehr verabscheut. Du weißt doch, wie oft er mich wegen meiner Homosexualität schon geärgert hat. Wer weiß, wie schlimm es jetzt wird, da er nun weiß, dass er das Objekt meiner heimlichen Begierde ist.« Verzweifelt sehe ich meine Freundin an. Sie legt ihren Kopf schief und mustert mich.

»Jonas, du bist so ein Hübscher. Er sollte sich geehrt fühlen, dass du dich in ihn verliebt hast«, sagt sie dann.

»Hallo? Ich bin ein Kerl, auch wenn du diesen Umstand gelegentlich zu vergessen scheinst«, mache ich meiner Verzweiflung Luft. »Welcher normale Mann steht bitte darauf von einem anderen Typen angehimmelt zu werden, außer er ist selber stockschwul?«

Bianca kichert leise und wirft einen scheuen Blick zu Dennis und seinen Kumpels rüber.

»Hätte er sich heute Morgen sonst für dich eingesetzt, wenn es ihn so sehr stören würde? Das glaube ich nicht. Vielleicht solltest du einfach mal in Ruhe mit ihm reden?«, schlägt sie vor. Mit ihm reden? Ich soll ihn einfach so ansprechen? Allein schon bei diesem Gedanken bricht mir der Angstschweiß aus! Hastig nehme ich einen großen Schluck von meiner Cola, die mittlerweile vor mir steht. Wieder schaue ich zu Dennis rüber, doch dieser sitzt nicht mehr bei den anderen.

»Dort drüben«, bemerkt Bianca und deutet mit dem Finger nach vorne zum Bug des Schiffes. Dennis steht an die Reling gelehnt und betrachtet das Lichtermeer. Ein Windstoß erfasst ihn und wirbelt durch sein schönes Haar, wie schon gestern an der Brücke. Die Strähnen fallen ihm in die Stirn und er streicht sie mit einer lässigen Bewegung hinters Ohr.

»Geh hin«, raunt mir meine Freundin zu und tatsächlich erhebe ich mich. Mit zittrigen Beinen nähere ich mich ihm.

»Ist dir kalt?«, frage ich leise, da ein deutliches Frösteln durch seinen Körper geht. Dennis trägt nur einen dünnen Pullover und hier auf dem Schiff weht ein kühler Wind.

»Willst du meine Jacke haben?« Um meine Worte zu unterstreichen, ziehe ich den Reißverschluss meiner Jacke auf. Dennis löst seinen Blick aus der Ferne und betrachtet mich. Dann schmunzelt er.

»Wird mir wohl kaum passen«, stellt er fest und dabei funkeln seine Augen so schön, dass ich auf der Stelle dahinschmelzen könnte. Tu ich natürlich nicht, sondern vergrabe lediglich meine Hände tief in den Jackentaschen und stelle mich in einigem Abstand neben ihn an das Geländer.

Schweigend betrachten wir das Wasser des Kanals, das die Lichter der Straßenlaternen reflektiert und beinahe richtig glitzert. Um uns herum ist es bereits dämmrig und die Sonne steht tief am Horizont.

»Jonas, wegen der Sache von heute Morgen«, durchbricht Dennis die Stille.

»Ja, ich weiß. Sorry, dass du es mit ansehen musstest. Total ekelig. Mir ist die Sache wirklich peinlich«, murmele ich und umklammere das Geländer vor mir. Die Kälte des Eisens kriecht durch meine Finger in mich hinein. Dennis dreht sich zu mir um.

»Nein, war doch halb so wild. Jedem ist ab und zu mal schlecht. Ich spreche eigentlich von der Tatsache, dass ich weiß, dass du …«

Bei diesen Worten zucke ich zusammen.