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Finde Antworten auf die großen Fragen der Liebe! In "Karma der Liebe" teilt Geshe Michael Roach, Bestsellerautor von "Der Diamantschneider", seine einzigartigen Einsichten aus jahrzehntelanger Seminarpraxis weltweit. Er beantwortet die 100 häufigsten Partnerschaftsfragen und beleuchtet vier zentrale Themen: Wie finde ich den idealen Partner? Wie bleiben wir dauerhaft glücklich zusammen? Wie gelingt eine erfüllte Beziehung über viele Jahre? Und wie lässt sich dieses Glück mit anderen teilen? Geshe Michael Roach zeigt, warum klassische Wege wie Online-Dating oder Paartherapie für manche funktionieren und für andere nicht – und offenbart, wie du mit zeitlosen buddhistischen Prinzipien und praktischen Werkzeugen echte, liebevolle Beziehungen aufbauen kannst. Entdecke, wie du dein Liebesleben nachhaltig bereichern und dein Glück in die Welt trägst. Ein inspirierender Ratgeber für alle, die Liebe neu verstehen und leben wollen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 685
Veröffentlichungsjahr: 2025
Geshe Michael Roach
Das Karma der Liebe
100 Fragen über Beziehungen –
und ihre Antworten
aus den alten tibetischen Weisheiten
Aus dem Amerikanischen von
Ivonne Senn
Lektorat Annette Mierswa
Impressum
Ungekürzte Ausgabe
Dezember 2013
EditionBlumenau
Hamburg
www.editionblumenau.com
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
The Karma of Love - 100 Answers for Your Relationship
Diamond Cutter Press, USA
Copyright © 2012 Geshe Michael Roach
Copyright der deutschen Ausgabe: © 2013 EditionBlumenau, Hamburg
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Sämtliche, auch auszugsweise Verwertungen, bleiben vorbehalten.
Titelkonzept: Silvia Engelhardt, Hamburg
Titelgestaltung: Kati Krüger, Hamburg
Satz und ebook: Tanja Renz, Herrsching am Ammersee
ISBN des Buches: 9783981618815
ISBN des ebooks: 9783981618877
Wir freuen uns auf Ihren Besuch: www.editionblumenau.com
Weitere Bücher von Geshe Michael Roach bei der EditionBlumenau:
Der Diamantschneider
Karmic Management
Der Garten des Buddha
Der östliche Pfad zum Himmel
Damit Yoga wirkt
Inhalt
Die wichtigste Frage von allen
Einen Partner finden
Zeitdruck
Verbindlichkeit
Liebe
Zusammenleben
Sex, Teil Eins
Vertrauen
Aussehen
Kommunikation, Teil Eins
Depressionen
Alkohol und Drogen
Gemeinschaft
Sicherheit
Ein Zuhause
Gemeinsam etwas unternehmen
Schlafprobleme
Kontrolle
Schwiegereltern und Verwandte
Gleichberechtigung
Sex, Teil Zwei
Selbstachtung
Spass
Ein Blick in die Zukunft
Missbrauch
Emotionale Unterstützung
Treue
Egoismus
Essen und Gewicht
Finanzen
Mit Freunden ausgehen
Kommunikation, Teil Zwei
Abhängigkeiten
Kinder
Religion
Sex, Teil Drei
Gewohnheiten
Abschiede
Frieden
Glück
Gemeinsam alt werden
Tod
Höhere Dinge
Die 4x4 im Überblick
Stichwortverzeichnis
Das Karma der Liebe
Einleitung
Ich bin in Arizona als normaler amerikanischer Jugendlicher aufgewachsen, zu dessen Leben auch Verabredungen mit Mädchen gehörten. Nach der Highschool zog ich in den Osten, um auf die Princeton University zu gehen. Das Studium lief sehr gut und ich wurde sogar im Weißen Haus vom Präsidenten mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet. Alles wirkte so, als läge ein besonderer Zauber über meinem Leben, als würde Großes auf mich warten.
Dann kam der Abend, an dem sich alles änderte. Ich besuchte ein Treffen in der Kapelle der Universität, in der sich Freiwillige versammelt hatten, die der Wunsch einte, etwas gegen den Hunger in der Welt zu tun. Das Telefon klingelte, der Priester nahm den Anruf entgegen, sprach ein paar Minuten leise und kam dann zu mir. Er legte mir eine Hand auf den Arm und bat mich, ihn in sein Büro zu begleiten. Dort teilte er mir mit, dass meine Mutter soeben gestorben war. Meine verzauberte Welt zerbrach in tausend Scherben.
In den folgenden Monaten erhielt ich zwei weitere Anrufe. Einen, als mein Bruder gestorben war, und den zweiten, als auch das Leben meines Vaters ein Ende gefunden hatte. In dieser unermesslich traurigen Zeit erschien mir ein Verbleib im College und in dem Leben, das ich eigentlich hatte führen wollen, bedeutungslos. Ich verließ die Schule und reiste nach Indien in der Hoffnung, dort Antworten zu finden.
Ich hatte das Glück, einige tibetische Mönche zu treffen, und entschied mich nach einiger Zeit, selbst Mönch zu werden. Über 25 Jahre verbrachte ich in tibetischen Klöstern und war der erste Mensch aus den westlichen Ländern seit sechs Jahrhunderten, dem im großen Kloster Sera Mey der Titel Geshe oder Meister des Buddhismus verliehen wurde.
Um dieses Studium zu vollenden, musste ich mich mehreren Prüfungen unterziehen, darunter einer dreiwöchigen öffentlichen Befragung durch Hunderte von Mönchen – natürlich auf Tibetisch. Mein Herzlama in dem Kloster, Khen Rinpoche, schlug mich für einen weiteren Test vor: Würde ich es schaffen, nach New York zu gehen, dort einen Diamantenhandel aufzubauen und Millionen von Dollar zu verdienen, um zu beweisen, dass ich die Prinzipien von Karma verstanden hatte, so wie sie mir in dem Kloster gelehrt worden waren? Wir würden dann das Geld an tibetische Flüchtlinge geben, um sie bei der Beschaffung von Nahrung und anderem Lebensnotwendigem zu unterstützen.
In die Welt zurückzukehren – noch dazu in die von New York City – und mich mit einem vermeintlich so schmutzigen Geschäft wie dem Diamantenhandel zu beschäftigten, war das Letzte, was ich tun wollte. Also schob ich es monatelang vor mir her. Aber am Ende zählt immer der Wille des Lama, und ich musste gehen.
Ich half dabei, eine Firma zu gründen, die sich Andin International Diamond Corporation nannte, und begleitete ihren Aufstieg bis zu dem Punkt, an dem sie das erste Mal 100 Millionen Dollar Jahresumsatz machte. Später wurde die Firma von Warren Buffet gekauft, einem der reichsten Menschen der Welt. Mit dem Geld, das ich bei Andin verdient hatte, konnte ich den Flüchtlingen und vielen anderen Menschen helfen.
Unsere Firma war eine der am schnellsten wachsenden Unternehmen in der Geschichte New Yorks. Das erregte natürlich viel Aufmerksamkeit. Die Verleger von Doubleday Publisher traten an mich heran und baten mich, ein Buch darüber zu schreiben, wie wir durch die Anwendung der Prinzipien von Karma, nämlich anderen zu helfen, zu unserem Erfolg gekommen waren.
Und so schrieb ich das Buch Der Diamantenschneider, das nach einem berühmten Sutra benannt ist. Es erklärt die buddhistische Philosophie zu Karma und Leerheit, die untrennbar zusammengehören und sich gegenseitig bedingen. Dieses Buch wurde auf der ganzen Welt zu einem Bestseller. Es wurde in über 25 Sprachen übersetzt und wird von Millionen Menschen angewendet. Die chinesische Ausgabe ist besonders beliebt. Vielen hat das Buch geholfen, finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen.
Ich wurde immer wieder eingeladen, Vorträge über mein Buch zu halten. Seit der Veröffentlichung haben meine Mitarbeiter vom Diamond Cutter Institute und ich Geschäftsseminare und Retreats für Tausende Menschen in vielen Ländern durchgeführt. Während dieser Programme bilden wir oft Arbeitsgruppen, die sich „Weisheit für den Alltag“ nennen und in denen die Teilnehmer die Möglichkeit haben, Fragen zu ihren eigenen Firmen und Berufswegen zu stellen.
Eines Tages, während eines Seminars in China, wollte eine Frau aus so einer Gruppe wissen, ob ich ihr eine Frage beantworten würde, die nicht geschäftlich wäre, sondern mit der Beziehung zu ihrem Ehemann zu tun habe. Sie fragte, ob sich die gleichen Prinzipien der karmischen Samen auch auf ihr Familienleben anwenden ließen. Ich antwortete, dass sie das selbstverständlich täten – die karmischen Samen in unserem Geist sind für alles und jeden in unserem Umfeld verantwortlich.
Mit einem Mal war der Damm gebrochen. Jeder in der Gruppe stellte Fragen über die intimsten Themen seiner Beziehung zu Ehepartner oder Lebensgefährte. In diesem Augenblick erkannte ich, dass es nicht ausreichte, mich nur um die spirituellen Bedürfnisse der Menschen in Bezug auf Unterkunft, Geld und Nahrung zu kümmern. Unsere engen Beziehungen sind die Quelle des womöglich größten Glücks in unserem Leben; sie können aber auch die Quelle unseres größten Schmerzes sein. Wenn wir glücklich sein wollen, wenn wir möchten, dass die ganze Welt glücklich ist, dann müssen wir wissen, wie wir eine gute Beziehung führen können.
Die alten Überlieferungen der buddhistischen Mönche vermitteln uns erstaunlicherweise viele Erkenntnisse zu unseren Beziehungfragen. Zuerst einmal gibt es bekannte Überlieferungen von Zehntausenden einzigartiger Weisheitstexte, die uns darüber aufklären, woher alles in unserem Leben kommt, einschließlich aller Beziehungsthemen. Das sind die Lehren zu den karmischen Samen.
Es gibt aber auch eine geheime Überlieferungslinie, die sich der Diamantweg nennt und die Tausende Jahre alt ist. Sie bietet uns neue und außergewöhnliche Methoden, mit unserem Partner in Beziehung zu treten und mit ihm gemeinsam in erhabene und unglaublich schöne Bereiche vorzudringen. Diese Lehren sagen sogar, dass Buddha selber seine Erleuchtung nur durch die Hilfe von Tilottama erreicht habe, einer Dame, die auf Bitten der höchsten Wesen des Universums seine Partnerin geworden war. Die Beschreibung dessen, wie sie in den Armen des jeweils anderen spirituelle Vollendung erlangten, während die Sonne an einem neuen Morgen aufging, ist eine der bewegendsten Passagen der gesamten Weltliteratur.
Was meine eigene Qualifikation betrifft, ein Buch über das Karma der Liebe zu schreiben, so kann ich nur sagen, dass ich im Gegensatz zu meinen Klosterbrüdern das Glück hatte, schon Beziehungen erlebt zu haben, bevor ich ein Mönch geworden bin (die meisten Tibeter treten im Alter zwischen ungefähr sieben und zwölf Jahren ins Kloster ein). Ich wusste, was es mit Frauen auf sich hat – ich kannte die Freuden, die Beziehungen bereiten, und ich kannte die schmerzhaften Probleme. Meine eigenen Eltern durchlitten eine herzzerreißende Scheidung, erlebten diese grausame Zerrissenheit, einander zu lieben und doch nicht miteinander leben zu können.
Was ich jedoch am Wichtigsten finde: Ich hatte eine Beziehung, die ich als göttlich bezeichnen würde – eine Beziehung, in der ich einen Blick darauf erhaschen durfte, was zwischen Lord Buddha und Lady Tilottama, zwischen Dante und Beatrice, zwischen Jesus und Maria Magdalena geschehen ist.
In den Jahren danach habe ich diese Erfahrung vertieft und ein noch umfassenderes Verständnis davon erlangt. Tausende Stunden saß ich zu Füßen von zwölf großen Meistern Tibets und hörte ihren Lehren zu. Mir wurden geheime Einführungen in die Beziehungsarbeit zuteil, und ich habe viele Jahre damit verbracht, Tausende Seiten uralter Texte über diese Praktiken zu übersetzen und zu studieren.
Ich habe mich ernsthaft bemüht, den Praktiken zu folgen. Dabei habe ich so manches Mal ungewollt die Aufmerksamkeit der Presse und den Zorn der klösterlichen Autoritäten auf mich gezogen, die glaubten, dass dieses Wissen nicht mit der Mehrheit der Menschen geteilt werden dürfe. Aber ich glaube an eine perfekte Welt. Ich glaube, dass wir sie gemeinsam erschaffen können, und ich glaube, sie beginnt und endet mit einer perfekten Beziehung – mit dem Verständnis vom Karma der Liebe.
Und so möchte ich das, was ich gelernt habe, gerne mit Ihnen teilen, um Ihnen bei Ihren Beziehungsproblemen zu helfen. Über viele Jahre haben mir Tausende Menschen aus allen Teilen der Welt Fragen zu ihren Beziehungen gestellt. Ich habe versucht, die 100 häufigsten Fragen herauszusuchen und sie mit dem alten tibetischen Wissen und mit dem Segen meines eigenen Herzlama zu beantworten. Ich bete dafür, dass es Ihnen und diesem perfekten Menschen in Ihrem Leben hilft.
Geshe Michael Roach
Rainbow House
Februar 2012
Frage 1
Ich hatte meine erste Freundin in der sechsten Klasse, als ich zwölf Jahre alt war. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Beziehungen ich seitdem gehabt habe – es müssen Dutzende gewesen sein, und fast alle endeten unglücklich, obwohl ich zu Beginn immer die Hoffnung gehabt habe, dieses Mal würde es anders werden. Ich habe alle möglichen Ratschläge befolgt, alle möglichen Bücher gelesen. Aber ich habe die traurige Befürchtung, dass nichts davon helfen wird. Können Sie mir zu Beginn mit wenigen Worten sagen, warum „Das Karma der Liebe“ funktionieren sollte, wenn doch so viele andere Methoden gescheitert sind?
Ich glaube Ihnen, dass Sie alles oder immerhin vieles versucht haben, um eine glückliche Beziehung zu führen. Und was Sie nicht selber ausprobiert haben, haben Sie bei anderen beobachtet und auch dort gesehen, dass es nicht funktioniert. Ich denke, wir sind uns einig: Wenn „Das Karma der Liebe“ funktionieren soll, muss es ganz anders sein als alles, von dem Sie bisher gehört haben. Und das ist es auch.
Zuerst einmal möchte ich Ihnen versichern, „Das Karma der Liebe“ funktioniert. Und zwar immer. Bei fast allem, was wir in unserem Leben tun, gehen wir davon aus, dass es vielleicht funktioniert oder vielleicht auch nicht. Selbst beim Einnehmen einer Aspirin gegen Kopfschmerzen. Wir schlucken die Tablette und hoffen, dass sie wirkt. Vielleicht tut sie es, vielleicht aber auch nicht. Traurigerweise haben wir uns schon daran gewöhnt, dass Dinge nur manchmal funktionieren. Niemand würde auf die Idee kommen, seine leere Aspirinschachtel in die Apotheke zu bringen und sein Geld zurückzuverlangen, weil die Hälfte der Tabletten nicht gewirkt hat. Wir sind Fehlschläge gewöhnt. Wir erwarten sie, zumindest ab und zu, und tief in unserem Inneren glauben wir, dass es so sein muss. Dass wir es nicht ändern können.
Karma wirkt jedoch immer, die ganze Zeit über – man muss nur verstehen, wie man es sich zunutze machen kann. Dieses Verständnis zu erlangen bedarf einiger Anstrengungen. Damit dieses Buch Ihnen hilft, müssen Sie bereit sein, ein paar neue Ideen in Ihr Leben zu lassen, über sie nachzudenken und sie anzuwenden. Sie werden zum ersten Mal erfahren, wie die Welt um Sie herum überhaupt entsteht. Und dann können Sie das, was Sie gelernt haben, anwenden, um die Beziehung zu erschaffen, von der Sie schon immer geträumt haben.
Also beginnen wir gleich mit dem wichtigsten Grundbegriff, den Sie kennenlernen müssen: der Leerheit.
Ich halte einen Stift in meiner Hand und frage Sie: „Was ist das?“
„Ein Stift“, werden Sie sofort antworten.
„Und wenn ein Welpe in diesem Moment den Raum betritt und ich mit diesem Objekt vor seiner Nase herumwedele, was würde er tun?“
„Nun, ich weiß nicht. Ich schätze, er würde darauf herumkauen.“
„Was sieht also der Welpe in diesem Stift?“
„Man könnte wohl sagen, ein Kauspielzeug.“
Das ist der erste Schritt zum Verständnis der Leerheit. Jetzt gehen wir noch ein Stückchen weiter.
„Gut. Wer von den beiden hat nun recht – der Mensch oder der Hund? Ist das Ding ein Stift oder ein Kauspielzeug?“
„Ich nehme an, sie haben beide recht. Für mich ist das Ding ein Stift, und für den Hund ist es ein Kauspielzeug.“
„Gut, gut. Also haben beide recht. Für unterschiedliche Betrachter ist das Ding entweder ein Stift oder ein Kauspielzeug. Jetzt eine andere Frage: Wenn ich dieses Objekt nehme und auf den Tisch hier lege und sowohl Sie als auch der Welpe verlassen beide den Raum, was ist es dann – ein Stift oder ein Kauspielzeug?“
„Hm … wenn keiner von uns beiden da ist, um es auf die eine oder andere Art zu sehen, dann könnte man wohl sagen, dass es weder das eine noch das andere ist. Es wäre in dem Moment weder ein Stift noch ein Kauspielzeug. Aber es hat das Potenzial, beides zu sein, abhängig davon, ob ein Mensch oder ein Hund in den Raum zurückkehrt.“
Damit haben Sie die sehr komplizierte Bedeutung von Leerheit verstanden, was die absolut notwendige Voraussetzung dafür ist, Ihren perfekten Partner zu erschaffen. Versuchen Sie zu verstehen, wie der Begriff Leerheit hier gebraucht wird. Er bedeutet nicht, dass alles schwarz ist oder nichts existiert oder nichts etwas bedeutet.
Das Objekt, das auf dem Tisch liegt, nachdem der Mensch und der Hund den Raum verlassen haben, ist leer – wie eine weiße Leinwand, bevor der Film anfängt. Alles um uns herum, und jeder Mensch, dem wir in unserem Leben begegnen, ist genauso: leer, unbeschrieben, frei. Vielleicht haben Sie negative Gefühle gegenüber der letzten Person, mit der Sie eine Beziehung gehabt haben, aber vermutlich finden viele andere Leute diesen Menschen immer noch sehr nett. Genauso verhält es sich mit dem Stift: Was Sie sehen, hängt davon ab, wer Sie sind.
„Nehmen Sie einen Stift in eine Hand, halten Sie ihn genau vor Ihr Gesicht, und zeigen Sie mit der anderen Hand, ob der Stift von seiner Seite her kommt oder von Ihrer. Zeigen Sie mit dem Finger vom Stift auf sich, falls Sie denken, der Stift kommt aus sich selbst heraus, oder zeigen sie von Ihren Augen zum Stift, wenn Sie meinen, er kommt von Ihnen.“
Beinahe jeder wird mit dem Finger von sich auf den Stift zeigen. „Er kommt von mir, er muss von mir kommen. Und das Kauspielzeug kommt vom Hund.“
„Das stimmt. Wenn der Stift von sich aus ein Stift wäre, müsste der Hund ihn auch als einen Stift sehen. Dann würde er versuchen, ihn mit der Pfote zu greifen und vielleicht ein Gedicht zu schreiben. Ein Gedicht an seine Hundefreundin, in dem er ihr sagt: ‚Du hast eine wunderschöne Rute‘.“
Also halten wir fest, der Stift kommt von mir. Aus sich selbst heraus ist er weder Stift noch Kauspielzeug; er ist leer, er ist ohne Bedeutung. Wenn ich also einen Stift sehe, dann muss er aus meinem eigenen Geist kommen.
Können wir nun einfach unsere Augen schließen und uns wünschen, dass der Stift ein Diamantring wäre? Versuchen Sie es gleich einmal – Sie werden feststellen, es funktioniert nicht. Ein wunderbarer neuer Partner mag aus Ihrem eigenen Geist kommen, aber das bedeutet nicht, dass man einfach die Augen schließen und ihn sich herbeiwünschen kann. Wir können uns alles was wir haben wollen ersehnen oder erbeten oder herbeiwünschen, es wird trotzdem nicht geschehen. Jeder einsame Mensch auf der Welt wünscht sich jemanden an seiner Seite, aber das Wünschen alleine lässt noch niemanden erscheinen.
Warum sehen wir also einen Stift? Wie entsteht er in unserem Geist?
Unser Geist enthält Samen, karmische Samen. Sie schlummern tief in unserem Unterbewusstsein, tief in unserem Geist, und wenn die Zeit reif ist, platzen sie auf, wie ein Samen für einen Baum. Ich halte Ihnen einen schwarzen Stab vors Gesicht, und in dieser Mikrosekunde öffnet sich ein karmischer Samen in Ihrem Geist und das leuchtende Bild eines Stiftes schießt hervor. Dieses winzige Bild springt innerhalb einer Tausendstelsekunde zwischen Sie und den schwarzen Stab – so schnell, dass Sie es noch nie bemerkt haben – und dann sehen Sie einen Stift.
Es ist ein echter Stift. Sie können ihn in die Hand nehmen und mit ihm schreiben. So gut sind die mentalen Bilder, die wir erschaffen.
Merken Sie, wohin das führt? Wenn Sie eine Frau sind, die auf der Suche nach einem Partner ist, und ein gut aussehender Mann betritt das Café und kommt auf Ihren Tisch zu, dann ist er das Gleiche wie der Stift. Er entstammt einem Samen in Ihrem Geist. Jetzt müssen wir nur noch lernen, wie man diesen Samen pflanzt!
Um es kurz zu sagen, Samen können nur mithilfe einer anderen Person gepflanzt werden. Was immer wir auch haben möchten, wir müssen dafür sorgen, dass ein anderer es zuerst erhält. Wenn wir einem anderen Menschen helfen, das zu bekommen, was er haben möchte, pflanzen wir einen Samen in unseren Geist, der uns später das Gleiche bringen wird – und zwar zu dem Zeitpunkt, wenn der Samen gereift ist und aufbricht.
Das bedeutet, Sie können Ihren nächsten Partner pflanzen oder alles an Ihrem aktuellen Partner ändern, was Sie möchten – denn all das kommt aus Ihnen heraus. Sie müssen nur wissen, wie es geht. Um ein guter Bauer zu sein, muss man lernen, richtig zu säen und sich gut um die Samen zu kümmern. Dann kann man alles haben.
Die Antwort zu der ersten Frage, der wichtigsten Frage von allen, ist also: Ja, Sie können jeden Partner, jede Beziehung haben, die Sie sich wünschen. Sie müssen nur lernen, die richtigen karmischen Samen zu pflanzen. Wie genau das geht, werden wir anhand der 100 Fragen in diesem Buch behandeln. Immer wenn ich eine Frage beantworte, werde ich Ihnen etwas Neues über die Techniken des karmischen Samenanbaus beibringen. Und deshalb möchte ich, dass Sie sich erst einmal hinsetzen und dieses Buch von Anfang bis Ende lesen – sogar die Abschnitte, in denen wir über eine Frage sprechen, die sich Ihnen im Moment vielleicht gar nicht stellt.
So werden Sie alles lernen, was man über das Karma der Liebe nur wissen kann. Anschließend kehren Sie zu den Fragen zurück, die mit Ihrem eigenen Leben zu tun haben. Sie werden nun in der Lage sein, die Antworten umzusetzen, die Sie dort finden. Es ist ein ganz neues System aus dem alten Tibet. Wenn Sie dieses System wirklich verstehen, funktioniert es immer – und deshalb ist es anders als alles, was Sie je zuvor ausprobiert haben.
Beinahe alle Fragen, die Sie in diesem Buch finden, beziehen sich auf traditionelle Partnerschaften – Freund und Freundin, Mann und Frau – weil mir dazu auf der ganzen Welt die meisten Fragen gestellt worden sind. Die Prinzipien, die Sie hier erlernen, sind jedoch von sehr vielen Menschen auch schon auf andere Beziehungen angewandt worden: Familie, Freunde, Geschäftspartner, Kollegen und gleichgeschlechtliche Beziehungen. Also nutzten Sie „Das Karma der Liebe“ ruhig in allen Beziehungen zu anderen Menschen.
Frage 2
Wo soll ich nach meinem Partner suchen?
Vor ein paar Jahren kam Ann mit einer seltsamen Frage zu mir. (Wie alles in diesem Buch ist auch diese Geschichte wahr – oder eine Zusammenfassung mehrerer wahrer Geschichten – in der ich die Namen verändert habe, um die Privatsphäre meiner Freunde zu wahren.)
Ann stammt aus Asien, und so benutzte sie meinen traditionellen Titel: „Geshe La, du bist ein Mönch. Buddhistische Mönche sind fa li wu bian, wie wir in China sagen – sie haben besondere spirituelle Kräfte. Ich kenne viele Mönche, die mo können, also interessierten Menschen die Zukunft voraussagen. Und ich muss etwas wissen.“
„Was denn?“, fragte ich.
Ann schaute mich ein wenig verlegen an. „Nun“, sagte sie, „ich hätte so gerne einen Freund, aber ich bin nicht sicher, wo ich nach ihm suchen soll. Es würde mir sehr viel Zeit und Mühe sparen, wenn du einen Blick in die Zukunft werfen und mir sagen könntest, wo ich ihn treffen werde.“
Ich war ein wenig überrascht. Ich hatte eine Frage erwartet wie, „Welche Form der Meditation sollte ich diese Woche ausüben?“ Also spielte ich ein wenig auf Zeit.
„Was glaubst du, wo du ihn treffen wirst?“
„Ich denke darüber nach, es entweder übers Internet zu versuchen oder zum Tanzen in einen Club zu gehen. Das Problem ist, ich glaube, dass jeder Mann, den ich im Internet kennenlernen würde, irgendwie komisch ist – einer von denen, die mehr Zeit mit ihrem Laptop als mit ihrer Freundin verbringen. Andererseits, jeder Mann, den ich in einem Club kennenlerne, wird … naja, ein Mann sein, der in einen Club geht. Er könnte nicht der Richtige für eine langfristige Beziehung sein.“
Normalerweise mache ich diese Art der Zukunftsvorhersage nicht, aber in einem der tibetischen Klöster, in dem ich gelebt hatte – jenes, welches mitten in New Jersey liegt – gab es viele weise Mönche aus der Mongolei, die darin wirklich gut waren. Ich habe sie über Jahre beobachtet, und so wusste ich, dass man manchmal eine gute Show bieten muss, um jemandem zu helfen.
Die tibetischen Mönche sagen die Zukunft mithilfe zweier Würfel voraus, aber die Mongolen machen es noch besser. Sie nehmen die Gelenkknöchelchen von einem Schaf, die ziemlich quadratisch geformt sind, und kochen sie, bis sie ganz weiß sind. Dann werfen sie sie auf den Tisch und erzählen dem Fragenden anhand der Position, in der die Knöchelchen gelandet sind, was passieren wird. Also warf auch ich die Knöchelchen auf den Tisch und beugte mich mit sehr ernster Miene über sie.
„Hm“, sagte ich. Und „Hu!“ Und dann fügte ich sicherheitshalber noch ein paar Mantras hinzu. „Om mani padme hung. Om mani padme hung!“
Danach soll man ausrufen: „Ah! Jetzt sehe ich es!“, was ich auch tat.
Ann beugte sich ebenfalls über die Knöchelchen. „Also, Geshe La, werde ich ihn über das Internet finden?
„Nein, nein“, sagte ich ernst. „Nicht über das Internet! Das ist es nicht!“
„Oh“, rief sie entzückt. „Dann muss es der Tanzclub sein!“
Ich beugte mich bedächtig noch weiter über die Knochen und studierte sie eindringlich. „Nein, auch nicht. Du wirst ihn nicht in einem Club kennenlernen.“
„Aber wo dann?“, fragte sie.
Immer noch über die Knochen gebeugt, hielt ich inne, betrachtete sie noch ein Weilchen und richtete mich dann auf, um Ann in die Augen zu sehen. „Du wirst … in ein Altenheim gehen müssen.“
„Ein Altenheim?“ Ann schaute mich aus großen Augen ungläubig an. Es entstand eine lange Pause, dann sagte sie. „Aber Geshe La, du verstehst das nicht.“
„Was verstehe ich nicht?“, sagte ich.
„Ich meine“, sie errötete. „Ich meine … Geshe La, ich will einen jungen Mann!“
Ich lachte. „Nein, du verstehst es nicht. Erzähl mir, warum willst du einen Freund?“
Sie antwortete, ohne zu zögern. „Nun, schau dir mein Leben an. Ich habe einen guten Job in einem Büro hier in Manhattan. Ich arbeite den lieben langen Tag, und meine Arbeit macht mir Spaß. Dann gehe ich nach Hause und koche für mich allein etwas zu essen. Das dauert ungefähr eine Dreiviertelstunde. Ich setze mich alleine hin und esse, was ungefähr fünf Minuten dauert. Dann wasche ich das Geschirr ab, das ist noch einmal eine halbe Stunde. Du siehst, ich verbringe über eine Stunde mit meinem Abendessen, nur um mich allein hinzusetzen und es allein zu essen. Niemand sitzt mir gegenüber, niemand lässt sich mein Gericht schmecken, niemand spricht mit mir darüber, wie mein Tag war.“
„Also bist du einsam“, sagte ich. „Du möchtest jemanden haben, der bei dir ist; du sehnst dich nach Gesellschaft, nach jemandem, den du lieben kannst.“
„Genau“, seufzte sie erleichtert auf.
„Und genau deshalb“, fuhr ich fort, „musst du in ein Altenheim gehen. Du suchst Gesellschaft, also musst du in deinem Geist den Samen für Gesellschaft pflanzen. Dieser Samen wird irgendwann reifen, und dann wirst du den Mann treffen, wer auch immer er sein mag. Um den Samen für Gesellschaft zu pflanzen, musst du aber erst jemand anderem Gesellschaft leisten. Und eine der besten Arten, das zu tun, ist, in ein Altenheim zu gehen.
Geh in ein Pflegeheim, besuche eine ältere Frau, jemanden, der allein ist, jemanden, der keinen Besuch bekommt, jemanden, mit schlechten Zähnen und schlechtem Atem, jemanden, der runzelig ist und vergessen wurde, jemanden, der jedes Mal, wenn du ihn besuchst, fragen wird: ‚Habe ich dir schon von dem Freund erzählt, den ich auf der Highschool hatte? Das war vielleicht ein Hübscher!‘
Du musst nicht ständig bei ihr sein – besuche sie ab und zu, vielleicht einmal in der Woche oder alle zwei Wochen. Bring ihr ein paar Blumen mit, führe sie zum Essen aus, hilf ihr, ihren Rentenantrag auszufüllen oder das Zimmer aufzuräumen. Aber vor allem leiste ihr Gesellschaft. Hör dir die Geschichten ihres Lebens an, auch wenn sie sie dir zum hundertsten Mal erzählt. Und erzähle ihr von deinem Leben. Du könntest etwas von ihrem Leben lernen; sie könnte ein paar gute Ratschläge für dich haben.
Wenn du das tust, pflanzt du einen Samen für Gesellschaft. Wenn dieser Samen sich öffnet, wirst du deinen Mann kennenlernen. Wenn der Samen da ist, ist es egal, wo du deinen Freund suchst – im Internet, in einem Club oder auf der Couch in deiner Wohnung. Er wird kommen. Er muss kommen. Wenn du diesen neuen Samen jedoch nicht pflanzt und im Internet suchst oder in einem Club, findest du vielleicht einen Freund, vielleicht aber auch nicht, das hängt ganz davon ab, ob es noch einen alten Samen für Gesellschaft in deinem Geist gibt – oder nicht.“
Ann ist ganz anders als beinahe alle, denen ich je einen Rat gegeben habe. Denn sie zog tatsächlich los und tat genau das, was ich ihr geraten habe.
Ein paar Monate später rief sie mich an.
„Geshe La! Ich habe großartige Neuigkeiten!“
„Erzähl!“
„Ich habe getan, was du mir gesagt hast. Ich habe einer alten Frau in einem Altenheim Gesellschaft geleistet. Und dann war ich vor kurzem in San Francisco, um einen Yogakurs zu geben. Die Schüler kamen einer nach dem anderen in den Raum, und ich habe nach ihm Ausschau gehalten, weißt du …“
„Ja!“
„Und, nun ja, in den meisten Yogakursen sind ohnehin nur Frauen, und er ist nicht aufgetaucht.“
Ich war ein wenig verwirrt. „Und?“
„Und dann öffnete sich die Tür fünf Minuten nach Unterrichtsbeginn noch einmal, und da stand dieser Mann im Türrahmen. Er hatte sich verspätet.“
„Ja?“
„Er schaute mich quer über den Raum hinweg an, und … es war wie im Film – Liebe auf den ersten Blick, sowohl für ihn als auch für mich. Die ganze Klasse wartete nur darauf, dass ich endlich mit dem Unterricht anfange, und ich konnte nichts anderes tun, als diesen umwerfenden Mann anzusehen.“
Sechs Monate später erhielt ich einen weiteren Anruf. „Geshe La, hier ist Ann. Du bist doch ein Mönch, oder, ein echter buddhistischer Mönch?“
„Ja, das bin ich“, sagte ich.
„Äh … können buddhistische Mönche eigentlich auch Hochzeitszeremonien durchführen?“ Ja, das kann ich, und ich habe es getan. Es war wundervoll, mitten in Manhattan mit ganz viel weißer Spitze und schwarzen Anzügen.
Sie verstehen, was ich damit sagen will. Ann hat ihren Partner nicht gefunden. Sie hat ihren Partner erschaffen. Mit dem „Karma der Liebe“ ist nichts mehr ein Zufall. Wir entscheiden ganz klar, was wir wollen, und dann helfen wir jemand anderem, das Gleiche zu erlangen. Damit pflanzen wir einen karmischen Samen. Danach läuft alles wie von selbst – keine Sorgen, keine Fragen. Er kommt, und er schenkt uns seine Gesellschaft, weil wir jemand anderem Gesellschaft geleistet haben.
Also versuchen Sie nicht auf der heimischen Couch zu entscheiden, ob Sie lieber ins Internet, in einen Club oder in einen Yogakurs gehen sollten. Suchen Sie die auf, die einsam sind – und wenn man erst einmal anfängt, sie zu suchen, wird man sie überall finden. Es gibt nicht nur einsame alte Leute, sondern auch einsame Kinder, deren Eltern zu beschäftigt sind, und einsame Kollegen, die im Büro direkt neben einem sitzen, oder einsame Menschen im Bus. Bieten Sie ihnen an, ihr Freund zu sein, schenken Sie ihnen Ihre Gesellschaft und behalten Sie diese Gewohnheit bei – machen Sie es zu Ihrer Mission. Der Samen wird gepflanzt, und Ihr Partner wird kommen. Ganz egal, wohin Sie gehen.
Frage 3
Nach welchen Eigenschaften sollte ich bei einem Partner Ausschau halten?
Karen, die schon viele meiner Vorträge besucht hat, fing mich eines Tages nach einer langen Präsentation vor einer größeren Gruppe im Südwesten der USA auf dem Parkplatz ab. Ich war sehr erschöpft, aber meine Assistenten hatten ihr gesagt, dass sie die Zeit, die ich vom Gebäude zum Auto brauchte, „haben“ könne. Wir nennen es „walk and talk“, und zum Glück hielten sie uns den Weg durch die Menge frei, damit wir beides tun konnten.
Ich wusste ziemlich genau, worüber sie sprechen wollte. Sie hatte eine gute Beziehung mit einem wirklich netten Mann geführt – guter Job, freundliches Wesen – aber es schien, dass er weiterziehen wollte.
Sie schaute mich mit schmerzerfülltem Blick an und sagte: „Geshe La, es hat nicht funktioniert. Ich denke, du kannst dir all die frustrierenden Einzelheiten vorstellen. Er ist weg. Nun muss ich die Suche von Neuem beginnen, aber zuerst wollte ich dich fragen: was meinst du, wonach ich diesmal bei einem Partner Ausschau halten sollte, damit es besser funktioniert …“ Ihre Stimme verebbte, und ich empfand Mitgefühl.
„Sieh mal, Karen“, sagte ich. „Ich bin ein Mönch, das weißt du, und deshalb weiß ich auch, was du von mir hören willst: ‚Suche nach jemandem, der ein gutes Herz hat – suche dir einen netten Menschen. Mach dir keine Gedanken darüber, wie er aussieht, was für einen Job er hat oder wie klug er ist.‘„
Sie nickte. Genau das hatte sie erwartet. Und vielleicht war das ein Teil ihres ganzen Problems.
„Tja, das kannst du leider vergessen“, fuhr ich fort. „Das ist in Ordnung, solange du nicht weißt, was du tust – wenn du nach Mr. Right suchst,aber nichts darüber weißt, wie du Mr. Right erschaffen kannst.
Wenn Mr. Right jemand ist, den du findest, dann wirst du definitiv ein paar Kompromisse eingehen müssen. Wenn du einen Partner finden musst, dann findest du auf jeden Fall jemanden, der entweder gut aussehend und klug, aber nicht sonderlich zuverlässig und nett ist. Oder jemanden, der zuverlässig und nett ist, aber nicht so gut aussieht oder sonderlich klug ist.
Und dann wirst du dir Gedanken darüber machen und dich entscheiden müssen, ob du den Rest deines Lebens mit jemandem verbringen willst, der nur etwa 75 % von dem erfüllt, was du dir von einem Partner wünschst.“
Sie sagte nichts, doch ich fühlte, dass ihr ein wenig unbehaglich zumute wurde … ihr ganzes Leben über hatte sie genau dieses Spiel der Wahrscheinlichkeiten gespielt.
„Aber wie sieht die Alternative aus?“
„Du musst verstehen, dass es mit dem System des Diamantschneiders so nicht funktioniert. Denn mit diesem System erschaffst du deinen Partner – du gestaltest ihn, indem du die richtigen karmischen Samen pflanzt.
Bevor du in deinem Leben irgendetwas erschaffst – ein Gemälde, einen Kuchen, was auch immer – musst du dir zuerst darüber klar werden, wie genau du es haben willst. Du denkst sorgfältig nach und erstellst eine Liste von allem, was dir daran wichtig ist. Erst dann fängst du an, jedes Detail nach deinen Vorstellungen zu erschaffen.
Und genauso kreierst du deinen Traummann. Mach eine Wunschliste. Aber sei vorsichtig! Du wirst genau das bekommen, also sei dir sicher, dass es auch das ist, was du wirklich haben möchtest. Natürlich kannst du ihn später immer noch ändern, aber warum solltest du es dir schwerer als nötig machen?“
Mitten auf dem Parkplatz blieb ich stehen und sah Karen an. „Wähle jemanden, der alles ist“, sagte ich. „Erschaffe jemanden, der alles ist. Nutze die Samen! Was glaubst du denn, was ich euch die ganze Zeit versucht habe, beizubringen?“
„Okay, okay“, sagte sie. „Sag mir, wo ich anfangen soll.“
„Gut. Angenommen, du möchtest jemanden, der all das in sich vereint was ich gerade aufgezählt habe. Jemanden mit einem guten Herzen, der klug ist, einen guten Job hat und … warum nicht? … der genauso aussieht, wie du dir deinen Traummann immer vorgestellt hast.“
Erstellen Sie eine Liste mit den Eigenschaften, die Ihnen wichtig sind.
„Erstelle deine Liste und pflanze dann die karmischen Samen für jede dieser Eigenschaften in deinen Geist. Jede Eigenschaft benötigt einen anderen Samen, weil sie sich von den anderen unterscheidet.“
Im Verlaufe dieses Buchs werden wir uns mit beinahe allen Eigenschaften beschäftigten, die man sich an seinem Partner nur wünschen kann, aber für den Anfang nehmen wir erst einmal Karens Auswahl.
„Wenn du kluge Menschen um dich haben willst“, erklärte ich ihr, „musst du Samen für Klugheit pflanzen. Das ist leicht, denn das Klügste, das man tun kann, ist, herauszufinden, wie genau die Welt funktioniert. Sie funktioniert durch die kleinen Samen in deinem Geist – sie entspringt diesen Samen genauso, wie wir es vorhin mit dem Stift durchgespielt haben.
Behalte das immer im Kopf, denk oft darüber nach, sinniere darüber, während du die Straßen entlanggehst oder Auto fährst. Und sprich mit anderen darüber, wann immer es so aussieht, als wären sie interessiert oder bräuchten Hilfe. All das pflanzt Samen für Klugheit, und wenn sie sich öffnen, findest du dich von immer klügeren Menschen umgeben – inklusive deines Partners. Kannst du mir soweit folgen?“ Wir waren bereits bei meinem Wagen angekommen und ich schaute sehnsüchtig zum Vordersitz.
„Ja, kann ich.“ Karen lächelte. „Und dann?“ Sie hatte ihr kleines Notizbuch herausgeholt und machte sich Vermerke. Wenn ich Leute sehe, die das tun, weiß ich, es besteht eine reelle Chance, dass sie meine Vorschläge umsetzen. Das treibt mich an.
„Wenn du also außerdem einen Partner mit einem guten Job haben möchtest, musst du anderen Menschen helfen, den Job zu finden, nach dem sie suchen – das erklärt sich von selbst. Wie vielen Menschen du helfen musst? So vielen wie nötig. Du erkennst, dass es genug ist, wenn du den Traummann triffst und er einen guten Job hat.“ Sie nickte und schrieb hektisch mit.
Was das gute Aussehen angeht? Darüber spreche ich später in Frage 8 noch ausführlicher, aber zu Karen sagte ich: „Kurz zusammengefasst, je ruhiger du in angespannten oder aufgeregten Situationen bleiben kannst, je besonnener du bist, desto mehr Samen pflanzt du für Schönheit – und für einen attraktiven Partner.
Was das gute Herz angeht – nun, das ist aus einem guten Grund wirklich das Wichtigste an einem Partner. Jemand mit einem guten Herzen hilft jedem in seinem Umfeld. Und das bedeutet, er pflanzt jederzeit gute Samen in seinem Geist. Wenn du mit jemandem zusammenlebst, der ständig gute Samen pflanzt, wird das auf dich abfärben.
Die beste Version eines guten Herzens ist diejenige, die versteht, warum es wichtig ist gut zu sein – denn ansonsten besteht die Gefahr, dass ein gutes Herz in anstrengenden Situationen oder unter Druck aufhört, gut zu sein. Um Menschen zu treffen, die verstehen, warum sie gut sein müssen, musst du dir selber Mühe geben, es zu verstehen.“
„Kannst du etwas deutlicher werden?“, bat sie.
„Was ich damit meine, ist, dass du über die Samen nachdenken sollst: Denk darüber nach, wie alles dadurch entsteht, dass man nett zu anderen ist. An dem Tag, an dem du wirklich verstanden hast, wie Dinge entstehen, woher sie stammen, wirst du erkennen, dass das, was die Wände des Raumes, in dem du gerade sitzt, aufrecht erhält, Güte ist – nicht Holz, Eisen oder Zement. Freundlichkeit, Güte, Liebenswürdigkeit treiben die Welt an, denn alles, was wir geben, kommt zu uns zurück.“
Sie schrieb schwungvoll die letzten Worte mit und klappte ihr Notizbuch zu. „Gut, das mache ich.“ Dann öffnete sie mir die Wagentür und ließ mich ohne ein weiteres Wort davonfahren.
Diese kleine Unterhaltung auf dem Parkplatz hat ein wirklich glückliches Ende gefunden. Karen hat mit dem Pflanzen von Samen weitergemacht und einen ziemlich außergewöhnlichen Mann erschaffen – viel größer als das Original, viel sanfter und aufmerksamer und ihr viel mehr zugetan. Es macht mich jedes Mal wirklich glücklich, wenn ich Menschen sehe, die alles bekommen, was sie sich wünschen. Dann denke ich immer, das haben wir alle verdient. Es ist so eine Art Menschenrecht.
Frage 4
Mein Mann und ich – wir lieben einander wirklich, aber wir haben beide so volle Terminpläne, dass wir uns an manchen Tagen nur beim Betreten oder Verlassen des Hauses kurz sehen. Wie können wir mehr Zeit miteinander verbringen?
Zeit ist für die meisten von uns ein sehr wichtiges Thema. Aber es ist nicht wichtig genug, um gleich hier zu Beginn dieses Buches behandelt zu werden. Außer wir nutzen es, um die Technik des Samenpflanzens zu erklären: Wir nennen diese Technik „Die vier Starbucks-Schritte“, und Sie müssen sie bei allen 100 Fragen in diesem Buch anwenden. Also schauen wir sie uns gleich einmal an.
Diese Zeitfrage wurde nicht mir gestellt, sondern meinem Freund Viet Duong. Er und seine Frau Elisha begleiteten mich auf einer Vortragsreise des Diamond Cutter Institute durch Vietnam, die Aufenthalte in Hanoi und Ho Chi Minh-Stadt beinhaltete. Zu siebt saßen wir in einem Halbkreis auf der Bühne und beantworteten Fragen aus dem Publikum.
Als die Frage kam, hat Viet keinen Moment gezögert. Er nahm sich das Mikrofon und redete einfach darauflos. Zum Glück saß unser Dolmetscher neben mir und übersetze mir Viets Worte. Vietnamesisch ist wirklich eine der schwersten Sprachen der Welt. Ich habe versucht, ein bisschen zu lernen, aber ich kann noch nicht einmal „Hallo“ sagen.
„Wenn ihr mehr Geld wollt“, fragte Viet das Publikum, wobei er sich vorbeugte wie ein Lehrer aus alten Zeiten, „was müsst ihr dann tun?“
„Jemand anderem helfen, Geld zu verdienen“, kam es wie aus einem Munde zurück.
„Und wenn ihr mehr Zeit wollt“, Viet lächelte, „was müsst ihr dann tun?“
Münder öffneten und schlossen sich gleich wieder. Menschen schauten sich um, um zu sehen, ob jemand anders die Antwort wüsste. Ein mutiger junger Mann wagte es.
„Jemandem helfen, mehr Zeit zu haben?“, sagte er.
Geben Sie, was Sie haben möchten.
„Richtig.“ Viet strahlte über das ganze Gesicht. „Das bedeutet, ihr müsst jemand anderem etwas von eurer Zeit abgeben.“
Die Frau, die die Frage gestellt hatte, schaute nicht sonderlich glücklich drein. Ich brauchte keinen Dolmetscher, um ihre nächsten Worte zu verstehen.
„Aber ich habe keine Zeit, um sie zu verschenken; deshalb habe ich die Frage doch überhaupt gestellt.“
Viet blieb ungerührt. „Sehen Sie nicht, dass es das Gleiche ist wie mit dem Geld? Wenn wir anderen Menschen mit der richtigen Technik Geld geben, pflanzen wir damit Samen, die uns erleben lassen, wie Geld zu uns zurück kommt; viel Geld, mehr Geld, als wir gegeben haben. Wenn wir keine Zeit haben – nicht genug, um schöne Momente mit unserem Partner zu erleben – müssen wir Zeit geben.“
Die Frau sah immer noch nicht glücklich aus.
„Sehen Sie“, sagte Viet. „Wenn Sie Ihr Problem auf eine neue Art lösen möchten, auf die Diamantschneider-Art, dann werden Sie darüber nachdenken müssen, Samen zu pflanzen. Das gilt für alles, was Sie in Ihrem Leben haben oder erreichen wollen. Wie können Sie Samen für mehr Zeit pflanzen? Wem können Sie ein wenig von Ihrer Zeit schenken?“
Die Frau schaute zur Decke und dachte nach. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Viet.
„Vielleicht könnte ich meiner Schwester helfen.“
„Ihrer Schwester? Welche Art Hilfe benötigt sie?“
„Sie hat zwei Kinder und einen Vollzeitjob und muss zusätzlich putzen und kochen und einkaufen. Sie ist immer in Eile und hat nie ausreichend Zeit.“
„Großartig!“ Viet strahlte. „Also schenken Sie ihr ein wenig Zeit. Vielleicht bieten Sie ihr an, einen Abend lang auf die Kinder aufzupassen, damit sie und ihr Mann einmal ausgehen können.“
Die Frau zog ihre Stirn noch krauser, soweit das überhaupt möglich war. „Ich komme zu Ihnen, um zu erfahren, wie mein Ehemann und ich mehr Zeit füreinander finden können, und Sie sagen mir, ich soll die wenige Zeit, die ich habe, dazu nutzen, auf die Kinder meiner Schwester aufzupassen?“
„Genau!“ Viet bedachte sie mit einem Lächeln, dessen Intensität ihrem Stirnrunzeln in nichts nachstand. „Nur für ein paar Stunden.“
Langsam wirkte die Frau etwas verwirrt. „Ich schenke meiner Schwester ein paar Stunden, damit ich ein paar Stunden zurückbekomme? Wo liegt da der Sinn? Warum kann ich meine wenigen Stunden nicht einfach behalten?“
„Ah“, sagte Viet. „Jetzt verstehe ich Ihr Problem. Sehen Sie, was die Samen angeht, müssen Sie eine Sache verstehen. Sie schenken Ihrer Schwester ein paar Stunden Ihrer wertvollen Zeit und erhalten dafür das Zehnfache zurück!“ Er hielt inne. „Das heißt, wenn Sie die richtige Technik anwenden …“, fügte er hinzu.
„Technik?“ fragte die Frau. Aber wie so viele Menschen, die schwierige Fragen zu den Prinzipien des Diamantschneiders stellen, konnte man sehen, dass auch sie sehr intelligent war und es wirklich wissen wollte. Das sind die besten Kandidaten, um dieses neue System zu lernen. Sie wollen genau wissen, wie es funktioniert, bevor sie es ausprobieren. Und wenn sie es dann versuchen, werden sie es bravourös meistern, weil sie bereits alle Fragen im Vorhinein geklärt haben.
„Okay“, sagte Viet, „angenommen, Sie nehmen den Samen einer Wassermelone. Einen guten Samen. Wird daraus eine Wassermelone?“
„Sicher“, sagte die Frau, „wenn man ihn einpflanzt.“
Viet zeigte auf den Bühnenboden. „Selbst wenn ich ihn hier einpflanze?“
„Nein, dann natürlich nicht“, erwidert sie. „Ich meine, man muss ihn am richtigen Ort einpflanzen – man muss wissen, was man tut. Und wenn er gut wachsen soll, muss man noch viele andere Dinge beachten: wie viel Wasser diese spezielle Pflanze braucht, damit es nicht zu viel und nicht zu wenig ist; wie viel Sonnenlicht, welchen Dünger in welchen Mengen.“
Viet nickte auf seine sonnige Art. „Genau. Im Diamantschneider-System nennen wir das die Technik. Wenn Sie die richtige landwirtschaftliche Technik beherrschen, wird der Samen einer Wassermelone Ihnen viele schöne Wassermelonen bescheren. Und er wird schneller wachsen. Wenn Sie mit der richtigen Technik ein paar Stunden auf die Kinder Ihrer Schwester aufpassen, bekommen Sie dafür ganze Tage voller Freizeit zurück, die Sie mit Ihrem Ehemann verbringen können.“
Die Frau wirkte nun viel interessierter. Sie holte einen Stift und einen Block heraus und schaute Viet erwartungsvoll an. Ich war unglaublich stolz auf ihn, so wie ich es oft bin, wenn ich unsere DCI-Lehrer auf der ganzen Welt bei der Arbeit beobachten darf.
„Gut, schauen Sie“, fuhr er fort. „Die Technik“, um karmische Samen zu pflanzen, nennen wir ‚Die Vier Starbucks-Schritte‘.
Die Frau sah ihn irritiert an.
„Was das mit Starbucks zu tun hat, darauf kommen wir später“, sagte Viet. „Okay. Starbucks-Schritt Nummer Eins. Wir nennen ihn Ein einziger Satz. Drücken Sie das, was Sie möchten, in einem einzigen kurzen Satz aus.“
„Ich möchte mehr Zeit mit meinem Partner verbringen können“, sagte sie.
„Gut. Jetzt Starbucks-Schritt Nummer Zwei. Er heißt Der Plan. Der Plan besteht aus zwei Teilen. Zuerst müssen Sie entscheiden, wo Sie den Samen pflanzen wollen. Wenn Sie den Samen für einen Baum oder eine Blume pflanzen möchten, müssen Sie sich vorher das richtige Fleckchen Erde aussuchen.
Für karmische Samen ist dies ein anderer Mensch. Es ist beinahe unmöglich, in sich selber einen Samen zu pflanzen – man braucht einen anderen Ort dafür, eine andere Person. Ein Teil von Schritt Zwei ist also, diese Person auszuwählen.
Es sollte jemand sein, der das Gleiche möchte wie Sie.“
„Aber das hatten wir doch schon“, platzte die Frau dazwischen. „Wir haben meine Schwester ausgewählt, die sich genauso verzweifelt wie ich nach etwas mehr Zeit sehnt.“
„Richtig“, sagte Viet. „Und jetzt die zweite Hälfte des Plans: wo wollen Sie ihr helfen.“
„Vermutlich in ihrem Haus“, erwiderte sie. „Ich habe bestimmt nicht vor, die kleinen Monster zu mir zu holen, damit sie mir mein Haus auf den Kopf stellen.“
„Natürlich nicht.“ Er lächelte. „Aber was ich meinte, ist, wo werden Sie sich mit ihr zusammensetzen und über die Idee sprechen, ihr dabei zu helfen, etwas mehr Zeit für sich zu haben? Hier kommt Starbucks ins Spiel.
Rufen Sie Ihre Schwester an und fragen Sie sie, ob sie sich mit Ihnen auf einen Kaffee bei Starbucks treffen kann. Sagen Sie ihr, Sie brauchen bei etwas Ihre Hilfe. Und sagen Sie ihr, sie kann die Kinder ruhig mitbringen.“
Die Frau schüttelte misstrauisch den Kopf. „Diese Kinder … Gut, aber ich glaube nicht, dass wir lange bleiben können. Als ich mich das letzte Mal mit meiner Schwester im Starbucks getroffen habe, um zu reden, haben sie das reinste Chaos angerichtet und Kaffeepackungen aus den Verkaufsregalen genommen, um sie mitten auf dem Fußboden zu einem Turm aufzustapeln.“
„Sehr gut!“, sagte Viet, als wäre genau das der Plan. „Damit ist der zweite Schritt vollendet: Wir haben einen Plan, wir haben einen Menschen ausgewählt, dem wir helfen wollen, und einen Platz ausgesucht, an dem wir es ihm sagen.
Das ist übrigens der Grund, warum wir sagen ‚treffen Sie sich bei Starbucks‘ und nicht ‚treffen Sie sich in irgendeinem Café‘. Wenn Ihre Samen groß und schnell wachsen sollen, dann muss der Plan so genau wie möglich sein. Sie wollen ja, dass die Stunden, in denen Sie auf die Kinder aufpassen, zu ganzen Tagen heranwachsen, die Sie mit Ihrem Mann verbringen können, und das wenn möglich innerhalb der nächsten ein oder zwei Monate.
Also sagen Sie nicht einfach nur: ‚Ich entscheide mich, meiner Schwester zu helfen und werde sie demnächst darauf ansprechen und ihr davon erzählen.‘ Ich möchte Sie sagen hören: ‚Ich habe mich entschieden, meiner Schwester zu helfen, und ich werde sie an diesem Freitag um vierzehn Uhr auf einen Kaffee in den Starbucks an der 4th Street einladen.‘“
„Gut, das habe ich verstanden“, sagte die Frau. Sie hatte die ganze Zeit fieberhaft mitgeschrieben, was sehr typisch ist, wenn kluge Menschen von den Vier Starbucks-Schritten hören. Sie sehen bereits, wie sinnvoll dieser Ansatz ist: Er erklärt beinahe alles auf der Welt augenblicklich, und es fühlt sich außerdem richtig an, dass die Lösung all unserer Probleme für alle Seiten ein Gewinn sein sollte.
„Und der dritte Schritt?“, wollte sie wissen.
Viet überlegte einen Moment und fragte dann: „Was glauben Sie kommt als Nächstes?“
Sie war bereit. „Ich gehe mit ihr zu Starbucks! Ich biete ihr an, ihr mit den Kindern zu helfen! Und dann helfe ich ihr tatsächlich mit den Kindern!“„Sehr gut“, lobte Viet. „Ich meine, man kann auch Samen pflanzen, indem man nur plant, jemandem zu helfen. Aber diese Samen werden nicht sonderlich stark sein. Man muss den Plan auch wirklich ausführen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Mehr steckt wirklich nicht hinter Starbucks-Schritt Drei. Rufen Sie sie an, treffen Sie sich mit ihr, sprechen Sie darüber, wie Sie ihr helfen können, etwas Zeit für sich zu gewinnen, und dann unterstützen Sie sie tatsächlich dabei, sich diese Zeit zu verschaffen.
Was den vierten und letzten Starbucks-Schritt angeht …“ Viet warf mir einen schelmischen Blick zu. „Ich glaube, damit kann Geshe Michael uns helfen!“ Applaus brandete auf und verebbte, als alle Augen sich auf mich richteten. Das Mikrofon wurde zu mir weitergereicht.
„Gut, also Starbucks-Schritt Nummer Vier“, fing ich an. „Der ist ganz einfach. Es handelt sich um die Kaffeemeditation.“
Ich schaute mir die Reaktion der Zuschauer an, als der Dolmetscher meine Worte übersetzte. Vietnam hat sich über die Jahre stark entwickelt, aber die Menschen sind immer noch sehr zurückhaltend, wenn es um den Buddhismus geht. Sie hatten noch nie von der Kaffeemeditation gehört und sie klang nicht nach etwas, das ihnen helfen würde, mehr Zeit mit ihren Partnern zu verbringen. Ich erntete viele fragende Blicke.
„Ich zeige Ihnen, wie mein tibetischer Lehrer mich die Kaffeemeditation gelehrt hat“, sagte ich und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.
„Er war ein sehr strenger Lama, einer der letzten Großen Lamas, die ihre gesamte Ausbildung noch im alten Tibet absolviert hatten. Zur Lebzeit meines Lehrers war Tibet komplett von der Außenwelt isoliert. Er hatte nie in seinem Leben ein Auto gesehen und war noch nicht einmal mit einem Fahrrad gefahren. Ich meine, es war über eine Meile von seinem Kloster zur nächstgelegenen Stadt. Wenn die Menschen etwas brauchten, gingen sie zu Fuß und verwandten dafür ganz selbstverständlich einen großen Teil des Tages.
Dann musste er aus seinem Land fliehen und Jahre in einem Flüchtlingslager in Indien verbringen, bevor es ihn schließlich in die USA verschlug. Dort angekommen, verbrachte er mehrere Jahre damit, die Menschen umsonst zu unterrichten, die ihn um Hilfe baten. Aber er wusste auch zu entspannen. Eine wichtige Fähigkeit, die wir alle erlernen sollten.
Und so entdeckte mein Lama das Fernsehen. Und er entdeckte Baseball. Und aus irgendeinem Grund verlor er sein Herz an die New York Mets, die seit Jahren eine der schlechtesten Erfolgsbilanzen der Baseballgeschichte aufwiesen.“ Ich wollte das vor meinen Zuhörern in Vietnam nicht weiter ausbreiten, aber natürlich waren es die leidenschaftlich aufgesagten Mantras meines Lamas, die beim fünften Spiel der Meisterschaft gegen die Astros im Jahr 1986 Derryl Strawberrys flach geschlagenen Ball über den Zaun gehoben und damit unhaltbar gemacht hatten.
„Ich hatte täglich nach einem zwölfstündigen Arbeitstag in New York City eine zweistündige Fahrt mit U-Bahn und Bus vor mir und kam dementsprechend erschöpft zu Hause im Kloster an. Oft hörte ich beim Eintreten schon, dass er sich oben in seinem Zimmer ein Spiel anschaute.
Mich interessiert Fernsehen nicht so sehr, genauso wenig wie Baseball, aber wie viele von Ihnen vielleicht wissen, liegt eine gewisse Behaglichkeit in der Vorstellung, sich nach einem anstrengenden Arbeitstag vor den Fernseher zu setzen und das Gehirn mehr oder weniger auszuschalten. Stimmt‘s?“
Viele nickende und lächelnde Gesichter – Vietnam ist das eigentliche Land des Lächelns.
„Also schleppte ich mich durch die Tür, legte Mantel und Aktentasche in die Ecke und hörte, wie er sich oben in seinem Zimmer an einem Spiel erfreute. Und ich überlegte: ‚Wie komme ich da hoch, um es mit ihm zusammen anzuschauen?‘ Denn wir jungen Mönche dürfen eigentlich nicht fernsehen.
Ich hatte aber einen alten Trick, den ich nutzen würde, um sein Zimmer zu betreten. Tibeter lieben Buttertee, Unmengen an Buttertee – manchmal fünfzehn bis zwanzig Tassen am Tag. Und es ist für einen Schüler immer angemessen, eine Tasse zuzubereiten und seinem Lama aufs Zimmer zu bringen.
Also kochte ich Wasser auf, brach eine Ecke des schwarzen chinesischen Tees ab, warf ihn in das heiße Wasser und fügte Salz, Sahne, Butter und Milch hinzu. Dann bewegte ich den Teebrocken ungefähr fünfzig Mal mit der Kelle auf und ab, um Tee und Butter zu vermengen – oder ich goss einfach alles in eines der antiken Teefässer und schüttle es gut durch – und schenkte schließlich eine Tasse voll ein. Dann lief ich nach oben und klopfte an die Tür. Ich hörte bereits die wohltuende Stimme von Tim McCarver, meinem Lieblingskommentator.
Als der Lama mein Klopfen hörte, rief er: ‚Sho!‘, was soviel bedeutet wie ‚Schwing deinen Hintern hier rein!‘
Ich trat ein und kniete mich, der traditionellen Sitte folgend, hin, um den Buttertee auf das kleine Tischchen neben seinem Sessel zu stellen. Dann schaute ich auf, um zu überprüfen, ob er wirklich ganz auf das Spiel konzentriert war: War er. Durch die Finger der rechten Hand glitt sein Rosenkranz in der rasenden Geschwindigkeit seiner Mantras – wie eine Waschmaschine bei höchster Drehzahl. Ich blieb hocken, rutschte vorsichtig neben seinen Sessel und ein Stück nach hinten, damit er mich nicht sehen konnte. Manchmal verging eine halbe Stunde oder länger, in der er mich nicht bemerkte – oder zumindest so tat, als bemerke er mich nicht.
Aber an diesem Abend fragte der Lama sofort mit seiner tiefen, ruppigen Stimme: ‚Hast du heute schon meditiert?‘
‚Äh, nein Lama. Du weißt doch, ich musste heute Morgen um halb sechs aufstehen und duschen und laufen, um den Bus noch zu kriegen – seitdem bin ich ununterbrochen auf den Beinen und gerade erst heimgekommen.‘
‚Du musst meditieren‘, grollte er, ohne seinen Blick von dem Spiel zu lösen.
‚Jetzt?‘, fragte ich weinerlich.
‚Jetzt.‘
Ich stand auf, um nach unten in mein winziges Zimmer zu gehen. Er packte meine Hand und winkte in Richtung seines goldenen Sofas. ‚Da drüben‘, grummelte er und schob mich energisch aus dem Weg, damit ich ihm nicht länger die Sicht versperrte. ‚Setze dich dorthin.‘
Eine Sache müssen Sie über das Sofa des Lama wissen. Es ist ihm einst von einem wohlhabenden Mann geschenkt worden. Es ist handgemacht und seine Herstellung hat ein Jahr gedauert. Beine, Arm- und Rückenlehnen sind aus dunklem Holz, der Bezug besteht aus teurer, hellgelber Seide, die mit Goldfäden durchwirkt ist.
Das Sofa stand seit Jahren dort an der Wand seines Zimmers, doch noch nie hatte jemand darauf gesessen, nicht einmal der Lama selber. Das heißt, einmal hat der Dalai Lama unserem Kloster einen Besuch abgestattet, und er durfte darauf sitzen.
Manchmal bittet dein Lama dich, etwas Falsches zu tun, um zu sehen, ob du dumm genug bist, seiner Bitte Folge zu leisen. Und wenn du es tust, schreit er dich an oder verordnet dir die „Gebetsperlenbehandlung“, wenn es um eine richtig große Verfehlung geht.
Sie glauben, die buddhistischen Gebetsperlen sind nur für Gebete gedacht? Nun, an einigen Tagen können Sie durch unser Kloster gehen und die tibetische Version von ‚Wer mit der Rute spart, verzieht das Kind‘ aufschnappen. Man hört, wie die mit voller Wucht geschlagenen Perlen durch die Luft zischen und sieht kurz darauf einen jungen Mönch durch die Tür kommen, der sich reumütig den Kopf reibt.
Denn wenn man wirklich ungehorsam gewesen ist, schlägt einem der Lehrer die Perlen ein paar Mal auf den Kopf. Das hinterlässt eine Reihe rosafarbener Punkte auf der Stirn, und für ein paar Stunden wird man zum Gespött seiner Mitschüler. ‚Haha, sieh nur, wer da die Gebetsperlenbehandlung bekommen hat.‘
Ich schützte meinen Kopf leicht mit der Hand, als wenn ich mich nur kratzen wollte. ‚Ist schon gut, Lama‘, sagte ich. ‚Ich kann unten in meinem Zimmer meditieren.‘
‚Setz dich auf die Couch‘, grollte er noch einmal. Und jetzt hatte ich keine andere Wahl mehr, als mich zu setzen; wenn der Lama einen drei Mal bitten muss, bekommt man die Gebetsperlenbehandlung auf jeden Fall.
Ich setzte mich auf die Couch und wartete, während der Lama sich auf eine entscheidende Phase im Spiel konzentrierte. ‚Leg dich hin.‘
Jetzt wurde es ernst. In Asien gibt es das Problem mit den Füßen. In vielen Ländern darf man nicht mit den Füßen auf etwas zeigen. Ich erinnere mich noch an einen Besuch im Tempel des Smaragd-Buddha in Bangkok, in dem überall Schilder hingen, die besagten: ‚Zeige nicht mit deinen Füßen auf den Buddha!‘ Mich auf das Sofa zu legen bedeutete, mit meinen Füßen auf irgendetwas im Zimmer des Lama zu zeigen – ein weiterer sicherer Weg zu einer Gebetsperlenbehandlung.
‚Lama, ich kann mich doch einfach in den Lotussitz setzen, ich habe ihn geübt.‘
‚Leg dich hin!‘
Ich gehorchte.
Der Lama läutete mit seiner Glocke, und ein anderer junger Mönch kam die Treppe hinaufgelaufen.
‚Bring Mike eine Tasse Kaffee‘, befahl der Lama, und der Mönch gehorchte umgehend.
‚Trink den Kaffee.‘ Das galt mir.
Meine Hände zitterten. Ich musste den Kaffee im Liegen trinken und wusste, wenn ich auch nur einen Tropfen auf das goldene Sofa verschüttete, würde mich etwas Schlimmeres als der Rosenkranz erwarten.
‚Und nun meditiere.‘
Ich wollte mich aufsetzen, doch der Lama schüttelte den Kopf, den Blick immer noch unverwandt auf den Fernseher gerichtet. ‚Leg dich wieder hin. Meditiere im Liegen.‘
So etwas hatte ich noch nie gehört. Die Lamas verlangten immer, dass wir im Sitzen und mit geradem Rücken meditieren.
‚Worüber soll ich meditieren?‘, fragte ich und legte mich wieder hin. Ich verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Also daran könnte ich mich gewöhnen, dachte ich. Es fühlte sich sehr bequem und friedvoll an.
‚Starbucks‘, murmelte der Lama. ‚Denk an Starbucks. Wen hast du heute mit zu Starbucks genommen?‘
Ich wusste, was er meinte. Wen hatte ich heute auf einen Tee oder einen Kaffee (oder noch besser auf einen Fruchtsmoothie) eingeladen? Wessen Probleme hatte ich mir heute angehört? Wem hatte ich versucht, zu helfen?
Man pflanzt schon sehr viele karmische Samen in seinem Geist, wenn man nur die ersten drei Starbucks-Schritte durchführt: Zu entscheiden, was man mit seinem Leben anfängt, pflanzt ein paar Samen. Den Vorsatz zu fassen, jemandem zu helfen, pflanzt viele weitere. Und dann dem anderen wirklich zu helfen legt noch einmal Samen obendrauf. Doch der wichtigste Schritt ist der letzte, die Kaffeemeditation.
Sich einfach abends im Bett zurücklehnen und über all die Dinge nachzudenken, die man an diesem Tag getan hat, um jemand anderem zu helfen, ist der kraftvollste Weg, um Samen zu pflanzen. Wenn Sie meine Geheimwaffe für den Aufbau eines Multimillionendollar-Unternehmens wissen wollen: die Kaffeemeditation. Mehr nicht. Es scheint so leicht zu sein. Wir haben immer das Gefühl, wir müssten ganz viel leiden, um die großen Ziele in unserem Leben zu erreichen, aber vielleicht ist genau das Gegenteil wahr.
Vielleicht sind die kraftvollsten karmischen Samen jene, die wir pflanzen, indem wir uns entspannen und uns über die kleinen Aufmerksamkeiten freuen, die wir anderen geschenkt haben. Das hat nichts mit Stolz zu tun, wir genießen einfach nur, was wir für andere tun konnten.
Niemand von uns ist vollkommen gut, aber es ist auch niemand von uns vollkommen schlecht. Wenn wir abends ins Bett gehen, haben wir die Wahl, über die Probleme in unserem Leben nachzudenken oder über die schönen Momente. Wenn wir müde sind, neigen wir dazu, unsere Probleme größer zu machen, als sie sind. Das Wort Meditation bedeutet, dass wir den normalen Gedankenfluss nehmen – in diesem Fall das Nachdenken über unsere Probleme, bis wir einschlafen – und unser Gehirn sanft dazu anhalten, sich guten Gedanken zuzuwenden: Wem habe ich heute versucht zu helfen? Das ist genau das Ziel der Meditation: Die Richtung zu bestimmen, in die die Gedanken fließen.
Also empfehle ich Ihnen, wenn Sie abends nach Hause kommen, kochen Sie sich etwas zu essen, räumen Sie das Geschirr weg und schauen Sie noch ein wenig fern, wenn Sie das brauchen – oder beschäftigen Sie sich mit ihren E-Mails oder Facebook. Dann nehmen Sie ein Bad und schlüpfen in Ihren Schlafanzug.
Setzen Sie sich auf Ihr Bett oder legen Sie sich auf ein paar Kissen und stützen Sie das Kinn in die Hand. Schauen Sie zur Decke, bis sich dieser träumerische Ausdruck in Ihr Gesicht schleicht, den Sie immer bekommen haben, wenn Sie in der Schule an Ihre Liebste oder Ihren Liebsten gedacht und sich gefragt haben, wann die nächste Verabredung wohl sein würde.
Es mag Ihnen komisch vorkommen, aber diese Tagträumereien kamen einer echten Meditation schon sehr nah. Sie müssen nicht Ihre Beine zu einer Brezel verknoten, um diesen tiefen Seelenzustand zu erreichen.
Und dann beginnen Sie einfach mit der Kaffeemeditation: der letzte der vier Starbucks-Schritte, um Samen im Geist anzupflanzen. Pflanzen Sie Ihre Samen mit diesen vier Schritten, und alles, was Sie sich für Ihr Leben wünschen, wird zu Ihnen kommen. Schnell. Und sicher. Behalten Sie das für den Rest des Buches im Kopf – und für den Rest Ihres Lebens.
Die vier Starbucks-Schritte
Beschreiben Sie in einem kurzen Satz, was Sie sich wünschen.Überlegen Sie, wem Sie helfen wollen, das Gleiche zu bekommen, und in welches Café Sie diesen Menschen einladen werden, um mit ihm darüber zu sprechen.Tun Sie tatsächlich etwas, um ihm zu helfen.Machen Sie die ‚Kaffeemeditation‘: Denken Sie vor dem Schlafengehen an die guten Dinge, die Sie getan haben, um diesem Menschen zu helfen.Frage 5