Das Konstanzer Konzil - Daniel Gaschick - E-Book

Das Konstanzer Konzil E-Book

Daniel Gaschick

4,8

Beschreibung

Zwischen 1414 und 1418 war die Stadt Konstanz das Zentrum der europäischen Politik. Das Konstanzer Konzil sollte die Spaltung der Kirche, zumindest für den Moment, lösen – in trauriger Erinnerung geblieben ist es vor allem wegen der Verbrennung des als Ketzer verurteilten Jan Hus. Das Konzil schrieb nicht nur Weltgeschichte, sondern war auch ein Großereignis der Extraklasse: Die Stadt erlebte in vier Jahren die Absetzung dreier Päpste und die Wahl eines neuen, Zehntausende von Besuchern, 700 Dirnen und unzählige Feste. Es soll so viel Geld ausgegeben worden sein, dass Konstanz die reichste Stadt Süddeutschlands wurde. Das Buch beleuchtet die Vorgeschichte und den Verlauf des Konzils. Die Ereignisse rund um die Kirchenversammlung werden sowohl in den weltgeschichtlichen Kontext eingeordnet als auch in der Stadt Konstanz und der südwestdeutschen Region verortet. Exkurse beleuchten einzelne wichtige Personen und Aktionen, erzählen von Unterhaltsamem am Rande des Konzils und erläutern theologische Fachbegriffe. Zahlreiche Illustrationen lassen das Konzilsgeschehen vor Augen treten.

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Das Konstanzer ­Konzil

Eine kleine Geschichte

Daniel Gaschick · Christian Würtz

Der Kleine Buch Verlag bietet mit seiner Reihe

Kleine Geschichte.

Regionalgeschichte - fundiert und kompakt

eine profunde Darstellung regionaler Geschichte(n), kleiner und großer Städte, Regionen sowie geschichtlich interessanter Themen.
Von namhaften Experten verfasst und mit anschaulichen Abbildungen angereichert, bieten die „Kleinen Geschichten“ einen populärwissenschaftlichen Überblick.
http://derkleinebuchverlag.de/buecher/kultur/reihe_kleine_geschicht/

Impressum

Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2016 Der Kleine Buch Verlag, ­Karlsruhe

Lektorat: Dr. Birgit Wüller, Stuttgart

Karten: Ralf Paucke, Vaihingen/Enz

Satz und Umschlaggestaltung: post scriptum, www.post-scriptum.biz

E-Book Formatierung: Angela Hahn

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts­gesetzes (auch Fotokopie, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber.

E-Book ISBN: 978-3-7650-1302-7

Dieser Titel ist auch als Printausgabe erschienen:

ISBN: 978-3-7650-8449-2

www.derkleinebuchverlag.de 

www.facebook.com/DerKleineBuchVerlag

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Die Vorgeschichte
Wege zur Überwindung des Schismas
Das Konzil von Konstanz
Die großen Aufgaben des Konzils I – Die Einheit der Kirche (causa unionis)
Die großen Aufgaben des Konzils II – Die Fragen des ­Glaubens (causa fidei)
Die großen Aufgaben des Konzils III – Die Frage der Reform der Kirche (causa reformationis)
Das Leben in der Stadt
Das Konzil geht auseinander
Chronologie des Konzils
Ausgewählte Literatur
Abbildungsnachweise
Weitere Kleine Geschichten
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Vorwort

Wer heute in die Stadt Konstanz kommt, kann auf Schritt und Tritt dem Konzil begegnen, das vor rund 600 Jahren, von 1414 bis 1418, in ihren Mauern stattfand. Viele Gebäude aus dieser Zeit stehen noch, nicht zuletzt das Münster und das Kaufhaus, das ob der darin stattgefundenen Papstwahl bis heute Konzil genannt wird. Viele Denkmäler erinnern an berühmte Besucher und an tragische Schicksale.

»Konstanz« und »Konzil« – die phonetische Ähnlichkeit von Stadtnamen und kirchlichem Fachbegriff erweist sich als treffende Fügung der Sprachentwicklung, um den Kern dieser wohl bedeutendsten Kirchenversammlung nördlich der Alpen aufzuspüren. Denn Konstanz war nicht nur Gastgeber für ein Konzil unter vielen mit all seinen weltlichen Begleiterscheinungen. Es war auch nicht allein eine Zusammenkunft zum Zwecke der Verurteilung und Verbrennung des Jan Hus, so berechtigt der Schatten ist, der von dort her auf das Konzil fällt. Vielmehr hat sich in der Bodenseestadt stärker als an allen anderen Konzils­orten der Kirchengeschichte – ob sie Nicäa, Konstantinopel, Rom oder Trient heißen – das Konzil selbst zum Thema gemacht. Konstanz, das war vor allem ein Konzil über das Konzil. Hier wurde gerungen um das richtige »Repräsentieren« der Kirche, um das Verhältnis von Bischofsversammlung und Papst und um einen regelmäßigen Turnus, in dem ein Konzil zusammenkommen solle. Hier erwies sich ein Konzil als einziges Gremium, das in vereinten Kräften mit der weltlichen Macht die große Krise des abendländischen Schismas zu beenden vermochte. Wegen dieser Leistungen gebührt der Stadt Konstanz eine herausragende Stellung in der Topographie christlicher Erinnerungsorte. Hier ist der geeignete Ort – und das Konzilsjubiläum 2014–2018 ist die besonders geeignete Zeit –, an die konziliare Tradition in der europäischen und insbesondere in der kirchlichen Geschichte zu erinnern.

Mit dem vorliegenden Buch möchten wir einen Überblick über die Hintergründe, Ereignisse und Auswirkungen des Konzils geben wie auch über den Alltag in der Stadt und die Verankerung in der südwestdeutschen Region. Wir hoffen, dass es uns gelungen ist, eine aufschlussreiche und kurzweilige Kleine Geschichte dieses großen Ereignisses zu schreiben. Herzlich ­danken wir an dieser Stelle Frau ­Julia Prus vom Verlag für die gute Betreuung und Frau Birgit Wüller für das gründliche Lektorieren des Manuskripts.

Daniel Gaschick und Christian Würtz

Freiburg / Gengenbach, im Frühjahr 2014

Die Vorgeschichte

Im Jahr 1377 sah es zunächst gut aus für die Kirche. Papst Gregor XI. war aus Avignon, wo die Päpste nahezu 70 Jahre residiert und unter dem Einfluss der französischen Könige gestanden hatten, wieder nach Rom zurückgekehrt. Doch schon im folgenden Jahr starb der Papst. Nun standen sich zwei Parteien gegenüber: die eine wollte, dass der nächste Papst nach Avignon zurückkehre, während die andere, die von den Römern massiv unterstützt wurde, den neuen Papst selbstredend wieder in Rom sehen wollte.

Nach einer von Tumulten und Demonstrationen des römischen Volkes begleiteten Wahl ging der Erzbischof von Bari Bartolomeo Prignano als neuer Papst aus dem Konklave hervor. Er nannte sich fortan Urban VI. Galt er vor der Wahl als bescheiden, gelehrt und tatkräftig, so berichten die Quellen, dass er nach seiner Wahl einen jähzornigen und gewalttätigen Charakter offenbarte, der an Irrsinn grenzte.

Papst Urban VI.

Vorerst bestanden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl; die Kardinäle ließen sie vielmehr als kanonisch, also mit dem Kirchenrecht übereinstimmend, verkünden. Doch bald schon wandten sie sich vom neuen Papst ab. Ende Mai zogen die französischen Kardinäle, welche die Mehrheit des Kardinalskollegiums stellten, nach Anagni. Dort erklärten sie im Juli die Wahl Urbans für nichtig. Sie sei unter Drohung erfolgt und daher nicht frei gewesen. Dabei konnten sie auf die politische Unterstützung Frankreichs zählen.

Am 21. September 1378 wählten die Kardinäle Graf Robert von Genf zum neuen Papst, der sich nun Clemens VII. nannte. Damit war das Schisma perfekt. Es gab nun zwei Päpste, die beide von sich behaupteten, jeweils der wahre Papst zu sein; aber nur einer von beiden konnte Recht haben.

Schisma

Das griechische Wort »Schisma« bedeutet Trennung, Spaltung. Konkret bezeichnet es die sichtbare Spaltung einer Glaubensgemeinschaft in zwei neue Gruppen.

Die Kirchengeschichte ist von Anfang an reich an Schismen. 1054 kam es zur Trennung zwischen der orthodoxen und der lateinischen Kirche und damit zur Aufhebung der Einheit der Kirche. Diese Spaltung wird morgenländisches Schisma genannt.

Im Unterschied dazu wird die Spaltung in den Jahren zwischen 1378 und 1417 als großes abendländisches Schisma bezeichnet.

Urban VI., der nun von einem großen Teil seiner Kurie verlassen worden war, ernannte an einem einzigen Tag 20 neue Kardinäle, vor allem Neapolitaner und Römer. Zugleich exkommunizierte er seine Gegner einschließlich Robert von Genf.

In den folgenden Wochen entschieden sich viele Fürsten – geistliche wie weltliche – für den einen oder den anderen Papst. Dabei hing die Entscheidung nicht immer von der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Wahl und der Gegenwahl ab, sondern oftmals auch von politischen Umständen.

Nachdem Frankreich Clemens anerkannt hatte, schlug sich England, das mit Frankreich im sogenannten Hundertjährigen Krieg lag, auf die Seite Urbans VI. Daraufhin ergriff Schottland wiederum für Clemens Partei, ebenso wie Savoyen, Spanien und Neapel. Urban hingegen konnte auf das Deutsche Reich sowie auf Polen, Ungarn, Flandern und das nördliche Italien bauen. Dadurch bildeten sich zwei Obödienzen (von lateinisch oboedentia – Gehorsam) aus. Dies hatte nicht nur für die oberste Kirchenleitung Bedeutung, vielmehr ging der Riss durch die ganze Kirche, von der Kurie über die Kardinäle und Bischöfe bis hin zu den Pfarreien. So gab es beispielsweise in der Diözese Konstanz zwischen 1384 und 1409 jeweils zwei Bischöfe, die für sich in Anspruch nahmen, der rechtmäßige Ortsbischof zu sein.

Schisma vor Ort

Das ehemalige Bistum Konstanz, das große Teile des heutigen Südwestdeutschland abdeckte, ist ein kennzeichnendes Beispiel für die Auswirkung des Papstschismas vor Ort. Zu Beginn der Trennung orientierte sich der Konstanzer Bischof Heinrich von Brandis nach Avignon, sodass sich der römische Papst Urban VI. genötigt sah, mit dem Bonner Probst Nikolaus von Riesenburg einen Gegenbischof zu ernennen. Dieser gewann in den folgenden Jahren mehr und mehr Anhänger am Bodensee und in der Bischofsstadt, während die »Klementisten« die Stadt verlassen mussten. Als Reaktion darauf entwickelten sich der Breisgau und insbesondere die Stadt Freiburg in den 1380er Jahren zur Außenstelle Avignons.

Auch so bedeutende Klöster wie St. Blasien, Säckingen, St. Peter, St. Trudpert, Tennenbach, Sulzburg und Wonnental hielten treu zu Clemens VII. Der Umzug des avignonesischen Konstanzer Bischofshofs machte Freiburg gar kurzzeitig zu einem Bischofssitz, ohne dass allerdings der nominelle Bischof je seine Zelte hier aufschlug, denn der 1387 ernannte Heinrich Bayler zog es vor, in Avignon zu bleiben und die Verteidigung seiner Ansprüche auf die Diözese Konstanz einem Generalvikar, einem Offizial und einem Weihbischof in Freiburg zu überlassen. Hin und wieder sandte er an die Stadt ein Lob für deren Standhaftigkeit. Wie stark die Isolierung war, zeigt die schriftliche Bitte des Basler Bürgermeisters vom 31. Oktober 1405, die Freiburger mögen doch einen Bogen um seine Stadt machen, da nach einem neuen Erlass des Konstanzer Bischofs jeder mit einem dreitägigen Gottesdienstentzug rechnen müsste, der Anhänger Avignons aufnähme. Immerhin bewahrte sich Freiburg aus dieser harten Zeit das Privileg, in seinen Mauern einen bischöflichen Offizial zu beherbergen.

In den folgenden Jahren kam es gar zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien der beiden Päpste, die vor allem mit Söldnerbanden geführt wurden. Aber keiner konnte die Kämpfe klar für sich entscheiden. Während Clemens nach Avignon zurückkehrte, konnte sich Urban – mit Unterbrechungen – in Rom halten. Er führte ein grausames Regiment, das wesentlich vom Gedanken des Hasses gegen seine Gegner und der irdischen Herrschaft geleitet war. Selbst vor der Ermordung eigener Kardinäle schreckte er nicht zurück. Als Urban 1389 in Rom starb, war das Ansehen des Papsttums auf einem neuen Tiefpunkt angelangt.

Sein Nachfolger wurde der 30-jährige Kardinal Pietro Toma­celli, der als Bonifaz IX. den päpstlichen Thron bestieg und sich durch eine ungeheure Habgier auswies. Als sein Widerpart Clemens VII. 1394 in Avignon starb, tat sich für einen Augenblick die Chance für ein Ende des Schismas auf. Die Pariser Universität bemühte sich, die avignonesischen Kardinäle von der Wahl eines Nachfolgers zurückzuhalten, doch die Gelehrten hatten keinen Erfolg, und schon zehn Tage nach dem Tod Clemens’ wählten die Kardinäle den Spanier Petrus de Luna, der sich als Papst Benedikt XIII. nannte.

Alle Versuche, das Schisma zu überwinden, scheiterten an den völlig entgegengesetzten Ansichten der beiden Parteien. Die Welt begann, sich bereits an zwei Kirchen und damit an zwei Päpste mit ihren Obödienzen zu gewöhnen. Dennoch wurde der Ruf nach einer Überwindung des Schismas in Europa immer lauter. Bonifaz IX. ging es hingegen vor allem um die Sicherung seiner eigenen Macht, die er erfolgreich betrieb. Als er 1404 starb, hatte er alle Gegner aus dem Kirchenstaat vertrieben. Doch schon der nächste Papst, Innozenz VII., konnte sich nur mit der militärischen Unterstützung König Ladislaus’ von Neapel an der Macht halten. Bereits zwei Jahre nach seiner Wahl starb auch er, ohne etwas für die Überwindung des Schismas getan zu haben.

Vor dem nächsten Konklave verpflichtete sich jeder der Kardinäle durch einen Eid, im Falle einer Wahl für die Einheit der Kirche einzustehen und nötigenfalls sogar auf das Papstamt verzichten zu wollen. Unter diesen Vorzeichen wählten sie schließlich den persönlich bescheidenen und integren, aber schon betagten Venezianer Angelo Correr, der den Papstnamen Gregor XII. annahm. Doch die Bereitschaft, das Schisma zu überwinden, war weder beim neuen Papst noch bei seinem Widerpart in Avignon so ausgeprägt, dass ein jeder bereit gewesen wäre, selbst auf den Papstthron zu verzichten.

Wege zur Überwindung des Schismas

Die Existenz zweier Papstlinien, die sich gegeneinander bekämpften und exkommunizierten, bedeutete eine tiefe Krise für die mittelalterliche Christenheit. Die einfachen Gläubigen mögen der Situation – zumindest abseits der Obödienzgrenzen – mit einer gewissen Gleichgültigkeit begegnet sein. Sie schlossen sich ungefragt und vielfach auch, ohne es zu wissen, der Parteizugehörigkeit ihres weltlichen oder kirchlichen Oberen an. Solange nur die Messen gelesen und die Sakramente gespendet wurden, störte das Schisma ihren religiösen Alltag und ihre Sorge um das Seelenheil nicht. Am ehesten noch machte es sich durch den Geldbedarf der rivalisierenden Päpste bemerkbar. So schrieb der Konstanzer Bischof Markward von Randegg an den römischen Papst Bonifaz IX., er sei in Deutschland und vor ­allem bei den »braven Alemannen« als goldgierig verschrien und presse die Welt aus.

Den Denkern und Lenkern jedoch, kirchlichen wie weltlichen, musste die Doppelköpfigkeit der Kirche eine Ver-Unordnung der Welt bedeuten. Die seit dem 11. Jahrhundert verstärkt betriebene Ausrichtung der abendländischen Kirche auf den Bischof von Rom als ihrer einzigen Spitze war zum Problemfall geworden. Die Sonderstellung des Papstes als Nachfolger Petri und Stellvertreter Christi auf Erden, der monarchengleich über dem übrigen Klerus stand und von niemandem gerichtet werden durfte, seine Rolle als felsenfester Garant in Fragen des Glaubens und des Kirchenrechts, all dieser Papalismus war in dem Moment ad absurdum geführt, wo zwei Päpste diesen Titel und die damit verbundenen Vollmachten für sich in Anspruch nahmen.

Die Theorie: Von der via facti zur via concilii

Die Bemühungen, das Schisma zu überwinden, hoben sofort mit dessen Entstehen 1378 an und ebbten in den nächsten Jahrzehnten auch nicht ab, so als könnte man sich an den Anblick zweier Päpste gewöhnen. Im Gegenteil: Die Einheitssehnsucht führte zu immer neuen Vorschlägen, wie die kirchliche Hierarchie wieder in Ordnung gebracht werden könne. Mindestens 32 Wege (viae) zur Schismenbeendigung wurden in einer etwa 1395 vermutlich in Heidelberg abgefassten Schrift aufgelistet, meist juristische Argumentationen, die sich untereinander nur in Nuan­cen unterscheiden konnten. Den Ideen der Universitäten von Paris und Oxford widmete der Verfasser ein eigenes Unterkapitel und zeigte damit jene Orte an, an denen die Diskussionen besonders vorangetrieben wurden.

Schnell erwies sich, dass eine Diskussion der Rechtmäßigkeit des einen oder anderen Papstes bzw. seiner Wahl nicht zielführend war, sodass eine Gleich(nicht-)berechtigung beider Rivalen als Ausgangspunkt weiterer Überlegungen gesetzt war. Früh tauchte auch der Gedanke auf, dass ein allgemeines Konzil zur Lösung des Konflikts beitragen könne (viaconcilii), etwa in den Schriften zweier deutscher Gelehrter in Paris, Konrad von Gelnhausen und Heinrich von Langenstein (1379 und 1381). Doch stand dieser Weg zunächst hinter der Auslotung anderer Möglichkeiten zurück, etwa hinter dem Vorschlag, dass ein Papst den anderen militärisch oder politisch niederringen bzw. von allen europäischen Mächten die Anerkennung erlangen solle (via facti). Aber keines der vielen Scharmützel zwischen den beiden Obödienzen brachte eine klare Entscheidung zugunsten einer Linie.

Immer mehr Zeitgenossen propagierten daher eine gleichzeitige Abdankung beider Päpste (viacessionis). Insbesondere stand dieser Weg im Spätsommer 1394 offen, als der Tod Clemens’ VII. die avignonesische Papstlinie unterbrach. Zwar ließen sich die Kardinäle zu Avignon nicht davon abbringen, einen Nachfolger zu wählen – das hätte eine Anerkennung der römischen Linie bedeutet –, doch leisteten sie alle vor der Wahl einen Eid, im Falle der eigenen Erwählung zum Papst das Schisma beenden zu wollen, und sei es auf dem Weg der Abdankung. Petrus de Luna, der als Benedikt XIII. aus dem Konklave hervorging, fühlte sich allerdings nur für den Fall, dass alle anderen Wege scheitern sollten, zum versprochenen Rücktritt verpflichtet. Er vertrat wieder die eigentlich längst überholte Sicht, dass ein Schisma am sichersten durch Bestimmung des wahren Papstes und die anschließende Überführung der abtrünnigen Obödienz in dessen Gefolgschaft zu lösen sei, nicht durch Rücktritte beider Päpste und die Wahl eines Dritten. Hochgebildet, selbstbewusst und von der Rechtmäßigkeit der eigenen Position überzeugt, wollte er die Einigung auf eine Papstlinie durch ein Zusammentreffen und eine Übereinkunft mit dem römischen Papst herbeigeführt sehen (viaconventionis). Allenfalls ließ er noch die Einberufung eines paritätisch besetzten Schiedsgerichts gelten (viacompromissi), das über den legitimen Papst befinden sollte – wobei schon abzusehen war, welch Zankapfel allein die Aufstellung eines solchen Gerichts bedeuten würde.

Die französische Krone, bisher treue Anhängerin des avignonesischen Papsttums, zeigte sich erbost über dieses Taktieren Benedikts und entzog ihm im Juli 1398 die Obödienz (viasubtractionis). Gleichzeitig bereiteten die Kanonisten der Pariser Universität einen Prozess zu seiner Absetzung vor, da seine Halsstarrigkeit das Schisma begünstige. Letztlich erwiesen sich diese Waffen als stumpf, da Benedikt unerschrocken im belagerten Palast in Avignon ausharrte und schließlich 1403 in der Provence Zuflucht fand. Außerdem dachte auf der römischen Gegenseite niemand daran, Papst Bonifaz IX. den Gehorsam zu verweigern und damit den Obödienzentzug gleichsam symmetrisch vorzunehmen, um Platz für eine Neuwahl zu schaffen.

Französische Truppen stürmen die Mauern des Papstpalastes zu ­Avignon, nachdem Benedikt XIII. die Abdankung verweigert hatte. Holzstich nach Zeichnung von Gerlier. Aus: Larcher: Histoire des Papes, 1875.