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Diana Rigg als Emma Peel ist in der Fernsehserie in The Avengers (Mit Schirm, Charme und Melone) bis heute eines der populärsten Phänomene der 60er Jahre. Obwohl Weiblichkeitsdarstellungen jenseits etablierter Stereotypen inzwischen keine Seltenheit mehr sind, gewinnt die Figur weiterhin Sympathien und Zuschauer für sich. Dass Emma Peel zu den modernen 'Ikonen der Emanzipation' noch immer kompatibel und somit auch unter heutigen Gesichtspunkten eine ungewöhnliche Bildschirmerscheinung ist, belegt der vorliegende Band. Der Blick des Autors gilt jedoch nicht nur der emanzipierten Serienfigur, sondern auch dem enormen Erfolg, der trotz oder gerade wegen dieser Tatsache in den 1960er Jahren bei einem weitgehend konservativ geprägten Publikum erzielt wurde. Welche Mechanismen brachten (und bringen) der Zuschauerschaft das provozierende Frauenbild der Emma Peel näher?
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Seitenzahl: 249
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Lars Baumgart
Das Konzept Emma Peel
Der unerwartete Charme der Emanzipation: »The Avengers« und ihr Publikum
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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© 2012 by Verlag Ludwig
3. überarbeitete Auflage
Holtenauer Straße 141
24118 Kiel
Tel.: +49-(0)431-85464
Fax: +49-(0)431-8058305
www.verlag-ludwig.de
ISBN 978-3-86935-166-7
Die sinnlich-erotische Verlockung, die hinter dem Begriff »Thermodynamik« oder etwa »Hochfrequenzelektronik« lodern kann, erscheint durchschnittlich betrachtet wohl als eher abwegige Komponente. Auf breiteren Konsens stößt hier doch schon eher das Bild der attraktiven jungen Frau in Jumpsuits oder engen Lederanzügen als wohlfeiles Objekt der Begierde. Beides indes bezeichnet Insignien ein und derselben Frau, der einzigartigen, famosen Emma Peel. Wenn aus ihrem Munde mathematische Gleichungen oder physikalische Formeln diskutiert werden, knistert das Erregungspotential nicht minder verheißungsvoll, als wenn sie in körperbetonter Kampfgarderobe die Schlechtigkeit grazil aus dieser Welt prügelt. Auch aus diesem Grunde wurde Emma Peel (alias Diana Rigg) zum glühend verehrten Star.
Doch wer heute seinen Helden aus der Fernsehvergangenheit unvermittelt oder vielleicht auch dringlichst ersehnt wiederbegegnet, der sieht sich gar nicht selten desillusioniert gen Bildschirm starren, an der eigenen Urteilsfähigkeit vergangener Tage zweifelnd oder schlicht überrascht, angesichts der sich vollzogenen Qualitätsdissonanz im Zuge der fortschreitenden TV-Evolution.
Die Mediennutzung in der heutigen Fernsehlandschaft mit den Standards der 1960er Jahre – als sich das Fernsehen in Deutschland langsam als Massenmedium etabliert hatte – vergleichen zu wollen, wirkt tatsächlich meist wie ein Schritt zurück in die Steinzeit. Zeitlose Qualität, die selbst bereinigt vom Netz der Nostalgieduselei, auch heutigen Unterhaltungsansprüchen genügt, findet man selten. Die Shows sind geradezu gemächlich und unaufgeregt, Fernsehspiele faszinieren mit betäubenden Spannungsbögen und Serien stehen unter dem Makel, zur Zeit ihrer Entstehung selbst von den Machern oft ein gering geschätztes Vehikel des Werberahmens gewesen zu sein. All dies besitzt zweifelsohne seinen Charme und eine Qualität, der man mit adäquaten Maßstäben beikommen muss, doch der Vorsprung der amerikanischen Unterhaltungsindustrie speziell auf diesem Sektor war wohl zu keiner Zeit eklatanter als in den 1950er und 60er Jahren.
Natürlich gibt es auch schillernde Glanzlichter in den Annalen der TV-Historie, doch auch sie bestehen heute überwiegend durch ihre anachronistische Zeitgeistrekonstruktion. Ohne eine entsprechende Empfindsamkeit des Zuschauers ist es ihnen im gegenwärtigen Programmkonvolut nicht mehr vergönnt zu überzeugen. Auch MitSchirm, CharmeundMelone (TheAvengers) ist in erster Linie ein Produkt seiner Zeit. Doch da die Serie bereits in dem irrealen Pop-Kosmos des Swinging-London irgendwie der Zeit enthoben schien, stolpern John Steed und Emma Peel auch heute nicht über kurzlebige Trend-Marotten, sondern bewegen sich stilsicher auf ihrer eigenen Zeitachse stillstehend vorwärts. Sprich: Auf sie trifft das Prädikat »zeitlos« uneingeschränkt zu.
Und das Anschauungsobjekt konkret vor Augen fällt es gewiss nicht schwer, wieder ins Schwärmen zu geraten, denn selbst wem die eingangs erwähnte Erotik zu angestaubt daherkommt oder wer seine eigenen Vorlieben darin einfach nicht bedient sieht, den verzücken vergnüglich-anregende Dialoge in exquisiter Kulisse und darstellerische Leistungen von überdurchschnittlichem Wert und noch einiges mehr.
Der Serientitel und die Hauptfiguren erfreuten sich ab Mitte der 1960er Jahre enormer Popularität und haben sich mittlerweile tief im kulturellen Gemeingut eingenistet. Dass die überraschend komplexen Strukturen der Serie bislang kaum Gegenstand wissenschaftlichen Interesses waren, wäre schon ausreichende Rechtfertigung für die vorliegende Arbeit. Doch die Beschäftigung mit The Avengers hat zudem weniger allein mit einer Aufarbeitung eines Teilaspektes der Fernseh- und Genregeschichte gemein, als vielmehr auch mit der ganz aktuellen Auseinandersetzung mit Aspekten der Mediennutzung im Allgemeinen.
In diesem Zusammenhang erwies es sich weiterhin als nahe liegend, mit dem besonderen Augenmerk auf das angebotene Geschlechtsrollenmodell einen Analyseschwerpunkt zu fokussieren, der zum einen nachdrücklich die bemerkenswerte Modernität der Serie in besonderem Maße illustriert, zum anderen zeigt sich gerade vor diesem Hintergrund die mehrschichtige Struktur von The Avengers, die nun im folgenden Ebene für Ebene abgetragen werden soll – eben das Konzept Emma Peel.
Dahinter verbirgt sich, dass das Fernsehen, mit seinem Hang zur Einflussnahme auf gesellschaftliche Strömungen einerseits und der fatalen Tendenz zur Festigung und Bestätigung anachronistischer Klischees andererseits (mehr hierzu unter Subtile Mechanismen der Fernseh-Manipulation), inzwischen nicht nur maßgeblich zur Ausbildung konsensfähiger Wertvorstellungen beiträgt, sondern sich als Gradmesser zur Beurteilung eben solcher soziologischer Gegebenheiten ausdrücklich anbietet. Auf die Frage, wo die Frau im Kontext der gegenwärtigen deutschen Fernsehunterhaltung steht, differieren die Meinungen erwartungsgemäß je nach Standpunkt und Geschlecht erheblich.1 Weiblichkeitsdarstellungen jenseits tradierter Stereotypen und Männerphantasien sind im heutigen Fernsehen allerdings keine Ausnahme mehr – zumal in Produktionen neueren Datums. Allein unter den aktuellen deutschen Krimi-Serien findet sich eine Reihe weiblicher Hauptfiguren mit einer vielfältigen Typenpalette ausgestattet,2die nahezu ohne die üblichen Klischees auskommen.
Jedoch ist das Reservoir an Produktionen vergangener Jahrzehnte (insbesondere an Serien), die in Endlos-Wiederholungs-Schlaufen vornehmlich für private Nachmittagsprogramme rekrutiert werden, noch immer beachtlich. Unter diesem Fernseherbe auch eine Frauenfigur zu finden, die selbst nach über 30 Jahren keiner Modernisierung bedarf, um heute nicht antiquiert oder gar peinlich zu wirken, erschiene aussichtslos, wäre da nicht eben diese Emma Peel. Dass sie zu den modernen »Ikonen der Emanzipation« wie etwa Specialagent Dana Scully (The X-Files) noch immer kompatibel und auch unter heutigen Gesichtspunkten eine ungewöhnliche Bildschirmerscheinung ist, soll die folgende Untersuchung zeigen. Allerdings nicht ohne zu betonen, dass Emma Peel zu ihrer Zeit noch reichlich einsam an vorderster Frauenfront im Geschlechterkrieg gefochten hat; sogar noch bevor ihr die 68er-Bewegung hilfreich zur Seite springen konnte.
Aber nicht allein daher rührt das Interesse an der Figur, denn im Grunde ist das mittels Emma Peel formulierte progressive Weiblichkeitsmodell zwar bemerkenswert, doch letztlich so deutlich vorgeführt (und deshalb nicht erst analytisch aufzuspüren), dass selbst die Boulevardpresse nicht umhin kommt dies zu bemerken und es vor allem ihrer Leserschaft auch mitzuteilen (z.B. »Mrs. Peel: die erste Emanze des Bildschirms!« In Bild am Sonntag vom 23.08.1998). Sehr viel erstaunlicher ist also weniger die bloße Existenz einer emanzipierten weiblichen Hauptfigur in einer kommerziellen Fernsehproduktion der 60er Jahre, sondern vielmehr der enorme Erfolg, der trotz oder aber wegen dieses Umstandes bei einem noch weitestgehend konservativ geprägten Publikum erzielt wurde. Daher ist zu vermuten, dass die Strukturen komplexer und das Verhältnis zwischen Modellinhalt und Rezeptionsverhalten vielfältiger sein müssen, als es an der Oberfläche scheint – dies deutet schon die Diskrepanz zwischen der augenfällig unkonventionellen Gesamtkonzeption der Serie und dem sonstigen Programmumfeld einer moralisch-konservativ behüteten öffentlich-rechtlichen deutschen Sendeanstalt an, innerhalb derer dieses Phänomen dennoch (eingeschränkt) möglich gemacht wurde.
Es geht also nicht allein darum, das Avengers-Modell in seiner Struktur zu verstehen. Die Mechanismen, die der breiten Fernsehmasse das geradezu provozierende Frauenbild näher brachten, stehen ebenso im Mittelpunkt. Zumal sich am Beispiel der Avengers das komplexe Geflecht der Wechselwirkungen zwischen Produktion vs. Rezeption und Manipulation vs. Reaktion anschaulich verdeutlichen lässt, das auch in der heutigen Fernsehlandschaft noch seine Gültigkeit besitzt, oft aber weder bewusst eingesetzt und viel seltener noch entsprechend wahrgenommen wird.
Wie also etabliert man eine progressive Position im tobenden Geschlechterkampf ohne militante Provokation; wie demontiert man tradierte Normen ohne zu verschrecken oder die Toleranzgrenzen zu überschreiten?
Dieses Konzept, das maßgeblich um die Figur Peel oszilliert, lässt sich aus der Textstruktur der Serie heraus ableiten, indem zunächst das inzwischen mehrfach angesprochene spezifische Geschlechtsrollenmodell entwickelt wird und im Anschluss daran die Wirkungsmechanismen aufgezeigt werden, die eine offene Provokation unter dem Deckmantel der subtilen Manipulation verhüllen.
1 Vgl. Brunst, Klaudia: WeibsBilderundTeleVisionen? und Leder, Dietrich: EineFragederMacht–mehrnicht!? – In: Hall, Peter Christian/Skopalik, Dagmar (Hg.): WeibsBilderundTeleVisionen–FrauenundFernsehen.
Beide spürten im Auftrag des ZDF »Frauenbildern – Männerbildern« in derselben festgelegten Programmwoche nach. Ihre Ergebnisse entsprechen z.T. tatsächlich ihren »zu erwartenden« geschlechtsspezifischen Sichtweisen: Klaudia Brunst sieht den »Transfer feministischer Theorie in die televisionäre Praxis« eher pervertiert als realisiert, da ihrer Ansicht nach nicht die Frauen in ihrer Position gestärkt sondern die Männer schwächer werden: »Lauter Gutmenschen und Schlappmacher« (S.82); anders Dietrich Leder, der sieht auch im Fernsehen einen sich vollziehenden »Anpassungsprozeß an die gesellschaftliche Wirklichkeit, in der Frauen an Bedeutung und Selbstbewußtsein in den letzten 30 Jahren kräftig dazugewonnen haben« (S.115).
2 Vgl.: Lindhoff, Lena/Bralant, Catherine: AktuelleWeiblichkeitsdarstellungenimdeutschenFernsehenamBeispielvonFernsehkrimismitweiblichenHauptfiguren– In: Hall/Skopalik (Hg.); S. 312–327
Patrick Macnee als John Steed und Diana Rigg als Emma Peel in The Avengers sind eines der markantesten und bis heute populärsten TV-Phänomene der 60er Jahre.3 Doch da die 51 in dieser Besetzung produzierten Folgen, die auch die Grundlage für diese Untersuchung bilden, nur zwei Staffeln von insgesamt 187 Episoden der Serie darstellen, soll zunächst – im Sinne der Vollständigkeit – der Produktionshintergrund der Avengers betrachtet werden.
Als Programm der privaten britischen Fernsehgesellschaft ABC und deren Tochter ITV ging The Avengers erstmals 1961 auf Sendung. Ausgangsmotiv des Plots war die versehentliche Ermordung der Verlobten des Arztes Dr. Keeler, der fortan 26 Episoden lang versuchte, diesen Mord aufzuklären. Geheimagent John Steed (von Anfang an: Patrick Macnee) war dem kriminalistisch unbeholfenen Mediziner dabei behilflich (daher auch der Serientitel »Die Rächer«). Im Mittelpunkt der einzelnen Episoden stand aber jeweils ein gewöhnlicher Krimi-Plot, in den Keeler und Steed am Rande ihrer Mordermittlungen verwickelt wurden.
Die zweite Staffel (1962–1963) wurde bereits mit anderer Besetzung produziert. John Steed wurde zur Hauptfigur und ihm zur Seite trat Cathy Gale, eine verwitwete Anthropologin mit Hang zu Abenteuerlust und bestens vertraut mit Judo und dem Gebrauch von Schusswaffen. Mit ihr wurde bereits der Frauentyp in The Avengers angelegt, der mit Emma Peel dann später erfolgreich weiterentwickelt wurde. Außerdem gewannen die Plots einen neuen Hintergrund: Durch das Ausscheiden der Keeler-Figur umging man die Gefahr einer sich ins Endlose ziehenden Mörderjagd, die vor dem Hintergrund der eigentlich fokussierten, abgeschlossenen Episodenhandlungen als verbindende Rahmung früher oder später ohnehin an Reiz verliert (eine Gefahr, der dann zwei Jahre darauf Dr. Richard Kimble in The Fugitive [Auf der Flucht] erlag). Mit Steed als Hauptperson wandten sich die Produzenten nun mehr dem Agenten- und Spionagemillieu zu, wodurch Raum geschaffen wurde für die später typischen Science-Fiction-Elemente.
Honor Blackman drehte als Cathy Gale zwei Staffeln mit je 26 Folgen, bevor sie die Serie verließ (nicht zuletzt, um als Pussy Galore in Goldfinger James Bond zu verfallen!).
Alle drei Staffeln liefen im britischen Fernsehen bereits mit großem Erfolg, doch erst ab der vierten Staffel und dem Auftreten Diana Riggs als Emma Peel wurde The Avengers auch international bekannt und schließlich auch in Deutschland populär.
Diana Rigg drehte zwischen 1965–1968 insgesamt 50 Folgen und verließ die Serie auf dem Höhepunkt ihres Erfolges (nicht zuletzt, um später dann als Teresa Vicenzo in James Bond zu verfallen!). Die letzte Emma-Peel-Episode ist allerdings erst die erste Folge der sechsten Staffel, in der sie ihren Abschied nimmt und gleichzeitig ihre Nachfolgerin Tara King (Linda Thorson) eingeführt wird. Mit dieser sechsten Staffel (1969 – 31 Episoden) nahm man auch einige konzeptionelle Änderungen vor, insbesondere bezüglich der weiblichen Hauptrolle (dazu mehr unter ).
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