Das Leben ist kein Ponyhof - Dorte Roholte - E-Book
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Das Leben ist kein Ponyhof E-Book

Dorte Roholte

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Beschreibung

Niemand sagt Viola, dass sie zu dick geworden ist. Weder ihre Eltern noch ihre beste Freundin Simone. Allmählich wird Viola aber klar, dass sie sich in ihrem Körper nicht wohlfühlt, weshalb sie beschließt, etwas daran zu ändern. Mit der Unterstützung ihrer Eltern nimmt sie ab, und nach und nach kommt eine selbstbewusstere und glücklichere Viola zum Vorschein, die nun auch bei den Jungen besser ankommt. Doch warum benimmt Simone sich auf einmal so daneben?-

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Dorte Roholte

Das Leben ist kein Ponyhof

Übersetzt von Rebecca Jakobi

Saga Kids

Das Leben ist kein Ponyhof

 

Übersetzt von Rebecca Jakobi

 

Titel der Originalausgabe: Ikke lutter lagkage

 

Originalsprache: Dänisch

Coverimage: Shutterstock

Copyright ©2006, 2023 Dorte Roholte und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728259948

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung des Verlags gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Kapitel 1

Guck mal, wollte Viola Simone zuflüstern und auf den Bildschirm der Überwachungskamera zeigen.

Guck mal, das dicke Mädchen!

Ihr Oberteil sieht genauso aus wie meins!

Und über dem Hosenbund hängen riesige Speckrollen raus!

Sie ließ es bleiben. Im letzten Augenblick presste sie die Lippen zusammen und hielt den Mund.

Sie steht direkt neben dir, Simone …

Das hätte sie als nächstes gesagt. Doch eine Sekunde bevor ihr die Worte herausrutschten, bemerkte Viola, dass das dicke Mädchen mit dem gleichen Oberteil wie sie tatsächlich sie selbst war. Schnell wandte sie den Blick vom Bildschirm ab. Das konnte nicht wahr sein. So dick war sie doch gar nicht. Das hatte ihr nie jemand gesagt. Weder Mama noch Papa noch Simone oder irgendjemand anderes.

»Echt mal, bist du versteinert oder was?«, grinste Simone und stupste sie an. »Wie findest du die hier?«

Sie hielt zwei Ohrringe in der Hand, die an einem Plastikschild befestigt waren. Viola blinzelte.

»Die sind echt hübsch.«

»Ja, oder?«, sagte Simone.

Nun konnte Viola den Blick nicht mehr vom Bildschirm abwenden. Das Bild war schwarzweiß und merkwürdig verzerrt. Vielleicht, weil die Kamera oben in einer Ecke des Bekleidungsgeschäfts angebracht war. Deshalb hatte sie sich nicht sofort wiedererkannt. Simone allerdings schon, was bedeutete, dass die Aufnahme ihnen relativ ähnlich sah, trotz des seltsamen Winkels. Die Speckrollen waren also wirklich da. Viola schaute an sich herunter. So schlimm sah es nun auch wieder nicht aus. Vielleicht weil sie jetzt den Bauch einzog. Auf dem Bildschirm wurde es auch besser, nun, da sie den Körper anspannte. Dick war sie aber trotzdem. Das war gut zu erkennen, besonders im Vergleich zu Simone. Wie lange war es her, seit sie zuletzt die Hosen miteinander hatten tauschen können? Sehr lange, schlussfolgerte Viola schnell. Jahre. Befreundet waren die beiden seit fast drei Jahren. Am Anfang hatten sie fast die gleiche Größe gehabt. Sie hatten nie ernsthaft Kleider getauscht, nur aus Spaß vor dem Spiegel. Schon damals waren Violas Hosen Simone ein bisschen zu groß gewesen, und die Nähte von Simones Hosen waren fast geplatzt, als Viola sie anprobiert hatte.

»Was ist los?«, fragte Simone jetzt und schaute Viola an. »Bist du sauer?«

»Nein, nein. Alles okay.«

»Soll ich die jetzt kaufen oder nicht?«

»Mach doch. Vielleicht sind sie ausverkauft, wenn wir das nächste Mal herkommen.«

Viola wusste, dass Simone genau das hören wollte.

»Ach, vielleicht besser doch nicht. Meine Mutter rastet total aus, wenn ich mir diesen Monat noch mehr kaufe. Komm, wir gehen.«

Sie verließen das Geschäft. Es war Vormittag, im Einkaufszentrum war nicht besonders viel los. Sie hatten aber Louise und Lisette aus ihrer Klasse gesehen. Es war erst halb elf. Wie gewohnt waren sie um acht Uhr in die Schule gekommen, doch ihre Klassenlehrerin Bodil war nicht aufgetaucht. Eigentlich hätten sie heute den ganzen Tag lang bei ihr Unterricht gehabt, bis auf die letzten zwei Stunden nach der Mittagspause. Da hatten sie Deutsch. Stattdessen war dann Jette, die Konrektorin, in die Klasse gekommen und hatte Bodil in der ersten Stunde vertreten. Bodil war krank, hatte sie gesagt, und die nächsten zwei Stunden würden ausfallen. Erst zur vierten Stunde, die um elf Uhr begann, käme eine Vertretung. Daraufhin hatte Simone Viola vorgeschlagen, im Einkaufszentrum durch die Klamottenläden zu stöbern. Sie hatten sich auch bei McDonaldʼs einen Burger geholt.

Viola hatte immer noch Zwiebelgeschmack im Mund, als sie am Blumenladen vorbeischlenderten. Hätte sie den Burger doch bloß nicht gegessen. Sie hatte nicht einmal richtig Lust darauf gehabt, aber Simone hatte vor der Schule nichts gefrühstückt. Jetzt wurde ihr bei dem Gedanken an den Burger beinahe schlecht. Warum hatte sie ihn nur gegessen? Das war so dumm! Allerdings trug der Burger ja nicht die alleinige Schuld für ihre Speckröllchen.

»Ob wir wohl wieder diesen Tom als Vertretungslehrer bekommen? Diesen heißen Typen?«, überlegte Simone und biss sich auf die Unterlippe. »Oder nur Lisbeth, wie letztes Mal?«

»Simone«, sagte Viola. Sie kamen am Bäcker vorbei. »Simone, findest du nicht auch, dass ich viel zu dick geworden bin?«

Simone seufzte resigniert.

»Komm, hör auf. Kein Stück. Warum sagst du das ständig?«

Viola gab keine Antwort, sondern zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte doch schon ganz lange nicht mehr danach gefragt. Seit über einem Monat. Seit sie damals die Fotos aus dem Schullandheim angeguckt hatten. Da hatte Simone auch schon abgestritten, dass Viola zu dick war. Sie hatte es ihr geglaubt. Vielleicht waren die Fotos bloß aus unglücklichen Winkeln aufgenommen worden, wodurch es so aussah, als wäre sie die Dickste in der ganzen Klasse. Trotzdem war es ihr den Rest des Tages richtig beschissen gegangen, und Simone hatte alles getan, um sie aufzumuntern.

»Ich bin zu dick«, sagte sie wenig später, als sie das Zentrum verlassen hatten. Draußen wehte kalter Wind, sie zog ihr Oberteil herunter und machte ihre Jacke zu. Hoch über ihnen flatterten die Flaggen an den Fahnenstangen vor dem Zentrum wild durch die Luft. Das grelle Märzlicht blendete in den Augen, im Vergleich zu der künstlichen Beleuchtung im Zentrum.

»Komm schon, Viola«, sagte Simone wieder. »Du bist doch nicht dick. Nicht so wie Tine aus der A, oder? Du bist allerhöchstens ein bisschen pummelig. Das ist doch nichts!«

Sie hakte sich bei Viola ein und zog sie mit sich. Einen Augenblick war Viola dazu geneigt, den Gedanken ziehen zu lassen. Wie immer, wenn er sich wieder bemerkbar machte. Es war einfach so verlockend, so leicht. Simone brachte sie immer auf andere Gedanken. Darin war sie echt gut. Heute aber klappte es nicht so richtig. Auf dem Rückweg zur Schule ploppte das schwarzweiße Bild von der Überwachungskamera immer wieder in Violas Kopf auf.

Wie war das möglich? Zu Hause im Spiegel sah sie doch gar nicht so dick aus. Also, schon ein bisschen mollig, aber nicht in dem Ausmaß. Nicht … so. Wenn sie wirklich so dick war, hätte ihr das doch bestimmt jemand gesagt. Irgendjemand hätte sie einfach mal beiseite genommen und ihr klargemacht, sie müsse ein bisschen aufpassen.

Oder nicht?

Nun war die Schule in Sichtweite. Mette aus ihrer Klasse lief vor ihnen her. Sie wohnte gleich neben der Schule, also war sie in der Freistunde wahrscheinlich nach Hause gegangen.

»Mette war zu Hause«, sagte Viola automatisch.

»Sicher, um sich zu übergeben«, flüsterte Simone ihr ins Ohr. Sie steckten die Köpfe zusammen und lachten gedämpft.

Mette wurde Skelett-Mette genannt, weil sie so dünn war, dass man alle ihre Knochen sehen konnte.

Sie trug immer einen Haargummi um das Handgelenk, der bei allen anderen ins Fleisch schneiden würde, bei ihr aber lose herunterhing. Manchmal hatten Viola und Simone spekuliert, wozu der Haargummi da war und waren zu dem Schluss gekommen, Mette wolle damit kontrollieren, ob ihr Handgelenk so dünn wie ein Stock blieb. Tatsächlich wusste niemand, ob Mette ihr Essen erbrach oder ob sie sich herunterhungerte, aber sie war schon zweimal in einer Klinik gewesen.

Mette drehte sich zu ihnen um.

»Hi«, sagte sie.

»Hi, Mette«, sagte Simone lächelnd.

Es sah aus, als wollte sie sich ihnen anschließen, deshalb erhöhten sie das Tempo und joggten an ihr vorbei. Mette lief immer sehr langsam. Viola vermutete, dass sie nicht genug Kraft hatte, um schneller zu gehen oder gar zu rennen. In der sechsten Klasse hatte sie mit dem Abnehmen angefangen. Damals hatte sie noch viel Sport gemacht.

Am Tor stand eine Gruppe Jungen.

»Sofus-Alarm!«, sagte Viola unwillkürlich, obwohl Simone ihn sicher schon selbst gesehen hatte.

Simones Griff um ihren Arm wurde fester. Sie atmete auch schneller. Viola wusste nicht, ob sie das mit Absicht machte oder nicht. Sie stand schon lange auf Sofus. Er ging in die neunte Klasse, und sie hatte ihr ganzes Mäppchen mit Sofus + Simone vollgekritzelt.

Er stand da mit einigen Klassenkameraden, die Viola und Simone im Vorbeigehen genau unter die Lupe nahmen. Wieder zog Viola ihr Oberteil herunter und wünschte, sie hätte nicht so etwas Kurzes angezogen. Sie hatte aber auch kaum etwas anderes. Längere Teile waren kaum auffindbar, es sei denn, man wollte so matronenhaft herumlaufen wie ihre Mutter.

Die Jungen schauten eindeutig nur Simone an. Viola fühlte sich doppelt so dick und schwer wie auf dem Kamerabild.

»Hallo, Mädels«, sagte Sofus.

»Hey«, entgegnete Simone. Viola merkte, wie ihre Freundin dabei fast durchdrehte. Zurzeit war Sofus nicht vergeben. Er war über ein Jahr lang mit Marlene aus seiner Klasse zusammen gewesen, aber jetzt hatten sie Schluss gemacht.

Sie ließen die Jungen hinter sich. Auf dem Schulhof wimmelte es nur so von kleinen Kindern. In der Ecke vor dem Klassenzimmer der 8b standen einige ihrer Mitschüler. Kenneth hatte einen Arm um Sara gelegt. Er und Frederik führten irgendetwas im Schilde, konnte Viola sehen. Als Frederik sie entdeckte, kam er auf sie zu.

»Viola, hast du nicht seit kurzem eine neue Nummer?«

Sie nickte und tastete nach dem Handy in ihrer Hosentasche. Sie hatte eine neue Nummer und auch ein neues Handy. Ein Geschenk ihrer Mutter. Es war ganz klein und dünn.

»Gib mir mal kurz dein Handy.«

»Warum?«

Sie zog es aus der Tasche, hielt es aber fest, während sie sich zu den anderen gesellten.

Kenneth und Frederik waren immer die Anführer, ein paar andere hängten sich dann an sie dran.

»Wegen Rasmus aus der A«, erklärte Kenneth. »Er hat beim Fußball irgend so ein extrem hübsches Mädchen kennengelernt und ihr seine Nummer gegeben.«

»Rasmus? Das denkst du dir doch aus!«, sagte Simone.

»Nee, echt jetzt«, sagte Frederik. »Sie heißt Natasja. Er hat ihre Nummer nicht, aber er hat ihr einen Zettel mit seiner gegeben. Wenn wir ihm jetzt also eine SMS von einer unbekannten Nummer schicken und sagen, sie ist von Natasja, dreht er völlig durch!«

»Das ist aber nicht gerade nett«, wandte Sara ein, grinste aber trotzdem.

»Ist doch nur aus Spaß«, meinte Frederik. »Wir machen das jetzt einfach. Sein Handy ist jetzt bestimmt ausgeschaltet, da passiert schon nichts.«

»Ist schon ziemlich gemein, oder?«, sagte Simone. »Aber interessant, ich hätte ja nie gedacht, dass er sich für Mädchen interessiert.«

»Dachtest du etwa, er steht auf Typen?« Kenneth grinste.

Simone holte nach ihm aus.

»Doch nicht so. Einfach, dass ihm Mädchen halt egal sind.«

»Jetzt komm schon, Viola«, versuchte Frederik, sie zu überzeugen.

Viola zögerte. Rasmus war der größte Nerd aus der Parallelklasse. Eigentlich schon seit immer. Seine Eltern waren viel zu alt und hatten ihn am ersten Schultag mit Schlips in die Schule geschickt. Daran konnte sie sich noch gut erinnern, obwohl es viele Jahre her war und sie nie in die gleiche Klasse gegangen waren. Rasmus war außerdem völlig verrückt nach Fußball und ein echtes Mathegenie. Er stotterte. Inzwischen war es aber nicht mehr so schlimm.

»Jetzt gib’s ihm halt«, sagte Simone.

Viola wollte keine Spielverderberin sein. Außerdem wollte sie auf andere Gedanken kommen. Sie reichte Frederik das Handy, während es zur nächsten Stunde klingelte.

»Sag mir schnell mal Rasmusʼ Nummer«, drängte Frederik. Kenneth rief sie auf seinem Handy auf und leierte sie herunter; Frederik speicherte sie in Violas neuem Handy ein.

»Was schreibst du?«, fragte sie und bekam plötzlich Bedenken.

»Einfach nur Hey, ich bin’s, Natasja«, sagte er. Alles ging blitzschnell. Plötzlich lag das Handy wieder in ihrer Hand. Sie steckte es in die Hosentasche. Tatsächlich hätte sie gar nicht erwartet, dass Rasmus überhaupt ein Handy hatte. Er war so anders.

Der Klassenraum der 8a lag gleich neben ihrem. Die Tür stand offen. Viola und Simone folgten den anderen, und auf dem Weg warf Viola einen kurzen Blick hinein. Rasmus saß gedankenverloren auf seinem Platz. Vielleicht dachte er an Natasja. Er hatte dunkles, krauses Haar. Bis zur Konfirmation war es ganz kurz geschnitten gewesen, aber seitdem hatte er es wachsen lassen. Er selbst war auch viel gewachsen.

Viola setzte sich hin, bevor die Vertretung hereinkam. Es war Lisbeth, wie beim letzten Mal. Sie war noch nicht so alt, wenn Viola sich richtig erinnerte, studierte sie Lehramt.