Das Leuchten von Morgen - Ishmael Beah - E-Book

Das Leuchten von Morgen E-Book

Ishmael Beah

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Beschreibung

Die Autobiografie über sein Leben als Kindersoldat in Sierra Leone hat ihn weltberühmt gemacht. In seinem Romandebüt beschreibt Ishmael Beah nun wie einige Jahre später Überlebende in ihr vom Krieg zerstörtes Heimatdorf zurückkehren und dort versuchen ein gemeinsames Leben aufzubauen, überlagert von den Schatten der Vergangenheit. Das allmähliche Vertrauen in das neue Gemeinschaftsleben wird jedoch zutiefst gestört, als eine ausländische Minengesellschaft über das Dorf herfällt, die seinen Bewohnern neue Lebensformen und auch Lebenswege aufzwingt, diesmal jedoch mit der Hoffnung auf Das Leuchten von Morgen.

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ISHMAEL BEAH

DAS LEUCHTENVON MORGEN

ROMAN

Aus dem Englischen von Susann Urban

AFRIKAWUNDERHORN

Titel der Originalausgabe Radiance of tomorrow: A Novel by Ishmael Beah Copyright © 2014 by Ishmael Beah. Published by arrangement with Sarah Crichton Books, an imprint of Farrar, Straus and Giroux, LLC, New York

© 2016 Verlag Das Wunderhorn GmbH Rohrbacherstrasse 18, D-69115 Heidelbergwww.wunderhorn.de

Alle Rechte vorbehalten. Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Autorenfoto auf S. 2: ©John MadereGesamtgestaltung: sans serif, Berlin

eISBN: 978-3-88423-517-1

Für Priscillia –meine Frau, beste Freundin und Seelenverwandte

Danke, dass Du mein Leben mit nie geahnter Liebeund Freude erfüllst.

Vorbemerkung

Ich bin in einem kleinen Dorf in Sierra Leone aufgewachsen, wo die Tradition des Geschichtenerzählens meine Jungenphantasie entfachte. Bereits in blutjungem Alter erfuhr ich, welche Bedeutung das Erzählen von Geschichten hat, wir durch sie unsere Erlebnisse verarbeiten, sie uns erklären, wie wir mit dem Leben zurechtkommen können. Geschichten sind das Fundament unseres Lebens. Wir überliefern sie, damit die nächste Generation aus unseren Fehlern, Freuden und Feiern lernen kann. Als Kind saß ich jeden Abend am Feuer, wo meine Großmutter oder andere ältere Leute – Älteste, wie sie bei uns heißen – Geschichten erzählten. Manche handelten von den ethischen Grundsätzen unserer Gemeinschaft, wie man sich verhalten sollte. Manche waren einfach nur lustig, andere wiederum derart gruselig, dass man nachts nicht die Toilette aufsuchen mochte. Aber alle waren von Bedeutung und es gab einen Anlass, warum man sie erzählte.

Mein Schreiben ist stark von dieser mündlichen Tradition beeinflusst. Die Gegend, aus der ich stamme, verfügt über einen ungeheuren Reichtum an Sprachen, eine Vielfalt von Ausdrucksweisen. In Sierra Leone gibt es ungefähr fünfzehn Sprachen und drei Dialekte. Mit sieben davon wuchs ich auf. Mende, meine Muttersprache, ist sehr bildhaft, und wenn ich schreibe, bin ich stets auf der Suche nach einem englischen Äquivalent für das, was ich eigentlich auf Mende sagen möchte. Auf Mende heißt es beispielsweise nicht »plötzlich brach die Nacht an«, sondern »der Himmel drehte sich um und wechselte die Seite«. Selbst einzelne Wörter sind sehr anschaulich, »Ball« auf Mende würde »Luftnest« oder »Gefäß, das Luft transportiert« heißen. So entsteht bei der Übertragung ins schriftliche Englisch ein neuer Sprachmodus. »Sie kickten ein Luftnest durch die Gegend« – da bekommt die Sache auf einmal eine ganz andere Bedeutung. Als ich mit diesem Roman anfing, wollte ich alles, was Sprache für mich lebendig macht, in meine Arbeit einfließen lassen.

Nach meiner Autobiografie »Rückkehr ins Leben. Ich war Kindersoldat« war ich einigermaßen ausgelaugt. Ich wollte keinen weiteren literarischen Bericht über mein Leben schreiben, denn ich hatte das Gefühl, es könne nicht besonders gesund sein, jahrelang beim Erzählen nur um sich selbst zu kreisen. Gleichzeitig spürte ich, wie aufgrund dieses ersten Buchs »Das Leuchten von Morgen« an mir zerrte. Ich wollte den Menschen begreiflich machen, wie es war, in kriegsverwüstete Orte zurückzukehren, sich dort wieder ein Leben aufzubauen, Kinder aufzuziehen, einige der zerstörten Traditionen wiederzubeleben. Doch wie fängt man das an? Wie gestaltet man die Zukunft, wenn einen die Vergangenheit immer noch in den Klauen hat? Menschen kehren mit unterschiedlichen Sehnsüchten nach Hause zurück. Die jüngere Generation kommt, weil die Eltern und Großeltern erzählten, wie dieser Ort früher einmal war. Die ältere Generation klammert sich an Traditionen. In diesem ganzen emotionalen Wirrwarr wagen die Menschen ein gemeinsames Miteinander.

Schreibend konnte ich, der aus einem vom Krieg zerstörten Ort stammt, von dem die meisten noch nie gehört hatten, zum Leben erwecken, was ich anders nicht hätte vermitteln können. Ich möchte den Lesern einen greifbaren Eindruck verschaffen, daher versuche ich Worte zu verwenden, die zur Landschaft passen. Aus diesem Grund finden sich in »Das Leuchten von Morgen« Anleihen beim Mende und anderen Sprachen.

Es gibt in der Tradition des Geschichtenerzählens das Sprichwort: Wenn man eine Geschichte erzählt, gehört sie einem nicht mehr, man gibt sie gewissermaßen weg; sie gehört jedem, der sie hört, jedem, der sie aufnimmt. Man ist lediglich der Hirte dieser Geschichte, kann sie in diese oder jene Richtung lenken, aber manchmal geht sie unerwartete Wege. Dieses Gefühl habe ich bei »Das Leuchten von Morgen« – ich bin der Hirte der Geschichte, aber Sie führen sie hoffentlich auf eigene Wege.

Ishmael Beah

1

Dies ist das Ende oder vielleicht der Anfang einer neuen Geschichte. Jede Geschichte beginnt und endet mit einer Frau, einer Mutter, einer Großmutter, einem Mädchen, einem Kind. Jede Geschichte ist eine Geburt.

Sie kam als Erste dorthin, wo der Wind nicht mehr zu atmen schien. Einige Meilen vor der Stadt hatten sich die Bäume ineinander verschlungen; ihre Äste wuchsen bis zum Boden hinab, vergruben die Blätter in der Erde, versteckten sich vor den Sonnenstrahlen, die ihnen ein Morgen vorgaukeln wollten. Einzig der Pfad leistete Widerstand, ließ sich nicht vom Gras überwuchern, als ahnte er, dass sein Hunger nach der lebensspendenden Wärme nackter Füße bald gestillt würde.

»Schlangen« nannte man diese langen und verschlungenen Wege, auf denen man dem Leben begegnete oder zu Orten gelangte, wo es Leben gab. Wie Schlangen waren sie bereit, ihre alte Haut abzustreifen, das braucht seine Zeit, Unterbrechungen sind nötig. An diesem Tag lösten ihre Füße eine solche Unterbrechung aus. Vielleicht lassen jene, die schon viele Jahre hinter sich haben, als Erste ihre Freundschaft zum Land wieder aufleben, vielleicht ist das aber auch nur Zufall.

Ihr knochiger Körper, gehüllt in ein fadenscheiniges, von vielen Wäschen ausgebleichtes Tuch, wurde von einem Lüftchen dorthin gestupst, wo früher ihr Dorf gewesen war. Die Flipflops hatte sie abgestreift und sich auf den Kopf gelegt; behutsam setzte sie ihre Schritte, störte den getrockneten Schlamm mit ihren bloßen Füßen auf. Mit geschlossenen Augen nahm sie den süßen Duft der Kaffeeblüte wahr, den der Wind gelegentlich übers Land fächelte – eine Frische, die über den Wald hinaus ihren Weg in die Nasen weit entfernter Reisender fand. Ein derartiger Wohlgeruch verhieß einen Ort der Rast, an dem man seinen Durst stillen und, falls man sich verlaufen hatte, nach dem Weg fragen konnte. An diesem Tag brachte der Duft sie jedoch zum Weinen, aus einem leisen Wimmern wurde das Schluchzen zu einem Schrei nach der Vergangenheit. Ein Schrei, ein Lied fast, der den Verlust betrauerte. Sie wiegte sich zu dieser Melodie; das Echo ihrer Stimme brachte ihren Körper zum Beben, erfüllte erst sie und dann den Wald. Meile um Meile wehklagte sie, riss an Sträuchern, so fest es ihre Kräfte erlaubten, und ließ die Zweige fallen.

Schließlich erreichte sie das stille Dorf, kein Hahnenschrei begrüßte sie, keine Stimmen ins Spiel vertiefter Kinder, kein Hammerschlag des Schmieds, der rotglühendes Eisen zu Werkzeug formte, kein aus Feuerstellen emporsteigender Rauch. Selbst ohne diese Zeichen einer scheinbar lang vergangenen Zeit war sie so glücklich über ihre Rückkehr, dass sie zu ihrem Haus rannte; für ihr Alter gewannen ihre Beine erstaunlich an Kraft. Dort brach sie in Tränen aus und jäh verstummte das Lied der Vergangenheit in ihrem Mund. Vor einiger Zeit war das Haus angezündet worden, rußgeschwärzt reckten sich die verbliebenen Pfeiler in die Luft. Tränen füllten ihre dunkelbraunen Augen und rollten langsam über ihr schmales Gesicht, bis die hohen Wangenknochen nass waren. Sie weinte, um das Geschehene anzunehmen und mit ihren zu Boden fallenden Tränen die Geister der Toten herbeizurufen. Sie weinte, weil sie sieben Jahre lang dazu nicht fähig gewesen war, denn um die Jahre zu überleben, in denen die Waffen den Ältesten die Worte aus dem Mund raubten, musste mit allem Vertrauten gebrochen werden. Auf dem Weg nach Hause war sie an vielen Städten und Dörfern vorbeigekommen, deren Anblick dem ähnelte, was sie jetzt vor sich sah. Eine der Städte war besonders gespenstisch gewesen – links und rechts der Hauptstraße waren menschliche Schädel aufgereiht. Jedes Mal, wenn der Wind aufkam, schüttelte er die Schädel, ließ sie langsam kreisen, so dass es schien, als würden die leeren Augenhöhlen die Vorbeihastenden anstarren. Trotzdem hatte sie den Gedanken verbannt, auch ihr Dorf könnte niedergebrannt sein. Nur so ließ sich die Hoffnung aufrechterhalten, die sie nach Hause trieb. Den Namen ihrer Heimat würde sie nicht einmal in Gedanken aussprechen. Aber eine fremde Stimme brach aus ihr heraus: »Wird das je wieder Imperi werden? «

Diese bestürzte Frage brachte dem Wind den Namen ihres Heimatdorfes zu Gehör. Sie kam wieder zu sich und lief durch das Dorf. Überall lagen Knochen herum, menschliche Knochen, und sie konnte einzig unterscheiden, ob es ein Kind oder ein Erwachsener gewesen war.

Ihr fiel der Tag ein, an dem sie um ihr Leben hatte rennen müssen. Es war gegen Ende der Regenzeit gewesen, als alle an ihren Häusern Reparaturen vornahmen und die Fassaden neu tünchten. Es gab neue Dächer, aus Stroh oder Zink, und manche der Häuser bekamen einen leuchtenden Anstrich, verliehen der Trockenzeit Farbe. Zum ersten Mal hatte ihre Familie die Mittel für einen Zementbewurf und konnte die Mauern streichen, unten schwarz, bis zum Fenstersims grün und bis unters Dach gelb. Bewundernd stand sie mit Kindern, Enkeln und Mann davor. Sie ahnten nicht, dass sie am folgenden Tag alles verlassen und auf immer voneinander getrennt werden würden.

Als Schüsse durch das Dorf hallten und Chaos ausbrach, am Tag, an dem der Krieg in ihr Leben trat, hatte sie sich vor der Flucht umgedreht und einen langen Blick zurückgeworfen. Wenn sie starb, wollte sie dies zumindest mit einer schönen Erinnerung an ihr Zuhause tun.

Sie kehrte zurück, weil sie nirgendwo wahres Glück gefunden hatte. In Flüchtlingslagern und bei freundlichen Fremden hatte sie nach echter Freude gesucht, die sich nicht aus Ablenkung speiste, Freude, die nur das Stück Erde bot, auf dem sie nun stand.

Sie erinnerte sich an einen nicht allzu lang zurückliegenden, auf Tage des Hungers folgenden Nachmittag und an eine kostbare Schüssel Reis mit gedünstetem Fisch, die man ihr gab. Anfänglich aß sie hastig, dann erschlafften ihre Muskeln, die zum Mund geführte Hand wurde schwer. Der Pfeffer schmeckte anders als der, dessen Erinnerung in ihr noch nachschwang, und das Wasser kam nicht aus einer kleinen Kalebasse, die nach dem Tontopf roch, in dem man in ihrem Haus das Wasser kühlte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Um am Leben zu bleiben, aß sie auf und trank, aber sie wusste, das Leben sollte mehr sein, als solche vorübergehenden Bestätigungen der eigenen Existenz. Einzig die Erinnerung an das Geräusch gemörserten Pfeffers, an den beißenden Duft, der sich der Dorfluft bemächtigte, und an das Gelächter über die flüchtenden Männer und Jungen, verlieh dem Essen Würze.

»Sie lassen sich so leicht verjagen«, hatte ihre Mutter in das Gelächter der anderen Frauen hinein gesagt, deren Augen und Nasen, anders als die der Männer und Jungen, keinerlei Reaktion zeigten.

Wieder betrachtete sie die Knochen, ihr Blick schweifte über die Haufen hinweg, sie rang nach Kraft, um weiterzugehen. »Das ist immer noch mein Zuhause«, sagte sie leise zu sich, drückte seufzend die nackten Füße tiefer in die Erde.

Der Abend senkte sich und der Himmel wollte sich auf die andere Seite drehen. Sie setzte sich auf den Boden, ließ den Nachtwind tröstend übers Gesicht, über ihren Schmerz wehen, ihre Tränen trocknen. Als sie ein kleines Mädchen war, hatte die Großmutter ihr erzählt, dass in den stillsten Stunden der Nacht Gott und Götter ihre Hände im Wind schwenkten und alles von der Erde wischten, was einem neuen Tag im Wege stehe. Auch wenn im Morgengrauen ihr Schmerz nicht völlig verschwunden war, fühlte sie doch in ihrem Herzen neue Kraft, die ihr den Gedanken eingab, sie sollte sich aufraffen und die Knochen säubern. Den Anfang machte sie bei ihrem Haus; die Knochen in ihren Händen zitterten, vielleicht lag es an der kühlen Morgenluft oder an den Gefühlen, die sie beim Zusammenklauben der menschlichen Überreste überkamen. Ihre Füße trugen sie zu der hinter dem Haus liegenden Kaffeefarm. Zart und doch fest umfasste sie die Knochen, dachte darüber nach, wie wenig vom Menschen übrig blieb. »Verleiht einem nur das die Knochen ummantelnde Fleisch einen Wert? Oder bleibt man in Erinnerung für das, was man getan hat, während einen das Leben durchströmt?« Sie sinnierte nicht weiter, damit sich ihre Gedanken beruhigen konnten. So ließen sich die Erinnerungen an jene Menschen, an denen sie nun so leicht trug, am besten festigen. Ihr Verstand wurde ein rauchgefüllter Ameisenhügel. Sie achtete kaum darauf, wohin sie ging. Der Boden war ihren Füßen vertraut; Augen, Ohren und Herz befanden sich auf einer anderen Reise.

Sie bog um eine Ecke und ihr Griff löste sich; das Geräusch der auf die staubige Erde klappernden Knochen ließ ihr das Herz tief in den Bauch rutschen. Beim Anblick eines knienden Mannes, der Knochen wie Brennholz zusammenbündelte, gaben ihre Knie nach. Zwar wandte er ihr den Rücken zu, doch sie wusste, dass er bejahrt war, denn seine Haare hatten die Farbe stehender Wolken, auch seine Bewegungen verrieten das Alter. Ihr Herz kehrte an seinen angestammten Platz zurück, ihr Körper konnte seinen Aufgaben wieder nachkommen.

Der alte Mann, der einen Schatten hinter sich spürte, fing zu reden an. »Wenn du ein Geist bist, zieh bitte friedlich weiter. Ich tue diese Arbeit, damit die Menschen bei der Rückkehr in dieses Dorf vor diesem Anblick verschont bleiben. Zwar haben ihre Augen Schlimmeres gesehen, aber ich will ihnen dieses letzte Bild der Verzweiflung ersparen.«

»Dann helfe ich dir.« Sie bückte sich und sammelte die fallengelassenen Knochen sowie einige weitere ein, kam langsam näher.

»Diese Stimme kenne ich. Bist du das, Kadie?« Er zitterte, seine Hände waren nicht mehr zu der Arbeit fähig, die er tat, seit sich der Himmel den letzten Schlaf vom Antlitz gewischt hatte. Kadie antwortete leise, als fürchtete sie, die eingetretene tiefe Stille zu stören. Der Mann zögerte, ob er sich zur Begrüßung der Freundin umdrehen sollte. Eine Weile beobachtete er die Bewegungen seines Schattens. Und die ganze Zeit über hörte er Kadie seufzend mit den Knochen klappern. Wenn er sich umdrehte, musste er mit ihrem Anblick zurechtkommen. Ihr könnten Gliedmaßen fehlen, sie könnte entstellt sein. Tief hatten sich seine Augen in die Erde gegraben.

»Bitte heb die Augen vom Leib der Erde und sieh deine Freundin an. Bestimmt wird dein Herz einen Freudentanz aufführen, wenn du siehst, dass es mir so gut wie möglich geht.« Sie legte ihm die rechte Hand auf die Schulter. Er hielt diese fest und hob langsam, wie ein bei einem Schabernack ertapptes Kind den Kopf. Prüfend glitt sein Blick über den Körper der Freundin: beide Hände vorhanden, die Beine auch, Nase, Ohren, Lippen …

»Ich bin hier, Moiwa, so wie ich auf die Welt gekommen bin.«

»Kadie! Du bist da, du bist da.« Er berührte ihr Gesicht. Sie umarmten sich und setzten sich einander gegenüber, sahen sich an. Lächelnd schöpfte sie Wasser aus dem angebotenen alten Topf, in dem eine zerbrochene Kalebasse auf der Oberfläche schwamm. Pa Moiwa hatte eines dieser runden, würdevollen Gesichter, die stets nachdenklich wirken und ein Lächeln nie lange bewahren. Seine Gestalt war schlank, die Hände und Finger waren schmal.

»Etwas anderes konnte ich zur Wasseraufbewahrung nicht finden.«

Er erzählte ihr nicht, dass er sich vor einer Woche Imperi so weit genähert hatte, bis er den großen Mangobaum in der Dorfmitte sehen konnte, sich dann aber nicht weiter vor traute. Das Heimweh wurde von den Kriegsgräueln verdrängt, die sich vor sein geistiges Auge schoben. Zuerst hörte er die Wehklagen der Verstorbenen – Menschen, die er gekannt hatte. In einem der vielen ausgebrannten Fahrzeuge beim Fluss richtete er sich eine provisorische Bleibe ein. Die Fahrzeuge hatten dem Bergbauunternehmen gehört, das sechs Monate vor Kriegsausbruch kurz vor der Inbetriebnahme gestanden hatte. Die Verantwortlichen hatten keine Brücke über den Fluss bauen wollen, was sich nach Kriegsbeginn rächte, denn wie sollten die Autos, die Anlagen herübergeschafft werden? Anfänglich verlachten die Ausländer, die für das Bergbauunternehmen arbeiten sollten, die Möglichkeit, dass sie jemals ihre mit Lebensmitteln, Kleidern und anderem Zeug vollgestopften Autos würden zurücklassen müssen, doch beim ersten Schuss suchten sie, mit nur einer Tasche bepackt, das Weite, warfen sich in Kanus, die beinahe untergingen und von ihrer Angst geschüttelt wurden. Mit weitaufgerissenen Augen flehten sie den Kanubesitzer an, schneller zu paddeln.

Moiwa fragte seine Freundin Kadie lediglich, wie sie ihren Geist ins Dorf zurückgeführt, welchen Weg sie genommen habe.

»Die, die vor dir sitzt, hat an dem Tag, an dem sie geboren wurde, mit ihren Füßen die Erde hier berührt. Und sie ist den Weg gegangen, der ihr ins Herz eingeschrieben ist.« Wärmesuchend rieb sie die Hände aneinander.

»Das hätte ich eigentlich wissen müssen, meine liebe Kadie.« Sie hatte sich überhaupt nicht verändert, benutzte die Straße nur, wenn es keine Wege gab. Sie glaubte an das Wissen ihrer Ahnen, die diese Wege gezogen hatten und das Land besser kannten als diese Ausländer, die einfach in ihre Maschinen stiegen und Straßen in die Erde gruben, ohne einen Gedanken an das Land zu verschwenden, wo es atmet, wo es schläft, wo es wacht, wo es Geister beherbergt, wo es nach Sonne verlangt oder dem Schatten eines Baumes. Beide lachten, wussten sie doch, dass die alten Wege teilweise noch existierten, mochten sie auch gefährdet sein. Als das Lachen verebbte, wurden einige Worte gewechselt, vieles blieb ungesagt, aufgehoben für den nächsten Tag, der in den übernächsten und den überübernächsten überging. Manches blieb besser unausgesprochen, solange Händeschütteln und Umarmungen Gefühle ausdrücken konnten – bis die Stimme Kraft fand, den Mund zu verlassen und das unter dem Mantel der Erinnerung Verborgene ans Tageslicht zu holen.

Wochenlang wurde von Mama Kadie und Pa Moiwa, wie sie von den Jüngeren respektvoll genannt worden waren, eingesammelt, was auf dem Antlitz der Erde nichts verloren hatte. Es ließ sich nicht sagen, welche Knochen zu Bekannten und Verwandten gehörten. In manchen Häusern fanden sich mehr Knochen, als Menschen darin gelebt hatten. Im ganzen Dorf und in den Sträuchern der Umgebung waren Knochen verstreut, wie in so vielen Städten und Dörfern, durch die sie gekommen waren. Manche Orte waren niedergebrannt, andere zu Wäldern geworden, in denen Bäume in den Häusern wuchsen. Sie trafen eine Entscheidung und stapelten die Knochen beim Friedhof, bis das ganze Dorf, wenn genügend Bewohner zurückgekehrt waren, beschließen würde, was damit geschehen sollte. Nie weinten sie, unterhielten sich fast ausschließlich beim Ausruhen und dann auch nur über Allgemeines, über die Vergangenheit, ehe sich das Land verändert hatte.

»Hoffentlich erwachen auch die anderen Orte bald wieder zum Leben. Ich gehe so gern um die Mittagszeit über den Weg in ein anderes Dorf, eine andere Stadt, setze mich mit den Ältesten dort zusammen.« Pa Moiwa inspizierte die vier Wege, die in das Dorf hinein und hinaus führten.

»Genau wie früher. Meinst du, unser Leben kann wieder aus diesen einfachen Freuden bestehen?«, fragte Mama Kadie. Sie wollte keine Antwort und ihr Freund gab auch keine. Beide schwiegen, jeder dachte an den Tag, an dem ihr Leben in eine Richtung gelenkt worden war, aus der es bisher kein Zurück gegeben hatte.

Imperi wurde an einem Freitagnachmittag angegriffen, alle waren vom Markt, von den Farmen, aus der Schule zurückkehrt, ruhten sich zu Hause aus und beteten. Es war die Tageszeit, wenn die Sonne zum Stillstand kommt und ihre leuchtenden Muskeln so kräftig spielen lässt, dass die Hitze selbst für die unerträglich wird, die an die Trockenzeit gewöhnt sind. Die Menschen saßen auf der Veranda oder im Schatten des Mangobaums hinten im Hof, tranken heißen Tee oder etwas Kaltes, führten Gespräche im Flüsterton, als müssten sich selbst ihre Stimmen ausruhen. Die aufgeregten Kinderstimmen brauchten jedoch keine Ruhepause. Immer wieder kehrten die Jungen und Mädchen vom Fluss, wo sie schwammen und spielten, einander hinterherrannten, ins Dorf zurück; im Ufergras lagen verstreut die Schuluniformen.

Im Dorf gab es eine Grund-, in der Umgebung zwei weiterführende Schulen. Zwar fehlte es an Lehrmaterial, dafür gab es reichlich Bänke und Pulte. Die Gebäude waren solide, wenn auch ohne Türen, Fenster oder Dächer. Wo sich diese »Ornamente«, wie der Lehrer sie nannte, hätten befinden sollen, gab es Öffnungen. »Wer braucht schon Dächer, Türen oder Fenster, wenn den ganzen Tag über der Wind durch das Klassenzimmer wehen muss, weil sonst die Hitze eine ganz andere Lehrstunde gibt, als die, die man für seine Schüler vorbereitet hat«, pflegte der Lehrer zu witzeln.

Die Lehrer waren aufgeweckt und die Schüler in ihren bunten Uniformen noch aufgeweckter, so begierig aufs Lernen, dass sie auf der bloßen Erde unter Mangobäumen oder in der heißen Sonne saßen und begeistert den Lehrstoff aufsagten.

Imperis Bewohner hatten von dem Hunderte Meilen entfernt tobenden Krieg gehört, aber nie geglaubt, dass er Einfluss auf ihr Leben haben, geschweige denn es schwer beeinträchtigen würde. Aber an diesem Nachmittag kam der Krieg.

Er nahm seinen Auftakt in Imperi in Form einiger Panzerfäuste, die auf dem Grundstück des Dorfoberhaupts explodierten, sämtliche Mauern niederrissen und viele Menschen töteten, deren Fleisch durch die Explosionen verschmorte. Es folgten Schüsse, Schreie und Klagerufe, als Menschen vor den Augen ihrer Kinder, Mütter, Väter, Großeltern niedergemäht wurden. Es war eine jener Operationen, die von den Soldaten »Keine Überlebenden« genannt wurden – sie würden alles töten, was sich regte. Wer einer derartigen Operation entkam, hatte großes Glück, denn die Soldaten schossen bei ihren Überfällen wahllos in der Gegend herum.

Imperi stürzte ins Chaos und einige Menschen, vor allem Hochbetagte und Kinder, wurden zertrampelt. Im Vorbeigehen erschossen die Soldaten, hauptsächlich Kinder und ein größerer Männertrupp, diejenigen, die noch nicht tot waren. Sie lachten über die Zivilisten, die ihnen durch ihre Panik die Gefechtsoperation leichter machten.

Mamie Kadie hatte gesehen, wie Kugeln ihre beiden ältesten Söhne und drei Töchter zerfetzten. Mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen schlugen sie auf dem Boden auf. Blut strömte aus ihren Wunden und zum Schluss bedeckte roter Speichel ihre Zähne, während das Leben aus ihnen wich. Alles war so blitzschnell geschehen und sie rannte zu ihnen, warum genau, wusste sie nicht, aber das Mutterherz war ihr zersprungen und das war das Einzige, was sie noch tun konnte. Um ihr eigenes Leben hatte sie keine Angst. Doch jemand ergriff von hinten ihren Arm und zog sie aus dem Kugelhagel, fort von dem offenen Platz zu den Büschen, wo sie wieder zu sich kam und ihr Überlebenswille erwachte. Unter solchen Umständen muss man nicht nur den Schmerz ignorieren, sondern manchmal selbst den Mutterinstinkt und zwar augenblicklich.

Sie dachte an ihre Enkel. Was, wenn sie dort unten am Fluss noch lebten? Auch wenn, seit die Schüsse eingesetzt hatten, der Wind die Stimmen der Kinder nicht mehr ins Dorf trug, wollte sie trotzdem zum Fluss, doch aus dieser Richtung drang lautes Gewehrfeuer. So drehte sie sich um und warf einen letzten Blick auf ihr Heim, ehe sie so schnell ihr Alter es erlaubte, während die Kugeln pfiffen und in Menschen einschlugen, aus Imperi floh.

Mit einem vorgetäuschten Hustenanfall riss Pa Moiwa Kadie aus ihren Gedanken. Ihr Gesicht, insbesondere ihre eingefallenen Wangen, hatte verraten, dass sie von dunklen Erinnerungen verschlungen wurde.

»Ich war zu diesem Zeitpunkt in der Moschee«, sagte er, »und sprang von meinem Gebetsteppich auf. Wahrscheinlich verstand Gott, denn er ließ mich den Tag überleben.« Mit einem Stecken malte er Linien auf den Boden, lenkte sich ab, damit ihn die Erinnerung an diesen Tag nicht völlig überwältigte. Das Gespräch über diesen Teil der Vergangenheit würden sie noch eine Weile aufschieben müssen. Ihre Gedanken schlugen unterschiedliche Wege ein. Pa Moiwa dachte an das Feuer, das an diesem Nachmittag sein Haus niedergebrannt hatte. Seine Frau war nach kurzer Krankheit auf dem Weg der Besserung gewesen, hatte, umsorgt von der zwanzig Jahre alten Enkelin, im Bett gelegen. Als er die beiden aus dem Haus rennen und mit sämtlicher noch verbliebenen Kraft die Flammen auf ihren Körpern ausschlagen sah, hatte er geglaubt, sie würden überleben. Doch sie waren von zwei Kindern, einem Jungen und einem Mädchen, niedergeknallt worden, die anschließend lachend auf andere Menschen zielten. Er musste verschwinden, ehe die Kinder ihn entdeckten.

»Also.« Mama Kadies Stimme rang nach Kraft.

»Manchmal hat die Spinne keine Netze mehr in sich und daher wartet sie im bereits gesponnenen.« Mit diesem alten Sprichwort versicherte Pa Moiwa seiner Freundin, dass sie irgendwann andere Worte finden und vielleicht an etwas anderes denken können würde, als an die grauenvolle Vergangenheit. Immer noch hielten sie an früher fest, an Altem, an einer Welt, die es nicht mehr gab, auch wenn gelegentlich Bruchstücke davon funktionierten. Mama Kadie gewann ihre Stimme wieder.

»Also, schließlich landete ich auf einer kleinen Insel in der Nähe von Bonthe. Ein Fischerdorf, in dem es nur Fischer, deren Familien und Hütten gab, die vom Wind jeden Abend in die Luft geworfen und wieder abgesetzt wurden, als suchte er nach etwas. « Sie lehnte sich an den Guavenbaum, unter dem sie saßen.

»Ich streifte jahrelang einfach umher, legte mich dort hin, wo mich die Nacht überraschte«, sagte Pa Moiwa. »Oftmals geriet mir mein Alter zum Segen, in jenen Tagen, als jeder sich wünschte, die Jugend läge hinter ihm.« Eine Zeitlang schwieg er und Mama Kadie stellte keine Fragen. Er dachte wieder an den Krieg, namentlich an die vielen Male, die er dem Tod entronnen war. Daran, dass die Soldaten beschlossen, lieber Jagd auf die Jungen zu machen. »Der ist so alt, da verschwenden wir keine Munition drauf. Der kommt eh nicht weit. Wenn wir zurückkommen, fangen wir ihn und nehmen das Messer.« Schießend hetzte ein Trupp Jungen, die seine Enkel hätten sein können, den Flinkeren nach.

Als Pa Moiwa weitersprach, erwähnte er nicht, was ihm damals durch den Sinn gegangen war. »Die Knochen und Muskeln meiner Füße ermüdeten nie, im Gegenteil, sie waren geradezu rastlos. Erst wenn ich meinen Fuß hierhin setzte –«, er legte die Hände auf den Boden und fuhr mit geschlossenen Augen einige Sekunden darüber. »Erst da wurden meine Füße und mein Geist müde.« Er verstummte, ließ den durchziehenden Wind sprechen.

Ihre Gelassenheit verloren sie nur, wenn sie auf Kinderknochen stießen, vor allem, wenn an einer Stelle sehr viele waren, dann zeigte sich auf ihren Gesichtern, was in ihnen vorging. Beide hatten mehrere Enkel, Mama Kadie fünf, Pa Moiwa kam auf sechs. Manchmal betrachtete Mama Kadie einen Knochenhügel so genau, bis ihre Augen tränten. Hoffentlich würde ihr etwas an den Knochen vertraut vorkommen, ihr verraten, dass es sich um eines ihrer Enkelkinder handelte. Nach so langer Trennung, nicht wissend, ob sie noch am Leben waren, wäre es manchmal einfacher gewesen, sie zu begraben; das Nichtwissen war quälend und nahm kein Ende.

»Das ist bestimmt ein Mädchen«, sagte sie leise vor sich hin, während sie einen Hüftknochen untersuchte. »Und diese da gehören zu zwei Jungen.« Drei ihrer Enkel hingen immer zusammen, so dass sie sich wünschte, dies wären ihre Knochen. »Wenn nur die Kleider nicht verrottet wären.«

Oft legte Pa Moiwa seine Hände fest um die kleinen Knochen, wartete, ob er die Stimme eines seiner Enkelkinder hörte, ob ihn etwas an eines von ihnen erinnerte, aber nichts geschah. Lediglich die Gesichter der Kinder und der Klang der Schulglocke am Morgen des Angriffstages erfüllten seine Gedanken. Er war davon überzeugt, dass die Knochen zu ihm sprachen, wenn auch nur allgemein. Er pflegte seine Enkel jeden Morgen zur Schule zu bringen, grüßte auf dem Weg bei jedem Haus. Die Erinnerung schmerzte sein ganzes Sein und er seufzte.

Seit beinahe einem Monat waren die beiden Alten wieder da und es war ihnen gelungen, das Dorf halbwegs aufzuräumen. Jeden Morgen stand Pa Moiwa vor Mama Kadie auf und ging in den Busch nach den Fallen sehen, die er am Abend aufgestellt hatte. Jedes Mal, wenn er in einen anderen Teil des Waldes ging, stieß er auf weitere Gebeine, die er unter Gestrüpp versteckte oder vergrub, damit sie nicht von Tieren gefunden wurden. Er kehrte mit dem Fang zurück, einem Stachelschwein oder einem Perlhuhn etwa, zerlegte das Tier und Mama Kadie bereitete es zu. Von den Schädeln und abgehackten Händen, die er gesehen hatte, und dass er die, an denen noch Fleisch hing, nach den Leberflecken seiner Kinder und Enkelkinder untersuchte, erzählte er nichts.

Mama Kadie streifte durch die ehemaligen Farmen, suchte auf den verwilderten Feldern nach Kartoffeln, Manioks, irgendetwas Essbarem, das sie mit dem Fleisch zusammen kochen konnte. In den Farmhäusern sah sie auch Skelette hängen, die Knochen von Kugeln und Macheten beschädigt, nahm sie so weit es ihr möglich war, herunter und suchte eine Ruhestatt für sie. Pa Moiwa gegenüber erwähnte sie nichts. Tagsüber kümmerten sie sich umeinander, aber abends ging jeder in die Trümmer seines eigenen Hauses. Beide hatten eine Schlafecke gefunden, auf der einen Seite von einer Mauer geschützt, von der anderen durch Stöcke und Stroh. Auf den auf dem Boden ausgebreiteten Matten rangen sie um Schlaf. Die zerfetzten Decken wärmten nicht. Aber sie waren zu Hause, wussten genau, durch welchen Baum die ersten Sonnenstrahlen blinzeln würden, die tägliche Aufforderung an Gott, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Dafür mussten sie in ihrer Heimat sein – wenn überhaupt, war Gott nur auf dem eigenen Land zu hören.

Eines Morgens, ein Monat war vergangen, während beide auf der Suche nach Essbarem waren, traf ein weiterer Ältester im Dorf ein. Auch er war über den Weg gekommen, hatte die Fußspuren entdeckt, wusste nicht, ob sie vom Feind stammten und wartete daher im Buschwerk versteckt. Zwar war der Krieg vorbei, doch der Freundlichkeit eines stillen Dorfes misstraute er weiterhin.

Er war aus der Hauptstadt gekommen, wo er schließlich gelandet war, nachdem er in sämtlichen Flüchtlingslagern nach seiner Familie gesucht hatte. In jedem dieser Lager hatte er sich als Flüchtling registrieren müssen, so dass seine Taschen voller Ausweise steckten. Der Dreck und die Enge des Lagers deprimierten ihn so, dass er mit der Herstellung traditioneller Körbe anfing, für deren Erlös er sich im Westteil der Stadt eine Einzimmerwohnung mieten konnte. Seinen Nachbarn tat er leid, daher versorgten sie ihn täglich mit Essen und ihre Kinder hatten einen Narren an ihm gefressen, was jedoch sein Herz schmerzte, denn dadurch wurde er beständig an seine eigenen Enkel erinnert. Trotzdem brachte er die Kinder gelegentlich zur Schule. Die Kinder dachten, er mache das zu seinem Vergnügen, aber in Wahrheit suchte er seinen Sohn Bockarie, der Lehrer war. Wo immer er war, klapperte er alle Schulen ab, hielt Ausschau nach den Lehrern. Nirgendwo konnte er seinen Sohn entdecken. Wenn ihm das Glück auf der Suche nach seiner Familie überhaupt hold sein sollte, musste er wohl nach Hause zurückkehren. Daher schmiedete er, gleich nachdem das Kriegsende verkündet worden war, Pläne zur Heimkehr nach Imperi.

Als er sich seinem Dorf näherte, kamen die Erinnerungen an den Tag seiner Flucht, den Tag der Operation »Keine Überlebenden«. Er war in der Moschee gewesen, als die Killer eindrangen und auf jeden schossen. Er stürzte und über ihm türmten sich die Leichen auf. Die Soldaten feuerten mehrmals auf die Leichname, damit diese auch ganz bestimmt tot waren. Er hielt die Luft an, wusste später nicht, wie er alles überstanden hatte. Nachdem sie gegangen waren, wartete er, hörte die Schmerzschreie der Männer, Jungen, Mädchen und Frauen, die draußen gefoltert und anschließend erschossen wurden. Die meisten Stimmen kannte er und irgendwann verschlossen sich seine Ohren von selbst. Er blieb unter den Leichen liegen, bis spätabends die Operation beendet war, kein Lebewesen mehr zu hören war, nicht einmal das Gackern eines Huhns. Er wühlte sich heraus und sah die von Kugeln durchlöcherten Leichen, denen teilweise die Gliedmaßen abgehackt worden waren. Er rannte davon, bedeckt mit dem Blut und den Exkrementen der Menschen, unter denen er begraben gewesen war. Tagelang konnte er weder fühlen noch riechen. Er rannte einfach immer weiter, bis ihn seine Nase daran erinnerte, was an ihm klebte. Da machte er sich auf die Suche nach einem Fluss und säuberte sich. Aber das Wasser konnte den Geruch, die Geräusche und das Gefühl jenes Tages nicht abwaschen.

Als die Sonne die kalten Knochen des Morgens wärmte, kehrten Mama Kadie und Pa Moiwa ins Dorf zurück. Beiden fielen die fremden Fußspuren auf und sie waren beunruhigt. Während sie sich im Flüsterton unterhielten, wie sie weiter vorgehen sollten, drang aus einem Gebüsch eine Stimme: »Die Spuren, die ihr seht, gehören eurem Freund Kainesi, der euch aus den Kaffeebäumen hinter euch begrüßt.«

Mittlerweile war das Wiedersehen mit alten Freunden nichts Unbeschwertes mehr. »Ich zeige mich euch jetzt.« Er schob seinen dünnen Körper unter dem Gebüsch hervor, dessen Blätter Wassertropfen auf sein Gesicht tupften. Auf seiner blauen Kappe, wie sie die jungen Männer in der Stadt trugen, standen die Buchstaben NY. Er hatte sie irgendwo aufgelesen, um seinen Kopf vor der unerbittlichen Sonne zu schützen und weil es die Initialen seines Familiennamens waren, Nyama Yagoi. Er nahm die Mütze ab, enthüllte die Narben im faltigen Gesicht und am Kopf. Ein Junge hatte ihm mit einem Bajonett das Gesicht zerschlitzt und mit einer stumpfen Machete den Kopf zu öffnen versucht, denn er übe sich als »Gehirnchirurg«.

Zuerst wollten Mama Kadie und Pa Moiwa ihren Freund nicht ansehen, fanden aber im Gesicht des anderen den Mut dazu. Sie umarmten ihn, nahmen ihn so fest in ihre Mitte, bis er lachte und die Narben auf seinen Wangen breiter wurden, einem zweiten Grinsen ähnelten.

»Sieh an, dieser Wahnsinn hat dir ein Zweitlächeln eingebracht!«, lautete Pa Moiwas Kommentar und sie reichten einander die Hand; die alten, warmen Finger hielten einander eine Weile umfasst, während sich die beiden Männer tief in die Augen blickten.

Wie steht es um deine Gesundheit, die deiner Kinder und Enkel, die deiner Frau?, wollte Mama Kadie fragen, so wie man sich früher einmal begrüßt hätte, biss sich aber auf die Zunge. Dieser Tage musste man vorsichtig sein, man konnte leicht den Schmerz des anderen wecken. Sie legte ihren Freunden die Hand auf die Schulter, nahm sanft beiden die durch all die Ereignisse hervorgerufene Benommenheit. Wir sind hier, sind am Leben und müssen weiterleben, dachte sie.

»Jetzt habe ich zwei Männer, die mich umsorgen. Zwei alte Freunde, deren Kraft zusammengenommen die eines jungen Mannes sein könnte.« Alle lachten.

»In uns ist immer noch Lachen, meine Freunde, und hoffentlich kommen einige, mit denen wir es früher so innig geteilt haben, zu uns zurück. Wir werden warten«, sagte Pa Kainesi.

Und die drei alten Freunde gingen in die Trümmer ihres Dorfes, die Brise war etwas lebhafter, weckte die Bäume aus ihrem Schlummer und formte einen kleinen Staubwirbelwind, als wollte sie die Luft für neues Leben reinigen.

2

Sieben lange Jahre waren die Menschen nicht mehr in Imperi gewesen. In dieser Zeit zogen sich, während sie ruhelos aufs Weiterleben warteten, die Tage endlos hin. Da sie miterlebt hatten, wie brutal das Kriegsfeuer über ihr Dorf hinweggefegt war, dauerte es über ein Jahr oder auch länger, bis sie an Heimkehr dachten – nicht, dass sie nicht zurückgewollt hätten. Doch hatte sie der Krieg gelehrt, nichts und niemandem Glauben zu schenken, nicht dem Radio, nicht den Gerüchten und wenn man in der Hauptstadt lebte, auch nicht den Zeitungen. Sie hatten am eigenen Leib erfahren, dass der Wahnsinn nicht sofort ein Ende fand, nur weil jemand ein Friedensabkommen unterzeichnete oder eine sinnlose Zeremonie diejenigen ehrte, die weit entfernt vom tatsächlichen Geschehen verkündeten, sie hätten dieses gerade mit ihrer Unterschrift beendet. Bis die Kämpfer im tiefsten Landesinneren davon erfahren würden, dauerte es Monate, bis sie es glaubten, noch länger. Die Rückkehrer stammten aus Flüchtlingslagern am Stadtrand und aus den Nachbarländern, wo sie all die Jahre in Häusern aus Zeltplanen auf die Heimreise gewartet hatten oder darauf, anderswo ein neues Leben anzufangen. Das Warten hatte kein Verfallsdatum, das Leben schien angehalten. Nirgendwo gab es Sicherheit, nichts war beständig, alles war ein Provisorium und hielt doch jahrelang an, niemand wollte einräumen, dass es zum Dauerzustand werden könnte.

»Wir warten die ganze Zeit darauf, dass der fast zehnjährige vorübergehende Krieg endet«, hieß es in einem Gassenhauer. Manche konnten nicht am selben Ort warten, zogen herum, wurden schnell zum Opfer der Polizeigewalt oder von Arbeitgebern, Verwandten und Freunden misshandelt, von denen sie im Gegenzug für ihre Arbeit ein Dach über dem Kopf und ein mageres Entgelt bekamen. Leicht war es für niemanden gewesen. Kinder, die gegen Kriegsende auf die Welt kamen, verstanden das alles nicht; als sich ihre ersten Erinnerungen formten, schwiegen die Gewehre. Und niemand wollte ihnen erklären, was geschehen war – weil sie sich nicht daran erinnern wollten, nicht die richtigen Worte fanden. Doch es gab auch Kinder, die nur den Krieg kannten, da sie mitten in ihn hinein geboren worden waren. All diese Menschen kehrten nach Imperi zurück.

Als die Nacht einen Tag gebar, der strahlender war, als die vorangegangenen, trafen sie nach und nach in Grüppchen ein. Mama Kadie, Pa Moiwa und Pa Kainesi waren früher als gewöhnlich aufgewacht, ehe noch der einzige Hahn mit seinem Schrei den neuen Tag verkündet hatte. Sie gönnten sich eine Ruhepause von der täglichen Arbeit, saßen auf den Baumstämmen am Rand des Dorfkerns und beobachteten die Straße, forderten Zögernde zur Heimkehr auf. An diesem Morgen spuckte die Straße Menschen aus, Menschen, die beständig auf Wanderschaft waren, die aus Flüchtlingslagern kamen, aus Städten, Dörfern, zum Heim gewordenen Verstecken tief im Wald und vielen anderen Orten, an denen ihr Aufenthalt mittlerweile unerwünscht war und sie das Längerwerden ihrer Schatten nicht mehr sehen konnten.

Zuerst kamen ungefähr zehn Menschen, die kleine Bündel aus Tuch oder Leinwand trugen. Neben ihnen gingen ihre Kinder, sechs an der Zahl, keines älter als zehn. Seit zwei Tagen waren sie unterwegs, die ersten fünf Stunden mit einem Personentransporter, den Rest der Strecke waren sie zu Fuß gegangen. Bis Imperi konnte man noch nicht fahren. Beim Betreten des Dorfes verlangsamten sich ihre Schritte, während ihre Blicke vorauseilten, die Einschusslöcher in den Mauern betrachteten, die dunklen Stellen, an denen das Feuer mit seiner roten Zunge geleckt hatte, das Gras, das in den Trümmern der Häuser wuchs. Der Blick auf die Kinder verlieh ihnen Kraft und sie wagten sich ins Innere ihres Dorfes. Zögern sprach aus jedem ihrer Körperteile, der Art, wie sie die Arme eng am Körper hielten, sich auf die Lippen bissen, heftig blinzelten. Je weiter sie sich vorwagten, desto entspannter wurden sie und eines der Kinder, ein Mädchen, in dessen Gesicht deutlich eine andere Geschichte stand, die man ihr über diesen Ort erzählte hatte, fragte seine Mutter: »Wo bist du immer gesessen und hast den Geschichten zugehört und findet das heute Abend auch statt? «

Lächelnd sah die Mutter auf ihr Kind hinab, legte dem kleinen Mädchen die Hand auf die Wange. Sie gab keine Antwort, aber allmählich bewegten sich ihre Arme wieder in ihrem natürlichen Rhythmus, ihr Körper, ihr Schritt wurden entspannter, vermittelten dem Mädchen, das ihre Wange in die Hand der Mutter schmiegte, Zuversicht. Andere trugen Plastiktüten, die ihnen der Wind beinahe aus der Hand riss, wobei er enthüllte, dass sie fast leer waren. Da sie kein Geld für den Transport hatten, waren sie den ganzen Weg gelaufen – drei Tagesreisen für diejenigen, die gut zu Fuß waren. Sie kamen immer mindestens zu zweit. Niemand sagte viel, nicht einmal, wenn sie einander von früher kannten. Nur in ihren Augen lag Wiedererkennen, gemischt mit Furcht, die ihre Zungen am Reden hinderte.

Die meisten kehrten mit leeren Händen zurück. Manche kamen mit Familie und Kindern, die sie anderswo zur Welt gebracht hatten. Andere Mütter kamen allein und starrten bang jedem Kind, jedem Halbwüchsigen auf der Suche nach ihrem eigenen Kind ins Gesicht. Manchmal rannten sie einem Kind hinterher und wenn es sich umdrehte, sank die Mutter schwerfällig und verzweifelt zu Boden. Die meisten hatten sieben Jahre lang gesucht und dies war ihre letzte Chance, ihr Herz von dieser Bürde zu befreien.

Viele Kinder und Jugendliche kamen allein, ohne Eltern. Anfänglich kamen sie einzeln, dann zu zweit, gefolgt von mehrköpfigen Gruppen. Sie hatten in verschiedenen Waisenhäusern und bei Familien gelebt, die eine Adoption wagen wollten. Manche waren sogar in Einrichtungen gewesen, wo sie wieder zu »normalen Kindern« werden sollten, ein Ausdruck, den sie verabscheuten, also waren sie abgehauen und hatten auf der Straße gelebt. Sie waren weise über ihr Alter hinaus; am Kampfgeist in ihren Augen konnte man ablesen, dass sie täglich so viel Elend erlebt hatten, dass jeder dieser Tage wie drei oder mehr Jahre zählte. Man musste schon genau hinsehen, um Spuren von Kindlichkeit zu entdecken. Sie wussten, aus welchem Ort ihre Eltern stammten und kehrten daher in der Hoffnung zurück, sie könnten ihre Qual lindern oder möglicherweise wieder mit ihrer Familie vereint werden. Sie hatten einen längeren Marsch hinter sich als alle anderen Heimkehrer. Unter ihnen befand sich ein kaum sechzehnjähriges Mädchen, das einen ungefähr zwei Jahre alten Jungen auf dem Rücken trug. Sie war groß für ihr Alter, das Gesicht länglich, die Augen schmal. Mit zusammengepressten Lippen, als kostete jeder Schritt Kraft, schleppte sie sich voran. Ihre Brüste verrieten, dass der Junge ihr Kind war. In ihrem Blick, vor allem wenn sie das Kind ansah, lagen innige Liebe und tiefer Hass zugleich. Mama Kadie stand auf und begrüßte sie, die Tochter ihres Nachbarn, dessen Körper nicht mehr auf dieser Erde weilte.

»Mahawa, willkommen daheim, mein Kind. Es freut mich, dass du dich an den Weg hierher erinnert hast. Darf ich mein Enkelkind auf den Arm nehmen?« Zögernd nahm Mahawa den Kleinen vom Rücken und übergab ihn der alten Frau, während sie ihr Gedächtnis durchforstete, ob diese ihr bekannt vorkommen müsste.

Sie muss mich von früher kennen, sie hat mich mit dem Namen angesprochen, den ich schon lange abgelegt habe, sagte ihre innere Stimme, als sie der Frau in die Augen sah, die von dem Kleinen sofort hingerissen war. Sie stupste mit der Nase gegen den Bauch des Kindes, das losprustete. Sie fragte nicht, wer der Vater war. Mahawa hatte befürchtet, sie müsse Erklärungen abgeben, wie das Kind entstanden war, etwas, woran sie sich nicht erinnern wollte, noch nicht, vielleicht nie. Die Leute sollten ihre eigenen Schlüsse ziehen und sie in Ruhe lassen.

»Du kannst bei mir wohnen und wir könnten einander helfen. Ich brauche eine Tochter und die Götter haben dich gerade rechtzeitig zurückgeschickt. Geh mit ihm dort hin.« Mama Kadie zeigte auf ein Haus. »Esst euch satt an dem, was in den Töpfen ist. Es reicht, wenn du dich später richtig vorstellst.« Die Ältesten schwiegen, ahnten die Qualen, die das Kind tragende Kind erlitten hatte. Das Schweigen dauerte jedoch nur kurz, denn es trafen weitere Jugendliche ein, darunter eine Vierergruppe, drei Jungen und ein Mädchen. Drei von ihnen trugen Kissenbezüge, die oben zugeschnürt waren, damit der Inhalt nicht herausfiel. Der Älteste, ein Achtzehnjähriger, führte die Gruppe an; die Art und Weise, wie er seinen muskulösen Körper aufrecht hielt, zeugte von Disziplin und Entschlossenheit. Seine Augen waren so scharf wie seine Wangenknochen ausgeprägt, sahen alles. So hart und dunkel war sein Gesicht, dass man wusste, es war jahrelang kein Schmunzeln, geschweige denn ein Lächeln darüber geflogen. Anders als bei den anderen Ankömmlingen lag in seinem Blick, der abschätzend über das Dorf glitt, kein Zögern, sondern furchtloses Selbstvertrauen. Beinahe im Laufschritt eilte er auf die Ältesten zu.

»Guten Tag, Pa, Pa und Ma. Mein Name ist Colonel.« Sein Handschlag war fest und er sah den Alten so fest in die Augen, dass sie ihren Blick abwenden mussten; normalerweise war es genau andersherum. Er deutete auf die anderen und nannte ihre Namen: Salimatu, das Mädchen, sechzehn Jahre alt und die Jungen, Amadu, gleichalt, und Victor, siebzehn. Sie sahen wie Kinder aus, verhielten sich aber wie Erwachsene; offenbar war die Gruppe schon geraume Zeit gemeinsam unterwegs. Bei dieser ersten Begegnung fragten die Ältesten Colonel nicht nach seinem richtigen Namen – den sie kannten. Würden sie ihn je danach fragen? Das würden die Umstände entscheiden.

»Das sind meine Geschwister. Unsere Eltern stammen von hier, also sind wir, wie ihr, heimgekehrt«, sagte Colonel an die Ältesten gewandt. Die Jugendlichen gaben jedem der Alten die rechte Hand und setzten sich ihnen gegenüber auf den Boden. Colonel blieb stehen, hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und nahm sie nur heraus, wenn er beim Sprechen gestikulierte.

»Wir ziehen in eines der niedergebrannten Häuser und bauen es wieder auf. Wir wissen, welches Amadus Vater gehörte. Falls Bedarf besteht, können wir das Dorf bewachen«, meinte Colonel und erwartete keine Antwort von den Ältesten. Er war groß, strahlte etwas Ungestümes aus. Selbst wenn er höflich um etwas bat, klang es wie ein Befehl, den man nicht ausschlagen konnte.

»Seid willkommen im Frieden«, antwortete Pa Moiwa. Colonel sagte nichts mehr, nickte den Ältesten aber zu und ging zu dem von ihm erwähnten Haus, das am Dorfrand stand. Amadu, Salimatu und Victor folgten ihm.

»Immerhin kommen die Überlebenden zurück, auch wenn manche die Kleider von Fremden tragen, zu denen sie geworden sind. Dieser Anführer der vier. Ich kenne ihn aus der Zeit, ehe dieser ganze Wahnsinn losbrach«, Pa Kainesi kratzte sich am Kopf, als wollte er seine Gedanken anregen.

»So lange er Colonel sein will, sollten wir ihm seinen Willen lassen. Er hat für die anderen drei die Verantwortung übernommen, das soll er weiterhin tun. Wir haben ein Auge darauf und bringen ihn, falls nötig, sanft auf den rechten Weg«, sagte Mama Kadie leise.