Das Manifest zur Abschaffung der Frau - Pamina Normal - E-Book

Das Manifest zur Abschaffung der Frau E-Book

Pamina Normal

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Beschreibung

Die rhetorische Modernisierung ersetzt die Kritik am Patriarchat und an Männerprivilegien mit jener an Heteronormativität und Cis-Rechten. Während die Terminologie für Männer erhalten bleibt, hat sich von Frauen in den FINTAs nur mehr ihr Anfangsbuchstabe erhalten. Im Dienste einer nominellen Inklusivität müssen ihre problematisierten Körper als Vorderlöcher, feminine Subjekte und Nichtbinäre der Geschlechtsneutralisierung zugeführt werden. An diesem Auslöschungsprozess nehmen Frauen teil, weil sie kein eigenes Begehren haben und süchtig nach Anerkennung sind. In ihrer Co-Abhängigkeit zum Kapitalismus bemuttern sie eine dysfunktionale Gesellschaft aus arbeitssüchtigen Alkoholikern und anderen emotional anorektischen Mehrfachsüchtigen. Ihre systemstabilisierende Verleugnung der endgültigen Lösung zuzuführen bedeutet, dass jede individuelle Genesung die kollektive Heilung des Systems bewirkt und sich die differenzsetzenden Suchtsphären des Öffentlichen und des Privaten zu einer spirituellen Sorgeanarchie vereinigen, in der Männer auch sexuelle Dienste an Frauen verrichten. Im Moment der Ernüchterung ist das Vorgehen einfach und zweierlei: die Aktivierung männlichen Zuständigkeitsempfindens durch Abschaffung der unentlohnten Hausarbeiterinnen und der Aufbau einer Bühne für die neuen Agenten des Wandels in lokalen Zentren der Sorge. Das Manifest zur Abschaffung der Frau ist eine parafeministische Anleitung zur Beseitigung der co-abhängigen Möglichmacherinnen des patriarchal-kapitalistischen Suchtsystems, zur Emanzipation des Mannes aus seiner reproduktiven Unterforderung und zur Kollektivierung der Sorgearbeit.

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Seitenzahl: 383

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Eine parafeministische Anleitung zur Beseitigung der co-abhängigen Möglichmacherinnen des patriarchalkapitalistischen Suchtsystems, zur Emanzipation des Mannes aus seiner reproduktiven Unterforderung und zur Kollektivierung der Sorgearbeit

INHALTSVERZEICHNIS:

Vorwort und Widmung

Teil 1: Suchtprozesse

1 Am Tiefpunkt

2 Differenziere und frustriere!

3 Wer hat Angst vorm Matriarchat?

4 Das kapitalistische Patriarchat als Suchtsystem

5 Machismus als Copingstrategie

6 Die medizinische Vergewaltigung der Weiblichkeit

7 Das Gleichheitstabu und die Suche nach Männlichkeit

8 Opfer und Täter

9 Im Exil der Kompartimentierung

10 Über das Phänomen des misogynen Feminismus

11 Väterkarenz statt Gender Empowerment

12 Die endgültige Lösung der Frauenfragen von A bis Z

Teil 2: Spirituelle Anarchien

1 Bordelle für Frauen

2 Die vorübergehende Überquotierung des Mannes in der Sorgearbeit

3 Für ein Ende der Geschlechterapartheid

4 Backlash der Doppelstandards im liberalen Pseudo-Feminismus

5 Klitorale Kompensationen in der feministischen Matrix

6 Die Priorisierung der Sorgearbeit und der Aufbau von Sorgezentren

7 Das Beispiel Sorgezentrum am Tegetthoffplatz

8 Arbeitssucht als Selbsttechnik der Regierung

9 Der weibliche Suchtkomplex als Gegenentwurf zur Opferbeschuldigung

10 Die Rehabilitation der Wut in der Triggerarbeit

11 Zur Gretchenfrage der Gebärpotenz

12 Prozessuale Care-Solidaritäten

Ad libitum: Das Patriarchat als evolutionäre Notwendigkeit

Appendix: Das Traktat zur Abschaffung der Frau

Glossar zum Verständnis der (queer)patriarchalen Erneuerungsbewegung

Quellenverzeichnis und Übersetzungen der Zitate

Bibliographie der nicht existenten Bücher und Danksagung

Die Autorin

Vorwort

Yet neither psychoanalysis nor sociology takes account of the oppression of women. Not taking it into account, they necessarily interpret it in there own terms – they integrate it as a given ...They thus have a precise ideological function: to make the oppression of women disappear from the results of their studies ... It is only from the point of view and life experience of women that their condition can be seen as oppression.

(Christine Delphy: »For a Material Feminism«, in Close to Home, 213-214, 218)

Die Wissenschaft der Sucht ist die der Laien und ihrer Erfahrungen aus erster Hand. Es geht darum, persönliche Angaben und Schlussfolgerungen zu würdigen und der Kraft von Selbstaussagen zu vertrauen. Weil ich als Süchtige dieses Thema innerhalb meines Verständnishorizonts behandeln muss, distanziere ich mich von jeder akademischen oder klinischen Perspektive und schätze meine direkte Betroffenheit.

Jede Forschung, die die soziale Problemlage der Frau nicht zu ihrem Ausgangspunkt erklärt, maskiert ihre Unterdrückung. Durch die Pluralisierung der Geschlechter wird die Frau zu einem Gender unter vielen und ihre besondere Ausbeutungssituation tritt aus dem Fokus des Interesses bzw. wird von den Anerkennungsbedürfnissen anderer Randgruppen absorbiert. Unter dem Prozess der Abschaffung der Frau verstehe ich nicht nur ihre sprachliche Defokussierung, sondern das fortschreitende Ausradieren ihrer unentlohnten Tätigkeiten und das Zerstreuungspotential einer Geschlechterideologie, deren Zielsetzungen – ob beabsichtigt oder nicht – den Kampf gegen das ursprüngliche Gewaltverhältnis der Geringschätzung von Frauenarbeit untergraben.

Ich verwende keine mehrgeschlechtlichen Personenbezeichnungen, weil sie Frauen an die letzte Stelle setzen und die weibliche Form zum Verschwinden bringen, sondern nutze das generische Maskulinum, das noch immer am besten dazu in der Lage ist, Geschlechtsneutralität auszudrücken und das am realistischsten den traurigen Stand der Geschlechtergleichstellung wiedergibt. Möchte ich meine Sehnsucht nach weiblichen Formen unterstreichen, nutze ich ohne Anspruch auf Einheitlichkeit das generische Femininum, das alle Geschlechter in sich aufnimmt. Geschlecht ist nicht nur eine reproduktive, sondern die zentrale strukturierende Kategorie, auf der das älteste und rigideste herrschaftliche Machtgefälle beruht: die Erfindung von »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« als patriarchal-kapitalistische Leistungsideale. In unserer von Geschlechterasymmetrien durchsetzten Zweiklassengesellschaft nehmen Frauen als Nichtmänner die minderbewertete Position ein. Sie sind diejenigen, die Männern dienen, weltweit das Gros an unbezahlter Arbeit verrichten und deren reproduktive Fähigkeit im Gegensatz zur Geburtsunfähigkeit der Männer eine grundlegende Binarität erzeugt.

Weil sich die Frau um ihre eigenen Belange kümmern darf und nicht in Beziehung zu anderen Marginalisierten treten muss, um die Legitimation für ihre Befreiungsbestrebungen zu erhalten, rede ich ausschließlich über die Frau oder Frauen und vermeide relativierende Bezeichnungen wie Frau mit Genderstern oder FINTA zur Entgegensetzung von Cismännern. Damit möchte ich nicht nur eine gewaltförmige Vereinnahmung oder Bevormundung von INTA+1-Personen und deren Anliegen vermeiden, sondern auch dem Umstand Rechnung tragen, dass sich patriarchalisierte Frauen und matriarchale Männer nicht in dieser Polarisierung unterbringen lassen. Wir verdanken es der Frauenbewegung, dass der Begriff der Frau politisch verortet und auf jede Frau ausgeweitet wurde, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Klasse, ihrem Personenstand oder der Beziehung zu einem Mann. In seiner gesellschaftskritischen Funktion lehnt der Feminismus notwendigerweise sämtliche Diskriminierungsformen ab. Es soll deswegen auf explizite Koalitionen und Grenzziehungen in der Wortwahl verzichtet werden, um Spaltungen, Frontenbildung oder Positionierungskonflikte zu vermeiden.

Zu guter Letzt schreibe ich ausschließlich über Frauen und Männer, weil sich Sorgeabhängigkeiten auf ein strukturelles Heteropatriarchat stützen, dessen Sucht-Dynamiken aus einer komplementären Geschlechterzurichtung resultieren. Natürlich könnte ich den Begriff der Frau auch ganz abschaffen und stattdessen von »Pomutts« für Potentielle Mütter sprechen und »Pononmutts« für die anderen, aber warum sollte ich das tun, solange die Frau als Frau diskriminiert wird, die manifeste Geschlechterhierarchie nicht anders benannt werden kann und ich möchte, dass sich möglichst viele Menschen mit Frauen identifizieren und mit ihren Lebensrealitäten solidarisieren.

Widmung

Ich widme dieses Manifest all jenen, die sich für eine egalitäre Gesellschaft einsetzen und eingesetzt haben und gegen die institutionalisierte Wissenschaft und andere patriarchale Zumutungen protestierten. Mein Dank gilt u. a. der marxistisch/materialistischen Frauenbewegung, den Ökofeministinnen, den Anarchistinnen, den Patriarchats- und Kapitalismuskritikern und nicht zuletzt den Matriarchatsforscherinnen, die nicht müde wurden zu erklären, dass matrifokale Gesellschaften keine Frauenherrschaft anstreben, sondern die herrschaftsfreie und spirituelle Alternative sind, nach der wir uns sehnen.

Warum sich trotz bester Bemühungen eine bemerkenswerte Reaktanz oder Abwehr in Bezug auf matriarchale Forschungsergebnisse hält und warum die Orientierung am männlichen Begehren als einzigem Modell Belohnung für Frauen verspricht, versuchen die folgenden Seiten zu klären.

Für uns feministische Bastarde, die nirgends dazugehören.

Die paritätische Männerbeteiligung in der Sorgearbeit ist die Grundlage allen sozialen Fortschritts.

1 Akronym für intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche, agender und andere

TEIL I

SUCHTPROZESSE

»An addiction is anything we feel tempted to lie about.« (Anne Wilson Schaef: When Society Becomes an Addict, 18)

1 Am Tiefpunkt ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Domination begins with the attempt to deny dependency. No one can truly extricate himself from dependency on others, from the need for recognition. Domination ist the consequence of refusing this condition. (Jessica Benjamin: »The Bonds of Love«, 52-53)

Die Agenden des Feminismus geistern durch die Welt. Sie wandern umher wie bulimische Zombies, die verdammt sind, zu dem von ihnen Erbrochenen zurückzukehren. Kadavergehorsam und Gefügigkeit dem Patriarchat gegenüber verdammen die Frauenfrage zum unterwürfigen Dahinvegetieren. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Frauen durch die neue Geschlechtsmachbarkeit verschwunden sind, sodass man sich auch nicht mehr pro forma um Missstände kümmern muss. Für Sufragetten gibt es keine Patrozinien, keine Heldendenkmäler für Feministinnen. Wann gedenkt man der als Hexen Verfolgten, der Vergewaltigten, der sexuell Versklavten? Sie wurden massakriert, misshandelt und vergessen. Mit jeder Modeerscheinung reproduzieren sich die Stereotype, die Menschen in den Tod treiben. Dafür wird Olympe de Gouges' messerscharfes Antlitz von Sklavinnen auf blütenweiß gebleichte Fabrikate gepresst. Wir können uns mit Styling- und Psychokniffen zu Tode empowern und mit rattenscharf feministischem Wording in die analytische Umnachtung katapultieren. Und während wir auf eine Umverteilung der unbezahlten Arbeit bis zum Sanktnimmerleinstag warten, füttert uns der marktförmige Feminismus mit hippem Merchandising und den Slogans der Superwoman, die uns mit ihren Fäusten in die Selbstausbeutung prügelt. Auch Frauengesundheitszentren verteilen Mode- und Wellnesstipps. Der Haushalt wird fremdprokrastiniert oder von genügsamen Dienstmädchen und anderem Gesinde erledigt. Beratungsstellen sind zu Orten verkommen, wo die Ausgebrannten mit Kuchen und Keksen ruhig gefüttert werden. Maßnahmen und Vorschläge zur Gleichstellung von Frauen werden von politischen Ränkespielen herabgewürdigt, Frauenrechtlerinnen von der Überheblichkeit des Establishments absorbiert. Das Gesundheitssystem verspottet die patriarchal-strukturelle Bedingtheit sogenannter Frauenleiden und generiert eine Defizitdiagnose nach der anderen. Während über die Bühne ein Schlagabtausch an queerer Sexyness paradiert und glamouröse Leistungsträgerinnen feministische Jubelschreie evozieren, warten die verstörenden Zahlen der Diskriminierung Backstage.

Das Potential heroischer Kämpferinnen aus glorreichen Tagen wurde mit leeren Heils- und Lösungsversprechen zunichte gemacht. Was hat die gesetzliche Egalisierung an der Geschlechtertrennung und an der Gewalt geändert? Uns wurde Gleichberechtigung über die Illusion der Gleichheit verkauft und der Klassenkampf mit der Konsumierbarkeit von Lifestyle-Plattitüden ersetzt. Je mehr Diversität bei den Geschlechtern, umso mehr verkaufbare Produkte, Identitätsbeweihräucherung und Innovations-Rhetorik. Der geschlechtsnegierende Genderismus, der das Geschlecht abschafft oder beliebig herstellbar macht, treibt die Gebärfähigkeit, den Schlüsselfaktor in der Verschiedenheit der Geschlechter, ad absurdum. Während sich Männer ihre Exklusivität bewahren dürfen, ordnet sich das weibliche Geschlecht in eine immer länger werdende Reihe mit anderen Minorisierten ein, die die neue Klasse der Nichtmänner bilden. Die neuen Invisibilisierungs- und Verstummungstechniken verschanzen sich in kryptischen Akronymen und praxisfernen Diskursen. Was als Schutzraum gedacht wird, treibt die Geschlechterapartheid auf die Spitze. Die angebliche Pluralisierung nährt die Unsagbarkeit der Dinge, an denen unser Zweiklassensystem tatsächlich krankt: an der Misogynie, am Phallozentrismus und an deren suchtartiger Verleugnung.

Als krönender Höhepunkt des Patriarchats wurde die Frauen- und Matriarchatsforschung beendet. Demnächst verschwinden Frauen auf dem Papier, weil man sie nur zu vermännlichen braucht, aber ihre plattgewalzten Rechte und ihre ausgeleierten Rümpfe tauchen wie Moorleichen aus der Versenkung auf und verströmen das eklige Miasma ihrer Armut. Für ihre vom Kapitalismus ausgeplünderten Körper interessiert sich in Zeiten der Männlichkeitskrise keiner mehr. Tablettengesteuerte, apathische Frauen dementieren Misogynie, weil sie zu feig sind, diese Gesellschaft zu ändern. Ihre opportunistischen Hirne rotieren zwischen marktförmigem Reframing und der richtigen Atemtechnik, mit der sich angeblich diese Welt retten lässt. Kollaborateurinnen des Systems katzbuckeln vor den Spielregeln des weißen Mannes und lassen sich als emanzipierte Frauen feiern. Die sexuell aktive und selbstbestimmte Frau ist der größte Beschiss des Jahrhunderts. Um Freuden zu genießen, muss man zur Prostituierten werden, die neusprachlich Sexarbeiter*in heißt, damit sich der dahinter verborgene exklusive Dienst am Mann neutralisiert, der nicht in das Märchen von der Gleichberechtigung passen will. Patriarchalisierte Frauen treten nach ihren Schwestern, weil man ihnen als Parvenüs des Systems den letzten Rest an Selbstbestimmung aus den Schädeln gedroschen hat. Sie widersetzen sich feministischen Tendenzen aus ihrer unbezwingbaren Furcht davor, selbst zum Opfer zu werden oder keine Bestätigung von Männern mehr zu erhalten, von denen sie emotional abhängig sind. Sozial isolierte Mütter erziehen ihre Kinder zu Männerhassern, weil die Männer sie mit ihren Kindern im Stich gelassen haben, so wie einst ihre physisch oder gefühlsmäßig abwesenden Väter, von denen sie nie Bestätigung erhielten. Alleinerziehende Mütter stemmen neben der Sorgearbeit auch den finanziellen Unterhalt ihrer Kinder, den entpflichtete Väter schulden. Mütter übernehmen das Gros an Arbeit und Verantwortung, aber Väterrechtler plündern ihre letzte Autonomie. Sie fürchten sich vor der Verweichlichung und Verweiblichung ihrer Söhne, als würden Abstiegsängste, Machtstreben und organisiertes Töten Errungenschaften sein, die sie ihnen lieber vererben als Fürsorge und Frieden.

Der Staat fördert die Gleichberechtigung nicht. Mit seinem Tokenismus füttert er dem Heile-Welt-Glauben zu. Er toleriert die Psychiatrisierung der Frau und ihre Verelendung und schert sich nicht um die Ausmaße der Gewalt. Er beschämt prekarisierte Männer, deren Arbeitsverhältnisse vollständige zeitliche Verfügbarkeit fordern, und verspottet ihre Väterpflichten. Er weigert sich, Sorgearbeit mit Ökonomie in Verbindung zu bringen, und behandelt die Auswüchse der ungerechten Machtverhältnisse als individuelle Anekdoten, als traurige Einzelschicksale. Ihre patriarchal-strukturelle Bedingtheit bleibt die ewige Randbemerkung, die kleingedruckte Fußnote, der schulterzuckende Seufzer. Während das wichtigste staatliche Kontrollmittel der entfremdeten Arbeit vielerorts erst geschaffen werden muss und wir vor der puritanischen Arbeitsmoral auf die Knie fallen und kriechen, wächst der Druck auf diejenigen, die wirklich notwendige Arbeiten verrichten. Die Kernfamilie, das private Heim, die unwirtschaftlichen Ökonomien der Einzelhaushalte sind Orte der Unterdrückung, in der sich isolierte Untertaninnen tagtäglich bis zum Wahnsinn abkämpfen für dieses viel zitierte ganze Dorf, das es für die Erziehung braucht, für unsere in Schutt und Asche gelegte Gemeinschaft, die sie sich nun aus ihren Fingern saugen dürfen. Und während jede Schule ihre Schülerinnen und deren Eltern mit Blackout-Formularen quält und Checklisten für den Fall eines Stromausfalles verteilt, erhält keine einzige Frau, kein einziges Mädchen in diesem Land einen Notfallplan oder ein sinnvolles Krisenmanagement bei sexueller Belästigung. Es gibt keine Freudenhäuser für Frauen, keine Männerlimits in Chefetagen, keine anbetungswürdigen Vulven, keine feministische Schulbildung – rein gar nichts! – Wo ist das Gespenst des Feminismus an 364 Tagen im Jahr?

Es heult in den Kehlen der Opfer. Es trieft aus ihren stummen Löchern. Tot und plattgewalzt liegt es auf den Straßen. Es wandelt durch die Flure und Korridore, durch die unheimliche Stille privater Idyllen, vom Bett in das Bad, vom Kasten in die Küche, vom Tablettenschrank auf die Yogamatte und unter das Messer des Chirurgen. Es raucht aus den Köpfen der Gefühlsamputierten. Es schreit aus den Tiefen der Verstörung. Es zuckt durch die Leiber der Erstarrten. Es lacht hysterisch und laut. Es versteckt sich zwischen den Zeilen, poltert in unseren Herzen und kriecht aus den Mündern, wenn es zu spät ist. Es flieht in juristische Konzepte, Konsens, Gleichheitsvorstellungen und autoritären Newspeak. Verwirrt, verletzt und gedemütigt verabschiedet es sich als postkoitale Dysphorie in den Segen der Asexualität. Es wurde durch ein Konvolut an Somatisierungen und nervösen Tics abgelöst und flüstert uns den Schrecken beginnenden Wahnsinns ins Ohr. Es steckt in unserer Hypervigilanz, in krankhaft erhöhter Wachsamkeit und in eingefrorenen Gesichtsausdrücken. Es ist müde geworden. Es ist eingemauert im abgestorbenen Gewebe der Dissoziierten und sexuell Traumatisierten, denen Gewalt nun endlich nichts mehr anhaben kann. Es ist einsam und allein.

Der Alltagssexismus und die patriarchale Rollendiktatur säen Zwietracht zwischen den Geschlechtern. Sie treiben einen Keil zwischen die einst tiefe Verbundenheit von Mann und Frau und hetzen sie gegeneinander auf. Das Patriarchat trennt Schwestern von ihren Brüdern, Mütter von ihren Söhnen und Väter von ihren Töchtern. Es wirkt am tödlichsten dort, wo wir Schutz suchen vor ihm: im intimen Bereich der Familien. In einer muttergeleiteten Gesellschaft oder matrifokalen Gruppe zentrieren sich die Menschen um die Amme und die Verletzlichkeit ihrer Körper, mit der sie mit anderen in Beziehung treten. Sie verweigern sich der Negation ihrer Betroffenheit und stellen sich gegen die Projektion von Souveränität. Sie kennen die Ausrichtung des Handelns nach Zielen und Zwecken nicht und widersetzen sich den Formen der Einhegung. Die anarchistische Form der sozialen Ordnung sucht die Balance zwischen den Geschlechtern und kennt das brutale Abschlachten von Menschen und Tieren nicht. In matrifokalen Kulturen hat die Produktion zwischenmenschlicher Beziehungen und die egalitäre Partizipation Vorrang vor der entfremdeten und wettbewerbsorientierten Produktion von Gütern und Dienstleistungen und der Professionalisierung sogenannter Experten.

Seit der Gleichschaltung der dritten feministischen Welle mit dem Queerfeminismus, der Fusionierung queeren Aktivismus mit den ungelösten Problemen der zweiten Welle, ist der Mainstream-Feminismus eine ständig das Thema wechselnde Lachnummer. Er nennt kein kohärentes Ziel abseits der Flexibilisierung privater Geschlechterrollen, geht Frauen mit Solidaritätsanrufungen und Privilegienvorwürfen auf die Eier und klebt dem chronischen Suchtverlauf seine Pflaster der Symbolpolitik auf die Wunden. Was hält uns davon ab, unsere okzidentale Rationalität der Melioration mit einem Prozess der Dekulturation zu bezwingen, staatliche Strukturen abzubauen und Geschlechterasymmetrien anzuprangern? Es ist allerhöchste Zeit, dass wir in der globalisierten destruktiven Phase des patriarchalen Kapitalismus einen Systemwandel durchführen, in dem wir den Wohlstand eines Landes nicht über die Wertschöpfung definieren, sondern darüber, wie erfolgreich der Abbau von Hierarchien zum Frieden und der Sanierung der Natur beiträgt. Das Patriarchat hat die Eigenmächtigkeit der Frau zertrümmert und ihre Leiblichkeit beschämt sowie es die Natur zerstört hat, um künstlich Knappheit zu erschaffen. Es hat die Natur pervertiert und uns ein Ersatzleben und eine Ersatzwelt diktiert. Sein Technikeinsatz stellt uns nach der Ausbeutung sämtlicher Ressourcen eine Ersatznatur in Aussicht, die uns als Triumph der Evolution serviert wird, als könnte et - was besser hergestellt werden, was nachweislich für immer zerstört wurde.

Menschen, denen der patriarchale Blick fehlt, lassen sich von haltlosen Optimierungslügen ködern und vom Glauben an den Fortschritt einlullen. Ihre deformierte Logik und ihre von tausenden Abhängigkeiten malträtierten Hirne haben sie zu Fixern gemacht, die nur mehr zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung fähig sind. Sie halten an der Überlegenheit ihrer Kultur fest, aus deren allen Sphären Missbrauch und Doppelmoral trieft. Unsere Gesellschaft ist eine Suchtgesellschaft, die unsere von Ängsten zerfressenen Seelen mit palliativen Mitteln besänftigt, aber keine kurative Hilfe leistet. Wie dem Esel die Karotte vorgehalten wird, werden Menschen durch die permanente Versorgung mit Konsumartikeln, legalen Drogen, Medikamenten, Therapien und dem Zufüttern von Prämien oder Hilfspaketen dazu abgerichtet, diese Pervertierung zu tolerieren. Sie werden mit trügerischen Hoffnungen veränderungsresistent gemacht und in ihr Verderben geführt. Menschen in diesem Suchtsystem leiden an verdrehtem Denken. Sie leben in einer Welt, in der alles verzerrt und übertrieben ist. Ihr durch leere Versprechen, technische Wundermittel, Almosen und zugeführte Dröhnungen beeinflusstes Verständnis kann nach einer gewissen Zeit Wahres vom Falschen nicht mehr unterscheiden. Ihnen erscheint ihr Mitläufertum, ihre Gefangenschaft und Zombifikation sogar als erstrebenswert. Es freut sie, wenn ihnen Spezialisten den Weg zur Selbstheilung versperren und sie dadurch keine Verantwortung übernehmen müssen. Sie lassen sich für ein paar läppische Wohlstandskrümel als willfährige Arbeitsmaschinen bevormunden, lenken und disziplinieren. Sie verwechseln Konsumismus mit Freiheit, ihre digitale Vermessung mit einem holistischen Naturkonzept und enden als Messies, als desolate Zwangshorter, als bedauerliche Persönlichkeiten, die sich lieber mit Müll als mit Menschen umgeben. Entweder ist es das Beschaffungsmanagement rund um Drogen, das sie verschlingt, oder die Strapazen der Armutsverwaltung. Getrieben von tausenden Formen von Angst, Selbsttäuschung und Selbstmitleid mimen sie die fleißigen Dauerbeschäftigten, die glücklichen Verbraucher und negieren ihre Fragilität, weil die Hölle der anderen ihren Seelenfrieden konstituiert, weil es ihnen für ihre Zufriedenheit reicht, wenn sie wissen, dass andere weniger besitzen als sie selbst.

Das patriarchale Wahn- und Gewaltprojekt hat aus sozialen und selbstsicheren Männern konkurrierende Neurotiker und aus mutigen Frauen, erfahrenen Hexen, spirituellen Kriegerinnen und nährenden Müttern individualisierte Sklavinnen gemacht. Wie so viele vegetieren sie in den Schattenwirtschaften und Ökonomien der privaten Haushalte dahin, zumeist recht- und schutzlos, als von Suizidgedanken malträtierte Jobwechsler in prekären Arbeitsverhältnissen oder als Quotenfrauen in machistischen, machtgeilen Kontexten, weil sie sich nach Jahrzehnten der Gehirn- und Gefühlswäsche so sehr an der geistesgestörten Fortschrittsperspektive des kapitalistischen Patriarchats verbissen haben, dass sie lieber mit diesem System in die Hölle fahren als für eine matrifokale Sorgegesellschaft auf die Barrikaden zu steigen.

2 Differenziere und frustriere! ––––––––––––––––––––––––––

[Sic erat sriptum:] Einem unreifen Geschöpf zu Hilfe zu eilen gehört zu den Charakteristika des weiblichen Genoms, egal ob die Frau einmal schwanger war oder nicht. Der innere Code des weiblichen Gehirns ist altruistisch – auf ein Gegenüber ausgerichtet, bereit, Hilflosen beizustehen. (Johannes Huber: »Wunderwerk Frau«, 23)

Was in unserer Gesellschaft als universell, rational oder objektiv gilt, wird von Gruppen definiert, die ihre Dominanz mit Unsichtbarkeit verschleiern. Sie kreieren ein Glaubenssystem, das die Verantwortung dafür auf Gruppen mit weniger Macht verlagert. Normalität ist eine von Herrschenden konstruierte Wirklichkeit, deren Wissen auf der Vernichtung und Unterdrückung anderer Perspektiven beruht. Wenn Forschende, deren soziale Markierungen sich nicht mit denen der führenden Gruppe decken, diese – oft unbewussten – Normvorstellungen stören, wird ihnen Subjektivität und Unwissenschaftlichkeit unterstellt. Eine kontextlose Betrachtung des Individuums ist genauso falsch wie die Annahme einer neutralen Perspektive ohne persönliche Erfahrungen. Durch Objektivität und Nichtteilnahme spalten wir uns von unserem inneren Informationssystem ab, was uns in einen eingeschränkten Zustand versetzt und reduktionistische Überzeugungen liefert. In der Subjekt-Objekt-Spaltung liegt der Ursprung der dualistischen Gegensatzpaare, der unser Denken vom Körper trennt und die Möglichkeit der Interaktion leugnet. Dualismen vereinfachen unsere komplexe Welt und binden uns durch Entweder-oder-Positionierungen an die Illusion einer Lösung durch rationales Ausschlussdenken. Weil wir uns aber weder den einen noch den anderen Aspekt wünschen, oszillieren wir zwischen den beiden Polen und bleiben in unserer Analysesucht stecken, die uns rigide und immobil macht. Das Ur-Matriarchat war nicht an Theorien mit absolutem Wahrheitsanspruch interessiert, sondern an ausgangsunbestimmten Prozessen der Mehrdimensionalität. Herrschaftsfreiheit bemüht sich um die Integration der Vielfalt und der Intuition, würdigt Unbekanntes nicht herab und konstituiert eine anarchistische Spiritualität, die mystisch und momenthaft ist. Antipatriarchale transformative Bewegungen verpflichten sich einer partizipatorischen Wissensaneignung und der Anerkennung von Fehlern und Zweifeln und weigern sich, unantastbar zu sein.

Obwohl wir wissen, dass sich das Männliche oder das Weibliche ohne die prägenden Faktoren von Gesellschaft und Geschichte nicht im Mindesten definieren lässt, existiert eine Unzahl von Wesensbeschreibungen, die die komplexe Ganzheit von Personen ignorieren. Solch reduzierende Definitionen verhalten sich wie die Rassentheorien des 19. Jahrhunderts. Sie erzeugen eine Wertehierarchie und teilen eine Gesellschaft in die besitzenden Herrschenden, die über Macht und Ansehen verfügen, und in die Fremddefinierten, die es zu kontrollieren gilt und auf deren Kosten Witze gemacht werden. Die einseitig weiblichen Fleischbeschauen in den Nachtlokalen sind genauso anachronistisch und übergriffig wie die Jahrmarktattraktionen, in denen schwarzgefärbte Wanderschauspieler von Ort zu Ort zogen, um vernagelte Rassisten mit ihren stereotypen Vorstellungen zu bespaßen. Wer die Deutungsmacht über die Frauen hat, wer das Familienrecht und die Wochenarbeitszeiten diktiert, kontrolliert die Bürger zweiter Klasse: die Mütter und ihre Kinder und unsere Zukunft. Wer andere analysiert, verweigert ihnen die Eigendefinition, hört ihnen nicht zu und wählt Erklärungen, die sich am besten für die Rechtfertigung von Ausbeutung und Plünderung eignen. Zur Definitionsmacht zählen bewusst herbeigeführte Leerstellen der männlichen Patronanz, die den weiblich konnotierten Sorgealltag und weibliche Erfahrungen aus dem Diskurs entfernen. Gleichstellung funktioniert stets innerhalb einer männlich geprägten Kultur, in der alles, was nicht zum Erfahrungshorizont des Mannes zählt, ausgespart bleibt. Deswegen ist in der gesetzlichen Kindesobsorge ausschließlich von Rechten die Rede, aber nicht – wie der Name vermuten ließe – von den faktischen Betreuungsleistungen und den damit verbundenen finanziellen Nachteilen, die juristisch gar nicht existieren.

In der geschlechterhierarchischen Arbeitsteilung haftet weiblichen Tätigkeiten das Merkmal der Irrelevanz und Entbehrlichkeit an. Sie wurden durch Ausklammerung und konsequente Ignoranz auf eine Weise entwertet, dass sie sogar Wirtschaftsgelehrte übersahen und damit die Schallmauer männlicher Unbedarftheit durchbrachen. Im Vergleich dazu befasste sich eine bemerkenswerte Anzahl von Theoretikern mit den weiblichen Geschlechtsorganen und Begründungen zu ihrer Entfernung. Sobald sich das weibliche Erregungssystem nicht an männlichen Bedürfnissen orientiert, erweist es sich als funktionsgestört und behandlungsbedürftig, als wäre es pathologisch, wenn Frauen, die sich nicht für Karnickelsex ohne Klitorisstimulation interessieren, mit sexueller Aversion und Kühle reagieren. Neben der Kolonisierung des Frauenkörpers durch die Medizin und der dichotomen Aufteilung der Genitalien hält sich die Zombiethese einer evolutionspsychologisch determinierten Sexualität bis heute. Folgen davon sind eine unterschiedliche Bewertung sexueller Störungen bei Männern und Frauen, die falsche Gegenüberstellung von erektiler Dysfunktion und sexueller Hypoaktivität bzw. Frigidität, vaginal als Analogiebildung zu phallisch und die Kuriosität, dass die Sexualität von Frauen weltweit ausgebremst wird, obwohl sich ihr sexuelles Verlangen angeblich eher auf Beziehung und Partnerschaft konzentriert als auf orgiastische Befriedigung. Und während man der Orgasmusfähigkeit der Frau eine ominöse Schwerfälligkeit unterstellt, kann sie angeblich kraft ihrer Gedanken kulminieren, was ihre immerwährende Anspruchslosigkeit genauso zementiert wie der Umstand, dass sie über keine nennenswerte Libido verfügt und nach lebenslanger Treue strebt. Am deutlichsten zeigt sich die bewusste Pflege polarisierender Erklärungsmodelle zur Aufrechterhaltung des Status quo am fehlenden Angebot erotischer Dienstleistungen für Freierinnen, um nicht vom profitablen an Männern orientierten Penetrationssex abzulenken und eine über die vaginale Bestimmung definierte Zweckdienlichkeit der Frau zu unterwandern.

In unserer phallokratischen Wissenschaft werden dekontextualisierte, isolierte Geschlechtsunterschiede als übertrieben wichtig dargestellt und mit natürlichem Verhalten korreliert, um Frauen und andere feminisierte Körper dort zu halten, wo man sie bis auf den letzten Blutstropfen aussaugen kann. Während es die weibliche Reproduktionsstrategie zur Durchmischung der Gene verlangt, mit jeder Fortpflanzungsperiode am Ende der Kleinkindphase bzw. nach einigen Jahren den Partner zu wechseln, profitieren Männer von einer lebenslangen sexuellen Grundversorgung. Man bläut schon den kleinsten Mädchen ein, sich für den Richtigen aufzusparen, die Verhütungsverantwortung zu übernehmen und in der sexuellen Defensive auszuharren. Behandelten Ärzte früher die Frauen mit Genitalmassagen und Vibratoren, werden sie heute mit Psychopharmaka sexuell konsumierbar gehalten, während ihnen der Zugang zum Sexkauf in Freudenhäusern verschlossen bleibt. Mit einer Biologie der androzentrischen Interpretation, dem pharmazeutischen und psychologischen Management der Körper und einer perfekt adjustierten Medienindustrie, die eine rundum erfüllende Langzeitbeziehung propagiert, verfestigt sich ein Zustand, der das weibliche Grundbedürfnis nach Sex abwertet und eine Dekonstruktion des romantisch verklärten männlichen Exklusivitätsanspruchs an die Frau unterbindet. Mit der hormonellen Verhütung lassen sich Frauen den Männern gleichstellen, indem man ihren Zyklus unterdrückt und sie von ihrer biologischen Funktion befreit. Sie werden indifferenter, genügsamer bei der Partnerwahl, leiden unter Orgasmusschwierigkeiten und einem enormen Triebverlust, der sie in lebenslange Partnerschaften interniert. Anstelle die Gebär- und Nährfähigkeit der Frau als den wichtigsten Unterschied in der fehlenden Gleichbehandlung der Geschlechter anzuerkennen, wird dieser totgeschwiegen, um durch Fokussierung auf männliche Interessen an einem Zivilisationsdesign festzuhalten, das ein zyklusgebundenes, prozesshaftes Leben verunglimpft und Herrschaftsdenken, Machbarkeitswahn und Zielorientiertheit glorifiziert.

Die Macht der besitzenden Norm hat mit der Zerstörungskraft der Konzerne und der Kriegsführung von Staaten eine Dimension erreicht, die so grauenhaft ist, dass sie uns nur zensuriert zumutbar ist. Das mechanistisch-dualistische Wissenschaftsmodell mit seinem Kontrollwahn, der Verleugnung von Zweifeln und seinem Bedürfnis, hart, furchtlos, mächtig, überlegen, logisch, analytisch und intellektuell zu sein, trifft in allen Punkten mit der patriarchalen Form des Männlichkeitsideals zusammen. Es begreift alles, was nicht dieser Norm entspricht, als Objekt und schafft aus Gründen der besseren Ausbeutung eine globale, auf multimedialer Distanzierung basierende Pornokommunikation. Eine solche Ordnung hinterlässt die Frau als passiv definiertes Ejakulationsvehikel, deren Orgasmuslosigkeit nicht marktrelevant ist. Dafür befeuert sie im Sinne der Profitabilität eine auf den finanzkräftigeren Gegenpart projizierte orgiastische Potenz, die sexsüchtige Männer mit Legenden über Samenstau und der Gefährlichkeit unterbrochener Sexualakte versorgt. Männliches Verlangen profiliert sich, weil die den Männern gebotenen Reize an die Aussicht auf Belohnung gekoppelt sind, während für die weibliche Offensive die männlichen Dienstleister fehlen und der eroberungswilligen Frau keine Sexfantasien offeriert werden.

In unserer asymmetrischen Sexualkultur wird weiblichem Begehren nur dann ein Platz eingeräumt, wenn es als mangelndes Interesse in der heterosexuellen Beziehung das männliche Ego kränkt. Wir sprechen von der Erregungsstörung der Frau, aber von fehlenden Orgasmen beim Mann, um die Problematik im Dienste der Geschlechterordnung zu behandeln. Die koitale Anorgasmie wird mit einem Schwulst romantisierender Erklärungen beschwichtigt, die den weiblichen Orgasmus als angeblich unwichtiges Detail des sexuellen Erlebens klassifiziert. Das patriarchale Phantasma von der relativen Bedeutungslosigkeit des Orgasmus erfährt in schwulen Kontexten keine Erwähnung, sondern inszeniert sich als geschlechtsneutrale Anrufung lediglich in gemischtgeschlechtlichen Konstellationen mit frustrierten Frauen. Im Gegensatz zum Mann, dessen Orgasmus höchstens zeitlich kontrolliert werden muss, soll der weibliche Orgasmus nicht unbedingt notwendig für ein befriedigendes Sexleben sein. Bis heute hat die Impotenz der Frau bzw. ihre erektile Dysfunktion keinen Eingang in die Sprache gefunden, weil ihre Erektion keine Voraussetzung für die männliche koitale Befriedigung sein darf und allenfalls mit vaginaler Lubrikation verwechselt wird. Während wir Männern Kopulationen mit schlaffen Penissen ersparen, bleiben die gesundheitlichen Folgen der weiblichen sexuellen Demütigung und Verbitterung unthematisiert. Eine derart konstruierte Wunsch- und Trieblosigkeit sorgt für das Phänomen der vorgetäuschten Orgasmen und drängt die Frau in ihrer Sucht nach Anerkennung in die co-abhängige Position.

Das Verfahren der staatlich verordneten vergeschlechtlichten Praktiken dient der Aufrechterhaltung eines auf Reizung und Frustration ausgerichteten Suchtsystems, das sich aus Gründen der Profitmaximierung an der Dichotomisierung der Geschlechter orientiert. Einerseits soll die Frau dort fixiert werden, wo sie am meisten unbezahlte und dienende Arbeit leistet: in der Haushalts-, Erziehungs- und Fürsorgearbeit, die auch die sexuelle Befriedigung des Mannes inkludiert. Dazu wird die Frau mit einem Hass auf ihren Körper infiziert, der sie zum unverzichtbaren Motor des Konsums prädestiniert. Sie wird in einem Zustand der permanenten Frustration oder des intermittierenden Cravings gehalten, der sich nur durch Adrenalinkicks, die nächste Onlinebestellung oder das nächste Schönheitsmittel kurzfristig aufheben lässt. Von früh an auf Körperentfremdung programmiert, verliert sie den Bezug zu ihren sexuellen Bedürfnissen und pervertiert zu einer Konsumierbarkeit, die eine paradoxe Handlungsvorschrift impliziert. Sie soll sich stets an ihrem erotischen Kapital abarbeiten und Reize setzen, gleichzeitig aber auch die potente Sexualität des Mannes abwehren. Damit sie ihren submissiven Fetischcharakter in der Pornoindustrie nicht verliert, wird die Inszenierung ihrer genügsamen Lust mit einer chemischen Kastration vollendet. Durch Antidepressiva und hormonelle Kontrazeptiva wird sie in einer funktionstüchtigen Frigidität gehalten und bleibt damit wie eine mit Löchern durchsetzte Etagere dauerverfügbar für den Mann, mehrfachbenutzbar und anspruchslos.

Unterdessen wird der Mann mit Viagra und Testosteronlügen in eine erektile Permanenz versetzt, die mit dem Narrativ des Lustmolchs einen auf Komplementarität aufgebauten Pornomarkt konstituiert. Frauen sind auf diesem streng asymmetrischen Markt die Gebenden, Männer die Nehmenden. Männer haben ein Recht auf sexuelle Befriedigung, Frauen nicht. Sie werden nicht als Sex-Kundinnen identifiziert, haben keinen sexuellen Willen, bekommen keine auf ihre Lust abzielenden Pornokategorien angeboten und kompensieren die Negativität ihres Begehrens schließlich mit einer Dienstbarmachung, aus der sie Anerkennung ziehen. Während ihre Sexarbeit als Problem verortet wird, das Reglementierungen, Kontrollen und sozialarbeiterischer Intervention bedarf, werden die Kunden nicht adressiert, beraten oder zum Ausstieg ermutigt. Zur Wahrung der althergebrachten Begehrensökonomie ist es der Frau selbst in homoerotischen Kontexten nicht gestattet, als aktiv fordernde Kundin aufzutreten. Sex wird als Penetration mit schnellen Stößen in Körperöffnungen definiert, in der sich die Frau in einer männerdominierten Horrorshow bis zur Selbstaufopferung verschwendet und stets Dienstleistende bleibt. Anstatt die Betroffenen in die Gestaltung von Prostitutionsgesetzen einzubinden und flächendeckend für Stundenhotels zu sorgen, die von den Kunden bezahlt werden, wird ihre Arbeit prekarisiert und an die Peripherie der Städte gedrängt. Nicht erst durch die neoliberale Flexibilisierung und Ausgrenzung wurden Sexdienstleistende von Personen und Institutionen abhängig. Von ihrem Prekariat profitiert das Beratungsgeschäft ebenso wie Amtsärzte, die Polizei und Inhaber von Immobilien. In der Bewertung der sexuellen Übereinkunft erfährt die Frau Stigmatisierung als Hure, während der Mann als anonymer Freier Diskretion genießt.

Im virtuellen multimedialen Bordell, in der sich die Frau dem Mann als Masturbationsgehilfin verpflichtet, wird sie in einem so hohen Maße kommodifiziert, dass man ihr Begehren für irrelevant erklärt. Um das ejakulatorische Kapital der auf Aktivität und Passivität getrimmten Rollenvorgaben nicht zu gefährden, treten Frauen in diesem System nicht als männerkonsumierende Akteurinnen in Erscheinung. Dies funktioniert durch die Verweigerung der Aufwertung von weiblich dominierten Tätigkeiten, durch ihre ökonomische Unterlegenheit sowie durch den Schwindel von der Kernfamilie als Rückgrat der Gesellschaft, der Kinder und ihr vermeintliches Wohl instrumentalisiert. Damit Frauen die ihnen zugemutete normative Ordnung bespielen, muss ihnen mit der großflächigen Präsentation von makellosen Dessous-Models und anderen wirkmächtigen Vorstellungen zu körperbezogenen Aspekten frühzeitig eine Fuckability eingeimpft werden, während man ihren Opferstatus durch ein Werbeverbot für Prostitution und andere vermeintliche Schutzmaßnahmen kultiviert. Vom Mann hingegen wird als Ausgleich für seine Vorherrschaft und Obsorge-Entpflichtung erwartet, dass er sich von weiblich konnotiertem Verhalten abgrenzt und seine Übermacht auch dann beweist, wenn er von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen geknechtet wird oder in der militärischen Landesverteidigung als Scherge des Staates Kriegsverbrechen ausführen muss. Um diese Geschlechterkonformität durchzusetzen, bedient sich der Staat einer historisch gewachsenen Misogynie, die sich durch Doppelstandards manifestiert, und Männer davon abhält, sich mit weiblichen Themen auseinanderzusetzen.

Die Macht der männlichen Norm wirkt unterschwellig, vielschichtig und subtil. Durch mediale Repräsentation frisst sie sich in das Unterbewusstsein kleinster Kinder und macht gehirngewaschene Kriecher und Krummbuckel aus ihnen, die als Erwachsene unfähig sind, ihre Vorurteile zu bemerken, zu benennen und konstruktiv damit umzugehen. Unsere Sexualität ist von Drehbüchern der Dominanz und Unterwerfung, dem Regime der Nachfragepraxis und des Verfügbarkeitsdenkens geprägt und lässt sich nicht durch auferlegte Konsensvorschriften und eine Ethik der Freiwilligkeit zurückerobern. Die Mehrheit unter uns ist so vernagelt, dass sie nicht bemerkt, dass ein unglaubliches Schweigen herrscht über Themen, die Frauen betreffen, dass ihre Geschichten nicht erzählt werden, dass ihre Sichtweisen fehlen und dass ihre Sexualität lediglich zur Produktion von Ejakulat und als dessen Auffangbecken thematisiert wird. Dass sich Frauen sexuell fügen, hat damit zu tun, dass Freizügigkeit Frauen Einschränkung und gesellschaftliche Sanktionierung bringt und sie ihre Lust jenseits von Paarbeziehungen nicht in gleicher Anonymität ausüben können wie Männer. Eine monogame romantische Heterobeziehung ist nicht der weiblichen Präferenz geschuldet, sondern weil ihr für ihren Lustgewinn jede Alternative fehlt und sie durch die mütterliche Sorgeverantwortung abhängig davon ist. Im gemischtgeschlechtlichen Zusammenleben schürt die elementare Unausgewogenheit Neid und Misstrauen, die in wechselseitigen Schuldzuweisungen münden, in Streit und unendlichen Grabenkämpfen. Die daraus entstehende Unzufriedenheit und Überforderung generiert die Verlassenheitstraumata unserer Kinder und intergenerationelle Machtgefälle, die aus geschlechtlichen Hierarchien resultieren.

3 Wer hat Angst vorm Matriarchat? –––––––––––––––––––––

»Matriarchat« wird weder von mir noch von einer anderen Matriarchatsforscherin als die Umkehrung zu Patriarchat im Sinn von »Frauen/Mütterherrschaft« verstanden, obwohl dies notorisch-penetrant unterstellt wird. Im Gegensatz dazu sind matriarchale Gesellschaften grundsätzlich genderegalitär, bedürfnisorientiert, ausgleichend und werden durch

Konsensbildung geführt. (Heide Göttner-Abendroth: »Die Göttin und ihr Heros«, 12)

Trotz fortlaufender Analysen zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle wird die Ausbeutung der Frau als gegeben hingenommen und jeder Versuch von Fairness mit apologetischem Zynismus unterbunden. Damit wird Kindern die Möglichkeit zum ausgewogenen Beziehungsaufbau zu beiden Elternteilen und einem größeren sozialen Ganzen genommen und die Ungerechtigkeit fortgeführt. Die Almosenpolitik durch Verteilung volatiler Zuschüsse oder die Schaffung von Betreuungsplätzen, die nicht im Einklang mit den Anforderungen des Erwerbsleben stehen, soll uns Fortschritt suggerieren. An der Bestrafung unverpartneter Mütter und ihrer ledigen Kinder, die als auf den Bittsteller-Modus zurückgesetzte Alleinerziehende ihre Existenz fristen, hat sich bis heute nichts geändert. Parteien und Institutionen, die sich in pseudo-säkularisierten Staaten mit christlichen oder anderen religiösen Werten brüsten und die patriarchale Kernfamilie forcieren, behandeln Frauen, die sich von ihren Partnern trennen, mit einer unfassbaren Ignoranz ihrem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abstieg gegenüber. Jede Institution redet Sexismus klein. Keine männliche Zivilisation hat die Versprechen zur Beendigung von misogyner Gewalt ernst genommen und sich um ungewollte Kinder und ihre Mütter gekümmert. Wegen des globalisierten Zugriffs auf billige Arbeitskräfte werden heute selbst die gewollten im Stich gelassen. Erst wenn sich eine Gesellschaft zuoberst auf die Unterstützung von Sorgebeziehungen konzentriert und sich um die entstehenden Mutter-Kind-Dyaden aufbaut, kann eine gesunde Generation ohne Armut und Gewalt heranwachsen. Eine Gesellschaft mit matriarchaler Gesinnung besteht aus mehreren Generationen und unterschiedlichen Arbeitssphären, die aufeinander bezogen sind und reziproke Beziehungen generieren. Sie kennt weder Herrschafts- noch Expansionsbestrebungen und besteht aus Mitgliedern, die sich auf den Schutz des Schwächeren konzentrieren und eine natürliche Bedarfswirtschaft fördern.

Herrschaftsdenken hat es nicht von Anbeginn der Geschichte gegeben, sondern erst, als damit begonnen wurde, hierarchische Gesellschaftsstrukturen mit Staatenbildung und monotheistischer Religion als fortschrittliche Leistungen zu rühmen. Ein falscher Geschichtsbegriff hat dafür gesorgt, dass wir einer extrem reduzierten Überlieferung ausgesetzt sind, die das Patriarchat als überzeitliche soziale Konstante interpretiert und den Glauben an eine frauenzentrierte Ordnung mit einer machttransvestitischen Umkehrung assoziiert. Diese Geschichtsfälschung, die die nicht-patriarchalen Gesellschaftsformen zensuriert, führt den gefährlichen Glauben an die Unveränderbarkeit der traditionellen Ordnung herbei. Die Geschichte der patriarchalen Kulturen ist eine Geschichte der Projektionen, der Ideologie polarer Geschlechterrollen, der Abwertung der Frau und der Vernichtungsfeldzüge gegen andere Völker und die Natur. Freiheit für alle funktioniert darin nur, wenn Frauen, INTA+ und andere Andere dem weißen wohlhabenden Mann als scheinbar gleich konstruiert werden oder sich in ihrer Verschiedenheit und Ungleichheit dienstbar machen. Noch bevor die durch das Machtgefälle verursachten Konflikte das System zum Kippen bringen, werden diese Spannungen kooptiert, individualisiert oder mit Kriegen nach außen verlagert. Es ist nicht neu, dass eine patriarchale Kultur untergeht und durch eine neue ersetzt wird, aber nachdem der ganze Planet in Mitleidenschaft gezogen wurde, werden wir beim nächsten Versuch, ein Vaterland über Mutter Erde zu stellen, elendiglich untergehen.

Die männliche Ordnung bedarf keiner Rechtfertigung, obwohl sich die Überlegenheit des Mannes auf eine sehr reduzierte Form von Stärke beruft, die sich lediglich auf Größe und Muskelkraft kapriziert, rudimentäre Überlebensstrategien aber missachtet. Während in der Natur Eingeschlechtlichkeit weiblich ist, wird Eingeschlechtliches, aber auch scheinbar Geschlechtsloses im Patriarchat als männlich definiert. Das männliche Geschlecht ist nur eine Variante des weiblich angelegten Urgeschlechts und daher nicht geeignet, eine Polaritätsachse mit dem weiblichen zu bilden. Es entstand durch die Ausbildung des gonosomalen Y-Chromosoms, das ein kleines, degeneriertes, leicht schrottiges X-Chromosom darstellt und von einem unerklärlichen Genverlust bedroht wird. Genauso wenig wie Gegensätzlichkeit zwischen Frau und Mann besteht, fügt sich der Mensch aus männlichen und weiblichen Anteilen zusammen. Die Geschlechter sind die variierte Ausprägung einer gemeinsamen Grundform. Deswegen ist es wichtig, die Vielschichtigkeit der Frau nicht einzuschränken, sondern Diversifikation anzuerkennen, ihre Erfahrungen zu universalisieren und die Bezeichnung »Frau« nicht durch Zusätze zu relativieren, sondern gedanklich zu erweitern und alle Personen einzuladen, sich mit Frauenanliegen zu identifizieren. Es geht darum, die politische Priorität auf Menschen zu lenken, die schwanger werden können, um die sozialen Folgen der Gebärfähigkeit in Gerechtigkeitskonzepte zu implementieren, die es schaffen, die Sorgearbeit nicht weiter zu externalisieren und die Pflege- und Klimakrise zu verschleppen.

Männlichkeit ist ein Geschlechterstereotyp, das im Patriarchat zur Norm gesetzt wurde und im Kapitalismus ein Leistungsideal ist. Indem wir den Mann mit der Anrede »Herr« titulieren, bestätigen wir seine gottgleiche Stellung, während dem Ausdruck »Weib« nicht einmal ein femininer Artikel eingeräumt wird und klar ersichtlich wird, wer mit dem Diener des Herrn gemeint ist. Auch Weiblichkeit oder Feminität ist ein sogenanntes Gender, ein soziales Rollenklischee, das aus dem Frausein fälschlicherweise eine einheitliche Komplementarität macht, obwohl gerade das Weibliche abseits der männlichen Normierung eine große Streuung erzeugt. Die Andersartigkeit des weiblichen Geschlechts wirkt so stark, dass man Äußerungen von Frauen nicht als allgemein menschlich empfindet. Sie werden nicht als Menschen wahrgenommen, sondern als spezifisch weiblich betrachtet. Die parallele Sichtbarmachung des Weiblichen versetzt die prototypisierte Männlichkeit in eine unpartikulierte Selbstverständlichkeit. Jeder autoritäre Backlash nach einer Feminismuswelle macht diese Neutralisierung durch Verdrängung des spezifisch Weiblichen rückgängig. Er trennt den männlichen Verfüger von den Verfügbaren, strebt nach Universalisierung des Mannes oder nach einer wechselseitigen Ergänzbarkeit, die über den Symbolcharakter des Yin und Yang nicht hinausreicht. Doppelstandards zwischen Mann und Frau lassen sich queerfeministisch durch Whataboutismus zerreden, sie lassen sich rassifizieren und klassifizieren, aber die dahinterliegende Hierarchie ist stets androzentrisch und von abgewerteter Weiblichkeit bestimmt.

Was hat es Ihnen gebracht, dass jemand auf Ihrer Geburtsurkunde das Feld für weiblich ausgewählt hat? Konnten Sie vom Frauenbonus profitieren? Gefällt Ihnen, was die Gesellschaft an das Frausein knüpft, mit welch einseitigen Elternpflichten Frauen konfrontiert werden, mit welch hohlen Komplimenten ihnen geschmeichelt wird, damit Sie sich in das enge Korsett weiblicher Schablonen fügen? Fühlen Sie sich durch diese Propaganda in Ihrem Geschlecht bestätigt, beherrschen Sie emotionale Kontrolle, ein Dauerlächeln und verrichten Sie schon frühmorgens ästhetische Arbeit, weil Sie nichts so sehr fürchten, wie zurückgewiesen zu werden? Haben Sie sich an den richtigen Stellen rasiert und Bikini-freundlich getrimmt oder würden sie lieber darauf verzichten und ihre Mini-Höschen durch Doppelfeinripp aus der Herrenabteilung ersetzen? Sehnen Sie sich in Ihrer Macho-Sentimentalität nach einem richtigen Kerl oder reicht Ihnen ein erwachsener Mann? Warum arrangieren Sie sich mit Ihrem angeblichen Los und lassen Unrecht geschehen? Macht Sie das Gebrauchtwerden und das Hofiertwerden high? Wie viele Arbeitsschichten erledigen Sie in der patriarchalen Leistungsdiktatur? Ernten Sie gerne einen schleimigen Kommentar für Ihr Styling, das Sklaven im Akkord produziert haben? Wie egoman sind Sie, wenn Sie als empowerte Vorzeigefrau zwischen verkrampften Chauvis stolzieren, die Sie für ihre Imagepflege instrumentalisieren? Bleibt Ihnen noch Zeit zum Kochen oder vergiften Sie sich mit Junk-Food? Kümmert sich eine Perle oder eine Putze um ihren Dreck? Wieso leugnen Sie die historische Existenz des Matriarchats und verwechseln es mit einer Gynaikokratie oder Frauenherrschaft, die nie existierte? Okkupieren die patriarchalen Vorstellungen von Hierarchie und Unterdrückung Ihr Denken, sodass Sie Ihre Vorurteile nicht überprüfen und hilflos Ihrer Reaktanz ausgeliefert sind? Hat das Patriarchat aus Ihnen ein Männchen gemacht, das Sie Ihr Frausein verleugnen lässt? Haben Sie sich wohlig eingerichtet in den neuen Dichotomisierungen und Positionierungszwängen? Sind Sie noch Frau oder schon FINTA? Sind Sie cis oder trans? Wären Sie gerne queer und zwar in Bezug auf die Delegation der mütterlichen mentalen Sorgebelastung? Was alles müssen Sie leisten, um den Beitrag Ihres Kindesvaters zur Jungenaufzucht zu sichern? Schämen Sie sich für Ihre sexuellen Bedürfnisse oder fordern Sie Freudenhäuser für Frauen? Wie steht es mit Ihrer Co-Abhängigkeit, mit Ihrem Geltungsstreben, Ihrer Romanzensucht, mit Ihrem kriecherischen Lechzen nach einem Fix, nach einer Hochstimmung, wenn Sie als patriarchalisierte Frau nach den Regeln der Mächtigen tanzen und dafür die größte Anerkennung ernten, die einer Frau zuteil werden kann? Sind Sie auf Ihren männlichen Habitus stolz oder fühlen Sie sich vom benevolenten Sexismus geschmeichelt und mögen es, wenn jemand Sie als Frau adressiert und Ihnen besondere Fähigkeiten zuschreibt? Stehen Sie auf falsche Hilfsbereitschaft und männliche Galanterie oder fordern Sie tatkräftige Haushaltsunterstützung anstatt symbolischer Gesten? Haben Sie gar nicht die Schnauze voll von der topversierten Wonder Woman und der Empowerment-Lüge, die Ihnen einredet, dass Sie nur Ihr Mindset ändern müssen, um ihr körperliches Unbehagen abzustellen? Sind Sie von der Allzeitbereit-Manie befallen oder vertrauen Sie der pseudoermächtigenden »feministischen Dessous-Werbung« und tragen die strammen Gummizüge zwischen dem Spalt als Liebeserklärung an sich selbst? Verwenden Sie internalisierte Misogynie als Copingmechanismus für die Auswirkungen sexualisierter Gewalt? Klafft der Gender-Pay-Gap, der Gender-Data-Gap, der Gender-Pleasure-Gap und sämtliche Löcher dieser Welt noch immer nicht schmerzhaft genug oder machen Sie die erhaltenen Gegenleistungen und Ihre Fortschrittsverblendung so ignorant und saturiert, dass Sie überhaupt nicht wissen, wovon hier die Rede ist?

Was hat es Ihnen genützt, dass Sie als Mann im Patriarchat klassifiziert wurden? Gefällt es Ihnen, dass Sie mit fantasiesüchtigen Frauen Familien gründen, die utopische Forderungen an Sie stellen, weil sie nie Bestätigung von dieser Gesellschaft erhielten? Wie lange ertragen Sie das Flennen dieser kastrierten Weibchen noch, die Sie im Bett mit ihrer Frigidität langweilen, weil man ihre sexuelle Entwicklung verkrüppelt und ihnen die Selbstermächtigung aus den Köpfen geprügelt hat? Warum fordern Sie nicht Hilfe, wenn Ihre Partnerin Sie misshandelt? Haben Sie Probleme, sich einer Frau gegenüber als Opfer zu fühlen? Warum genügt der bloße Anblick einer Frau, um eine Assoziation oder eine Zuschreibung bei Ihnen auszulösen? Lieben Sie es, Frauen mit verzichtbaren Kommentaren an ihr problematisches Geschlecht zu erinnern? Entledigen Sie sich Ihres Überdrucks und angestauten Ärgers, indem Sie Ihre Familie als Ablageplatz dafür verwenden? Verdient die Pornoindustrie noch an Ihrer primitivisierten Sexualität oder hat sich Ihre graue Hirnsubstanz bereits so weit abgebaut, dass Sie sich bei dieser Frage lieber ausklinken? Wie gehen Sie mit Ihrem kollabierenden Selbstwertgefühl um, wenn Sie sich fragen, wo der ehrbare Platz in der Gesellschaft bleibt, den man Ihnen versprochen hat? Wie steht es mit Ihrem krankhaften Ehrgeiz? Haben Sie genug akkumuliert, abgeliefert, wettgekämpft und vernichtet, um als richtiger Mann zu gelten? Sind Sie die stoische Zufriedenheit leid, die man auch dann von Ihnen fordert, wenn Sie sich am liebsten schreiend in Stücke reißen würden? Verstecken Sie Ihr reaktionäres Geschlechterbild hinter der Inszenierung eines selbsternannten Feministen? Wie intensiv haben Sie sich für die Väterkarenz engagiert oder glauben Sie, ein gutes Vorbild für Ihre Kinder abzugeben, wenn Sie Reproduktionsarbeit auf andere auslagern, weil Sie das Geld dazu haben? Meinen Sie ein Rollenmodell für die nächste Generation zu sein, wenn Sie lieber an einem Strick von der Decke baumeln, als dass Sie Ihre Verlegenheit und Verletzung zugeben, und lieber ausrasten, Ängste plattwalzen und sich mit Süchten zerstören als sich Ihrer Scham zu stellen? Finden Sie, dass berufliche Verpflichtungen Ihrem Chef gegenüber wichtiger sind als Ihr Kampf für Chancengleichheit oder die Alltagssorgen Ihrer Nächsten? Meinen Sie, dass die emotionalen Bedürfnisse Ihrer Kinder besser von anderen erfüllt werden und sich ihre Verstörung in Bezug auf geschlechtsbezogene, klassistische, ethnische und andere Vorurteile ganz von alleine lösen werden? War die mütterliche Sorgedominanz an Ihrem Autoritätskomplex schuld? Meinen Sie, ein Recht auf kriegerische Verteidigung zu haben und die Traumatisierung weiterer Generationen fortzusetzen, um Ihr verkümmertes männliches Selbstbewusstsein aufzupolieren? Lehren Sie Ihre Kinder, sich von allem Weiblichen abzugrenzen und ihre angeblich weiblichen Seiten zu unterdrücken, weil es einfacher und komfortabler ist, Diskriminierendes zu leugnen, als dagegen Partei zu ergreifen? Suchen Sie noch immer nach Ihren femininen Wesensanteilen, der anderen polaren Geschlechterhälfte und der Definition eines richtigen Mannes oder reicht es Ihnen, ein verantwortungsbewusster erwachsener Mensch zu sein?

Der Staat betreibt Heuchelei, wenn es um die Gleichberechtigung der Geschlechter geht, weil sich die Menschen über Abspaltungen und Positionierungszwänge leichter lenken lassen. Alle politischen Maßnahmen, die unter dem Schlagwort »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« subsumieren oder den Schutz der Frauen als Vorwand hatten, haben die Freiheit der Frauen beschnitten, die Mehrfachbelastung intensiviert und die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen verfestigt. Mit der Entgrenzung der Sphären rationalisiert und kommodifiziert sich der private Bereich, während Emotionen am Arbeitsmarkt Wertschöpfungsrelevanz erhalten und sich die Geschlechter entstrukturieren. Auch wenn das Geschlechterregime erodiert, bleiben uns auf Anspruchsberechtigung geeichte Männer und die auf Vagheit abzielenden und nur im Plural existierenden Fairness-Feminismen, in denen man Frauen überredet, sich wichtigeren Themen anzudienen. Die Gender Studies, eine Art Workaround um die Lebenssituation von Frauen, liefern die besten Betäubungsspritzen für ihr patriarchales Problembewusstsein. Durch ihre Analysebesessenheit führen sie zu einer vollständigen Paralyse. Die Angst vor Kontrollverlust und Vergeltung ist so monumental, dass Bedrohungsszenarien und malthusianisches Knappheitsheitsdenken passive Aggressionen und Duckmäuschentum mobilisieren und ein gefälliger Wellness-Feminismus und Queersein zum guten Ton gehören. In unserer meritokratischen Vorstellung ist Gleichheit etwas, das sich marginalisierte Gruppen erst durch Leistung verdienen müssen. Mit einer auf prekarisierte Menschen ausgelagerten Optimierungsbringschuld soll verhindert werden, das Unterdrückungssystem als Verursacher der Probleme zu entlarven. Sucht ist nicht nur die einzige Möglichkeit, die Dysfunktionalität des Systems zu ertragen, sondern der Grund, warum Menschen in ihrer hedonistischen Tretmühle versacken.

4 Das kapitalistische Patriarchat als Suchtsystem ––––––––––

Menschen, die durch ihre industrielle Arbeit und Freizeit verstört, krank gemacht und invalidisiert werden, bleibt nur die Flucht in ein Leben unter ärztlicher Aufsicht, das sie zum Stillhalten verführt und vom politischen Kampf um eine gesündere Welt ausschließt ... Die Einnahme einer Droge – egal welche und aus welchem Grund – ist die letzte Chance, so etwas wie Selbstkontrolle zu behaupten; selbst auf den eigenen Körper einzuwirken, statt ihn anderen auszuliefern. (Ivan Illich: »Die Nemesis der Medizin«, 34, 55)

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Ausgebranntsein, mentale Instabilität, Kaputtheit und eine Neigung zum Leiden zum guten Ton gehören. Damit wir das nicht in Frage stellen, erhalten wir einen legalen persönlichen Fix. Kinder bekommen Kinderdrogen, Erwachsene Erwachsenendrogen. Süßigkeiten, egoboosternde Schrottvideos, aufmerksamkeitsverschlingene Algorithmen, Likes and Loves and Fishing for Compliments, Psychotalk, Alkohol, Pornos, Liebesschnulzen, Familienidyllen und andere Heile-Welt-Versprechen aus den Massenmedien, Goodies and Gadgets und jede Menge Chemojunk. Alte werden mit Medikamenten gefüttert, damit sie nicht jammern, die Jugend mit digitalen Spielen vertrottelt, Frauen mit Antidepressiva vollgestopft, damit sie die Fresse halten, und bei allen nur erdenklichen Treffen, an denen unliebsame Wahrheiten an die Oberfläche gelangen könnten, werden wir so lange bekucht und bekekst, bis wir uns wieder abreagiert haben. Wir werden mit schrottigen Lifestyleprodukten und billigem Ramsch überschüttet, auf denen das Blut der Ausgebeuteten klebt. Wir werden zu Tode psychologisiert und amüsiert, betrunken gemacht und gemästet, bis wir körperlich und geistig so starr und steif sind, dass wir sekündlich aufs Neue vergessen,