Das Moderne Deutschland - Annette Heinisch - E-Book

Das Moderne Deutschland E-Book

Annette Heinisch

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Beschreibung

Der Niedergang des Westens ist offensichtlich? Welche Irrtümer machten ihn zwangsläufig? Brauchen wir eine Reformation der Aufklärung? Fehlentwicklungen und Lösungen werden am Beispiel Deutschlands aufgezeigt, das sich derzeit politisch, wirtschaftlich und sozial im freien Fall befindet. Ist der von oben eingeleitete Absturz, euphemistisch Transformation genannt, umkehrbar? Ist das Indivuduum in der Lage, den Absturz umzukehren oder bedarf es des Engegaments vieler Gruppen von Citoyens? Muss das Land tatsächlich erst völlig am Boden liegen, ehe ein unaufhaltbarer Ruck durch die Bevölkerung zieht? Was tut not - kurzfristig - mittelfristig - langfristig? Können wir uns allein auf Wahlen und die Wählerschaft verlassen?

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Seitenzahl: 287

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Annette Heinisch, Arnold Vaatz, Gunter Weißgerber (Hrsg.)

Das Moderne Deutschland

Der Niedergang des Westens scheint offensichtlich? Welche Irrtümer machten ihn zwangsläufig? Brauchen wir eine Reformation der Aufklärung? Fehlentwicklungen und Lösungen werden am Beispiel Deutschlands aufgezeigt, das sich derzeit politisch, wirtschaftlich und sozial im freien Fall befindet. Ist der von oben eingeleitete Absturz, euphemistisch Transformation genannt, umkehrbar? Ist das Individuum in der Lage, den Absturz umzukehren oder bedarf es des Engagements vieler Gruppen von Citoyens? Muss das Land tatsächlich erst völlig am Boden liegen, ehe ein unaufhaltbarer Ruck durch die Bevölkerung zieht? Was tut not - kurzfristig - mittelfristig - langfristig? Können wir uns allein auf Wahlen und die Wählerschaft verlassen?

Annette Heinisch, Arnold Vaatz, Gunter Weißgerber

Das Moderne Deutschland

Eine neue Balance zwischen Wissen und Werten

Annette Heinisch, Arnold Vaatz, Gunter Weißgerber (Hrsg.)

Das Moderne Deutschland

1. Auflage 2025

Die Autoren behalten sich die Nutzung der von ihnen veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne des §44b UrhG ausdrücklich vor.

Alle in diesem Werk aufgeführten Links und Verweise dienen lediglich als zusätzliche Quellenangaben, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung geprüft wurden. Es handelt sich hierbei um Material Dritter, auf das die Autoren keinen Einfluss haben. Für die Inhalte der mit Link-Verweisen aufgeführten Quellen ist stets der jeweilige Anbieter, Betreiber oder Autor der Seite verantwortlich. Ein Besuch dieser Seiten erfolgt auf eigene Gefahr. Die Autoren übernehmen keine Haftung für die Erreichbarkeit und Funktionsfähigkeit der aufgeführten Links. Sollten sich diese nach der Veröffentlichung ändern oder Seiten nicht mehr erreichbar sein, freuen sich die Autoren über Hinweise und berücksichtigen diese, so weit möglich, gerne in der nächsten Auflage.

Umschlagfoto: Privatarchiv Weißgerber

Verlag: tredition GmbH

Abteilung „Impressumservice“

Heinz-Beusen-Stieg 5

22926 Ahrensburg

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:

[email protected]

ISBN: 978-3-3846-0650-1

Inhalt

Cover

Halbe Titelseite

Titelblatt

Urheberrechte

Teil 1. Arnold Vaatz

Vorwort

Der archimedische Punkt

Teil 2. Annette Heinisch

Prolog: Der Gartentraum

Die „Software“ einer Gesellschaft

0.1 Politische Religionen

0.1.1 Klimawandel

0.1.2 Wokismus

0.1.3 Politische Ideologien säkulare Religionen

0.1.4 Totalitarismusforschung

0.1.5 Fazit

0.2 Funktion der Religion

0.2.1 Transzendenz

0.2.2 Ordnungsrahmen

0.2.3 Zielvorstellung

0.2.4 Optimierungsproblem Ziele, Wege, Mittel und Methode

0.2.5 Unsicherheitsreduktion und Effizienzsteigerung

0.2.6 Fazit

0.2.7 Folgerungen

0.3 Exkurs: Die Quellen unserer Kultur

0.3.1 Die alten Griechen

0.3.2 Jüdisch – christliche Entwicklung

0.3.3 Reformation und Aufklärung

0.3.4 Zwischenbewertung: Lenkung komplexer Systeme

Aktueller Stand

0.3.5 Reaktionäre Entwicklung: Staatsreligionen

0.3.6 Umkehrung: Positiv - Negativ

0.3.7 Und heute?

Der moderne Staat

0.4 Entflechtung des Staates

0.5 Baukasten - System

0.6 Begrenzung

0.7 Gute Führung

0.8 Erziehung und Bildung

Epilog

Teil 3. Gunter Weißgerber

Der moderne Staat und seine Gefährdungen

Die Moskau Connection

0.9 Persönliche Vorbemerkungen

0.9.1 Friedliche Revolution und Deutsche Einheit

0.9.2 Meine Positionen zu Gerhard Schröder

0.10 Das Schröder-Netzwerk

0.10.1 Hannover - Gerhard Schröder und die Entstehung seines Netzwerks

0.10.2 1990 - Ministerpräsident Gerhard Schröder; die Freunde

0.10.3 Glück im Unglück

0.10.4 1998 Bundeskanzler Gerhard Schröder

0.10.5 Der größte anzunehmende Fehler: Die Koalition mit den Grünen

0.10.6 Energie als Waffe

0.10.7 Entspannungspolitik / Die Ausbeutung eines sozialdemokratischen Mythos

0.10.8 2005 Gerhard Schröder auf Abwegen

0.10.9 Pipelinegeschäfte / Der treue Lieferant

0.10.10 Illusion einer Partnerschaft – Die Russlandpolitik 1998 - 2013

0.10.11 Steinmeiers Wandel durch Verflechtung

0.10.12 Schröders Business Case

0.10.13 Nachbetrachtungen über Willy Brandt und Helmut Schmidt

0.10.14 Schwein gehabt?

0.11 Nachbetrachtungen: Wie am Anfang der Rezension, so an deren Ende: Persönliches

0.12 Meinungsfreiheit 2020

0.12.1 Ausschließlich „Gegen Rechts“ – das historische Versagen der SPD

0.12.2 Meinungsfreiheit unter Druck

0.12.3 Voltaire und die Meinungsfreiheit

0.12.4 Meinungsfreiheit 1989

0.12.5 Meinungsfreiheit 2020 Der – Durchmarsch von Rosa Luxemburg

0.12.6 Meinungsfreiheit – eine soziale Frage

0.13 Ausblick

0.14 Die SPD ist genverändert

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Die Moskau Connection

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Teil 1

Arnold Vaatz

Vorwort

Sagt Ihnen der Name Le Bon etwas? Gustave Le Bon?

Ihnen bestimmt. Mir bisher nichts. Ich bitte um Nachsicht. Wir hatten ihn nicht im Schulunterricht. Aber jetzt kenne ich ihn, und ich verspreche Ihnen: Er ist atemberaubend aktuell.

Er war Arzt. Unter seinen frühesten Kindheitserinnerungen schimmert die Revolution von 1848 hervor, die nach dem Ende des allerletzten Bourbonen, des Bürgerkönigs Louis Philippe, den späteren Diktator Napoleon III. nach oben spülte, er erlebte den Zusammenbruch von dessen aus Größenwahn und Monomanie gebauten Kartenhauses der Macht und sah, wie die vermeintlichen Befreier der Menschheit, die Kommunarden von Paris das Palais des Tuileries und die Bibliothek des Louvre niederbrannten.

Annette Heinisch hat ihn für mich ausgegraben und die Welt erklären lassen. Denn die bloße Beschreibung des täglichen Irrsinns, der Herrschaft der Inkompetenz und des Labyrinths aus ebenso närrischen wie zunehmend gewalttätigen Irrwegen in der deutschen Politik wird allmählich langweilig. Heinisch sagt deshalb nicht mehr nur, dass es so ist. Sie fragt, warum es so ist; und klappt ein riesiges Buch der Geschichte auf. Und siehe: Die menschliche Geschichte ist eine endlose Religionsgeschichte. Und hier kommt Le Bon ins Spiel:

„Nicht nur dann ist man religiös, wenn man eine Gottheit anbetet, sondern auch dann, wenn man alle Kräfte seines Geistes, alle Unterwerfung seines Willens … dem Dienst einer Macht … weiht ….

Mit dem religiösen Gefühl sind gewöhnlich Unduldsamkeit und Fanatismus verbunden. … Die beiden Eigenschaften sind bei allen in einer Gruppe vereinigten Menschen wieder zu finden, wenn irgendein Glaube sie erhebt. Die Jakobiner der Schreckenstage waren ebenso tief religiös wie Katholiken der Inquisition, und ihr grausamer Eifer entsprang der gleichen Quelle.

Die Überzeugung der Massen nimmt die Eigenschaften blinder Unterwerfung, der grausamen Unduldsamkeit und des Bedürfnisses nach Verbreitung an…. Der Held, dem die Masse zujubelt, ist in der Tat ein Gott für sie. Napoleon war es 15 Jahre lang, und keine Gottheit hat eifrigere Anbeter gehabt; auch sandte keiner die Menschen leichter in den Tod.“

Le Bon starb 90jährig 1931. Er musste nicht mehr erleben, wie die gewaltige Wahrheit seiner Argumentation seinen letzten Satz in diesem Zitat zu einer naiv anmutenden Untertreibung geraten ließ. Annette Heinisch findet ein Wort, mit dem Sie die Funktion der Religionen, deren Marionette der Zeitgeist heute ist, in die Alltagssprache der auf das I-Phon starrenden Generation übersetzt:

„Vereinfacht gesagt ist die Religion sozusagen das Betriebssystem einer Gesellschaft. Mit dieser Software wird die hardware, also die hard power, gesteuert.“

An dieser Stelle will ich einflechten, dass ich selbst ein gläubiger Mensch bin, lutherischer Protestant, mit Einsicht in meine Begrenztheit, mit großem Respekt vor den Leistungen und Lebensentwürfen meiner Vorfahren und stets im Wissen um deren Begrenztheit; aber zugleich ein fröhlicher Nutzer der vier Grundrechenarten und ein faszinierter Untertan der unbestechlichen Naturgesetze. Daher kann ich als Erfahrungstäter zwar von dem wunderbaren Gefühl der Sicherheit reden, wenn man auf den Barrikaden im Kampf der vier Grundrechenarten und der Naturgesetze mit den immer martialischer auftretenden Zeitgeistreligionen steht. Aber wie gruselig das Gemetzel werden wird, zeigt Heinischs Begriff: Es ist ein Aufstand gegen das Betriebssystem. Und die Menschheitsgeschichte desillusioniert hier leider. Der Weg der Inquisitionen von Giordano Bruno bis zu den Leichenbergen des 20. Jahrhunderts deutet nicht auf eine wesentliche Humanisierung der Menschheit hin. Frieden ist nach Heinisch so lange, so lange die Besitzer eines Gartens sich über die Grundzüge der Anlage und die Freiräume jedes Einzelnen von ihnen bei der Gestaltung desselben einig sind. Versucht eine mächtige Eigentümerpartei aber die Dekonstruktion der Anlage zu Lasten aller anderen zu erzwingen, dann beginnt der Kampf. Noch ist Deutschland in dieser Hinsicht ein Kindergeburtstag, aber die Mienen werden zusehends strenger und das Vokabular schneidender.

Annette Heinisch fragt nun mit den Worten des 1968 geborenen kanadischen Anthropologe Joseph Henrich: „Warum haben die westeuropäischen Gesellschaften nach etwa 1500 so viel von der Welt erobert? Warum brach Ende des 18. Jahrhunderts in derselben Region Wirtschaftswachstum aus … und löste die Wellen der Globalisierung aus, die noch heute über die Welt hereinbrechen?“, greift wieder zur vergleichenden Religionsgeschichte und endet im jüdischchristlichen Gedankenkreis.

Dessen Institutionen mögen abstoßende und teils verbrecherische Auswüchse gehabt, also genau die Hilfsmittel zur Absicherung der Macht der Glaubensverwalter installiert haben, wie in den atheistischen, diesseitsbezogenen Zeitgeistreligionen auch festzustellen waren oder gerade im Aufbau sind – in der Bundesrepublik von heute z.B. staatlich geförderte Denunziationsbüros für neuzeitliche Hexenanzeigen. Aber sie brachte Regeln des Zusammenlebens hervor, die sich als stabil und entwicklungsoffen erwiesen haben.

Denn dieser Ideenkreis brachte nichts weniger als die Aufklärung hervor und mit ihr die Autorität des analytischen Denkens und das Vertrauen in die Freiheit der Einzelnen und in dessen grundsätzliche, Fähigkeit diese Freiheit verantwortlich zu nutzen – sowie das Wissen um die Bedrohtheit dieser Freiheit. Dazu zitiert Anette Heinisch Dietrich Bonhoeffer: „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. … Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden … und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht … Soviel ist sicher, daß [die Dummheit] nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. … [Man gewinnt] weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. … Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. … Man spürt es geradezu im Gespräch mit [dem Dummen], daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist … in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen.“

Ich beendete die Lektüre dieser eigentlich bedrückenden Untersuchung von Annette Heinisch aber mit optimistischen Gefühlen. Erstens macht es froh und dankbar, dass es tapfere Menschen wie Annette Heinisch gibt, die sich trauen, das Wespennest unserer neuen Religionen zu nähern und ihnen den Spiegel der Geschichte vorzuhalten. Zweitens aber belehrt uns die vergleichende Religionsgeschichte auch über die Achillesfersen der Religionen. Zwar haben alle Sekten der Neuzeit die von ihnen prophezeiten und ausgebliebenen Weltuntergänge überlebt – soviel zur Faktenresistenz von echtem Glauben. Aber: Sie sind verwundbar. Einerseits ersticken sie an ihrer inneren Widersprüchlichkeit und Maßlosigkeit wie die Hitlersche und die Stalinsche Religion; oder sie geraten in Krisen, weil ihre Priesterschaft die gepredigten Regeln im gelebte Leben nicht einhielten. So der ungezügelte Hedonismus der Renaissancepäpste, der Luther nach seiner Reise nach Rom 1511/12 zu der Aussage veranlaßte: „Wenn es eine Hölle gibt, dann liegt sie unter Rom“. Und so die bei Flugreisen erwischten Flugreisen-Gegner.

Und manchmal, freilich sehr selten, gehen Religionskrisen aus friedlich über die Bühne. Einmal durfte ich dabei sein. Im Herbst 1989. Ich kann mich daran gut erinnern.

Der archimedische Punkt

Es soll gar nicht so selten sein, dass infolge einer Fehdiagnose mal ein Patient an einer Krankheit behandelt wird, die er nicht hat. Für den Patienten ist das – je nach Schwere der wirklichen Erkrankung und je nach Nebenwirkung der Therapie – gefährlich, vielleicht tödlich. Aber darum soll es hier nicht gehen. Es geht um den Arzt. Zunächst glaubt er an seine Diagnose. Da aber die Medikamente nicht anschlagen, erhöht er die Dosis, wechselt die Wirkstoffe. Ohne Erfolg. Schließlich erkennt er , dass er mit seiner Diagnose falsch gelegen hat. Nimmt er nun seinen hippokratischen Eid ernst, dann wird er dem Patienten seinen Fehler mitteilen, die Folgen für seinen Ruf als Arzt auf sich nehmen, den angerichteten Schaden soweit möglich begrenzen und für irreparable Folgen geradestehen. Nun aber ist der Arzt vielleicht doch auch ein Mensch mit Schwächen und Fehlern. Er fürchtet um seinen Ruf, vielleicht sogar um seine Approbation. Und da der Patient, der kein Mediziner ist, keinerlei Verdacht schöpft und sich vertrauensvoll und voll Respekt vor dem weißen Kittel des Arztes klaglos in sein Befinden fügt, trägt der Arzt immer neuen wirkungslose Salben auf, wohl wissend, dass der Patient keinen Fußpilz, sondern einen bösartigen Hautkrebs hat, und hofft insgeheim auf dessen baldiges Ableben.

Ich will die Deutsche Politik nicht pauschal mit einem solchen verantwortungslosen Arzt vergleichen. Dennoch nehme ich weder meiner Partei noch den anderen regierungstragenden Parteien der letzten 25 Jahre ab, dass sie bis heute nicht das Fehlerhafte in wesentlichen Teilen ihrer politischen Diagnosen dieses letzten Vierteljahrhunderts entdeckt hätten. Womit keinesfalls gesagt werden soll, dass ihre Entscheidungen überall und in jeder politischen Disziplin Fehentscheidungen waren. Die Arbeitsmarktreform von Gerhard Schröder war vernünftig, zukunftsweisend und zur wirtschaftlichen Stabilisierung unausweichlich. Seine Weigerung, am Irakkrieg teilzunehmen war auch richtig.

Die Analysen der Fehlleistungen der 25 letzten Jahre füllen aber mittlerweile schon halbe Bibliotheken, die Autoren heißen (unter vielen anderen !) Hans Werner Sinn, Fritz Vahrenholt, Frank Hennig, Bernd Raffelhüschen, Josef Kraus, Klaus-Peter Willsch, Thilo Sarrazin, Thomas Mayer, Horst-Joachim Lüdecke, Gunter Frank, Axelle Kabou, Volker Seitz– alles Autoren, die sich zwar gegenseitig gewiss nicht alle mögen und sich verbitten könnten, in einem Atemzug miteinander genannt zu werden, deren Beiträge ich aber in ihren jeweiligen Fachgebieten für signifikant und relevant halte und von denen ich sicher bin, dass ihre Arbeiten die korrumpierte Panegyrik der medial hoffähigen Sachbuchliteratur überdauern werden und auch noch in fünfzig Jahren als die Standardliteratur zur politischen Analyse des ersten Viertels nach der Jahrtausendwende in Deutschland herangezogen werden. Nicht zu vergessen übrigens Boris Reitschusters Arbeiten zu Russland und die FAZ-Autoren Reinhard Bingener und Markus Wehner, die die an Hochverrat grenzende Anbiederung, die Raffgier und – meines Erachtens - Korruption im großen Stil maßgeblicher SPD-Kreise in der Beziehung zu dem Massenmörder Putin offenlegen.

Da das also alles schon in weit besserer Qualität niedergeschrieben ist als ich es könnte und einige Autoren schon angesichts der angerichteten Dilemmata in Sarkasmus, Satire und den bitteren Humor geflüchtet sind (Henryk M. Broder, Dirk Maxeiner), muss ich nicht wie eine gesprungene Schallplatte zum zehnten oder tausendsten Male ausführlich begründen, warum die eklatanten Fehlleistungen der deutschen Politik eben eklatante Fehlleistungen sind. Es genügt, einige aufzuzählen:

- Eine Energiepolitik, die dabei ist, unserer Industrie das Rückgrat zu brechen und die Umwelt zu bedrohen;

- Eine Geldpolitik der EZB, die die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Südländer zementiert und die Spareinlagen der Nordländer wegfrißt;

- Eine Europapolitik, die in wichtigen Fragen (gemeinsame Außenpolitik, Asyl, Zuwanderung) versagt, sich ersatzweise auf Nebenkriegsschauplätze (Datenschutzgrundverordnung) festbeißt, Europa durch Bevormundung spaltet und dezimiert (Brexit) und die Attraktivität des europäischen Projekts beschädigt;

- Eine Entwicklungspolitik, die extrem teuer ist, nirgends durchschlagende Erfolge zeitigt, zu einer Spielwiese für Aussteiger wurde und deren Aufwendungen in den Zielländern als „stupid german money“ verspottet werden;

- Eine Verteidigungspolitik, die mutwillig die Bundeswehr zerstörte und ihrer Reserve beraubte;

- Eine Forschungspolitik, die ideologisch fixiert ihre Technologieoffenheit aufgab;

- Eine Schulpolitik, die die Qualität des Abiturs verwässerte und darauf hinwirkt, künftiges akademisches Prekariat heranzuziehen, damit den Facharbeiterpool austrocknet, die Lehrer in die Flucht jagt und die Dysfunktionalität der gesamten Gesellschaft vorprogrammiert;

- Eine Hochschulpolitik, die die Universitäten zu Wachtürmen eines linken McCarthyismus degeneriert, in denen Wissen und Leistung zweitrangig werden;

- Eine Zuwanderung, die durch die faktische Gleichsetzung von Asyl und Zuwanderung die öffentliche Akzeptanz sowohl von Asyl wie von Zuwanderung untergräbt;

- Eine Gesundheitspolitik, die durch Übergriffigkeit, Hysterie, Unterdrückung von Fakten (Intensivbettenunterauslastung, Impfschäden) und der wissenschaftlichen Debatte einen irreparablen Ansehensverlust in der Coronakrise erlitt;

- Eine Sozialpolitik, die seit Jahrzehnten ursprünglich in den ursprünglich als selbsttragend konzipierten Systemen (Rente, Krankenkassen) die Defizite durch immer steigende Steuerzuschüsse verschleiert und sich der demographischen Wahrheit verweigert;

- Eine Innenpolitik, die hilflos das Um-sich-greifen rechtsfreier Räume in den Großstädten durch die Flucht der Polizei aus den Kriminalitätsbrennpunkten geschehen lässt, großen Eifer bei Geschwindigkeitskontrollen zeigt (bei tatenlosem Herumstehen der Polizei bei systematischer und vorsätzlicher Verkehrsgefährdung durch Autokorsos bei türkischen Hochzeiten), die das immer unverfrorener sich Aufschwingen des Verfassungsschutzes duldet (zu einer Art richterlicher Instanz, zu einer Knute, die über der freien Meinungsäußerung schwebt, mit einer angemaßten Definitionsmacht als stünde sie über der Verfassung und hätte Urteile auszusprechen über Sein und nicht Sein wie einst die Stasi und schließlich ungestraft rechtssystematisch komplett widersinniger Begriffe wie „Delegitimierung der verfassungsmäßigen Ordnung“ zu Verfolgungszwecken etabliert), die Denunziationsportale einrichtet und andererseits unfähig zur Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ist;

- Eine Justiz, die mit zweierlei Maß misst: Einerseits free Lina in Dresden für erwiesene Verstrickung in widerlichste Gewalttaten, andererseits Fußfesseln und sofortige Inhaftierung eines Arztes der seinen hippokratischen Eid ernster genommen hat als ein Bundesgesetz und damit vielleicht Leben gerettet hat. Einerseits: Tatenlose Staatsanwaltschaft nach Aufdeckung (durch Apollo-News) der Planung von Straftaten durch sogenannte Klimaaktivisten. Andererseits eine martialische Staatsaktion mit mehreren tausend Polizisten gegen einen verwirrten alten Mann, der angeblich der mit ein paar Gleichgesinnten und Prepperware den Umsturz der Republik geplant haben soll.

Dies alles geht einher mit einem Klima in der Gesellschaft, das diese Dinge bewußt ignoriert und die Debatte darüber unterbindet: Ein Klima der Einschüchterung. Ein Klima der Feindseligkeit: Gegenüber dem eigenen Nachwuchs (Initiative „Kinderfrei“ einer Frau Brunschweiger, Sterilisierungen auf eigenen Wunsch von jungen Frauen aus der Klimaszene), gegenüber dem herkömmlichen Familienmodell, gegenüber Heterosexualität im Allgemeinen (Schimpfwort: „cis- Menschen“). Offener Rassismus gegen Weiße (die „Weißbrot“-Hetze des staatlich geförderten Aktivisten Steier). Ein Klima der Dekonstruktion elementarster Gegebenheiten bis hin zu biologischen Grundsachverhalten.

Randthemen wie die zweifellos ernst zu nehmenden aber nur sehr wenige Menschen betreffende Probleme von sexuellen Minderheiten werden dabei zu endlosen politischen Debatten aufgeblasen und avancieren zu Hauptthemen, und Hauptthemen wie die katastrophale demografische Situation und die schon erwähnte, aus schlichten Fachkräftemangel zu erwartende, schleichend um sich greifende Dysfunktionalität nach und nach aller wirtschaftlichen und sozialen Prozesse sowie all die oben genannten Missstände infolge langanhaltender permanenter und sich noch heute fortsetzender politischer Fehlleistungen degenerieren zu Randthemen.

Das ist alles natürlich nicht neu. Der Evangelist Matthäus, der vor fast 2000 Jahren (ungefähr im Jahre 80) schrieb, lässt Jesus in dessen Predigt gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer (Matth. 23,24) sagen: „Ihr blinden Führer, die ihr Mücken aussiebt, aber Kamele verschluckt!“ Auch damals also wurden schon kleine Risiken (Mücken) zu gewaltiger Größe aufgeblasen und große Risiken (Kamele) ignoriert. Ein völlig deformiertes Risikobewusstsein prägt die Politik also schon seit frühester Zeit. Es ist somit kein Wunder, dass dies auch für das politische Bewusstsein von heute – und wohl nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland – gilt.

Zuerst wurde ich darauf aufmerksam im Jahr 1987. Wir hatten Besuch aus dem Westen, ein junges Ehepaar, ungefähr so alt wie wir. Nach einem langen Gespräch über die DDR, indem ich immer ein Unbehagen unserer Gäste spürte, als verdächtigte man mich, ich wolle die DDR schlechter reden als sie ist, fragte ich, was denn jetzt in der Bundesrepublik das Thema sei, das die Beiden am meisten bewegt. Und ich traute meinen Ohren nicht: Es sei die bevorstehende Volkszählung! Eine absolute Ungeheuerlichkeit sei das! Aber wirklich! Hitler habe auf solch einem Weg die Wohnungen der Juden ausfindig gemacht und nun finge die Bonner Republik auch so an!

Man müsse alle Kräfte mobilisieren, um das zu verhindern. Meine Antwort - das sei doch normal, dass der Staat ein paar grundlegende statistische Informationen benötige, um öffentliche Leistungen korrekt planen zu können, und sowas gäbe es doch bei uns auch und kein Mensch rege sich darüber auf – wurde empört zurückgewiesen und hätte ich nicht sofort begütigend eingelenkt und meine Einwände relativiert – die harmonische Stimmung wäre dahin gewesen. Als wir zu Bett gingen fragte ich meine Frau, was sie von den beiden hielte. Wir hatten sie ja heute erst kennengelernt. Sie seien, so meine Frau, ganz ok. Aber nach einer Weile fügte sie hinzu: Aber, wenn Du mir’s nicht übel nimmst: Eine klitzekleine Unwucht haben sie. Ich darauf: Die haben wir alle. Sie: Aber anders.

Ich hatte schon während der gesamten achtziger Jahre immer mehr Äußerungen aus dem Westen über die deutsche Frage als Schläge in die Magengrube empfunden. Tonangebende Kreise taten alles, um jeden Gedanken an eine mögliche Wiedervereinigung zu ersticken. Ich merkte es am Umgang mit Reiner Kunze, den ich über alle Maßen verehre, und der plötzlich aus dem West- Schriftstellerverband austrat. Die Art, auf die alle kritischen Stimmen über die DDR im Fernsehen und im Deutschlandfunk, den ich täglich hörte, marginalisiert und in die hintersten Sendeecken verbannt wurden, widerte mich an. Es hatte sich ein Ton der Anbiederung an die SED eingebürgert, der mir klar machte: Diese Leute im Westen sind nicht auf meiner Seite. Einen jungen Mann aus Westberlin, der die Politik von Wandel durch Annäherung über den grünen Klee lobte, fragte ich, welches Ziel diese Politik seiner Meinung nach verfolgte.

Er: Na mehr Freiheiten. Dass man bei Euch die politischen Gefangenen frei läßt, niemanden mehr benachteiligt, der in die Kirche geht und dass das Reisen leichter wird. Und dass es besseres Zeug zu kaufen gibt bei Euch. Ich: Du meinst: Offene Grenzen? Er: Zum Beispiel. Ich: Und du weißt, dass dann in einer Woche die Hälfte der Leute weg ist? Er: Glaub ich nicht. Ich: Und wie ist das mit Parteien, freien Wahlen und so? Ist das auch das Ziel von Wandel durch Annäherung? Er: Das gibt es nie und nimmer. Ich: Also Wandel durch Annäherung heißt für uns, dass alles ein bisschen erträglicher wird, aber im Großen und Ganzen alles bleibt, wie es ist, Stasi, SED, keine Wahlen, arbeiten für Geld, für das es nichts gibt. Wir sollen also niemals die Freiheiten wie Ihr haben, ja? Er: Ja, damit müsst ihr Euch wohl abfinden.

Auch im Osten glaubte niemand so recht an eine Wiedervereinigung zu Lebzeiten. Wenn man aber fragte, ob man sich im Osten vorstellen könne, dass dieses Eingesperrtsein, die Abschottung von aller Welt nun auf alle Zeiten alle Generationen betreffen würde, so konnte sich dies allerdings ebenfalls niemand vorstellen. Der Glaube oder Unglaube an eine Wiedervereinigung war also streng zu unterscheiden von der Frage, ob man die Wiedervereinigung für ein legitimes politisches Ziel hielt. Und diese Frage war es, die der medial tonangebende, sich progressiv wähnende Westen mit seinen vielen von Moskau gepamperten Kadern verneinte. Dagegen standen Persönlichkeiten wie zum Beispiel Franz Joseph Strauß, Helmut Kohl, Axel Springer, Gerhard Löwenthal und Reiner Kunze. Aber auch in der CDU war man in den 80er Jahren schon dabei, auf DDR-Linie umzuschwenken.

Heiner Geißler versuchte noch 1989, das Wiedervereinigungsziel aus dem Grundsatzprogramm zu streichen. Aber die Linken dominierten die CDU damals noch nicht, weshalb die CDU gerade noch die Kurve kriegte und Geißlers Aktion scheiterte. Ein Jahr später war genau jene Wiedervereinigung, die die tonangebenden Meinungsmacher im Westen als reaktionäre Träumerei denunziert hatten, plötzlich da.

Der mediale Olymp der Bundesrepublik war einen gewaltigen kollektiven Irrtum erlegen. Es wäre nun zu erwarten gewesen – siehe das Bild des rechtschaffenen Arztes - dass sich die Einschärfer dieser Fehlorientierung (Zeit, Spiegel, Stern, Süddeutsche, Frankfurter Rundschau, aber auch ARD und ZDF) für ihr antizipatorisches Totalversagen entschuldigen, die Gründe dafür suchen und erklären, wie sie nach diesen Fehlleistungen öffentliches Vertrauen zurückgewinnen wollen. Es geschah nichts dergleichen. Aber ihre Reputation litt nicht!! Die bundesdeutsche Öffentlichkeit weigerte sich, überhaupt zu bemerken in welchem Maße sie von ihrer medialen Oberschicht getäuscht und an der Nase herumgeführt worden waren. Die Medienprominenz hielt Hof im Osten als sei nichts geschehen, am säuerlichen Lächeln diverser Journalisten - ich erinnere zum Beispiel die Herren Bednarz (WDR) und Böhme (Spiegel) – war zu erkennen, dass unsere neu gewonnene Freiheit in ihnen als die größte vorstellbare politische Niederlage ihres Lebens fraß. Es war bei ihnen nicht so, dass sie die Wiedervereinigung aus den Augen verloren hatten, weil sie diese zwar wünschten aber als unerreichbar ansahen wie wir Ostdeutschen. Sie wollten keine Wiedervereinigung, die hassten sie. Sie hassten sie nicht deshalb, weil sie uns nicht mochten. Sie hassten sie, weil sie ihr politisches Koordinatensystem zerstörte und weil sie obendrein unleugbar auch auf das Konto des von ihnen verlachten und als intellektuell unterbemittelt angesehenen aber sie an Klugheit weit überragenden Bundeskanzlers Helmut Kohl ging.

Es waren wohl zwei Entschlüsse, die in diesen Tagen zustande kamen: Einen kenne ich, er ist mein eigener: Ich entschloss mich, diese Leute, denen ich keinerlei Leid zugefügt hatte, für die aber die Freiheit der Menschen in der DDR, also auch meine Freiheit, ein Ärgernis und eine narzisstische Kränkung war, als meine Feinde auf Lebenszeit anzuerkennen. Und der zweite: Die eben Genannten dürften sich damals entschlossen haben, die von mir ersehnte und mir schließlich geschenkte Wiedervereinigung, egal, ob sie glückt oder scheitert, mit all ihrer Macht, mit ihrer investigativen Energie, ihren vielköpfigen Redaktionen und der gesamten logistischen Kraft ihrer Verlage zu einem Desaster niederzuschreiben, sie mit Worten zu zerbomben wie eine Armee, die ihre bevorstehende Kapitulation durch verbrannte Erde vorbereitet.

Die Geschichte wird die Revolution von 1989 als ein herausragendes Ereignis einordnen, dass sowohl bezüglich der gewaltlosen politischen Kultur, in der es ablief, als auch in der Reichweite seiner Wirkung von Berlin bis Wladiwostok und schließlich auch in Bezug auf die erreichten Ziele in der Zeit des nachrömischen Europa einzigartig und in seiner Wirkung durchgehend positiv zu beurteilen ist. Die Geschichte wird feststellen, dass die Einzigen, die dieses Ereignis mit ihrer narzisstischen Gekränktheit besudelten, die westdeutschen Linken und ihre journalistischen Sprachrohre waren. Und daß ihnen der Neid des verdatterten Zaungastes, der sich eingestehen muss, dazu nichts beigetragen sondern ausschließlich im Wege gestanden zu haben, den Versand und die Urteilskraft raubte. Um die heutige Rolle der deutschen Medien zu verstehen, muss man dies beachten.

Die Jahre bis 1998 waren großartige, elanvolle und ereignisreiche Jahre. Täglich sah man, wie sich aus dem alten Grau der DDR, den zerbröckelten Straßen, dem Gestank nach Zweitaktgemisch und Braunkohle eine neue Welt herausschälte: Blühende Landschaften. In einer Geschwindigkeit, die wohl niemand für möglich gehalten hat, der die seit zwanzig Jahren vor sich hinsiechende Bausubstanz, die nicht vorhandenen Handwerker den allgemeinen Mangel und den täglichen Zwang zu immer abenteuerlicheren Improvisationen beobachtet hatte. Und man sah auf dem Bildschirm Oskar Lafontaine, der für alles nur gehässige Bemerkungen und galliges Gelächter übrig hatte. Und mir hielt man gefühlte tausende Male ein Mikrofon vor die Nase und wollte wissen, was alles bei der Wiedervereinigung schief gegangen sei und wandte sich schnell jemand Anderem zu, wenn ich sagte, dass es sehr viel besser nicht hätte verlaufen können.

Mit Angelas Kanzlerschaft verband ich große Hoffnungen. Es war beeindruckend, wie sie Schröder rhetorisch die Stirn bot. Ich hatte sie als Umweltministerin in Gorleben erlebt und war schlichtweg beeindruckt, weil ich wusste, was es bedeutet, einer vor Aggressivität kochenden Mengen gegenüber Contenance zu bewahren und Rückgrat zu zeigen. Auf dem Leipziger Parteitag 2003 wurden die Vorschläge der Herzog-Kommission zur Gesundheitsreform angenommen. Die Rede von Friedrich Merz wurde mit Ovationen aufgenommen. Was wir nicht ahnten: Der Leipziger Parteitag sollte einer der letzten großen ordnungspolitischen Lebenszeichen der CDU gewesen sein.

Zuerst unmerklich, aber mit der Zeit immer zwingender, bauten sich nun die eingangs beschriebenen Missstände auf. An all diesen Entwicklungen war die CDU maßgeblich beteiligt. Ich begriff erst nach und nach was die Unaufhaltsamkeit dieses fatalen Prozesses ausmachte. Ein durchgehendes Kennzeichen der Ära Kohl war gewesen, dass Helmut Kohl von Beginn bis zum Ende seiner Amtszeit gegen die tonangebenden Medien regiert hat. Kohl revanchierte sich gegen deren herablassende Aggressivität seiner Person und seiner Partei gegenüber, indem er diese Medien ignorierte. Kohl war deshalb zu keinem Augenblick mediengesteuert (was natürlich nicht hieß, dass er sich nicht wohlkalkuliert in der medialen Öffentlichkeit zu bewegen verstand).

Angela Merkel regierte vom ersten bis zum letzten Tag ihrer Kanzlerschaft nicht gegen sondern im Bunde mit diesen eben beschriebenen Medien. In dem Maße, wie sie die CDU eigentlich nicht mehr brauchte, da es in einer großen Koalition auf dreißig Stimmen gegen sie im Regierungshandeln nicht ankam, verstärkte sich dieser Trend. Sie tat, was die Medien – und hier besonders die öffentlich rechtlichen – von ihr erwarteten, pflegte zu den Damen Springer und Mohn ein enges Verhältnis, sammelte eine ihr ergebene Entourage um sich und war von nun an unantastbar. Sie verwandelte medienkonform die CDU in eine linke und grüne Partei. Zwar verblieb in ihr eine starke konservative Basis, die aber gegen die mittlere und obere Funktionärsschicht ohne Machtperspektive blieb und obendrein in dem Maße an Stärke abnahm, indem die Austritte (Begründung: wegen Merkel) und die Eintritte (Begründung: wegen Merkel) zunahmen und das Mitgliederspektrum grundlegend nach links und grün verschoben, so dass Friedrich Merz heute mit seinem bürgerlich-liberalen Profil gezwungen ist, auf den Merkel- Flügel Rücksicht zu nehmen, der obendrein in der Fraktion die Mehrheit stellt.

Zudem hat Angela Merkel durch das so entstandene Identifikationsloch mittelbar die AfD geschaffen. Diese Partei ist komplett desavouiert, wozu sie auf dem Weg von Lucke nach Höcke reichlich selber Anlass gegeben hat. Sie fungiert heute gemeinsam mit Sahra Wagenknecht, Michael Kretschmer und diversen SPD-Funktionären aus dem Dunstkreis von Gerhard Schröder faktisch als Lautsprecher der strategischen Interessen des Kreml. Dies macht sie unwählbar. Sie ist ohne Machtperspektive, zieht jedoch zwanzig Prozent der Wähler auf sich. Diesen Wählern ist es in der Regel egal, ob die Ukraine fortexistiert oder ausgelöscht wird, sie sehen sich von den eingangs erwähnten Missständen bedroht, erwarten von den Parteien, die diese Missstände verursacht haben, keine Abhilfe, halten die Dämonisierung der AfD für übertrieben und deuten sie als Ausdruck der Existenzangst anderen Parteien.

Wollte die CDU einen entschlossenen Kurswechsel vollziehen, so müsste sie zunächst selbst zugeben, in der Ära Merkel all diese Probleme geschaffen zu haben, die zu beseitigen sie nun anheben wolle. Sie müsste zu Grundüberzeugungen zurückfinden, die sie bis in die Nullerjahre hinein einmal prägten und die sie unter Merkel aufgegeben hat. Sie müßte auch dann zu diesen Positionen zurückfinden, wenn dies heute Positionen der AfD sind. Wir sind deshalb wieder bei dem eingangs erwähnten Arzt, dem zugemutet wird, seine Irrtümer einzugestehen und seine Therapie zu ändern. Dies wird in der Politik nicht geschehen und zwar deshalb, weil es völlig ausgeschlossen ist, dies einerseits zu tun und andererseits politisch am Leben zu bleiben – und zwar nicht weil die Wähler einen solchen Kurswechsel nicht goutierten, sondern weil die strikt links und grün gepolten Medien im Lande alle Magazine auf Jede leerschössen, der die von diesen Medien aufgestellten Wegweiser in die politische und wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit Deutschlands, die zahllosen linksgrünen Geßlerhüte, einsammelt, anstatt sie täglich zu grüßen.

Deshalb ist der archimedische Punkt zur Veränderung in Deutschland die mediale Wirklichkeit. Und hier besonders die Abschaffung der Lordsiegelbewahrer der Geßlerhüte, des öffentlich- rechtlichen Medienimperiums aus 9 Landesmedienanstalten, der Deutschen Welle, dem ZDF und dem Deutschlandfunk.