Das Parfum der Liebe - Hanna Caspian - E-Book

Das Parfum der Liebe E-Book

Hanna Caspian

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Beschreibung

Eine Liebe, so unerwartet wie der betörende Duft einer unscheinbaren Blüte - ein zauberhafter Liebesroman in verführerischer Kürze von Bestseller-Autorin Hanna Caspian 1904 ist Ecuador von Dresden aus gesehen das Ende der Welt – und der perfekte Ort für die junge Viola, um zwischen kargen Hochplateaus und üppigem Regenwald ihre verpatzte Verlobung zu vergessen. Auf einer Hacienda lernt sie den Hamburger Adrian kennen, der das Land auf der Suche nach neuen Düften für die Parfümherstellung durchstreift. Ihr erstes Treffen verläuft nicht gerade glücklich, und Viola kann nicht umhin, Adrian für einen reichen Schnösel zu halten. Doch die Düfte exotischer Blüten und schwerer Hölzer nehmen sie mehr und mehr gefangen – ebenso wie Adrian, der jedoch nicht ganz ehrlich zu ihr ist … Bestseller-Autorin Hanna Caspian einmal in kürzerer Form und mit einem exotischen Thema - unwiderstehlich!

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Seitenzahl: 163

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Hanna Caspian

Das Parfum der Liebe

Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Eine Liebe, so unerwartet wie der betörende Duft einer unscheinbaren Blüte - ein zauberhafter Liebesroman von Bestseller-Autorin Hanna Caspian

 

1904 ist Ecuador von Dresden aus gesehen das Ende der Welt – und der perfekte Ort für die junge Viola, um zwischen kargen Hochplateaus und üppigem Regenwald ihre verpatzte Verlobung zu vergessen. Auf einer Hacienda lernt sie den Hamburger Adrian kennen, der das Land auf der Suche nach neuen Düften für die Parfümherstellung durchstreift. Ihr erstes Treffen verläuft nicht gerade glücklich, und Viola kann nicht umhin, Adrian für einen reichen Schnösel zu halten. Doch die Düfte exotischer Blüten und schwerer Hölzer nehmen sie mehr und mehr gefangen – ebenso wie Adrian, der jedoch nicht ganz ehrlich zu ihr ist …

Inhaltsübersicht

Hacienda in Ecuador, April 1904

Regenwald & Hacienda

Hacienda vormittags

Hacienda nachmittags

Hacienda

Cotopaxi & Hacienda

Hacienda

Hacienda in der Nacht

Hacienda

Hacienda

Quito

Hacienda in Ecuador, April 1904

Viola steckte die vier dicht beschriebenen Seiten zurück in den Umschlag. Ännchen, ihre Schwester, hatte ihr geschrieben. Der Brief hatte bereits auf sie gewartet, als sie vorgestern Abend auf der Hacienda angekommen waren. Er hatte einen langen Weg hinter sich. Diese Hacienda war eine der wenigen Unterkünfte gewesen, die schon vor ihrer Abreise festgestanden hatten. Deswegen war der Brief hierher adressiert. Viola hatte den Brief nun schon fünf Mal gelesen.

Ich bin Clemens begegnet. Er schien recht unglücklich zu sein, schrieb Ännchen. Clemens hatte also unglücklich gewirkt. Recht so. Ärgerlich nahm Viola den Umschlag und schmiss ihn in ihren Reisekoffer. Sie wollte nicht beständig darauf starren. Diese Reise war ihre Chance, auf andere Gedanken zu kommen. Die frische Seeluft des Atlantischen Ozeans hatte ihr die unglücklich verstrickten Gedanken aus dem Kopf gepustet.

Vor dem facettierten Spiegel der Kommode sitzend, steckte sie sich eine verschwitzte Haarsträhne fest. Meine Güte, war das schwül! Dabei war es schon seit einer Stunde dunkel. Hier am Äquator versank die Sonne pünktlich um sechs Uhr. Doch noch immer rann ihr der Schweiß den Nacken herunter. Sie stand auf und tupfte sich mit dem Wasser aus der Waschschüssel ab. Aus dem Reisekoffer holte sie ihr Kölnisch Wasser hervor. Viola gab je einen Spritzer auf Hals und Dekolleté und zog die schwere Holztür ihres Zimmers ins Schloss.

Alle Räume im oberen Stockwerk der Hacienda gingen auf eine Galerie, in deren Mitte eine opulent verzierte Treppe ins Erdgeschoss führte. Überall standen Blumentöpfe mit blühenden Begonien, Farnen, ja sogar kleine Palmen säumten ihren Weg zur Treppe. Die Keramikfliesen, über die sie schritt, waren ebenso bunt schillernd wie die Blumenpracht.

Ecuador schien nichts von vornehmer Zurückhaltung zu halten. Alles war ausufernd, überbordend und farbenprächtig. Die Natur schien in einem Wettstreit darüber zu sein, welche Blumen die größten Blüten hervorbrachte, welche Pflanze das satteste Grün hinbekam und mit welcher protzenden Farbspielerei sie noch die Welt verzaubern konnte. Viola konnte sich gar nicht daran sattsehen. Erst hier hatte sie die Leidenschaft von Onkel Nepomuk begreifen können.

Unten angekommen, wurde sie schon vom Duft nach gebratenem Fleisch angelockt. Im Garten stand ein großer Pavillon, in dem bei warmem Wetter gespeist wurde. Als Viola nun Richtung Gartentür ging, hörte sie bereits Stimmen. Es war eine wunderbar romantische Atmosphäre. Lampions erleuchteten den Weg zum Pavillon. Nur die wenigen Stufen, die vom Haus hinaus in den Garten führten, lagen im Dunkeln. Aber sie kannte den Weg bereits. Saß Onkel Nepomuk schon an der Tafel? Der Arme konnte sich ohne sie kaum unterhalten.

Schwungvoll nahm sie die Treppe. Auf der untersten Stufe trat sie auf etwas, das wegrutschte. Und sie rutschte mit. Mit den Händen versuchte sie, den Sturz zu dämpfen. Ein lauter Schrei entfuhr ihrem Mund, eher vor Überraschung als vor Schmerz. Gleichzeitig ging etwas klirrend zu Bruch. Sie vermutete Glas oder Porzellan.

Etwas benommen sammelte sie sich. Die Handflächen taten weh und auch ein Handgelenk, ansonsten schien alles in Ordnung zu sein. Himmel, das war aber noch mal gut gegangen! Sie sah sich um. Nur dieser Treppenbereich lag im Dunkeln. Und ausgerechnet hier, oder vermutlich gerade deswegen, war sie gestürzt.

Plötzlich breitete sich ein Geruch aus. Erst roch es lieblich. Doch dann wurde der Duft immer intensiver. Unfassbar durchdringend. Als wäre sie in ein Becken voller Parfum gefallen. Noch immer auf dem Boden sitzend, suchte sie nach der Quelle. Im schwachen Mondschein erkannte sie ein Kästchen. Wer hatte das ausgerechnet hier im Dunkeln auf die Stufen gestellt?

»Señorita? Está herido?« Jemand fragte, ob sie sich verletzt hatte. Señora Espinosa, die Besitzerin der Hacienda, eilte bereits mit einer Laterne zu ihr. Doch während die Dame des Hauses sich zu ihr herunterbeugte, schimpfte hinter ihr plötzlich jemand in derbem Deutsch.

»Um Gottes willen, mein Kasten! Das darf doch nicht wahr sein.« Schon kniete sich ein Kerl nieder, aber nicht etwa, um ihr aufzuhelfen. Barsch packte er die Laterne der Señora und zog sie zu sich heran. Viola konnte sein Gesicht kaum erkennen, denn er schaute in die andere Richtung.

Er stellte die Laterne neben dem Holzkasten ab, der offen stand. Übervorsichtig holte er einzelne Glasfläschchen hervor, begutachtete sie und stellte sie zurück in die einzelnen Unterteilungen. Ein Fach jedoch war leer. »Verflucht noch einmal. Das kann doch nur … Oh, verdammt. Ausgerechnet die Tuberose!« Nun drehte er sich zu ihr hin. »Can’t you be careful?«, bellte er Viola aufgebracht an.

Sie hörte wohl nicht recht. »Ich?! … Ich soll aufpassen? … Sie haben doch diesen blöden Kasten im Dunkeln abgestellt«, verteidigte sie sich wütend. Statt ihr zu helfen, schimpfte der Kerl noch mit ihr.

Das Gesicht des Menschen lag im Dunkeln. »Sie sind Deutsche?!«

»Allerdings. Und es tut mir sehr leid, dass etwas kaputtgegangen ist. Aber da sind Sie wirklich selber schuld. Ich hätte mir sonst was brechen können.«

»Sie hätten doch aufpassen können.«

»Wieso sollte ich auf die Idee kommen, dass jemand eine so blödsinnige Idee hat, sein Zeug auf eine finstere Treppe zu stellen?«

Der Kerl grummelte irgendetwas in sich hinein, aber sah wohl ein, dass ohnehin alles verloren war.

»Was ist das überhaupt? Was stinkt denn hier so?« Der süßliche Duft hatte sie vollkommen umhüllt. Er war süß, aber extrem penetrant. Einfach viel zu intensiv.

»Das, mein Fräulein, ist eine Phiole mit einem der teuersten Öle der Welt, das man für Parfum nutzen kann. Und Sie haben sie kaputt gemacht.« Seine Stimme schwang zwischen Ironie und Zorn.

Was für ein unverschämter Kerl, dachte Viola. »Wenn sie wirklich so kostbar wären, Ihre Öle«, sagte sie mit betont ungläubiger Stimme, »dann würden Sie so was doch sicher nicht irgendwo so rumstehen lassen.«

»Ich bin gerade erst angekommen. Und ich musste noch andere Dinge, die ebenfalls teuer und kostbar sind, von meinen Maultieren schnell in Sicherheit bringen.« Er klang äußerst wütend.

Der Blick von Señora Espinosa wechselte zwischen Viola und dem Neuankömmling. Natürlich verstand sie kein Deutsch. Sie fragte Viola auf Spanisch, ob sie aufstehen könne, und reichte ihr eine Hand. Etwas, was ein Gentleman schon längst getan hätte.

Viola stand auf. Der Sturz war nicht schlimm gewesen. Der Schreck, ins ungewisse Dunkle zu fallen und hart auf der Erde aufzukommen, war deutlich größer gewesen. Sie bedankte sich und trat einen Schritt zurück.

Der Neuankömmling kniete noch immer auf dem Boden. »Dann seien Sie wenigstens jetzt vorsichtig. Hier liegen überall Scherben.«

»Also wirklich …«, gab Viola empört von sich. Wie unverschämt, ihr die Schuld zu geben. »Und Sie sollten sich besser um Ihre anderen kostbaren Dinge kümmern, bevor Sie noch mehr Menschen zu Fall bringen und sich am Ende noch jemand das Genick bricht.«

Sein zorniger Blick, soweit sie es in dem schwachen Schein der Laterne erkennen konnte, wanderte über sie und blieb unten an ihrem Kleid hängen. Sie folgte seinem Blick.

»Ach … verdammt.« Sie griff nach unten. Der Saum ihres Kleides war aufgerissen. »Das auch noch. Das ist mein bestes Kleid!«, sagte sie in einem etwas jammernden Ton.

»Das ist Ihr bestes Kleid?!«

Viola schnappte nach Luft. Wie unfreundlich. Wie … Schlagartig fühlte sie sich unbehaglich. Mal wieder wurde sie für nicht wert genug befunden. Eigentlich war sie um die halbe Welt gereist, um diesem Urteil zu entgehen. Und dann kam dieser impertinent freche Kerl her und beleidigte sie.

»Sie entschuldigen. Ich muss …« Ihr Blick sprühte vor Wut. Ihr Blick fiel auf ihre aufgeschürften und mit Erde verschmutzten Hände. »… mich säubern.« Sie drehte sich um und ging, ja, stürmte geradezu die Treppe hoch.

In ihrem Zimmer angekommen, war sie den Tränen nahe. Sie so zu beleidigen. So unverschämt. Es war doch ganz klar seine Schuld. Und wie sie stank! Wie ein Parfumladen.

Eine blaue Petroleumlampe stand in einer kleinen Wandnische neben der Eingangstür, zusammen mit einer Schachtel Streichhölzer. Viola entzündete die Lampe und wusch sich die aufgeschürften Hände. Nach dem Essen würde sie den Onkel um etwas Salbe bitten. Schlimmeres war nicht passiert, ihr zumindest nicht. Aber das Kleid … nicht nur der Saum war zerrissen. Auf der Rückseite entdeckte Viola nun einen fettigen Fleck. Das konnte nur das kostbare Öl sein, das ausgelaufen war. Mochte ja sein, dass das Zeug furchtbar teuer war. Aber es stank auch penetrant.

Was sollte sie nun tun? Um es auszuwaschen, blieb keine Zeit. Und alle anderen Kleidungsstücke hatte sie gestern zum Waschen gegeben. Wohl oder übel nähte sie mit ungeübten Stichen den Saum wieder fest. Dann ging sie hinunter.

Der süßliche Geruch schwebte durchs Haus. Vermutlich roch bereits das ganze Tal nach dem Zeug. Sie strich sich ihr Kleid glatt. Der Fleck war nicht zu kaschieren. Aber bei dem schummrigen Licht würde ihn hoffentlich niemand sehen, wenn sie den Pavillon betrat. Bestimmt warteten schon alle mit dem Essen auf sie. Sie sollte nicht länger herumtrödeln. Onkel Nepomuk saß immer einsam unter all den anderen. Er konnte weder Englisch, um sich mit den anderen Hausgästen zu unterhalten, noch beherrschte er Spanisch. Deswegen hatte er sie mitgenommen, weil sie sprachlich begabt war.

Viola trat durch das Moskitonetz, das den gesamten Pavillon umgab. In den Ecken hingen Laternen, und auf der langen Tafel brannten einige Kerzenleuchter. Alle saßen schon an ihren Plätzen. Die Ehepaare Humphreys und Brodys aus Kalifornien machten hier Urlaub. Auch bei den zwei Naturforschern aus Dänemark, die nur leidlich gut Englisch sprachen, fungierte Viola als Übersetzerin. Mit den Dänen gelang ihr nur eine radebrechende Unterhaltung, begleitet von viel Achselzucken und gelegentlichen lustigen Missverständnissen. Die letzten zwei Abende waren äußerst anstrengend gewesen. Doch das war ihr einerlei. Der Onkel hatte sie quasi gerettet. Sein Angebot hätte wohl zu keiner Zeit passender kommen können. Und wie rücksichtsvoll er gewesen war. Er hatte sein Angebot, ihn nach Ecuador zu begleiten, aussehen lassen wie einen Gefallen ihrerseits. Weil sie eben alle für die Reise erforderlichen Sprachen beherrsche und zudem eine ausgezeichnete Zeichnerin sei. Er brauche jemanden, der die Pflanzen und Blüten für ihn zeichnete. Alle seine Sammelobjekte konnte er schließlich nicht im Herbarium mit nach Hause bringen.

Das entsprach tatsächlich alles der Wahrheit. Onkel Nepomuk redete schon seit Jahren von seiner großen Reise. Doch dass Viola ihn begleiten solle, darüber hatte er vorher noch nie ein Wort verloren. Eine Seereise um die halbe Welt, vorbei an den feinen Sandstränden der Karibik und Südamerikas und dann in die Andenregion Ecuadors. Kulinarische Eskapaden und andere Abenteuer inbegriffen. In ihrem ganzen Leben würde sie es ihm nicht zurückzahlen können, was sie ihm für diese großzügige Geste schuldete. Deswegen nahm sie es mit Freuden auf sich, für ihn immer und jederzeit die Übersetzerin zu spielen.

Als sie nun den Pavillon betrat, sah sie, dass Onkel Nepomuk sich bereits angeregt unterhielt. Es konnte niemand anderes sein als der unverschämte Kerl von vorhin. Um Himmels willen, er saß direkt neben ihrem Onkel. Und soweit sie es beurteilen konnte, schienen sie sich ausgezeichnet zu verstehen. Viola trat näher.

»Da bist du ja endlich. Wir haben einen neuen Gast. Aus Deutschland sogar«, sagte Onkel Nepomuk hocherfreut. »Das ist Adrian de Vries aus Hamburg.«

Adrian de Vries stand auf und nickte ihr leicht zu. »Dann sind Sie also die Nichte«, sagte er mit einem enttäuschten Unterton.

»So ist es«, gab sie knapp zurück. In seinen Augen spiegelte sich das flackernde Licht der Kerzen. Es sah aus, als würden sie vor Zorn sprühen.

Plötzlich richtete sich ihr Onkel in dem Korbsessel auf. »Was riecht denn hier so?«

Viola seufzte laut. Auch die anderen Gäste schauten etwas irritiert. Eilig erklärte Viola den kleinen Unfall auf Englisch. Dann richtete sie das Wort an ihren Onkel. »Unser neuer Gast hat leider einen Kasten mit Parfumfläschchen im Dunkeln auf die Treppe gestellt. Ich bin darüber gefallen. Eins von den Parfumfläschchen ist kaputtgegangen.«

»Oh. Das ist aber schade«, sagte Onkel Nepomuk nur und nippte an seinem Wein.

»Mein Kleid hat ein wenig davon abbekommen. Leider konnte ich mich nicht umziehen, denn alle meine anderen Kleider sind noch in der Wäsche«, erklärte sie ergänzend.

»Es war kein Parfum«, erklärte de Vries säuerlich. »Es war ein sehr teurer Rohstoff, aus dem Parfum gemacht werden kann. Das Öl der Tuberose. Was Sie da kaputt gemacht haben, ist bestimmt … mehrere Hunderte Reichsmark wert. Und unendlich viel Arbeit.«

Schlagartig wurde ihr anders. Viola musste heftig schlucken. Mehrere Hunderte Reichsmark? Das kleine Fläschchen? Hoffentlich kam de Vries nicht auf die Idee, Geld dafür zu verlangen. Onkel Nepomuk hatte sich für sie schon genug in Unkosten gestürzt.

Doch der Kerl war noch nicht fertig mit seinen Anschuldigungen. »Der Fleck hat vermutlich den Wert Ihres besten Kleides verzehnfacht.«

Sie schnappte nach Luft. Was für eine unverfroren unverschämte Bemerkung! Das würde sie nicht auf sich sitzen lassen. »Sie haben es doch an uneinsehbarer Stelle hingestellt, ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass ich oder jemand anderes sich das Genick brechen könnte.«

»Ich wollte doch nur …« Offensichtlich war Adrian de Vries zu wütend, um den Satz zu beenden. Er spülte seinen Ärger mit einem großen Schluck Wein herunter.

Resolut setzte sie sich und goss sich Wein in ihr Glas. Onkel Nepomuk schaute verdutzt zwischen ihnen beiden hin und her. Eine unangenehme Stille herrschte am Tisch. Auch die anderen Gäste hatten das Wortgefecht mitbekommen. Wütend trank Viola einen großen Schluck. War es der starke Wein, die schwüle Hitze oder dieser durchdringende süßliche Geruch? – Sie fühlte sich wie benebelt. Ihre Hände zitterten, so aufgebracht war sie.

Just in diesem Moment kam Señora Espinosa, gefolgt von zwei Küchenmädchen. Beide trugen Suppenterrinen. Es gab Locro de papa, eine Kartoffelsuppe mit Käse.

»Hoffentlich gibt es nicht schon wieder Kartoffeln oder Mais oder Kochbananen als Hauptgericht«, sagte Viola.

»Was haben Sie gegen Kartoffeln und Mais? Ist Ihnen das nicht fein genug?«

Meine Güte, dieser Kerl war wirklich die Pest. »Ich glaube, ich habe seit drei Wochen nichts anderes gegessen als Kartoffeln und Mais. Oder Fleisch mit Kartoffeln. Oder Fleisch mit Kochbananen. Ich hätte nur gerne etwas mehr Abwechslung auf meinem Speiseplan«, gab sie giftig zurück.

Onkel Nepomuk zog überrascht die Augenbrauen hoch. Viola wusste, so kannte er sie nicht. So schnippisch. Umso freundlicher wandte er sich an den neuen Gast, glücklich, ohne Übersetzerin mit einem anderen Menschen reden zu können.

»Was führt Sie nach Ecuador?«

»Berufliche Gründe«, sagte de Vries knapp. Doch dann, als ihm aufging, dass er wohl unangemessen unfreundlich zu seinem Tischnachbarn gewesen war, ergänzte er mit ruhiger Stimme: »Meine Familie besitzt ein Unternehmen, das Parfum, Seifen und Cremes herstellt.«

»Ausgezeichnet. Ich stelle selber Cremes her. Also eher Salben. Aber auch Tinkturen. Ich bin Apotheker. Meine Salben sind natürlich weniger für die Verschönerung gedacht als für Heilungen.«

»Dann sammeln Sie auch Blumen und Blüten? Und bestimmen sie? Und klassifizieren sie?«, fragte der unverschämte Kerl begeistert.

»So ist es. Ich bilde mir natürlich nicht ein, eine neue Heilpflanze entdecken zu können. Aber ich bin ein großer Verehrer von Alexander von Humboldt. Es war immer mein Traum, eine Reise auf seinen Spuren in Südamerika zu unternehmen. Und nun ist es endlich so weit.«

Viola lächelte Onkel Nepomuk an. Ja, so war er: überaus begeisterungsfähig. Was immer mit Blumen und Blüten und Pflanzen zu tun hatte, war sein Element. Er war ein herzensguter Mann, ein ausgezeichneter Apotheker und betrieb mit Leib und Seele sein Hobby als Botaniker. Seine Frau, Tante Minchen, war vor fünfzehn Jahren gestorben. Seitdem begnügte Onkel Nepomuk sich mit einem Dasein als Witwer.

»Waren Sie schon in Quito?«, fragte Adrian de Vries.

»Nein, die Hauptstadt ist unser nächstes Ziel.«

»Machen Sie von dort einen Abstecher nach Pallajacta, zu den Thermalquellen. Es ist einfach ganz wunderbar.«

»Wirklich? Hörst du, Viola? Thermalquellen.«

Viola nickte und nippte an ihrem Wein. Sie hatte wirklich keine Lust, sich mit dem neuen Gast zu unterhalten. Er hatte ihr die Laune gehörig verhagelt. Wie er sich über ihr bestes Kleid ausließ. Als wäre er was Besseres.

Ihre beiden Gegenüber unterhielten sich weiter über ihre Reisepläne. Adrian de Vries war über Venezuela aus Kolumbien gekommen und hatte schon etliche Orte hinter sich, die noch auf ihrer Reiseroute lagen. Dann sprachen sie über die Rey de los Andes, die Allee der Vulkane, wie die über zwanzig feurigen Giganten, die sich hier wie an einer Kette aneinanderreihten, auch genannt wurden. Und rund um ihre Abhänge lag die fruchtbarste Erde. Diese Gegend hier war eins der artenreichsten Fleckchen Erde der Welt – ob man nun die Flora oder die Fauna betrachtete. Die beiden Männer steigerten sich in ihre Begeisterung für ihre bisherigen Erkundigungen hinein. So ausgelassen und glücklich hatte sie Onkel Nepomuk schon lange nicht mehr gesehen.

»Hören Sie, ich kann verstehen, wenn Sie erst einmal einen Tag ausruhen wollen. So machen wir es. Einen Tag reisen, einen Tag ausruhen. Und Sie sind gerade erst angekommen. Aber wenn es Ihnen nicht zu viel ist, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen.«

Viola schwante Böses.

»Wie wäre es, wenn Sie mich morgen begleiten? Wir machen einen Abstecher zu den Ausläufern des Regenwaldes.«

»Aber sehr gerne sogar«, nahm Adrian de Vries das Angebot an.

»Es dürfte kein großes Problem sein, noch Proviant für einen weiteren Teilnehmer einzupacken. Viola, bist du so nett und sagst nachher der Köchin Bescheid?«

»Aber natürlich.« Sie musste sich bemühen, sich ihren Widerwillen nicht anmerken zu lassen. Onkel Nepomuk war voller Freude, sich endlich mit einem Fachmann der Botanik austauschen zu können.

»Ich habe einen lokalen Führer dabei, der sich auskennt. Und wir nehmen ein Pack-Maultier mit. Es wird also nicht allzu anstrengend.«

Adrian de Vries drehte sein Weinglas in den Händen und sah Viola an. »Dann hat die junge Dame ja alle Zeit der Welt, um den kleinen Schaden an ihrem besten Kleid beheben zu können.«

Ihre Hände ballten sich unter dem Tisch zu einer Faust. Unfassbar, dieser Kerl. Was dachte er wohl, wen ihr Onkel mit wir meinte? Die Maultiere? »Diese junge Dame …«, entgegnete Viola schnippisch, »gibt ihr Kleid gerne zum Waschen. Ich werde meinen Onkel natürlich begleiten. Wie immer.«

Adrian de Vries schaute verblüfft. »Sie kommen mit?«

»Aber selbstverständlich«, bejahte Viola seine Frage. »Oder haben Sie etwas dagegen?«

Der Mund blieb ihm offen stehen. »Sie nehmen mich auf den Arm. Sie trauen sich in den Regenwald?«

Viola schaute belustigt zu ihrem Onkel. Es war nicht das erste Mal auf ihrer Reise, dass man ihre Teilnahme an einem solchen Unternehmen skeptisch betrachtete. Halb Leipzig war sprachlos gewesen, als es die Runde machte, dass Viola Kleinbein ihren Onkel nach Südamerika auf Expeditionsreise begleiten würde.

Doch Onkel Nepomuk zuckte nur mit den Schultern. »Meine Nichte ist eine sehr patente junge Dame. Ich würde meinen, sie wandert und klettert besser als einige der hier anwesenden Herren.«

»Tatsächlich?« Ein ungläubiges Lächeln umspielte den Mund des Fragenden.

»Sie können sich ja morgen selbst ein Bild machen«, sagte Viola. »Und gehen Sie bald schlafen. Wir stehen recht zeitig auf.«

Der nächste Gang wurde aufgetragen. Viola lächelte süffisant, als sie den Inhalt der Schüsseln sah. Es gab gekochte Kartoffeln, warmen Maisfladen, Maniok, frittierte Bananenchips und Fleisch.