Das Personal- und Jahresgespräch - Hanns Eberhard Meixner - E-Book

Das Personal- und Jahresgespräch E-Book

Hanns Eberhard Meixner

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Beschreibung

Es wird mehr übereinander als miteinander kommuniziert. Hinzu kommt ein im Wandel zu beobachtendes Führungsfeld. Führung wird heute stärker hinterfragt und statt formaler Autorität muss die Führung nunmehr als Partner, Coach, Gesundheitsmanager und Sozialingenieur überzeugen und sich hinterfragen lassen. Führung muss sich heute zwischen Nähe und Distanz bewähren und steht so im Brennpunkt vieler Konflikte. Das Jahresgespräch ist für beide Interaktionspartner eine wertvolle Hilfe, um sich durch Kommunikation auf die gemeinsamen Ziele zu besinnen. Dieses Führungsinstrument fördert eine besondere Sensibilität für Fremd- und Selbstwahrnehmungsprozesse und stärkt somit ein respektvolles und wertschätzendes Arbeitsklima.

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Seitenzahl: 377

Veröffentlichungsjahr: 2022

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FÜR LAURA

Vorwort zur 2. Auflage

Das Buch ist 2005 in erster Auflage im Carl Heymann Verlag erschienen. Gleichwohl ist das Thema nach wie vor aktuell geblieben. Denn die Herausforderungen sind geblieben. Vor allem die Intensivierung der Arbeit erschwert die fachlich übergreifende Kommunikation und Corona hat auch hier ihre Spuren hinterlassen.

Es wird mehr übereinander als miteinander kommuniziert. Hinzu kommt ein im Wandel zu beobachtendes Führungsfeld. Führung wird heute stärker hinterfragt und statt formaler Autorität muss die Führung nunmehr als Partner, Coach, Gesundheitsmanager und Sozialingenieur überzeugen und sich hinterfragen lassen. Führung muss sich heute zwischen Nähe und Distanz bewähren und steht so im Brennpunkt vieler Konflikte. Das Jahresgespräch ist für beide Interaktionspartner eine wertvolle Hilfe, um sich durch Kommunikation auf die gemeinsamen Ziele zu besinnen. Dieses Führungsinstrument fördert eine besondere Sensibilität für Fremd- und Selbstwahrnehmungsprozesse, und stärkt somit ein respektvolles und wertschätzendes Arbeitsklima.

Bonn im Mai 2022 Hanns-Eberhard Meixner

Vorwort

Das Mitarbeiter- bzw. Jahresgespräch ist die logische Konsequenz auf ein geändertes Führungsfeld. Was früher an verbindender Kommunikation über Weihnachtsfeiern, Betriebssportgruppen, Geselligkeiten u. ä. ablief, ist heute nicht zuletzt durch die Verdichtung der Arbeit zu einem Mangel geworden. Dieser Trend zeichnet sich schon seit längerem ab und einige Verwaltungen haben bereits in den 80er Jahren auf dieses Führungsinstrument gesetzt.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass ein verordnetes Mitarbeiterbzw. Jahresgespräch abschreckt und ins Leere läuft. Bei diesem sensiblen Führungsinstrument kommt es darauf an, dass die Einstellung aller daran Beteiligten stimmt. Das Mitarbeiter- bzw. Jahresgespräch (MG) hat nichts zu tun mit „Sozialklimbim“. Auch sollten in diesem Gespräch nicht Themen ständig neu und ohne Konzeption wieder und wieder wie ein Rührpudding unverbindlich bewegt werden. Auf dieses Weise würden die eigentlichen Anliege sehr schnell und „nachhaltig“ zerredet.

Es geht in diesem Gespräch vor allem um das Aussteuern von Selbst- und Fremdbild – sowohl des Mitarbeiters, wie aber auch das der Führung-, es geht um eine kritische Bestandsaufnahme des gemeinsamen Beziehungsgeflechtes, und es geht um ein individuelles Fördern und Fordern. Insoweit bietet das MG die Chance, dass zwei gleichberechtigte Gesprächspartner über sich selbst und die Wirkung ihres Verhaltens reflektieren. Das geht natürlich nur, wenn ein Klima der Nähe, der Offenheit, des Vertrauens und des Vertraut-Sein zwischen den beiden Gesprächspartnern angestrebt wird oder bereits besteht. Und eine weitere wichtige Voraussetzung muss gegeben sein: Es dürfen auch Gefühle gezeigt werden! Das ist eine Abkehr von der Devise „Indianer heulen nicht!“ Gefühle gehören zum Leben – und sie sollten in diesem Gespräch auch zugelassen werden. Sie sind die Säule der Empathie und setzen auf die emotionale Intelligenz. Das ist nicht leicht in einem Berufsfeld, in dem täglich gefordert wird, Gefühle unter Kontrolle zu halten.

Selbstreflektion hat vor allem etwas mit sozialer Kompetenz zu tun. Soziale Kompetenz wird heute als Baustein einer überzeugenden Führung immer artikulierter eingefordert. Ohne soziale Kompetenz können indes komplexe soziale Systeme nicht funktionieren. Daher liegt die Vermutung nahe, dass soziale Kompetenz in Organisationen schon immer einen wichtigen Part gespielt hat. Offensichtlich hat sich das, was einmal selbstverständlich war, zu einem Mangel entwickelt und muss nun neu artikuliert werden. Soziale Kompetenz wird vor allem auch im MG gefordert und gefördert. Viele Führungskräfte wissen dies und handeln danach. So gesehen, bedarf es eigentlich keines angeordneten Jahresgespräches. Doch die tägliche Routine lässt manche Selbstverständlichkeit in den Hintergrund treten. Daher macht es durchaus Sinn, die Aufmerksamkeit durch die „Vorgabe der Jährlichkeit“ auf dieses Instrument zu lenken.

Auch das Mitarbeiter- bzw. Jahresgespräch hat so etwas wie einen Lebenszyklus. Einige Verwaltungen haben dieses Führungsinstrument vor Jahren mit einer hohen Euphorie eingeführt. Nach kurzer Zeit verlor sich diese Dynamik und nicht selten fehlt es nunmehr an Nachhaltigkeit. Daher ist heute in vielen Verwaltungen eine „Revitalisierung“ – besser wohl Reanimierung- dieses Führungsmittels angesagt. Dort, wo sich das MG über Jahre weiter entwickeln konnte, haben sich die ursprünglichen Intentionen des Vier- Augen Gespräches verschoben. Das MG der „Jugendphase“ setzt andere Akzente und Schwerpunkte als das der dann folgenden Durchgänge. Im den ersten Gesprächszyklen konzentrieren sich beide Gesprächspartner auf die persönlichen Bezüge. Auf dieser Basis baut das nächste Gespräch auf. Wer als Teamchef, wer als Mitarbeiter um diese Hintergründe des anderen informiert ist, braucht dies nicht im Gespräch ein weiteres Mal zu vertiefen. Vieles spricht daher dafür, dass sich der Akzent des Gespräches in Laufe der Jahre von dem Beziehungsaspekt hin zu den Verhaltens- und Sachzielen verlagert. Es kommt somit beim MG auf die Einstellung an. Aber ohne Gesprächstechniken geht es auch nicht. Wer mit Worten Brücken bauen will, weiß, dass alles seine Zeit hat: Dabei geht es um die Wahl der Worte wie auch die wohlüberlegte Abfolge der Argumente. Neben der Intuition ist daher auch Transpiration gefordert. Ohne Fleiß kein Preis: Eine erfolgreiche Kommunikation, die auf eine kontinuierliche Verbesserung setzt, baut auf den Säulen der einer umfassenden Vorbereitung und Nachbereitung.

Als Führungsinstrument ist das Mitarbeiter- bzw. Jahresgespräch mehr als nur ein organisiertes Gespräch zwischen zwei Menschen. Dieses Gespräch setzt auch eine Hintergrundorganisation voraus, die den Rahmen schafft für eine bessere Zusammenarbeit und ein gezieltes Fördern und Entwickeln.

Von diesen Zusammenhängen ist in diesem Buch die Rede.

Dieses Buch wäre ohne die Hinweise sowie die kritisch konstruktiven Anregungen der vielen Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmer, mit denen ich in den letzten Jahren auf Seminaren, Vorträgen und Workshops zu diesem interessanten Thema zusammenarbeiten konnte, nicht zustande gekommen.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine vergnügliche und anregende Lektüre.

Bonn im Februar 2005 Hanns-Eberhard Meixner

Inhalt

1. Auf dem Weg zu einer neuen Kommunikationskultur

1.1. Sprach- und Kommunikationsbarrieren überwinden

1.1.1. Die Sprachbarrieren in der Hierarchie

1.1.2. Die Sprachbarrieren im Team

1.1.3. Eine fehlende offene Kritikkultur

1.1.4. Die Tendenz der verdrängenden Harmonie

1.1.5. Der besondere Reiz des Übereinander Redens

1.1.6. Die selektive Wahrnehmung begünstigt einseitige Interpretationen

1.2. Brauchen wir ein »angeordnetes« Mitarbeitergespräch?

1.3. Charakteristische Merkmale eines institutionalisierten Mitarbeitergesprächs

1.4. Die inhaltliche Ausrichtung des Mitarbeitergesprächs

1.4.1. Verhaltensziele

1.4.2. Entwicklungsziele

1.4.3. Beziehungsfeld – auch »Das Murren an der Front«

1.4.4. Der gemeinsame Nenner der drei Bereiche

1.4.5. Wenn aus einem Mitarbeitergespräch ein Beurteilungsgespräch wird

1.5. Das Mitarbeitergespräch und weitere Feedbackinstrumente

1.5.1. Unterschiede zwischen dem Beurteilungs- und Mitarbeitergespräch

1.5.2. Platzierung statt Bestenauswahl

1.5.3. Charakteristische Merkmale des Mitarbeitergesprächs

1.6. Das Mitarbeitergespräch als System

1.6.1. Der Instrumententeil

1.6.2. Die Ablaufregelungen

1.6.3. Die Interaktionsebene

2. Das Mitarbeitergespräch als Führungsinstrument – Struktur und Ablauf

2.1. Die drei Verantwortungs- und Gestaltungsebenen eines Mitarbeitergesprächs

2.2. Verantwortungsbereich: Die Leitungsebene

2.2.1. Vorlauf- und Konzeptionsphase

2.2.2. Einführungsphase – Auf die Kleinigkeiten kommt es an

2.3. Die Führungs- und Teamebene

2.3.1. Flankierende Unterstützung und Einstimmung auf das neue Führungsinstrument

2.3.2. Die regelmäßige Teambesprechung zum Einstieg in das Mitarbeitergespräch nutzen

2.3.3. Unterstützende Einstimmung auf der Amtsleiter- und Abteilungsleiterbesprechung

2.3.4. Leitsätze der Personalentwicklung auf der taktischen Ebene

2.3.5. Vorbereitende Arbeiten im operativen Bereich auf der Teamleiterebene

2.3.6. Festlegen von Regeln für die Gesprächsführung

2.3.7. Immer wiederkehrende Fragen zum Ablauf

2.4. Die operative Ebene zwischen Teamleitung und Mitarbeiter

3. Techniken der Gesprächsführung

3.1. Der Gesprächszyklus: Wie packe ich es an?

3.1.1. Auf die Vorbereitung kommt es an!

3.1.2. Die Merksätze im Überblick

3.2. Techniken der Beeinflussung im Gespräch

3.2.1. Rhetorische Mittel der Beeinflussung: Überzeugen, Überreden und Einreden

3.2.2. Beeinflussungsfelder

3.2.3. Techniken der Selbstbeeinflussung: Wie beeinflusse ich mich selbst?

3.2.4. Feedback geben und Feedback annehmen

3.2.5. Was Menschen wollen: Sechs Eckpfeiler eines fairen Umgangs miteinander

4. Wie gehe ich an die Inhalte des Mitarbeitergesprächs heran? Die drei Themenbereiche des Mitarbeitergesprächs

4.1. Das Zielvereinbarungsgespräch am Beispiel der Verhaltensziele

4.1.1. Akzente setzen auf der Sachebene: Sachziele vereinbaren

4.1.2. Akzente setzen auf der sozio-emotionalen Ebene: Verhaltensweisen ändern

4.1.3. Die fünf Schritte zum Kontrakt: Auf Verhaltensweisen nachhaltig einwirken

4.2. Fördern und Entwickeln als integrativer Teil der Personalentwicklung

4.2.1. Entwickeln und Fördern im Rahmen eines Personalentwicklungs-Konzeptes

4.2.2. Entwicklungsziele am Arbeitsplatz umsetzen

4.2.3. Entwicklungsziele initiieren: Die Teamleitung als Coach

4.2.4. Fördern und Entwickeln: einige praktische Leitideen für die Teamleitung als Coach

4.3. Das Murren an der Front: Beziehungen klären

4.3.1. Auf der Suche nach den besonderen Stärken des anderen

4.3.2. Den blinden Fleck entdecken.

4.3.3. Innere Kündigung: Helfen und unterstützen

4.3.4. Tote Fische treiben lassen

4.3.5. Auf dem Weg von halbleeren zum halbvollen Glas

4.3.6. Beziehungen klären: Zwölf Schritte zum besseren Verständnis des anderen

Literatur

Personen- und Sachregister

1. AUF DEM WEG ZU EINER NEUEN KOMMUNIKATIONSKULTUR

Es wird in der Verwaltung – übrigens gleichermaßen auch in der Wirtschaft – zuviel übereinander und zu wenig miteinander gesprochen. Das hat viele Ursachen. Häufig dominiert die Hektik des Tagesgeschäftes und lässt nur wenig Raum, um grundsätzliche Aspekte der Arbeit sowie persönliche Belange des Arbeitsumfeldes zu thematisieren und mit den Mitarbeitern zu kommunizieren. »Es fehlt die Zeit!«, so hört man oft als Entschuldigung. Allerdings ist der Hinweis »Ich habe keine Zeit«, bei genauem Hinsehen ein Weichmacher – Argument. Diesem Argument fehlt es an Offenheit und Klarheit. Richtiger wäre der Hinweis: »Für mich sind andere Termine wichtiger! Ich habe andere Prioritäten gesetzt!«

In einer vernetzten Organisation gewinnt die Kommunikation auf allen Ebenen der Organisation an Bedeutung. An dieser Stelle setzen die Überlegungen zu einem formalisierten und institutionalisierten Dialog ein. Der Stellenwert und die Bedeutung der Kommunikation im Führungsfeld sind heute weitgehend unstreitig. Lee Iaccoca bringt es auf eine schlüssige, wenngleich auch etwas stark zugespitzte Formel:

»Die einzige Möglichkeit, Menschen zu motivieren, ist die Kommunikation.«

Insgesamt hat sich das Kommunikationsverhalten in Wirtschaft und Verwaltung in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Was früher ohne weitergehende Erklärungen und Erläuterungen funktionierte, bedarf heute eines erheblichen kommunikativen Aufwandes. An die Stelle einer aufgesetzten Autorität ist der Anspruch getreten, Anweisungen und Gebote auf ihre Zweckmäßigkeit und Berechtigung hin zu hinterfragen. Viele Berufsgruppen müssen daher mehr denn je neben ihren »Taten« auch durch Worte überzeugen. Die Anforderungen im Führungsfeld haben sich grundlegend verändert. Eine Antwort hierauf ist ein Mehr an Kommunikation, statt Anweisen steht heute das Überzeugen. Soziale Kompetenzen sind gefordert.

1.1. Sprach- und Kommunikationsbarrieren überwinden

Es ist ein zentrales organisations- und personalpolitisches Anliegen, die Sprach- und Kommunikationsbarrieren innerhalb einer Organisation zu überwinden. Solche Kommunikationsbarrieren sind in einer Organisation an vielen wichtigen Nahtstellen in großen, wie auch in kleineren Dimensionen zu beobachten:

1.1.1. Die Sprachbarrieren in der Hierarchie

Häufig kommt es in den Organisationen von Wirtschaft und Verwaltung zu Abgrenzungen innerhalb von Teams, zwischen den Teams und vor allem im Gefüge der Hierarchie. Erkennbar sind dann Frontstellungen in »Die da oben« und »Die da unten«.

Auf beiden Seiten finden sich dann weniger förderliche Formulierungen und damit auf Distanz ausgerichtete Einstellungen – wie etwa:

»Die da oben« sagen über »die da unten«:

Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen. Uns sagt doch keiner ehrlich, was Sache ist.

Was die da oben aushecken, erfahren wir doch erst, wenn wir vor vollendeten Tatsachen stehen.

Die da oben wissen doch überhaupt nicht, was hier unten tatsächlich läuft, was Sache ist!

Die da oben bedienen sich und wir hier unten müssen diese Zeche auch noch bezahlen.

Die da oben sollten sich doch einmal an das halten, was sie uns verkaufen wollen!

»Die da unten« sagen über »die da oben«:

Die da unten haben den Ernst der Situation immer noch nicht erfasst!

Die da unten interessiert doch gar nicht, worum es tatsächlich geht!

Die da unten haben noch immer nicht den Ernst der Lage erfasst!

Die da unten blocken doch jede vernünftige Idee ab!

1.1.2. Die Sprachbarrieren im Team

Sprachbarrieren sind auch häufig das Ergebnis von fehlender Offenheit. Wo es an Offenheit mangelt, fehlt es auch häufig an Vertrauen. Wo es aber an Vertrauen mangelt, fehlt es auch häufig an Initiative und Kreativität: Man traut sich nicht, da man misstrauisch ist! Diese Misstrauenskultur hat viele Gründe. Ein Grund ist sicherlich, dass es viele nicht gelernt haben, konstruktiv mit Kritik umzugehen. Mitunter sind die Gründe noch trivialer: Der Gesprächspartner erweist sich als beratungsresistent, kann nicht zuhören und/oder neigt zu ermüdenden Monologen. Aus dieser Gemengelage kann es geschehen, dass man sich auch wider besseres Wissen zurückhält und das Risiko meidet, als Betonkopf oder »ewig Gestriger« diskriminiert zu werden.

Ein beredtes Beispiel sind in vielen Verwaltungen die regelmäßig stattfindenden Dienstbesprechungen – auch Meetings genannt. Kommt es in der Besprechung zu dem Tagesordnungspunkt »Verschiedenes« und der Aufforderung: »Gibt es noch etwas zu klären?«, dann ist in vielen solcher Fälle ein drückendes Schweigen zu beobachten. Je länger die Frage unbeantwortet im Raum steht, desto eisiger wird die Stille. Kommt dann die erlösende Aufforderung: »Wenn es nichts mehr zu klären gibt, dann können wir für heute die Besprechung beenden. Ich danke Ihnen für die Mitarbeit!« ist Dynamik angesagt. Alles strömt durch die Türe aus dem Besprechungsraum. Es überrascht jedes Mal von Neuem, welch quirlige Lebendigkeit sich schon bald auf dem Flur entwickelt. Zwei Aussagen sind dann meist unüberhörbar:

»Da ist ja mal wieder viel Luft um die Ecke geschaufelt worden!«

»Was hätte angesprochen werden müssen, wurde mal wieder nicht thematisiert!«

1.1.3. Eine fehlende offene Kritikkultur

In einem Beitrag der Zeitschrift Capital war folgende kritische Reflexion einer Führungskraft zu lesen: »Ich wollte immer ein Chef sein, der klar informiert«, sagt Thomas Michels, »einer, der die Leute im Boot hat und dafür sorgt, dass sie die Strategie verstehen.« Dass er hinter seinen hohen Ansprüchen zurückblieb, merkte der Leiter der Betriebsorganisation der Kölner Axa-Versicherung als er sich zum ersten Mal der Vorgesetztenbeurteilung stellte und ein offizielles Feedback von seinem Team erhielt. Der Spiegel, den die Mitarbeiter ihm vorhielten, zeigte ein anderes Bild: Er informiere nicht eindeutig genug, so ihr Eindruck, und vor allem nicht rechtzeitig. Michels fiel aus allen Wolken: »Gerade von meiner offenen Art war ich überzeugt.« Genutzte Chance. Der Versicherungsmanager nahm sich das Feedback seines Teams zu Herzen. Heute versucht er, sich mehr Zeit zu nehmen. In der Alltagshektik gelinge das zwar nicht immer, gibt er ehrlich zu, aber zumindest häufiger als früher. »Mir fiel es vor allem am Anfang nicht leicht, Kritik anzunehmen«, resümiert er seine Erfahrungen. »Aber ich kenne nur wenig andere Möglichkeiten, um zu lernen und besser zu werden.«

1.1.4. Die Tendenz der verdrängenden Harmonie

In einer Verwaltung wurde eine Mitarbeiterin für eine unattraktive Verwendung mit dem Versprechen geworben, dass diese Verwendung für ihren weiteren beruflichen Werdegang von großem Vorteil sei. Auch sei die Zeit in dieser Verwendung absehbar: »Drei Jahre, und dann haben sie sich für eine besonders herausgehobene Verwendung qualifiziert. Wir rechnen es ihnen hoch an, dass sie sich für diese Verwendung zur Verfügung stellen.« Nach drei Jahren fragte die Kollegin nach, wann denn das Versprechen eingelöst würde. »Wir haben leider keinen Ersatz für sie. Aber sie sehen ja, wie wir uns bemühen! Im Übrigen: Seien sie froh, dass sie so einen krisensicheren Arbeitsplatz haben.« Nach einem weiteren Jahr wurde die Kollegin deutlicher. Die Reaktion kam prompt: »Wir lassen uns nicht von ihnen unter Druck setzen! Und erpressen schon gar nicht!« Schon bald wurde der Kollegin klar, dass gute und hervorragende Leistungen an diesem Arbeitsplatz eher die Unentbehrlichkeit zementiert und sich auf diese Weise die Chance auf eine andere Verwendung noch weiter verschlechtert. Mit einem offenen Wort, auch das wurde ihr klar, war hier wenig zu erreichen. Ein stummer Protest und eine abgesenkte Leistungsbereitschaft halfen weiter.

1.1.5. Der besondere Reiz des Übereinander Redens

Auch in einem Team kann es passieren, dass zu viel übereinander und zu wenig miteinander gesprochen wird. Was harmlos beginnt, kann Eigendynamik entwickeln und zu einem Brandherd werden.

Wenden wir uns beispielhaft einer bedeutsamen Kleinigkeit zu:

Beispiel:

Nach Jahren emsigen Sparens hat sich Herr Schnittge einen lang ersehnten Wunsch erfüllt: Einen Wagen der Luxusklasse. Verliebt in den neuen Wagen, wendet er all seine Aufmerksamkeit auf dieses Gefährt. Stolz und mit viel liebevoller Sorgfalt parkt er das Gefährt morgens auf dem Vorplatz des Rathauses ein. Beschwingt steigt er aus dem Wagen, schließt die Wagentür und genießt, was sich vor seinen Augen in voller Größe erschließt. Mit lustvollem Blick »umschreitet« er gleich zweimal seinen geliebten Wagen und lässt seinen Blick voller Stolz auf den Details deutscher Markenarbeit ruhen. Dann heißt es auch für Herrn Schnittge Abschiednehmen, um sich dem faden Alltag des Bürolebens zuzuwenden. Auf dem Weg zur Rathaustür hält er noch zweimal inne, wendet voller Stolz und Genugtuung seinen Blick zurück zu seinem begehrten und geliebten Gefährt.

Es lässt sich nicht lange auf sich warten, und ein Kollege entdeckt das sich täglich wiederholende Ritual. Erst ist es ein zufälliger Blick des Kollegen: »Hat sich Herr Schnittge nicht gestern auch so bewegt?« Was nun folgt, lässt sich mit großer Treffsicherheit ausmachen: Auf die Beobachtung folgt die Spekulation und mit der Bestätigung der Beobachtung setzt der Flurfunk ein. Und mit dem Flurfunk gewinnt der Kreis der Schaulustigen und »Eingeweihten« an Zahl. Wetten werden abgeschlossen und mit jedem Morgen gewinnt die Ankunft von Herrn Schnittge an Unterhaltungswert. Alle reden darüber, haben ihren Spaß, nur einer weiß nicht, was sich auf seine Kosten hinter seinem Rücken abspielt: Alles redet über ihn, aber keiner redet mit ihm.

1.1.6. Die selektive Wahrnehmung begünstigt einseitige Interpretationen

In einer Verwaltung verschlechterte sich zunehmend das Arbeitsklima. Die Beschäftigten der Abteilung eines Dezernates sahen sich von ihrem Dezernenten gegenüber den anderen Abteilungen ungerecht behandelt. Gerade auf ihre Abteilung – so schien es vielen von ihnen – hatte es dieser Chef offensichtlich abgesehen. Mit einem strengen und wachsamen Auge begleitete er den täglichen Start in ihre Arbeiten, während die anderen Abteilungen ruhig vor sich »hinarbeiten« konnten. Der Ärger über diese Ungleichbehandlung wuchs und immer mehr bestärkte sich die Leidensgemeinschaft gegenseitig in ihrem Ärger. Der Dampfkessel begann zu brodeln, und es entstand ein immer gefährlicheres explosives Gemisch. Diese Ungerechtigkeit vollzog sich in einem täglichen Ritual: Jeden Morgen kurz nach 8 Uhr erschien der Dezernent auf ihren Flur – und dies auch noch über die Hintertür des Bürohauses – und kontrollierte, ob auch alle pünktlich an Bord sind. Das alles mit Unschuldsmine und obendrein auch noch versteckt hinter einer freundlich aufgesetzten »Fassade«. Blanker Hohn! So zog sich der Ärger Jahr für Jahr hin. Alles redet über dieses Ärgernis, nur einer erfuhr davon nichts: der Verursacher. Erst als der Dezernent seinen Abschied feierte, fanden sich nach einigen Gläser Kölsch »Mutige«, die ihm ins »Gesicht« sagten, was sich hinter seinen Augen in dieser Abteilung zusammengebraut hatte.

Für den Dezernenten war dieser Augenblick nicht nur eine Offenbarung. Er konnte es kaum fassen, welche Überhöhung eine Nebensächlichkeit gewinnen konnte. Dabei war die Erklärung recht einfach und durchaus alles andere als ein persönlicher Affront: Da er morgens vor dem Dienst seine Kinder im Kindergarten pünktlich abgeben musste, war er nicht nur zeitig im Dienst, sondern nutzte den für ihn günstigeren Weg über den Hinterhof. Dieser bequeme Weg über die Hintertür führte ihn zwangsläufig über den Flur dieser Abteilung hin zu seinem Büro.

Was folgt aus diesen Kommunikationsbarrieren? Alle aufgezeigten Beispiele haben eines gemeinsam: Die hier aufgezeigten Fehlentwicklungen lassen sich ursächlich auf eine Sprachlosigkeit zurückführen. Das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt – mit Behutsamkeit und Sensibilität vorgetragen – hätte diese Lappalien ohne große Anforderungen oder gar Belastungen korrigieren können. Das setzt allerdings voraus, dass jeder die Kleinigkeiten des anderen ernst nimmt. Ein erkanntes Problem ist häufig die erste Stufe auf dem Weg zur Lösung einer anstehenden Herausforderung.

Es gibt viele Gründe, die hinter diesen Kommunikationsbarrieren stehen. Mitunter ist es die fehlende Zeit, in anderen Fällen fehlt es an dem Mut zur Offenheit oder es mangelt an der Sensibilität für die Belange anderer. An dieser Nahtstelle lässt sich der eigentliche Reiz eines Mitarbeitergesprächs ausmachen. Mitarbeitergespräche brauchen Raum, um sich zu entwickeln und häufig ist es bereits ein großer Gewinn, wenn zunächst einmal Meinungen weitgehend wertneutral und sanktionsfrei ausgetauscht werden können. Das ist sicherlich für einen Menschen der Tat nicht leicht zu begreifen. Denn der Mann der Tat ist an einem zügigen und vor allem auch messbarem »Output« interessiert. Doch häufig kommt es weniger auf solch formalisierte Schein-Ergebnisse an. Wichtiger können dann die »Zwischentöne« sein. Der französische Philosoph Joseph Joubert (1754 bis 1824) hat diese Zusammenhänge vor vielen Jahren in das folgende Wortspiel gebracht:

»Es ist besser, ein Problem zu erörtern, ohne es zu entscheiden, als es zu entscheiden, ohne es erörtert zu haben.«

Bei dem Zitat hat Joubert wohl kaum die vielen Ratssitzungen und wortreichen Besprechungen im Auge gehabt. Ansonsten hätte er wohl auch die Umkehrung seiner Aussage nicht ausgeschlossen. Diese Botschaft konzentriert sich indes auf die vielen Kleinigkeiten im täglichen Miteinander, wo mehr über als miteinander gesprochen wird.

1.2. Brauchen wir ein »angeordnetes« Mitarbeitergespräch?

Nicht jede Teamleitung und nicht jeder Mitarbeiter lassen sich für ein im Jahresrhythmus zu führendes Gespräch spontan begeistern. Viele sehen in dem angeordneten Jahres- bzw. Mitarbeitergespräch einen Vorgang, der sich täglich im Miteinander von Führung und Ausführung wiederholt. Aus dieser Perspektive scheint es keinen Handlungsbedarf für ein Mitarbeitergespräch zu geben. In diesem Sinne ist dann häufig von einem vermeidbaren Aktionismus die Rede.

»Es wäre schlimm um uns bestellt«, so ein häufig genanntes Abwehrargument, »wenn wir dieses Jahresgespräch tatsächlich brauchen! Schließlich sprechen wir täglich mit unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und stimmen uns ständig miteinander ab! Wir kennen unser Team und unsere Teamspieler, und wir wissen, wo der Schuh drückt! Was also soll dieser überflüssige Formalismus an zusätzlichen Erkenntnissen bringen?! Es wird ohnehin schon zu viel zerredet!«

Sicherlich ist dieses Argument nicht ganz von der Hand zu weisen. Es gibt heute viele Teamleitungen, die sich über den dienstlichen, aber auch privaten Hintergrund ihrer Mitarbeiter ein gutes und treffendes Bild machen können. Aber es gibt auch Führungskräfte, die in der Hektik des Tagesgeschehens keine Zeit finden, sich um das persönliche Kolorit ihrer zugeordneten Mitarbeiter zu kümmern. Manche wollen auch grundsätzlich nur den Mitarbeiter als Funktionsträger sehen. Durch diese verkürzte Sicht werden nicht selten brachliegende Potenziale übersehen, was zur Konsequenz hat, dass diese Möglichkeiten für die Organisation nicht genutzt werden.

Das Mitarbeitergespräch ist wie eine Entdeckerreise: Man erfährt sehr viel von dem anderen, auch wenn man glaubt, alles bereits über ihn zu wissen, vorausgesetzt, man lässt sich auf die Regeln dieser Gesprächsform ein.

Beispiel:

Die Aufgabe lautet:

Skizzieren Sie das Ziffernblatt Ihrer Uhr aus dem Gedächtnis heraus. (z.B. Wie viele Ziffern? Römische Ziffern? Arabische Ziffern? Form der Zeiger? Einteilung des Zifferblattes – mit Punkten oder Strichen?)

Überprüfen Sie nun in einem weiteren Schritt Ihre Angaben und korrigieren Sie Ihre Annahmen mit den tatsächlichen Gegebenheiten des Zifferblattes Ihrer Uhr.

Viele, die sich dieser Übung stellen, erkennen mit einem leichten Schauder, wie weit die Vorstellung von dem tatsächlichen Bild abweichen kann. Und dies, obgleich man täglich gleich mehrfach die Uhr benutzt. Hierbei handelt es sich um ein ganz einfach aufgebautes Instrument. Der Mitarbeiter ist dagegen vielschichtig. Hier lassen sich weit mehr bedeutsame »Details« übersehen.

Und nun noch eine Frage zum Abschluss: Welche Zeit zeigte die Uhr, als Sie das Zifferblatt mit ihren Vorstellungen verglichen?

Setzt man diese Frage in Seminaren ein, dann zeigt sich, dass nur ganz wenige Teilnehmer sich in diesem Kontext die Uhrzeit merken. Dahinter steht eine Botschaft: Die Wahrnehmung wird selektiv gesteuert. Die täglichen Gespräche sind auf die aktuellen Herausforderungen gerichtet: Es zählt die Aufgabe und die Aufgabenerfüllung, die Befindlichkeiten des Aufgabenträgers werden hingegen sehr leicht übersehen. Das Mitarbeitergespräch aber schafft den mentalen Rahmen, die selektive Wahrnehmung auf eine andere Perspektive des Mitarbeiters zu lenken.

Trotz der vielen Chancen sind die Widerstände gegen diese Art der Gesprächsführung häufig groß. Viele Teams wenden viel Kraft und Energie auf, um zu zeigen, was alles gegen dieses Gespräch spricht. Wer sich dagegen aufgeschlossen und neugierig auf den Weg einer Selbsterfahrung macht (Devise: »Ich kann nur über das reden, was ich selbst einmal erprobt habe!«), ist fast immer erstaunt, was dieses Gespräch, das man zunächst für so überflüssig gehalten hat, bewirken kann und was es alles an einem selbst und bei dem Gesprächspartner in Bewegung setzt. Wer daher die Angst vor dem Neuen, die Zweifel und Vorbehalte beiseite lässt und sich offen, aufgeschlossen und neugierig auf andere Standpunkte einstellt und diesen Selbstversuch einmal wagt, schätzt nach dieser Selbsterfahrung den Wert und die Notwendigkeit eines Mitarbeitergesprächs in den meisten Fällen differenzierter ein.

1.3. Charakteristische Merkmale eines institutionalisierten Mitarbeitergesprächs

Bei einem Mitarbeitergespräch handelt es sich um ein in festgelegten Zyklen stattfindendes Gespräch auf der Grundlage

eines

Instrumentes

(vgl. Leitlinie des Mitarbeitergesprächs, Formular für Gesprächsnotizen, Dokumentationsformulare), in dem der inhaltliche Gestaltungsrahmen festgelegt ist;

eines geregelten Ablaufs und feststehender Regeln (z.B. Unmittelbarkeit der Führung, Vorgabe der Gesprächsintention und des inhaltlichen Rahmens, Vier-Augen-Gespräch, Vertraulichkeit, Gegenseitigkeit, etc.)

zwischen zwei gleichberechtigten Interaktionspartnern unterschiedlicher hierarchischer Ebenen (Führungskraft mit einem direkt zugeordneten

Mitarbeiter)

.

Dabei stehen Ziele, inhaltlicher Gestaltungsrahmen, Zeitpunkt, Zeitdauer (Mindestrahmen) und Häufigkeit (z.B. einmal im Jahr) der Gespräche fest.

Inhaltlich hebt sich das Mitarbeitergespräch von den üblichen Führungsgesprächen und den »Tür-Angel-Gesprächen« ab. Viele Verwaltungen betonen als Intention dieses Gesprächs vor allem die Beziehungsebene.

Nicht jeder Vorgesetzte und nicht jeder Mitarbeiter lässt sich für diese formalisierte Art einer Gesprächsführung spontan begeistern. Die einen sehen in dem Mitarbeitergespräch einen Vorgang, der sich täglich im Miteinander von Vorgesetzen und Mitarbeitern wiederholt: Man kennt sich und man weiß voneinander. Aus dieser Perspektive scheint es keinen Handlungsbedarf für ein Mitarbeitergespräch zu geben. In diesem Sinne ist dann häufig von einem vermeidbaren Aktionismus die Rede. Andere beklagen dagegen die Sprachlosigkeit in der Verwaltung. Sie sehen daher folgerichtig in diesem Instrument einen Weg, die Gesprächskultur in der Verwaltung zu verbessern.

Was aber ist das Besondere an diesem Gespräch? Es soll, so erfährt man, ein partnerschaftliches Gespräch zwischen dem Mitarbeiter und der direkten Führungskraft sein. Offensichtlich gibt es hier ein Defizit, das weniger durch Nicht-Wollen oder fehlende Kommunikationstechniken verursacht ist, wohl aber durch die Hektik des Tagesgeschäftes entstehen kann. Dann kommen Fragen, Abstimmungsprozesse und Themen grundsätzlicher und persönlicher Art im Alltagsgeschäft und im täglichen Stress zu kurz. (Vgl. Leitlinie einer Kommune)

Das Mitarbeitergespräch ist somit eine von vielen Gesprächsformen der Verwaltung.

Trifft man eine Unterscheidung der Kommunikation zwischen den formellen, anlassbezogenen Gesprächen und den eher informellen täglichen Orientierungs- und Informationsgesprächen, dann ist das Mitarbeitergespräch dem anlassbezogenen Gesprächstyp zuzuordnen.

Anlassbezogene, formelle Gespräche sind:

Das Mitarbeiter-/Jahresgespräch mit dem Ziel, die Beziehungen zu klären und somit Arbeitsklima und Zusammenarbeit zu verbessern. In diesem Gespräch geht es um das bessere Kennenlernen des anderen, und es geht um ein Feedback, wie das Verhalten des jeweiligen Gesprächspartners bei dem jeweils anderen »ankommt«. Ein weiterer Akzent dieses Gespräches liegt auf dem Aspekt »Fördern und Entwickeln«.

Das Status-/ Zielvereinbarungsgespräch mit dem Ziel, die sachbzw. aufgabenbezogene Ebene zu klären bzw. Aufgaben- und Arbeitsziele miteinander zu vereinbaren.

Das Beurteilungsgespräch mit dem Ziel, erbrachte Leistungen gemeinsam zu analysieren, Stärken und Schwächen herauszuarbeiten, Verwendungspotenziale zu entdecken und Verwendungsabfolgen zu erörtern.

Dabei finden drei Varianten Anwendung:

Beurteilungsgespräch zur Vereinbarung von qualitativen, quantitativen Maßstäben sowie Verhaltensstandards zu Beginn einer mehrjährigen Beurteilungsperiode,

Beurteilungsgespräch als »Meilenstein- Gespräch« nach Ablauf eines Jahres im Beurteilungszeitraum,

Beurteilungsgespräch zur Eröffnung der Beurteilungsergebnisse, ggf. mit der Subvarianten eines Gesprächs zur Vorbereitung und Abstimmung der Beurteilung.

Nicht geregelte, eher informelle Führungsgespräche, die das tägliche Führungsfeld prägen, sind u. a.:

Das Informationsgespräch,

das Kritikgespräch,

das Beratungsgespräch (Coaching),

das Motivationsgespräch,

das Koordinierungsgespräch,

das Unterweisungsgespräch,

das Feedback-Gespräch.

Gegenüber diesen »informellen« Gesprächstypen ist das Besondere an dem Mitarbeitergespräch, dass es sich vor allem auf das WIE der Arbeit bezieht und weniger auf das WAS. Damit werden die aktuellen sachlichen Schwerpunkte um affektive und soziale Inhalte ergänzt. Der Blick für den Arbeitspartner wird geöffnet: Es geht nicht nur selektiv um den Funktionsträger, es geht um eine umfassendere Sicht: Der Arbeitskollege tritt als Mensch und Partner mit seinen individuellen und persönlichen Zügen in den Vordergrund des Gesprächs. Verständnis kommt durch Verstehen: Es geht nicht nur um das WAS, es geht vor allem auch um die Beweggründe für das beobachtete Verhalten.

Beispiel:

In einer Verwaltung kommt es wiederholt zu Beschwerden über eine Führungskraft. Hart und unbarmherzig werden von dem Teamleiter Fehler und Fehlverhalten geahndet. In diesem Team ist klar definiert, wer das Sagen hat. Widerspruch wird nicht zugelassen. Jeder kennt seinen Platz, jeder weiß, was von ihm verlangt wird. Eine gewisse Verlässlichkeit im System ist erkennbar und es wird klar und unmissverständlich gesagt, was verlangt wird. In diesem Umfeld kann sich ein Mitarbeiter kein »Schwächeln« leisten. Schwächen werden gnadenlos aufgedeckt. Leichtgewichte und sensiblere Naturen haben hier keine Chance. Der schroffe Ton verkürzt manche Diskussion.

Die Meinungen im Team über das Klima sind geteilt: Einige kommen mit diesem Führungsstil insgesamt gut klar, andere drohen hoffnungslos unterzugehen und wiederum andere haben sich mit einem inneren Grollen an die Gegebenheiten angepasst. Die übergeordnete Leitung ermahnt den Teamleiter immer wieder, mehr Sensibilität für die zwischenmenschlichen Töne zu entwickeln, drängt zu Seminaren, kritisiert das autoritäre Verhalten und droht mit ernsteren Maßnahmen: Der Teamchef nimmt dies mit unbewegter Miene zu Kenntnis, und sagt zu, dass er daran arbeiten werden. Doch es ändert sich im Verhalten des Teamchefs so gut wie nichts. Bei alledem ist der Teamchef ein verlässlicher und kompetenter Aufgabenbewältiger. Um das Schlimmste zu vermeiden, hat die übergeordnete Leitung ein offenes Ohr für das Team. Wer unterzugehen droht, wird schnell und unbürokratisch aus dem Team herausgelöst und in ein für ihn geeignetes Umfeld versetzt. Das geht dann meist ohne größere Diskussionen mit dem Teamleiter. Ohne erkennbar Regungen zu zeigen, stimmt er zu.

Auf diese Weise haben sich Leitung und Führungskraft über Jahre arrangiert. Doch die Beziehung zwischen diesen beiden Menschen ist angespannt, insgesamt unpersönlich. Die Leitung hat das Gefühl, dass sie an diesen Menschen nicht herankommt. Das ändert sich, als der Ruhestand dieses Teamleiters ansteht. In einem der letzten Gespräche vor dem Ausscheiden aus dem Berufsleben wird dieser bis zur »Halskrause zugeschnürte« Mitarbeiter seiner Leitung gegenüber widererwartend gesprächig. Es ist, als sei eine schwere Bürde von diesem Menschen genommen wurde. In diesem Gespräch erfährt die Leitung, dass dieser Mitarbeiter in frühen Jahren den Tod der Eltern und Geschwister hat miterleben müssen. Ohne Nestwärme wurde er von einer Stelle zu einer anderen verschoben und schon bald war für ihn klar: Wer Gefühle zeigt, der hat bereits verloren. Wer sich nicht den Respekt der anderen erkämpft, wird zum Spielball. Seine Erfahrungen gipfelten in der Überzeugung: »Das Leben ist hart und nur Härte gegen sich selbst und andere lassen einen Überleben. Man kann entweder Gewinner oder Verlierer sein. Dazwischen gibt es keine Zwischentöne!« Und so setzte dieser Teamchef alles daran, immer Gewinner zu sein.

In diesen wenigen Stunden kurz vor dem Ausscheiden wurde vieles aufgearbeitet, was bislang unausgesprochen blieb. Vieles wurde der Leitung jetzt verständlicher und manches hätte sie wohl auf Grund dieses Hintergrundes anders geregelt.

Sicherlich gehört dieser Fall nicht zum Alltäglichen im Führungsfeld. Doch was im Großen zählt, zeigt sich auch im Kleinen. Nur lassen sich bei den kleineren, weniger dramatischen Beispielen die Konturen nicht so klar und abgegrenzt aufzeigen. Wenden wir uns daher einer kurzen Analyse dieses Falles zu:

Wir können unterstellen, dass bei der Lösung der täglichen Probleme es zwischen diesen beiden Menschen Kommunikationsbarrieren gegeben hat: Wahrscheinlich nahm der Teamleiter unkommentiert die Kritik seiner Führung hin. Er orientierte sich an den Machtkoordinaten und auf Grund seiner Philosophie. Führungspraxis hatte man hinzunehmen und nicht zu diskutieren. Auf der anderen Seite stand eine Leitung, die an diesem »Betonkopf« verzweifelte. Irgendwann kam dann die Resignation: »Der lernt es nie!«

Neben dieser sachlichen Ebene ist in dieser Beziehung auch viel emotionaler Sprengstoff enthalten. Sicherlich hatten beide Gesprächspartner im Verlauf ihrer Zusammenarbeit viel Energie aufzuwenden, um sachlich zu bleiben und nicht »zu explodieren«. Das hat wahrscheinlich große Energien gebunden – auf beiden Seiten.

Die Fremdwahrnehmung tat ein Übriges: Vielleicht sah der Teamchef in seiner Führung das Weichei, das in Harmonie herumeiert, statt klar und deutlich den Mitarbeitern zu sagen, wo es langgeht und was Sache ist. Denkbar ist, dass die Leitung in dem Teamchef ein menschenverachtendes, aber leider für den Arbeitsablauf unverzichtbares Ekel sieht.

Kontakt schafft den erforderlichen sozialen Kitt zwischen zwei Menschen. Wo er fehlt, da baut sich Sprachlosigkeit auf. Menschen suchen so eine abgesicherte Beobachtung, vor allem den Kontakt mit anderen Menschen, die sie sympathisch finden, mit denen sie vieles teilen. Dabei gilt: »Kontakt schafft Sympathie.« Doch so unterschiedliche Naturen, wie sie in diesem Beispiel beschrieben wurden, meiden eher den gemeinsamen Kontakt, beschränken ihn auf das absolute Muss. Und weil dies so ist, entfremden sich die beiden eher, als dass sie im Team zusammenwachsen. Und gerade hieraus ergeben sich weitere Irritationen.

Fehlender Kontakt auf der einen Seite und häufige Kontakte mit anderen auf der anderen Seite führen nicht selten zu einer Wagenburg-Mentalität. Wer sich ausgegrenzt fühlt, schottet sich meist ab, wird als »eigenartig« abgestempelt und begünstigt und verstärkt so das Urteil der anderen über sich. Nicht selten führt dies zu Einsamkeit. Gerade Führungskräfte wissen, dass sie mit steigender Hierarchieebene einsamer werden. Viele suchen dann einen Gesprächspartner und Vertrauten in ihrem Bereich, von dem sie keine Konkurrenz zu erwarten haben.

Diese Analyse hat aber auch noch einen weiteren Aspekt: Wie könnten dieses Problem, wenn nicht gelöst, so doch zumindest entschärft werden? Kann hierbei das Mitarbeitergespräch eine Hilfe sein?

Da Kontakt Sympathie schafft, und dieser Kontakt zumindest einmal jährlich abgefordert wird, besteht in jedem Fall die Chance, dass man sich nicht gegenseitig aus dem Wege geht. Die zeitliche Vorgabe und die weiteren Ablaufregelungen (z.B. Einstimmung auf das Gespräch, Vorbereitung etc.) können eine weitere Hilfe sein.

Ziel des Mitarbeitergesprächs ist es, mehr über einen Menschen zu erfahren. Dieses Hintergrundwissen fehlte in dieser Beziehung. Jeder Arzt weiß, dass es zunächst einmal auf die Diagnose ankommt, erst dann kann die Therapie folgen. Es wäre eine falsche Hoffnung, wollte man in einem ersten Gespräch die harte Schale des Mitarbeiters aufbrechen. Das kann weder gewollt sein noch wäre es ein realistisches Ziel. Alles hat seine Zeit und hier deutet sich eine lange Wegstrecke an. Aber auf diesem Weg gibt es eine Reihe von Meilensteinen. Dazu gehören, Nachhaltigkeit, Gelassenheit und Ausdauer – Eigenschaften, die in einem Beziehungsgespräch gefordert sind.

Entscheidend ist die Einstellung zu diesem Gespräch: Anders als im täglichen Miteinander geht es hier um den Kollegen als Partner. Nicht was er tut, ist hier die entscheidende Frage, sondern warum er so und nicht anders handelt. Aber auch das Umfeld in dem sich dieser Mensch bewegt kann viele Aufschlüsse geben. Denn Mitarbeiter nehmen auch ihren privaten Bereich mit in den Dienst. Dieses Umfeld aufzudecken, schafft Verstehen und Verständnis.

Mit der Einstellung: »Ich will etwas über den Mitarbeiter erfahren, was mir bislang entgangen ist!« wandelt sich auch die selektive Wahrnehmung. Häufig hört man das, was man hören will. Wird die Wahrnehmung auf Entdeckerreise geschickt, so werden viele erstaunt sein, was sie bisher alles übersehen haben. Wer indes von der Einstellung geprägt ist: »Was ist das für ein Ekel«, wird sich in seiner Auffassung schon bald auch in diesem Gespräch bestätigt sehen.

Den Standpunkt des anderen, seine Bezüge und Besonderheiten erkennen, bedeutet Verstehen und Verständnis. Das schafft Akzeptanz, wenn auch nicht Toleranz. Das gilt auch in Umkehrung. In diesem Beispiel fühlte sich die Leitung auf dem absolut richtigen Weg. Aber denkbar ist, dass sich gerade in einer extremen Ausrichtung die Dinge deutlicher und konturierter betrachten lassen. Daher ist es ein interessanter Weg, diesen Mitarbeiter zu ermuntern, aufzuzeigen, wie der Führungsstil der Leitung auf ihn wirkt. »Was erfahre ich als Führungskraft in diesem Gespräch, was mich in meiner Führung weiterbringt?« In dieser Ausrichtung liegt der besondere Reiz für die Führung bei dem Mitarbeitergespräch.

In dem Mitarbeitergespräch tritt die Leitung als Coach auf. Der Coach richtet nicht, der Coach sieht die Stärken und Schwächen des Mitarbeiters und sucht mit ihm gemeinsam nach dem für ihn besten Weg. Die Leitung als Coach und Berater sieht nicht nur die vordergründigen Organisationsziele, sie forscht und arbeitet vor allem an dem Maßanzug für den Mitarbeiter. Mitunter deckt sich der nicht mit den unmittelbaren Zielen der Organisation. Der Coach weiß aber auch, dass die Lösung eines persönlichen Problems nicht von außen kommt, sondern die Lösung muss der Betreffende selbst finden. Aufgabe des Coachs ist es daher, den Tunnelblick des anderen zu überwinden und ihm weitere Lösungsfelder zu erschließen.

1.4. Die inhaltliche Ausrichtung des Mitarbeitergesprächs

Das jährliche Mitarbeitergespräch ist, wie dieses Beispiel zeigt, mehr als Sozialklimbim. Es setzt auf die Beziehungsebene. Inhaltlich geht es bei diesem Gespräch um drei große inhaltliche Bereiche.

1.4.1. Verhaltensziele

Es ist nicht einfach, die Verhaltensziele von den Sachzielen in dem Mitarbeitergespräch voneinander getrennt zu halten. Beides hängt eben sehr eng miteinander zusammen. Bei den Verhaltenszielen geht es um das WIE. Zum Beispiel wehrt ein Mitarbeiter zusätzliche Arbeiten meist mit dem Hinweis ab: »Immer soll ich das machen! Die anderen können auch mal ran!« Wer sich auf dieses Argument einlässt, ist schon bald bei den Sachzielen und von diesem Stand aus ist der Weg hin zur konkreten Arbeitsplanung nur noch ein kurzer Schritt. Gewollt ist dagegen, gemeinsam Wege zu finden wie man die Aufgaben so verteilen kann, dass beide – Führung und Mitarbeiter – ein hohes Maß an Zufriedenheit entwickeln können. Nicht die Sachziele, sondern die Gestaltungs- und Verhaltensziele stehen unter dieser Überschrift.

1.4.2. Entwicklungsziele

Fördern wird häufig von den Mitarbeitern als »Beförderung« bzw. »Höhergruppierung« missverstanden. In diesem Teil geht es um Stärken und Schwächen und um Wege, wie sich ein Mitarbeiter am besten entfalten kann. Stärken und Schwächen erkennen und gezielt an einer Weiterentwicklung zu arbeiten ist in diesem Segment des Mitarbeitergesprächs gefordert.

Beispiel:

In einer Verwaltung kommt es in der Leistungsabteilung des Sozialamts immer wieder zu Beschwerden über einen Sachbearbeiter. Der Ton des Sachbearbeiters sei unangemessen, er sei stur, ruppig und unfreundlich. Wenn die Teamleitung auf eine aktuelle Beschwerde hin das Gespräch mit dem Mitarbeiter sucht, findet der Mitarbeiter hinreichende Argumente, um das Problem auf andere zu verlagern: Nicht er sei dafür ursächlich verantwortlich, sondern die »Weicheier« von Kollegen, die nicht »nein« sagen können, wo eine klare Grenze zu ziehen sei. Gibt es Beschwerden wegen eines allzu ruppigen Auftretens, dann fällt es diesem Mitarbeiter auch nicht schwer, zu verdeutlichen, dass man bestimmten Entwicklungen auch Einhalt gebieten müsse und nicht alles durchgehen lassen dürfe. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass man vor lauter Toleranz solche Menschen auch noch zu solch unsozialem Verhalten ermuntere.

Das Mitarbeitergespräch kann hier weiterhelfen. Der Teamleiter als Coach setzt nicht mit dem Zeigefinger an, droht, mahnt, weist an oder verzweifelt: Sein Ziel ist es, bei diesem Mitarbeiter ein Fortbildungsbedürfnis auszulösen. Hierzu braucht man Ruhe, Gelassenheit und eine entspannte Atmosphäre: »Was geht in Ihnen vor, wenn sie eine Auseinandersetzung mit einem Bürger haben? Wie gehen sie mit diesem Stress um? Wie wirkt dieser Stress auf ihr Privates?« Mit einfühlsamen Fragen nähert sich der Coach dem Kern des Problems. Am Ende sollte stehen, dass der Mitarbeiter erkennt, dass eine Qualifikationsmaßnahmen ein interessanter und wohl auch lohnender Weg für ihn ist.

1.4.3. Beziehungsfeld – auch »Das Murren an der Front«

Treten zwei Menschen in Interaktion zueinander, kann es zu Missverständnissen und unterschiedlichen Bewertungen kommen. Mitunter kommt es weniger darauf an, was man tut, sondern wie das eigene Tun bei dem anderen ankommt. Um das zu erfahren, ist ein Feedback nützlich. Doch nicht jeder sagt, was er denkt. Und nicht jeder denkt, was er sagt. Offenheit, auch das sollte man sehen, kann auch sehr verletzen. Ernst Jünger dankte bei seinem 100. Geburtstag allen Menschen, die ihm in seinem Leben das gesagt haben, woran er gewachsen ist. Das waren in der Regel nicht seine Freunde. Die griffen auch dort auf Harmoniepäckchen zurück, wo mehr Offenheit ihn weitergebracht hätte. Sie wollten ihn nicht verletzen, vielleicht mieden sie aber auch eine unangenehme Diskussion. Die, die wir Feinde nennen, so Ernst Jünger, hatten den Mut zu sagen, was angezeigt war. Kritik geben und Kritik annehmen ist in diesem Feld die Intention des Gesprächs. Das setzt voraus, dass man die Technik des aktiven Zuhörens besitzt. Häufig muss man in kritischen Situationen auch zwischen den Zeilen lesen können.

Beziehungen werden von Emotionen getragen. Den anderen so nehmen wie er ist und ihn nicht danach bewerten, wie er sein sollte, ist in diesem Gesprächssegment die besondere Herausforderung. Häufig zeigt sich indes, dass Menschen auf unterschiedlicher Ebene miteinander kommunizieren und sich dadurch nicht verständigen können.

Beispiel:

Die Schwiegermutter der Ehefrau hat sich aus dem weit entfernten München ins Rheinland zum Besuch angesagt. Einige Tage vor diesem Besuch nutzt die Ehefrau die Gunst der Stunde: »Was hältst du davon, wenn wir deine Mutter bitten, ihren Besuch um sechs Wochen zu verschieben. Du weißt, wir haben das große Fest noch zu organisieren, der Garten muss winterfest gemacht und das Zimmer noch gestrichen werden. Da ist Hektik angesagt. Aber wir wollen uns doch ganz deiner Mutter zuwenden, wenn sie schon einmal bei uns ist.« Nehmen wir an, der Ehemann nimmt die Argumente wörtlich und geht Punkt für Punkt auf jeden hinderlichen Umstand ein, »zerpflückt«, bagatellisiert und erarbeitet Lösungen. Am Ende dieser harten und auch kreativen Arbeit steht: Er hat die Ehefrau nicht verstanden! Ihre einzige Botschaft in all den verwirrenden Details war: »Mir graut es vor diesem Besuch! Ich möchte mir nicht immer in die Kochtöpfe schauen lassen und mir anhören müssen, dass ihr Sohn schon fast verhungert sei.« Auf den Kern reduziert ist die Botschaft: »Ich habe Angst vor deiner Mutter!« Beide haben auf einer unterschiedlichen Ebene kommuniziert: Der Ehemann auf der Sachebene und die Frau auf der Beziehungsebene.

Auch das folgende Beispiel zeigt, wie wichtig das aktive Zuhören sein kann:

Nehmen wir zwei Studierende. Der eine kämpft um die »fünf« in den Klausuren, der andere glänzt mit den besten Leistungsergebnissen. Nehmen wir weiterhin an, beide haben eine gute und funktionierende Symbiose aufgebaut. Der eine bekommt vom anderen, was er nicht hat: Der Primus die soziale Wärme, der andere das erforderliche »know how«. Eines Tages, vor einer wichtigen Klausur, klagt und lamentiert der Primus: »Ich habe Angst vor der Klausur. Ich werde das nicht schaffen, meine Nerven halten das nicht mehr aus. Ich kann nicht mehr schlafen.« Wer das als gefährdeter Prüfungskandidat hört, fühlt sich zwangsläufig auf den Arm genommen und könnte denken: »Der will mich ärgern! Der will mich fertig machen. Der macht sich über mich lustig!« Tatsächlich aber ist das Unwahrscheinliche gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man sich in die Person des Primus hineindenkt. Der Primus kämpft um sein Image, kämpft auf einem sehr hohen Niveau. Auf diesem Niveau kann er aus seiner Sicht viel verlieren: Als Gewinnertyp will er immer der Beste sein. Wer so programmiert ist, hat viel zu verlieren. Er vermutet auch dort Häme und Schadenfreude, wo Mitempfinden herrscht.

Beide Beispiele zeigen: Wer nachhaltig auf Beziehungen einwirken will, sollte die Kunst des aktiven Zuhörens beherrschen.

1.4.4. Der gemeinsame Nenner der drei Bereiche

Der gemeinsame Nenner in diesen drei inhaltlichen Themenfeldern des Mitarbeitergesprächs liegt in der Betonung des Beziehungsaspektes. Beziehungen werden vor allem von Emotionen geprägt. Gefühle lassen sich indes weit weniger steuern als Sachziele. Traditionell wurden daher Gefühle in einer auf die Sache hin ausgerichteten Verwaltung eher als ein notwendiges Übel hingenommen. Nach dem Motto »Indianer heulen nicht« herrschte eher der Trend, Gefühle nicht zuzulassen. Wenn Personal beispielsweise im US-Senatsausschuss bei der Anhörung im Kreuzfeuer der Senatoren starke Gefühle zeigte (etwa Tränen laufen ließ), hatte diese Person Chancen verspielt. Vor vielen Jahren galt als Memme, wer sich nach einem grauenhaften Einsatz etwa übergeben musste oder Tränen laufen ließ. Seine Männlichkeit wurde in Frage gestellt. Harte Naturen stehen so etwas durch. Heute wissen wir um die posttraumatischen Symptome und ihre Langzeitwirkung. Entsprechend wird Vorsorge getroffen. In abgeschwächter Weise setzt hier das Mitarbeitergespräch an. Die mentale Verschlackung soll gelöst werden. Es wird auch auf die kathartische Wirkung des sich Freiredens gesetzt. Wurden Gefühle früher eher verdrängt mit der Konsequenz, dass sie dann häufig aus einer Deckung heraus umso verheerender wirkten, ist man heute eher der Meinung, dass Gefühle in Beziehungen nicht unterdrückt werden sollten. Das Mitarbeitergespräch will vor allem eines: Sich zu Gefühlen bekennen, die auf die Beziehungen wirken und damit die Gefühle und Beziehungen im Arbeitsfeld überschaubarer machen. Statt eines Harmoniemanagements, bei dem die Probleme unter den Teppich gekehrt werden, geht es hier um Offenheit und Kritikfähigkeit.

1.4.5. Wenn aus einem Mitarbeitergespräch ein Beurteilungsgespräch wird

Viele Verwaltungen setzen das Mitarbeitergespräch in die sachliche Nähe zu einem Personalführungs- bzw. Beurteilungsgespräch. Dabei verliert das Mitarbeitergespräch an seiner ursprünglichen Ausrichtung: Die Interaktion auf gleicher Ebene, das Herausarbeiten der Beziehungen, das bessere persönliche Kennenlernen, das ungezwungene Öffnen, eine vertrauensbildende Kommunikation. Stattdessen tritt mit der Akzentuierung der Sachebene der Aspekt der Hierarchie und die daran gebundenen Assoziationen und Verhaltensweisen wieder deutlicher hervor. Das beeinflusst die Einstellung des Teamleiters (Macht), das beeinflusst aber auch den Gesprächspartner, aus dem jetzt wieder ein Mitarbeiter mit allen technischen Finessen wird. Der Mitarbeiter weiß, ein so interpretiertes Mitarbeitergespräch ist für seinen beruflichen Werdegang eine wichtige Stellgröße.

In einer Umfrage des Magazin Capital setzen von den 100 größten deutschen Unternehmen 95 ein so genanntes Mitarbeitergespräch ein. Die Zielsetzung in diesem Gespräch wird als Hilfsmittel gesehen zur

Personalentwicklung in Zusammenhang mit der Personalbeurteilung: 53,1 %

Zielvereinbarung/ Sachziele: 42,9 %

sonstige Intentionen: 4,0 %

Wird das Mitarbeitergespräch mittelbar oder auch unmittelbar in Verbindung mit der Beurteilung gebracht, verlagert sich die Gewichtung in dem Gespräch im Trend von der Beziehungsebene hin zur Sachebene. Das muss aus pragmatischer Sicht heraus betrachtet nicht falsch sein. Doch dieses Gespräch gewinnt eine andere Qualität als das Mitarbeitergespräch als Beziehungsgespräch. Damit werden andere Effekte erzielt.