Das Rentier in der Küche - Britta Wulf - E-Book
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Das Rentier in der Küche E-Book

Britta Wulf

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Beschreibung

- DIE FORTSETZUNG ERSCHEINT AM 4.9.18 ("Und der Schamane lacht ... verliebt in Sibirien") - Während einer Reise für ein Filmprojekt in Sibirien knüpft eine Frau zarte Bande zu einem Einheimischen. So wird aus der Reisereportage der Autorin Britta Wulf allmählich eine persönliche Liebesgeschichte zu dem am Baikalsee lebenden Anatoli. Zwei sehr verschiedene Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen tasten sich langsam an eine verrückte Fernbeziehung heran, denn immerhin liegen fast 8000 Kilometern zwischen ihnen. Die Reise nach Sibirien war für Britta Wulf eine besondere Reise. Verzaubert von Land und Leuten kam sie zurück und wurde davon überrascht, dass auch sie jemanden bezaubert hatte. Der Sibirier Anatoli hatte sich in sie verliebt. Wie sich diese Beziehung weiterentwickelt hat und welche Erlebnisse sie bei zwei weiteren Reisen an den Baikalsee machte, hat sie in diesem Buch festgehalten. Denn immer wieder merkt sie, dass Freunde und Bekannte sehr interessiert an ihrer Geschichte sind. Ein Buch für Leser, die Sehnsucht nach Abenteuer und Liebe haben, und für Menschen, die sich für Russland und Sibirien interessieren. Bebildert ist das Buch neben zwei Karten mit 28 farbigen und 65 s/w-Reisefotos dieser beeindruckenden Region rund um den Baikalsee. "... eine wunderschöne, sensibel geschriebene Liebesgeschichte. Britta Wulf schafft es, den Leser einzubeziehen und sich ebenfalls zu verlieben ... zumindest gedanklich in Land und Leute. Das Buch macht mir große Lust darauf, dieses Land zu bereisen. Auch weil mein Vater dort sechs Jahre in Gefangenschaft war, aber trotzdem sehr versöhnlich über die Warmherzigkeit der Menschen dort gesprochen hat." Ralph Morgenstern (Schauspieler, TV-Moderator & Musiker)

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Seitenzahl: 183

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Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! mit der Transaktions-ID 4585099 erstellt und ist ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bestimmt; jede anderweitige Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Bestätigung durch den Rechtsinhaber. Eine über den persönlichen Gebrauch hinausgehende Nutzung (insbesondere die weitere Vervielfältigung oder öffentliche Zugänglichmachung) verstößt gegen das Urheberrecht und ist untersagt.

Die Autorin: Britta Wulf (* 1964 in Potsdam) studierte an der Filmhochschule Potsdam. Arbeitet seitdem als freie Fernsehjournalistin und Regisseurin. Sie hat zwei erwachsene Kinder und lebt im Havelland. Von dort zieht es sie immer wieder für Filmprojekte in andere Länder. So dreht sie seit einigen Jahren Filme über Minderheiten. In Sibirien suchte ihr Filmteam Spuren der Kultur der Ewenken in der Baikalsee-Region. Das Interesse zielt bei der Filmreihe besonders auf Menschen, die Sprache und Traditionen kleiner Gruppen bewahren wollen.

Das Buch: Während einer Reise für ein Filmprojekt in Sibirien knüpft eine Frau zarte Bande zu einem Einheimischen. So wird aus der Reisereportage der Autorin Britta Wulf allmählich eine persönliche Liebesgeschichte zu dem am Baikalsee lebenden Anatoli. Zwei sehr verschiedene Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen tasten sich langsam an eine verrückte Fernbeziehung heran, denn immerhin liegen fast 8000 Kilometer zwischen ihnen.

Die Reise nach Sibirien war für Britta Wulf eine besondere Reise. Verzaubert von Land und Leuten kam sie zurück und wurde davon überrascht, dass auch sie jemanden bezaubert hatte. Der Sibirier Anatoli hatte sich in sie verliebt. Wie sich diese Beziehung weiterentwickelt hat und welche Erlebnisse sie bei zwei weiteren Reisen an den Baikalsee machte, hat sie in diesem Buch festgehalten. Denn immer wieder merkt sie, dass Freunde und Bekannte sehr interessiert an ihrer Geschichte sind.

Ein Buch für Leser, die Sehnsucht nach Abenteuer und Liebe haben, und für Menschen, die sich für Russland und Sibirien interessieren.

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BRITTA WULF

Das Rentierin der Küche

EINE DEUTSCH-SIBIRISCHE LIEBE

solibro

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1. Timmerberg, Helge:

Tiger fressen keine Yogis. Stories von unterwegs

Mit einem Vorwort von Sibylle Berg.

Münster: Solibro 16. Aufl. 2014 (2001)

ISBN 978-3-932927-22-5 978-3-932927-70-6 (eBook)

2. Altmann, Andreas:

Getrieben. Stories aus der weiten wilden Welt

Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2005 (gebunden)

ISBN 3-932927-25-7

3. Altmann, Andreas:

Getrieben. Stories aus der weiten wilden Welt

Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2012 (Broschur)

ISBN 978-3-932927-49-2

4. Wulf, Britta:

Das Rentier in der Küche. Eine deutsch-sibirische Liebe

Münster: Solibro 1. Aufl. 2016

ISBN 978-3-96079-015-0 978-3-96079-016-7 (eBook)

ISBN 978-3-96079-016-7 1. Auflage 2016 / Originalausgabe © SOLIBRO® Verlag, Münster 2016 Alle Rechte vorbehalten.

Covergestaltung: Michael Rühle, Wolfgang NeumannTitelbild, Bilder Innenteil: © Britta Wulf, außer: Briefmarke S. 153: Russland, Vladimir Vysotsky, 1999, 2 r. Künstler: AndreiBilder S. 14 o., 21, 90, 102, 126, 157, 179 o., 203, 208, 211: privatAutorenfoto S. 2: Linda Köhler-SandringKarten: Dirk Hennig

verlegt. gefunden. gelesen.

www.solibro.de

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für Vanessa, Vincent und Tolja, die wichtigsten Menschen in meinem Leben

Inhalt

Kapitel 1

Danksagung

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„Als die sibirischen Ewenken auf der Suche nach neuen Jagdgründen den Baikalsee entdeckten, sollen sie gerufen haben: Baka, baka. Es heißt: Wir haben ihn gefunden, wir sind gerettet. Ob diese oder eine andere Legende dem ältesten und tiefsten Süßwassersee der Welt seinen Namen gab ist ungewiss. Uns hat die Legende begleitet, auf unserer Suche nach den Ewenken vom Baikalsee.“

Vielleicht werden das die ersten Worte meines Films. Ich liege auf dem großen Doppelbett und versuche meine Eindrücke zu sortieren. Ich schreibe die ersten Zeilen vom Filmtext.

Es ist unerträglich heiß im Hotelzimmer. Eigentlich gehört der April noch zum Winter in Sibirien, aber es sind Plusgrade; und da man in Russland die Heizungen nicht einfach regulieren kann, sind gefühlte dreißig Grad im Zimmer. Ich habe das Fenster sperrangelweit aufgerissen und genieße so etwas wie die Vorfreude auf den Frühling. Dass ein wunderbar aufregendes Jahr vor mir liegt, mit einem sehnsuchtsvollen Frühjahr, einem leidenschaftlichen Sommer und einem leidvollen Winter, ahne ich nicht.

Mein Handy vibriert. Eine SMS. Selten in den letzten Tagen, denn alle wissen, dass ich auf Dienstreise in Russland bin und mein Handy kaum benutze.

Es ist eine freundliche Nachricht hier aus dem Land. Ich lächle, freue mich über die Zeilen und gehe ganz entspannt unter die Dusche.

Zum Abendbrot treffe ich mich mit meinen beiden Kollegen im Restaurant. Auch Reiner und Steffen haben den Luxus eines Hotelzimmers hier in der Hauptstadt Burjatiens, in Ulan-Ude, ausgekostet und sehen zufrieden, aber auch erschöpft aus. Zehn Tage waren wir unterwegs in Sibirien, um einen Film zu drehen. Zehn Tage voller Abenteuer und Begegnungen. Eine dieser Begegnungen hat mir vorhin die SMS geschrieben. Anatoli schreibt, dass der erste Tag ohne Reiner, Steffen und Britta vorüber ist. „Seht mal, Anatoli hat Entzugserscheinungen“, sage ich. „Wir haben sein Leben wohl etwas durcheinandergebracht. Waren ja bestimmt auch spannende Tage für ihn, so mit uns, dem Drehteam aus Deutschland. War sicher aufregend für den Mann aus dem Wald“, plappere ich drauflos. „Meine“ beiden Männer schauen sich vielsagend an, lächeln.

„Ja, ja, wir fehlen ihm …“, sagt Reiner etwas langgezogen. „Ja, wir besonders“, ergänzt Steffen. Ich schaue sie verwirrt an. Irgendwie kapiere ich nicht, was sie mir sagen wollen. Dann wird es den beiden zu bunt. Ob ich denn nicht gemerkt hätte, dass Anatoli sich in mich verliebt hätte. „Du fehlst ihm, nicht wir!“

Ich komme mir ziemlich bescheuert vor. Ich bin fünfzig Jahre alt, die Kollegen Mitte dreißig. Soll ich mir von den beiden Jungspunden die Welt erklären lassen? Die Liebe. Woher wollen die überhaupt wissen, was Anatoli denkt oder fühlt? Schließlich habe ich schon seit einem guten halben Jahr mit dem Ewenken aus Russland gemailt. Nette, freundliche Mails. Informationen über seine Familie, das Volk der Ewenken, über unsere Dreharbeiten. Die Mails waren in Russisch. Meine Sprachkenntnisse aus der Schulzeit sind so eingerostet, dass ich meist den automatischen Übersetzer benutzen musste und oft merkte, dass der ziemlichen Blödsinn übersetzte. Aber irgendwie haben wir es geschafft und einen tollen Drehplan zusammengestellt.

Vor zehn Tagen sind wir dann von Berlin aus über Ulan-Ude nach Nischneangarsk an die Nordspitze vom Baikalsee geflogen.

Die ganze Zeit hatte ich große Angst, dass ich zu viel Vertrauen zu einem Menschen hatte, den ich nur durch ein paar Mails kannte. Was, wenn der Protagonist unseres Films gar nicht da wäre? Die Sibirier, besonders die Ewenken, sollen doch immer und ständig betrunken sein. Was, wenn ich das Projekt, einen Film über die sibirische Minderheit der Ewenken, in den Sand setzen würde? Reiner, mein Kameramann, hatte mich immer bestärkt. „Wenn er nicht da ist, erzählen wir eine andere Geschichte. Wir haben ein großes Abenteuer vor uns, und das wird ein toller Film.“

Doch Anatoli war pünktlich am winzig kleinen Flughafen in Nischneangarsk. Er war schüchtern, nervös und vielleicht auch etwas stolz. Er holte sein Filmteam ab.

Vielleicht war er auch noch wegen etwas anderem nervös. Er hatte mir nämlich etwas verschwiegen.

Ganz am Anfang meiner Recherche hatte ich nach Menschen gesucht, die in sozialen Netzwerken als Muttersprache Ewenkisch angegeben hatten. In unserem Film sollte es um das Leben der Ewenken, aber auch um die Erhaltung der Minderheitensprache gehen. Wie schafft man es, eine Sprache am Leben zu erhalten, wenn nur noch wenige Menschen diese Sprache sprechen? Anatoli hatte in seinem Profil als Sprachen, die er spricht, neben Russisch auch Ewenkisch eingetragen. Einer von ungefähr dreihundertfünfzig Menschen. Ich hatte viele von ihnen angeschrieben. Einige hatten geantwortet, vielleicht zehn insgesamt. Manche wohnten so einsam, dass wir sie nur mit sehr großem finanziellem Aufwand hätten besuchen können. Über andere gab es schon Berichte, dann schliefen Mailkontakte auch wieder ein. Anatoli blieb an der Sache dran. Später sagte er mir, dass er den Film für seinen Bruder machen wollte. Ein Ewenke, der versucht, die Traditionen Rentierzucht, Jagd und Fischfang am Leben zu erhalten und damit auch seinen Lebensunterhalt verdienen will. Das wollte er an die Öffentlichkeit bringen, damit vielleicht Touristen anlocken. Um ihn selbst ging es nicht. Da war es wohl auch nicht so wichtig, dass er die Sprache seiner Mutter gar nicht mehr richtig sprechen konnte. Jedenfalls hatte er das in allen Mails ungesagt gelassen. Als er uns also vom Flughafen aus in ein kleines Gasthaus begleitete und ich ihn fragte, ob er mir denn mal etwas in ewenkischer Sprache sagen könnte, war er sehr verlegen und meinte, er könne doch nur einige wenige Worte.

Ich und vor allem Reiner waren entsetzt. Also doch. Kein Film, Thema verfehlt, große Katastrophe.

Nein, auch das war für mich eine Geschichte. Genauso läuft es doch mit dem Verlust einer Sprache. Auch das konnte ich in meinem Film erzählen.

Die Drehtage sind vorbei und ich habe wunderbares Material im Koffer. Bilder, die einen Einblick geben in eine ganz andere Welt, in ein ganz anderes Leben. Und ja, ich bin verzaubert. Die Zeit am Baikal hat irgendetwas mit mir gemacht. Ich hatte im Vorfeld viel gelesen und in manchen Berichten tauchte der Hinweis auf, dass der See, der fast ein Meer ist, irgendwie magisch sei. „Ja, ja“, dachte ich. Und nun, auf dem Flug vom Norden des Baikals zurück nach Ulan-Ude, hatte ich selbst mit Burchan, dem Gott des Baikalsees, gesprochen. Natürlich so, dass es keiner merkte. Aber beim Blick auf die unendliche Eisfläche hatte ich mir und ihm geschworen noch einmal wiederzukommen. Dann, wenn das viele Wasser flüssig ist, wenn man im Boot über die Wasserfläche fahren kann und wenn man baden kann. Ja, das war das Wichtigste. Einmal im Leben will ich im ältesten und tiefsten Süßwassersee schwimmen. Väterchen Baikal, ich komme wieder. Irgendwann, irgendwie, aber ich bin mir sicher, das war es noch nicht mit uns.

Außerdem hatten die Einheimischen gesagt, nur wer gut ist, hat so schönes Wetter am Baikal wie wir. Wir hatten traumhaftes Winterwetter, also mochte uns der See, also musste ich wiederkommen. Was ist nur mit mir los? Normalerweise genieße ich eine Zeit, erledige meine Aufträge, tue was von mir erwartet wird und dann geht es zum nächsten Projekt. Dieses Mal ist es anders. Es ist die Reise meines Lebens, das spüre ich schon jetzt. Doch wie sehr das alles eine Reise zu mir selbst werden wird, ist mir noch nicht klar.

Ich mache mich über die Einschätzung meiner Kollegen lustig. Warum sollte sich Anatoli in mich verliebt haben? Woran wollen sie das überhaupt bemerkt haben? Schließlich war Anatoli höchstens die Hälfte der Zeit bei uns. Wir haben viele Menschen kennengelernt, haben ganze Tage mit anderen Protagonisten verbracht. Wenn Anatoli mit uns zusammen war, hatte er sich abends relativ zeitig verabschiedet, war nach Hause zu seinem Sohn gegangen, hatte andere Dinge erledigt. Er war in meiner Nähe zwar immer sehr freundlich und aufmerksam, aber doch auch sehr zurückhaltend. Und überhaupt: Ich bin elf Jahre älter als er. Ich trage beim Drehen praktische, in diesem Fall besonders warme Kleidung. Ich sah in der gesamten Zeit kein einziges Mal schick aus. Nicht einmal geschminkt, warum auch. Dagegen hatte ich das Gefühl, dass die Russinnen selbst im matschigen Eisschnee und bei extremer Kälte nicht auf hohe Absätze und modernste Kleidung verzichteten. Wie sollte mir das auch entgangen sein? Ich musste ja nur den Blicken meiner Männer folgen, wenn sie abschweiften.

Also, was bitte schön, sollte Anatoli an mir finden?

„Ach Britta“, ist alles was die Männer dazu sagen.

Allein in meinem Hotelzimmer geht mir die ganze Reise noch einmal durch den Kopf, von der ersten Begegnung am Flughafen bis zur Verabschiedung gestern Abend im Gästehaus. Nach meinem Geschmack wollte Anatoli sich schon viel zu früh verabschieden. Plötzlich stand er mit Jacke und Stiefeln vor uns und wollte nach Hause. Ich holte noch Geschenke für die Kinder im Kinderklub und wollte ihm Geld fürs Benzin geben. Er wollte es nicht nehmen. Ich schaute verzweifelt zu unserer Dolmetscherin Tatjana. „Steck das Geld einfach mit in den Beutel. Er braucht es“, sagte sie. Ich drückte ihm also wieder den Beutel mit den Geschenken in die Hand. In seinen Augen waren Tränen. Er wollte mir aber nicht zeigen, dass er weinte und war sehr bemüht sich noch schneller zu verabschieden. Die Männer umarmten sich und nahmen Abschied. Ich war als Letzte dran. Ich wischte ihm eine Träne von der Wange. Es tat mir leid, dass er so traurig war. Es tat mir leid, dass wir sein Leben durcheinan dergebracht hatten. Dass es wirklich Abschiedsschmerz war, auf diese Idee kam ich nicht.

Jetzt, wenn ich mich daran erinnere, denke ich, dass es schön war die Träne zu berühren, kurz sein Gesicht zu streicheln und ihn zu umarmen. Ein wunderbar warmes Gefühl durchströmt mich.

Es fällt mir noch etwas anderes ein. Wir hatten während der Drehzeit eine gemeinsame Zugfahrt. Drei Stunden von Nischneangarsk nach Nowy Uojan. Wir haben gefilmt, erzählt, gegessen, Interviews gedreht und hatten viel Spaß dabei. Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Jetzt fühle ich noch etwas anderes. Ich wäre gern näher an ihn herangerutscht. Ja ich wäre gern dichter gewesen. Warum wird mir das erst jetzt bewusst? Gibt es so etwas, dass man sich das im Nachhinein einbildet?

Mein Handy vibriert. Eine weitere Nachricht von Anatoli:„Du fehlst mir.“Voller Vertrauen antworte ich: „Du mir auch.“

Es folgen so viele Nachrichten, Mails und Telefonate, dass die Betreiber von Telekommunikationsnetzen die wahre Freude an uns als Kunden haben. Die verschiedenen automatischen Übersetzer, die es im Internet gibt, werden alle von mir getestet. Keiner ist wirklich gut, aber ohne diese Hilfe wäre der Kontakt undenkbar. Ich lerne, wie man die Tastatur auf kyrillische Buchstaben umstellt, und nach und nach kommt ein wenig Russisch aus meiner Schulzeit wieder ans Tageslicht.

In Deutschland ist Frühling. Ich schicke Fotos von blühenden Bäumen. Er mailt Fotos von Schneestürmen, Regen und Nebel, später von Waldbränden.

Wir schreiben, telefonieren, skypen.

Ich melde mich beim Russischkurs in der Volkshochschule an.

Und ich schreibe in mein Tagebuch.

18. April

Zweimal im Leben habe ich mich ähnlich gefühlt: nach Ungarn, nach Paris und jetzt nach Sibirien. Aber dieses Mal war es die Reise meines Lebens. Es war so spannend, aufregend und wundervoll. Dass ich mich nicht nur in das Land und das Abenteuer verliebt habe, ist mir erst danach klargeworden. Anatoli schreibt so liebevolle, wunderschöne Nachrichten, dass es in meinem Bauch kribbelt als sei ich 17 Jahre alt.

Ein wenig habe ich das Gefühl, wir haben die Zeit nicht richtig genutzt. Was natürlich Quatsch ist.

Aber bis auf ein paar sekundenlange Blicke gab es nichts, was auf unsere Gefühle hingewiesen hätte. Vielleicht sind wir auch verliebt in die Situation? Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, ob wir es jemals ausprobieren können. Fast 8000 Kilometer sind schon sehr sehr weit.

Wir werden sehen.

Wir werden sehen, ob Anatolis Optimismus berechtigt ist und wir uns wiedersehen.

Die Zeit wird es zeigen.

Den Baikal noch einmal flüssig sehen ... ja, ich werde noch einmal dorthin reisen. Und bis dahin werde ich die Schmetterlinge im Bauch genießen und auch etwas traurig sein.

Fast achtzehn Stunden Material haben wir auf unserer Drehreise gefilmt. Jetzt ist alles in den Computer geladen und mein Lieblingscutter Ingo und ich machen daraus einen Film. Es wird der persönlichste Film, den ich je gemacht habe. Das liegt nicht an der sonderbaren Liebesgeschichte, die gerade begonnen hat. Es war schon vorher so geplant. Ich erzähle im Film tatsächlich unsere Suche nach den Ewenken am Baikalsee. Angefangen mit den ersten Recherchen im Internet und dem ersten Kontakt zu Anatoli, bis zu den ewenkischen Spuren, die wir am Nordbaikal gefunden haben.

Wenn ich jetzt hier im Schnitt sitze, ist das ein merkwürdiges Gefühl. Ich sehe ihn auf dem Bildschirm, fühle seine Unsicherheit und versuche Situationen zu deuten, die ich jetzt vollkommen neu bewerten möchte. Hat er in diesem Moment schon gewusst, dass er mich gut findet? Hat er hier schon einen Bruchteil einer Sekunde länger geschaut, als es normal ist?

Zum Glück hat Ingo Verständnis für eine verliebte Redakteurin. Es stört ihn nicht, dass während der gesamten Schnittzeit ein soziales Netzwerk auf meinem Computer geöffnet ist, und ab und zu ein kleines Geräusch verrät, dass jemand in Gedanken bei uns ist. Wir senden Fotos vom Monitor nach Sibirien, fragen noch einmal nach ewenkischen Wörtern, und Ingo und ich freuen uns, dass der Schnitt so super läuft. Es wird ein richtig schöner Film.

Ich bin stolz auf meine Arbeit. Wenn mich jemand fragt, schwärme ich von der Zeit am Baikalsee und muss aufpassen, dass ich mich nicht immer als verliebte Frau oute. Meistens wird aber doch sehr schnell klar, dass mich nicht nur Land und Leute begeistert haben, sondern noch etwas anderes. Eigentlich erübrigt sich bei mir die Frage, wie es mir geht. Wer genau hinschaut, sieht das sofort. Und ich sehe einfach verliebt aus.

Ein bisschen sehe ich auch übernächtigt aus, denn ich finde nicht in meinen normalen Schlafrhythmus zurück. Der Zeitunterschied zwischen Sibirien und Deutschland macht unsere Kommunikation wirklich schwierig. Wenn ich bis Mitternacht wach bleibe, habe ich die Chance, dass ich eine erste Nachricht von ihm bekomme. Die schreibt er beim Aufstehen, gegen sechs Uhr morgens. Ich kann sie noch lesen und beantworten, bevor ich einschlafe. Nachts wache ich auf und schaue auf mein Handy, ob noch eine weitere Nachricht gekommen ist.

Wenn ich aufstehe, ist beim ihm Mittag. Er ruft an, wünscht mir einen schönen Tag und fragt, was ich vorhabe.

Wenn seine Sehnsucht zu groß ist, ruft er auch nachts an. Meistens bin ich schon wach und habe das Gefühl den Anruf vorherzusehen. Meine Nächte sind unruhig, aber schön.

3. Mai

Ich bin schon seit vier Wochen wieder zu Hause, aber es kommt mir vor als ob ich erst gestern zurückgekommen wäre. Der Film ist fertig und sogar schon vom Chef abgenommen.

Alle Welt weiß, dass ich verliebt bin, weil ich es allen erzähle und weil man es mir an der Nasenspitze ansieht. Weil ich gar nicht anders kann.

Was soll’s. So bin ich nun mal.

Es sprechen so viele Dinge gegen diese Liebe. Ich sehe überhaupt keine Möglichkeit es in irgendeiner Weise auszuleben, auszuprobieren ... es ist schon ein wenig gemein. Warum ist das so? Wollte mir wirklich nur jemand zeigen, dass es noch geht? Dass es auch bei mir noch geht? Dass ich mich nach all den Jahren verlieben kann?

Aber verlieben in eine unerfüllbare Beziehung kann jeder. Ich würde so gern ausprobieren, ob ich mich auch real noch einmal darauf einlassen kann.

Es ist interessant wie unterschiedlich meine Freunde und meine Familie auf mein Abenteuer reagieren.

Meine Kinder sind süß. „Mach mal Mama, wenn es dir guttut, aber halt uns da raus.“ Das ist wohl der Grundtenor meiner beiden Kinder. Sie freuen sich mit mir, trösten mich, wenn ich auf Mails warte und wenn ich nicht weiterweiß. Leider haben beide keine Lust mit mir nach Sibirien zu fahren. Das sei meine Geschichte. Vincent ist es zu weit und Vanessa hätte wohl etwas Bedenken mit einer verliebten Mutter unterwegs zu sein.

Aber sie lassen mich erzählen und fühlen mit mir.

Meine besten Freundinnen sind sich, glaube ich, nicht ganz einig. Nicola findet es toll, dass ich das erlebe. Sie will alles wissen und ist stets für mich da. Egal ob ich vor Glück überschäume oder verzweifelt auf ein Lebenszeichen von ihm warte. Sie hilft mir meine Gefühle zu sortieren und fühlt mit.

Christina hat eher Angst um mich. Wieder etwas, was mir wehtun könnte. Aber sie ist bei mir. Beide kann ich zu jeder Zeit anrufen oder besuchen. Egal wie es mir geht.

Meine Eltern und meine Schwester ... ich weiß nicht, was sie denken. Vermutlich halten sie mich für verrückt.

Ich selbst halte mich manchmal für verrückt. Wie soll das gehen? Wo soll das hinführen? Was soll das alles?

Mir ging es doch gut. Nach der Trennung vom Vater meiner Kinder habe ich lange, sehr lange gebraucht, um wieder glücklich zu sein. Erst dachte ich, ich brauche einen neuen Partner. Dann merkte ich, dass ich gar nicht um den Mann, sondern um meine Familie trauerte. Ich wollte so gern eine komplette Familie. Das hatte auf Dauer nicht geklappt. An den neuen Lebensentwurf hatte ich mich mühsam rangetastet. Ich hatte sie groß bekommen, meine beiden Engel. Gut groß bekommen. Es sind die tollsten Kinder der Welt. Ich hatte auf diesem Weg nette Begegnungen mit Männern, die uns manchmal als gute Freunde ein Stück begleitet hatten. Aber ich hatte keine neue Liebe gefunden, keinen Partner. Das war o. k. Ich war sehr glücklich und zufrieden mit mir, meinen großen Kindern und meiner Arbeit.

Niemand, der mich für verrückt erklärte, wenn ich viel arbeiten musste, niemand, der mir in mein Leben reinredete.

Dass mir das noch einmal passieren würde, was man wohl „sich komplett verknallen“ nennt, hätte ich nie gedacht.

Aber bin ich denn verknallt, verliebt oder was auch immer? Es sind doch nur Mails, Telefonate, kleine Symbole im Internet und auf dem Handy.

Mein Herz rast, wenn ich an ihn denke. Wenn beim skypen auf dem Monitor sein Bild auftaucht, er sich verstohlen eine Träne wegwischt, dann ein ganzes Handtuch nimmt um seine Augen zu trocknen, nur, weil er mich sieht, dann zerfließe ich vor Glück. Nein, so etwas habe ich vorher nie erlebt.

Dabei habe ich ihn doch noch nie berührt, nie geküsst. Wie geht das? Kann man sich in russische Worte verlieben?