Das romantische Château in Frankreich – Hochzeit mit Hindernissen - Claire Bonnett - E-Book

Das romantische Château in Frankreich – Hochzeit mit Hindernissen E-Book

Claire Bonnett

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Beschreibung

Élodies Leben könnte kaum besser laufen: Das kleine Château ist mittlerweile ein richtiger Besuchermagnet, und außerdem soll hier auch bald ihre Traumhochzeit mit ihrer großen Liebe Nicolas stattfinden! Ausgerechnet jetzt taucht Nicolas geldgieriger Bruder Guillaume wieder auf. Er gibt vor, sich versöhnen zu wollen, aber kann man ihm wirklich trauen? Am liebsten würde Élodie ihm auf Schritt und Tritt folgen, doch im Schloss verlangen andere Dinge ihre Aufmerksamkeit. Denn der neue Gärtner scheint ein dunkles Geheimnis zu haben und eine Schneiderin möchte unbedingt im Château ein Atelier eröffnen. Für Élodie steht schnell fest: Hochzeitsvorbereitungen stellen auf ihrem Weg zum Glück noch das kleinste Hindernis dar!

Der dritte Band der romantischen Feel-Good-Reihe rund um ein kleines Schloss im idyllischen Loire-Tal.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Élodies Leben könnte kaum besser laufen: Das kleine Château ist mittlerweile ein richtiger Besuchermagnet, und außerdem soll hier auch bald ihre Traumhochzeit mit ihrer großen Liebe Nicolas stattfinden! Ausgerechnet jetzt taucht Nicolas geldgieriger Bruder Guillaume wieder auf. Er gibt vor, sich versöhnen zu wollen, aber kann man ihm wirklich trauen? Am liebsten würde Élodie ihm auf Schritt und Tritt folgen, doch im Schloss verlangen andere Dinge ihre Aufmerksamkeit. Denn der neue Gärtner scheint ein dunkles Geheimnis zu haben und eine Schneiderin möchte unbedingt im Château ein Atelier eröffnen. Für Élodie steht schnell fest: Hochzeitsvorbereitungen stellen auf ihrem Weg zum Glück noch das kleinste Hindernis dar!

Kapitel 1

»Das war doch ein voller Erfolg, oder?«

Ehe ich antworten konnte, nahm Nicolas meine Hand und begann, mich durch den Saal zu wirbeln. Ich ließ den Besen fallen, mit dem ich eben noch die Rosenblätter auf dem Boden zusammengefegt hatte. Lachend hielt ich mich an meinem Freund fest.

»Hast du etwa daran gezweifelt?«

Nicolas hob die Hand und geleitete mich in eine schwungvolle Drehung. »Niemals, Mademoiselle!«

Ich verlor beinahe das Gleichgewicht und landete unversehens in Nicolas’ Armen, der die Gelegenheit nutzte, um mir einen langen Kuss zu geben.

»Und die Nächsten sind wir«, flüsterte er mir ins Ohr, als wir uns wieder voneinander lösten.

»Dann aber bitte mit etwas weniger Rosenblättern.« Ich schnappte mir wieder meinen Besen und warf einen Blick auf den festlich geschmückten Ballsaal des Châteaus. Lange Reihen von weißen Stühlen standen dort, verziert mit glänzend blauen Seidenbändern – und jeder Menge roten Blütenblättern dazwischen.

»Die Kunstausstellung letzten Monat hat weniger Aufräumarbeit hinterlassen«, stellte ich fest. »Zum Glück sind die Gäste jetzt alle im Park, um das Brautpaar zu feiern.«

»Stimmt, jemand sollte wohl nach draußen gehen, um zu sehen, ob alles mit dem Catering geklappt hat.«

»Bereite du dich lieber auf die nächste Besuchergruppe vor. In einer Viertelstunde beginnt die Führung, und ich vermute, sie wollen dafür den echten de Montenait und nicht seine –«

»Seine bezaubernde Verlobte?«

Ich lachte. »Leider weiß die immer noch nicht halb so viel über das Schloss wie der einzig wahre Nicolas de Montenait.«

»Wenn du einfach nur das Buch lesen würdest, das ich letzten Monat …«

»Ab mit Ihnen, Monsieur!« Ich warf eine Handvoll Blütenblätter nach Nicolas, der lachend auswich und dann den Ausgang des Ballsaals ansteuerte. Seine Schritte ließen das alte Parkett knarzen, dann fiel die schwere Tür hinter ihm ins Schloss.

Ich machte mich wieder daran, die Blumendekoration aufzuräumen und die Stühle der Hochzeitsgäste aufeinanderzustapeln. Es war die erste Hochzeit, die wir im Château ausgerichtet hatten. Die Anfrage hatte mich erst überrascht, bis ich gedacht hatte, wir hätten selbst viel eher auf diese Idee kommen können.

Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und stellte mich neben eins der hohen Fenster. Ein heller Sonnenstrahl fiel durch das Glas und wärmte meine Wangen. Die Gäste hätten sich kein schöneres Wetter für ihre Sommerhochzeit wünschen können. Draußen wölbte sich ein strahlend blauer Himmel über das Schloss.

Seit ein paar Wochen war es draußen so warm, dass man selbst in einem alten zugigen Château keine Heizung mehr brauchte. Dafür leuchteten die Parkanlagen in den schönsten Farben, die man sich vorstellen konnte. Die Buchsbäume in einem satten Grün und der Rosenpavillon in zartem Hellrosa.

Ich entdeckte in diesem Moment die Braut in ihrem weißen Kleid, die über die Rasenfläche spazierte, dicht gefolgt von ihrem Bräutigam und einer jungen Frau mit einer riesigen Spiegelreflexkamera. Anscheinend waren noch ein paar Fotos geplant, bevor sich die Gäste den Bauch vollschlugen. Was mich daran erinnerte, dass ich doch draußen selbst nach dem Rechten sehen wollte.

Auf der Galerie entdeckte ich Nicolas, der von einer kleinen Besuchergruppe umringt unten in der Eingangshalle stand. Seine kräftige dunkle Stimme hallte von den Wänden wider, als er zu erklären begann, was es mit dem Deckengemälde auf sich hatte.

Ich schlich so leise wie ich konnte die Treppe hinunter und schob weitgehend unbeachtet die Eingangspforte des Schlosses auf. Draußen schlug mir die Hitze des Sommertages mit voller Wucht entgegen, und obwohl ich nur ein leichtes blaues Kleid trug, fächelte ich mir mit der Hand ein wenig Luft zu.

Der Kies der Einfahrt knirschte unter meinen Füßen, bis ich schließlich den Weg einschlug, der zu den Parkanlagen führte. Ich erblickte dort einen Mann in einem verschwitzten dunkelgrünen T-Shirt. Im Schatten einiger Bäume machte er sich am Holzschuppen zu schaffen.

»Hey, PM!«, rief ich und ging auf ihn zu.

Der Mann drehte sich zu mir um und grinste, als er mich erkannte. »Salut, Mademoiselle!«

»Ich sehe, Sie sind schon fleißig? Sie haben aber nicht vor, das zu tun, was ich denke, oder?«

Pierre-Marie Farneau, der uns bereits am ersten Tag gebeten hatte, ihn einfach nur PM zu nennen, machte ein unschuldiges Gesicht. Mein Vater hatte uns vorgeschlagen, ihn einzustellen, und wir hatten es bisher keinen Tag lang bereut.

»Das Gras neben dem Gewächshaus wird langsam zu hoch …«

»Hier ist jetzt gleich ein Hochzeitsempfang, und ich glaube, die Gäste haben sich unter einer romantischen Atmosphäre etwas anderes vorgestellt als das Röhren eines Rasenmähers.«

PM seufzte. »Na schön, vermutlich kann das noch bis morgen warten. Ich wollte sowieso heute auch nach den Brunnen sehen.«

»Eine fantastische Idee! Entschuldigen Sie, ich kann nicht viel länger bleiben, ich muss mich um den Empfang kümmern.«

PM tippte sich an die Schläfe. »Kein Problem, Chefin.«

Ich winkte flüchtig und eilte dann weiter über den Rasen zu dem großen weißen Zelt, das dort auf hohen Stelzen aufgebaut war. Es fühlte sich immer noch sehr ungewohnt an, Angestellte zu haben. Fast so sehr wie die Tatsache, dass wir uns jetzt welche leisten konnten. Im Winter hatten Nicolas und ich noch bibbernd in unserem Château gesessen und uns gerade so von einem Tag auf den anderen durchgeschlagen.

Ich schob den hellen Stoff über dem Eingang zur Seite und betrat das Innere des Zeltes. Drinnen schwirrte die Luft von den Gesprächen der Gäste, die an kleinen runden Tischen verteilt beisammensaßen. Als einige mich erkannten, winkten sie mir fröhlich zu.

»Mademoiselle Vinet! Es ist bezaubernd hier!«

»Was für einen schönen Ballsaal Sie doch haben!«

Ich nahm die Komplimente lächelnd entgegen und ging dann zur anderen Seite des Zeltes, wo auf einem langen Tisch ein riesiges Buffet aufgebaut war. Dahinter stand eine sehr vertraute Person, die heute ihre üblichen Strick-Kreationen gegen eine weiße Bluse als Arbeitskleidung eingetauscht hatte.

»Hallo, Maman!«

»Salut, Élodie, bist du etwa vorbeigekommen, um nach dem Rechten zu sehen? Traust du deinen armen Eltern etwa nicht mehr zu, eine Hochzeitsgesellschaft anständig zu versorgen?«

»Ich habe vollstes Vertrauen!« Ich warf einen Blick auf die silbernen Tafeln mit Fasan in Sahnesauce, gelben Safranreis und Auberginen. »Das sieht ja wunderbar aus.«

Meine Mutter nickte zufrieden. »Es ist aber noch nicht das Highlight.«

Ich lachte. »Nicht?«

Maman lächelte lediglich und wies zum Ende des Buffets. Ich wandte mich um und erblickte eine dreistöckige Hochzeitstorte, die über und über mit rosa Blüten und goldenen Ranken aus Marzipan verziert war.

»Wow! Claudine hat sich mal wieder selbst übertroffen.«

»Nicht wahr? Fast schon ein Jammer, sie später in Einzelteile zu zerschneiden.«

Bevor ich darauf antworten konnte, öffnete sich wieder der Eingang des Zeltes, und das Brautpaar kam herein. Die Gäste drehten sich auf ihren Stühlen um und spendeten Applaus, und nach ein paar einleitenden Worten begann schließlich das Festmahl. Maman und ich waren am Buffet damit beschäftigt, den Gästen ihr Essen auf die Teller zu häufen. Natürlich ließ sich meine Mutter diese Gelegenheit nicht entgehen, mich über den derzeitigen Stand der Dinge im Château auszufragen.

»Also?«, fragte sie, während sie Reis auf einen Teller schaufelte. »Wie läuft es bei Nicolas und dir?«

»Na, du siehst es doch selbst.« Ich reichte einen Teller mit dem Hauptgang über den Tisch. »Seit die Bank uns den Kredit gewährt hat, konnten wir das Schloss auf Vordermann bringen, und damit haben wir auch geschafft, Veranstaltungen durchzuführen und mehr Besucher hierherzulocken. Solène hat mir erst gestern vorgerechnet, wenn wir es schaffen, diesen Trend zu halten, können wir in fünf Jahren schon wieder die Hälfte unserer Schulden abbezahlen und –«

»Aber das weiß ich doch schon, mein Schatz«, unterbrach mich Maman sanft. »Und Papa und ich sind wahnsinnig stolz auf dich. Ihr holt wirklich das Allerbeste aus dem Château heraus, und das hilft der ganzen Gegend. Trotzdem, mich interessiert, wie es Nicolas und dir geht.«

Der Großteil der Gäste saß nun wieder zufrieden an den Tischen und vertiefte sich in das Essen. Ich verschränkte die Arme und beobachtete das Fest.

»Wirklich gut, Maman. Klar, die Arbeit wird nicht weniger – eher umgekehrt –, aber wir schaffen es inzwischen regelmäßig, Zeit füreinander zu finden. Nicht zuletzt, weil Nicolas nicht mehr in Angers arbeitet.«

Die kleine Beziehungskrise, die die Schlossverwaltung uns im Winter beschert hatte, kam mir nur noch wie ein lang zurückliegender schlechter Traum vor. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. »Uns geht es gut. Ich würde sogar sagen, wir sind richtig glücklich.«

»Aha! Eure eigenen Hochzeitspläne schreiten also voran? Seit der Verlobung sind ja schon ein paar Monate vergangen. Weißt du, ich habe mir einige Gedanken über dein Kleid gemacht. Schließlich habe ich nicht nur im Stricken jede Menge Erfahrung. Letztens erst habe ich die alte Nähmaschine deiner Großtante aus dem Keller –«

»Maman! Das hat doch alles noch Zeit.«

»Ich wollte dir nur ein wenig Arbeit abnehmen. Hast du überhaupt schon herausgefunden, ob Nicolas einen weiten oder einen engen Rock besser finden würde?«

Ich seufzte. »Ich glaube, Nicolas ist das ziemlich egal. Und überhaupt, wir waren in den letzten Monaten vollauf damit beschäftigt, dieses Schloss wieder auf Erfolgskurs zu bringen, da bleibt nicht viel Zeit, um über Kleider, Menüpläne und Hochzeitswalzer nachzudenken.«

»Richtig! Ihr müsst ja auch noch Tanzstunden nehmen, obwohl … Ich glaube, Nicolas kann schon tanzen. Wie lange ist noch mal dein Unterricht her?«

Langsam beschlich mich das Gefühl, dass meine Botschaft nicht so richtig bei meiner Mutter ankam.

Maman lachte und stieß mich in die Seite, als hätte sie meine Gedanken lesen können. »Entschuldige, wenn ich übereifrig erscheine, mein Schatz. Ich freue mich nur schon so auf das Ereignis. Eigentlich alle in Courléon, und wie du doch bereits selbst gemerkt hast, Nicolas und du habt das Schloss erfolgreich auf Kurs gebracht. Wäre jetzt also nicht die perfekte Gelegenheit, euch beiden wieder etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken?«

»Ja … ja, wahrscheinlich schon.«

Maman runzelte die Stirn. »Ist noch irgendetwas anderes?«

Zum Glück kamen in diesem Moment wieder Gäste, die einen Nachschlag wollten, sodass ich mich einer weiteren Befragung entziehen konnte. Unser vorangegangenes Gespräch hatte meiner Meinung nach schon einen ganz guten Hinweis darauf gegeben, warum ich nicht ganz so erpicht darauf war, so schnell wie möglich eine Hochzeit in die Wege zu leiten.

Es stimmte, wir hatten es geschafft, das Schloss auf Erfolgskurs zu bringen. Es hatte uns eine Menge Energie gekostet, und die Vorstellung, sofort wieder ein neues Großereignis zu stemmen, schreckte mich zugegebenermaßen ab. Denn ein Großereignis würde es werden, das stand zweifelsfrei fest.

Schließlich gab es ein ganzes Dorf, das seine Meinung dazu einbringen würde, und Nicolas … nun, der hatte zwar kein Dorf, aber eine adelige Familie im Gepäck, von der ich bisher nur seinen großen Bruder kennengelernt hatte. Und diese Begegnung hatte mir ehrlich gesagt für alle Ewigkeiten gereicht.

Ich half meiner Mutter noch ein wenig mit den Gästen, bis ich schließlich wieder das Zelt verließ. Am meisten mochte ich an der Arbeit als Schlossverwalterin, dass jeder Tag anders aussah und man nie wusste, was einem im nächsten Moment …

Gerade, als ich um die Ecke bog, prallte ich beinahe in eine Frau hinein. Sie hatte rotbraune kinnlange Haare und dunkelbraune Augen. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig.

Sie trug eine sonnenblumengelbe Bluse und einen hellen Rock. Hinter ihr stand eine Junge, den ich auf neun Jahre schätzte.

»Salut, Madame. Waren Sie nicht vorhin bei Nicolas’ Führung dabei?«, erkundigte ich mich.

Die Frau lächelte verlegen. »Oh, ja, das war ich. Ich wollte mir gerne einmal das Schloss ansehen. Es ist wirklich ein wunderschönes Kleinod.«

»Ach, vielen Dank! Ich hoffe, der Park gefällt Ihnen ebenfalls. Es ist das erste Jahr seit Langem, in dem er halbwegs vorzeigbar aussieht.«

»Ich finde ihn großartig«, versicherte mir die Besucherin sofort. »Und um ganz ehrlich zu sein, bin ich nicht nur hierhergekommen, um ihr Schloss und den Park zu besichtigen.«

»Tatsächlich?«

Mein Gegenüber wirkte nun ein wenig verlegen, dann jedoch atmete sie tief durch und machte ein entschlossenes Gesicht.

»Ja, ich … Also, ich hätte da eine Idee, die ich Ihnen und Monsieur de Montenait gerne vorstellen würde.«

»Eine Idee … okay.«

Ich war skeptisch. Seit es sich beim Château nicht mehr um ein hoffnungsloses Projekt handelte, waren schon die unterschiedlichsten Menschen auf unserer Türschwelle erschienen, um uns »lukrative Vorschläge« für das Schloss zu machen. Und bei den meisten hatte es sich um einseitig lohnenswerte Vorschläge gehandelt. Meine mangelnde Begeisterung schien mir offensichtlich ins Gesicht geschrieben zu sein, denn die Besucherin sprach schnell weiter.

»Aber ich überrumple Sie gerade, Madame, entschuldigen Sie! Ich wollte Ihnen den Vorschlag natürlich nicht so zwischen Tür und Angel unterbreiten. Vielleicht … vielleicht hätten Sie in den nächsten Tagen einmal Zeit für einen Kaffee und ein kurzes Gespräch, damit ich Ihnen alles in Ruhe erklären kann?«

»Also, ich fühle mich natürlich sehr geehrt, dass Sie mit Nicolas und mir zusammenarbeiten wollen, das weiß ich wirklich zu schätzen …«, formulierte ich gestelzt, um eine höfliche Absage einzuleiten, doch da hatte die Frau bereits einen gelben Notizzettel aus ihrer Tasche hervorgezogen und mir überreicht.

»Meine Telefonnummer, melden Sie sich doch bei mir, wenn Sie Zeit haben. Ich habe Sie schon lange genug aufgehalten. Komm, Julien.«

Sie griff nach der Hand ihres Sohnes und eilte an mir vorbei zurück zum Château. Ich sah ihr mit dem Zettel in der Hand nachdenklich hinterher. Die Dame hatte einen leichten, federnden Gang. Sie wirkte auf mich nicht wie eine der üblichen humorlosen Geschäftsleute, die sonst ans Schlosstor klopften. Trotzdem hielt ich eine Portion Vorsicht für angebracht.

Das war wohl der größte Unterschied zwischen der Élodie, die vor zwei Jahren »nur für kurz« nach Courléon gekommen war, um für Jura-Prüfungen zu lernen, und der heutigen. Wenn man Verantwortung für ein Schloss und seit Neuestem sogar Schlossmitarbeiter trug, verlor man die Begeisterung für Überraschungen und Spontanität.

»Hoffentlich will sie bei uns keinen Film drehen«, murmelte ich, während ich den Zettel in meine Hosentasche stopfte. Es war zwei Jahre her, dass das Château als Schauplatz für einen Kostümfilm gedient hatte, trotzdem war mir diese Zeit noch immer lebhaft in Erinnerung. Schließlich hatte sie mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.

Zurück im Château verzog ich mich in den Salon, den ich als Arbeitszimmer für uns eingerichtet hatte. Rechnungen und Bausubstanzgutachten zu sichten gehörte wesentlich häufiger zu meinem Alltag, als eine Partie Billard zu spielen, wie es Adelige früher getan hatten. Zum Glück besaß das Schloss nicht nur einen Salon, sodass wir den Besuchern immer noch ein paar authentische Räumlichkeiten präsentieren konnten.

Ich ließ mich auf den Bürostuhl sinken, der vor einem wuchtigen Sekretär aus Walnussholz stand, und schaltete die Schreibtischlampe an. Es erfüllte mich immer noch mit Stolz – und Dankbarkeit! –, dass wir es endlich geschafft hatten, das Schloss mit zuverlässig funktionierendem Strom auszustatten. Im Winter mussten wir uns nicht mehr auf unsere uralten Kamine als einzige Wärmequelle verlassen.

Mein Blick fiel auf die Schneekugel, die auf meinem Schreibtisch stand. Solène, meine beste Freundin, hatte sie mir geschenkt. Das Foto im Inneren zeigte ein paar weihnachtlich geschmückte Stände vor dem Schloss. Ein Foto von dem kleinen Weihnachtsmarkt, den wir letzten Winter gemeinsam auf die Beine gestellt hatten. Dort hatte ich auch Nicolas’ Heiratsantrag angenommen. Prompt landeten meine Gedanken bei meiner Mutter, die bereits Pläne für mein Kleid ausheckte. Ich seufzte und wandte mich wieder meinen Ordnern zu.

Draußen stand bereits die Sonne tief und warf lange orange Streifen aufs Parkett, als ich schließlich meine Unterlagen beiseiteräumte. Mein Rücken schmerzte ein wenig, und der Staub, der, egal wie sehr man sich bemühte, im Schloss allgegenwärtig war, kitzelte in meiner Nase. Ein ganz normaler Tag im Château eben. Ich streckte mich und gähnte.

»Schon so müde?«

Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass Nicolas hereingekommen war. Der Bürostuhl quietschte, als ich mich zu ihm umdrehte.

»Akten machen müde, das weißt du doch.«

»Gut, dass ich was dabeihabe, um deine Lebensgeister wieder zu wecken.«

Nicolas hob einen altmodischen Korb aus geflochtenem Weidenholz hoch.

»Ein Picknick?«, fragte ich überrascht.

»Na, warum nicht? Die Hochzeitsgäste sind alle wieder gefahren, draußen ist es gerade richtig angenehm warm, und wir sollten den frisch gemähten Rasen von PM einweihen.«

Ich lachte. »Ach ja, richtig, den sollten wir natürlich entsprechend würdigen.«

Ich sprang von meinem Sitzplatz auf, durchquerte den Salon und nahm Nicolas den Korb aus der Hand. Spielerisch stupste ich ihn in die Seite. »Hätten Sie vielleicht Lust, ein wenig mit mir durch den Park zu flanieren, Monsieur de Montenait? Diese Tageszeit soll sich ganz vorzüglich für ein Picknick eignen.«

Nicolas hauchte mir einen Kuss auf die Wange. »Mademoiselle Vinet, Sie haben wirklich die besten Ideen.«

»Selbstverständlich!«

Ich hakte mich bei Nicolas unter, und wir spazierten gemeinsam durch das Château. Mein Freund ließ es sich dabei nicht nehmen, ein paar der Highlights seiner heutigen Führung durch das Schloss mit mir zu teilen. Ich hörte geduldig zu – auch wenn ich einige der historischen Anekdoten schon in- und auswendig kannte.

Draußen umrundeten wir das Château, bis wir im Park angekommen waren. Das große weiße Zelt für die Hochzeitsgäste stand noch. Die waren mittlerweile für den ausgelassenen Party-Teil der Feier weiter in die Stadt gefahren. Wir schritten am Zelt vorbei und steuerten ein großes gläsernes Gewächshaus an, das sich am Rand des Parks befand. Die Wiese davor war gemäht, und tatsächlich roch es noch nach frischem Gras. Nicolas breitete eine rot karierte Decke auf der Wiese aus und begann dann, die mitgebrachten Leckereien darauf zu verteilen.

»Und wo ist das gute Geschirr mit deinem Familienwappen?«, neckte ich ihn, während ich mich neben eine Schüssel Geflügelpasteten setzte.

»Hier!« Nicolas zog einen altmodischen Porzellanteller heraus, auf dessen Mitte sich ein schnörkeliges Wappen befand. »Und außerdem ist es bald auch Ihr Familienwappen, Mademoiselle Vinet.«

Ich legte den Kopf schief.

»Nur ein Scherz«, sagte Nicolas beschwichtigend. »Es ist völlig dir überlassen, welchen Namen du annimmst, wenn wir heiraten. Mir ist eigentlich alles an diesen Formalien ziemlich schnuppe: Wie groß die Feier ist, welches Kleid du trägst, ob es nun einen Empfang mit Champagner oder Sekt gibt – oder gar keinen Empfang! Ich freue mich einfach nur auf den Moment, wenn wir einander versprechen, für den Rest unseres Lebens zusammenzubleiben.«

Er setzte sich neben mich auf die Decke und legte den Arm um mich. Ich lehnte mich an ihn und schloss für einen Moment meine Augen.

»Es ist beruhigend zu wissen, dass wir ähnlich denken. Ich fürchte nämlich, meine Familie hat jetzt schon einiges zu all diesen Fragen zu sagen. Ein Glück, dass deine noch keine Ansprüche angemeldet hat.«

Als es daraufhin still blieb, öffnete ich beunruhigt wieder die Augen. »Das haben sie doch nicht, oder?«

Nicolas seufzte, und ich begann zu ahnen, dass er nicht nur ein Picknick vorbereitet hatte, um mich mit einer romantischen Geste zu überraschen.

»Gibt es irgendetwas, was ich wissen sollte?«, hakte ich nach.

Nicolas schien einen Moment mit sich zu ringen, dann griff er in seine Hosentasche und zog einen zerknitterten Umschlag heraus. Er drehte ihn zwischen den Fingern hin und her. »Der hier war gestern in der Post.«

Ich setzte mich etwas auf. Ein ungutes Gefühl hatte sich in meinem Bauch ausgebreitet. »Und von wem ist er?«

Nicolas reichte mir wortlos den Umschlag. Ich öffnete ihn mit fliegenden Fingern und zog ein von Hand beschriebenes Blatt Papier heraus. Ein paar Streifen goldenes Sonnenuntergangslicht fielen darauf, als ich begann, die Zeilen zu lesen.

Lieber Nicolas,

ich weiß, wir haben lange nichts mehr voneinander gehört. Und das aus gutem Grund. Mir ist mittlerweile bewusst, dass ich mich bei unserem letzten Aufeinandertreffen furchtbar verhalten habe. Es wäre also nur zu verständlich, wenn du diesen Brief einfach in den nächsten Mülleimer wirfst. Ich versuche daher, mich kurz zu fassen.

Es tut mir leid, wie wir auseinandergegangen sind, Nicolas. Und ich würde gerne wieder mit meinem jüngeren Bruder sprechen. Würdest du also erlauben, dass ich ins Château komme? Bitte melde dich bei mir.

Dein großer Bruder

Guillaume

Kapitel 2

Ich ließ den Brief sinken und sah stirnrunzelnd zu Nicolas auf, der mich anscheinend genau beobachtet hatte.

»Tja.« Ich faltete den Zettel wieder zusammen. Es kostete mich einiges an Selbstbeherrschung, ihn nicht einfach zu einem Ball zusammenzuknüllen. »Er scheint wohl irgendwie mitbekommen zu haben, dass es jetzt bei uns wieder etwas zu holen gibt.«

»Meinst du?«, fragte Nicolas nachdenklich.

Ich holte tief Luft. »Du denkst doch nicht wirklich darüber nach, ihn hierher einzuladen? Hast du etwa alles vergessen, was er getan hat?«

Nicolas öffnete den Mund, doch ich fuhr einfach fort.

»Wie er versucht hat, die Filmcrew mit miesen Tricks zu vertreiben? Dich hintergangen hat, um das Schloss möglichst gewinnbringend zu verkaufen und wie er mich …« Ich schluckte kurz. »… wie er mich behandelt hat.«

Ich sah Nicolas eindringlich an, doch ich kannte den Blick in seinen Augen nur zu gut. Als er seine Hand auf meine legen wollte, entzog ich sie ihm.

»Das kann nicht dein Ernst sein …«

»Élodie, er ist mein Bruder«, sagte Nicolas. »Und er schreibt, dass es ihm leidtut. Vielleicht … vielleicht hat er sich ja wirklich geändert.«

Ich schnaubte. »Das ist mal wieder typisch.«

»Was?« Zwischen Nicolas Brauen hatte sich eine kleine Falte gebildet.

»Typisch, dass du dich viel zu leicht um den Finger wickeln lässt! Egal, was dir jemand angetan hat, du bist sofort bereit, ihm eine zweite Chance zu geben.«

»Wie gesagt, er gehört zu meiner Familie …«

»Ganz genau! Dein eigener Bruder hat versucht, dich übers Ohr zu hauen und über deinen Kopf hinweg das Schloss zu verkaufen. Und er hat alles darangesetzt, uns beide auseinanderzubringen!«

»Ich weiß, aber … ich kann diese Nachricht nicht ignorieren. Nicht wenn es vielleicht eine Chance auf Versöhnung gibt. Das musst du doch verstehen!«

Daraufhin sagte für ein paar Sekunden keiner mehr etwas. Ich spürte meinen schnellen Herzschlag und die Hitze in meinen Wangen und wusste, in diesem Zustand würden wir uns nur als Nächstes verletzen.

»Okay.« Ich stand von der Picknickdecke auf.

Nicolas blickte verwirrt zu mir hoch. »Okay, was?«

»Wenn ich es verstehen soll, dann brauche ich jetzt etwas Zeit für mich. Wir sehen uns später, Nicolas.«

Ich wartete nicht seine Antwort ab, sondern schritt über die weite Rasenfläche des Parks. In meinem Inneren herrschte Chaos, und ich wusste nicht, wie ich es sortieren sollte.

Anstatt ins Schloss zurückzukehren, passierte ich das schmiedeeiserne Tor, das den Eingang zum Gelände markierte. Ich wollte gerade nicht im Château sein. Ich wollte ein paar ruhige Momente finden, um darüber nachzudenken, was passiert war.

Jetzt während der Dämmerung wurde es in dem kleinen Wald, der zwischen dem Château und dem winzigen Dorf Courléon lag, langsam kühl. Die Vögel in den Ästen der Bäume waren dabei, ihr Abendkonzert zu beenden. Ich stapfte über den Waldweg, der durch den Sonnenschein der letzten Tage ganz trocken und rissig geworden war.

Aufgebracht beschleunigte ich meinen Schritt. Kaufte Nicolas seinem großen Bruder etwa tatsächlich ab, dass der sich verändert hatte? Guillaume hatte die Dreharbeiten zusammen mit ihm beaufsichtigt. Er hatte alles darangesetzt, die Filmcrew möglichst schnell aus dem Schloss zu vertreiben, um es gewinnbringend zu verkaufen.

Ausgerechnet mir hatte er mehrfach vorgeworfen, mich nur des Geldes wegen an Nicolas »heranzuschmeißen«. Bei unserem letzten Treffen wäre er sogar körperlich übergriffig geworden, wenn ihn Nicolas nicht im letzten Moment daran gehindert hätte. Ich bekam immer noch Gänsehaut, wenn ich nur daran dachte.

Gleichzeitig wurde dadurch auch eine andere Erinnerung geweckt. Wie Nicolas und ich Hand in Hand in den Ballsaal zurückgekehrt waren, sich das ganze Dorf für uns gefreut und uns ihre Unterstützung versichert hatte. Ein kleines Lächeln erschien nun doch auf meinen Lippen. Nicolas würde Guillaume vielleicht verzeihen, aber bei den Bewohnern von Courléon würde er sich definitiv die Zähne ausbeißen.

Die Bäume lichteten sich, und ich erkannte die ersten Gebäude des Dorfes. In Courléon war ich aufgewachsen, und seit ein paar Jahren fühlte ich mich dort wieder vollkommen zu Hause. Ich atmete tief durch. Nicolas, Courléon und das Schloss waren meine Heimat geworden, und ich würde mit Sicherheit nicht zulassen, dass Guillaume mir irgendetwas davon kaputt machte.

Das schlechte Gewissen nagte mittlerweile an mir, wenn ich an Nicolas allein im Park dachte. War seine Eigenschaft, in allen Menschen das Gute zu sehen, nicht etwas, was ich an ihm liebte? Nun tat es mir leid, dass ich ihm das vorgeworfen hatte. Es war schmerzhaft genug für Nicolas gewesen festzustellen, wie rücksichtslos sein Bruder sein konnte, natürlich wünschte er sich, dass es eine Chance auf Versöhnung gab.

»Élodie!«

Ich schreckte auf. Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft gewesen, dass ich bei meinem Spaziergang durchs Dorf auf kaum etwas geachtet hatte. Nun erkannte ich eine klein gewachsene Gestalt, die aus der Richtung von Monsieur Bernouilles Hof auf mich zukam. Eine französische Bulldogge zockelte neben ihr her. Als der Hund mich erkannte, brach er in ein freudiges Bellen aus und begann, die Person am anderen Ende der Leine entschlossen in meine Richtung zu ziehen. Ich hob die Hand und ging den beiden entgegen.

»Hallo, Pompidou, und natürlich, hallo, Claudine!« Ich kam vor ihr zum Stehen. Claudine trug ein blau kariertes Leinenkleid mit Schürze und das graue Haar wie üblich in einem Knoten. Freundlich lächelte sie mich an und bückte sich dann, um ihrem Hund das Fell zu tätscheln.

»Natürlich hat der kleine Frechdachs dich sofort ausgespäht. Wir sind gerade auf unserem Abendspaziergang. Tagsüber war es zu heiß, um rauszugehen, aber jetzt ist es gerade ganz angenehm, n’est-ce pas? Möchtest du uns vielleicht begleiten?«

»Ja, warum nicht. Ich, ähm … bin auch gerade auf einem Spaziergang.«

»Na, wunderbar! Dann lass uns gehen.«

Claudine nahm ihre Bulldogge wieder kürzer, und gemeinsam flanierten wir durchs Dorf. Eine besonders große Runde konnte man in Courléon nicht laufen. Da gab es den Gasthof meiner Eltern, einen ehemaligen Bauernhof, Monsieur Bernouilles Hof, der immer noch ein Bauernhof war, eine Kapelle und ein paar Wohnhäuser aus Naturstein. In einigen waren die Fenster geöffnet, und in den Vorgärten blühten Hortensienbüsche, doch mehrere standen einfach leer.

Draußen war nicht besonders viel los, ein paar Dorfbewohner nutzten die milden Abendstunden, um unter der alten Kastanie auf dem sandigen Bouleplatz ein paar Kugeln zu werfen. Aus der Ferne hörte man Monsieur Bernouilles Kühe, die anscheinend ihre Abendfütterung nicht abwarten konnten. Ich begann, mich angesichts dieser ländlichen Idylle ein wenig zu entspannen.

»… und?«

»Comment?« Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass Claudine mit mir gesprochen hatte.

Sie lächelte belustigt. »Ich habe nur gefragt, wie es dir geht? Du sahst etwas angespannt aus, als Pompidou dich aufgespürt hat.«

»Oh, ich … es ist nichts«, erwiderte ich schnell.

Claudine legte den Kopf schief mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck wie meine Mathelehrerin, wenn ich ihr früher versichert hatte, dass ich diesmal besser auf die Prüfung vorbereitet war.

»Du weißt doch, wie das ist«, sagte ich beschwichtigend. »Mit einem Schloss trägt man immer ein paar Sorgen mit sich herum.«

»Es ist aber nicht wegen der Hochzeit, oder? Nicolas bekommt doch nicht etwa kalte Füße?«

»Nein, ganz und gar nicht. Nicolas kann es kaum erwarten.«

»Ich übernehme übrigens gerne die Torte! Ich durfte ja schon ein paarmal für die Veranstaltungen im Château backen. Meine neueste Kreation mit Mandelcreme-Füllung, Vanille und Ingwer kommt bestimmt gut an.«

»Die würde ich zu gerne probieren!«

»Das kannst du ja bald, oder? Ihr solltet langsam mit den Planungen anfangen, der Sommer ist schneller vorbei, als man denkt. Eigentlich seid ihr sowieso schon ein bisschen spät dran …«

»Wir haben Anfang Juni. Nur weil es ungewöhnlich heiß für den Frühsommer ist, bedeutet das nicht, dass er auch schneller zu Ende geht als gewöhnlich.«

»Die meisten Brautleute nehmen sich ein Jahr für die Planung Zeit«, belehrte mich Claudine. »Mindestens!«

Ich verkniff mir ein Augenrollen. »Nur wenn sie ein großes Tamtam wollen, und Nicolas und ich … wir sehen das Ganze entspannt.«

»Aber ihr wollt doch nicht wirklich Courléon um ein schönes großes Fest bringen?«, fragte Claudine, und an ihrem Ausdruck erkannte ich, dass es ihr damit völlig ernst war. »Als Schlossbesitzer habt ihr auch eine gewisse Verantwortung.«

Ich zog die Brauen hoch. »Eine Verantwortung dafür, dass die Handvoll Leute im Dorf mal wieder kräftig feiern kann und deine Nichte einen neuen Gesangsauftritt bekommt?«

»Gäste aus Saint Bart kommen auch, vergiss Solène und Mathieu nicht. Es sei denn, du willst deine beste Freundin und unseren Landarzt ausladen, und außerdem …«, fuhr Claudine mit erhobener Stimme fort, als ich etwas einwerfen wollte, »haben wir vor Kurzem Zuwachs in Courléon bekommen.«

Ich blieb überrascht stehen. Wir hatten mittlerweile fast das ganze Dorf umrundet.

»Zuwachs?« Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann zuletzt jemand nach Courléon gezogen war. Also, jemand, der nicht mit einem der bereits hier lebenden Bewohner verwandt war. Und selbst Verwandte zogen selten hierhin.

»O ja! Zwei neue Einwohner für Courléon!«, verkündete Claudine, die es offensichtlich nicht hatte erwarten können, mir diese Nachricht zu unterbreiten. »Siehst du das kleine Haus dort vorne mit den gelben Fensterläden und dem Schornstein? Das ist seit letzter Woche wieder bewohnt. Ich persönlich freue mich sehr darüber, ich fand das Häuschen schon immer viel zu schön, um es einfach verfallen zu lassen. Im Garten stehen außerdem ein paar herrliche Birnbäume, um die ich mich in den letzten Jahren gekümmert habe. Zum Glück hat die neue Mieterin nicht vor, sie fällen zu lassen.«

Claudine deutete auf zwei alte knorrige Bäume, als wir die Rückseite des Hauses passierten. Der Garten hatte noch nicht einmal einen Zaun, und das Gras ging uns fast bis zu den Knien.

»Und wer ist diese neue Mieterin?«, erkundigte ich mich. »Aus deiner Erzählung schließe ich, dass du sie schon kennengelernt hast.«

»Oh, ja, das habe ich. Pompidou und ich haben sie gestern zusammen besucht, um ein paar Willkommenstörtchen vorbeizubringen. Zum Glück mag ihr Kind Hunde.«

»Ein Kind hat sie auch?«

»Einen Jungen, ja. Ich habe sie übrigens ermutigt, sich möglichst bald einmal das Château anzusehen.«

Claudines Aussage löste einen Verdacht in mir aus.

»Einen Jungen, sagst du? Und weißt du auch zufällig, wie er heißt?«

»Julien. So wie du guckst, würde ich fast meinen, die beiden haben schon das Schloss besucht?«

»Allerdings! Seine Mutter wollte mir eine Art … Angebot … machen. Sie hat mir ihre Handynummer gegeben.«

Claudines Augen leuchteten auf, und ich bereute ein wenig, dass ich gedankenlos alles preisgegeben hatte.

»Wie interessant! Was das wohl für ein Angebot sein könnte? Nun, es freut mich jedenfalls, dass sie sich wohl aktiv ins Dorfleben einbringen möchte.«

»Verrätst du mir vielleicht auch, wie ›sie‹ eigentlich heißt? Ich fürchte, sie hat mir wirklich nur ihre Nummer gegeben.«

»Florence Rivière.«

»Florence Rivière …«

»Sie hat mir erzählt, dass Ihr Mann vor einem Jahr gestorben ist und sie für sich und ihren Sohn etwas Kleines, Ruhiges auf dem Land gesucht hat.«

»Dann ist sie in Courléon auf jeden Fall richtig.«

»Ja, nicht wahr?«, stimmte Claudine begeistert zu. Wir erreichten nun wieder den Eingang des Wäldchens. »Danke, dass du mich auf meinem kleinen Spaziergang begleitet hast.«

»Keine Ursache! Ich hoffe, Pompidou und du kommt gut nach Hause. Langsam sollte ich auch wieder den Weg zurück zum Schloss einschlagen.«

»Grüß Nicolas von mir!«

»Mach ich, à bientôt, Claudine!«

Die ältere Dame winkte mir zum Abschied, dann drehte ich mich um und ging zurück in den Wald. Nicolas machte sich wahrscheinlich schon Sorgen.

Im Schloss gab es ein Zimmer mit einem ausladenden Kamin und einem Himmelbett, von dem schwere Vorhänge herabhingen. Es sah aus wie der Schauplatz eines aufwendigen Historienfilms – und erstaunlicherweise handelte es sich um das Schlafzimmer von Nicolas und mir.

Auf dem Instagram-Account, den meine beste Freundin für das Château eingerichtet hatte, zweifelten einige daran, dass wir dort wirklich schliefen. Aber Nicolas hatte ein Faible für alles Historische, und ich musste mir auch eingestehen, dass es ganz romantisch sein konnte. Ich mochte die alte Waschkommode mit der Emaille-Schüssel, den Marmorkamin mit den Ascheflecken und den riesigen Ohrensessel, den Nicolas davorgestellt hatte – und in dem er gerade saß, als ich das Schlafzimmer betrat.

Er klappte seinen Laptop zu, den er auf seinen Knien abgestellt hatte, und sah zu mir auf. Draußen wurde es langsam dunkel, und im Zimmer brannte lediglich die Nachttischlampe.

»Hi«, sagte ich nervös und stellte mich neben den leeren Kamin.

»Da bist du ja wieder.«

»Tut mir leid, dass wir das Picknick nicht gemeinsam beendet haben.«

»Ach …« Nicolas zuckte mit den Achseln. »Erstens weiß ich bereits, dass du Zeit für dich brauchst, wenn du aufgewühlt bist, und zweitens, tja, kann ich auch verstehen, was dich bedrückt hat.«

»Wirklich?«, fragte ich überrascht, woraufhin ein Lächeln über Nicolas Gesicht huschte.

»Wirklich.« Er legte seinen Laptop weg, stand auf und griff nach meinen Händen. »Können wir … noch mal darüber reden?«

Ich seufzte. »Sollten wir nicht lieber eine Nacht darüber schlafen?«

»Wir können uns beim Reden aufs Bett setzen.«

»Ein toller Kompromiss.« Ich musste lachen.

Nicolas und ich setzten uns auf die Kante unseres uralten Himmelbetts, das wie auf Kommando ein lautes Knarzen von sich gab. Eine Weile sagte keiner von uns etwas, und wir sahen uns einfach nur in die Augen, bis schließlich Nicolas das Wort ergriff.

»Ich verstehe, dass du Guillaume nicht mehr sehen willst, und du hast auch jedes Recht dazu. Und du sollst auch wissen, dass du mir das Allerwichtigste bist. Ich werde diese Entscheidung nicht über deinen Kopf hinweg fällen.« Nicolas hob seine Hand und legte sie zärtlich an meine Wange. »Wenn es dein ausdrücklicher Wunsch ist, werfe ich seinen Brief in den Kamin, und wir vergessen das Ganze. Du bist diejenige, die mit mir zusammen eine Zukunft im Schloss aufgebaut hat. Nicht mein großer Bruder.«

Ich schluckte. Ich hatte nicht erwartet, dass Nicolas mir diese Wahl geben würde. Gleichzeitig wurde mir klar, dass ich damit auch eine undankbare Aufgabe bekommen hatte. Was, wenn Nicolas es mir eines Tages zum Vorwurf machte, dass er sich von seinem Bruder entfremdet hatte? Weil ich diejenige gewesen war, die ihm den Besuch im Château verwehrt hatte?

»Ich … denke darüber nach«, erwiderte ich leise.

Nicolas gab mir einen vorsichtigen Kuss auf die Lippen. »Danke.«

Kapitel 3

Nicolas schlief an diesem Abend schnell neben mir ein, aber ich lag noch lange wach und starrte in die Dunkelheit. Die Bettdecke hatte ich schon lange von meinem Oberkörper geschoben. Es war viel zu heiß dafür, und in meinem Kopf drehte gerade das Gedankenkarussell die tausendste Runde.

Ich wog meine Möglichkeiten ab. Wie würde sich Guillaume verhalten, sollte Nicolas ihn tatsächlich ins Schloss einladen? Was würde er tun, wenn er herausfand, dass wir sogar heiraten wollten? Wieder alles klammheimlich sabotieren wie damals am Filmset?

Aber wenn ich Guillaume untersagte, jemals wieder das Schloss zu betreten, konnte er das womöglich als Munition gegen mich verwenden. Versuchen, Nicolas zu beweisen, was für ein herzloser Mensch ich war. Ich seufzte und drehte mich auf die andere Seite.

Entweder gab es für dieses Problem keine gute Lösung, oder ich war einfach nicht in der Lage, sie zu erkennen. Mir blieb nur übrig zu hoffen, dass der nächste Tag ein paar neue Erkenntnisse brachte, aber wie man es auch drehte und wendete: Guillaume de Montenait verursachte einen Haufen Probleme – ebenso wie Hochzeiten.

Der nächste Tag brach an, und Nicolas und ich besprachen wie immer am Frühstückstisch unserer kleinen Wohnung im Schloss unsere Aufgabenliste für den Tag. Er war heute Morgen mit guter Laune aufgestanden, hatte Kaffee für mich gemacht und ein paar von Claudines Schokoladen-Eclairs auf einen Teller gelegt.

Draußen schien sich der Schönwetter-Trend fortzusetzen. Nur ein paar leichte weiße Schlieren zogen sich über den ansonsten strahlend blauen Himmel, und als ich das Fenster kippte, konnte ich die Vögel im Park zwitschern hören. Es entlockte mir ein Lächeln, als ich mich wieder zu Nicolas setzte, der seinen Laptop auf dem Tisch aufgebaut hatte. Daneben lag ein kleiner Notizblock.

»Ist das morgendliche Meeting eröffnet?«, fragte ich, während ich mir Kaffee eingoss.

Nicolas zwinkerte und schob mir seine Tasse entgegen. »Ich glaube alle Teilnehmenden sind anwesend.«

»Wunderbar, dann schieß mal los. Was steht als Nächstes für diese Woche an? Ich habe es zwar noch nicht offiziell von den Brautleuten, aber ich glaube, die Hochzeitsfeier gestern war ein voller Erfolg. Vielleicht sollten wir so etwas öfter im Schloss stattfinden lassen.«

»Hmmh …« Nicolas starrte nachdenklich auf seinen Computer. »Ich habe hier eine aktuelle Liste mit wichtigen Renovierungsarbeiten aufgestellt und bin mir bei der Priorisierung unschlüssig. Was, meinst du, kann länger warten? Die zerfallenen Einbände in der Turmbibliothek oder ein paar gesprungene Scheiben im Gewächshaus?«

»Du könntest PM wegen den gesprungenen Scheiben fragen«, schlug ich vor. »Er scheint neben der Gärtnerei auch handwerklich begabt zu sein. Was die Bibliothek angeht … ich bin kein Restaurator, aber ich fürchte, je länger wir warten, desto aufwendiger wird es, die angefressenen Bücher wiederherzustellen.«

»Seh ich genauso …« Mit gerunzelter Stirn tippte Nicolas auf seiner Tastatur. »Gut, dann werde ich mich mal nach einem Kandidaten suchen, und du könntest –«

»Ich habe tatsächlich schon einen Plan für heute.«

»Ja?« Nicolas hob interessiert den Kopf.

»Ich wollte mich mit einer möglichen Geschäftspartnerin für das Château treffen.«

»Eine Geschäftspartnerin, soso. Möchtest du mich vielleicht in die Details einweihen?«

Ich lächelte verlegen. »Ach, ich weiß noch gar nicht, ob das überhaupt zustande kommt. Beziehungsweise, ich weiß auch noch nicht, um was für ein Geschäft es sich dabei handelt.«

»Also alles sehr geheimnisvoll«, stellte Nicolas fest. »Trefft ihr euch überhaupt tagsüber oder doch lieber gegen Mitternacht in einer dunklen Gasse?«

Ich stieß Nicolas in die Seite. »Etwas mehr Ernsthaftigkeit, Monsieur.«

»Ha, ich hätte nie gedacht, dass man mich einmal als zu albern bezeichnen würde.« Nicolas klappte seinen Laptop zu. »Na, dann gehe ich mal lieber hoch in die Bibliothek, bevor es noch schlimmer wird.«

»Wir sehen uns beim Mittagessen?«

»Das auf jeden Fall!«

Nicolas gab mir einen Kuss, nahm unsere Tassen vom Tisch und räumte sie in die Spüle.

»Ich mach das schon!«, sagte ich und stand ebenfalls auf.

»Danke!« Mein Freund klemmte seinen Computer unter den Arm und ging zur Tür. »Und pass gut auf dich auf bei deinen zwielichtigen Geschäften.« Damit verließ er die Küche.

So oder so ähnlich liefen meistens unsere morgendlichen Besprechungen ab. Wir verglichen unsere Tagespläne miteinander und brachten uns in allen Angelegenheiten auf den neuesten –

»Oh, hab noch was vergessen!« Ich zuckte zusammen, als Nicolas seinen Kopf hereinstreckte.

»Und was?« Nicolas vergaß selten etwas.

»Während du gestern Abend auf deinem, ähm, Spaziergang warst, hat Solène für dich angerufen.«

»Solène?« Verwundert legte ich den Kopf schief. »Sie hat wirklich hier angerufen?«

»Ja, auf unserem Schnurtelefon im Salon.«

Das fand ich in der Tat merkwürdig, denn normalerweise zögerte meine beste Freundin nicht, mich auf dem Handy zu erreichen.

»Wie auch immer, sie hat nur gesagt, du sollst sie zurückrufen, und hat dann wieder aufgelegt.«

»Okay …«

Nicolas hob die Schultern. »Jetzt weißt du jedenfalls Bescheid. Ich hoffe, Mathieu und sie planen nicht Untermieter im Château zu werden …«

»Quatsch, Sie haben doch dieses kleine Haus neben Saint Bart gemietet.«

»Du wirst es herausfinden. Ich sollte dann mal an die Arbeit, nicht wahr? Bis dann!«

Nicolas verzog sich wieder aus der Küche. Ich spülte das Geschirr vom Frühstück und lehnte mich dann an die Küchentheke. Sollte ich Solène gleich anrufen? Ich sah auf meine Uhr. Vermutlich würde ich sie damit nur beim Arbeiten stören. Sosehr ich darauf brannte zu erfahren, was es Neues gab, es war vernünftiger, erst mit Florence Rivière zu sprechen.

Ich zog den Zettel mit ihrer Nummer aus der Hosentasche und wollte gerade den Salon ansteuern, als mir eine bessere Idee kam. Mit einem leisen Lächeln steckte ich die Nummer zurück in meine Tasche.

Erst als ich vor der hölzernen Tür des kleinen Steinhäuschens in Courléon stand, wuchsen Zweifel in mir, ob es wirklich eine gute Idee war, unser Gespräch so spontan einzuläuten. Andererseits war es bei geschäftlichen Verhandlungen immer gut, das Überraschungsmoment auf seiner Seite zu haben.

Kurzentschlossen hob ich also die Hand und klopfte. Drinnen blieb es einen Augenblick lang still, dann hörte ich ein paar energische Schritte.

Die Tür wurde aufgestoßen, und mir gegenüber stand die Frau, der ich gestern bereits im Schlosspark begegnet war: Florence Rivière. Ein paar Sekunden blinzelte sie mich überrascht an, dann breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus.

»Madame Vinet? Sie haben also schon gehört, dass die Fremde im Schloss auch eine neue Dorfbewohnerin ist?«

»In Courléon verbreiten sich Neuigkeiten rasend schnell, und ein neuer Einwohner zählt zu den sensationellen Nachrichten«, erklärte ich.

»Das hätte ich mir vermutlich denken können«, antwortete Florence und lachte. »Nun, es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie gleich persönlich vorbeischauen. Wollen Sie nicht reinkommen, damit wir über die Idee sprechen können, die ich im Sinn hatte?«

Ich lächelte zurück. »Sehr gerne!«

Florence trat beiseite, um mich hereinzulassen.

»Wir sind immer noch im Einzugsstress«, entschuldigte sie sich sofort. »Drinnen sieht es teilweise wie Kraut und Rüben aus.«

»Machen Sie sich keine Gedanken. In einem dreihundert Jahre alten Schloss ist es meistens nicht anders.«

Ich stellte schnell fest, dass es sich bei Florence’ Aussage nicht um höfliche Übertreibung gehandelt hatte. Überall im Haus standen noch halb offene Pappkartons, und von einigen Wänden ging ein penetranter Geruch nach frischer Farbe aus.

Florence führte mich in einen Raum, der wohl als Wohnzimmer gedacht war, denn an der Wand stand eine wuchtige Couch und gegenüber ein Fernseher. Dazwischen jedoch stapelten sich zu meiner Überraschung lange Stoffrollen. Drei cremefarbene Schneiderpuppen standen neben dem Fenster nach draußen, und direkt unter dem Fenster befand sich …

»Sie schneidern also?« Interessiert beugte ich mich über die elektrische Nähmaschine. Ein langes rotes Kleid mit Tüll am Ausschnitt lag daneben. »Das erinnert mich an eines der Kostüme am Filmset. Wissen Sie, einmal wurde im Schloss –«

»Ich habe schon davon gehört«, sagte die Schneiderin schmunzelnd. »Und tatsächlich habe ich meine Ausbildung zur Schneiderin an der Opéra Garnier in Paris gemacht und dort eine Weile gearbeitet.«

»An der Opéra Garnier? Beeindruckend! Ich habe auch ein paar Jahre in Paris gelebt und dort mein Studium … Aber wahrscheinlich wurde Ihnen auch das bereits berichtet.«

Florence nickte lächelnd.

»Nun dann wissen Sie ja schon, wie es mich zurück nach Courléon verschlagen hat. Verraten Sie mir, wie Sie auf die Idee gekommen sind, in die Provinz zu ziehen?«

»Aber ja, genau deswegen wollte ich mich doch mit Ihnen treffen. Suchen Sie sich gerne einen freien Platz in diesem Chaos. Ich mache uns beiden schnell etwas zu trinken. Kaffee oder Tee?«

»Ich hätte gerne einen Kaffee. Ohne Zucker, mit Milch, wenn das geht.«

»Aber natürlich!«

Florence eilte aus dem Wohnzimmer in Richtung Küche, während ich mich auf einen grünen Sessel neben der Couch niederließ. Interessiert ließ ich meinen Blick über die glänzenden Stoffballen schweifen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die neue Bewohnerin von Courléon eine begabte Näherin war. Umso neugieriger machte mich natürlich die Frage, warum sie ausgerechnet beschlossen hatte, in dieses winzige Dorf zu ziehen.

Mir blieb jedoch nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn meine Gastgeberin kam kurz darauf mit einem Tablett wieder zurück. Das Tablett war mit einer Tasse Tee und einem Becher Kaffee bestückt.

»Bitte schön!« Florence reichte mir mein Heißgetränk, dann setzte sie sich aufs Sofa und nahm ihre Tasse in die Hände. Gedankenverloren rührte sie etwas Zucker hinein.

»Nun, wo soll ich am besten anfangen …«, sagte sie. »Mein Mann … er ist vor eineinhalb Jahren gestorben. Ein unerkanntes Herzleiden. Es ging alles ganz schnell. Die Zeit danach … es war, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, und ich habe gemerkt, dass ich nicht länger in Paris bleiben konnte. Es war schon immer mein Traum, mich mit dem Nähen selbstständig zu machen, aber … ich wusste nicht, wie ich den Anfang machen sollte. Es fehlte mir auch die Kraft dazu, und dann bin ich eines Tages auf diesen Artikel über Ihren Weihnachtsmarkt gestoßen, in einem Online-Magazin.«

»Ach, der von Luisa Herzfeld!«, rief ich aus. Letzten Winter hatte eine Journalistin das Château besucht und eine Reportage über unser »verrücktes Schlossprojekt« geschrieben.

Florence nickte lebhaft. »Genau der, und irgendwas hat da in diesem Moment Klick in mir gemacht. Ich dachte mir: Das ist es! Ein Schloss könnte genau der richtige Ort sein, um meine eigene Schneiderei zu gründen. Also habe ich unsere Wohnung verkauft und nach einem Haus hier in der Gegend Ausschau gehalten. Julien war leider nicht begeistert von der Idee umzuziehen. Julien ist mein Sohn.«

»Ich weiß, er war gestern bei Ihnen.«

Florence nickte. »Er ist jetzt neun. Ich kann verstehen, dass er seine Freunde in Paris nicht verlassen wollte – und die Erinnerungen an seinen Vater. Aber er … er wird sich schon eingewöhnen.«

»Für Kinder ist es hier gar nicht so schlecht«, antwortete ich. »Es gibt im Dorf ein paar Gleichaltrige und einen wunderbaren Wald zum Erkunden – und natürlich Monsieur Bernouilles Kühe! Wenn er möchte, führt ihn vielleicht Nicolas auch einmal auf unseren höchsten Schlossturm.«

Florence lächelte. »Das wäre sehr nett von ihm.«

»Das macht er sicher gern. Wenn Sie die Nachfrage gestatten, ein Schloss ist mit Sicherheit ein inspirierender Ort, um zu schneidern, aber gäbe es in Paris nicht wesentlich mehr, na ja … Kunden?«