Das schwarze Schaf - Annette Roeder - E-Book

Das schwarze Schaf E-Book

Annette Roeder

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Beschreibung

Rätselhaftes passiert auf Baskeltorp. Der Hütehund verschwindet. Das Schwein fängt an zu spinnen. Die Katze plant einen Aufstand. Nur Texel, dem schwarzen Schaf der Herde, kommt all das gerade recht - endlich Action! Es will herausfinden, was hinter den seltsamen Vorfällen steckt. Doch selbst ein hochbegabtes Schaf stößt schnell an die Grenzen des Weidezauns. Da schaut der gemütliche Maulwurf Dr. Winnewurp genau im richtigen Moment aus seinem Haufen. Auch wenn der zunächst überhaupt keine Lust hat, Assistent eines furchtlosen Detektivs zu werden… Ein messerscharf kombinierendes Schaf und ein naturgemäß im Dunkel tapsender Maulwurf - das coolste Ermittlerteam seit Sherlock Holmes und Dr. Watson!

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Seitenzahl: 124

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Das schwarze Schaf und das Rätsel von Baskeltorp

eISBN 978-3-96129-188-5

Edel Kids Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

 

Text: Annette Roeder

Illustration: Stefanie Jeschke

Projektkoordination und Lektorat: Esther Kalb

Covergestaltung: Janina Michna unter Verwendung einer Illustration von Stefanie Jeschke

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

 

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

für W.

Hundeleben

Gutti gähnt. Bettel hat ihn wach gerüttelt. Pünktlich zur Abendrunde. Auf den kleinen Streber ist Verlass. Wird sicher mal ein guter Hütehund. Gutti kriecht aus der Hundehütte. Streckt sich. Auf geht’s. Am Gemüsegarten entlang zum Kaninchenstall. Gutti hebt das Hinterbein. Pinkelt an die Seitenwand: GUTTIWARDA! Dann mopst er Hase vom Stall ein Möhrchen. Lecker UND gut für die Zähne. Kauend trottet Gutti weiter. Nächster Stopp bei Schwein Odysseus. Guttis Kumpel hat ’nen neuen Witz auf Lager. Muss Gutti unbedingt Walliser erzählen. Auch wenn der Widder nur Bauernhof versteht. Auf der Weide grinst Gutti Lola-Bé und Lilly-Bé an. Die Mädels kichern und kriegen rosa Wolle. Süß. Herde komplett? Nein, eins fehlt. Natürlich das schwarze Schaf. Ah, da steht es ja. Abseits der Ulme im Backenklee. Nun schnell zum Stall. Mamakuh Helga hat das Kälbchen in ihre Box geschmuggelt. Ist verboten, aber Gutti wird ein Auge zudrücken. Der Bauer muss ja nicht alles wissen. Noch ein Blick in den Heuschober. Lautlos schleicht sich Gutti an seine Leibfeindin heran. Die Mieze schnurrt im Schlaf. Gutti pustet ihr den Möhrchenstrunk ins Ohr. Elisabeth I. springt auf. Faucht. Gutti duckt sich unter ihren Krallen weg. Lachend zieht er Leine. Auf dem Misthaufen kräht der Federling alle zum Abendbrot zusammen. Hoffentlich ist schon ordentlich was im Napf. Gutti leckt sich über die Lefzen. Er freut sich schon auf den kommenden Tag. Morgenrunde, Abendrunde und zwischendrin mit Vicki toben. Das Hundeleben auf Baskeltorp könnte schöner nicht sein!

Kapitel 1

Zuerst den Kopf oder den Popo? Das war hier die Frage. Dr. Winnewurp drehte den Regenwurm in seinen großen Händen und beschnüffelte ihn von allen Seiten. Was für ein Jahrhundert-Regenwurm! Gute zwanzig Zentimeter lang, schön schleimig und doch nicht wabbelig. Fünf Jahre hatte das Prachtstück bestimmt auf dem Gürtel. Und dann dieser Duft! Der Geruch von fauligem Holz und Misthaufen ließ Winnewurp die Spucke im Maul zusammenlaufen. Ein echtes Festmahl! Genau richtig, um das erste eigene Zuhause zu feiern. Gestern Abend war er endlich mit allem fertig geworden und dann mausemüde ins Moos gefallen. Dr. Winnewurp hielt inne und blickte sich stolz in seinem Wohnkessel um. Die Wände glänzten wie nackte Welpenbäuchlein. Zur Zierde hatte Winnewurp sogar ein paar Strohblumen in die Erdritzen gesteckt. Das sollte ihm mal jemand nachmachen! Selbst der dicke Moosteppich auf dem Boden war faltenlos. Trotz seiner schlechten Augen legte Winnewurp Wert auf solche Kleinigkeiten. Gleich nebenan wartete die gut gefüllte Vorratskammer. Mehrere Meter Gang würden ihn auch in Zukunft mit frischen Würmern versorgen. Und über alledem thronte ein Maulwurfshügel, der sich sehen lassen konnte. Eine solch sorgfältige Anlage brauchte ihre Zeit. Von der mühseligen Suche nach einem geeigneten Platz gar nicht zu reden. Zugegeben, es gab bessere Wohnlagen auf der Baskeltorper Weide als Pfosten 221B im Backenklee. Aber die waren entsprechend heiß umkämpft. Und Winnewurp wollte sich weder mit seinen Kollegen um einen Bauplatz streiten noch ihnen alle Rüssel lang auf dem Gang begegnen. Im Gegenteil. Er wollte einfach nur in aller Ruhe seine Regenwürmer verspeisen. Und zwar jetzt. Popo voran! Die Entscheidung war getroffen. Winnewurp sog noch einen tiefen Atemzug des modrigen Dufts ein, öffnete das Maul, streckte die Zunge heraus, um den ersten Happen Schleim zu schlecken … als plötzlich ein Brocken Erde darauf fiel.

Verdutzt ließ Winnewurp den Regenwurm sinken und spuckte den Erdbrocken aus. Dabei rieselten weitere Klumpen auf ihn herunter. Wie konnte das sein? Hatte er etwa ungenau gearbeitet und den Kessel nicht überall festgeklopft? Sehr unwahrscheinlich! So eine Schlamperei entsprach nicht seinem Wesen. An der langen Trockenheit des vergangenen Sommers konnte es auch nicht liegen. Er hatte seinen Bau tief genug angelegt, sodass die Erde immer angenehm feucht blieb. Während er noch überlegte, spürte Winnewurp ein Rütteln im ganzen Körper, das immer stärker wurde. Dann ein Donnern. Braute sich draußen ein Gewitter zusammen? Von der Decke löste sich eine Strohblume und landete genau auf seinem Kopf. Winnewurp lauschte angestrengt. Doch nun hörte er nichts weiter als Stille. Vielleicht hatte sich auch nur der Bauer mit dem Traktor an den hinteren Weiderand verirrt und bei Pfosten 221B gewendet, um zurück zum Ausgang zu knattern. Winnewurp hob den Regenwurm wieder ans Maul, streckte die Zunge heraus … und fiel rücklings um, als das Beben über ihm erneut ausbrach. Diesmal toste es, als würde eine Herde Stiere über die Wiese traben! Eine Ladung Kies prasselte auf Winnewurps Bauch. Er schaufelte sich frei und strampelte mit den Beinchen, um sich wieder aufzurappeln. So hatte er sich das Leben in seiner neuen Wohnung nicht vorgestellt! Wer oder was auch immer für den Krach verantwortlich war, sollte sofort damit aufhören!

»Darf ich um Ruhe bitten?«, rief Winnewurp in die Röhre, die vom Kessel durch den Maulwurfshügel nach draußen führte. Schlagartig war es still. So still, dass man die Rädertierchen rülpsen hören konnte.

»Na, geht doch«, stellte Winnewurp zufrieden fest. Man muss nur miteinander reden und nicht immer alles runterschlucken.

Anderes sollte allerdings schon geschluckt werden! Winnewurp erwischte den türmenden Regenwurm gerade noch am Hinterteil und zog ihn zu sich zurück. Dann öffnete er zum dritten Mal das Maul, um endlich seinen Festschmaus zu verputzen. Ein ohrenbetäubendes Krachen sorgte dafür, dass sich Winnewurp stattdessen vor Schreck auf die Zunge biss.

»Au! Was zu viel ist, ist zu viel!«, schimpfte er vor sich hin. »Ich bin ein geduldiges Tier, aber das muss ich mir nicht bieten lassen.« Der Appetit war ihmvergangen, und die Zunge schmerzte. Er stopfte den Regenwurm zurück in die Vorratskammer, verschloss den Eingang mit einer Wurzel und machte sich auf den Weg nach draußen. Auch wenn er nur sehr ungern hinauf in die Welt kletterte, die so grell und gefährlich war. Jetzt war er wirklich wütend. Am helllichten Tag, wenn anständige Tiere in Ruhe ihr Frühstück verspeisen wollten, so einen Lärm zu veranstalten. Da musste Winnewurp einschreiten und seine Grenzen klarmachen. Wer auch immer da oben herumtobte … dem Knallkäfer würde er gleich ordentlich die Meinung sagen! Doch diesen mutigen Entschluss bereute Winnewurp schneller, als er ihn gefasst hatte. Denn genau in dem Moment, als er seinen Kopf aus dem Hügel streckte, raste etwas auf ihn zu. Ein unbestimmbares, furchterregendes Objekt. Ein UFO? Weiß wie eine Wolke, wollig wie …

»Ein Schafspopo! Das glaubt mir doch kein SCHW…MPF!«, schrie Winnewurp, bevor ihm ein Büschel Haare das Maul verstopfte.

Kapitel 2

»Schwmpf?«, wiederholte Texel. Drehte es jetzt durch, weil es zum dritten Mal mit dem Kopf gegen den Pfosten gekracht war? Aber diese Stimme kam nicht aus seinem Gehirn. Sie kam vom anderen Ende seines Körpers.

»Mein Hintern kann sprechen?«, fragte sich Texel. Dies war außergewöhnlich, selbst bei einem hochbegabten Schaf.

»Bflöbpfin!«, antwortete die Stimme. »Pfanna nipf!«

Wenn nicht sein Hintern sprach, wer dann? Texel beschloss dem Rätsel auf den Grund zu gehen. Schließlich war das Entschlüsseln von Rätseln seine Leidenschaft. Während andere Schafe Gras kauten, kauten und noch mal kauten, fütterte Texel lieber sein Gehirn mit Denkaufgaben. Diese hier war einfach zu lösen. Texel rückte zur Seite.

Ein Prusten erklang. »PFFLLP!«

Dann sagte die Stimme überraschend deutlich: »Sehr freundlich, dass du deine Wolle aus meinem Maul nimmst. Als dein neuer Mitbewohner im Backenklee 221B wollte ich dich nämlich darum bitten, nicht so auf mir herumzutrampeln. Besten Dank und guten Tag!«

Ächzend erhob sich Texel auf seine vier Klauen. Zu seinem Bedauern waren Schafe von Natur aus nicht mit besonders sportlichen Körpern ausgestattet. Auch wenn Texel täglich dagegen antrainierte. Es drehte sich um und streckte den Kopf hinunter zu einem platt gedrückten Maulwurfshügel. Scheinbar war sein neuer Nachbar darin gerade wieder verschwunden.

»Wart mal, du!«, rief Texel hinunter. Es wäre nicht das klügste Schaf der Welt gewesen, wenn ihm nicht gerade ein großartiger Einfall gekommen wäre. DIE Lösung für sein Problem! Aufgeregt setzte es nach: »Ich verspreche dir, sofort mit der Trampelei aufzuhören. Aber das geht nur, wenn du mir hilfst! Hast du mich gehört?«

Es dauerte nicht lange, da wuchs vor Texels Augen ein neuer Maulwurfshaufen. Schließlich erschienen in dessen Mitte zwei Grabhände mit extrem schmutzigen Fingernägeln, ein sternförmiges Rüsselchen und zuletzt ein samtig schwarzer Pelzkopf, in dem mohnkornkleine Augen glitzerten.

»Doktor W. Winnewurp ist zwar beinahe blind, aber ganz und gar nicht taub!«, sagte der Maulwurf säuerlich. »Was kann ich für dich tun?«

»Wofür steht das W?«, wollte Texel zuerst wissen. Seiner Aufmerksamkeit entging nie etwas. Denn alles im Leben konnte eine Bedeutung haben. Selbst die kleinste Kleinigkeit. Und wenn es sich dabei nur um vereinzelte Buchstaben handelte.

»Das W steht für einen Vornamen, den ich mir nicht ausgesucht habe«, antwortete Winnewurp geheimnisvoll.

Texel grinste. Schon wieder ein neues Rätsel, das es lösen konnte! Dieser kleine Doktor gefiel ihm. Er schien genau der Richtige für Texels Plan zu sein. Also stellte es sich nun selbst vor: »Ich bin Texel. Das schwarze Schaf von Baskeltorp.«

»Schwarz?« Winnewurp riss erstaunt die Augen auf. »Da muss ich wohl meine Brille besser putzen.«

»Nein, nein, ich bin weiß«, beruhigte ihn Texel. »Zumindest überwiegend.« Dann erklärte es stolz: »Man nennt mich deswegen das schwarze Schaf, weil ich das Ausnahme-Schaf der Herde bin.«

»Das ist mir in der Tat auch schon aufgefallen«, bestätigte Winnewurp. »Kein normales Schaf fliegt rückwärts durch die Luft und presst mit seinem Hinterteil harmlose Maulwürfe platt. Erklärst du mir jetzt bitte, warum du wie eine betrunkene Gans durch die Luft eierst und wie ich dir helfen kann? Ich würde dann nämlich gerne in Ruhe meinen Regenwurm essen.«

Daraufhin kletterte der Maulwurf ganz aus dem Loch und machte es sich auf dessen Rand bequem. Dabei wellten sich kleine Speckfalten an seinem Bauch. Das Kerlchen sah nicht so aus, als würde es verhungern, wenn es ein paar Minuten auf sein Essen warten musste! Da konnte Texel ruhig etwas ausholen. Es begann vor Winnewurp auf und ab zu laufen, während es ihm seine Gedanken darlegte: »Die Sache ist die: Aus einem sehr, sehr dringenden Grund muss ich schleunigst aus dieser Weide heraus. Durch gründliche Überlegung bin ich darauf gekommen, dass es für meinen Ausbruch genau zwei Möglichkeiten gibt:

A über den Weiderost

B über den Weidezaun

Gegen diese Möglichkeiten spricht bei genauerer Überlegung jedoch:

A Schafe können nicht fliegen

B Schafe können nicht fliegen!«

Texel blieb kurz stehen und beobachtete Winnewurps Reaktion auf diese messerscharfe Erkenntnis. Der nickte zustimmend. Zufrieden fuhr Texel fort: »Daraus wäre auch ein weniger kluger Kopf als ich zu folgenden Schlussfolgerungen gekommen:

A der Weiderost muss weg

B der Weidezaun muss weg!«

Jetzt machte Texel wieder eine kunstvolle Pause.

»Und weiter?«, fragte Winnewurp geduldig.

»Nach Durchführung von A, der Weiderost muss weg, würde darunter eine Grube zurückbleiben«, sagte Texel. »Hier kommen sofort die Gegenargumente A und B, Schafe können nicht fliegen, zum Tragen. Du kannst mir noch folgen?«

Ohne Winnewurps Antwort abzuwarten, führte es weiter aus: »Aus diesem Grund habe ich mich für Schlussfolgerung B, der Weidezaun muss weg, entschieden.«

Winnewurp hatte gut aufgepasst. Denn nun zog er seine eigenen Schlüsse: »Deswegen also der Radau. Du wolltest einen der Zaunpfosten umstoßen. Und zwar Nummer 221B im Backenklee. Den kann der Bauer vom Hof aus nicht sehen, und selbst die Herde hat diesen Teil der Weide selten im Blick, weil die Ulme ihn gut abschirmt.«

»Bist ja weniger dämlich, als ich dachte!« Texel freute sich über den Scharfsinn seines neuen Bekannten. »Es gibt nur ein Problem. Der Vollpfosten will einfach nicht nachgeben. Obwohl ich nun schon dreimal mit Karacho dagegengerannt bin, hat er sich keinen Millimeter vom Fleck bewegt.«

»An deiner Stelle würde ich das auch lieber lassen. Bei jedem Aufprall gehen in deinem Gehirn nämlich kostbare Zellen kaputt.« Um seine Worte zu untermalen, tippte sich Winnewurp gegen die Stirn.

»Davon besitze ich zwar mehr als ihr einfachen Gemüter, trotzdem wäre es schade drum«, stimmte ihm Texel zu. »Und deswegen habe ich mich gerade für Möglichkeit C entschieden: Ausbruch aus der Weide UNTER dem Weidezaun hindurch.«

»Ich möchte dich ja nicht kränken«, warf Winnewurp ein, »aber bei deiner Figur erscheint mir das unmöglich. Ein Fass könnte schließlich auch nicht unter dem Zaun hindurchrollen.«

»Hart, aber wahr«, bestätigte Texel. »Deshalb kommst du ins Spiel. Du kannst dich mit deinen praktischen Schaufelhänden nämlich ganz einfach unter jedem Zaun durchgraben.«

Besorgt runzelte Winnewurp die Stirn. Er schien zu ahnen, worauf Texel hinauswollte. »Das könnte ich vielleicht. Doch wozu? Du verlangst doch hoffentlich nicht von mir, da draußen etwas Gefährliches zu unternehmen?«

»Iwo. Dein Job ist völlig harmlos«, beruhigte ihn Texel. »Du sollst nur kurz rüber in den Wald spazieren und einem Freund von mir eine Botschaft überbringen!«

»Wenn du mich dann in Ruhe meinen Regenwurm essen lässt, mach ich das gerne«, sagte Winnewurp sichtlich erleichtert. »Wie lautet die Botschaft?«

»Sag meinem Freund einfach, dass er mich auf keinen Fall hier besuchen soll. Bis ich ihm etwas anderes mitteilen lasse.«

Nachdem Winnewurp Texels Worte leise für sich wiederholt hatte, fragte er: »Und wer ist dieser Freund?«

Texel sah sich um, ob sie auch niemand hören konnte. Aber keiner kümmerte sich um sie. Die Tiere des Bauernhofs gingen alle ihren gewöhnlichen Morgenbeschäftigungen nach: Das Schwein Odysseus grub mit seinem Rüssel grunzend den Obstgarten um. Hier lagen scheinbar immer noch einzelne, halb verfaulte Äpfel im Gras. Der Großteil der Heidschnucken folgte Widder Walliser zum hinteren Ende der Weide. Mamakuh Helga streckte ihren Kopf über die halb geöffnete Stalltür und muhte ihnen entgegen. Im Bach planschten schnatternd mehrere Gänse. Und die Schafsmädchen Lola-Bé und Lilly-Bé, die Texel und Winnewurp am Nächsten standen, waren in ihr übliches Geblöke vertieft und würden sicher nichts mitbekommen.

Trotzdem senkte Texel die Stimme zu einem Flüstern, als es Winnewurp auf seine Frage antwortete: »Mein Freund ist der böse Wolf.«

Dann setzte es sich schnell auf das Loch im Maulwurfshügel. Eine Nanosekunde bevor Winnewurp hineinspringen und abhauen konnte. Denn Texel war schließlich kein doofes Schaf!

Kapitel 3

Dieses Schaf hatte kein geniales Gehirn, sondern einen gewaltigen Vogel im Kopf!

»Das kommt überhaupt nicht infrage! Ich gehe nicht zum bösen Wolf!«, protestierte Winnewurp und verschränkte die Arme vor der Brust. Er starrte auf Texels Po, der immer noch auf dem Eingang zu seiner Wohnung saß. »Da kannst du mir den Rückweg versperren, bis dein Allerwertester Wurzeln schlägt.«

Doch Texel bewegte sich keinen Zentimeter vom Fleck. »Hör doch erst mal …«, setzte es an.

Bevor es weitersprechen konnte, stopfte sich Winnewurp schnell die Zeigekrallen in die Ohrlöcher. »Oh nein! Jetzt hörst du erst mal mir zu!«, übertönte er Texel. »Mein Leben ist nicht besonders aufregend. Kein Schriftsteller wird jemals ein Buch darüber schreiben. Aber es ist gemütlich, und ich liebe es! Und deswegen werde ich mich nicht einfach auffressen lassen, sondern lieber selbst meine Regenwürmer fressen. Basta.« Er schnaubte, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Der Wind blies ihm dabei den süßlichen Geruch von Katze in den Rüssel. Zwischen den Blättern der großen Ulme entdeckte Winnewurp gleich darauf die Ursache dafür: Elisabeth I. verfolgte ein Eichhörnchen in die Baumkrone. Zum Glück war sie zu abgelenkt, um Winnewurp gefährlich zu werden. Da war das irre Schaf mit seinen Forderungen eindeutig die größere Bedrohung. Jetzt stupste es ihm sanft mit den Nüstern gegen den Bauch und sagte: »Der böse Wolf würde dich niemals fressen. Außerdem ist er gar nicht so böse. Ich kenne meinen Freund. Für ihn bist du nicht mehr als ein Krümel, den es nicht zu kötteln lohnt.«

Natürlich hatte Winnewurp trotz der Krallen in seinen Ohren jedes Wort verstanden. Das war wirklich frech! Er stemmte die Schaufeln in die Seite und empörte sich: »Erst trampelst du wie ein tollwütiges Warzenschwein über meinem Kopf hin und her. Dann mäkelst du an meiner Intelligenz herum. Danach willst du mich für einen Botengang zu einem gemeingefährlichen Mörder in den Wald schicken. Und jetzt beleidigst du mich auch noch als Krümel! Du denkst wohl, ich lasse mir alles gefallen, nur weil ich klein bin? Da täuschst du dich aber ganz gewaltig, du … du selbstgefälliges Filzknäuel.« Noch nie hatte er jemandem so mutig und klar seine Meinung ins Gesicht gesagt. Aber es musste sein. Jede Milbenplage war erträglicher als dieses Tier! Doch da passierte etwas Unerwartetes: In Texels linkem Augenwinkel begann es verdächtig zu glitzern. Winnewurp wollte es zuerst nicht wahrhaben, aber er hatte sich nicht getäuscht. Das war eindeutig eine Träne! Sofort verpuffte der Ärger in Winnewurps Brust und machte einer heißen Welle Mitgefühl Platz. Das arme Schaf schien die Sorge um diesen Wolf ja viel schlimmer zu quälen, als er zunächst angenommen hatte. »Ach du meine Güte, Texelchen, du wirst doch wegen dieses Wolfs jetzt nicht weinen?«, fragte er.

»Schafskäse. Ich weine niemals«, widersprach Texel schroff. Doch gleichzeitig rollte die Träne über die lustigen weißen Sommersprossen auf seiner schwarzen Backe, fiel auf Winnewurps Bauch und tropfte von dort auf den Boden. Offensichtlich schämte sich Texel auch noch für seine tiefen Gefühle. Das war ja nicht auszuhalten! Winnewurp musste beinahe mitweinen. Er räusperte sich, um den kratzenden Zwergfrosch in seinem Hals zu vertreiben. »Vielleicht erklärst du mir erst mal, warum ich dem Wolf überhaupt diese Nachricht für dich überbringen soll«, schlug er vor.

Aus Texels rechtem Auge tropfte nun auch eine Träne, aber es grinste schon wieder, während es eifrig berichtete: »Okay. Unser Hütehund Gutti ist heute Nacht spurlos verschwunden. War am Morgen einfach weg. Und jetzt schau dir das hier an …« Es deutete mit dem Kopf auf den schmalen Grasstreifen hinter Pfosten 221B.

»Ein abgenagter Möhrchenstrunk neben … pfui Teufel … einem Kackhaufen«, sagte Winnewurp und verzog den Rüssel. »Du hast recht, das ist höchst eigenartig. Wer hat da wohl das Möhrchen fallen lassen?«

»Aber nein, dieser Biomüll interessiert doch kein Schwein. Es geht um die Wurst!«, sagte Texel. »Das ist Wolfslosung! Bettel hat sie sofort entdeckt und dem Bauern gezeigt. Der hat das Gewehr aus dem Schrank geholt und will nun in den Nächten Wache schieben, bis er den Wolf erwischt.«

»Der böse Wolf hat also den ersten Hütehund von Baskeltorp verschleppt und wahrscheinlich gefressen«, fasste Winnewurp zusammen. »Das hat der zweite Hütehund dem Bauern gemeldet. Dass der Wolf dafür vom Bauern eines auf den Pelz bekommt, geschieht ihm mehr als recht, finde ich.« Warum wollte Texel das Untier überhaupt beschützen?

Texel sprang auf und stampfte ungeduldig mit den Klauen. »Du Hirni, das ist genau das Gegenteil von gerecht! Wer behauptet, der Wolf hätte nichts anderes verdient, ist pupsdumm. Immer diese Vorurteile gegen diejenigen, die man nicht kennt!«

Winnewurp kratzte sich den Kopf. Sein Magen knurrte inzwischen so laut, dass er kaum denken konnte. »Du bringst mich ganz durcheinander. Ich habe überhaupt nichts gegen Fremde, solange sie mich in Ruhe lassen«, versuchte er Texel zu beschwichtigen. Dann fragte er: »Aber wieso sollte der Wolf unschuldig sein, wo er doch so offensichtlich sein Kacka hinterlassen hat?«

»Weil … also«, Texel begann plötzlich zu stottern, »weil er … weil ich … weil er und ich …«, plötzlich platzte es heraus: »… weil wir zwei die ganze Nacht miteinander